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German Pages 834 [832] Year 2019
Stefan Butter Die USA und ihre Bösen
Histoire | Band 163
Stefan Butter, geb. 1980, unterrichtet Geschichte und Deutsch an einem Gymnasium in Tübingen.
Stefan Butter
Die USA und ihre Bösen Feindbilder im amerikanischen Spielfilm 1980-2005
Diese Studie wurde im Wintersemester 2018/19 von der Philosophischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: Jorge Simonet, Sala de cine, wikipedia.org (Detail) Lektorat & Satz: Stefan Butter Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4976-5 PDF-ISBN 978-3-8394-4976-9 https://doi.org/10.14361/9783839449769 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download
Inhalt
Vorwort | 9 Einleitung | 11
TEIL I: VOM ›REICH DES BÖSEN‹ ZUM REICH DES CHAOS 1
Die letzte Hochphase des Kalten Krieges | 49
1.1 »Paying the price for too many years of softness«: Die UdSSR als Aggressor | 49 1.2 »People weren’t meant to live like this«: Freiheit gegen Unterdrückung | 70 1.3 »A true case of David and Goliath«: Rocky IV und der Kampf der Systeme | 80 1.4 »Do we get to win this time?«: Der Kalte Krieg und das Vietnam-Trauma | 90 1.5 »Just because our governments are behaving like asses doesn’t mean that we have to«: Gegenstimmen | 114 Aus Feinden werden Freunde | 129 2.1 »We’re all just people«: Humanisierung des Gegners | 129 2.2 »Do I look like the enemy?«: Partner gegen gemeinsame Feinde | 143 2.3 »A brave new world«: Das Ende des Ost-West-Konflikts | 153 2
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»Russia – what a fucking mess!«: Das Bild Russlands nach dem Ende des Ost-West-Konflikts | 169
TEIL II: EINE WELT VON FEINDEN Kalter-Krieg-Nostalgie | 201 1.1 »I’m the bad guy? How did that happen?«: Falling Down nach dem Kalten Krieg | 201 1.2 »A whole new ball game«: Die unsichere neue Weltordnung | 217 1.3 »It’s just not simple anymore«: Die Sehnsucht nach einer manichäischen Welt | 235 1
Nazis überall | 249 2.1 »I’ll just call you Adolf«: Das südafrikanische Apartheidregime | 249 2.2 »A chance to punch some Nazi in the face«: Die Serben als Völkermörder | 269 2.3 »Of course, put a German on it«: Deutsche, Nazis und das Bild vom Bösen | 282 2
Die ›gelbe Gefahr‹ | 295 3.1 »We’re fighting each other when we should be fighting them«: Die Vietnamesen zwischen Dämonisierung und Marginalisierung | 295 3.2 »Business is war«: Die Wirtschaftssupermacht Japan | 330 3.3 »The Next Cold War?«: Das aufstrebende China | 360 3.4 »The west will shake with fear«: Der ›Schurkenstaat‹ Nordkorea | 375 3
4
Der ›Krieg gegen die Drogen‹ | 379
4.1 »The evil empire of recreational drugs«: Vom Kalten Krieg zum Drogenkrieg | 379 4.2 »It’s a war«: Die Fantasie vom militärischen Sieg in Lateinamerika | 396 4.3 »I don’t know how you wage war on your own familiy«: Traffic und die Kritik am ›Krieg gegen die Drogen‹ | 418
TEIL III: DER ›KRIEG GEGEN DEN TERROR‹ Terrorismus als Bedrohung der USA | 437 1.1 »Communist inspired guerilla terrorists«: Die Ursprünge des war on terror im Kalten Krieg | 437 1.2 »We are at war with terror«: Vom rhetorischen zum echten Krieg | 470 1.3 »We will bring the war home to you«: Drogenhändler und Guerillas als Narcoterroristen | 498 1.4 »I understand why he’s doing what he’s doing«: Die besondere Behandlung der IRA | 521 1
Die Rolle der ›Schurkenstaaten‹ | 533 2.1 »Round up the usual suspects«: Die Entwicklung des ›Schurkenstaaten‹Konzepts | 533 2.2 »This lunatic is not gonna reason«: Die Logik der Präemption | 563 2.3 »The ghost of Vietnam«: Das Problem des schwachen Feindes | 586 2
Die islamische Welt | 607 3.1 »What is it with these Arabs anyway?«: Alte Feinde und neue Sorgen | 607 3.2 »World War IV«: Der Islam als zentrale Bedrohung nach dem Kalten Krieg | 629 3.3 »The sword of Allah«: Totalitarismus und irrationale Gewalt im Feindbild Islam | 652 3.4 »God help her!«: Juden, Christen und Frauen als Opfer von Muslimen | 675 3.5 »Waste the motherfuckers!«: savage war und die Rechtfertigung von Verbrechen | 697 3
Zusammenfassung und Ausblick | 725
Verzeichnisse | 749
Abkürzungen | 749 Filme und Serien | 751 Weitere Quellen und Literatur | 764 Personen- und Filmregister | 811
Vorwort
Die vorliegende Arbeit hat mich fast 14 Jahre lang begleitet. Dass sie nun abgeschlossen ist und veröffentlicht wird, verdanke ich nicht zuletzt der Unterstützung, die mir während dieser Zeit von verschiedenen Seiten zuteil geworden ist. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Georg Schild, der sich im Jahr 2005 sofort bereit erklärt hat, mein ungewöhnlich erscheinendes Projekt zu betreuen, und dies über all die Jahre kritisch und interessiert getan hat. Mein Zweitgutachter Herr Professor Dr. Michael Hochgeschwender hat mir mit Fragen und Hinweisen zu vielen Details weitergeholfen. Beiden möchte ich insbesondere für die unermüdliche Geduld danken, mit der sie den aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit sehr langen und zerfaserten Entstehungsprozess begleitet haben. Die Gerda Henkel Stiftung hat es mir durch ein Promotionsstipendium ermöglicht, mich zumindest in den ersten beiden Jahren ganz auf meine Dissertation zu konzentrieren und zahlreiche Filme anzuschaffen. Zu Dank verpflichtet bin ich auch dem Heidelberg Center for American Studies, das mich im April 2007 zu seiner Spring Academy eingeladen und mir die Möglichkeit gegeben hat, mein Projekt in diesem Rahmen zu präsentieren und Feedback von den anderen Teilnehmern zu bekommen. Vor allem habe ich auf diese Weise Alicja Syska kennengelernt, mit der ich mich in der Folge intensiv über den Kalten Krieg im Film und amerikanische Darstellungen Osteuropas austauschen konnte und die mir zudem großzügig den Zugang zu hilfreichen Ressourcen eröffnet hat. Von unschätzbarem Wert waren die Kommentare meines Bruders Michael, von dessen scharfem Verstand und profunder Kenntnis der amerikanischen Kulturgeschichte ich immer wieder profitieren konnte. Franziska Sauerer hat die gesamte Arbeit Korrektur gelesen. Dank ihrer Mühe konnten zahlreiche Fehler getilgt werden. Alle, die dennoch vorhanden sind, habe selbstverständlich ich allein zu verantworten. Hilfreiche Anmerkungen zur Einleitung verdanke ich außerdem Barbara Ketterle. Danken möchte an dieser Stelle auch meinen anderen Freunden, die in diesen Jahren auf unterschiedlichste Weise für mich da waren, sowie allen Kolleginnen, Kollegen und Bekannten, deren regelmäßige Frage »Und was macht die Doktorarbeit?« ein Ansporn war, die Fertigstellung nicht aus den Augen zu verlieren. Der letzte und größte Dank gilt meinen Eltern, deren Unterstützung ich mir immer sicher sein konnte und die in meiner Kindheit und Jugend meine Leidenschaft sowohl für Geschichte als auch für Filme geweckt und genährt und damit den Grundstein für diese Arbeit gelegt haben. Sie ist ihnen gewidmet. Tübingen, im August 2019
Stefan Butter
Einleitung »Every search for a hero must begin with something that every hero requires: a villain.« Mission: Impossible II (2000)
Im Februar/März 2006 erregte ein Spielfilm die Gemüter in Deutschland: Kurtlar vadisi: Irak (2006, deutsch: Tal der Wölfe – Irak) greift einen Vorfall auf, bei dem US-Truppen im Juli 2003 im Nordirak mehrere türkische Offiziere festgenommen und mit schwarzen Säcken über dem Kopf abgeführt hatten. Im Film wird diese vermeintliche nationale Demütigung von dem Agenten Polat Alemdar gerächt, im Kampf gegen einen amerikanischen Kommandeur, der in göttlichem Auftrag zu handeln beansprucht und dessen Schergen Zivilisten massakrieren und Organe irakischer Gefangener nach Tel Aviv verschicken. Auf einer populären Fernsehserie basierend, wurde Kurtlar vadisi: Irak nicht nur in der Türkei selbst ein großer Kassenerfolg, sondern fand auch unter der türkischstämmigen Bevölkerung in der Bundesrepublik, wo er vielerorts noch vor dem Kinostart der Synchronfassung im türkischen Original zu sehen war, ein großes Publikum. Eben dieser Umstand rief Besorgnis hervor: Angesichts von Presseberichten über die aggressive Botschaft des Films und verstörende, weil begeisterte Reaktionen der türkischstämmigen Zuschauer1 darauf appellierte der Zentralrat der Juden in Deutschland an die Kinobetreiber, Kurtlar vadisi: Irak aus dem Programm zu nehmen, um nicht »den Hass auf jüdische Menschen und die Attacken auf Werte der westlichen Zivilisation« zu unterstützen.2 Auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber forderte die Absetzung »[d]iese[s] unverantwortliche[n] Film[s]«, der »[r]assistisch und antiwestlich« sei und nicht die Integration fördere,3 eine Argumentation, der sich auch Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) anschloss.4 Dessen bayerischer Amtskollege Günther Beckstein entsandte wiederum »Leute der Sicherheitsbehörden« in die Kinos, um sich über die Publikumsreaktionen berichten zu lassen.5 Zwar kam es in der Folge nicht zu einer allgemeinen Absetzung 1
2 3 4 5
Mit Nennung der männlichen Funktionsbezeichnung ist in dieser Arbeit, sofern nicht anders gekennzeichnet oder aus dem Kontext eindeutig erschließbar, immer auch die weibliche Form mitgemeint. Zitiert nach »Explodierende Emotionen«, in: SZ 18./19.02.2006; dort auch beispielhafte Zitate aus den Schlagzeilen der Presse. Zitiert nach »Die falsche Antwort«, in: SZ 20.02.2006. »Ein Drama, eine Tragödie«, in: SZ 03.03.2006. »Die Hooliganisierung des Publikums«, in: SZ 23.02.2006.
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des Films oder gar zu einem Verbot, wirkungslos blieb die Empörung aber nicht. Tatsächlich nahm die größte deutsche Kinokette Cine-Maxx Kurtlar vadisi: Irak aus dem Programm, und die FSK setzte die zeitweilig auf 16 herabgestufte Altersfreigabe nach kurzer Zeit wieder auf 18 hinauf. Beide Entscheidungen wurden etwa vom bayerischen Medienminister Eberhard Sinner mit Beifall bedacht, der in diesem Zusammenhang noch einmal von einem »Hass-Film« sprach, einem »Machwerk aus Gewaltverherrlichung, islamistischer Hetze und aggressivem Nationalismus«.6 In den USA löste Kurtlar vadisi: Irak keine vergleichbare Debatte aus, da er hier gar nicht in den Kinos lief, sondern lediglich am 29. Juli 2006 im Rahmen des zweiten Muslim Film Festival in Freemont (Kalifornien) aufgeführt wurde.7 Nichtsdestotrotz nahmen auch hier einige Medien Notiz von der türkischen Produktion und äußerten Besorgnis über die Anstachelung von Antiamerikanismus und mögliche daraus erwachsende Gefahren für US-Amerikaner in Übersee. Der MSNBC-Moderator Joe Scarborough etwa kritisierte deshalb die amerikanischen Schauspieler Billy Zane und Gary Busey heftig für ihre Mitwirkung an dem Film.8 Am Beispiel von Kurtlar vadisi: Irak zeigt sich exemplarisch die Bedeutung der beiden Untersuchungsgegenstände, die im Zentrum dieser Arbeit stehen: Feindbilder und Filme. So lag der Sorge über die Reaktionen der Zuschauer offenkundig die Überzeugung zugrunde, dass Spielfilme ihr Publikum nicht nur unterhalten, sondern auch beeinflussen und dadurch sogar gefährlich sein können. In Deutschland mag man in diesem Zusammenhang zunächst an die über 40 sogenannten Vorbehaltsfilme denken, Produktionen aus dem Dritten Reich wie Hitlerjunge Quex (1933) und Jud Süß (1940), die nur mit einer speziellen Genehmigung und im Rahmen einer geschlossenen Veranstaltung, die sich kritisch mit dem Gezeigten auseinandersetzt, vorgeführt werden dürfen.9 Hier liegt die Problematik auf der Hand, handelt es sich doch um staatliche Propaganda, mit der die nationalsozialistische Diktatur ihre menschenverachtende Ideologie verbreiten wollte. Aber auch unter ganz anderen Umständen entstandene Filme, die frei zugänglich sind, gelten mitunter als alles andere als harmlos, so zum Beispiel The Birth of a Nation (1915), der als filmisches Meisterwerk ebenso berühmt wie als rassistisches Machwerk berüchtigt ist. Tatsächlich hatte D.W. Griffiths Epos über den amerikanischen Bürgerkrieg und die Reconstruction erheblichen Anteil an der Renaissance des darin glorifizierten Ku Klux Klan im frühen 20. Jahrhundert.10
Zitiert nach »Jugendliche raus«, in: SZ 13.03.2006. Siehe außerdem »Die Hooliganisierung des Publikums«, in: SZ 23.02.2006. 7 Dazu http://www.zombietime.com/valley_of_the_wolves/ (31.08.2016). 8 Siehe dazu Necati Anaz/Darren Purcell, »Geopolitics of Film: Valley of the Wolves – Iraq and Its Reception in Turkey and Beyond«, in: The Arab World Geographer/Le Géographe du monde arabe 13:1 (2010), 34-49, hier: 39f. 9 Dazu http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=4961 (21.08. 2017). 10 Vgl. Richard Maltby/Ian Craven, Hollywood Cinema: An Introduction, Oxford 1995, 365; David Culbert, »Schurken, Exzesse, Verschwörungen: Tatort Kino. Der amerikanische Film«, in: Rainer Rother (Hg.), Mythen der Nationen. Völker im Film, München/Berlin 1998, 231-48, hier: 237f. 6
Einleitung | 13
Auch dies könnte man für ein extremes Beispiel halten, das eher die Ausnahme als die Regel repräsentiert. Fakt ist aber, dass alle Filme, auch die seichte Liebeskomödie oder der Animationsfilm für Kinder, als Produkte ihrer jeweiligen Gesellschaft Vorstellungen und Werte transportieren: Sie vermitteln immer bestimmte Konzepte davon, was erstrebens- und was verdammenswert, was richtig und was falsch, was gut und was böse ist. Gerade dass dies im Gewand der Unterhaltung geschieht, dürfte dabei in vielen Fällen einen größeren Effekt garantieren, als er einem offensichtlichen Belehrungsversuch beschieden wäre,11 zumal wenn beim Zuschauer starke Emotionen geweckt werden12 – unabhängig davon, ob dies Teil einer bewussten Strategie der Beeinflussung ist oder nicht. Das berühmte Dictum des Filmmoguls Samuel Goldwyn »Messages are for Western Union«13 ist also unzutreffend und uneinlösbar, denn Filme können gar nicht anders, als Botschaften zu transportieren, selbst wenn ihre Macher das nicht wollten. William J. Bennett verglich als Berater des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Bob Dole im Jahr 1996 den Einfluss Hollywoods gegenüber der New York Times gar mit dem der katholischen Kirche im Mittelalter und erklärte: »I believe what is done here has more impact on the country overall than what is done in Washington: the country’s sense of itself, its morale, and its direction«.14 Die Bedenken und Vorwürfe, in deren Kontext Bennett der Filmindustrie derartige Macht zuschrieb, waren dabei nicht neu. Hollywood sah sich zu jeder Zeit mit der Kritik konfrontiert, das moralische Fundament der Gesellschaft zu zerstören. Der in den 1920ern eingeführte und bis in die 1950er Jahre gültige Production Code als Mittel der Selbstzensur war eine Reaktion darauf und stellt ein beredtes Zeugnis von Moralvorstellungen und Tabus der Zeit dar.15 Auf der anderen Seite gab es auch immer wieder Bestrebungen offizieller Stellen, den Einfluss der Filmindustrie nutzbar zu machen, insbesondere in Kriegszeiten. So forderte das Weiße Haus während des Zweiten Weltkrieges bereits die Unterstützung eines interventionistischen Kurses ein, als die USA offiziell noch neutral waren.16 11 Vgl. Gary Crowdus, »Preface«, in: ders. (Hg.), The Political Companion to American Film, Chicago/London 1994, xi-xii, hier: xii. 12 Den Vorteil einer emotionalen Ansprache machen sich auch Dschihadisten zunutze, wenn sie Lieder als Mittel der Rekrutierung einsetzen; siehe dazu »Dschihad-Pop«, in: SZ 23./24.07.2016. 13 Zitiert nach Terry Christensen, Reel Politics: American Political Movies from »Birth of a Nation« to »Platoon«, New York 1987, 1. 14 Zitiert nach »Public Endorses Uplifting Movies, Dole Tells Hollywood«, in: NYT 31.07. 1996. 15 Der Production Code (auch Hays Code) ist abgedruckt in Anne-Marie Bidaud, Hollywood et le rêve américain: Cinéma et idéologie aux Etats-Unis, Paris 1994, 72-5. Er verbot u.a. »lustful kissing«, »[m]iscegenation« und »profanity« auf der Leinwand (ebenda, 73). Siehe hierzu auch Richard Maltby, »Zensur und Selbstkontrolle«, in: Geoffrey Nowell-Smith (Hg.), Geschichte des internationalen Films, übers. von Hans-Michael Bock u.a., Stuttgart u.a. 1998, 215-26. 16 Thomas Schatz, »Hollywood: Der Siegeszug des Studiosystems«, in: Nowell-Smith (Hg.), Geschichte des internationalen Films, 204-15, hier: 213; siehe außerdem Bidaud, Hollywood et le rêve américain, 93 u. 102-8.
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Während man in diesem Fall die eigene Bevölkerung im Visier hatte, machte und macht seine beherrschende Stellung im internationalen Filmgeschäft Hollywood darüber hinaus nicht zuletzt zu einem wesentlichen Träger des weltweiten kulturellen Einflusses der Vereinigten Staaten.17 Als solcher spielte es etwa in der globalen Auseinandersetzung des Ost-West-Konfliktes eine wichtige Rolle als Vermittler amerikanischer Werte und eines positiven Bildes der USA – durchaus auch bewusst, wie die Aussage eines Produzenten aus dem Jahr 1953 belegt, der die Aufgabe des Kinos im Kalten Krieg als »indoctrinating people into the free way of life« beschrieb.18 Im selben Jahr nötigte, wie erst vor kurzem bekannt wurde, die CIA die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die italienisch-französische Komödie Don Camillo (1952) nicht in die Endauswahl für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film aufzunehmen, weil man eine Produktion mit einem kommunistischen Bürgermeister als Sympathieträger nicht auf solche Weise geadelt sehen wollte.19 Auch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 suchte und erhielt die Regierung im ›Krieg gegen den Terror‹ die Unterstützung der Film- und Fernsehindustrie. »[A]mong ideas that could be discussed«, berichtete die New York Times unter Berufung auf die Teilnehmer eines Treffens mit dem Präsidentenberater Karl Rove im November 2001, »are efforts to create public service spots for TV and movie theaters, documentaries on terrorism and home security, live shows for American troops featuring Hollywood performers and perhaps some involvement in helping spreading the American message abroad.«20 Den letzten Punkt dieser Auflistung hatte ein Fernsehproduzent bereits nach einem ähnlichen Treffen im Oktober hervorgehoben: »There was a feeling around the table that something is wrong if half the world thinks we’re the Great Satan and we want to make that one right. There’s a genuine feeling that we as Americans are failing to get our message across to the world.«21
17 Zur amerikanischen Dominanz des Weltkinos siehe z.B. Benjamin R. Barber, Jihad vs. McWorld, New York/Toronto 1995, 88-99. Deutlich wird diese auch durch die ebenda, 299-301, abgedruckte Liste der zehn erfolgreichsten Filme des Jahres 1991 in 22 ausgewählten Ländern. 18 Zitiert nach Bidaud, Hollywood et le rêve américain, 166. 19 Siehe dazu »Vorsicht, Kommunisten!«, in: SZ 04.02.2016. Bezeichnend sind natürlich auch die – unbegründeten – Sorgen hinsichtlich einer kommunistischen Unterwanderung Hollywoods, derentwegen diverse Filmschaffende von der Industrie mittels einer Schwarzen Liste quasi mit einem Berufsverbot belegt wurden; dazu Bidaud, Hollywood et le rêve américain, 108-16; Phillip L. Gianos, Politics and Politicians in American Film, Westport/ London 1998, 57-72; Larry Ceplair, »The Hollywood Blacklist«, in: Crowdus (Hg.), Political Companion, 193-9. 20 »A Nation Challenged: The Film Industry. White House Takes Steps To Renew Tie To Hollywood«, in: NYT 11.11.2001. Die Zeitung verwies auf »Hollywood’s desire to rise to the occasion of a national crisis – both to do its patriotic duty and to repair bridges with distrustful, conservative elements in the country.« 21 Zitiert nach »White House Looking To Enlist Hollywood In Terrorism War«, in: WP 20.10.2001.
Einleitung | 15
Wie Stephen Stockwell und Adam Muir korrekt festgestellt haben, wurde mit diesen offiziellen Absprachen im Wesentlichen der Status quo formalisiert.22 Tatsächlich gibt es eine lange Tradition der Zusammenarbeit insbesondere mit dem USMilitär. Grundlegend ist dabei, dass das Pentagon, das eine eigene Abteilung für die Prüfung von Drehbüchern und die Koordination mit der Filmwirtschaft unterhält, in der Lage ist, eine enorme Ersparnis bei den Produktionskosten eines Films durch die großzügige Bereitstellung von Personal und Material – bis hin zu Flugzeugträgern – zu garantieren. Dieser Service ist aber natürlich nur für Produktionen verfügbar, die den Vorstellungen der Armee von dem Bild, das sie gerne von sich vermittelt sehen möchte, entsprechen und die im Zweifelsfall auch zu Änderungen am Drehbuch bereit sind. Seit den 1980er Jahren hat das Pentagon seinen Einfluss auf die Produktion von Militärfilmen enorm vergrößert und perfektioniert und übt auf diese Weise eine durch Steuermittel finanzierte weitgehende Kontrolle über das filmische Image der US-Streitkräfte aus.23 Wenn Umfragen immer wieder ergeben, dass die amerikanische Bevölkerung unter den staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen vor allem dem Militär vertraut und auf dieses besonders stolz ist,24 dann ist das zweifellos zumindest teilweise auf diese erfolgreiche Politik zurückzuführen. Einen ähnlich positiven Effekt erhoffte man sich – vergebens – offenbar auch beim BND, als man reges Interesse an dem Agentenfilm Mr. Dynamit – Morgen küsst euch der Tod (1967) zeigte, in dem Lex Barker eine Art deutschen James Bond spielt.25 Aber nicht nur staatliche Stellen, auch Verbrecher haben sich immer wieder mit ihrer Darstellung auf der Leinwand beschäftigt und zum Teil direkten Einfluss darauf genommen oder dies zumindest versucht. Gleichzeitig gibt es wiederum diverse Beispiele dafür, dass Gangster sich an filmischen Vorbildern orientierten und deren Kleidung, Sprache und Verhalten imitierten.26 Eine bedeutende Rolle wird Ki22 Stephen Stockwell/Adam Muir, »The Military-Entertainment Complex: A New Facet of Information Warfare«, in: Fibreculture Journal 1 (2003), http://journal.fibreculture.org/ issue1/issue1_stockwellmuir.html (28.04.2007). 23 Siehe Lawrence H. Suid, Guts and Glory: The Making of the American Military Image in Film, überarb. u. aktual. Auflage, Lexington 2002; David L. Robb, Operation Hollywood: How the Pentagon Censors and Shapes the Movies, New York 2004. Zu den von den Streitkräften bewusst zur Imagepflege eingesetzten Medien gehören nicht nur Filme, sondern auch Serien sowie Computer- und Videospiele. Siehe dazu neben Stockwell/Muir, »Military-Entertainment Complex« auch Nick Turse, »Bringing the War Home: The New Military-Industrial-Entertainment Complex at War and Play«, http://www.zmag.org/ content/showarticle.cfm?SectionID=51&ItemID=4361 (28.04.2007) und »That’s Militainment«, in: Guardian 22.05.2002. »Eine besonders enge Verbindung zwischen Film und Krieg« sieht Michael Strübel mit Blick auf die Geschichte der UFA auch in Deutschland (»Krieg als Produkt der Filmindustrie«, in: Ulrich Albrecht/Jörg Becker (Hg.), Medien zwischen Krieg und Frieden (Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V., Bd. 29), Baden-Baden 2002, 205-22, hier: 205). 24 Siehe beispielhaft IIPO, 1991-1992, 287-9; IIPO, 1997-1998, 286f; IIPO, 1998-1999, 593. 25 Siehe dazu »Jedenfalls kommt der BND ganz groß raus…«: Der Bundesnachrichtendienst und das Filmprojekt Mr. Dynamit. Mitteilungen der Forschungs- und Arbeitsgruppe »Geschichte des BND« Nr. 7 (2014). 26 Vgl. »Küssen wie Corleone«, in: SZ 01.02.2016.
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noidolen, namentlich John Wayne, außerdem mit Blick auf amerikanische Soldaten im Vietnamkrieg zugeschrieben: Zum einen spricht man hier vom ›John-Wayning‹Effekt, weil Kämpfer sich in Anwesenheit von Kameras augenscheinlich zu inszenieren versuchten,27 zum anderen diagnostizierten Psychologen bei manchen Veteranen ein John-Wayne-Syndrom, wenn diese ihr eigenes, oft von Angst geprägtes Verhalten im Vergleich mit dem heroischen Ideal, das sie verinnerlicht hatten, als persönliches Versagen erlebten.28 Unabhängig davon, wie wichtig John Wayne als Vorbild für einzelne Soldaten tatsächlich gewesen sein mag,29 zeigt allein die Benennung der beschriebenen Phänomene die Bedeutung von Film als kultureller Bezugspunkt. Offensichtlich ist richtig, was Pierre Sorlin festgestellt hat: »Das Kino ist keine Nebensache, es ist etwas Zentrales in einem Jahrhundert, das ohne es anders wäre.«30 Trotzdem hat die Geschichtswissenschaft Filme und zumal Spielfilme lange Zeit kaum beachtet. Erst in den letzten zwei, drei Jahrzehnten wird dem Medium größere Aufmerksamkeit geschenkt.31 Entscheidend für das Interesse von Historikern war dabei zunächst – und ist oft noch heute – die immer wieder betonte Erkenntnis, dass Filme über vergangene Zeiten und Ereignisse das Geschichtsbild ihrer Zuschauer prägen.32 Daraus ergibt sich nicht zuletzt eine Konkurrenzsituation zwischen wissenschaftlicher und populärkultureller Geschichtsvermittlung, in der die Wissenschaft 27 Gerhard Paul, Bilder des Krieges, Krieg der Bilder: Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn u.a. 2004, 473. 28 Richard Slotkin, Gunfighter Nation: The Myth of the Frontier in Twentieth Century America, New York 1992, 519f. 29 Zweifel zumindest hinsichtlich der Bedeutung romantisierter Kriegsbilder für die Rekrutierung der Soldaten hat Bernd Greiner, Krieg ohne Fronten: Die USA in Vietnam, Hamburg 2007, 170-2. 30 Pierre Sorlin, »Das Kino – eine Herausforderung für den Historiker«, in: Wolfgang Küttler u.a. (Hg.), Geschichtsdiskurs. Band 4: Krisenbewußtsein, Katastrophenerfahrungen und Innovationen 1880-1945, Frankfurt a.M. 1997, 276-303, hier: 301. 31 Zur Entwicklung der historischen Filmforschung siehe Rolf Aurich, »Film in der deutschen Geschichtswissenschaft: Ein kommentierter Literaturüberblick«, in: Geschichtswerkstatt 17 (1989), 54-63; Robert Brent Toplin/Jason Eudy, »The Historian Encounters Film: A Historiography«, in: Magazine of History 16:4 (2002), 7-12; Günter Riederer, »Was heißt und zu welchem Ende studiert man Filmgeschichte? Einleitende Überlegungen zu einer historischen Methodik der Filmanalyse«, in: Bernhard Chiari u.a. (Hg.), Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 59), München 2003, 85106. 32 Siehe z.B. Peter Stettner, »Film – das ist Geschichte, 24mal in der Sekunde: Überlegungen zum Film als historischer Quelle und Darstellung von Geschichte«, in: Geschichtswerkstatt 17 (1989), 13-20, hier: 13; Joachim Paschen, »Film und Geschichte«, in: Geschichte lernen 7:42 (1994), 13-9, hier: 17; Toplin/Eudy, »Historian Encounters Film«, 7; D. Doherty, »Film and History, Foxes and Hedgehogs«, in: Magazine of History 16:4 (2002), 13-5, hier: 13; I.C. Fletcher, »Film and History«, in: Radical History Review 83 (2002), 173-4, hier: 173. Frank Stern, »Durch Clios Brille: Kino als zeit- und kulturgeschichtliche Herausforderung«, in: ÖZfG 16:1 (2005), 59-87, hier: 73f; Lukas Bartholomei, Bilder von Schuld und Unschuld: Spielfilme über den Nationalsozialismus in Ost- und Westdeutschland, Münster/New York 2015, 8.
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sich hinsichtlich der Breitenwirkung oft als unterlegen erweist. Gerade deshalb sahen Historiker lange Zeit »die entscheidende Frage« darin, »wie realistisch Vergangenheit im Spielfilm dargestellt/nachgestellt wird, oder präziser: inwieweit die im Film dargestellte Vergangenheit der Nachprüfung durch die wissenschaftliche Forschung standhält, oder noch genauer: ob das im Film wiedergegebene Geschichtsbild dem 33 Stand der Geschichtswissenschaft zu dem Zeitpunkt, als der Film gedreht wurde, entspricht.«
Dies lief in der Praxis oftmals auf eine Aufzählung von Fehlern und Ungenauigkeiten und ein Lamento über den problematischen Charakter historischer Filme hinaus. Erst mit der Zeit setzte sich zumindest unter Experten die Einsicht durch, dass ein solcher Ansatz wenig fruchtbar ist und dem Medium in keiner Weise gerecht wird.34 Mittlerweile herrscht grundsätzlich Konsens darüber, »[that] [l]ike any product of a culture, every film and television production is open to analysis as a historical artifact of the culture in which it was created.«35 Damit hat sich nicht nur der Fokus bei der Untersuchung von Historienfilmen verschoben, die nun als Quelle für ihre Entstehungszeit betrachtet werden,36 sondern es sind zwangsläufig auch die zuvor eher wenig beachteten Werke, die sich nicht mit historischen Themen befassen, stärker ins Blickfeld gerückt.37 Dass Filme insbesondere über die Mentalität ihrer Zeit Aufschluss geben können, hatte Siegfried Kracauer bereits 1947 argumentiert und in seiner Studie From Caligari to Hitler aus den Kinofilmen der Weimarer Republik geschlossen, dass der Aufstieg des Nationalsozialismus in diesen bereits vorgezeichnet gewesen sei.38 Kracauers Arbeit wurde aber, gerade in Deutschland, lange ignoriert. Heute wird sie dagegen, trotz aller berechtigter Kritik, mit großer Einhelligkeit als bahnbrechend aner-
33 Bernd Hey, »Geschichte im Spielfilm. Grundsätzliches und ein Beispiel: der Western«, in: GWU 39:12 (1988), 17-33, hier: 21. 34 Vgl. Marc Ferro, »Does a Filmic Writing of History Exist?«, in: Film and History 17:4 (1987), 81-9, hier: 82; H. Gruber, »Introduction: Film and History«, in: International Labor and Working Class History 59 (2001), 1-2, hier: 1. 35 John E. O’Connor, »Historical Analysis, Stage Two: Four Frameworks for Historical Inquiry. Framework 2: The Moving Image As Evidence for Social and Cultural History«, in: ders. (Hg.), Image as Artifact: The Historical Analysis of Film and Television, Malabar 1990, 108-118, hier: 108. 36 Vgl. z.B. Bartholomei, Bilder von Schuld und Unschuld, 8. 37 Wegen dieses neuen Schwerpunkts stellte Robert A. Rosenstone schon 1989 mit einem gewissen Bedauern fest, »[that] such an approach provides no distinct mission for the specifically historical film« (»Film Reviews«, in: AHR 94:4 (1989), 1031-3, hier: 1031). Rosenstone hat sich in seinen Arbeiten bemüht, nachzuweisen, dass Spielfilme durchaus eine legitime und komplexe Einsichten ermöglichende Alternative zur etablierten Form der Geschichtsschreibung sein können; siehe dazu die von ihm herausgegebenen Sammelbände Revisioning History: Film and the Construction of a New Past, Princeton 1995 u. History on Film / Film and History, Harlow u.a. 2006. 38 Siegfried Kracauer From Caligari to Hitler: A Psychological History of the German Film, überarb. u. erw. Auflage, Princeton/Oxford 2004.
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kannt39 und die Forschung folgt den darin formulierten Grundgedanken, wenn sie mit verfeinerten Analysemethoden der »kollektiven Imagination«40 oder dem »sozial Imaginären«41 nachspürt. Dass das Haus der Geschichte in Bonn vom Juni 2016 bis Januar 2017 eine Ausstellung zur ›Deutschen Geschichte im Spielfilm‹ zeigte42 und Überblicksdarstellungen wie die Michael Hochgeschwenders zur Amerikanischen Revolution43 oder Bernd Stövers zum Kalten Krieg44 – wenn auch notwendigerweise nur kurz – auf Filme eingehen, sind, neben immer mehr Spezialstudien, Indizien dafür, dass Film als Untersuchungsgegenstand der historischen Forschung eine wachsende Akzeptanz genießt. Das ist auch dringend notwendig, da, wie Günter Riederer völlig richtig bemerkt hat, »sich die Geschichte des 20. Jahrhunderts ohne eine Analyse seiner Filme nicht schreiben« lässt.45 Und dennoch gilt trotz aller Fortschritte nach wie vor auch eine andere Feststellung seines vor anderthalb Jahrzehnten veröffentlichten Aufsatzes, nämlich dass »Filmgeschichte […] innerhalb der Geschichtswissenschaft noch immer ein Nischendasein« fristet.46 39 Vgl. Aurich, »Film«, 59; ders., »Wirklichkeit ist überall: Zum historischen Quellenwert von Spiel- und Dokumentarfilmen«, in: Wilharm, Irmgard (Hg.), Geschichte in Bildern: Von der Miniatur bis zum Film als historische Quelle (Geschichtsdidaktik, Bd. 10), Pfaffenweiler 1995, 112-28; Paschen, »Film und Geschichte«, 16; Peter C. Rollins, »Film, Television, and American Studies«, in: ders. (Hg.), Hollywood As Historian: American Film in a Cultural Context, Lexington 1983, 246-71, hier: 253f; Karsten Visarius, »Filmvolk und Kinopublikum: Metamorphosen des imaginären Kollektivs«, in: Filmmythos Volk: Zur Produktion kollektiver Identitäten im Film (Arnoldshainer Filmgespräche, Bd. 9), hg. von der Evangelischen Akademie Arnoldshain, Frankfurt a.M. 1992, 7-12, hier: 7f; Robert Sklar, »Moving Image Media in Culture and Society: Paradigms for Historical Interpretation«, in: O’Connor (Hg.), Image as Artifact, 119-35, hier: 121-3; Robert C. Allen/Douglas Gomery, Film History: Theory and Practice, New York 1985, 159-64. Kritisiert werden v.a. die Auswahl der untersuchten Filme und die teleologische Interpretation. 40 Visarius, »Filmvolk und Kinopublikum«, 8. 41 Michèle Lagny, »Kino für Historiker«, in: ÖZfG 8:4 (1997), 457-83, hier: 467. 42 Dazu der Begleitband Inszeniert. Deutsche Geschichte im Spielfilm, hg. von der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bielefeld/Berlin 2016. 43 Michael Hochgeschwender, Die Amerikanische Revolution: Geburt einer Nation 17631815, München 22017; dort das Kapitel zur »Ära der Amerikanischen Revolution in der modernen Populärkultur« (ebenda, 431-42). 44 Bernd Stöver, Der Kalte Krieg: Geschichte eines radikalen Zeitalters 1947-1991, München 2007, 264-9. 45 Riederer, »Filmgeschichte«, 95. 46 Ebenda, 92. Das ist umso bedenklicher, als sich die Frage stellt, wie eine Historikerzunft, die sich schon mit dem über hundert Jahre alten Film derartig schwer tut, der Bedeutung neuer Medien im digitalen Zeitalter gerecht werden will. So lässt sich die Geschichte der letzten Jahrzehnte etwa auch ohne eine Betrachtung von Computerspielen nur unvollständig erfassen, eines Mediums, das Spielfilmen mittlerweile in vieler Hinsicht den Rang abläuft. Siehe dazu »Neuerfindung einer Erfindung« und »Piraten vor Hollywood«, beide in: SZ 10./11./12.05.2008; »Schachspiel mit dem Sturmgewehr«, in: SZ 30.11.2012; »Ritsch, ratsch, gluck, gluck«, in: Spiegel 10.12.2012; »Wie in Hollywood«, in: SZ 20.09.2013. Die
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Woran aber liegt das? Neben der schon erwähnten Konkurrenz im Hinblick auf Geschichtsvermittlung und kulturelle Erinnerung, die das Verhältnis der Historiker zum Film belastet, spielt eine lange Tradition der Geringschätzung von Bildern eine Rolle; diese werden gegenüber dem geschriebenen Wort als minderwertig eingestuft.47 Im Fall des Spielfilms (aber auch des Comics oder des Computerspiels) wird dies noch potenziert durch Reflexe bildungselitärer Verachtung für ein Medium, das vor allem zu Beginn als Unterhaltung für die breite Masse und nicht als anspruchsvolle Kunstform angesehen wurde.48 Mittlerweile hat sich zwar eine differenziertere Sicht entwickelt, eine Hierarchisierung ist aber nach wie vor durchaus üblich. Die Klage, es würde zu wenig gelesen, kennt wohl jeder, während man umgekehrt selten die Forderung vernimmt, es müssten mehr Filme angeschaut werden. Gleichwohl hat ein geschärftes Bewusstsein für die prägende Rolle visueller Medien in unserer Kultur zu einer intensiveren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Bildern aller Art geführt, die sich unter Schlagworten wie visual studies in den Gesamtkontext des sogenannten cultural turn einfügt.49 In der Folge gibt es heute auch bei Historikern insgesamt deutlich weniger Berührungsängste. Bestehen bleibt aber ein Problem, das Robert A. Rosenstone prägnant auf den Punkt gebracht hat: »[M]ost historians simply do not know much about motion pictures.«50 Filme zeichnen sich durch ganz spezielle Eigenheiten aus, die sie von anderen Quellen unterscheiden.51 Solange Historiker nicht mit den Besonderheiten des Films vertraut sind, können sie folglich sein Potential als Untersuchungsgegenstand nicht einmal annähernd ausschöpfen. Nicht von ungefähr ist oft von einer spezifischen ›Sprache‹ des Films die Rede.52 Kenntnisse dieser Filmsprache, die mit
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Beschäftigung mit Computerspielen in der Geschichtswissenschaft befindet sich momentan in einem ähnlichen Stadium wie die mit Film vor wenigen Jahrzehnten, insofern es v.a. um Geschichtsdarstellungen und allzu oft um eine Auflistung von deren Defiziten geht. Dazu Steffen Bender, Virtuelles Erinnern: Kriege des 20. Jahrhunderts in Computerspielen (Histoire, Bd. 23), Bielefeld 2012, 16-8. Vgl. Christian Doelker, Ein Bild ist mehr als ein Bild: Visuelle Kompetenz in der Multimedia-Gesellschaft, Stuttgart 1997, 18-21; Riederer, »Filmgeschichte«, 90. Vgl. Marc Ferro, Cinema and History, übers. von Naomi Greene, Detroit 1988, 26f. Siehe z.B. Margaret Dikovitskaya, Visual Culture: The Study of the Visual after the Cultural Turn, Cambridge/London 2005; Sophia Prinz/Andreas Reckwitz, »Visual Studies«, in: Stephan Moebius (Hg.), Kultur. Von den Cultural Studies zu den Visual Studies: Eine Einführung, Bielefeld 2012, 176-95; Sol Cohen, »An Innocent Eye: The ›Pictorial Turn‹, Film Studies, and History«, in: History of Education Quarterly 43:2 (2003), http://www. historycooperative.org/journals/heq/43.2/cohen.html (19.05.2006). Rosenstone, »Film Reviews«, 1031. Riederer, »Filmgeschichte«, 89, weist auch darauf hin, dass Filme »Elemente enthalten, welche sie sowohl den Überrest- als auch den Traditionsquellen zurechnen lassen«, und damit nicht in das übliche Raster passen. Siehe z.B. Frank Kessler, »Filmsemiotik«, in: Jürgen Felix (Hg.), Moderne Film Theorie, Mainz 2002, 104-25; William Hughes, »The Evaluation of Film as Evidence«, in: Paul Smith (Hg.), The Historian and Film, Cambridge u.a. 1976, 49-79, hier: 51; Lagny, »Kino für Historiker«, 461. Dass Filme, wie eine Sprache, tatsächlich nicht ohne Weiteres verstanden werden können, belegt eine Studie mit abgeschieden lebenden Menschen in der
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Zeichensystemen und Codes arbeitet, das Wissen um grundlegende technische Gegebenheiten und Entwicklungen sowie die Vertrautheit mit Genrekonventionen, die gerade im populären Kino eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen, – um nur einige Punkte zu nennen – sind unabdingbar, wenn eine Analyse nicht nur oberflächlich verbleiben, sondern wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse liefern soll.53 Da die Geschichtswissenschaft Filme allzu lange vernachlässigt hat, haben viele Historiker im Rahmen ihres Studiums solche Kenntnisse aber nicht erworben. Ihnen fehlt somit oft ein wichtiger Teil des wissenschaftlichen Handwerkszeugs. Man darf sich in diesem Zusammenhang nicht von dem Eindruck täuschen lassen, dass Filme simpel seien, weil eigentlich jeder sie verstehen kann. Im Gegenteil: »Ein Film ist schwer zu erklären, weil er leicht zu verstehen ist«, wie Christian Metz sehr treffend formuliert hat.54 Das gilt erst recht, wenn er nicht als ästhetisches Werk, sondern als historische Quelle betrachtet werden soll. Paul Monaco hat angemerkt, dass Filme nicht wie eine Sprache mit Grammatik und standardisierten Bedeutungen funktionieren: »Movies are not read, they are experienced.«55 Damit verweist er auf eine wichtige Besonderheit dieser Quellengattung, die auch Marc Ferro angesprochen hat: »The ›language‹ of cinema appears unintelligible. Like that of dreams, its interpretation is uncertain.«56 Hierin liegt zweifelsohne ein weiteres zentrales Problem vieler Historiker mit der Erforschung von Filmen begründet; weniger in der Unsicherheit der Interpretation – über die noch ausführlich zu sprechen sein wird – als vielmehr darin, dass Filme sehr stark emotional erlebt werden und dabei »eine weitgehende Entdifferenzierung zwischen Wirklichkeit und Fiktion« stattfindet.57 Dass die Filmforschung zwangsläufig den vermeintlich festen Grund der Fakten verlässt, indem sie das Imaginäre einer Gesellschaft analysiert und diesem eine nicht weniger reale Bedeutung zumisst, provoziert nach wie vor Misstrauen und Ablehnung. In der Aussage »Ich verstehe nicht, was das Historische an dem Projekt ist. Das ist ja mehr so Kulturgeschichte.«, mit der ich einmal konfrontiert wurde, spiegelt sich jenes trotz aller kulturwissenschaftlichen Trends und ›Wenden‹ noch existierende Unbehagen wider, das auch Philip Sarasin im Blick hatte, als er den Begriff ›kulturwissenschaftlich‹ definierte als »die für manche möglicherweise anstößige Vermutung, daß Bilder und Fiktionen, Phantasmen
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Türkei ohne Vorerfahrung mit dem Medium; dazu »Kompetenz im Kinosaal«, in: SZ 21.09.2015. Eine sehr gute Einführung bietet James Monaco, Film verstehen: Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der neuen Medien, übers. von Brigitte Westermeier/ Robert Wohlleben, Reinbek bei Hamburg 2002. Zitiert nach ebenda, 160. Paul Monaco, »Movies and National Consciousness: Germany and France in the 1920s«, in: K.R.M. Short (Hg.), Feature Films as History, London 1981, 62-75, hier: 63. Ferro, Cinema and History, 23. Andreas Dörner, »Das politische Imaginäre: Vom Nutzen der Filmanalyse für die Politische Kulturforschung«, in: Wilhelm Hofmann (Hg.), Visuelle Politik: Filmpolitik und die visuelle Konstruktion des Politischen, Baden-Baden 1998, 308-29, hier: 312. Vgl. außerdem Riederer, »Filmgeschichte« 91f.
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und Träume nachweislich Wirklichkeit formen, so daß sich Realität und Fiktion unauflösbar verschränken.«58 Zu den hier angesprochenen Bildern, die unsere Wirklichkeit formen, gehören nicht zuletzt Feindbilder. Dabei handelt es sich um soziokulturell geprägte Deutungsmuster, die negative Vorurteile bündeln und ins Extreme übersteigern, wobei die ›Anderen‹ als Bedrohung wahrgenommen werden.59 Dieser letzte Aspekt ist von großer Wichtigkeit, um eine klare Unterscheidung von einfachen negativen Vorurteilen zu gewährleisten, die die ›Anderen‹ abwerten, ohne eine vergleichbare existentielle Betroffenheit zu bedingen.60 Dass Südeuropäer grundsätzlich faul seien, ist ein Vorurteil. Die Überzeugung, dass muslimische Einwanderer die deutsche Kultur zerstören wollen, konstituiert dagegen ein Feindbild. Vorurteile, die auch in positiver Form vorkommen (zum Beispiel: ›Schwarze haben den Rhythmus im Blut‹), können wiederum als eine besondere, weil emotional aufgeladene Form von Stereotypen definiert werden.61 Hierbei ist es wesentlich, sich bewusst zu machen, dass Stereotypisierung im grundlegenden Sinne einer Kategorienbildung und Generalisierung eine notwendige Operation unseres Verstandes darstellt, die es uns überhaupt erst möglich macht, in einer Welt zu leben, in der wir permanent einer Vielzahl komplexer Reize ausgesetzt sind. ›Schubladendenken‹ gilt uns als etwas Negatives, jedoch wären wir ohne jegliche Schubladen schlichtweg orientierungslos. Problematisch wird Stereotypisierung, wenn sie sich auf Bereiche erstreckt, in denen sie überflüssig ist, und vor allem dann, wenn sie hinsichtlich anderer Menschen, Gruppen oder Nationen mit Werturteilen und Gefühlen verknüpft, also zum handlungsleitenden Vorurteil wird. Da Stereotyp im gängigen Sprachgebrauch aber häufig synonym mit Vorurteil verwendet wird und einen entsprechend negativen
58 Philip Sarasin, »Anthrax«: Bioterror als Phantasma, Frankfurt a.M. 2004, 9. 59 Vgl. Ekkehard Lippert/Günther Wachtler, »Feindbild«, in: dies. (Hg.), Frieden: Ein Handwörterbuch, Opladen 1988, 78-84; Brigitte Reich, »Feindbilder«, in: Ulrich Albrecht/ Helmut Vogler (Hg.), Lexikon der internationalen Politik, München 1997, 143f; Gert Sommer, »Feindbilder«, in: ders./Albert Fuchs (Hg.), Krieg und Frieden: Handbuch der Konflikt- und Friedenspsychologie, Weinheim u.a. 2004, 303-16. Einen sehr guten und ausführlichen Überblick über den Stand der Feindbildforschung, der hier nicht in diesem Umfang wiederholt zu werden braucht, bietet Michael Koch im ersten Kapitel seiner Dissertation »Slavocrat« und »Yankee«: Feindbilder und der Amerikanische Bürgerkrieg 1830-1865, Paderborn 2014, 21-52. 60 Dies vernachlässigt meines Erachtens die Definition, die Eva-Maria Schrage, »Von Ketzern und Terroristen? Zum analytischen Nutzen eines interdisziplinären Feindbildbegriffs«, in: Alfons Fürst (Hg.), Von Ketzern und Terroristen: Interdisziplinäre Studien zur Konstruktion und Rezeption von Feindbildern, Münster 2012, 217-38, hier: 223, formuliert hat (Hervorhebung im Original): »Ein Feindbild ist […] eine soziale Konstruktion, die dann vorliegt, wenn eine Wahrnehmung von Individuen oder Gruppen zu einem konsistenten, festgefügten, negativen Bild zusammenfindet.« 61 Vgl. Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, 21f. Koch geht im Gegensatz zu mir allerdings davon aus, dass es auch Vorurteile gibt, zu denen ein Gefühl der Bedrohung gehört; vgl. ebenda, 23.
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Beiklang hat, ist es letztlich wohl praktikabler und eindeutiger, zwischen Stereotyp/Vorurteil und Kategorie zu differenzieren.62 Evolutionstheoretisch betrachtet ist die Unterscheidung zwischen überlebensfördernd und überlebensgefährdend die elementarste Kategorisierung, die unsere Wahrnehmung strukturiert, womit »das Grundschema von Freund/Feind schon angelegt« ist.63 Tatsächlich gibt es sogar so etwas wie »angeborene Feindbilder«, die in Phobien wie der weit verbreiteten Angst vor Spinnen oder Schlangen noch zutage treten, weil es »einfach früher einmal nützlich [war], Gene mit solchen angeborenen Feindbildern zu haben.«64 Das bedeutet wohlgemerkt nicht, dass archaische Verhaltensweisen (wie die Ausbildung von Feindbildern) biologisch determiniert wären und als ›natürlich‹ akzeptiert oder gar zur Norm erhoben werden sollten. Eine solche Sichtweise würde die kulturelle Entwicklung des Menschen ignorieren und ihn von einem vernunftbegabten Wesen zu einem Sklaven seiner Gene degradieren.65 Ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Muster ist aber möglich und sogar sehr wahrscheinlich in Situationen, die mit starken Gefühlen von Stress, Angst und Bedrohung einhergehen.66 Neben diesem soziobiologischen Erklärungsansatz (beziehungsweise in Ergänzung dazu) betont auch die psychologische Forschung, dass es sich bei der Unterteilung der Welt in eigen-fremd/gut-böse um eine grundlegende Kategorisierung handelt, die Teil einer Entwicklung ist, die jeder Mensch in seiner Kindheit durchläuft, dass Feindbilder deshalb aber wiederum nicht als ›normal‹ anzusehen sind, weil die Entwicklung eben nicht auf diesem Niveau stehenbleibt, sondern fortschreitet und mit zunehmendem Alter eine differenziertere Beurteilung der eigenen Person und anderer erlaubt. Kurt und Kati Spillmann haben deshalb in ihrer einflussreichen Arbeit zu diesem Thema, die sich auf die Theorien von Freud und Piaget stützt, den Eskalationsprozess bei der Formung von Feindbildern als Regression in eine frühkindliche Wahrnehmung charakterisiert, weil die Fähigkeit verloren geht, eine Perspektive außer der eigenen, die mit der Realität gleichgesetzt wird, anzuerkennen, und Informationen nach schlichten, absoluten Gegensatzpaaren geordnet werden.67 Für sie sind Feindbilder »ein pathologisches Extrem [der] überlebenswichtigen Funktionen von Abgrenzung, Kategorisierung und Unterscheidung«.68 Während diese Formulierung nun wiederum so aufgefasst werden könnte, als ob davon nur wenige, kranke Menschen betroffen wären, soll noch einmal betont wer62 So z.B. Michael Pickering, Stereotyping: The Problem of Representation, Basingstoke 2001, 2. Zur Zwiespältigkeit von Stereotypen siehe auch Frederick Schauer, Profiles, Probabilities and Stereotypes, Cambridge/London 2003. 63 Kurt R. Spillmann/Kati Spillmann, »Feindbilder: Hintergründe, Funktion und Möglichkeiten ihres Abbaus«, in: Beiträge zur Konfliktforschung 19:4 (1989), 19-44, hier: 21. 64 Dirk Wendt, »Feindbild – Seine biologischen und psychologischen Ursachen«, in: Rüdiger Voigt (Hg.), Symbole der Politik, Politik der Symbole, Opladen 1989, 73-87, hier: 73. 65 Vgl. dazu Kurt R. Spillmann/Kati Spillmann, »Some Sociobiological and Psychological Aspects of ›Images of the Enemy‹ « , in: Ragnhild Fiebig-von Hase/Ursula Lehmkuhl (Hg.), Enemy Images in American History, Providence/Oxford 1997, 43-63, hier: 48f. 66 Ebenda, 54-6. 67 Spillmann/Spillmann, »Feindbilder«, 23-34. 68 Ebenda, 35.
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den, »[that] [e]mnification is a basic human tendency, as much part of our potential as our loftiest ideals«, wie Robert W. Rieber und Robert J. Kelly geschrieben haben.69 Niemand ist darüber erhaben oder dagegen gefeit. Dies zu akzeptieren und eigene Ansichten dementsprechend zu hinterfragen, dürfte eine wesentliche Voraussetzung dafür sein, dass Bemühungen, »Feindbildern keine handlungsbestimmende Bedeutung in unserem Leben zukommen zu lassen«,70 erfolgreich sind. Wie Vorurteile werden Feindbilder im Wesentlichen gesellschaftlich vermittelt, wobei Sozialisationsinstanzen wie Elternhaus und Schule eine wichtige Rolle zukommt. Aber auch Erwachsene werden von ihrem Umfeld und nicht zuletzt durch Medien in ihren Einstellungen und Ansichten beeinflusst.71 Wie empfänglich beziehungsweise anfällig der Einzelne für Feindbilder ist, hängt dabei auch von individuellen Faktoren wie Geschlecht, Erziehung oder religiösen Überzeugungen und nicht zuletzt von der politischen Informiertheit ab. Man sollte sich aber eingedenk der oben getroffenen Feststellungen davor hüten, anzunehmen, dass ein hoher Bildungsgrad gegen Feindbilder imprägniere. Entscheidend ist auch weniger die tatsächliche Stellung innerhalb der Gesellschaft, als vielmehr die Frage, wie gesichert oder bedroht diese erscheint.72 So können heterosexuelle weiße Männer die Fortschritte von Homosexuellen, nichtweißen Minderheiten und Frauen als Verschlechterung oder gar Marginalisierung ihrer eigenen Position empfinden und dementsprechenden Feindbildern zuneigen. Wie dieses Beispiel schon zeigt, haben Feindbilder eine politisch-historische Dimension. Aktuelle oder vergangene Erfahrungen in Konfliktsituationen mit einer anderen Gruppe oder Nation sind für die meisten Feindbilder von großer Wichtigkeit. Die kollektive Erinnerung an Unrecht, das der eigenen Gruppe/Nation tatsächlich oder vermeintlich zugefügt wurde, etwa durch Krieg oder Ausbeutung, tradiert Feindbilder, hält diese lebendig und verfestigt sie, ein Umstand, der in dem Begriff ›Erbfeind‹ prägnant zum Ausdruck kommt.73 Wie in dieser Arbeit immer wieder zu sehen sein wird, sind tradierte Feindbilder mit weit zurückreichenden Wurzeln besonders wirkmächtig, und auch neue Feinde werden auf die eine oder andere Weise in eine Traditionslinie mit früheren Widersachern eingeordnet beziehungsweise zu deren Wiedergängern erklärt. Feindbilder sind also nicht völlig beliebig. Selbst ein komplett konstruiertes Feindbild wie dasjenige, das dem in der westlichen Welt verbreiteten Antisemitismus zugrundeliegt, steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit politisch-gesell69 Robert W. Rieber/Robert J. Kelly, »Substance and Shadow: Images of the Enemy«, in: Robert W. Rieber (Hg.), The Psychology of War and Peace: The Image of the Enemy, New York/London 1991, 3-39, hier: 6. 70 Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, 36. 71 Siehe dazu ausführlich Hans Nicklas/Änne Ostermann, Vorurteile und Feindbilder, zweite, durchges. Auflage, München u.a. 1982, 24-8; Anne Katrin Flohr, Feindbilder in der internationalen Politik: Ihre Entstehung und ihre Funktion (Bonner Beiträge zur Politikwissenschaft, Bd. 2), Münster/Hamburg 1991, 78-89; Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, 36-40. 72 Dazu Flohr, Feindbilder, 89-99; Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, 42f. 73 Siehe wiederum ausführlich Flohr, Feindbilder, 99-108, die hinsichtlich der Entstehung von Feindbildern von Nationen auch auf Faktoren wie geographische Lage, Machtfülle, Position im internationalen System usw. eingeht; Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, 43f.
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schaftlichen Verhältnissen und Vorgängen, auch wenn die Bedrohungsvorstellung jeglicher Grundlage entbehrt. Anders ausgedrückt: Es ist nicht zu rechtfertigen, aber durchaus erklärbar, dass Juden (und nicht etwa Buddhisten) zu einem zentralen Objekt hasserfüllter Vorstellungen in Europa und Amerika wurden. In vielen Fällen haben Feindbilder zudem einen wesentlich klareren Realitätsbezug. In der Forschung herrscht allerdings Uneinigkeit darüber, ob es Feindbilder geben kann, »die eine adäquate Antwort auf reale Bedrohung sind«,74 oder ob der Begriff Feindbild prinzipiell für eine verzerrte Wahrnehmung steht und deshalb nicht auf einen realistisch eingeschätzten Feind – als Beispiel werden etwa die Nationalsozialisten genannt – angewendet werden kann.75 Daniel Frei hat darauf aufmerksam gemacht, dass es problematisch ist, Feindbilder grundsätzlich als Fehlwahrnehmung zu beschreiben, weil damit der Anspruch impliziert wird, selbst eindeutig zwischen Verzerrung und Wahrheit unterscheiden zu können.76 Dieser berechtigte Einwand kann als Warnung vor allzu schnellen Urteilen dienen. Feindbilder zeichnen sich aber nicht einfach durch eine subjektive, sondern – wie oben schon deutlich wurde – durch eine egozentrische und darüber hinaus durch eine dezidiert selektive Wahrnehmung aus:77 Informationen, die dem Bild widersprechen, werden ignoriert oder so umgedeutet, dass sie es wiederum zu bestätigen scheinen. Auf diese Weise wird die psychische Belastung der kognitiven Dissonanz vermieden. Diese Belastung ist zwangsläufig umso größer, je festgefügter und zentraler das Feindbild ist, wenn dessen Erschütterung also die eigene Identität in Frage stellt. Umgekehrt trägt die Weigerung, Informationen, die nicht im Einklang mit dem Feindbild stehen, zu akzeptieren, zu der in der Forschung immer wieder betonten großen Stabilität von Feindbildern bei.78 Sehr treffend – wenn auch satirisch über-
74 Flohr, Feindbilder, 34. Vgl. auch Ralph K. White, »Enemy Images in the United NationsIraq and East-West Conflicts«, in: Rieber (Hg.), Psychology of War and Peace, 59-70, hier: 65: »Psychologists who stress the irrational elements in enemy images should recognize fully how realistic the devil image of Stalin was.« In dieser Formulierung beißt sich freilich die Charakterisierung Stalins als Teufel mit dem Anspruch auf Realismus. 75 So z.B. Sommer, »Feindbilder«, 303f; vgl. auch Reich, »Feindbilder«, 143. 76 Daniel Frei, »Feindbilder und Bedrohungswahrnehmungen – Die kognitiven Grundlagen von Sicherheit und Unsicherheit«, in: Wolfgang Heisenberg/Dieter S. Lutz (Hg.), Sicherheitspolitik kontrovers: Auf dem Weg in die neunziger Jahre (BPB Schriftenreihe, Bd. 247), Bonn 1987, 98-109, hier: 99-100. Vgl. auch Lippert/Wachtler, »Feindbild«, 81 (Hervorhebung im Original): »Wegen der Subjektivität der F[eindbilder] ist die Frage nach ihrem Realitätsgehalt nur bedingt beantwortbar.« 77 Auch Frei führt diese bei den von ihm ermittelten Wahrnehmungsmustern in den sowjetisch-amerikanischen Einschätzungen auf: Daniel Frei, »Wie Feindbilder entstehen: Drei Elemente der gegenseitigen Einschätzung«, in: Günther Wagenlehner (Hg.), Feindbild: Geschichte – Dokumentation – Problematik, Frankfurt a.M. 1989, 222-6, hier: 223. Zu den im Folgenden erläuterten Merkmalen vgl. Spillmann/Spillmann, »Feindbilder«, 20f; Sommer, »Feindbilder«, 304-7; Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, 23-8. 78 Siehe z.B. Flohr, Feindbilder, 29; Spillmann/Spillmann, 39; Frei, »Wie Feindbilder entstehen«, 222; Gert Sommer, »Zur Psychologie von Feindbildern«, in: Hartmut Voit (Hg.), Geschichte ohne Feindbild? Perspektiven für das historische Lernen in Deutschland nach
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spitzt – dargestellt wird dies in der Komödie Blast from the Past (1999), in der eine amerikanische Familie 35 Jahre isoliert in ihrem selbstgebauten Atomschutzbunker zugebracht hat, in den sie sich während der Kubakrise geflüchtet hatte. Als der im Bunker geborene Protagonist des Films seinen Vater am Ende darüber aufklärt, dass es keinen Atomkrieg gegeben hat und die Sowjetunion ohne Kampf zusammengebrochen ist, interpretiert der diese nicht in sein Weltbild passenden Neuigkeiten auf ganz eigene Weise: Aus seiner stramm antikommunistischen Sicht kann es sich nur um ein besonders raffiniertes Täuschungsmanöver der »commies« handeln, und entsprechend beginnt er sofort damit, im Garten des neuen Hauses Abmessungen für einen neuen Bunker vorzunehmen. Sein Feindbild ist so gefestigt, dass es selbst das Verschwinden des Feindes zu kompensieren vermag. Dass eine friedliche Konfliktlösung unvorstellbar erscheint, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass dem Feind nahezu ausschließlich negative Eigenschaften zugeschrieben werden.79 Häufig überstrahlen dabei einzelne Merkmale, auf die sich die Wahrnehmung konzentriert, alle anderen beziehungsweise färben auf diese ab – der zum Beispiel auch aus Lehrer-Schüler-Beziehungen bekannte Halo-Effekt. Charakteristika, die in anderen Zusammenhängen positiv erscheinen würden, werden zudem negativ gedeutet und verstärken das Gefühl der Bedrohung, wenn dem Feind etwa Stärke oder Raffinesse attestiert werden. Das kann so weit gehen, dass der Feind nicht mehr nur als böse, sondern als das Böse schlechthin angesehen wird, was in sprachlichen Zuschreibungen wie ›teuflisch‹ zum Ausdruck kommt. Daraus ergeben sich weitere Merkmale des Feindbilddenkens wie die einseitige Schuldzuweisung: Da der Feind das Böse repräsentiert, trägt er selbstverständlich die Verantwortung für den Konflikt, er wird stets als Aggressor identifiziert, auf dessen feindselige Aktionen man selbst oder die Freunde lediglich gezwungenermaßen reagieren. Handlungen beider Seiten werden so typischerweise nach einem Doppelstandard bewertet: Die Rüstung des Feindes dient immer aggressiven Zielen, während die eigene Rüstung rein defensiver Natur ist. Der Feind begeht abscheuliche Verbrechen, weil moralische Werte ihm nichts bedeuten, man selbst handelt moralisch einwandfrei und verursacht allenfalls unabsichtlich tragische Unglücke, die letztlich wieder auf das Konto des Feindes gehen, weil er die entsprechenden Handlungen unausweichlich gemacht hat. Dem Feind wird mit grundsätzlichem Misstrauen begegnet, das Feindbild diktiert ein worst-case-Denken. Wenn der Feind Verhandlungsbereitschaft signalisiert oder anderweitig positiv agiert, wird dahinter – wie von dem Vater in Blast from the Past – stets eine Täuschungsabsicht vermutet, eine perfide Strategie, um einen Vorteil zu erlangen. Gerade dieser Umstand macht die Lösung von Konflikten und die Verständigung über Fragen zum Beispiel der Rüstungskontrolle außerordentlich schwierig, zumal gleichzeitig davon ausgegangen wird, dass der Feind sich seinerseits der Aufrichtigkeit ›unseres‹ Friedenswillens jederzeit bewusst ist und ›unsere‹ Vorschläge folglich nicht aus einem vergleichbaren Misstrauen heraus ablehnt, sondern weil er in
dem 9. November 1989 (Erlanger Forschungen, Reihe A, Bd. 61), Erlangen 1992, 13-31, hier: 16. 79 Vgl. Sommer, »Psychologie von Feindbildern«, 30f.
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Wirklichkeit nicht an einer gütlichen Einigung interessiert ist.80 Die negative Antizipation der Handlungen des Feindes entwickelt sich häufig zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, indem der Andere gerade dadurch in die Rolle des Feindes gedrängt wird und diese dann auch annimmt. »Enmity and enemy images have a special power, perhaps unique in strength, to create the reality they insinuate«, wie der Soziologe Ulrich Beck festgestellt hat.81 Feinde und Feindbilder kommen laut Beck deshalb auch nur im Plural vor, da die Feindschaft des einen im Zweifelsfall die des anderen erzeuge. In der Tat ist eine einseitige Feindschaft über längere Zeit praktisch nicht vorstellbar. Bemerkenswert ist dabei, dass die Feindbilder beider Seiten häufig stark spiegelbildlich sind, das heißt jeder schreibt dem jeweils anderen ähnliche oder sogar identische Merkmale zu – was letztlich nicht weiter verwunderlich ist, wenn der Feind mit dem Bösen identifiziert wird.82 Typisch für Feindbilder ist auch ein Nullsummendenken. Gemeinsamer Schaden oder Nutzen werden nicht mehr wahrgenommen, stattdessen gilt die Maxime, dass alles, was dem Feind nutzt, schlecht für ›uns‹ ist – und umgekehrt. Dies führt unter anderem zu der meist irrigen Annahme, dass Feinde des Feindes ›unsere‹ Freunde, die Freunde des Feindes dagegen ebenfalls Feinde seien. Im Kalten Krieg als einer Auseinandersetzung von globaler Dimension erschien durch das Nullsummendenken die ständige Einmischung in regionale Krisen und Konflikte unausweichlich. Zu Feindbildern gehört außerdem die De-Individualisierung: Die Anderen werden nicht mehr als einzelne Menschen gesehen, sondern nur noch als der Feind. Diesem Feind wird als Inkarnation des Bösen die Menschlichkeit abgesprochen, womit das letzte einigende Band zerschnitten ist. Dehumanisierung kann als »the ultimate omega point of all forms of enmification« verstanden werden.83 Der Feind wird zur ›Ratte‹, zur ›Bestie‹ oder zum ›Parasiten‹. Damit verdient er keinerlei Mitgefühl mehr, das allein für die eigenen Opfer reserviert ist (Empathieverweigerung); stattdessen verdient er den Tod. Die üblicherweise geltenden Werte werden so im Hinblick auf den Feind auf den Kopf gestellt. Diese Prozesse sind umso einfacher, je
80 Dieses Muster hat Daniel Frei sehr deutlich herausgearbeitet in Feindbilder und Abrüstung: Die gegenseitige Einschätzung der UdSSR und der USA. Eine Studie des Instituts der Vereinten Nationen für Abrüstungsforschung (UNIDIR), München 1985. Neben Feind- und Selbstbild spielt hierbei noch ein drittes Bild eine Rolle, nämlich »das Bild vom gegnerischen Gegnerbild«, das Frei »Metabild« nennt; ders., »Wie Feindbilder entstehen«, 222. 81 Ulrich Beck, »The Sociological Anatomy of Enemy Images: The Military and Democracy After the End of the Cold War«, in: Fiebig-von Hase/Lehmkuhl (Hg.), Enemy Images, 6587, hier: 80. 82 Es sei an dieser Stelle, weil im Folgenden nicht ständig daran erinnert werden soll, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Konzentration auf die amerikanischen Feindbilder in dieser Arbeit nicht bedeutet, dass es auf der Gegenseite nicht jeweils ein Feindbild USA geben würde. Dass die Feindbilder der UdSSR oder die von Dschihadisten hier nicht in den Blick genommen werden, liegt an der Zielsetzung der Arbeit, nicht daran, dass sie weniger relevant wären. 83 Rieber/Kelly, »Substance and Shadow«, 15.
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größer der Unterschied zu den Anderen aufgrund von Ethnizität, Religion, sozioökonomischem Status oder Ideologie ist.84 Feindbilder erfüllen eine Reihe nützlicher Funktionen für den Einzelnen, aber auch im politisch-gesellschaftlichen Bereich. Diese können nicht nur die große Stabilität von Feindbildern erklären, sondern es ist völlig logisch, darin zugleich auch wesentliche Ursachen ihrer Entstehung zu sehen.85 Zunächst einmal ist leicht nachzuvollziehen, dass Feindbilder politisch instrumentalisiert und daher auch bewusst verbreitet werden können, um bestimmte Maßnahmen zu rechtfertigen, die angesichts der scheinbar vom Feind ausgehenden Bedrohung für notwendig erklärt werden können, etwa Beschränkungen der Einwanderung, erweiterte Befugnisse für Sicherheitsbehörden, Aufrüstung und natürlich militärische Unternehmungen bis hin zum Krieg. Die Gewalt des Krieges bedarf zwingend der Legitimation durch ein Feindbild, das, wie oben dargelegt, an die Stelle des Tötungsverbotes, das alle Gesellschaften kennen, ein Gebot des Tötens setzt. Auch für die Mobilisierung der eigenen Bevölkerung, ohne die sich in modernen Gesellschaften kein Krieg führen lässt, sind Feindbilder zentral. Darüber hinaus haben Feindbilder in mehrfacher Hinsicht eine stabilisierende Wirkung. Zum einen können nicht nur einzelne Regierungsmaßnahmen, sondern ganze politische Systeme und sogar Herrschaft an sich durch den Verweis auf eine Bedrohung begründet werden. Schließlich stellt von jeher der Schutz der eigenen Bevölkerung eine, wenn nicht die zentrale Aufgabe jeglicher organisierter Herrschaft dar. Zudem kann ein äußerer Feind Differenzen innerhalb einer Gesellschaft vergessen machen oder zumindest in den Hintergrund drängen und so deren Zusammenhalt stärken. Tatsächlich geht die Forschung davon aus, dass die Entstehung stark fragmentierter Gesellschaften im Zuge der Modernisierungsprozesse der letzten Jahrhunderte dazu geführt hat, dass Feindbilder erheblich an Bedeutung gewonnen haben, um brüchig gewordene oder gänzlich aufgelöste traditionelle Bindungen zu ersetzen.86 Aber schon der römische Geschichtsschreiber Livius ließ den karthagischen Feldherrn Hannibal feststellen: »Nulla magna civitas diu quiescere potest; si foris hostem non habet, domi invenit[.]«87 Es ist naheliegend, dass auch die individuellen Funktionen von Feindbildern diese in modernen Gesellschaften attraktiver werden lassen, schließlich besteht die 84 Vgl. Daniel Bar-Tal, »Delegitimization: The Extreme Case of Stereotyping and Prejudice«, in: ders. u.a. (Hg.), Stereotyping and Prejudice: Changing Conceptions, New York u.a. 1989, 169-82, hier: 175. 85 Vgl. Flohr, Feindbilder, 16 u. 30. Zu den folgenden Ausführungen vgl. wiederum ausführlicher ebenda, 114-36; Sommer, »Feindbilder«, 310-3; Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, 45-52. 86 Dazu Lippert/Wachtler, »Feindbild«, 79; Michael Hochgeschwender, »Enemy Images in the American Civil War – A Case Study on Their Function in a Modern Society«, in: HansHenning Kortüm (Hg.), Transcultural Wars: From the Middle Ages to the 21st Century, Berlin 2006, 195-210, hier: 198f. Wendt, »Feindbild«, 74f, verweist wiederum auf die genetische Grunddisposition des »Herdentier[s] Mensch«, die das »Zusammenstehen« gegen eine äußere Bedrohung »vorprogrammiert«. 87 Titus Livius, Römische Geschichte, lateinisch u. deutsch hg. von Hans Jürgen Hillen, Darmstadt o.J., XXX, 44, 8.
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grundlegendste dieser Funktionen darin, die Komplexität der Welt zu reduzieren und klare Orientierung zu bieten. Indem Feindbilder nur die Unterscheidung zwischen gut und böse zulassen, geben sie einfachste Antworten selbst auf schwierigste Fragen. Wenn es nur Schwarz und Weiß gibt, muss man sich um Grautöne nicht mehr scheren. Dies stellt eine erhebliche psychische Entlastung dar – gerade in einer Welt, in der sowohl der Alltag als auch ökonomische und politische Strukturen immer unübersichtlicher werden. Entlastet wird der Einzelne durch Feindbilder des Weiteren dadurch, dass diese es erlauben, ansonsten verbotene oder geächtete Emotionen auszuleben, also zur Aggressionsabfuhr dienen. Darüber hinaus fungiert der Feind als Sündenbock. Als solchem kann ihm nicht nur die Verantwortung für alle möglichen Probleme und auch für eigenes Versagen und Fehlverhalten aufgebürdet werden, sondern er bietet auch eine Projektionsfläche für negative Anteile der eigenen Persönlichkeit, die externalisiert und in Gestalt des Feindes bekämpft und vernichtet werden können. Dass etwas auf den Anderen projiziert wird, bedeutet wohlgemerkt nicht zwangsläufig, dass ihm diese Eigenschaft nur angedichtet wird. Das kann, aber muss nicht so sein. Vielmehr geht es darum, dass die Betonung dieser Eigenschaft des Feindes es ermöglicht, sie hinsichtlich der eigenen Persönlichkeit zu verleugnen oder zumindest – im Vergleich mit ihrer Ausprägung beim Feind – für unbedeutend zu erklären.88 Feindbilder haben somit ganz wesentlich eine identitätsstiftende Funktion, sie dienen dem Individuum wie der Gruppe dazu, ein positives Selbstbild zu kreieren und zu stabilisieren. Die Abwertung des Anderen, die im Feindbild ihre extremste Form annimmt, bedingt die Aufwertung der eigenen Person oder Gruppe, deren Qualitäten erst im Vergleich mit ihrem dunklen Gegenbild in vollem Glanz erstrahlen können, während zugleich ihre Fehler überschattet werden. »[H]uman beings need to know themselves as heroes«, wie James A. Aho bemerkt hat,89 und einen Helden kann es nicht ohne einen Bösewicht geben, so wie die Zivilisation nur im Kontrast 88 Die psychologische Feindbildforschung hat die Bedeutung der Projektion immer wieder betont, so schon Arthur Gladstone, »The Conception of the Enemy«, in: Journal of Conflict Resolution 3:2 (1959), 132-7. Siehe außerdem Howard F. Stein, »Psychological Complementarity in Soviet-American Relations«, in: Political Psychology 6:2 (1985), 249-61, hier: 250; Hans Dieckmann, »Gedanken über den Begriff des ›Feindbildes‹ «, in: Analytische Psychologie 17:1 (1986), 25-37, hier: 25; Rieber/Kelly, »Substance and Shadow«, 15f; Stavros Mentzos, »Machtpolitische und psychosoziale ›Funktionen‹ der Feindbilder«, in: Willi Brüggen/Michael Jäger (Hg.), Brauchen wir Feinde? Feindbildproduktion nach dem 11. September 2001 in sozialpsychologischer und diskursanalytischer Sicht, Berlin 22004, 63-82. Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, 31, merkt zu Recht an, dass die für die Feindbildforschung sehr wichtigen psychoanalytischen Konzepte nicht unkritisch angewendet werden dürfen, da sie alles andere als unumstritten sind: »Erst die […] soziokulturelle Historisierung des konkreten Feindbilds erlaubt die Einbettung der Projektion in den Untersuchungsaufbau. Dann nämlich kann eine Betonung der unterbewussten Ebene von Feindbildern sogar davor schützen, Feindbildträger undifferenziert als rationale Akteure zu betrachten.« Dass die Projektion unter dieser Voraussetzung geeignet ist, Feindbilder in ihrer Bedeutung zu erklären, wird meine Arbeit im Folgenden an verschiedenen Beispielen zeigen. 89 James A. Aho, This Thing of Darkness: A Sociology of the Enemy, Seattle/London 1994, 23.
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zum Barbaren Gestalt annehmen kann. Feind- und Selbstbild sind also untrennbar miteinander verbunden, weshalb die Analyse des einen ein Schlüssel zum Verständnis des anderen ist.90 Von dem starken Bedürfnis, sich positiv gegen andere abzugrenzen, zeugt nicht zuletzt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Stereotypen und Feindbildern selbst, die in vielen Fällen, wie Michael Pickering richtig bemerkt hat, auf ein neues ›Wir-gegen-sie‹ hinausläuft, wobei ›sie‹ in diesem Fall die Vorurteilsbehafteten sind.91 Mit Blick auf die Islamforschung hat Tim Karis diesbezüglich festgestellt, dass Studien, die Islamfeindschaft untersuchen, häufig das positiv werten, was als westlich angesehen wird, und somit selber die Trennung vornehmen, die sie anderen vorwerfen.92 Bemerkenswert ist auch, dass Daniel Frei, der ja selbst anderen Feindbildforschern ihre Neigung vorgehalten hat, die eigene Wahrnehmung für objektiv richtig zu erachten, nur der UdSSR eine zweigeteilte Weltsicht attestiert hat, die sich aus ihrer Ideologie ergebe, während er die Bedeutung des Feindbildes für die USA gleichzeitig sträflich unterschätzt hat.93 Hier scheint eine Voreingenommenheit durch, die sich noch deutlicher bei Richard Burt94 findet oder bei Carl-Christoph Schweitzer, der im Rückblick konstatierte, man habe es »auf westlicher Seite zwischen 1945 und 1985 mit dem klassischen Fall einer generell zutreffenden Feindanalyse zu tun gehabt, was zu spezifischen Bildern vom Gegner Anlaß geben mußte.«95 Günther Wagenlehners Behauptung, kein einziger westlicher Politiker habe jemals zu Hass oder Feindschaft aufgerufen und ein Feindbild sei auf westlicher Seite auch im Kalten Krieg die Ausnahme geblieben,96 macht vollends deutlich, dass – wie alles andere Negative – auch Feindbilder mit Vorliebe den Anderen zugeschrieben, für die eigene Seite aber verneint werden.97 So findet sich in Veröffentlichungen bundesdeutscher Ministerien zum Thema Feindbilder immer wieder die Ansicht, diese seien der demokratisch-pluralistischen
90 Zur Bedeutung von Feindbildern für die Identitätskonstruktion siehe auch Vamik D. Volkan, »The Need to Have Enemies and Allies: A Developmental Approach«, in: Political Psychology 6:2 (1985), 219-47; Schrage, »Von Ketzern und Terroristen«, 221f. 91 Pickering, Stereotyping, 26f. 92 Tim Karis, »Postmodernes Feindbild und aufgeklärte Islamophobie? Grenzen der Analysekategorie ›Feindbild‹ in der Islamforschung«, in: Fürst (Hg.), Von Ketzern und Terroristen, 173-90. 93 Frei, »Feindbilder und Bedrohungswahrnehmungen«. Bezeichnend ist insbesondere Freis Erklärung der Rhetorik Ronald Reagans, die letztlich die UdSSR für diese verantwortlich macht (ebenda, 105). 94 Richard Burt, »Wechselseitige Perzeptionen: Sowjetunion und USA«, in: Heisenberg/Lutz (Hg.), Sicherheitspolitik kontrovers, 110-6. 95 Carl-Christoph Schweitzer, »Feindbilder und Feind-Analysen im Ost-West-Konflikt«, in: Karl Dietrich Bracher u.a. (Hg.), Deutschland zwischen Krieg und Frieden: Beiträge zur Politik und Kultur im 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1991, 353-67, hier: 360. 96 Günther Wagenlehner, »Feindbild«, in: ders. (Hg.), Feindbild, 6-16, hier: 13. 97 Als entsprechendes Beispiel für die Perspektive des Ostens siehe Wolfgang Frindte, »Die Funktion von Feindbildern aus sozialpsychologischer Sicht«, in: Pro Pace Mundi 5: Wissenschaftliche Beiträge der Friedrich-Schiller-Universität Jena 5, Jena 1989, 80-7.
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Gesellschaft »wesensfremd«,98 was unter anderem damit begründet wird, dass »sich die demokratische Ordnung [im Gegensatz zum Extremismus] nicht in erster Linie durch die Abgrenzung von anderen Positionen« definiere.99 Diese Argumentation belegt aber selbst unfreiwillig, dass auch die demokratische Identität gerade in der Abgrenzung – eben von denen, die sich abgrenzen – besonders deutlich wird. Zwar mögen demokratische Ideale im Widerspruch zum Feindbilddenken stehen, dass »Feindbilder als solche verpönt« sind,100 bedeutet aber keineswegs, dass sie in und für Demokratien bedeutungslos wären. Tatsächlich gehören ja gerade die demokratischen Nationalstaaten zu jenen modernen Gesellschaften, in denen, wie bereits festgestellt wurde, einigende und sinnstiftende Feindbilder besonders verlockend sein können.101 Bei der Überzeugung, dass Feindbilder unter Demokraten grundsätzlich keinen Platz haben, handelt es sich schlicht um Wunschdenken, wie diese Arbeit am Beispiel der ältesten Demokratie der Welt zeigen wird. Dass Feindbildern in der amerikanischen Politik und Kultur eine große Bedeutung zukommt, ist dabei keine neue Erkenntnis. So hat Richard Slotkin in seinen umfassenden Studien zur frontier-Mythologie festgestellt, »[that] [e]ven at the source of the American myth there lies the fatal opposition, the hostility between two worlds, two races, two realms of thought and feeling.«102 Michael Hochgeschwender hat ebenfalls betont, dass »sich eine Fülle amerikanischer Mythen […] durch einen ausgeprägten Hang zur Gewalttätigkeit« auszeichnet,103 und die von Slotkin herausgearbeitete Dichotomie von Weißen/Zivilisation und Indianern/Wildnis um »den 98 99
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Rolf Breitenstein, »› Feindbilder‹ als Problem der internationalen Beziehungen«, in: Abbau von Feindbildern, hg. vom Auswärtigen Amt, Bonn 21991, 11-23, hier: 20. Eckhard Jesse, »Funktionen und Strukturen von Feindbildern im politischen Extremismus«, in: Feindbilder und Radikalisierungsprozesse: Elemente und Instrumente im politischen Extremismus, hg. vom Bundesministerium des Innern, Berlin 2005, 5-22, hier: 12. Michael Kohlstruck, »Bedeutung von Feindbildern«, in: »Knüppel aus dem Sack«: Zur Bedeutung und Wirkungsweise von Feindbildern (Materialien zum Rechtsextremismus, Bd. 6), hg. vom Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2003, 18-20, hier: 18. Dazu auch Beck, »Sociological Anatomy«, 67. Richard Slotkin, Regeneration through Violence: The Mythology of the American Frontier, 1600-1860, Middletown 1973, 17; siehe außerdem seine daran anknüpfenden Arbeiten Fatal Environment: The Myth of the Frontier in the Age of Industrialization, New York 1985, und Gunfighter Nation. Unter einem Mythos ist hier eine nicht historisch überprüfbare oder wunderbare, als Deutungsmuster funktionierende, sinnstiftende Erzählung zu verstehen. Siehe dazu Christoph Jamme/Stefan Matuschek, Handbuch der Mythologie, unter Mitarbeit von Thomas Bargatzky u.a., Darmstadt 2014, 12-9; zu Mythos und Politik ebenda, 36-41. Speziell zur amerikanischen Mythologie außerdem Frank Unger, »Einleitung des Herausgebers«, in: ders. (Hg.), Amerikanische Mythen: Zur inneren Verfassung der Vereinigten Staaten, Frankfurt a.M./New York 1988, 8-15. Michael Hochgeschwender, »›God’s Own Nation‹: Der gerechte Krieg im Selbstbild der USA«, in: Nikolaus Buschmann/Dieter Langewiesche (Hg.), Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA, Frankfurt a.M./New York 2003, 286319, hier: 288.
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theologischen wie den säkularen Dualismus« ergänzt, die »der amerikanischen Nationalmythologie eine […] eschatologisch, an zukünftiger Vollkommenheit ausgerichtete Note« verliehen.104 Auf die amerikanische Neigung (oder Besessenheit), sich die Welt und ihren Platz darin durch das Konzept eines Kampfes zwischen dem absolut Guten und dem absolut Bösen zu erklären, hat auch Robert C. Fuller hingewiesen und die Konsequenz daraus folgendermaßen beschrieben: »[A] nation that understands itself in the mythic terms of salvation history is likely to find itself forever confronting demonic enemies.«105 Scharf gezeichnete Feindbilder sind also geradezu eine durch die amerikanische Mythologie und das Sendungsbewusstsein diktierte Notwendigkeit.106 Zugleich ist verschiedentlich dargelegt worden, dass die USA als multiethnischer Bundesstaat von jeher in besonderem Maße auf Mythen und auf Feindbilder angewiesen sind, um die Bevölkerung zu einigen und an die Nation zu binden.107 Dessen ungeachtet hat die Geschichtswissenschaft sich bislang kaum um eine genaue Untersuchung amerikanischer Feindbilder bemüht, so wie sie Feindbildern generell wenig Beachtung geschenkt hat.108 Deren Erforschung ist überwiegend von Psychologen, Soziologen und Politikwissenschaftlern betrieben worden. Das ist in zweierlei Hinsicht problematisch: Zum einen gebricht es der Feindbildforschung dadurch an einer dringend notwendigen historischen Perspektive, auch mit Blick auf den Kalten Krieg, der nicht nur lange Zeit im Zentrum des Interesses der Forschung stand, sondern diese überhaupt erst hervorgebracht hat. Diese Fokussierung bedingte eine allzu gegenwartsbezogene Betrachtungsweise, die oftmals mit einem pädagogischen Anspruch einherging. Mit dem Ende der Blockkonfrontation erlahmte folgerichtig auch das Interesse der traditionellen Feindbildforschung. So sehr sich diese um das Verständnis der oben dargelegten soziobiologischen und psychologischen Aspekte von Feindbildern verdient gemacht, krankt sie daran, dass sie das Phänomen generalisierend und weitgehend abgelöst von soziohistorischen Kontexten betrachtet 104 Ebenda, 293. 105 Robert C. Fuller, Naming the Antichrist: The History of an American Obsession, New York/Oxford 1995, 157. 106 Siehe dazu auch Detlef Junker, Power and Mission: Was Amerika antreibt, Freiburg i.Br. 2003. John Gray, Heresies: Against Progress and Other Illusions, London 2004, 124-31, hat argumentiert, dass die Weltsicht der USA nicht manichäisch sei, weil sie von der Besiegbarkeit des Bösen ausgehe, und die These aufgestellt, es sei gerade »disbelief in evil«, der »today peculiarly American« sei (ebenda, 126). Dabei ignoriert er aber die schon in dem Zitat von Fuller angesprochene Tatsache, dass das Böse für die USA in immer neuen Verkörperungen auftritt und bekämpft werden muss. 107 Vgl. Hochgeschwender, »›God’s Own Nation‹ «, 289; Aho, Thing of Darkness, 85-7. Siehe auch mit einer etwas anderen Stoßrichtung Marco Walter, Nützliche Feindschaft? Existenzbedingungen demokratischer Imperien – Rom und USA, Paderborn 2015. Nach Flohr, Feindbilder, 104-6, sind weitere Faktoren, die die USA anfälliger für Feindbilder machen, die geographische Abgeschiedenheit (mit nur zwei Nachbarländern), die eine geringere Sensibilität gegenüber anderen Nationen und deren Bedrohungsempfinden bedingt, sowie Größe und Macht, da mächtige Staaten Bedrohungen stärker wahrnehmen als schwache, die eher zum Verdrängen neigen. 108 Vgl. Hochgeschwender, »Enemy Images«, 195-7; Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, 14.
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hat, ohne die ein wirkliches Verständnis spezifischer Feindbilder gar nicht möglich ist.109 Gleichzeitig hat die Geschichtswissenschaft es zumeist versäumt, Feindbilder als einen wesentlichen Faktor historischer Entwicklung in ihre Betrachtungen einzubeziehen. Ein Grund dürfte hier wie bei der stiefmütterlichen Behandlung von Filmen die Skepsis gegenüber der Macht des Emotionalen, Imaginären und Irrationalen sein.110 Solche Vorbehalte gilt es endgültig über Bord zu werfen und stattdessen anzuerkennen, was Hans Nicklas und Änne Ostermann vor 30 Jahren festgehalten haben: »Das politische Geschehen kann nicht interpretiert werden mit rationalen Kategorien allein, weil Politik entgegen der Behauptung der Akteure nicht aufgrund von Fakten und Situationen, also von Realität gemacht wird, sondern aufgrund von Wahrnehmungen und Interpretationen von Realität.«111 Feindbilder zu ignorieren muss daher unser Verständnis von historischen (und natürlich auch gegenwärtigen) Konflikten erheblich beeinträchtigen. Zwar herrscht mittlerweile in der Forschung Konsens darüber, dass es falsch wäre, in Feindbildern die Ursache von Konflikten zu sehen, die sich dementsprechend allein über ihren Abbau lösen ließen. Dies ist höchst selten der Fall.112 Vielmehr müssen die realen Gegensätze und widerstreitenden Interessen beachtet werden. Feindbilder wirken aber als Katalysatoren, die Konflikte verschärfen und perpetuieren. Insofern kann die Erforschung von Feindbildern in der Regel nicht erklären, warum es zu Konflikten gekommen ist, sie ist aber wichtig, um zu verstehen, warum diese Konflikte einen bestimmten Verlauf genommen haben und wie sie wahrgenommen wurden.113 Darüber hinaus ermöglicht sie uns tiefe Einblicke in das Selbstverständnis von Gesellschaften und Gruppen, in deren Ängste und Hoffnungen. Wenn Nationen »imagined communities« sind,114 dann kann ihre Geschichte nicht ohne eine Analyse des Imaginären und damit nicht zuletzt ihrer Feindbilder geschrieben werden. Meine Arbeit soll hierzu einen Beitrag leisten. Indem sie die Bedeutung und Entwicklung amerikanischer Feindbilder im Zeitraum zwischen 1980 und 2005 an109 Vgl. in diesem Sinne schon Lippert/Wachtler, »Feindbild«, 79; außerdem die entsprechende Kritik hinsichtlich der Erforschung von Stereotypen bei Pickering, Stereotpyping, 8. 110 Siehe dazu auch Birgit Aschmann, »Vom Nutzen und Nachteil der Emotionen in der Geschichte: Eine Einführung«, in: dies. (Hg.), Gefühl und Kalkül: Der Einfluss von Emotionen auf die Politik des 19. und 20. Jahrhunderts (Historische Mitteilungen im Auftrage der Ranke-Gesellschaft, Bd. 62), München 2005, 9-32. 111 Hans Nicklas/Änne Ostermann, »Die Rolle von Images in der Politik: Die Ideologie und ihre Bedeutung für die Imagebildung am Beispiel des Ost-West-Konflikts«, in: Dieter Schmidt-Sinns (Red.), Völker und Nationen im Spiegel der Medien (BPB Schriftenreihe, Bd. 269), Bonn 1989, 22-35, hier: 32. 112 Vgl. z.B. Sommer, »Feindbilder«, 314; Schrage, »Von Ketzern und Terroristen«, 226. 113 Siehe beispielhaft Koch, »Slavocrat« und »Yankee«, der die eskalierende Wirkung der Feindbilder von Nord- und Südstaaten vor und während des Bürgerkriegs hervorhebt (z.B. ebenda, 263). 114 So die bekannte Formulierung von Benedict Anderson, Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, überarb. Auflage, London/New York 1994.
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hand von Spielfilmen untersucht, ist sie an der Schnittstelle zweier bislang von der historischen Forschung vernachlässigter Bereiche positioniert. Eine vergleichbare Studie liegt dementsprechend noch nicht vor. Der von Robert Brent Toplin herausgegebene Sammelband Hollywood as Mirror: Changing Views of »Outsiders« and »Enemies« in American Movies aus dem Jahr 1993 ist die einzige Annäherung an dieses Feld aus dezidiert historischer Perspektive – aber auch nicht mehr als eine Annäherung.115 Die hier zusammengestellten Aufsätze werden weder durch eine Gesamtbetrachtung verknüpft, was angesichts der sehr unterschiedlichen Themensetzungen auch schwierig wäre, noch arbeiten sie mit dem Feindbildbegriff. Soweit sich die Beiträge mit außenpolitischen Konflikten befassen, werden – angesichts des Erscheinungsdatums nicht überraschend – durchweg frühere Zeitabschnitte betrachtet. Wie der Titel verdeutlicht, geht es aber nicht nur um Feinde im engeren Sinne, sondern in vielen Fällen um die Darstellung von Randgruppen und Minderheiten. Im Gegensatz dazu konzentriere ich mich auf außenpolitische Feindbilder, wobei einschränkend anzumerken ist, dass eine klare Trennung zwischen äußeren und inneren Feinden nicht immer möglich oder sinnvoll ist, da in der Wahrnehmung oftmals beide miteinander verknüpft sind.116 Offensichtlich ist dies vor allem bei den transnationalen Bedrohungen wie etwa im war on drugs, in dem Drogenkonsumenten und insbesondere die Minderheiten der Schwarzen und Latinos häufig als Verbündete ausländischer Drogenkartelle erscheinen. Generell lassen sich in einer Einwanderungsgesellschaft wie der amerikanischen leicht Verbindungen zwischen Angreifern von außen und Gruppen innerhalb des Landes herstellen. Solche Zusammenhänge können natürlich nicht übergangen werden, aber sie stehen nicht im Fokus meiner Arbeit. Diese geht von der erneuten Zuspitzung des Kalten Krieges in der ersten Hälfte der 1980er Jahre aus, um den Wandlungsprozess zu untersuchen, der durch das Ende des Ost-West-Konfliktes und die damit verbundene Auflösung des über Jahrzehnte hinweg bestimmenden Feindbildes ausgelöst wurde.117 In der Feindbildforschung ist häufig die große Bedeutung dieses Feindbildes für die USA (und den Westen allgemein) konstatiert worden, Robert Rieber und Robert Kelly haben pointiert von Ab-
Robert Brent Toplin (Hg.), Hollywood as Mirror: Changing Views of »Outsiders« and »Enemies« in American Movies (Contributions to the Study of Popular Culture 38), Westport/London 1993. 116 Beck, »Sociological Anatomy«, 77, weist darauf hin, dass Feindbilder auch dazu führen, dass die Unentschlossenen und Kritiker im Innern zu Feinden erklärt werden. 117 Der Begriff Ost-West-Konflikt bezeichnet den seit 1917 bestehenden ideologisch bedingten Gegensatz, innerhalb dessen dem Kalten Krieg seit 1947 als einem »permanente[n] und aktiv betriebene[n] ›Nicht-Frieden‹ « eine besondere Qualität zugesprochen werden muss. Insofern sind die Begriffe nicht einfach synonym zu verwenden. Da sich auch innerhalb des Kalten Krieges Phasen mit sehr unterschiedlicher Intensität der Konfrontation unterscheiden lassen, wird der Begriff Kalter Krieg gelegentlich auch für die Zeitabschnitte der schärfsten Auseinandersetzung reserviert. Die in dieser Arbeit betrachtete Eskalation zu Beginn der 1980er Jahre wäre dann der ›Zweite Kalte Krieg‹ (nach dem ›Ersten Kalten Krieg‹ von 1947-1962). Diese Terminologie hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Siehe hierzu ausführlich Stöver, Der Kalte Krieg, 11-27 (Zitat ebenda, 20).
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hängigkeit gesprochen.118 Aber weder ist diese Bedeutung über die unmittelbar offensichtliche Begründbarkeit politischer Maßnahmen hinaus präzise analysiert worden noch wurde geklärt, wie und warum sich das Bild der Sowjetunion in deren letzten Jahren veränderte und was danach kam. Welche Auswirkungen hatte das Verschwinden des bekannten Feindes? Welche Feindbilder bestimmten danach die Bedrohungswahrnehmung? Erleichterten andere Feindbilder bereits den Abbau des einen? Trat unmittelbar ein neuer »Enemy Number One«119 an die Stelle des sowjetischen Imperiums? Markierten die Anschläge vom 11. September 2001 mit Blick auf die Bedrohungswahrnehmung einen Wendepunkt oder hatten sich entsprechende Feindbilder bereits davor durchgesetzt? Und schließlich: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich hinsichtlich der verschiedenen Feindbilder feststellen? Ich habe bewusst darauf verzichtet, mich für die Zeit nach dem Kalten Krieg auf einen bestimmten Konflikt oder ein bestimmtes Feindbild zu beschränken und dieses dem Feindbild UdSSR gegenüberzustellen, weil dies lediglich einen Vergleich, aber keine detaillierte Untersuchung des Feindbildwandels insgesamt ermöglicht hätte. Die Auswahl eines bestimmten Feindbildes, etwa des islamistischen Terrorismus, hätte zudem die Gefahr einer Verzerrung, etwa durch die Konstruktion einer scheinbar unausweichlichen Entwicklung, geborgen.120 Beschränkt wird meine aufgrund dieses breiten Ansatzes sehr umfangreiche Studie durch die Festlegung des Untersuchungszeitraumes. Die beiden Eckdaten 1980 und 2005 bieten sich dabei nicht nur aus pragmatischen Gründen an: Auf der einen Seite markiert die Wahl Ronald Reagans zum US-Präsidenten einen Einschnitt, der eng mit der erneuten Verschärfung des Kalten Krieges verknüpft ist.121 Auf der anderen Seite können so die Auswirkungen von 9/11 miteinbezogen werden, wobei sich ab 2005 auch ein neuer Trend in
118 Rieber/Kelly, »Substance and Shadow«, 29. Vgl. z.B. auch Beck, »Sociological Anatomy«, 79. 119 Vilho Harle, The Enemy with a Thousand Faces: The Tradition of the Other in Western Political Thought and History, Westport/London 2000, 86. 120 Als Beispiel dafür, wie problematisch im Vorfeld getroffene Festlegungen sind, sei hier auf die Studie von Shoon Kathleen Murray/Jason Meyers, »Do People Need Foreign Enemies? American Leaders’ Beliefs after the Soviet Demise«, in: Journal of Conflict Resolution 43:5 (1999), 547-69, verwiesen. Ausgehend von der Annahme, China sei der wahrscheinlichste Kandidat für einen neuen Feind, wurde einzig die Einstellung zu diesem Land untersucht und dann aus den Ergebnissen geschlossen, es gebe keinen Beweis dafür, »that people have actually transferred old fears about the Soviet Union onto a replacement enemy« (ebenda, 547). 121 Bezeichnenderweise wird häufig nicht nur mit Blick auf die Politik, sondern auch auf das Kino von der Reagan-Ära gesprochen, so bei Steve Vineberg, No Surprises, Please: Movies in the Reagan Decade, New York 1993; Robin Wood, Hollywood from Vietnam to Reagan, New York 1986, 162; Robert Sklar, Movie-Made America: A Cultural History of American Movies, überarb. u. aktual., New York 1994, 339; Alan Nadel, Flatlining on the Field of Dreams: Cultural Narratives in the Films of President Reagan’s America, New Brunswick 1997.
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der filmischen Auseinandersetzung mit der zunehmend kritisierten Politik der Administration von George W. Bush abzeichnete.122 Auch wenn noch keine vergleichbare Arbeit vorliegt, gibt es natürlich zahlreiche Untersuchungen, die sich einzelnen dafür relevanten Aspekten widmen. Große Aufmerksamkeit hat in den letzten Jahren insbesondere die Darstellung von Terrorismus im Spielfilm erhalten, die in mehreren einschlägigen Studien untersucht worden ist.123 Diese stammen allerdings ausnahmslos von Medienwissenschaftlern, und die Einbettung in den historischen Kontext ist durchweg unbefriedigend, so scharfsinnig einzelne Beobachtungen zu den Filmen auch sein mögen. Keine dieser Arbeiten betrachtet Terrorismus im Zusammenhang des Feindbildwandels oder operiert auch nur mit dem Begriff des Feindbildes, was generell für die filmwissenschaftliche Forschung gilt, die sich zwar immer wieder mit Stereotypen bei der Darstellung bestimmter Gruppen oder Nationen befasst, aber Feindbilder nicht als spezifisches, darüber hinaus gehendes Phänomen in den Blick nimmt.124 Wenn bereits festgestellt wurde, dass Spielfilme eine exzellente Quelle zur Erforschung des Imaginären einer Gesellschaft sind, das sie tatsächlich sichtbar machen, dann gilt dies noch einmal in besonderem Maße für Feindbilder. Grundsätzlich ist die »Konstruktion des Fremden […] ein Grundmuster filmischen Erzählens«, um Span-
122 Genaueres dazu im Schlusskapitel ›Zusammenfassung und Ausblick‹. Wo es geboten ist, wird natürlich auch davor der Blick über die Jahre 1980 bis 2005 hinaus geweitet. Schon wegen des langen Produktionszeitraums von Filmen wäre es unsinnig, die angrenzenden Jahre zu ignorieren. 123 Stephen Prince, Firestorm: American Film in the Age of Terrorism, New York 2009; Robert Cettl, Terrorism in American Cinema: An Analytical Filmography, 1960-2008, Jefferson/London 2009; Helena Vanhala, The Depiction of Terrorists in Blockbuster Hollywood Films, 1980-2001. An Analytical Study, Jefferson/London 2011; Bernd Zywietz, Terrorismus im Spielfilm: Eine filmwissenschaftliche Untersuchung über Konflikte, Genres und Figuren, Wiesbaden 2016. Zywietz untersucht nicht nur amerikanische Produktionen, sondern die Darstellung in den Filmen verschiedener Nationen. 124 Erwähnt werden sollen an dieser Stelle zwei veröffentlichte Magisterarbeiten aus dem Bereich der Politik- und der Sozialwissenschaft: Harald Scherz, Feindbilder im Hollywoodfilm nach dem Ende des Kalten Krieges (Wien 2003), http://www.mnemopol.net, Text mit der Signatur #459 (08.02.2006), u. Carsten Wagner, Sie kommen! Und Ihr seid die Nächsten! Politische Feindbilder in Hollywoods Horror- und Science-Fiction-Filmen, Marburg 2009. Der Titel von Scherz’ Arbeit klingt mit Blick auf mein Thema vielversprechend, ist aber irreführend, da es in der Arbeit, die sich auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau bewegt, tatsächlich um Kriegsfilme geht, während der Begriff des Feindbilds nicht reflektiert wird und für die Analyse bedeutungslos bleibt. Wagner, der Filme des frühen Kalten Krieges mit Produktionen aus den Jahren nach dem 11. September 2001 vergleicht, setzt sich dagegen tatsächlich mit dem Konzept des Feindbildes auseinander und wendet dieses an. Seine Arbeit bleibt aber, was bei einer Magisterarbeit kaum zu vermeiden ist, knapp und oberflächlich, schon weil sie nur sieben Filme genauer untersucht. Es mangelt zudem einmal mehr an einer überzeugenden historischen Einordnung; so bleibt völlig außen vor, dass Terrorismus schon vor 9/11 ein Thema war.
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nung und Konflikt zu erzeugen.125 Gerade in Genres wie Thriller, Kriegs-, Actionoder Horrorfilm wird dabei nicht nur das Andere, sondern das Böse entworfen. Einerseits wird offenbar die narrative Imagination gebraucht, um in einer Kultur Gut und Böse zu definieren,126 andererseits bedarf das Kino starker Gegenspieler für seine Helden. »You need worthy villains«, wie der Produzent Robert Chartoff einmal erklärte.127 »Das Kino lebt von Feindbildern«, stellte dementsprechend Fritz Göttler, Filmkritiker der Süddeutschen Zeitung, in seinem Beitrag zur Debatte um Kurtlar vadisi: Irak im Februar 2006 fest, in dem er völlig richtig diagnostizierte: »Was verstört an dem Film aus der Türkei, ist, dass er einfach den Genre-Spieß umgedreht hat. Und dass wir, die wir amerikanische Action immer ganz easy in der Perspektive der weißen angelsächsischen protestantischen Siegertypen erleben durften, nun plötzlich auf der anderen, auf der Verliererseite, bei den Un- und Untermenschen hocken.«128 Damit legte Göttler den Finger in die Wunde jener, die eine Absetzung des als unerträglich empfundenen ›Hassfilms‹ forderten, womit sie einmal mehr bestätigten, dass Feindbilder auch im Diskurs über Filme in aller Regel die Feindbilder der Anderen sind.129 Der türkische Außenminister Abdullah Gül hatte sich seinerseits unbesorgt über eine mögliche Belastung des Verhältnisses zum amerikanischen Verbündeten gezeigt, weil solche Filme in den USA doch am laufenden Band gemacht würden130 – was das amerikanische Branchenmagazin Variety in seiner Rezension nicht anders sah. Diese verortete Kurtlar vadisi: Irak auch durch das Aufgreifen einer realen Begebenheit »[i]n the noble tradition of mainstream genre cinema«.131 In der Tat illustriert der türkische Actionfilm auch, dass das Kino sich seine Bösewichte nicht willkürlich auswählt. In der Fortsetzung Kurtlar vadisi: Filistin (2011, deutsch: Tal der Wölfe – Palästina) trat der Held entsprechend gegen Israel an, Kurtlar vadisi: Vatan (2017, deutsch: Tal der Wölfe – Vaterland) zeigt die Gülen-Bewegung als Verantwortliche des Putschversuchs vom 15. Juli 2016. Offensichtlich folgten die türkischen Produzenten einem Prinzip, das ihr Hollywoodkollege Joel Silver folgendermaßen formulierte: »You’re always trying to find real villains out of the headlines; you’re always trying to find real tigers as opposed to paper tigers.«132
125 Knut Hickethier, »Zwischen Abwehr und Umarmung: Die Konstruktion des anderen in Filmen«, in: Ernst Karpf u.a. (Hg.), »Getürkte Bilder«: Zur Inszenierung von Fremden im Film (Arnoldshainer Filmgespräche, Bd. 12), Marburg 1995, 21-40, hier: 21. 126 Clemens Schwender, »Bausteine zu einem evolutionspsychologischen Verständnis von Kriegsfilmen«, in: Chiari u.a. (Hg.), Krieg und Militär, 141-53, hier: 152. Beachtenswert ist der Hinweis ebenda, dass es nicht nur in Geschichten, sondern auch in der Geschichte, »immer wieder darum [geht], das Böse zu identifizieren, es zu verfolgen und zu bestrafen in der Hoffnung, es damit auf Dauer los zu werden.« 127 Zitiert nach »U.S. and Soviet Film Makers Debate Stereotypes«, in: NYT 25.03.1987. 128 »Die Bösen«, in: SZ 25./26.02.2006. 129 Das stellt auch Hickethier, »Zwischen Abwehr und Umarmung«, 23, fest. 130 Zitiert in »Jaaa. Schöön.«, in: SZ 09.02.2006. 131 »Review: ›Valley of the Wolves: Iraq‹ «, http://variety.com/2006/film/markets-festivals/ valley-of-the-wolves-iraq-1200518276/ (31.08.2016). 132 Zitiert nach »For Hollywood Villains, It’s Cold War II«, in: NYT 06.08.1997.
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Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber auch noch einmal, dass Spielfilme Feindbilder nicht nur aufgreifen, sondern auch mitgestalten und verbreiten. Während generell »in komplexen modernen Gesellschaften der Anteil der primären, unmittelbaren Wirklichkeitserfahrungen abnimmt, zugunsten einer Erfahrung, die durch Medien vermittelt wird«,133 müssen Massenmedien im Hinblick auf fremde Länder und Kulturen in besonderem Maße als Quelle des Wissens beziehungsweise der Vorstellungen über diese angesehen werden.134 Und Spielfilmen kommt unter diesen Medien wiederum eine zentrale Bedeutung zu.135 Zum einen spielen andere Länder, insbesondere solche, die nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft liegen oder wenigstens dem eigenen Kulturkreis zugerechnet werden, in der Berichterstattung der Nachrichten eine untergeordnete Rolle; und wenn über sie berichtet wird, dann gemäß den Gesetzen der Aufmerksamkeit häufig im Zusammenhang mit Krisen und negativen Ereignissen. Zum anderen erreichen Filme im Zweifelsfall ein größeres Publikum und sie sprechen dieses emotional stärker an. Zwar würden vermutlich die meisten Menschen bestreiten, dass ihr Bild von anderen Nationen und fremden Kulturen stark durch fiktionale Unterhaltungsmedien geprägt ist, aber wenn ein Großteil der Informationen, die der Einzelne zur Verfügung hat, aus dieser Quelle stammt, wäre alles andere erstaunlich.136 Vor der Analyse der Filme sind noch einige methodische Fragen zu klären, nicht zuletzt zur Relevanz von Produktions- und Rezeptionsgeschichte für die Interpretation. Unter den Experten für historische Filmforschung herrscht große Einigkeit darüber, dass dem Entstehungsprozess und den Absichten der Filmschaffenden hierbei
133 Michael Schenk, Medienwirkungsforschung, zweite, vollständig überarb. Auflage, Tübingen 2002, 39. 134 Vgl. Mira Beham, Kriegstrommeln: Medien, Krieg und Politik, München 1996, 143; Jürgen Wilke, »Imagebildung durch Massenmedien«, in: Schmidt-Sinns (Red.), Völker und Nationen im Spiegel der Medien, 11-21, hier: 16; Bernhard Claussen, »Politische Sozialisation durch Massenmedien und die Vermittlung von Vorstellungen über fremde Völker, Gesellschaften und Nationen«, in: ebenda, 67-97. 135 Vgl. dazu auch David H. Budd, Culture Meets Culture in the Movies: An Analysis East, West, North, and South, Jefferson/London 2002, 1. 136 Die konkrete Wirkung von Medien ist schwer zu erfassen, weil es sich um unbewusste Prozesse handelt und in der Regel verschiedene Medien zusammenwirken; siehe Elisabeth Noelle-Neumann, »Wirkung der Massenmedien auf die Meinungsbildung«, in: dies. u.a. (Hg.), Das Fischer Lexikon: Publizistik. Massenkommunikation, aktual., vollst. überarb, Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1994, 518-71, hier: 533. Prinzipiell neigen Menschen dazu, eine Beeinflussung durch Medien bei anderen, aber nicht bei sich selbst anzunehmen; dazu Richard M. Perloff, »The Third-Person Effect«, in: Jennings Bryant/Dolf Zillmann (Hg.), Media Effects: Advances in Theory and Research, Mahwah/London 2 2002, 489-506. Darauf, dass fiktionale Unterhaltung Einstellungen beeinflusst, weisen z.B. diverse Studien zur Rezeption von Fernsehserien hin; siehe »Die Spione, die wir lieben«, in: SZ 22.11.2013; Andreas Dörner, »Politserien: Unterhaltsame Blicke auf die Hinterbühnen der Politik«, in: APuZ 66:51 (2016), 4-11, hier: 10f. Im Fall von Kurtlar vadisi: Irak kommen Anaz/Purcell, »Geopolitics of Film«, 43-7, zu dem Schluss, dass die Meinungen der Zuschauer zum Irakkrieg weitgehend schon davor festgestanden hätten.
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keine große Bedeutung beizumessen ist.137 Filmen wird teilweise gerade deshalb eine besondere Aussagekraft als Quelle zugeschriebene, weil sie in aller Regel nicht das Werk eines Einzelnen, sondern »das ›gesellschaftlichste‹ Kulturprodukt unserer Zeit« sind, an dessen Entstehung eine Vielzahl von Personen beteiligt ist, deren Vorstellungen darin einfließen.138 Zwar ist es sicherlich so, dass Autoren, Regisseure und Produzenten, die wichtige Entscheidungen treffen, einen Film stärker prägen als Maskenbildner oder Techniker, man sollte aber vorsichtig sein, speziell die Rolle von Regisseuren nicht zu überschätzen. Gerade in Hollywood kommt dem Genrekino eine große Bedeutung zu, dessen Produkte bestimmten Regeln folgen und weniger als individueller künstlerischer Ausdruck anzusehen sind, als das bei Autorenfilmen der Fall ist.139 Davon abgesehen wäre es grundsätzlich ein Irrglaube, anzunehmen, dass Textproduktion – ganz gleich in welcher Form – ein rein rationaler und völlig bewusster Vorgang ist. Gerade wenn es um Stereotypen und Feindbilder geht, ist offensichtlich, dass das nicht der Fall sein kann. Selbst wenn bestimmte Personen nachweislich einen großen Einfluss auf einen Film haben, kann man deren erklärte Absichten deshalb nicht einfach für bare Münze nehmen beziehungsweise zur Basis der Interpretation machen. Bezeichnenderweise bekundeten die Macher von Kurtlar vadisi: Irak, von den Kritikern des Films völlig missverstanden worden zu sein, sie hätten »eine Tragödie« und einen »Anti-Kriegsfilm« drehen wollen.140 Hollywood gilt gemeinhin als sehr liberal, was auch der Selbsteinschätzung der meisten prominenten Filmschaffenden entspricht. Leute wie der Autor und Regisseur John Milius, der sich selbst einmal als »Zen fascist« bezeichnet hat,141 oder der Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer, der sich im politischen Spektrum eher rechts als links verortet,142 sind hier die Ausnahme. Demnach müssten, wenn es so wäre, dass Filme einfach die bewussten und öffentlich gemachten Ansichten ihrer Macher widerspiegeln, Hollywoodproduktionen vor allem liberale Botschaften transportieren. Tatsächlich gibt es eine Reihe konservativer Kritiker, die das genau so sehen und der Filmindustrie absprechen, im Einklang mit der restlichen amerikanischen Gesell-
137 Vgl. z.B. Pierre Sorlin, The Film in History: Restaging the Past, Oxford 1980, 30; Paul Monaco, Ribbons in Time: Movies and Society Since 1945, Bloomington/Indianapolis 1987, ix u. xii; Bartholomei, Bilder von Schuld und Unschuld, 21. Im Gegensatz dazu Robert Brent Toplin, History by Hollywood: The Use and Abuse of the American Past, Urbana/Chicago 1996, x. 138 Stettner, »Film«, 16. Auch Kracauer, From Caligari to Hitler, 5, verweist schon auf diesen Aspekt. Einen Überblick über die einzelnen Schritte des Produktionsprozesses bietet Vanhala, Depiction of Terrorists, 90-4. 139 Vgl. auch Douglas Kellner, »Hollywood Film and Society«, in: John Hill/Pamela Church Gibson (Hg.), American Cinema and Hollywood: Critical Approaches, Oxford 2000, 128-36, hier: 131. Siehe außerdem Thomas Schatz, »Genre«, in: Crowdus (Hg.), Political Companion, 177-85; »Das Ende des Regisseurs«, in: SZ 09./10.09.2017. 140 Zitiert nach »Ein Drama, eine Tragödie«, in: SZ 03.03.2006. 141 Paul Elitzik, »Milius, John«, in: Crowdus (Hg.), Political Companion, 274-8, hier: 274. 142 »That’s Militainment«, in: Guardian 22.05.2002.
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schaft zu sein.143 Solche Urteile sind aber offenkundig die Folge einer selektiven Wahrnehmung, die mit dem Feindbild Hollywood einhergeht.144 Die Produkte der amerikanischen Filmindustrie nahezu ausnahmslos zum Ergebnis einer liberalen Agenda zu erklären, ist genauso unsinnig, wie umgekehrt von einer prinzipiell reaktionären Stoßrichtung auszugehen. Grundsätzlich muss klar sein, dass die Aussage eines Textes, ganz gleich, ob es sich dabei um einen schriftlichen oder einen filmischen Text handelt, nicht mit den Ansichten des Urhebers oder der Urheber gleichgesetzt werden darf.145 Das Ziel einer Interpretation ist es nicht, herauszufinden, ›was uns der Autor (oder der Regisseur) damit sagen will‹. Dagegen spricht schon, dass sonst die Seite der Rezipienten sträflich vernachlässigt wird, die so als rein passiv erscheint. Tatsächlich muss sich das Angebot Hollywoods aber an dem Markt orientieren, auf dem es seine Produkte feilbietet, was die Frage nach dem Einfluss des Publikums auf die Filmproduktion aufwirft.146 Ein solcher ist vor allem bei großen Produktionen unzweifelhaft vorhanden, wenn vor der eigentlichen Veröffentlichung Testvorführungen durchgeführt und ausgewertet und daraufhin zum Teil gravierende Änderungen vorgenommen werden.147 Hinsichtlich der Rezeption von Filmen haben wir es mit einer deutlich schlechteren Quellenlage als bei der Produktion zu tun, was es schwierig macht, hierzu allgemeingültige Aussagen zu treffen. Dass Spielfilme eine große Zahl von Menschen erreichen und ansprechen, gilt als wichtiges Argument für ihren Quellenwert. Popularität wird daher in vielen Arbeiten als zentrales Auswahlkriterium der zu untersuchen143 So z.B. Richard Grenier, Capturing the Culture: Film, Art, and Politics, Washington 1991; Michael Medved, Hollywood vs. America: Popular Culture and the War on Traditional Values, New York 1992. 144 Bestätigt werden sie scheinbar durch Stephen Powers/David J. Rothman/Stanley Rothman, Hollywood’s America: Social and Political Themes in Motion Pictures, Boulder 1996. Diese Studie geht aber ebenfalls von den Einstellungen der kreativen Köpfe in Hollywood aus und zeichnet sich durch eine frappierende Blindheit etwa für die mythischen Strukturen in den untersuchten Filmen aus. Medved, Hollywood vs. America, 218f, beruft sich auf einen älteren Aufsatz der Autoren. Auch Robert Brent Toplin verweist in Reel History: In Defense of Hollywood, Lawrence 2002, 171, auf Hollywood’s America als »an important study«, die die Annahme, »that the powerful people behind Hollywood productions are strong defenders of conservative values« als falsch entlarve. 145 Die Behauptung von Hughes, »Evaluation«, 67: »We know that the attitudes which come through to us from a novel are the novelist’s« zeugt von einem fundamentalen Unverständnis für den Umgang mit fiktionalen Texten, das möglicherweise andere Historiker auch heute noch teilen. 146 Schon Allen/Gomery, Film History, 165, betonen die Marktorientierung des Films. Jonathan Rosenbaum, Movie Wars: How Hollywood and the Media Conspire to Limit What Films We Can See, Chicago 2000, argumentiert, dass nicht das Publikum bestimme, was es zu sehen bekomme, sondern Hollywood ein begrenztes (und überwiegend schlechtes) Angebot mache. Dagegen vertritt Tom Stempel, American Audiences on Movies and Moviegoing, Lexington 2001, 252f, die Ansicht, dass das Publikum die Filmindustrie mehr beeinflusst als umgekehrt. 147 Ein Beispiel hierfür ist Rules of Engagement (2000), den ich in Kap. III.3.5 analysiere.
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den Filme benannt, wobei das Einspielergebnis als Indikator dient.148 Dieses stellt in der Tat einen wichtigen Anhaltspunkt dar, allerdings müssen einige Einschränkungen seines Aussagewertes bedacht werden. Erstens sind die Gründe für den Erfolg oder Misserfolg eines Films komplex und werden beispielsweise von konkurrierenden Angeboten und nicht zuletzt von Werbemaßnahmen beeinflusst. Zweitens gibt es neben dem Kino weitere Verbreitungskanäle, die gerade in dem Zeitraum, der in meiner Arbeit untersucht wird, an Bedeutung gewonnen haben. In den 1980er Jahren verlagerte sich der Filmkonsum durch Heimvideosysteme und Kabelfernsehen zunehmend aus dem öffentlichen Raum in die eigenen vier Wände.149 Man sollte also bedenken, dass das box office nicht die gesamte Zuschauerschaft eines Films erfasst, der unter Umständen trotz mageren Abschneidens an den Kinokassen noch zu beachtlicher Popularität gelangt sein kann. Zudem gilt es, die Vielzahl von Spielfilmen nicht einfach außer Acht zu lassen, die überhaupt nicht für das Kino, sondern direkt für den Video- oder später DVD-Markt oder das Fernsehen produziert wurden. Wie Douglas Gomery korrekt festgestellt hat, kann ein Fernsehfilm ein größeres Publikum erreichen als ein Kinofilm.150 Durch die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters wie Streaming via Internet wird das Filmeschauen in unserer Zeit immer flexibler, damit aber auch immer schwerer statistisch erfassbar.151 Zu guter Letzt bleibt das Problem, dass, selbst wenn wir wissen, wie viele Menschen einen Film gesehen haben, noch lange nicht klar ist, ob ihnen dieser auch gefallen hat – und wenn ja, warum. Wertungen von Filmen liefern selbstverständlich Rezensionen, die John E. O’Connor mit Blick auf die Rezeption als »a good place to start« beschrieben hat.152 Hierbei handelt es sich wohlgemerkt um veröffentlichte Meinungen, die nicht mit der öffentlichen Meinung gleichgesetzt werden dürfen. Professionelle Kritiker bewerten Filme nicht unbedingt nach den Maßstäben, die der gewöhnliche Kinogänger anlegt. Rezensionen und Einspielergebnisse können deshalb auch sehr widersprüchliche Eindrücke vermitteln, weil Kritiker mitunter gerade solche Filme schätzen, an denen das Publikum wenig Interesse zeigt, während sie ihrerseits große Kassenerfolge für belanglos erachten mögen. Man muss sich daher hüten, Rezensionen hinsichtlich ihrer Aussagekraft überzubewerten.153
148 Siehe z.B. Hughes, »Evaluation«, 71; Andrew Bergman, We’re in the Money: Depression America and Its Films, Chicago 1992, xv; David W. Ellwood, »Introduction«, in: ders. (Hg.), The Movies as History: Visions of the Twentieth Century, Stroud 2000, 1-6, hier: 1f; James J. Lorence, Screening America: United States History Through Film since 1900, New York 2005, 2f; Bartholomei, Bilder von Schuld und Unschuld, 20. 149 Siehe hierzu Douglas Gomery, Shared Pleasures: A History of the Movie Presentation in the United States, Madison 1992, 276, und v.a. Stephen Prince, A New Pot of Gold: Hollywood under the Electronic Rainbow, 1980-1989 (History of the American Cinema, Bd. 10), Berkeley u.a. 2000, 94-132. 150 Gomery, Shared Pleasures, 254. 151 Es gehört zur Politik von Streaming-Plattformen wie Netflix, keine Zahlen dazu zu veröffentlichen, wie oft bestimmte Programme tatsächlich abgerufen werden. 152 O’Connor, »Historical Analysis, Stage Two«, 116. 153 Vgl. auch Helmut Korte, »Historische Wahrnehmung und Wirkung von Filmen: Ein Arbeitsmodell«, in: Knut Hickethier u.a. (Hg.), Der Film in der Geschichte. Dokumentation
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Nicht zwangsläufig repräsentativ sind auch unmittelbare Beobachtungen von Zuschauern, die sich überdies bei einer historischen Studie nicht rückblickend vornehmen lassen, sodass allenfalls auf Berichte anderer zurückgegriffen werden kann.154 Gleiches gilt für Befragungen, bei denen zudem zweifelhaft ist, inwiefern sie gerade die unbewussten Reaktionen, die mit Blick auf Feindbilder von größter Bedeutung sind, offenzulegen vermögen.155 Das Problem der Repräsentativität stellt sich auch im Hinblick auf Egodokumente wie Tagebücher oder Leserbriefe, die grundsätzlich eine aufschlussreiche Quelle darstellen, aber nur in einzelnen Fällen verfügbar sind. Für eine zukünftige Forschung, die das 21. Jahrhundert in den Blick nehmen wird, bieten sich hier deutlich bessere Möglichkeiten, da im Internet eine Fülle von Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken und auf speziellen Seiten zugänglich ist, über die man tiefere Einblicke darin gewinnen kann, wie Menschen auf bestimmte Filme reagieren und was diese für sie bedeuten.156 Filme sind prinzipiell mehrdeutig und ermöglichen unterschiedliche Lesarten, das heißt sie machen dem Zuschauer in gewisser Weise Angebote, die er wahrnehmen kann, aber nicht muss.157 In manchen Fällen ist dies sogar Teil einer bewussten Strategie, um ein größeres Publikum anzusprechen.158 So ist dann leicht zu erklären,
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der GFF-Tagung (Sigma-Medienwissenschaft, Bd. 23, Schriften der Gesellschaft für Film- und Fernsehwissenschaft 6), Berlin 1997, 154-66, hier: 158 u. 162. Siehe dazu auch Stempel, American Audiences, xii. Die Versuche von Stempel, American Audiences und Thomas Austin, Hollywood, Hype and Audiences: Selling and Watching Popular Film in the 1990’s, Manchester 2002, die statistischen Ansprüchen nicht genügen, illustrieren meines Erachtens den geringen Wert solcher Bemühungen. So stützt sich Austin bei der Untersuchung der Rezeption von Basic Instinct (1992) auf ganze 60 Fragebögen, die er zwei Jahre, nachdem der Film im Kino gelaufen war, ausfüllen ließ (siehe ebenda, 62). Selbstverständlich gibt es auch hier Schwierigkeiten, z.B. dabei, herauszufinden, was für eine Person (Alter, Geschlecht, Nationalität…) sich hinter einem Benutzernamen verbirgt – oder ob es sich möglicherweise sogar um einen automatisierten Account handelt. Dazu Lothar Mikos, Film- und Fernsehanalyse, Konstanz 2003, 20f. Laut Doelker, Ein Bild ist mehr als ein Bild, 58, sind Bilder generell vieldeutiger als Worte. Er betont wiederum, dass die Mehrdeutigkeit unabhängig von den Intentionen der Macher besteht. Vgl. Austin, Hollywood, Hype and Audiences, 3. Mit Blick auf die amerikanische Filmindustrie ist dabei auch die ständig zunehmende Bedeutung ausländischer Märkte zu berücksichtigen; siehe dazu Sheldon Hall, »The Revenue Features: The Genealogy of the Modern Blockbuster«, in: Steve Neale (Hg.), Genre and Contemporary Hollywood, London 2002, 11-26, hier: 22; Tino Balio, »Hollywood Production Trends in the Era of Globalisation, 1990-99«, in: ebenda, 165-84. Davon ausgehend kann man die – für den Wert der Filme als Quelle für das sozial Imaginäre der USA wichtige – Frage stellen, ob ein spezifisch amerikanisches Kino überhaupt noch existiert und Hollywood nicht eher als »an international cinema« anzusehen ist; Zitat aus Hilary Radner, »Hollywood Redux: All About My Mother and Gladiator«, in: Jon Lewis (Hg.), The End of Cinema As We Know It: American Film in the Nineties, New York 2001, 72-80, hier: 74; siehe dazu auch Rosenbaum, Movie Wars, 129-41. Dass Blockbuster für ein globales Publikum produziert werden, bedeutet aber z.B. nicht, dass sie nicht in traditioneller Weise die amerikanische Nation feiern können, wie Trevor B. McCrisken/Andrew Pepper, American History and
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warum bei einer Umfrage beispielsweise eine Mehrheit der konservativ eingestellten Zuschauer der Ansicht war, Star Wars (1977) vermittle konservative Ideologie, während ein deutlich geringerer Anteil von Liberalen diese Meinung teilte.159 Wenn man Filme als »kommunikatives Ereignis« begreift, dann »entfalten [sie] ihren Sinn erst in der Aneignung durch das Publikum«. In manchen Fällen kann sogar »der Sinn, der sich über einen Film mitteilt, ein vom Publikum an den Film herangetragener sein […], der mit der im Film erzählten Geschichte nur marginal etwas zu tun hat.«160 So sahen Aborigines in Australien im Helden von Rambo: First Blood Part II (1985) einen Vertreter der Dritten Welt im Konflikt mit einer weißen Offiziersklasse und gingen aufgrund ihrer kulturellen Prägung davon aus, dass die Gefangenen, die er befreit, mit ihm verwandt seien.161 Erstaunlich mag auf den ersten Blick auch die Meldung anmuten, dass Black Hawk Down (2001) Zuschauer in Somalia zum Jubeln brachte, aber offensichtlich kümmerten sich diese dabei nicht um die Glorifizierung amerikanischer Soldaten, sondern ergötzten sich an jenen Szenen, in denen die USHubschrauber abgeschossen und Amerikaner getötet werden – eine Rezeption, die sich zweifellos signifikant von der eines durchschnittlichen Kinobesuchers in den Vereinigten Staaten unterschied.162 Aber selbst der einzelne Zuschauer kann einen Film je nach Situation und Kontext anders aufnehmen.163 Nun könnte man aufgrund dieser Punkte versucht sein, den Wert einer historischen Filmanalyse zu bezweifeln, und gegen diese einwenden, dass Spielfilme zu uneindeutige Quellen seien, in die jeder etwas anderes ›hineininterpretieren‹ könne. Das aber wäre ein Irrtum. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass jegliche Quellenanalyse eine Interpretation beinhaltet und es ganz normal ist, dass Historiker dabei zu mitunter sehr unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Das ist also keineswegs ein Spezifi-
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Contemporary Hollywood Film, New Brunswick 2005, 11, korrekt festgestellt haben. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass ausländische und v.a. fremdsprachige Produktionen umgekehrt in den USA schon seit dem frühen 20. Jahrhundert nur eine verschwindend geringe Rolle spielen; dazu Kerry Segrave, Foreign Films in America: A History, Jefferson/London 2004. Hollywoodfilme können zudem auch als Vehikel einer Amerikanisierung globaler Kultur betrachtet werden. Die Annahme, sie hätten keinen deutlichen Bezug mehr zur amerikanischen Gesellschaft, ist jedenfalls zurückzuweisen. Siehe dazu die Statistik in Michael Ryan/Douglas Kellner, Camera Politica: The Politics and Ideology of Contemporary Hollywood Film, Bloomington u.a. 1988, 308. Lothar Mikos, »Der erinnerte Film: Perspektiven einer Filmgeschichte als Rezeptionsgeschichte«, in: Hickethier u.a. (Hg.), Film in der Geschichte, 143-53, hier: 147. Siehe dazu auch Rainer Winter, Filmsoziologie: Eine Einführung in das Verhältnis von Film, Kultur und Gesellschaft, München 1992, 69-86. Ebenda, 71; John Fiske, Understanding Popular Culture, London/New York 1989, 57. »Somalis Cheer at ›Black Hawk Down‹ Screening«, http://archives.cnn.com/2002/ WORLD/africa/01/22/blackhawk.screening/index.html (04.02.2007). Angeblich war der Film auch ein Favorit von Saddam Hussein, siehe »Pfc. Jessica Lynch Isn’t Rambo Anymore«, in: NYT 09.11.2003. Dazu Rainer Winter, »Die Filmtheorie und die Herausforderung durch den ›perversen Zuschauer‹: Kontexte, Dekonstruktionen und Interpretationen«, in: Manfred Mai/Rainer Winter (Hg.), Das Kino der Gesellschaft – die Gesellschaft des Kinos: Interdisziplinäre Positionen, Analysen und Zugänge, Köln 2006, 79-94, hier: 84f.
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kum des Films, das diesen als Untersuchungsgegenstand disqualifizieren würde.164 Ansonsten gäbe es in der Geschichtswissenschaft ja auch keine Diskussionen und Kontroversen. Die Interpretation eines Textes ist darüber hinaus keineswegs willkürlich, da der Rezipient zwar aktiv ist, aber nicht autonom. Wie er einen Text aufnimmt, wird nicht nur durch seine persönlichen Einstellungen und den jeweiligen Kontext beeinflusst, sondern auch durch den Text selbst, der mittels bestimmter Strategien und Zeichen eine Lesart etabliert, die andere Möglichkeiten (die sinnvollerweise gleichfalls nur von dem ausgehen können, was der Text anbietet) zwar nicht ausschließt, die gegenüber diesen aber privilegiert ist.165 Zu diesen Strategien gehört bei Spielfilmen insbesondere die Sympathielenkung, die dem Zuschauer vermittelt, wer gut und wer böse ist, mit wem er mitleiden und mitfiebern und wem er Niederlagen oder gar den Tod gönnen soll. Wie gut dies in aller Regel funktioniert, zeigt sich zum Beispiel daran, dass auch Angehörige von Minderheiten und Zuschauer aus der Dritten Welt eher zum weißen Helden eines Hollywoodfilms halten, selbst wenn dieser im Konflikt mit ihresgleichen gezeigt wird.166 Das oben angeführte Beispiel aus Somalia ist dagegen gerade deshalb bemerkenswert, weil es eine Ausnahme darstellt, die in diesem Fall durch die unmittelbare Betroffenheit des Publikums auch leicht zu erklären ist. Wie Umberto Eco sehr überzeugend dargelegt hat, geht es bei einer Interpretation weder um die Intention des Autors noch um die Intention des Rezipienten, sondern um die Intention des Textes, in unserem Fall also um die Intention des Films.167 Entsprechend konzentriere ich mich in dieser Arbeit auf die Analyse der Filme selbst, nicht ihrer Entstehung oder ihrer Rezeption. Das bedeutet nicht, dass diese Aspekte völlig außen vor bleiben, vielmehr werden entsprechende Quellen immer wieder ergänzend herangezogen.168 Entscheidend ist es aber, die Filme im Zusammenhang miteinander zu betrachten und so viele wie möglich einzubeziehen, denn nur so sind fundierte Aussagen über das sozial Imaginäre einer Zeit möglich. Dadurch wird die Gefahr gebannt, dass die Relevanz einzelner Filme beziehungsweise des darin Verhandelten überschätzt wird. Stattdessen wird es möglich, Muster he-
164 Vgl. in diesem Sinne auch Lorence, Screening America, 1. 165 Siehe dazu Michael O’Shaughnessy/Jane Stadler, Media and Society: An Introduction, South Melbourne 22002, 62-78. Vgl. auch Klaus Kanzog, »Bewusst sehen! Kategorien der wissenschaftlichen Filmanalyse für den täglichen Gebrauch«, in: Ulrich Baumgärtner/ Monika Fenn (Hg.), Geschichte und Film: Erkundungen zu Spiel-, Dokumentar- und Unterrichtsfilm (Münchner Geschichtsdidaktisches Kolloquium, Heft 7), München 2004, 11-25, hier: 22f. Es ist daher falsch, wenn Winter, Filmsoziologie, 86, meint, Lesarten ließen sich nicht hierarchisieren. Und es trifft auch nicht zu, dass »eine valide Interpretation von Texten […] nur sichergestellt werden [kann], indem mehrere Interpreten beteiligt sind«, wie Dörner, »Das politische Imaginäre«, 210, meint. 166 Dazu Charles Ramírez Berg, Latino Images in Film: Stereotypes, Subversion, and Resistance, Austin 2002, 57-64. 167 Umberto Eco mit Richard Rorty u.a., Interpretation and Overinterpretation, Cambridge u.a. 1992, 23-88. 168 So können z.B. gerade »the discrepancies between the author’s intention and the intention of the text« interessant sein, wie Eco, ebenda, 73, sehr richtig bemerkt.
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rauszuarbeiten, anhand derer sich die Bedeutung bestimmter Narrative und Motive nachweisen lässt.169 Zudem spiegelt das wiederholte Auftauchen bestimmter Bilder und Ideen nicht nur deren Einfluss in der Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit wider, es trägt gleichzeitig auch dazu bei, diesen Einfluss weiter zu verstärken: »Die Vorstellungen, die Individuen über Gegenstände oder Personen bilden, hängen nach [den] Erkenntnissen [der Kognitionsforschung] im Wesentlichen von der Verfügbarkeit bzw. Erreichbarkeit der Informationen im menschlichen Gedächtnis ab. […] Besonders leicht erreichbar sind Informationen, die erst kürzlich (›recency‹) oder häufig (›frequency‹) aufgenommen oder aktiviert wurden. Solche Informationen besitzen eine große Chance, als Basis für die Urteilbildung herangezogen zu werden. Sie bilden vielfach die Grundlage dafür, wenn bestimmte 170 Aspekte oder Gegenstände der Realität einzuschätzen sind.«
Je öfter jemand also über Filme bestimmte Feindbilder vermittelt bekommt, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese für ihn bestimmend werden.171 Das von mir erstellte Korpus umfasst mehr als 450 Spielfilme aus allen möglichen Genres. Thriller, Action- und Kriegsfilme bilden zwar einen klaren Schwerpunkt, weil Bösewichten und somit Feindbildern dort eine zentrale Funktion zukommt, daneben finden sich aber romantische Komödien genauso wie Animationsfilme für Kinder. Berücksichtigt wurden außerdem nicht nur Kinofilme, sondern auch TV- und Direct-to-Video/DVD-Produktionen, die in anderen Studien oft vernachlässigt werden. Alle relevanten Filme einzubeziehen, war mir angesichts der Fülle von Material nicht möglich, weshalb auch ich mich an kommerziellem Erfolg und Bekanntheitsgrad orientiert habe, um eine Auswahl zu treffen, ohne deshalb aber sämtliche Produktionen, die dieses Kriterium nicht erfüllen, auszusortieren. Das heißt es wurden nicht nur ausgesprochen populäre Filme untersucht, diese aber auf jeden Fall. Selbstverständlich können auch nicht alle diese Filme im Folgenden gleichermaßen detailliert betrachtet werden. Stattdessen werden in den einzelnen Kapiteln jeweils einige exemplarisch analysiert, immer im Kontext der übrigen Filme und vor allem natürlich auch der Zeitumstände. Um den Platz der Spielfilme im allgemeinen Diskurs über Bedrohungs- und Selbstwahrnehmung der USA zu verdeutlichen, werden zahlreiche weitere Primärquellen herangezogen: Regierungsdokumente, öffentliche Äußerungen der Präsidenten und anderer Politiker, Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften, Romane und Meinungsumfragen. Die Untersuchung ist nicht streng chronologisch aufgebaut, sondern nach thematischen Schwerpunkten in drei Teile gegliedert. Der erste Teil behandelt die Bedeutung des Feindbildes UdSSR im Kalten Krieg und zeichnet nach, wie sich dieses Bild 169 Niemals können »einzelne herausragende Beispiele« genügen »für die Untersuchung von Mentalitäten«, wie Paschen, »Film und Geschichte«, 16, irrigerweise meint. Das hat schon Monaco, »Movies and National Consciousness«, 66, erkannt: »In regarding films as objects it is necessary to recognise that they bear social meaning only as a group.« 170 Schenk, Medienwirkungsforschung, 708. 171 Zur Bedeutung von Wiederholung siehe auch Noelle-Neumann, »Wirkung von Massenmedien«, 562.
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bis zum Ende des Ost-West-Konfliktes veränderte und was für ein Bild von Russland sich danach entwickelte. Im zweiten Teil stehen die Schwierigkeiten der USA im Mittelpunkt, mit dem Verlust des zentralen Feindbildes zurechtzukommen und dieses zu ersetzen. Dabei werden auch wesentliche Traditionslinien der amerikanischen Feindbildkonstruktion verdeutlicht. Der dritte und letzte Teil erläutert, wie der ›Krieg gegen den Terror‹ aus dem Kalten Krieg hervorging und diesen schließlich ersetzte und welche Rolle sogenannte ›Schurkenstaaten‹ und das Feindbild Islam dabei spielten. Die Arbeit schließt nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse mit einem kurzen Ausblick auf die Jahre nach 2005.
Teil I: Vom ›Reich des Bösen‹ zum Reich des Chaos
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Die letzte Hochphase des Kalten Krieges
1.1 »PAYING THE PRICE FOR TOO MANY YEARS OF SOFTNESS«: DIE UDSSR ALS AGGRESSOR Superman möchte kein überlebensgroßer Held mehr sein, sondern mit seiner geliebten Lois Lane ein normales Leben führen. Darum entschließt er sich kurzerhand, seine Superkräfte aufzugeben. Die Folgen sind natürlich fatal: Als drei ebenfalls mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattete Bösewichte von Supermans Heimatplaneten Krypton auf der Erde landen, ist die Menschheit ihnen hilflos ausgeliefert, weil ihr früherer Beschützer nun genauso schwach ist wie alle anderen. Niemand kann der außerirdischen Bedrohung Einhalt gebieten, der finstere General Zod und seine beiden Helfer schlagen eine Schneise der Verwüstung durch Amerika, die sie schließlich ins Weiße Haus führt, wo einem machtlosen US-Präsidenten keine andere Wahl bleibt, als sich vor den Schurken zu erniedrigen und ihnen die Weltherrschaft zu übertragen. Mit diesem Szenario spiegelte Superman II im Jahr 1980 die Gefühlslage der amerikanischen Nation wider. In den 1970er Jahren,1 so schien es, hatten die USA – geschockt vor allem von dem Debakel in Vietnam – beschlossen, dass sie keine Supermacht mehr sein wollten. Sie hatten sich scheinbar Zurückhaltung in der Dritten Welt auferlegt, das Militär sträflich vernachlässigt und kurzsichtig auf die Politik der Entspannung vertraut. Richard Nixon und sein Außenminister Henry Kissinger hatten geglaubt, durch einen Kurs, der auf Verhandlungen statt auf Konfrontation setzte,
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Für einen detaillierten Überblick über die 1970er Jahre siehe Raymond L. Garthoff, Détente and Confrontation: American-Soviet Relations from Nixon to Reagan, Washington 4 1994. Der ereignisgeschichtliche Hintergrund des Kalten Krieges wird in zahlreichen Überblicksdarstellungen dargelegt, siehe etwa Simon J. Ball, The Cold War: An International History, 1947-1991, London u.a. 1998; Richard Crockatt, The Fifty Years War: The United States and the Soviet Union in World Politics, 1941-1991, London u.a. 1995; Walter LaFeber, America, Russia, and the Cold War 1945-1996, New York u.a. 81997; Norman Friedman, The Fifty-Year War: Conflict and Strategy in the Cold War, London 2000; Fraser J. Harbutt, The Cold War Era (Problems in American History 6), Oxford 2002; Joseph Smith, The Cold War, 1945-1991, Oxford ²1998; Georges-Henri Soutou, La guerre de Cinquante Ans: Le conflit Est-Ouest, 1943-1990, Paris 2001; Yvan Vanden Berghe, Der Kalte Krieg: 1917-1991, übers. von Martine Westerman, Leipzig 2002; Stöver, Der Kalte Krieg.
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geopolitische Stabilität erreichen und die Sowjetunion zur Mäßigung in ihrer Außenpolitik bewegen zu können, ohne dabei dem amerikanischen Volk nach dem verlorenen Krieg in Südostasien weitere große Opfer abzuverlangen. Jimmy Carter hatte dann 1977 das Amt des Präsidenten mit der erklärten Absicht angetreten, eine andere Sichtweise der Weltpolitik umzusetzen, die Menschenrechtsfrage – auch im Hinblick auf befreundete Staaten – stärker hervorzuheben, regionale Ursachen für Konflikte höher zu bewerten und nicht »hinter jedem afrikanischen Busch einen Kommunisten zu wittern«.2 Das Ergebnis war, so schien es zunehmend nicht nur rechtskonservativen Kreisen, dass die konkurrierende Supermacht, die UdSSR, die amerikanische Zurückhaltung – oder Schwäche – ausgenutzt hatte, um ihren Machtbereich zu vergrößern und sich im Rüstungswettlauf an die Spitze zu setzen. Carter selbst sah sich – zunehmend auch von seinem Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski in diese Richtung gedrängt3 – gezwungen, Auseinandersetzungen in der Dritten Welt doch als Teil des Kalten Krieges zu betrachten. So gesehen aber waren die späten 1970er Jahre von einer aggressiven kommunistischen Expansion und dem Schwinden amerikanischen Einflusses geprägt: In Afrika griffen kubanische Verbände in den Krieg zwischen Äthiopien und Somalia und den Bürgerkrieg in Angola ein; in Asien besetzten vietnamesische Truppen Kambodscha,4 und die Regierung in Hanoi stellte der Sowjetunion mehrere ehemals von den USA genutzte Stützpunkte zur Verfügung; und in Mittelamerika stürzten die sozialistischen Sandinisten die Somoza-Diktatur. Gleichzeitig trieb die UdSSR – aus amerikanischer Sicht – den Ausbau ihres Militärs, vor allem auch ihrer strategischen Atomstreitmacht, in besorgniserregender Weise voran. Die Konservativen wiesen seit der Mitte der 1970er immer drängender auf die größer werdende Gefahr hin. Das Committee on the Present Danger (CPD), eine konservative Pressure Group, stellte in einer Schrift aus dem Jahr 1977 klar: »Das offen ausgesprochene letztendliche Ziel der Sowjetunion ist der weltweite Triumph des Kommunismus.«5 Die sowjetische Rüstung wurde in den düstersten Farben geschildert und das CPD warnte, dass »bei einem Anhalten bisheriger Trends die UdSSR innerhalb einiger Jahre eine strategische Überlegenheit über die Vereinigten Staaten erreichen«6 werde und dass »militärische Macht das letztendliche Instru-
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Ernst-Otto Czempiel, Machtprobe: Die USA und die Sowjetunion in den achtziger Jahren, München 1989, 65. Vgl. auch Richard Melanson, American Foreign Policy since the Vietnam War: The Search for Consensus from Nixon to Clinton, New York 1996, 95-110. Dieses ambitionierte Konzept ließ sich allerdings nur bedingt umsetzen. Die Kritik der Menschenrechtsverletzungen verärgerte die Sowjetunion und blieb andererseits gegenüber Verbündeten wie dem iranischen Schah doch eher verhalten. Vgl. Czempiel, Machtprobe, 52-4 und 71f. Aus humanitärer Sicht war diese Invasion nicht völlig zu verurteilen, beendeten die Vietnamesen damit doch die Terrorherrschaft Pol Pots und seiner Roten Khmer, die bis zu 3 Millionen Kambodschaner das Leben gekostet hatte. »Committee on the Present Danger: Was hat die Sowjetunion vor?«, in: Ernst-Otto Czempiel/Carl-Christoph Schweitzer, Weltpolitik der USA nach 1945: Einführung und Dokumente (BPB Schriftenreihe, Bd. 276), Bonn 1989, 362-8, hier: 363. Ebenda, 366. Im Original ist dieser Abschnitt hervorgehoben.
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ment – und das Rückgrat – der sowjetischen Strategie«7 sei. Schließlich wurde die sowjetische Aufrüstung mit der »Wiederaufrüstung Nazi-Deutschlands in den dreißiger Jahren« verglichen. »Weder die sowjetische Militärmacht noch ihre Wachstumsrate kann mit Gründen der Selbstverteidigung erklärt oder gerechtfertigt werden.«8 Demnach konnte sie nur offensiv ausgerichtet sein und bedrohte die Vereinigten Staaten. All diese Befürchtungen schienen sich zu bestätigen, als die Sowjetunion am 25. Dezember 1979 mit der Verlegung großer Truppenkontingente nach Afghanistan begann. »It was not an invasion and neither a surprise nor an attack«, wie Raymond Garthoff festgestellt hat.9 Vielmehr hatte Moskau lange gezögert, dem Drängen der sozialistischen Regierung in Kabul nachzugeben und in deren Kampf gegen aufständische Stammeskrieger zu intervenieren, aber nicht zuletzt die Sorge um ein Übergreifen des islamischen Fundamentalismus auf die eigenen muslimisch geprägten Teilrepubliken bewegte die UdSSR schließlich zum Eingreifen. Die unkluge Entscheidung allerdings, die Operation mit der Ermordung des als unzuverlässig und unfähig eingeschätzten afghanischen Staatschefs Amin durch Spezialeinheiten zu eröffnen, um ihn durch einen Mann eigener Wahl zu ersetzen, musste in der Welt den Eindruck einer gewaltsamen Invasion erwecken. Carter reagierte heftig: »[T]his action of the Soviets has made a more dramatic change in my own opinion of what the Soviets’ ultimate goals are than anything they’ve done in the previous time I’ve been in office.«10 Als Folge dieser Erkenntnis kehrte er zur linkage-Politik seiner Vorgänger zurück, die die gegenseitigen Beziehungen vom Wohlverhalten der UdSSR in der Welt abhängig gemacht hatten, und ergriff Maßnahmen, um die Sowjetunion für die Intervention in Afghanistan zu bestrafen: Der mühsam ausgehandelte SALT-II-Vertrag wurde aus dem Ratifizierungsprozess herausgenommen, die USA boykottierten die Olympischen Sommerspiele in Moskau und verhängten ein Weizenembargo gegen die UdSSR. Diese Sanktionen blieben nicht die einzige Reaktion. Carter hielt es nun für nötig, auch auf dem Gebiet der Rüstung wieder mehr Engagement zu zeigen, und stockte das Verteidigungsbudget erheblich auf.11 Das sowjetische Eingreifen in Afghanistan war ein umso größerer Schock, als es auf die Revolution im Iran folgte. Diese war zwar nicht von Moskau aus gesteuert worden und brachte mit dem islamistischen Regime von Ayatollah Khomeini eine neue Regierung hervor, die sowohl den USA als auch der UdSSR äußerst feindselig gegenüberstand, bedeutete für die Vereinigten Staaten jedoch den Verlust ihres wertvollsten Verbündeten in der wichtigen Golfregion, von dessen Gebiet aus unter ande7 8 9
Ebenda, 365. Ebenda, 366. Garthoff, Détente and Confrontation, 1017. Zu den Hintergründen und Umständen der sowjetischen Intervention siehe ausführlich ebenda, 991-1036. 10 »Transcript of President’s Interview on Soviet Reply«, in: NYT 01.01.1980. Von Carters Kritikern wurde diese Aussage als Beleg seiner Naivität zitiert. Sie wurde als so peinlich erachtet, dass man sie in der Weekly Compilation of Presidential Documents nicht aufführte. Vgl. Garthoff, Détente and Confrontation, 1060. 11 Harbutt, Cold War Era, 258, will schon vor Afghanistan eine Remilitarisierung von Carters Politik sehen.
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rem hochmoderne Überwachungsstationen die Sowjetunion beobachtet hatten. Zu der tatsächlichen Machteinbuße kam außerdem die im Hinblick auf das amerikanische Empfinden noch höher zu bewertende Demütigung durch die Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft, die am 4. November von militanten Studenten besetzt wurde. Wie Superman, der ohne seine Kräfte die Demütigungen eines brutalen Truckers ertragen muss,12 so schienen die Vereinigten Staaten nicht mehr in der Lage zu sein, selbst auf die Herausforderung eines vermeintlich schwachen Gegners wie eine Supermacht zu reagieren. In Umfragen während der sich über ein Jahr hinziehenden Geiselkrise stimmten 70% und mehr der Amerikaner der Aussage zu, die USA seien der Gnade des Ayatollahs ausgeliefert, der sie schwach und hilflos erscheinen lasse.13 Superman II zeigte aber auch, was zu tun war: Im Film erlangt Superman, aufgerüttelt durch seine Erfahrung mit dem Trucker und die Machtübernahme durch Zod und seine Spießgesellen, seine Kräfte zurück und stellt sich seinen Feinden. Nachdem er die Bösewichte bezwungen, ihrer Schreckensherrschaft ein Ende gemacht und sich an dem unverschämten Trucker gerächt hat, pflanzt der amerikanische Superheld das Sternenbanner wieder auf das beschädigte Weiße Haus und verspricht dem Präsidenten (und der auf ihren Beschützer angewiesenen Welt): »I won’t let you down again.«14 So wie der ›Mann aus Stahl‹ mussten also auch die USA ihre Stärke zurückerlangen, um sich der verschiedenen Bedrohungen erwehren und ihrer Rolle als Verteidiger der freien Welt gerecht werden zu können. Mit der als Carter-Doktrin bekannt gewordenen Erklärung in seiner Rede zur Lage der Nation am 23. Januar 1980 verkündete der Präsident die Rückkehr zur containment-Politik: »Let our position be absolutely clear: An attempt by any outside force to gain control of the Persian Gulf region will be regarded as an assault on the vital interests of the United States of America, and such an assault will be repelled by any means necessary, including military force.«15
Dies war ein erster großer Schritt zurück zur Konfrontation. Die hoffnungsvolle Phase der Entspannung war vorbei. »Mit der Carter-Doktrin war die Administration«, 12 Besonders prekär ist dabei, dass Superman ohne seine Kräfte nicht nur sich selbst, sondern auch Lois nicht mehr verteidigen kann, ja dass sie nun eher ihn vor dem Trucker retten muss. Der Machtverlust führt also zu einer Destabilisierung der Geschlechterverhältnisse. 13 Vgl. IIPO, 1979-1980, 99; IIPO, 1980-1981, 198. 14 Auffälligerweise findet sich derselbe Konflikt wie in Superman II auch in Spider-Man 2 (2004). Spiderman will darin ebenfalls seinen Heldenjob an den Nagel hängen, muss aber erkennen, dass er sich seiner Verantwortung nicht entziehen kann. Dass dieses Thema vor dem Hintergrund des ›Krieges gegen den Terror‹ wieder aufgegriffen wurde, ist bezeichnend. 15 Jimmy Carter, »The State of the Union Address Delivered Before a Joint Session of the Congress, January 23rd, 1980«, in: John Woolley/Gerhard Peters, The American Presidency Project [online]. Santa Barbara, CA: University of California (hosted), Gerhard Peters (database). http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=33079 (27.07.2007). Im Folgenden werden die Dokumente aus dieser Online-Edition nur mit Dokumentnamen und URL zitiert.
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nach Ernst-Otto Czempiel, »nicht nur zurück zu Nixon und Kissinger, sondern bis zu Truman gegangen.«16 Den so wieder verschärften Kalten Krieg zu führen, sollte jedoch einem anderen überlassen bleiben: Bei den Präsidentschaftswahlen im November unterlag Carter seinem republikanischen Herausforderer Ronald Reagan. Es ist umstritten, inwieweit Reagans Wahlsieg durch außenpolitische Ereignisse wie die Geiselkrise einerseits und sein wirtschaftspolitisches Programm andererseits beeinflusst wurde, aber auf jeden Fall wurde das Wahlergebnis von der neuen Regierung und ihren konservativen Unterstützern als Mandat auch für einen außenpolitischen Kurswechsel verstanden, obwohl Carter diesen nach der sowjetischen Intervention in Afghanistan im Grunde schon selbst vollzogen hatte. Unter Reagan, der die Schwäche Carters im Umgang mit dem Kommunismus und die Vernachlässigung des Militärs im Wahlkampf immer wieder scharf kritisiert hatte und der, wie ein Großteil seiner Regierungsmannschaft, Mitglied des CPD war,17 kehrten die USA vollends zu einer konfrontativen Linie zurück, die an die Hochzeit des Kalten Krieges in den 1950er Jahren erinnerte. In jener Zeit hatte Reagan, der älteste Präsident, der je dieses Amt angetreten hatte, seine politische Prägung erfahren, an einem Ort, der damals extrem politisiert war: Hollywood. Es waren dies jene Jahre, während derer die Angst vor der ›roten Gefahr‹ grassierte und speziell das Filmgeschäft von kommunistischer Unterwanderung bedroht zu sein schien. Umso vehementer verschrieben sich die Studios dem Kampf gegen diese eingebildete Gefahr, und auch Ronald Reagan, damals einer der Stars der Warner-Studios, entwickelte sich zu einem glühenden Antikommunisten. Als Präsident der Screen Actors Guild betrieb er eine entsprechende Politik und sagte bereitwillig vor dem Kongressausschuss für unamerikanische Aktivitäten (HUAC) aus. Die Erfahrungen dieser Zeit blieben auch für seine politische Karriere bestimmend.18 Seine rhetorischen Fähigkeiten machten den ›großen Kommunikator‹ zu einem Publikumsliebling und verhalfen ihm erst zum Gouverneursamt in Kalifornien und dann zur Präsidentschaft. Schon während des Wahlkampfs bemerkte Time seine Absicht, die Eisenhower-Jahre wieder aufleben zu lassen, und stellte fest: »What Reagan evokes about the ‘50s is an attitude of militant nostalgia, a will almost to veto the intervening years and start again on earlier premises.«19 Die Idee, die Probleme der Gegenwart durch eine Rückkehr in die Zeit vor den entscheidenden Fehlern zu beheben, war auch das Thema mehrerer populärer Filme der 1980er Jahre wie Star Trek IV: The Voyage Home (1986) oder Field of Dreams (1989). Sie ist eng verbunden mit der großen Bedeutung von Vaterfiguren, deren 16 Czempiel, Machtprobe, 92. Auch Melanson, American Foreign Policy, 119, spricht in diesem Zusammenhang von »neo-containment«. 17 Vgl. Bernd Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus: Amerikanische ›Liberation Policy‹ im Kalten Krieg 1947-1991, Köln u.a. 2002, 851-85, hier: 874; Raymond L. Garthoff, The Great Transition: American-Soviet Relations and the End of the Cold War, Washington 1994, 14f. 18 Vgl. Michael Paul Rogin, »Ronald Reagan, the Movie«, in: ders., Ronald Reagan, the Movie and Other Episodes in Political Demonology, Berkeley u.a. 1987, 1-43. Siehe auch ausführlich Stephen Vaughn, Ronald Reagan in Hollywood: Movies and Politics, Cambridge 1994. 19 »Dreaming of the Eisenhower Years«, in: Time 28.07.1980.
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Verlust, Rettung und Rehabilitierung eines der zentralen Motive des Kinos der Reagan-Ära war, sei es in Militärfilmen wie Top Gun (1986) oder Rollentauschkomödien wie Vice Versa (1988).20 Back to the Future (1985), die Geschichte der Verwandlung eines Vaters vom Versager in ein Vorbild durch eine Rückkehr in die 1950er, formulierte das zugrundeliegende Motto schon im Titel. Die Rückkehr zu den konservativen Werten und der Politik eines starken Amerikas vor dem Ausbau des Sozialstaats, der Bürgerrechtsbewegung, Watergate und dem Vietnamkrieg mit dem Ziel einer »era of national renewal«21 und dem Ende von Schwäche und Selbstzweifeln manifestierte sich als Programm der Reagan-Administration im innenpolitischen Bereich in jenen Maßnahmen, die gelegentlich als ›Reagan-Revolution‹ bezeichnet worden sind. In der Außenpolitik führte es zu einer neuen Eskalation des Kalten Krieges.22 Der neue konfrontative Kurs wurde in der Reagan-Doktrin festgeschrieben, die zwar erst später öffentlich formuliert wurde, aber in der Außenpolitik der Administration von Beginn an zur Anwendung kam.23 Wenn Carter nach Afghanistan an Trumans containment angeknüpft hatte, so kehrte die Nachfolgeregierung zur rollbackPolitik zurück. Dem Kommunismus sollte nun – in »a crusade for freedom«24 – wieder offensiv entgegengetreten werden, sowohl in der Dritten Welt als auch in Osteuropa.25 In scharfer Opposition zu Carters ursprünglichem Ansatz war die Reagan20 Vgl. John Belton, American Cinema / American Culture, New York u.a. 1994, 331-3. Siehe dazu auch Marsha Kinder, »Back to the Future in the 80s with Fathers & Sons, Supermen & PeeWees, Gorillas & Toons«, in: Film Quarterly 42:4 (1989), 2-11, hier: 4-6. Susan Jeffords, Hard Bodies: Hollywood Masculinity in the Reagan Era, New Brunswick 1994, 64-90, sieht die Frage nach der Kontinuität (der Revolution) als bestimmend für diese Thematik. 21 Ronald Reagan, »Inaugural Address, January 20th, 1981«, http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=43130 (12.05.2007). Reagan betonte immer wieder die Kontinuität der USPolitik seit 1945 und nahm einzig die 1970er Jahre aus, die er mit den 1930ern verglich, vgl. Melanson, American Foreign Policy, 158. 22 Czempiel, Machtprobe, 132, vermutet, dass Reagans Außenpolitik in erster Linie von der Absicht motiviert war, durch die damit verbundene Aufrüstung Kürzungen im Sozialbereich zu erzwingen. Angesichts seines nicht von der Hand zu weisenden Antikommunismus muss man diese Sichtweise jedoch ablehnen. 23 Ronald Reagan, »Message to the Congress on Freedom, Regional Security, and Global Peace, March 14th, 1986«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=36995 (29.08.2007). Die Bezeichnung ›Reagan-Doktrin‹ wurde durch den Journalisten Charles Krauthammer geprägt, vgl. »The Reagan Doctrine«, in: Time 01.04.1985. Zur Reagan-Doktrin siehe ausführlich Thomas Meier, Die Reagan-Doktrin: Die Feindbilder, die Freundbilder. Afghanistan, Angola, Kambodscha, Nicaragua, Bern 1998; James F. Scott, Deciding to Intervene: The Reagan Doctrine and American Foreign Policy, Durham u.a. 1996. Siehe auch die Diskussion »Was the Reagan Doctrine Prudent?«, in: History in Dispute. Volume 6: The Cold War: Second Series, hg. von Dennis E. Showalter/Paul DuQuenoy, Detroit u.a. 2000, 221-7. 24 Ronald Reagan, »Address to Members of the British Parliament, June 8th, 1982«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=42614 (27.07.2007). 25 Siehe dazu Stöver, Befreiung, 851-85. Robert J. McMahon, »› By Helping Others, We Help Ourselves‹: The Cold War Rhetoric of American Foreign Policy«, in: Martin J. Med-
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Administration der Überzeugung, »[that] the Soviet Union underlies all the unrest that is going on [in the world]«,26 und vertrat eine simple manichäische Weltsicht, in der die Sowjetunion und ihre Satelliten als »evil empire« dem freien Westen in einem »struggle between right and wrong and good and evil« gegenüberstanden.27 Im Sinne dieses umfassenden Denkens in Freund- und Feindbildern machte sich die Regierung nicht nur daran, die Mächte des ›Guten‹, sprich des Antikommunismus, in anderen Ländern zu stärken, insbesondere in Mittelamerika, sondern vor allem auch die eigene Verteidigungsbereitschaft zu erhöhen. »[S]o far detente’s [sic!] been a one-way street that the Soviet Union has used to pursue its own aims«, erklärte Reagan in einer Pressekonferenz am 29. Januar 1981, in der er der Führung der UdSSR außerdem vorwarf, »that the only morality they recognize is what will further their cause, meaning they reserve unto themselves the right to commit any crime, to lie, to cheat, in order to attain that«.28 Dass die Entspannung aus der Sicht der neuen amerikanischen Regierung eine gefährliche Politik gewesen war, die nun der Vergangenheit angehörte, machte im April Verteidigungsminister Caspar Weinberger auch den NATO-Verbündeten klar: »If the movement from cold war to détente is progress, then let me say we cannot afford much more progress.«29 Der »enormous and unparalleled military buildup«30 der Sowjetunion, dank dessen sie angeblich »in virtually every measure of military power [...] a decided advantage« besaß,31 durfte nicht ohne Reaktion bleiben, und so stockte Reagan das von Carter ohnehin schon erhöhte Verteidigungsbudget noch weiter auf. Während seiner Amtszeit erlebten die USA ihrerseits das ehrgeizigste und teuerste Aufrüstungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg.32 »We refuse to become weaker
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hurst/H. W. Brands (Hg.), Critical Reflections on the Cold War: Linking Rhetoric and History, College Station 2001, 233-46, betont, dass die Freiheitsrhetorik unter allen USRegierungen des Kalten Krieges eine Rolle spielte, sieht sie aber besonders stark bei Reagan (vgl. ebenda, 242). Reagan in einer Wahlkampfrede im Juni 1980, zitiert nach Garthoff, Great Transition, 10. Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the National Association of Evangelicals in Orlando, Florida, March 8th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=41023 (27.07.2007). Ronald Reagan, »The President’s News Conference, January 29th, 1981«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=44101 (27.07.2007). Zitiert nach »Softly, with a Big Stick«, in: Time 27.04.1981. Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the National Association of Evangelicals in Orlando, Florida, March 8th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=41023 (27.07.2007). Ronald Reagan, »Address to the Nation on Strategic Arms Reduction and Nuclear Deterrence, November 22nd, 1982«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=42030 (29.08. 2007). Siehe dazu Phil Williams, »The Reagan Administration and Defence Policy«, in: Dilys M. Hill u.a. (Hg.), The Reagan Presidency: An Incomplete Revolution?, Hongkong 1990, 199230. Obwohl die CIA 1983 ihre Einschätzung der sowjetischen Aufwendungen für die Rüstung in den vorangegangenen Jahren deutlich nach unten korrigierte und feststellte, dass sie in Wirklichkeit seit einiger Zeit stagnierten, wenn auch auf hohem Niveau, hielt die Reagan-Administration daran fest, dass die amerikanische Verteidigungsbereitschaft
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while potential adversaries remain committed to their imperialist adventures«, erklärte Reagan 1982 vor den Vereinten Nationen.33 Denn: »We maintain the peace through our strength; weakness only invites aggression.«34 Es war daher nur logisch, wenn Verteidigungsminister Weinberger feststellte: »We need sufficient and credible military capabilities to counter the threats arrayed against us.«35 Das war keineswegs nur die Überzeugung der Regierung oder einer kleinen Gruppe paranoider Rechtskonservativer. Die Ansicht, dass das Militär gestärkt werden müsse, hatte im Laufe der 1970er Jahre immer mehr Befürworter gefunden, was auch zahlreiche Umfragen belegen. 1978 waren immerhin 32% der Bevölkerung der Meinung, dass zu wenig für die Rüstung ausgegeben werde. Im Februar 1973 waren es nur 8% gewesen.36 Im Februar 1980 waren sogar 71% der Befragten für eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets37 und im April 1981 erklärten 63% ihre Zustimmung zu den Plänen der Reagan-Regierung, die Rüstungsausgaben drastisch zu erhöhen, obwohl gleichzeitig auf den meisten anderen Gebieten, vor allem bei den Sozialausgaben, Einschnitte vorgenommen wurden.38 Ebenfalls 63% hielten im März 1982 den Angriff eines anderen Landes, »such as Russia«, innerhalb der nächsten 20 Jahre für wahrscheinlich.39 Das Gefühl der Schwäche und des Bedrohtseins, die Sehnsucht nach neuer (alter) Stärke, die Superman II noch eher allgemein eingefangen hatte und die wohl mehr noch als mit der zunehmenden Kritik an der Entspannungspolitik vor allem mit der sich zu diesem Zeitpunkt dahinschleppenden Geiselkrise in Teheran in Verbindung gebracht werden müssen,40 erhielten so in den frühen 1980er Jahren eine dezidiert
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erheblich gestärkt werden müsse. Vgl. Czempiel, Machtprobe, 21-4 und 218-28. Es ist daher unklar, wie Harbutt, Cold War Era, 247, zu der Behauptung kommt: »We know now that much of this concern [bezüglich der sowjetischen Aufrüstung] was justified.« Insgesamt erhöhte sich die Stärke der US-Armee in viel geringerem Maße, als man erwarten durfte, denn ein Großteil der gewaltigen Rüstungsausgaben, durch die die Vereinigten Staaten am Ende von Reagans Amtszeit ein enormes Haushaltsdefizit aufweisen sollten, wurde durch die steigenden Preise der Waffenhersteller verschlungen. Ronald Reagan, »Remarks in New York City Before the United Nations General Assembly Special Session Devoted to Disarmament, June 17th, 1982«, http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=42644 (29.08.2007). Ronald Reagan, »Address to the Nation on Defense and National Security, March 23rd, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=41093 (08.07.2007). Hier zeigt sich sehr auffällig die Kontinuität seit der Kritik des CPD 1977; siehe »Committee on the Present Danger: Was hat die Sowjetunion vor?«, 368: »Schwäche lädt zur Aggression ein, Stärke schreckt sie ab. Deshalb hält die amerikanische Stärke den Schlüssel bereit zu unserer Suche nach Frieden.« Zitiert nach »Sizing Up the Enemy«, in: Time 21.03.1983. Zu diesen Zahlen vgl. Czempiel, Machtprobe, 36. Vgl. IIPO, 1982-1983, 317. Vgl. IIPO, 1980-1981, 183. Vgl. IIPO, 1981-1982, 329. Tatsächlich handelt es sich im Film bei den ersten Opfern der außerirdischen Invasoren um die Mitglieder einer amerikanisch-sowjetischen Mondmission. Als General Zod seinen Plan verkündet, die Erde zu unterwerfen, hat einer seiner Helfer die Flaggen beider Super-
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antisowjetische Stoßrichtung. Die Gefahren, die aus den Versäumnissen der 1970er Jahre erwachsen waren, die Ausbreitung des Kommunismus und die bedrohlich wachsende Macht der Sowjetunion gegenüber einem geschwächten Amerika, waren in dieser Zeit das zentrale Thema mehrerer Filme, die die Problematik nicht so allgemein und so allegorisch behandelten wie Superman II. In vielen dieser Produktionen kommt es sogar zu direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Supermächten, so zum Beispiel in dem Fernsehfilm World War III aus dem Jahr 1982: Nachdem die USA ein Getreideembargo gegen die UdSSR verhängt haben, landen sowjetische Truppen in Alaska, um die wichtige Ölpipeline in den Süden unter ihre Kontrolle zu bringen und so eine Aufhebung des Embargos zu erzwingen. Die Hoffnungen des amerikanischen Präsidenten ruhen auf einer kleinen Einheit der Nationalgarde, die den Angreifern sowohl zahlenmäßig als auch in der Bewaffnung weit unterlegen ist. Nach einem erbitterten Kampf werden die Amerikaner schließlich überwältigt, was die Krise endgültig eskalieren lässt: Der Film endet mit dem Ausbruch des Atomkrieges. Obwohl gerade dieses Ende auf den ersten Blick als Kritik an einer riskanten militaristischen Politik, bei der keine der beiden Seiten zum Einlenken bereit ist, verstanden werden könnte, verweist der Film doch eindeutig auf die Gefahr, die sich aus der Schwäche der USA ergibt. Die amerikanische Militärmacht reicht offensichtlich weder aus, um die sowjetische Aggression abzuschrecken noch, um die Invasoren mit konventionellen Mitteln zurückzuwerfen. Der Kampf zwischen den Einheiten beider Seiten in Alaska demonstriert die Überlegenheit der Roten Armee an Truppen und Material, der die amerikanischen Soldaten vor allem ihren Kampfgeist entgegenzusetzen haben. Nachdem ihnen die Munition ausgegangen ist, verteidigen sie sich schließlich mit bloßen Händen bis zum letzten Mann, eine Situation, die wohl nicht zufällig an die in der amerikanischen Erinnerung mythisch verklärte Schlacht um Alamo erinnert. Allerdings kann dieses heldenhafte Opfer die atomare Apokalypse nicht verhindern. Die Verwundbarkeit der USA hat so fatale Folgen für die Welt. Eine derartige Katastrophe kann in Clint Eastwoods Firefox aus demselben Jahr noch einmal abgewendet werden, aber auch hier wird deutliche Kritik an den Versäumnissen der 1970er Jahre geübt. Das fiktive Kampfflugzeug, das dem Film seinen Namen gibt, ist darin das Symbol der zu lange unterschätzten sowjetischen Aufrüstung, eine Wunderwaffe, die das Gleichgewicht der Abschreckung aus den Fugen bringen würde. Die Experten der NATO, so erklärt zu Beginn ein britischer Geheimdienstmann, hätten vor nicht allzu langer Zeit behauptet, die UdSSR würde mindestens noch zehn Jahre brauchen, um ein solches Flugzeug zu bauen. Aber die Experten haben sich geirrt. Nun verfügt die Sowjetunion bereits über zwei Prototypen der MiG 31, die mit sechsfacher Schallgeschwindigkeit fliegt, vom Radar nicht erfasst werden kann und zudem mit einem hochentwickelten Waffensystem ausgestattet ist, das durch die Gedankenimpulse des Piloten gesteuert wird, der dafür nicht einmal mehr einen Knopf drücken muss. Die Politiker, Militärs und Geheimdienstler des Westens erkennen die Gefahr. »They know the potential of this plane, they know what it means«, wie der sowjetische Generalsekretär später feststellt. In der Tat bleibt dem mächte in der Hand, um sie dann – symbolisch unmissverständlich – in den Mondstaub zu werfen. Im weiteren Verlauf der Handlung spielen andere Nationen, auch die UdSSR, allerdings überhaupt keine Rolle mehr.
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Westen nur eine Schlussfolgerung: »If the Soviets can massproduce it, it will change the structure of our world.« Nur ein waghalsiges Unternehmen kann noch verhindern, dass die Firefox der UdSSR ein entscheidendes Übergewicht verleiht. Der ehemalige Kampfpilot Mitchell Gant, dargestellt von Eastwood selbst, wird in die Sowjetunion eingeschleust und stiehlt die schwer bewachte Maschine, um sie in den Westen zu bringen. Die Operation gelingt zwar, doch dieser Erfolg kann nicht über den wahren Charakter des Unternehmens hinwegtäuschen, den der Generalsekretär den sowjetischen Militärs erklärt: »They’re simply paying the price for too many years of softness. Paying with an act of despair.« So kommt direkt aus dem Mund des Feindes die zentrale Aussage von Firefox: Hätte der Westen, speziell Amerika, die sowjetische Aufrüstung nicht sträflich unterschätzt und sich auf falschen Annahmen ausgeruht, ohne Gegenmaßnahmen zu ergreifen, hätte es gar nicht so weit kommen müssen. Durch seine klare Position unterscheidet sich Firefox deutlich von den anderen Agentenfilmen dieser Zeit, beispielsweise The Osterman Weekend (1983) oder The Falcon and the Snowman (1985), die noch stark in der Tradition der ParanoiaThriller der 1970er Jahre – wie etwa Three Days of the Condor (1975) – stehen und die Immoralität und Skrupellosigkeit der Geheimdienste gerade auch der eigenen Seite als eine Bedrohung für die demokratische Gesellschaft darstellen. Dagegen erinnert das Unternehmen in Firefox eher an Geschichten über Kommandounternehmen während des Zweiten Weltkriegs wie beispielsweise The Guns of Navarone (1961). Das liegt zum einen an der Verbindung von Spionage- und Militärfilm – nach dem geglückten Start mit dem Flugzeug rücken die Bemühungen der Sowjets, Gant abzufangen, und seine Kämpfe mit den Verfolgern in den Mittelpunkt –, zum anderen an der Darstellung des totalitären Systems der UdSSR. Der Film verwendet viel Aufmerksamkeit darauf, darzustellen, dass die Macht der Sowjetunion auf Zwang und Terror beruht. Das KGB wird als extrem mächtige und brutale Überwachungsorganisation vorgeführt, die innerhalb von Minuten einen U-Bahnhof komplett abriegeln kann und Verdächtige im Verhör auch schon mal zu Tode prügelt. Auf der anderen Seite wird Gant von einem Netzwerk von Dissidenten unterstützt, zu dem auch die jüdischen Wissenschaftler gehören, die dazu gezwungen werden, die MiG zu konstruieren. Obwohl sie wissen, dass es sie das Leben kosten wird, helfen sie dem Amerikaner dabei, mit der Maschine zu fliehen, was auch diesen stutzig macht. »What is it with you Jews anyway?«, fragt er einen seiner Helfer. »Do you never get tired of fighting city hall?« Die Antwort ist ebenso kurz wie prägnant: »Fighting city hall, as you say, Mr. Gant, is a freedom we don’t enjoy.« Die Wissenschaftler, so erfährt man, erwartet nach Beendigung ihrer Arbeit die Deportation, »just because of their religious heritage«. Später legt der Mann, von dem Gant dies erfährt, seine eigene Motivation ausführlicher dar: »I have a wife. She is a Jew. She is educated. Still she married me. She’s been in prison for twelve years for demonstrating against the invasion of Czechoslovakia. They do not treat her well in prison. I spent the last twelve years trying to be worthy of her.«
Das Thema des sowjetischen Antisemitismus war Eastwood selbst offenbar besonders wichtig und eine zentrale Motivation, den Film zu drehen, während er »windy
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Cold War rhetoric and vast geopolitical exertions« eher kritisch gegenüberstand.41 Gleichwohl trägt der klar antisowjetische Ton, der dadurch die Handlung prägt, auch dazu bei, die Kritik an der »softness« des Westens in den vorangangenen Jahren zu verstärken. Es wird nicht nur die Gefährlichkeit der sowjetischen Militärmacht gezeigt, sondern auch, dass diese im Dienst eines unmenschlichen Systems steht. Firefox erhielt zwar nur bescheidene Kritiken,42 war aber durchaus ein Erfolg beim Publikum und spielte in den US-Kinos fast 47 Millionen Dollar ein.43 Auch Verteidigungsminister Weinberger, der bei der Premiere in Washington, die als Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der USO organisiert war, zu Gast war,44 dürfte der Film zugesagt haben, unterstützte seine Grundaussage doch die Rüstungspolitik der Reagan-Administration. Mit fortwährender Dauer nahm die Unterstützung für dieses Aufrüstungsprogramm in der Bevölkerung zwar ab, als sich die Stärke der USA zu regenerieren schien: Bereits im November 1982 befürworteten in einer Umfrage 61% der Befragten eine Beschneidung von Reagans Verteidigungshaushalt durch den Kongress und im März 1983 sprachen sich nur noch 14% für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben aus.45 Allerdings war immer noch ein beachtlicher Teil der Bevölkerung der Meinung, die UdSSR sei die überlegene Supermacht.46 Die Furcht vor der sowjetischen Bedrohung war nach wie vor präsent. Laut Time hielten im September 1983 52% der Amerikaner die UdSSR für »[a] very serious threat to our country.«47 In diesem Jahr erreichten die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen einen absoluten Tiefpunkt.48 Im März verkündete Reagan seine Pläne zur Entwicklung eines Raketenabwehrsystems.49 Am 1. September schoss die sowjetische Luftwaffe ein südkoreanisches Verkehrsflugzeug ab, das tief in den sowjetischen Luftraum eingedrungen war und das sie für ein amerikanisches Spionageflugzeug hielt. Die USRegierung nahm das Ereignis zum Anlass, heftige Verbalattacken auf die UdSSR zu starten, obwohl sie schon frühzeitig darüber informiert war, dass es sich um ein Unglück handelte und nicht um einen »act of barbarism«, wie Reagan behauptete.50 Der
41 Richard Schickel, Clint Eastwood: A Biography, New York u.a. 1996, 377. 42 Vgl. ebenda, 378. 43 Diese Zahl stützt sich auf die Internet Movie Database, die als Budget 21 Millionen Dollar nennt: http://www.imdb.com/title/tt0083943/business. The Numbers gibt ein geringfügig niedrigeres Einspielergebnis von nicht ganz 46 Millionen Dollar an: http://www.thenumbers.com/movies/1982/0FRFX.php (18.06.2007). 44 Vgl. Schickel, Clint Eastwood, 378. 45 Vgl. IIPO, 1982-1983, 317. 46 Vgl. ebenda, 328; IIPO, 1983-1984, 300. 47 »High Hopes, Low Expectations«, in: Time 25.11.1985. 48 Dazu ausführlich Georg Schild, 1983: Das gefährlichste Jahr des Kalten Krieges, Paderborn u.a. 2013. 49 Siehe dazu ausführlicher Kap. I.1.5. 50 Ronald Reagan, »Address to the Nation on the Soviet Attack on a Korean Civilian Airliner, September 5th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=41788 (07.07.2007). Siehe zu dem Zwischenfall auch Garthoff, Great Transition, 118-27. Der Fernsehfilm Shootdown (1988) verarbeitete einige Jahre später die Bemühungen von Angehörigen der Opfer, Auf-
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Abschuss schien alle seine Erklärungen über den wahren Charakter des ›Reichs des Bösen‹ zu bestätigen. »What can we think of a regime that so broadly trumpets its vision of peace and global disarmament and yet so callously and quickly commits a terrorist act to sacrifice the lives of innocent human beings?«51 Im Oktober nahmen die Vereinigten Staaten einen Putsch auf der kleinen Karibikinsel Grenada, deren sozialistisches Regime ihnen schon länger ein Dorn im Auge war, weil man es für einen Handlanger der Kubaner und Sowjets hielt, zum Anlass, um eine Invasion zu starten, die mit der scheinbar prekären Sicherheitslage der amerikanischen Studenten auf der Insel gerechtfertigt wurde. Auch wenn die Gefahr zweifellos enorm übertrieben, wenn nicht gar gänzlich konstruiert worden war, beharrte Reagan nach dem Unternehmen darauf, dass es sich um einen wichtigen rollback-Erfolg handelte: »[Grenada] was a Soviet-Cuban colony, being readied as a major military bastion to export terror and undermine democracy. We got there just in time.«52 Als Reaktion auf die Stationierung amerikanischer Pershing-II-Raketen und Cruise Missiles in der Bundesrepublik gemäß dem NATO-Doppelbeschluss reagierte die UdSSR schließlich im November mit dem Abbruch der Rüstungskontrollgespräche. Was passieren konnte, wenn man der kommunistischen Expansion nicht rechtzeitig begegnete, zeigte 1984 Red Dawn, in dem John Milius das amerikanische Albtraumszenario schlechthin entwarf. Der »self-proclaimed right-wing filmmaker«53 hatte schon 1975 in The Wind and the Lion ziemlich unverblümt einem auf militärischer Stärke beruhendem US-Imperialismus gehuldigt, allerdings nicht, ohne in Vorwegnahme der Motive der 1980er die US-Truppen am Ende zu Waffenbrüdern der arabischen Rebellen gegen deutsche Truppen zu machen. Im Drehbuch zu Apocalypse Now (1979) hatte Francis Ford Coppola seinen Einfluss weitgehend begrenzt,54 aber in Conan the Barbarian (1982) schlug Milius’ Bewunderung für archaische Männerrituale und ein vor allem auf Kampfkraft beruhendes Heldentum
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klärung über die genauen Umstände des Abschusses und eine mögliche amerikanische Mitschuld daran zu erhalten. Ronald Reagan, »Remarks to Reporters on the Soviet Attack on a Korean Civilian Airliner, September 2nd, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=41783 (07.07.2007). Siehe hierzu auch Ronald Reagan, Erinnerungen: Ein amerikanisches Leben, übers. von Till R. Lohmeyer u.a., Berlin 1990, 615: »Schockiert, wie ich von dem skrupellosen Angriff auf das Flugzeug war, gab er mir doch die Gelegenheit, die Menschen daran zu erinnern, was diese Greueltat über die Sowjetherrschaft und ihre totalitäre Lebensweise enthüllte. Er gab mir darüber hinaus neue Munition in die Hand, die dem Kongreß und den liberalen Neinsagern bewies, was ich schon immer über die Sowjets, die Natur unseres Widersachers und die Notwendigkeit, unser Land gegen ihn zu stärken, gesagt hatte.« Ronald Reagan, »Address to the Nation on the Events in Lebanon and Grenada, October 27th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=40696 (08.07.2007). Siehe dazu ausführlicher Melanson, American Foreign Policy, 163-75. Stephen Prince, Visions of Empire: Political Imagery in Contemporary American Film, New York u.a. 1992, 56. Nach Milius’ Vorstellungen hätte der Film mit einem Angriff des Vietcong enden sollen, bei dem Colonel Kurtz, Seite an Seite mit Willard kämpfend, gefallen wäre. Vgl. Ronald Bergan, Francis Ford Coppola, übers. von Ulrich Kriest, Reinbek bei Hamburg 1998, 76. Siehe hierzu (und zu Milius allgemein) auch Elitzik, »Milius, John«.
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wieder voll durch.55 Mit Red Dawn hat er »perhaps the most audacious anticommunist film of the era« vorgelegt.56 Bereits die Texttafeln, die im Vorspann die fiktive Ausgangssituation der Handlung erläutern, lesen sich wie ein Katalog konservativer Ängste und Warnungen: »Soviet Union suffers worst wheat harvest in 55 years. / Labor and food riots in Poland. Soviet troops invade. / Cuba and Nicaragua reach troop strength goals of 500.000. El Salvador and Honduras fall. / Greens Party gains control of West German parliament. Demands withdrawal of nuclear weapons from European soil. / Mexico plunged into revolution. / NATO dissolves. United States stands alone.«
Wirtschaftliche Schwierigkeiten der UdSSR stellen in dieser Zeit eine häufige Prämisse von Fiktionen über den Dritten Weltkrieg dar. Schon in dem Roman The Devil’s Alternative des englischen Schriftstellers Frederick Forsyth fordern Hardliner im Kreml nach einer katastrophalen Missernte die Eroberung Westeuropas;57 bei dem amerikanischen Autor Tom Clancy richten sich die sowjetischen Gelüste dagegen nach der Sabotage eines sibirischen Ölfeldes durch Terroristen auf den Mittleren Osten.58 Auch der sowjetische Angriff in World War III wird ja durch ein Getreideembargo der USA ausgelöst. Offensichtlich wurde die marode sowjetische Wirtschaft in Kombination mit der großen Militärmacht als besonders gefährlich für die Stabilität des Friedens wahrgenommen. Dagegen sind die Unruhen in Polen natürlich eine Anspielung auf die Ereignisse dort zu Beginn der 1980er Jahre, als die unabhängige Gewerkschaft Solidarnosc begann, das Regime herauszufordern, und Marschall Jaruzelski im Dezember 1981 das Kriegsrecht verhängte.59 Durch die – in Wirklichkeit ausgebliebene – Intervention der Roten Armee wird diese Krise nun aber noch erheblich zugespitzt. In Mittelamerika sind die schlimmsten Befürchtungen der Reagan-Administration wahr geworden: Die sozialistischen Regime in Kuba und Nicaragua haben in bedrohlicher Weise aufgerüstet und die gesamte Region destabilisiert. Gemäß der Dominotheorie sind auch El Salvador und Honduras verloren gegangen – der Ausdruck »fall« lässt keinen Zweifel daran, dass es sich letztlich um eine gewaltsame Unterwerfung durch die Kommunisten handelt –, und nun hat die Revolution bereits Mexiko erfasst, die rote Gefahr also die amerikanische Grenze erreicht.60 Nicht weniger 55 Der Schlangenkult des Bösewichts Thulsa Doom kann nicht nur als Kritik an damals auftretenden Sekten gedeutet werden, seine Jünger erinnern mit ihrer pazifistischen Rhetorik und den Blumengirlanden auch an Hippies. 56 Ryan/Kellner, Camera Politica, 213. 57 Frederick Forsyth, The Devil’s Alternative, London 1979. 58 Tom Clancy, Red Storm Rising, New York 1986. 59 Siehe dazu Soutou, Guerre de Cinquante Ans, 621-8. 60 Siehe dazu Reagans Verweis auf »the effort to use Communist Nicaragua as a base from which to extinguish democracy in El Salvador and beyond« in Ronald Reagan, »Message to the Congress on Freedom, Regional Security, and Global Peace, March 14th, 1986«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=36995 (29.08.2007). Um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, unterstützten die Vereinigten Staaten gemäß der Reagan-Doktrin das brutale Regime in El Salvador trotz aller Kritik ebenso wie die Contras in Nicaragua,
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verhängnisvoll ist die Entwicklung in Westeuropa, die offensichtlich durch die Massenproteste der Friedensbewegung im Zusammenhang mit der Stationierung der Mittelstreckenraketen 198361 und den Einzug der Grünen in den Bundestag inspiriert sind. Der europäische Pazifismus erscheint hier als Bedrohung des westlichen Verteidigungsbündnisses und damit der amerikanischen Sicherheit. Nach diesem Prolog beginnt der Film mit idyllischen Bildern eines Septembermorgens in einer amerikanischen Kleinstadt im Mittleren Westen. Der Friede wird jedoch jäh gestört, als Fallschirmjäger auf dem Footballfeld neben der Schule landen – die kommunistische Invasion hat begonnen. Innerhalb kürzester Zeit besetzen sowjetische, kubanische und nicaraguanische Truppen weite Teile des Landes, bevor es der US-Armee gelingt, eine stabile Front aufzubauen. Eine Gruppe Jugendlicher aus der Kleinstadt Calumet flieht während der ersten Attacke in die Berge. Angesichts der kommunistischen Schreckensherrschaft, die sie von ihrem Versteck aus beobachten können, formieren sich die Teenager schließlich unter der Führung von Jed (Patrick Swayze) zu einer Widerstandsgruppe, die sich nach dem Football-Team der Schule, den Wolverines, benennt, und beginnen »forty miles behind enemy lines« einen erfolgreichen Guerillakrieg gegen die Besatzer. Als sie später einem abgeschossenen amerikanischen Piloten (Powers Boothe) Unterschlupf gewähren, erfahren sie mehr über die näheren Umstände der Invasion: Die erste Angriffswelle sei unter der Tarnung von Charterflügen ins Land gekommen, »same way they did in Afghanistan in ‘80«, während als illegale Einwanderer über Mexiko eingedrungene Kubaner die Basen des SAC mit den atomwaffenbestückten Bombern sabotiert und den Weg für die lateinamerikanischen Invasoren geebnet hätten. »They coordinated selected nuke strikes. The missiles were a hell of a lot more accurate than we thought. […] They took out the silos here in the Dakotas. Key points of communication, like Omaha, Washington, Kansas City.« Dieser Enthauptungsschlag ist eine direkte Umsetzung der Ängste vor dem angeblichen »window of vulnerability«, das die Reagan-Regierung immer wieder postuliert hatte, so zum Beispiel Verteidigungsminister Weinberger, als er im März 1983 behauptete: »[The Soviets] possess the ability to destroy a large percentage of our own Minuteman ICBMs in their silos, while still providing a substantial, and largely invulnerable, reserve.«62 Nach diesem gezielten Angriff, so erklärt Colonel Tanner, der Pilot, sei der Krieg jedoch konventionell weitergegangen, denn die Sowjets und ihre Verbündeten wollten das Land möglichst unversehrt erobern und die USA selbst würden auf ihrem eigenen Territorium natürlich auch keine Atomwaffen einsetzen. eine Rebellengruppe, die maßgeblich von der CIA aufgebaut worden war. Siehe dazu Scott, Deciding to Intervene, 152-92 und Meier, Reagan-Doktrin, 319-448. Zur Dominotheorie und der amerikanischen Sorge speziell um Kuba vgl. Stöver, Befreiung, 859 und Garthoff, Great Transition, 682-7. 61 Siehe dazu April Carter, Peace Movements: International Protest and World Politics since 1945, London u.a. 1992, 108-57. 62 Zitiert nach »Sizing Up the Enemy«, in: Time 21.03.1983. Eine Kommission zur Prüfung der strategischen Verteidigung der USA kam allerdings schon im April 1983 zu dem Schluss, dass es kein »window of vulnerability« gab. Vgl. Garthoff, Great Transition, 40. Zur angeblichen Verwundbarkeit der amerikanischen Atomwaffen siehe auch Williams, »Defence Policy«, 205-11.
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Wie bereits der Prolog verkündet hatte, stehen die Amerikaner in diesem Krieg nahezu allein gegen die Übermacht des Feindes.63 Während es im wirklichen Leben eher die Europäer waren, die fürchteten, die Vereinigten Staaten könnten sie im Falle eines sowjetischen Angriffs im Stich lassen, um sich nicht selbst der Vernichtung auszusetzen, sind die Rollen in Red Dawn vertauscht: »I guess they figured twice in one century was enough. They’re sittin’ this one out.« Nur die Engländer als besonders treue Verbündete der USA – gerade auch in der Reagan-Thatcher-Ära –, die zudem im Falklandkrieg ihre Kampfbereitschaft unter Beweis gestellt hatten, helfen den Amerikanern, aber »they won’t last very long.« Ansonsten kann Tanner auf die Frage »Well, who is on our side?« nur noch auf »six hundred million cryin’ Chinamen« verweisen – womit er zum Ausdruck bringen möchte, dass 400 Millionen Chinesen bereits tot sind, offenbar infolge eines massiven sowjetischen Atomschlags. Zu den eigentlichen Gründen des Krieges weiß der Pilot jedoch auch nicht viel zu sagen: TANNER: »Two toughest kids on the block, I guess. Sooner or later they’re gonna fight.« JED: »That simple?« TANNER: »Maybe somebody just forgot what it was like.«
Der Hinweis auf die Missernte im Prolog bleibt der einzige konkrete Hinweis auf die Motive des Angriffs, womit letztendlich nichts anderes zum Ausdruck gebracht wird, als dass es sich um einen Eroberungskrieg der Kommunisten zur Unterjochung des freien Amerikas handelt, der sich einfach aus den Weltherrschaftsbestrebungen der UdSSR heraus erklärt. Aufgrund des Wesens des Kommunismus, so bemüht sich Red Dawn hier als Vermittler konservativer Ideologie darzulegen, ist der Krieg nahezu unausweichlich, sobald die Sowjetunion glaubt, ihn gewinnen zu können.64 Bereits der Beginn des Films stellt klar, wie der sowjetische Angriff zu bewerten ist. Als die Fallschirmjäger neben der Schule landen, ist ein Lehrer – der einzige schwarze Amerikaner im gesamten Film – gerade dabei, seinen Schülern von den blutigen Feldzügen der Mongolen zu erzählen. Diese Schilderung geht nahtlos in den Angriff der Sowjets über, die ohne jedes Zögern das Feuer auf die unbewaffneten Lehrer und Schüler eröffnen. Die kommunistische Invasion wird so zu einem neuen 63 Dass die Angreifer der US-Armee an Truppen und Material offenbar weit überlegen sind, lässt sich aus Tanners Antwort auf die Frage, wieso er abgeschossen wurde, schließen: »It was five to one. I got four.« 64 Buzz Feitshans, der Produzent des Films, erklärte: »Red Dawn says, Watch [sic!] out: there are a group of people out there called the Russians that really do want to take away your freedom, to enslave you, and make no bones about it, and it’s only people living in a dreamworld who will sit there and say they’re really not too bad – we should try to coexist with them. To coexist with them is fine, but you must coexist with a club in your hand because the minute you drop the club they’re gonna hit you.« Zitiert nach William J. Palmer, The Films of the Eighties: A Social History, Carbondale 1993, 210. Auch in zeitgenössischen Gesellschaftsspielen zum Thema Dritter Weltkrieg wie The Red Storm war die UdSSR auf die Rolle des Aggressors festgelegt; siehe dazu Albrecht Schau, »Das große Spiel vom Krieg«, in: Hans Peter Bleuel u.a. (Hg.), Feindbilder oder Wie man Kriege vorbereitet, Göttingen 1985, 97-100.
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Mongolensturm, zu einem Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei, der geradezu apokalyptische Ausmaße annimmt, wenn Tanner später über das belagerte Denver berichtet: »They live on rats and sawdust bread, and sometimes on each other. At night the pyres for the dead light up the sky. It’s medieval.« Dementsprechend wird auch das Besatzungsregime der Invasoren als besonders grausam dargestellt. Amerikaner, von denen man nur vermutet, dass sie Widerstand leisten könnten,65 werden in Umerziehungslager gebracht, wo sie der Dauerbeschallung durch kommunistische Propaganda ausgesetzt sind und offensichtlich auch misshandelt werden. Wenn die Besatzer Frauen und Mädchen vergewaltigen, Bücher verbrennen und als Vergeltung für die Attacken der Widerstandskämpfer Geiseln erschießen, werden sie zudem immer wieder den totalitären Unterdrückern des letzten Weltkrieges, den Nazis, angeglichen. Auch dies entspricht voll und ganz dem Bild, das die Reagan-Regierung in der ersten Hälfte der 1980er von der UdSSR und ihren Verbündeten zu vermitteln bemüht war. Im Mai 1985 bezeichnete CIA-Direktor William Casey Afghanistan, Kambodscha, Nicaragua, Angola und Äthiopien in einer Rede in New York als »occupied territories«, in denen »a holocaust comparable to that which Nazi Germany inflicted in Europe some forty years ago« stattfinde.66 Etwas differenzierter, aber im Tenor unverändert erklärte Reagan noch ein Jahr später: »Murderous policies in Vietnam and Cambodia produced victims on a scale unknown since the genocides of Hitler and Stalin. In Afghanistan, the Soviet invasion led to the terrified flight of 67 millions from their homes.«
Red Dawn präsentiert die Sowjetunion als jenes »evil empire«, als das der amerikanische Präsident sie bezeichnet hatte. Die wenigen Szenen, in denen sowjetische Soldaten Emotionen wie Angst zeigen, bilden kein Gegengewicht zu den zahlreichen Beweisen für ihre Grausamkeit. Die Kommunisten erscheinen nahezu völlig entmenschlicht. Man kann daher kaum behaupten, dass der Film »ein überzeugendes Bild eines sowjetischen Amerikas [liefert].«68 Zweifellos ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass sowohl die Politiker als auch die Filmemacher dieser Zeit in ihrer Sichtweise durch die realen historischen Verbrechen diverser kommunistischer Regime geprägt waren. Die oft auf grausamste Weise ermordeten Millionen unschuldiger Opfer Stalins, Maos und Pol Pots rechtfertigten in den Augen vieler die Darstellung des Kommunismus als barbarische Macht des Bösen. Die Dämonisierung der UdSSR in den frühen 1980er Jahren allein auf 65 Der Film stellt es hier als verhängnisvoll dar, dass Waffenbesitz registriert wird, denn das erleichtert den kommunistischen Besatzern nur das Aufspüren möglicher Unruhestifter. 66 Zitiert nach Bob Woodward, Veil: The Secret Wars of the CIA 1981-1987, London 1987, 403. In derselben Rede stellte Casey praktisch fest, dass sich die USA im Krieg mit der UdSSR befänden. »›This is not an undeclared war,‹ he said, and he compared the times with the years when Hitler was not taken seriously.« Ebenda, 403. 67 Ronald Reagan, »Message to the Congress on Freedom, Regional Security, and Global Peace, March 14th, 1986«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=36995 (29.08.2007). 68 So Phil Hardy (Hg.), Die Science Fiction Filmenzyklopädie: 100 Jahre Science Fiction, übers. von Günther Schmitz/Petra Masermann, Königswinter 1998, s.v. »Die rote Flut«.
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diesen Erfahrungshintergrund zurückzuführen, wäre allerdings zu einfach, nicht nur, weil auch die Protagonisten der Entspannung Zeugen des stalinistischen Terrors und der Kulturrevolution gewesen waren und dennoch kein so extremes Feindbild vertreten hatten, sondern auch, weil beispielsweise die Akzeptanz von China als Bündnispartner – durch ›kalte Krieger‹ wie Brzezinski und Reagan ebenso wie in Red Dawn – deutlich macht, dass moralische Entrüstung nicht gleichmäßig zum Tragen kam. Die Untaten, die in der Sowjetunion verübt worden waren und wurden, reichen daher nicht aus, um das Feindbild und dessen Wirkung zu erklären. Sie erleichterten aber sicherlich seine Akzeptanz, lieferten sie doch Vorlagen für ein einseitiges, scheinbar realistisches Porträt der Sowjets. So sind in Red Dawn auch fragwürdige Taten und der Hass der amerikanischen Widerstandskämpfer durch das Vorgehen der Besatzer mehr als gerechtfertigt. Angesichts der Exekution eines Gefangenen und eines Verräters kommen zwar einigen der jugendlichen Guerillas Zweifel und die Frage wird gestellt: »What’s the difference between us and them?« Die Antwort darauf kommt jedoch prompt und ist ebenso einfach wie klar: »Because we live here!« Lediglich eine Figur ist von der negativen Darstellung der Invasoren ausgenommen, der kubanische Oberst Bella, der in Auseinandersetzungen mit dem zuständigen KGB-Offizier immer wieder die Sinnlosigkeit der Vergeltungsmaßnahmen beklagt und verwirrt feststellt: »I was always on the side of the insurgents.« Nun findet sich dieser von marxistischen Idealen beseelte Kämpfer plötzlich als Unterdrücker von Menschen wieder, die um ihre Freiheit kämpfen. Folgerichtig erkennt er schließlich, dass er verraten worden ist. Die sozialistische Revolution mit ihren Heilsversprechungen ist tot. Seine Verbündeten sind nicht besser als die lateinamerikanischen Regime, die er früher bekämpft hat.69 Angewidert wirft er am Schluss seine Waffe weg, als er die Möglichkeit hätte, Jed und seinen Bruder zu erschießen. Dieser Charakter dient also keineswegs dazu, das negative Bild von der Besatzungsherrschaft zu relativieren, sondern er verstärkt es sogar noch.70 Gleichzeitig wird so der Sowjetunion die Hauptschuld zugewiesen, während die Länder der Dritten Welt, die sich ihr angeschlossen haben, als die Betrogenen erscheinen. Da das Leben unter der kommunistischen Herrschaft als derart entsetzlich dargestellt wird, bleibt für die Amerikaner natürlich nur ein Weg, nämlich der, den die jugendlichen Helden des Films beschreiten: der bewaffnete Widerstand. Dabei vertritt Red Dawn konsequent das alte Motto ›lieber tot als rot‹, das auch Reagan seinen Landsleuten wieder näherzubringen versucht hatte.71 In diesem Zusammenhang ist es auch zu sehen, wenn Milius am Anfang des Films ein Denkmal seines Lieblingsprä-
69 Vgl. Harvey R. Greenberg, »Dangerous Recuperations: Red Dawn, Rambo, and the New Decaturism«, in: JPFT 15:2 (1987), 60-70, hier: 63. 70 Insofern ist diese Figur keineswegs so problematisch wie Prince, Visions of Empire, 58, behauptet. 71 Vgl. die Anekdote, die er in Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the National Association of Evangelicals in Orlando, Florida, March 8th, 1983«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=41023 (27.07.2007), erzählt: Ein junger Vater wollte seine kleinen Töchter lieber sterben als ohne Glauben an Gott unter den Kommunisten aufwachsen sehen.
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sidenten Theodore Roosevelt72 zeigt, mit der Inschrift: »Far better it is to dare mighty things than to take rank with those poor, timid spirits who know neither victory nor defeat.« Dieser Geist ist es, der Amerika angesichts der Konfrontation mit dem Kommunismus beseelen soll. Zentral für den Erfolg der Widerstandskämpfer ist vor allem ihre Freiheit, denn »no weapon in the arsenals of the world is so formidable as the will and moral courage of free men and women. It is a weapon our adversaries in today’s world do not have. It is a weapon that we as Americans do have«, wie Reagan in seiner Inaugurationsrede erklärt hatte.73 Freiheit meint in Red Dawn allerdings nicht die demokratischen Freiheiten etwa der amerikanischen Verfassung, sondern eher den Individualismus, der die Pionierzeit auszeichnete. Tatsächlich wird die Widerstandsgruppe von Jed, dem ehemaligen Quarterback, ziemlich autoritär geführt. Als der Sohn des Bürgermeisters, der auch der Schülersprecher ist, Jeds Führungsanspruch zu Beginn anzweifelt und eine Abstimmung über das weitere Vorgehen fordert, löst dieser das Problem durch eine Demonstration seiner überlegenen Stärke. Nicht zufällig wird der eher intellektuelle Junge später von den Sowjets gefangengenommen, als er Jeds Anweisungen missachtet, und verrät die Gruppe – so wie auch sein Vater, der Politiker, bereitwillig mit den Besatzern kooperiert.74 Solche ›verweichlichten‹ Charaktere können Amerika nicht retten. Die mit harter Hand erzogenen Arbeitersöhne wie Jed, die ihr halbes Leben mit dem Vater beim Jagen in den Bergen verbracht haben, tragen dagegen noch den Geist der frontier in sich, der nun wiederbelebt werden muss. Dies wird schon dadurch deutlich, dass Jed von seinem Vater nach dem Entdecker und Indianerkämpfer Jedediah Smith benannt worden ist.75 Der Film etabliert in diesem Zusammenhang eine Motivreihe, die die Widerstandskämpfer als direkte Nachfolger oder gar als Reinkarnationen der Helden der Pionierzeit erscheinen lässt: Sie leben in der Wildnis, essen am Lagerfeuer, zelebrieren archaische Initiationsriten, reiten auf Pferden über die Prärie und schießen gelegentlich sogar mit Pfeil und Bogen. Selbst der letzte Schusswechsel zwischen Jed und dem Kommandeur der sowjetischen Spezialeinheiten ist deutlich an ein Western-Duell angelehnt.76
72 Roosevelt wird in The Wind and the Lion ausgesprochen verklärt als geradezu idealer amerikanischer Präsident dargestellt. 73 Ronald Reagan, »Inaugural Address, January 20th, 1981«, http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=43130 (12.05.2007). 74 Vgl. Richard A. Schwartz, Cold War Culture: Media and the Arts, 1945-1990, New York 1998, s.v. »Red Dawn«: »Thus in this movie weak-willed, liberal, homosexual intellectuals undermine the cause of freedom, while no-nonsense, authoritarian athletes defend it.« 75 Siehe Encyclopedia Americana: International Edition, Bd. 25, New York 1976, s.v. »Smith, Jedediah Strong«. 76 Fritz Göttler, »Schwerkraft und Regenbogen«, in: Helga Belach/Wolfgang Jacobsen (Red.), Kalter Krieg: 60 Filme aus Ost und West, Berlin 1991, 242-52, irrt, wenn er den Rückgriff auf »Westernbilder« für eine Verlegenheitslösung hält, weil »das amerikanische Kino kein visuelles Reservoir« für »eine Attacke auf die Jungfräulichkeit Amerikas« habe (ebenda, 249). Vielmehr ist es eine absichtsvolle Strategie, an die frontier-Mythologie anzuknüpfen, wie im Folgenden noch deutlicher werden wird. Unwiderlegbar bleibt jedoch die Feststellung (ebenda): »[M]anchmal sieht Red Dawn wie eine Komödie aus.«
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Daneben werden die Jugendlichen als Freiheitskämpfer gegen die kommunistische Aggression auch mehrfach den Mudschaheddin angeglichen, besonders deutlich in der Sequenz, in der sie von den großen Mi-24-Hubschraubern, die die Rote Armee auch in Afghanistan einsetzte, gejagt werden. Einmal stellt der KGB-Offizier selber diesen Vergleich an: »It’s the same as Afghanistan. They’ll never stop.« Hier wie dort, so die Logik, wird nur völlige Vernichtung den Widerstand brechen. Am Ende wird Jeds Gruppe nahezu vollständig aufgerieben. Lediglich zwei der Jugendlichen gelingt es, in den von amerikanischen Truppen gehaltenen Teil des Landes zu entkommen. Der weitere Verlauf des Krieges wird nicht mehr geschildert. Wir erfahren nur, dass es den USA schließlich gelungen ist, die Invasoren zu vertreiben. Der Film endet mit der Aufnahme eines Denkmals für die Widerstandskämpfer am »Partisan Rock«, dessen Inschrift Erica (Lea Thompson), eine der Überlebenden, aus dem Off verliest: »In the early days of World War III, guerrillas, mostly children, placed the names of their lost upon this rock. They fought here alone and gave up their lives ›so that this nation shall not 77 perish from the earth.‹ «
Red Dawn ist ohne Zweifel einer der am deutlichsten durch rechtskonservative Ideologie geprägten amerikanischen Filme überhaupt. Er wirkt, als habe Milius ein USPendant zu Alexander Newski (1938)78 drehen wollen, den die Sowjets im Kino des besetzten Calumet zeigen, allerdings ohne sich die Mühe zu machen, eine historische Allegorie zu suchen. Umso erstaunlicher fand es seinerzeit schon Time, dass Red Dawn – »too crude and incoherent to be taken either seriously by Milius’ ideological allies or frivolously by the nuclear-freezers« – zwar keinen überwältigenden, aber doch einen soliden Erfolg an den Kinokassen verzeichnen konnte.79 »Perhaps the film’s audience loves guerrilla theatre, no matter who the bad guys are«, mutmaßte das Magazin.80 Diese Erklärung, der auch Terry Christensen folgt,81 ist allerdings zu 77 Das Zitat am Ende der Inschrift stammt aus der Gettysburg Address, wodurch noch einmal eine Traditionslinie patriotischer Leistungen gezogen wird, vgl. Abraham Lincoln, »Address at the Dedication of the National Cemetery at Gettysburg, Pennsylvania, November 19th, 1863«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73959, (27.07.2007). 78 Alexander Newski entstand am Vorabend des Zweiten Weltkriegs und schildert die Verteidigung Russlands unter dem im Titel genannten Volkshelden gegen die Ritter des Deutschen Ordens, die offensichtlich für die Nazis stehen und unter der slawischen Bevölkerung ähnlich wüten wie die Sowjets in Milius’ Film unter der amerikanischen. Unter ästhetischen Gesichtspunkten betrachtet ist Eisensteins mittlerweile als klassisch geltendes Werk Red Dawn allerdings weit überlegen. 79 Nach der Liste in Hardy (Hg.), Science Fiction Filmenzyklopädie, 539, machte der Film annähernd 18 Millionen Dollar Gewinn. IMDb zufolge spielte er in den USA fast 36 Millionen Dollar ein (http://www.imdb.com/ title/tt0087985/business, 18.06.2007); The Numbers gibt das Einspielergebnis sogar noch höher mit beinahe 39 Millionen Dollar an (http://www.the-numbers.com/movies/1984/0RDAW.php, 18.06.2007). 80 »Red Dawn«, in: Time 27.08.1984. 81 Siehe Christensen, Reel Politics, 201: »Certainly the popularity of his [Milius’] film was due to its action rather than its politics. Red Dawn was anti-communist, but only because
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simplifizierend. Wie die Untersuchung gezeigt hat, standen viele der in Red Dawn vertretenen Ansichten in auffälliger Weise mit der offiziellen Rhetorik der ReaganAdministration in Einklang und mussten somit keineswegs als abstrus wahrgenommen werden. Zudem war Red Dawn, der sich auch aufgrund häufiger TV-Ausstrahlungen in den Folgejahren einer beachtlichen Bekanntheit und Popularität erfreute,82 keine Ausnahme, sondern im Gegenteil lediglich der auffälligste Vertreter einer ganzen Reihe von Filmen, die sich in dieser Zeit mit der Bedrohung der USA durch die Sowjetunion auseinandersetzten. Im Jahr darauf war beispielsweise der Chuck-Norris-Film Invasion U.S.A. (1985) ebenfalls erfolgreich.83 Hier findet – anders als der Titel vermuten lässt – zwar kein militärischer Großangriff wie in Red Dawn statt, die Attacke einer regelrechten Armee von Terroristen, die von einem sowjetischen Agenten angeführt wird und marodierend durch die Vereinigten Staaten zieht, wird jedoch als nahezu ebenso bedrohlich in Szene gesetzt. Terrorismus als Mittel der sowjetischen Aggression war neben dem vermeintlichen Rückstand bei der Rüstung ein weiteres zentrales Thema des Diskurses um den Kalten Krieg in der ersten Hälfte der 1980er Jahre, das in zahlreichen Filmen aufgegriffen wurde. Diesen Aspekt behandle ich ausführlich im letzten Teil dieser Arbeit, in Kapitel III.1.1. Hier genügt es zunächst festzuhalten, dass Terrorismus in dieser Zeit immer mehr Aufmerksamkeit erhielt und dabei im Wesentlichen als Teil der kommunistischen Bedrohung wahrgenommen wurde, so wie eben in Invasion U.S.A., in dem viele der schon aus Milius’ Film bekannten Motive, etwa die Darstellung des Helden als Waldläufer oder die Kritik an der Schwäche verweichlichter, allzu liberaler Vereinigter Staaten,84 wieder auftauchen. Ein sowjetisch besetztes Amerika, das sich gar kampflos dem Kommunismus ergeben hat, zeigt die 1987 von ABC ausgestrahlte Mini-Serie Amerika. Eine Widerstandsgruppe existiert natürlich trotzdem, und die Serie endet mit dem Beginn des Aufstandes gegen die Besatzer. Michail Gorbatschow, seit März 1985 Generalsekretär der KPdSU, beklagte sich zwar persönlich bei der US-Regierung, dass Amerika antisowjetische Emotionen schüre,85 aber seine Sorge war in diesem Fall eher unbegründet, da die Einschaltquoten nach der ersten Folge rapide abfielen. Offenbar kam das Szenario der – zudem nicht besonders gut gemachten – Serie in dem veränderten politischen Klima nach dem Reykjavik-Gipfel, bei dem im Oktober 1986 nur knapp
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the communists were convenient enemies; the bad guys had no perceivable political ideology and could just as easily have been from outer space.« Diese Lesart des Films ist an Oberflächlichkeit kaum zu überbieten. Palmer, Films of the Eighties, 212, und Leonard Quart/Albert Auster, American Film and Society since 1945, New York u.a. 21991, 155, betrachten den Erfolg von Red Dawn dagegen zu Recht als aussagekräftig. Vgl. dazu Ryan/Kellner, Camera Politica, 214. Siehe außerdem Kap. III.3.2. Der Film spielte bei einem geschätzten Budget von nur 10 Millionen Dollar (Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0089348/business, 29.08.2007) immerhin 17,5 Millionen ein (Quelle: http://www.the-numbers.com/ movies/1985/0INVU.php, 18.06.2007). Mit den Worten des Terroristenführers: »America has not been invaded by a foreign enemy in nearly two hundred years. Look at them, Nikko! Soft. Spineless decadents. They don’t even understand the nature of their own freedom. Or how we could use it against them. They are their own worst enemies, but they don’t know it.« Vgl. Garthoff, Great Transition, 311.
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eine historische Einigung bezüglich der Abrüstung der Atomwaffen verpasst worden war,86 bei den amerikanischen Zuschauern nicht mehr in dem Maße an, wie dies bei den thematisch ähnlichen Filmen der ersten Hälfte der 1980er Jahre der Fall gewesen war.87 Die Sowjetunion hatte unter Gorbatschow anscheinend an Schrecken verloren. Zu Beginn des Jahrzehnts allerdings war die UdSSR in den Vereinigten Staaten massiv als Bedrohung wahrgenommen worden, wie etliche Filme dieser Zeit zeigen.88 Neben den bereits genannten Produktionen ist hier noch auf die James-BondReihe zu verweisen, die in dieser Zeit mit For Your Eyes Only (1981), Octopussy (1983) und A View to a Kill (1985) ebenfalls wieder auf sowjetische Schurken zurückgriff und damit Entspannungsszenarien wie The Spy Who Loved Me (1977) den Rücken kehrte. Außer solchen Filmen, die sich direkt mit dem Kalten Krieg auseinandersetzen, müssen zudem diverse Science-Fiction-Filme berücksichtigt werden, deren Helden sich im Weltall mit militaristischen Imperien auseinandersetzen, etwa die stark an Star Wars (1977) orientierte Serie Battlestar Galatica, in deren Pilotfilm (1978) der größte Teil der Menschheit ausgelöscht wird, als die böse Roboterrasse der Zylonen die Feiern nach einem angeblichen Friedensschluss für einen Überraschungsangriff nutzt – eine unschwer zu entschlüsselnde Allegorie auf die fatalen Folgen leichtsinnigen Vertrauens auf die Möglichkeit, sich mit einem totalitären Feind durch eine verfehlte Entspannungspolitik aussöhnen zu können.89 In Star Trek III: The Search for Spock (1984) treten die kriegerischen Klingonen, die schon in der Fernsehserie der 1960er Jahre die Sowjetunion repräsentiert hatten,90 wieder als angriffslustige Feinde in Erscheinung und streben – für die Zeit typisch – nach dem Besitz einer Superwaffe. Eine weitere Variante des Verteidigung-gegen-totalitäreAggressoren-Schemas bietet The Last Starfighter (1984). Entschlossenheit und Stärke sind in allen diesen Produktionen die Garanten der Freiheit gegenüber den finsteren Mächten der Unterdrückung.
86 Siehe dazu ebenda, 285-91. 87 Vgl. Gomery, Shared Pleasures, 256f. Nach Schwartz, Cold War Culture, s.v. »Amerika« gab es allerdings auch konservative Kritik, »[that] the portrayal of Soviet occupation was too mild.« 88 Zur selben Zeit gab es zudem »a whole genre of American novels that depict the Soviets as planning sneak attacks on the United States«; Brett Silverstein/Catherine Flamenbaum, »Biases in the Perception and Cognition of the Actions of Enemies«, in: JSI 45:2 (1989), 51-72, hier: 64. 89 In Europa kam der Film auch in die Kinos. Die Serie lief von 1978 bis 1979 auf ABC und war sehr erfolgreich; vgl. Hardy (Hg.), Science Fiction Filmenzyklopädie, s.v. »Kampfstern Galactica«. Siehe auch Schwartz, Cold War Culture, s.v. »Battlestar Galactica«. Von 2004 bis 2009 lief eine gerade bei der Darstellung der Zylonen und der Verhandlung moralischer Fragen deutlich komplexere Neuauflage der Serie. 90 Star Trek (1966-1969); zur Behandlung des Kalten Krieges in der Serie und ihren Filmablegern siehe Rick Worland, »Captain Kirk: Cold Warrior«, in: JPFT 16:3 (1988), 109-17 und ders., »From the New Frontier to the Final Frontier: Star Trek from Kennedy to Gorbachev«, in: Film & History 24:1/2 (1994), 19-35.
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1.2 »PEOPLE WEREN’T MEANT TO LIVE LIKE THIS«: FREIHEIT GEGEN UNTERDRÜCKUNG »I’m no linguist, but I’ve been told that in the Russian language there isn’t even a word for freedom.«91 Mit dieser Bemerkung in einem BBC-Interview im Herbst 1985, wenige Wochen vor seinem ersten Gipfeltreffen mit Gorbatschow in Genf, brachte Reagan in sehr überspitzter Form auf den Punkt, was er als den grundlegenden Unterschied zwischen den USA und der UdSSR betrachtete: den Gegensatz zwischen Freiheit und Unfreiheit. Tatsächlich kann auch bei einer um Objektivität bemühten Sicht auf die Sowjetunion und ihre Verbündeten in Osteuropa nicht in Frage gestellt werden, dass die Einschränkung der persönlichen wie der politischen Freiheiten und Rechte der Menschen in diesen Diktaturen erschreckend und oft grausam war. »[T]he promise of happiness held out by the visionaries of socialism«92 blieb nicht nur unerfüllt, sondern wurde vielfach ins genaue Gegenteil verkehrt und musste dabei noch zur Rechtfertigung der Verbrechen der sozialistischen Regime dienen. Für die Verfechter des Kapitalismus war es ein Leichtes, auf die Zustände hinter dem Eisernen Vorhang zu verweisen, um die Überlegenheit des eigenen Systems zu propagieren. Die Menschenrechtsverletzungen in den sozialistischen Staaten waren aber auch für Amerikaner mit einer weniger konfrontativen Haltung inakzeptabel und somit Anlass zur Kritik. Darum wurden die Unterdrückung im Sozialismus und das Streben der Menschen nach Freiheit zwangsläufig zu einem zentralen Thema bei der Ausgestaltung des Feindbildes, herrschte über diesen Aspekt doch ein prinzipieller Konsens in der USGesellschaft. Wie bereits zu sehen war, spielte die totalitäre Natur der kommunistischen Herrschaft in Filmen wie Firefox oder Red Dawn, die vor der Bedrohung durch die UdSSR warnten, eine entscheidende Rolle, wobei ein Feindbild entworfen wurde, das große Ähnlichkeit mit dem nationalsozialistischen Dritten Reich aufwies. Daneben rückten zahlreiche andere, teils ähnlich ideologische, teils mehr um Objektivität bemühte Produktionen das Thema in den Mittelpunkt. Die Menschenrechtslage im sowjetischen Machtbereich wurde von allen Seiten kritisiert und konnte somit auch als integrative Kraft wirken. Sie fungierte als ein Magnetpol des Feindbildes, vor allem in der ersten Hälfte der 1980er Jahre, ehe sich die Wahrnehmung der Sowjetunion durch Gorbatschows Reformen grundlegend änderte. Ein Beispiel hierfür ist Night Crossing aus dem Jahr 1981, der sich auf die wahre Geschichte der Familien Strelzyk und Wetzel stützt, die zwei Jahre zuvor mit einem selbstgebauten Heißluftballon aus der DDR in den Westen geflohen waren. Der Film betont dementsprechend den Anspruch, besonders realistisch und wahrheitsgetreu zu sein. Er beginnt mit Dokumentaraufnahmen von der innerdeutschen Grenze und dem von der DDR errichteten Sperrzaun. »It is designed not to keep enemies out, but to keep its own people in«, erläutert ein Off-Kommentar die Funktion dieser Anlagen. Damit wird die Grundaussage von Night Crossing bereits getroffen: Die sozialistischen Staaten, hier repräsentiert durch die DDR, müssen ihr eigenes Volk einsperren,
91 Ronald Reagan, »Interview With Brian Widlake of the British Broadcasting Corporation, October 29th, 1985«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=37990 (07.07.2007). 92 Fred Inglis, The Cruel Peace: Everyday Life in the Cold War, London 1992, 429.
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um es an einer ›Abstimmung mit den Füßen‹ zu hindern. Doch selbst die brutalen Repressionen des Regimes können die Menschen nicht davon abhalten, ihrem Freiheitsdrang zu folgen und immer wieder die Flucht aus der Unterdrückung zu versuchen. Der symbolische Gehalt der schwerbewachten Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten und insbesondere der Berliner Mauer prädestinierte die DDR dafür, in diversen Filmen als Synekdoche für den Ostblock zu dienen. Genau wie Night Crossing stellt auch Gotcha! (1985) Ostdeutschland als ein großes Gefängnis dar. »What’s wrong with Berlin?«, fragt der naive amerikanische Held seinen Freund vor der Abreise. »Nothing«, entgegnet dieser, »if you like machine guns and barbed wire.« Dass die DDR dabei nur als ein repräsentativer Teil des sowjetischen Imperiums gesehen werden soll, wird schon dadurch deutlich, dass es das sowjetische KGB ist, das in dieser Spionage-Komödie die eigentliche Bedrohung darstellt. Die Deutschen sind nur Handlanger der Sowjets. Zugleich lässt sich aber gerade an den Ostdeutschen auch besonders gut die Charakterisierung des Kommunismus als eine totalitäre Ideologie versinnbildlichen, erscheint die DDR doch als eine Art Fortschreibung, beziehungsweise eine Variante, der Nazi-Diktatur. Dieses Bild prägt auch die Komödie Top Secret! (1984). Hier werden zwar in erster Linie ZweiterWeltkrieg-Agenten-Geschichten sowie die Elvis-Presley-Filme parodiert; dass man dies jedoch tut, indem man einen westlichen Rockmusiker auf Besuch in Ostdeutschland mit kommunistischen Schergen in SS-Uniformen konfrontiert, spricht für sich. Zudem wird auch das sozialistische System an mehreren Stellen verspottet, besonders bissig in der ›Nationalhymne‹: »Hail, hail, East Germany! Land of vine and grape! Land where you’ll regret and try to escape. No matter if you tunnel under or take a running jump at the wall, the guards will kill you, if the electrified fence doesn’t first.«93
Auf subtilere, aber dennoch wirkungsvolle Art und Weise nutzt auch Night Crossing die Assoziation des ›Deutschen‹ mit dem Totalitarismus: Während die Sympathieträger des Films von Amerikanern und Briten verkörpert werden, stellen Deutsche, die aufgrund ihres harten Akzents leicht als solche zu erkennen sind, die Offiziere der Stasi dar. So wie schon in Filmen der 1950er Jahre »gute Deutsche und böse Nazis« voneinander unterschieden wurden,94 wird auf diese Weise eine klare Trennlinie zwischen der unterdrückten Bevölkerung und dem diktatorischen System gezogen, die dem amerikanischen Zuschauer auf der einen Seite die Identifikation mit den anglisierten flüchtenden Familien erleichtert und auf der anderen Seite deren Gegenspieler als Erben des Nationalsozialismus ausweist.95
93 In der deutschen Synchronfassung erklingt an dieser Stelle das Lied vom edlen Ritter Prinz Eugen. Offenbar war man der Ansicht, dem westdeutschen Publikum diesen makabren Scherz nicht zumuten zu können. 94 Inken Heeb, Deutschlandbilder im amerikanischen Spielfilm, 1946 bis 1993 (Diss. Marburg 1997), 50. 95 Die Bedeutung des Nationalsozialismus und des ›Deutschen‹ für die amerikanische Dämonologie behandle ich ausführlich in Kap. II.2.
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Was die Lebensverhältnisse so unerträglich macht, ist in Night Crossing denn auch nicht etwa der Mangel an Konsumgütern, der nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die materielle Situation der Menschen in der DDR erscheint insgesamt als nicht so schlecht, womit die Verhältnisse der Zeit durchaus adäquat wiedergegeben werden: Die im Mittelpunkt stehenden Familien haben geräumige Wohnungen, besitzen Fernseher und Autos, verfügen also durchaus über einen gewissen Lebensstandard. Bedeutender ist für den Film der Mangel an Freiheit. Die Menschen in der DDR sind Gefangene in ihrem eigenen Land, die von der Stasi überwacht und von ihren Nachbarn bespitzelt werden. Nicht einmal die Berufswahl ist frei, was für Günter Wetzel (Beau Bridges) ein Hauptgrund ist, die Flucht zu wagen: »I’m not going to be a delivery boy for the rest of my life. I’m a mechanic. A damn’ good one. And I got a right to prove it.« Mehrfach wird darauf hingewiesen, dass es für die Kinder in diesem Staat nur eine düstere Zukunft geben kann, die unter anderem darin besteht, in der NVA »Russia’s border on China« zu verteidigen. Kein Zweifel: »People weren’t meant to live like this«, wie Günter feststellt, so wie auch Reagan zu dieser Zeit bemerkte: »It’s not a normal way of living for human beings[.]«96 Verzweiflung ist angesichts dieser Zustände weit verbreitet. »Mentally, every man in this room has his bags packed«, versichert Walter Strelzyk (John Hurt) seinen Freunden bei einem Gespräch in der Kneipe. Die Gefahren an der stark gesicherten Grenze halten jedoch die meisten der verängstigten DDR-Bürger von einem Fluchtversuch ab. Das Regime kennt mit den ›Republikflüchtlingen‹ kein Pardon, wie das Schicksal des jungen Lukas zu Beginn des Films zeigt. Nachdem er am Grenzzaun von einer Selbstschussanlage niedergestreckt worden ist, lassen die Soldaten ihn zunächst einfach liegen, obwohl er noch am Leben ist. An seiner Rettung besteht offenbar kein Interesse. Selbst ein gescheiterter Fluchtversuch, das kommt allerdings klar zum Ausdruck, ist besser als für immer ein Gefangener zu bleiben. Das bedeutet letztendlich, dass im Zweifelsfall der Tod einem solchen Leben vorzuziehen ist. So verweist Lukas’ Abschiedsbrief an seine Eltern mit der Wendung »until we’re together again in a better place« nicht nur auf den Westen, der im Film mehrfach als eine Art ›gelobtes Land‹ erscheint, man kann dies auch auf das Jenseits beziehen. Entscheidend ist, sich nicht unterdrücken zu lassen, denn »we, like the eagles, were born to be free«. Darum wagen die Strelzyks und Wetzels trotz des Risikos die Flucht, unternehmen sogar einen zweiten Anlauf, nachdem der erste Versuch gescheitert ist, und werden am Ende belohnt. Ihr Flug in die Freiheit korrespondiert mit Lukas’ Adler-Metapher – zugleich ein Nationalsymbol der USA – und wird zum Triumph über die Unterdrücker, denen sie in letzter Sekunde entkommen. Eine Texttafel verweist zum Schluss darauf, dass die Erwachsenen in der Freiheit des Westens ihre Träume verwirklichen konnten. Und »the children are free to reach for the sky… without the help of a balloon.« Zentrale Elemente von Night Crossing wie die Aura der wahren Geschichte und die Betonung, dass Menschen unter kommunistischer Herrschaft Gefangene ihrer Regierungen sind, prägen auch Eleni (1985), in dem die Kommunisten mit ausländischen Invasoren verglichen werden und eine Mutter für die Rettung ihrer Kinder mit
96 Ronald Reagan, »The President’s News Conference, June 16th, 1981«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=43961 (27.07.2007).
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dem Leben bezahlt.97 Dass die Freiheit beinahe jedes Opfer wert ist, ist die Botschaft, die auch Gorky Park (1983) vermittelt, ein in Moskau spielender Krimi. Die junge Dissidentin Irina (Joanna Pacula)98 schläft hier mit dem Mann, von dem sie weiß, dass er drei ihrer Freunde ermordet hat, um so die Freiheit für sich und ihren Geliebten zu erkaufen. »I told you, I’d do anything to get out. Anything!«, hält sie diesem, dem Chefermittler der Moskauer Miliz Arkady Renko (William Hurt), entgegen, als er sie zur Rede stellt. Renko seinerseits geht einen Handel mit dem KGB ein, um Irinas Entkommen zu sichern. Als er ihr mitteilt, dass er nach Moskau zurückkehren wird, bietet sie an, mit ihm zu kommen, aber er lehnt ab: »You were dead there, dying there.« Renko selbst ist zwar durch und durch Russe und als Polizist sogar Teil des Staatsapparates, es ist aber von Anfang an offensichtlich, dass er kein begeisterter Anhänger des sozialistischen Systems ist. Wenn er vor seinen Vorgesetzten wie aus einem Handbuch zitierend von »the world’s finest militia and the enthusiastic support of the peaceful Soviet peoples« spricht, ist die Ironie nicht zu überhören. Zudem befindet er sich in ständigem Konflikt mit dem KGB, das er zunächst auch im Verdacht hat, die Morde begangen zu haben. Es wird deutlich, dass der Geheimdienst über dem Gesetz steht und willkürlich töten kann, während er zugleich die gesamte Gesellschaft überwacht. Selbst in den Polizeibüros machen Wanzen und Spitzel eine unbelauschte Unterhaltung nahezu unmöglich.99 Dass der tatsächliche Mörder sich als amerikanischer Geschäftsmann (Lee Marvin) entpuppt, der sich ein Vermögen sichern will, indem er lebende Zobel aus der Sowjetunion herausschmuggelt und damit deren Monopol bricht, verweist zwar auf die amoralischen und korrupten Seiten des Kapitalismus, sorgt aber dennoch keineswegs für eine Ausgeglichenheit der Perspektive. Darin unterscheidet sich Michael Apteds Film deutlich von der Romanvorlage von Martin Cruz Smith,100 die ein ungleich vielschichtigeres Bild nicht nur der UdSSR, sondern auch der USA entwirft. So zeichnet Smith den KGB-Major Pribluda nicht als Abziehbildschurken, sondern 97
Es handelt sich hierbei um die Verfilmung von Nicholas Gages Buch über das Schicksal seiner Mutter im griechischen Bürgerkrieg, die hingerichtet wurde, weil sie ihren Kindern zur Flucht verhalf, um sie vor der Verschickung in sozialistische Staaten zu bewahren; Nicholas Gage, Eleni: A Son’s Quest to Avenge His Mother’s Murder, London 2006 [1983]. 98 Joanna Pacula war in ihrer Heimat Polen bereits eine erfolgreiche Schauspielerin gewesen, musste aber gezwungenermaßen eine neue Karriere im Westen beginnen, nachdem 1981 das Kriegsrecht in Polen verhängt und die gesamte Unterhaltungsindustrie geschlossen worden war, als sie sich gerade in Paris befand. Gorky Park war ihr erster amerikanischer Film, und ihr persönlicher Hintergrund verlieh ihrer Darstellung der Irina eine zusätzliche Bedeutung. Siehe dazu »A Gamine Is Exiled To Gorky Park«, in: Time 02.05.1983. 99 Regisseur Michael Apted war der Überzeugung, dass auch die Crew während der Dreharbeiten in Helsinki bespitzelt wurde, zumal sein Kostümbildner zuvor bei einem Aufenthalt in Moskau drei Tage lang festgehalten worden war, weil er Fotos von Militärangehörigen gemacht hatte. Die finnische Hauptstadt musste als Ersatz für Moskau dienen, nachdem die Amerikaner dort keine Drehgenehmigung erhalten hatten. Siehe dazu die Rubrik »People«, in: Time 26.09.1983. 100 Martin Cruz Smith, Gorky Park, New York 1981.
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als komplexen Charakter, dessen Verhältnis zu Renko sich schließlich sogar zu einer Art Freundschaft entwickelt. Vor allem aber nutzt der Roman das in New York angesiedelte Finale, um die Darstellung Osbornes als Verkörperung eines mörderischen Kapitalismus durch weitere kritische Perspektiven auf Amerikas Gesellschaft und sein Rechtssystem zu ergänzen. Nicht zuletzt entpuppt sich das FBI als ähnlich skrupellos wie die sowjetischen Behörden. Dass davon im Film, der den Schluss in die Nähe Stockholms verlegt, nichts zu finden ist, lässt sich kaum durch notwendige Kürzungen und Vereinfachungen für die Übertragung auf die Leinwand rechtfertigen. Es ist allzu auffällig, dass gerade die US-kritischen Elemente bei der Adaption auf der Strecke geblieben sind. Die Vereinigten Staaten geraten so zum gelobten Land außerhalb der eigentlichen Handlung. Staatliche Organisationen des Westens wie das FBI sind nicht mehr in den Fall verwickelt.101 Osborne, der Pelzhändler, der die Verzweiflung der Dissidenten ausnutzt, um sie für seine Zwecke einzuspannen, ist ein Privatmann, der nicht mehr als repräsentativ gelten kann, zumal ihm mit dem rauen, aber aufrechten Polizisten Kirwill (Brian Dennehy), der Renko auf eigene Faust unterstützt, weil sein Bruder eines der Opfer ist, auch ein ›guter‹ Amerikaner gegenübersteht. Dagegen erscheinen die sowjetischen Behörden als durch und durch korrupt. Sogar der anfangs Vertrauen erweckende Staatsanwalt entpuppt sich am Ende als bestechlicher Verbrecher, der mit Osborne gemeinsame Sache macht. Die einzigen positiven Vertreter des Systems sind Figuren wie Renko, die sich zumindest innerlich davon distanziert haben und selbst mit ihm im Konflikt stehen. Es ist nicht die Kritik an den unbestreitbaren Missständen in der sozialistischen Diktatur, sondern diese Einseitigkeit der Darstellung, die in der Verfilmung von Gorky Park wie in diversen anderen Produktionen als problematisch und feindbildtypisch auffällt. So groß ist hier die Verzweiflung, dass Irina sich lange Zeit weigert, zu akzeptieren, dass es sich bei den drei verstümmelten Leichen, deren Ermordung Renko untersucht, um ihre Freunde handelt.102 »They are free. Free!«, fährt sie ihn an. »Hope is all I know«, erklärt sie an einer anderen Stelle, und diese Haltung ist verständlich angesichts des trostlosen Bildes einer grauen sowjetischen Hauptstadt, in der es an Konsumgütern mangelt, der Schwarzmarkt blüht und Uniformen das triste Straßenbild prägen. Für einen unbeugsamen, freiheitlichen Geist wie Irina ist die UdSSR, wo nur das Schlittschuhlaufen im Gorky Park eine Ahnung von Unbeschwertheit und Freiheit zu vermitteln vermag, die Hölle. Dass in der »totalitarian darkness«103 die Seele verkümmert, ist auch eine zentrale Aussage von Paul Mazurskys Moscow on the Hudson (1984). Diese Komödie stellt das Leben in beiden Systemen, Freiheit und Unterdrückung, einander direkt gegenüber: Der Zirkusmusiker Vladimir Ivanow (Robin Williams) läuft darin während eines
101 Sowohl Inglis, Cruel Peace, 391, als auch Palmer, Films of the Eighties, 239, übersehen diese Unterschiede, obwohl sie sich angeblich auf den Film beziehen. 102 Palmer, Films of the Eighties, 238, weist darauf hin, dass die gesichtslosen Leichen im Schnee »symbols of an almost universal Russian loss of identity, of a whole nation […] locked in an existential deep freeze« sind. 103 Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the National Association of Evangelicals in Orlando, Florida, March 8th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=41023 (27.07.2007).
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Gastspiels seiner Truppe in New York in den Westen über und beginnt dort ein neues Leben. Was er zurücklässt, zeigt der erste Teil des Films, der in Moskau spielt, und bereits die Eingangsszenen entwerfen hier ein klar negatives Bild: Vladimir steigt aus dem Bus, und das erste, was der Zuschauer von Moskau sieht, ist die Verhaftung einiger jüdischer Dissidenten, die für ihre Ausreise nach Israel demonstrieren, durch das KGB. Gleich darauf entdeckt er eine Schlange von Menschen, die anstehen, um Schuhe zu kaufen. Als Vladimir schließlich an der Reihe ist, gibt es keine mehr in der Größe, die er will, also kauft er deutlich kleinere, von denen er kurz darauf ein Paar dem KGB-Mann schenken muss, der die Truppe nach New York begleiten soll. Damit sind die zwei zentralen Kennzeichen des Lebens im Sozialismus, die auch schon aus anderen Filmen bekannt sind, gleich zu Beginn eingeführt: der Mangel an Konsumgütern und die Repressionen durch den Überwachungsstaat. Auf die materiellen Verhältnisse legt Moscow on the Hudson dabei deutlich mehr Wert als die übrigen Filme. Die Vorzüge des Westens gerade auf diesem Gebiet werden wesentlich stärker betont. Durch die Gegenüberstellung beider Seiten wird der Zuschauer hier wie in anderen Punkten dazu gezwungen, einen Vergleich anzustellen, der eindeutig zugunsten der USA ausfallen muss. So wird der Schuhkauf später durch eine entsprechende Szene in New York gespiegelt, in der Vladimir im Schuhladen neben einem Berg verschiedenster Modelle sitzt, aus denen er die freie Auswahl hat. Im Supermarkt ist er erstaunt zu hören, dass es keine Schlangen für die einzelnen Produkte gibt. Angesichts des ungeheuer vielfältigen Angebots an Kaffeesorten fällt er kurz darauf erst einmal in Ohnmacht, was der Zuschauer verstehen kann, nachdem zuvor zu sehen war, wie die Menschen in Moskau im Schneegestöber mehrere Häuserblocks lang anstehen, um Toilettenpapier kaufen zu können. Im Bereich des Konsums, das demonstriert der Film deutlich, ist der Unterschied zwischen West und Ost buchstäblich mit den Händen greifbar. So zeigt auch das Kinoplakat Vladimir mit einem USA-Fähnchen in der einen Hand, in der anderen eine Einkaufstüte, aus der Konsumgüter wie Joysticks und Videokassetten herausschauen. Als der Zirkus in New York eintrifft, ist das erste Bild eine Werbetafel, auf der Abraham Lincoln mit Kopfhörern abgebildet ist, nebst dem Slogan: »Not all stereophones are created equal.« Diese Aufnahme charakterisiert Amerika ebenso prägnant wie die Eingangssequenz die Sowjetunion. Die Werbung verweist zum einen natürlich wiederum auf den materiellen Überfluss, auf einer anderen Ebene erinnert sie durch das Bild Lincolns und die Anspielung auf die Unabhängigkeitserklärung aber auch an die wichtigere, weil grundlegende Errungenschaft der Freiheit. In der Schlüsselszene des Films, als Vladimir nach einigen Enttäuschungen mit seinem neuen Leben im Westen hadert, wird hier wieder angeknüpft, als Immigranten aus verschiedenen Ländern104 am Nationalfeiertag in einem Diner sitzen und gemeinsam die Unabhängigkeitserklärung rezitieren. Dabei erinnert sich auch Vladimir wieder daran, dass die Freiheit in den USA alles andere aufwiegt und der Grund für sein Überlaufen gewesen ist. »Freedom is what the movie is really about«, erklärt denn auch 104 Vladimir begegnet in New York auch sonst fast ausschließlich Einwanderern aus den verschiedensten Regionen der Welt. Dadurch werden nicht nur die USA als Einwanderungsland charakterisiert, es wird auch beständig darauf verwiesen, dass Vladimir mit seinen Problemen in der neuen Heimat nicht allein ist.
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Mazursky im Audiokommentar der DVD105: Die meisten Überläufer wollten nicht bessere Jobs oder kürzere Schlangen, sondern Freiheit. Als Vladimir – passenderweise während des gemeinsamen Einkaufs bei Bloomingdales – überläuft, fragen ihn die herbeigerufenen Beamten des Justizministeriums nach dem Grund. BEAMTER: »Can you tell us why you’re defecting?« VLADIMIR: »Freedom.« BEAMTER: »Political freedom or artistic?« VLADIMIR: »Freedom.«
Tatsächlich gibt es keinen Unterschied zwischen politischer und künstlerischer Freiheit, beide gehören zusammen. Dass der Saxophonist Vladimir seine Liebe zum Jazz in der UdSSR nicht ausleben kann, ist nur ein weiterer, wenn auch wesentlicher Aspekt seiner Unterdrückung. »An artist without freedom is a bird without wings«, erklärt Vladimirs Freund Anatoli, der Clown, zu Beginn; ein Vergleich, der auch an die Metaphorik aus Night Crossing erinnert. Will Günter Wetzel berufliche Selbstbestimmung, so will Anatoli künstlerische. Er ist derjenige, der ursprünglich den Plan zum Überlaufen fasst, es im entscheidenden Moment aber nicht über sich bringt. Indem er Vladimir jedoch ständig an seine Seele – als Künstler und als Mensch – erinnert, ermöglicht er es diesem, sich zu überwinden und den Schritt zu machen. Die neugewonnene Freiheit ist die Belohnung für dieses Wagnis. Der Film zeichnet dabei kein rosarotes Bild von den USA. Vladimir begegnen auch Kriminalität und Arbeitslosigkeit, und es wird zumindest auf die rassistische Vergangenheit der Vereinigten Staaten (und deren Nachwirken) verwiesen. Die Familie des schwarzen Sicherheitsmannes Lionel, die Vladimir zunächst bei sich aufnimmt, ist parallel zu seiner eigenen Familie in Moskau entworfen und wohnt in ähnlich beengten Verhältnissen. »Moscow on the Hudson is evenhanded. It does not fall into the trap of making everything about America good«, konstatiert William Palmer.106 Mazurksy, der mehrere Wochen in der UdSSR recherchiert hatte und dabei zu dem Schluss gekommen war, dass die Sowjetunion viele Klischees, etwa bezüglich des KGB, erfüllte,107 verwendet andererseits in der ersten Hälfte des Films auch viel Aufmerksamkeit darauf, die Lebensfreude und ›Normalität‹ der russischen Bevölkerung darzustellen, die sich in ihren Wünschen und Träumen nicht von der amerikanischen unterscheidet. Diese Gemeinsamkeiten betonen letztlich aber den alles entscheidenden Unterschied bei der Freiheit, diese Träume zu verfolgen. Jedenfalls erkennt Vladimir, dass die Propagandalügen über »the decadence, the crime, the poverty«, die in der UdSSR über die Vereinigten Staaten verbreitet werden, nicht der Wahrheit entsprechen, genauso wenig wie das Bild, das die sowjetische Regierung der Bevölkerung vom eigenen Land vermitteln möchte. »Lies, tell us more lies«, ruft Vladimirs Großvater aus, als die Fernsehnachrichten Ernteerfolge verkünden. Man könnte anhand zahlreicher weiterer Beispiele aufzeigen, wie der Film Ost und West einander gegenüberstellt – etwa die Überwachung und Bedrohung 105 Columbia TriStar Home Entertainment 2002. 106 Palmer, Films of the Eighties, 235. 107 Vgl. hierzu den Audiokommentar.
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durch das KGB dem Schutz durch das FBI –, aber die genannten sollen an dieser Stelle genügen. Es sollte ausreichend deutlich geworden sein, wie dieser Vergleich zwischen dem winterlichen, grauen Moskau und dem warmen, farbenfrohen New York ausfällt und warum. »This is New York City«, erklärt ein Polizist dem wütenden KGB-Mann, als Vladimir überläuft, »a man can do whatever he wants.« Steve Vinebergs Verwunderung, warum der Film von vielen Liberalen als »antiSoviet« empfunden wurde,108 zeugt von großer Naivität. Moscow on the Hudson verzerrt nicht die Sowjets zu Monstern wie etwa Red Dawn, aber er kritisiert mit aller Schärfe das sozialistische System und betont die Überlegenheit des amerikanischen Kapitalismus. Insofern ist er auf jeden Fall als antisowjetisch einzustufen. Lediglich in den Bemerkungen von Vladimirs Großvater wie »Trotsky was right. They have dumped shit on the revolution from head to toe.« klingt an, dass man die Verhältnisse in der UdSSR nicht mit den Zielen des Kommunismus gleichsetzen darf. Aber auch das unterstützt nur die Kritik, die an dem ›real existierenden Sozialismus‹ des Ostblocks geübt wird. »[Moscow on the Hudson] is […] a rarity, a patriotic film that has a liberal, rather than a conservative heart«, stellte Roger Ebert in seiner Rezension fest.109 Eindeutig antisowjetisch und voller »superpower simplifications«110 ist White Nights (1985), der ebenfalls eine direkte Gegenüberstellung der Zustände in den USA und der UdSSR vornimmt und zu diesem Zweck nicht nur einen, sondern zwei übergelaufene Künstler in den Mittelpunkt der Handlung stellt: Für den vor Jahren in die Vereinigten Staaten übergelaufenen Startänzer Nikolai Rodchenko (Mikhail Baryshnikow) wird ein Albtraum wahr, als das Flugzeug, mit dem er unterwegs nach Japan ist, auf einer sowjetischen Militärbasis in Sibirien notlanden muss. »Here you’re just a criminal«, erklärt der aalglatte KGB-Oberst Chaiko dem in Abwesenheit verurteilten Überläufer. Der sowjetische Staat will das ehemalige Mitglied seiner kulturellen Elite allerdings nicht bestrafen, sondern davon überzeugen, seine Entscheidung rückgängig zu machen, und so einen großen Propagandacoup landen. Während der Weltöffentlichkeit vorgegaukelt wird, der bei der Notlandung leicht verletzte Nikolai liege im Koma und sei nicht transportfähig, bringt das KGB ihn mit einem anderen Überläufer zusammen: dem schwarzen Stepptänzer Raymond (Gregory Hines), der mit der Russin Daria (Isabella Rossellini) verheiratet ist und mit USkritischen Stücken in der sibirischen Provinz auftritt. In einer der frühen Schlüsselszenen des Films offenbart Raymond seine Motive: RAYMOND: »I’m a selector… not a defector.« NIKOLAI: »Oh… you got fed up with freedom. Or you thought that audiences in Siberia are better public for your work?« RAYMOND: »Clever. Very clever. [Pause] You know the funny thing about me?« NIKOLAI: »I can’t imagine.« RAYMOND: »I used to feel the way you do about America. I was a patriot. The greatest country in the world.« 108 Vineberg, Movies in the Reagan Decade, 18. 109 Online: http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19840101/REVIEWS/ 401010360/1023 (14.11.2004). 110 »Dancing down the Steppes«, in: Time 25.11.1985.
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In einem langen, von Steppeinlagen unterbrochenen Dialog erzählt Raymond von seinen Erfahrungen mit dem amerikanischen Rassismus als »cute little colored kid, tappin’ away« und als »adult black man«, vom Eintritt in die Armee mangels anderer Karrierechancen und dem Verlust seiner Illusionen im Vietnamkrieg. RAYMOND: »But when they made me the offer… nobody said: ›You’re gonna become a murderer. Gonna become a… a rapist. Gonna maim and rob people.‹ I kept saying to myself: ›This war’s gotta be about somethin’. Can’t be just hired killers. No, it’s not possible. We’re Americans!‹ This little voice in my head is sayin’: ›Ray, you’re bein’ used. They’re tryin’ to kill you! They don’t even think you’re human and they want you to die for them. Make them richer.‹ « NIKOLAI: »Now I remember.« RAYMOND: »Sure, I was… I was big news while they needed me.« NIKOLAI: »It’s still a better place than this.«
Mit diesem einen letzten Satz wischt Nikolai – und mit ihm der Film – Raymonds gesamte Kritik vom Tisch. Die Fehler der USA werden zwar eingestanden, aber sie verblassen neben den Zuständen in der Sowjetunion. Zudem werden sie in der Vergangenheit verortet. »It’s a different era now. Things have changed«, versichert Nikolai Raymond später, als sich zwischen ihnen eine Freundschaft zu entwickeln beginnt. Von Anfang an ist zudem klar, dass Raymonds Entscheidung falsch war. Für die Sowjets war er nur »big news while they needed me«. Mittlerweile fristet er ein trostloses Dasein in der sibirischen Provinz, und sollte er es nicht schaffen, Nikolai zu überzeugen, droht ihm ein Ende als Minenarbeiter. Auch dem Rassismus ist er nicht entkommen. An Chaiko, der ihn Nikolai gegenüber »nigger« nennt und ihm Ausdrücke wie »black bastard« und »black ass« an den Kopf wirft, wird deutlich, dass die Weißen in der UdSSR mindestens genauso verachtungsvoll auf ihn herabblicken wie früher in Amerika, wo mittlerweile andere Zeiten angebrochen sein sollen. Regisseur Taylor Hackford verteidigt diese Position noch in seinem Regiekommentar zur DVD-Ausgabe111: »I’m afraid that Russians, you know, in... in Moscow tend to be rather racist. Ahem, they don’t have the experience… ah… an America has. We have our… ah… our racial problems, but in reality we’ve dealt with that.« Wie einseitig diese Behauptung ist, lässt sich schon daran ablesen, dass White Nights bis heute einer der ganz wenigen US-Filme ist, die eine glückliche Liebesbeziehung zwischen einem schwarzen Mann und einer weißen Frau porträtieren.112 Hier ist eine solche Romanze nur deshalb unproblematisch, weil sie in erster Linie dazu dient, Rassismus (zumindest in der Gegenwart) zum alleinigen Problem der Sowjets zu erklären, womit eine wesentliche Funktion des Feindbildes, die Projektion, erfüllt wird. Es ist daher nicht überraschend, dass Raymond schließlich seinen Fehler zugibt und sich entscheidet, zusammen mit Nikolai und seiner schwangeren Frau zu fliehen. »They almost destroyed me. I’m not gonna give them a chance to do this with my child«, erklärt er. Die Unterdrückung bis hin zur Zerstörung von Menschen ist auch hier ein wesentliches Merkmal des Kommunismus. Künstler spielen in diesem Film, 111 Sony Pictures Home Entertainment 2006. 112 Siehe dazu ausführlicher Kap. II.2.1.
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wie in Moscow on the Hudson, eine zentrale Rolle, weil sich das gerade an ihnen zeigen lässt, ist künstlerische Selbstentfaltung doch der Inbegriff des Individualismus und kann genau deshalb von den totalitären Machthabern nicht toleriert werden. Dass es nicht um materielle Werte geht, dass Nikolai nicht einfach nur dorthin geflüchtet ist, »where it pays better«, wie Raymond ihm anfangs unterstellt, beweist das luxuriöse Leben, das er als Mitglied der sowjetischen Elite früher genossen hat und das ihm, nachdem er zum Schein eingelenkt hat, wieder zugestanden wird. Die unterschiedliche Behandlung der beiden Überläufer zeigt, wie groß der Unterschied zwischen der UdSSR und den USA ist: Während Nikolai in Amerika seine Träume verwirklichen kann, versauert Raymond in Sibirien; der eine ist in seinem Herkunftsland als Verbrecher verurteilt worden, der andere wird am Ende von der Heimat, gegen die er sich einst gewandt hat, sogar durch einen Gefangenenaustausch befreit. Brisanterweise wurde Nikolai von Mikhail Baryshnikow gespielt, dessen eigene Biographie deutliche Parallelen zu seinem Filmcharakter aufwies: Selbst ein Star in der Sowjetunion, war er 1974 in die USA übergelaufen.113 Dadurch erhielt der Film eine gewisse Aura des Realismus. In einem später für die DVD produzierten Makingof beklagt Taylor Hackford, der sich selbst als Liberalen bezeichnet, dass der Film von allen Seiten attackiert worden sei: »The Reagan-era people, they hated the movie because, of course, they felt it was unpatriotic.« Die Linke dagegen habe ihn angegriffen, »saying ›Oh, it’s, you know, attacking Russia and the Russian system.‹«,114 obwohl, wie er im Audiokommentar ergänzt, »everything about this film was real, I think, including the KGB.« Tatsächlich kann man aber mit Recht behaupten, dass White Nights »a set piece propaganda film« ist.115 Baryshnikow war ehrlicher (oder einsichtiger) als sein Regisseur, als er den Film als »politically right wing and patriotic« bezeichnete.116 Von Raymonds Ansichten zum Vietnamkrieg abgesehen, gibt es in dem Film, vor allem im Porträt der Sowjetunion, nichts, was einen Hardliner veranlassen könnte, den Film zu hassen. Stattdessen wird in für die Reagan-Ära typi-
113 Zahlreiche andere sowjetische Tanzstars beschritten im Laufe der Zeit denselben Weg, um den künstlerischen Restriktionen in der Sowjetunion zu entfliehen, wo zwar das klassische Ballett einen hohen Stellenwert hatte, moderne westliche Tanzstile aber als dekadent verpönt waren. Siehe dazu Schwartz, Cold War Culture, s.v. »dance«. 114 Diese Kritik verhinderte allerdings nicht, dass White Nights ein respektabler Erfolg wurde: Der Film spielte mehr als 42 Millionen Dollar ein (Quelle: http://www.the-numbers. com/movies/1985/0WHNI.php, 18.06.2007). Der von den Kritikern erheblich besser aufgenommene und teilweise sogar gefeierte Moscow on the Hudson kam demgegenüber nur auf ein Einspielergebnis von 25.100.000 Dollar (Quelle: http://www.the-numbers.com/ movies/1984/0MSCW.php, 18.06.2007). Für einige beispielhafte Rezensionen siehe »Baryshnikov In ›White Nights,‹ Tale Of Two Defectors«, in: NYT 22.11.1985; »White Nights«, auf: http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19851122/REVI EWS/511220302/1023 und »Moscow on the Hudson«, auf: http://rogerebert.suntimes. com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19840101/REVIEWS/401010360/1023 (14.11.2004) sowie »You Can’t Go Home Again«, in: Vineberg, Movies in the Reagan Decade, 33-8. 115 Palmer, Films of the Eighties, 242. 116 Zitiert nach Christensen, Reel Politics, 204.
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scher Weise das feindliche System dämonisiert und zugleich die Versöhnung Amerikas mit den problematischeren Aspekten seiner Vergangenheit propagiert. In einem Punkt besticht White Nights allerdings tatsächlich durch seinen Realismus, nämlich in den Ansichten Leningrads. »Wie sähe Rußland für den aus, dessen Imagination nur von westlichen Filmen gespeist wäre?«, hat Oksana Bulgakowa gefragt und die Antwort selbst gegeben: »Schnee, Schnee und nochmals Schnee.«117 Produktionen der 1980er Jahre wie Gorky Park oder Moscow on the Hudson bestätigen dieses Bild. In Hackfords Film allerdings sieht man ein sonniges Leningrad, dessen Bevölkerung nicht nur in tristes Grau gekleidet ist. Dieser Umstand ist leicht erklärt: Während Paul Mazursky die Außenaufnahmen für Moscow on the Hudson im sommerlichen München abends drehte und speziell beleuchtete, um »a grim, grey, dark daytime« zu erzeugen, bat Hackford ein finnisches Filmteam mit Zugang zur UdSSR, für ihn Material in Leningrad aufzunehmen.118 Der insgesamt ausgeglichenere Film folgt also mit seiner Inszenierung dem Klischee, während der ansonsten äußerst antisowjetische White Nights mit seinen echten Aufnahmen beweist, dass auch im ›Reich des Bösen‹ die Sonne scheint. Hieran wird zugleich exemplarisch deutlich, wie schnell auch solche Filme, denen es um vollkommen berechtigte Kritik an den Menschenrechtsverletzungen in den sozialistischen Staaten ging, auf stereotype Bilder zurückgriffen und damit einer feindbildtypischen Vereinfachung und Verzerrung Vorschub leisteten, die ihrerseits eine Idealisierung der Vereinigten Staaten bedingte.
1.3 »A TRUE CASE OF DAVID AND GOLIATH«: ROCKY IV UND DER KAMPF DER SYSTEME Dass sich die beiden Gesellschaftsentwürfe nicht nur im Hinblick auf die Freiheit des Einzelnen, sondern in jedem einzelnen Aspekt ihrer Existenz geradezu diametral gegenüberstanden, versuchte Sylvester Stallone 1985 mit Rocky IV zu zeigen.119 Obwohl Co-Produzent Robert Chartoff versicherte, es sei nicht beabsichtigt gewesen, dass der Film als »anti-Russian« betrachtet werde,120 ist er doch »entscheidend vom Reaganismus geprägt«121 und neben Red Dawn vielleicht die ideologischste Stellungnahme zum Kalten Krieg aus den 1980er Jahren überhaupt. Zugleich war Rocky IV ausgesprochen populär, der dritterfolgreichste Film des Jahres in den USA.122 Die-
117 Oksana Bulgakowa, »Engel und Teufel«, in: Belach/Jacobsen (Red.), Kalter Krieg, 141. 118 Vgl. dazu die jeweiligen Audiokommentare. 119 Stallone spielte nicht nur die Hauptrolle, sondern führte auch Regie und schrieb das Drehbuch selbst. 120 Zitiert nach Palmer, Films of the Eighties, 218. 121 Peter Hoff, »Kalter Krieg: Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts (1985)«, in: Werner Faulstich/Helmut Korte (Hg.), Fischer Filmgeschichte Bd. 5: Massenware und Kunst, 1977-1995, Frankfurt a.M. 1995, 157-75, hier: 162. Hoffs Analyse des Films ist recht umfassend und präzise, die Bezugnahme auf den historischen Hintergrund bleibt jedoch etwas zu oberflächlich. 122 Vgl. die Tabelle in Ross Gregory, Cold War America: 1946 to 1990, New York 2003, 461. Der Film spielte allein in den USA 127,9 Millionen Dollar ein und weltweit über
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ser Erfolg kann sicher nicht allein oder auch nur in erster Linie auf seine politische Attitüde zurückgeführt werden, vielmehr muss die Beliebtheit der bereits aus drei früheren Teilen bekannten Titelfigur berücksichtigt werden.123 Stephen C. LeSueur und Dean Rehberger haben in einem Aufsatz zudem auf alternative Lesarten von Rocky IV und Rambo aufmerksam gemacht, um die außerordentliche Popularität gerade dieser Filme im Kontrast zu ähnlich ideologischen, aber weniger erfolgreichen Produktionen zu erklären.124 Auch wenn die Ergebnisse dieser Arbeit teilweise auf eklatanten Fehlinterpretationen beruhen, wie noch zu sehen sein wird, darf ihr prinzipieller Wert, der Hinweis auf das Funktionieren der Geschichte auf anderen Ebenen, nicht außer Acht gelassen werden. Aber für Rocky IV gilt auch in noch stärkerem Maße, was für Red Dawn zu bemerken ist, nämlich dass die penetrant vertretene Ideologie des Films seinem Erfolg zumindest nicht im Wege stand. Er bietet außerdem reiches Material für die Analyse von Feind- und Selbstbild, insbesondere im Hinblick auf die sehr bedeutsame Stilisierung der USA als Underdog im Kalten Krieg, und verdient daher besondere Aufmerksamkeit. Rocky IV inszeniert das Aufeinandertreffen des amerikanischen Schwergewichtsweltmeisters Rocky Balboa (Sylvester Stallone) mit dem hünenhaften sowjetischen Boxer Ivan Drago (Dolph Lundgren) nicht nur als Kräftemessen unter Sportlern, sondern als Kampf zweier antagonistischer Systeme. Der Boxkampf reduziert den Konflikt entsprechend seiner archaischen Natur auf eine simple Auseinandersetzung, die durch überlegene Stärke entschieden wird. Er fungiert geradezu als eine Art Ersatzkrieg, wozu ihn nicht zuletzt die Brutalität dieses Sports befähigt. Wie zwei homerische Helden tragen die beiden Boxer als die stärksten Krieger den Kampf stellvertretend für ihre jeweilige Gesellschaftsordnung aus. Schon die Werbung ließ daran keinen Zweifel. »When East meets West, the champion remains standing«, verkündete ein Slogan, ein anderer forderte die Zuschauer auf: »Get ready for the next World War!«125 Konsequent stimmt auch der Vorspann des Films auf das, was folgen wird, ein: Zwei Boxhandschuhe kommen ins Bild, von denen der eine die amerikanische, der andere die sowjetische Flagge zeigt. Dann rasen sie aufeinander zu. Ihr Zusammenstoß löst eine Explosion aus. Simpler und eindringlicher kann Bildsprache kaum sein. Die Kriegsmetaphorik durchzieht den gesamten Film. Als die sowjetische Delegation in den USA eintrifft, um der Welt, also vor allem den Amerikanern, mit Drago den ersten sowjetischen Profiboxer zu präsentieren und einen Kampf zu arrangieren, erscheint dies geradezu als Angriff. »Russians Invade U.S. Sports«, titelt eine Zeitschrift in Großaufnahme. Damit steht Rocky IV den zuvor besprochenen Filmen nahe, 300 Millionen (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1985/0RKY4.php, 18.06. 2007). 123 Rocky (1976), Rocky II (1979) und Rocky III (1982). Der Kinotrailer zum dritten Teil bewarb Rocky bereits als eine »American tradition«. 124 Stephen C. LeSueur/Dean Rehberger, »Rocky IV, Rambo II, and the Place of the Individual in Modern American Society«, in: JAC 11:2 (1988), 25-33. 125 Vgl. http://www.imdb.com/title/tt0089927/taglines (29.12.2004). Richard Grenier berichtet von der Reaktion eines Kinopublikums auf den Trailer: »The house exploded with glee, cheering, and cries of ›U.S.A.! U.S.A.!‹ «; »Stallone on Patriotism and ›Rambo‹ «, in: NYT 06.06.1985.
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in denen es zu einer militärischen Invasion durch die Sowjets kommt.126 Dieses Bild wird auch dadurch gestützt, dass Drago bei der Ankunft auf dem Flughafen seine Militäruniform trägt, also als Soldat seines Landes auftritt. Von Beginn an ist für den Zuschauer klar, dass es sich nur um eine Phrase handelt, wenn die Sowjets ihn als »ambassador of good will« bezeichnen. In Wirklichkeit stellt er eine Bedrohung dar. Auf amerikanischer Seite versteht sich auch Rockys Freund Apollo Creed (Carl Weathers), der frühere Weltmeister, als Krieger und dürstet geradezu nach der Auseinandersetzung mit dem sowjetischen ›Angreifer‹: »We have to be right in the middle of the action, ‘cause we’re the warriors. Without some challenge, without some damn’ war to fight, then the warrior may as well be dead.« Apollo versucht Rocky, der seinem Freund zunächst von einem Kampf gegen Drago abrät, klarzumachen, dass es als Krieger ihre Aufgabe ist, dass es ihnen im Blut liegt, sich dieser Herausforderung zu stellen: »We don’t even have a choice.« Rocky lässt sich von Apollos Rede nur widerwillig überzeugen, ihn zu unterstützen. Seiner Meinung nach ist für sie beide die Zeit der großen Kämpfe vorbei. Zudem erkennt er die politische Tragweite des Geschehens zunächst nicht. »This is just some exhibition fight. This thing don’t mean nothin’ «, hält er dem kampfeslüsternen Apollo noch in der Kabine entgegen. Aber der weiß es besser: »This is not just an exhibition fight that doesn’t mean anything. It is us against them!« Prophetisch fügt er hinzu: »Maybe you don’t know what I’m talking about now, but you will when it’s over.« Im Gegensatz zu dem in dieser Anfangsphase des Films sehr zurückhaltenden Rocky hat Apollo verstanden, dass dieser Kampf zutiefst politisch ist, dass es darum geht, dass eine Seite die andere ›schlecht aussehen‹ lassen kann. So verkündet er auch in der Pressekonferenz: »I just wanna show the whole world that Russia doesn’t have all the best athletes.« So wird der Kampf zwischen Apollo und Drago zur ersten Schlacht des Ersatzkrieges, den die beiden Supermächte im Boxring ausfechten lassen. Der Amerikaner unterstreicht die symbolische Bedeutung noch selbst, indem er vor dem Kampf als Uncle Sam kostümiert auftritt. Wenn Dragos Ehefrau Ludmilla zu Mrs. Creed sagt »I hope after we can be friends. […] They’re sportsmen, not soldiers«, entspricht das offensichtlich nicht der Wahrheit, denn der Film hat zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich demonstriert, dass die Kontrahenten in diesem Fall eher Soldaten als Sportler sind. Während Apollo dazu steht, beweisen die Sowjets durch diese perfide Lüge und ihr scheinbar freundliches Gebaren, dass ihnen nicht zu trauen ist. Der Kampf selbst beseitigt jeden noch verbliebenen Zweifel an der Natur dieses Duells und den sowjetischen Absichten: Apollo, der die Gefährlichkeit seines Gegners sträflich unterschätzt hat und Rocky verbietet, das Handtuch zu werfen, wird von Drago erschlagen. Dass es ›Gefallene‹ gibt, ist letztendlich nur folgerichtig, wenn man den Kampf als Krieg versteht, aber die Amerikaner, die zum Großteil eben doch die Lüge vom harmlosen Schaukampf geglaubt haben, reagieren empört. Dagegen sind die Sowjets äußerst zufrieden, wie man an den Gesichtern von Ludmilla und dem Funktionär ablesen kann. In einer seiner wenigen persönlichen Äußerungen verkündet Drago den Reportern triumphierend: »I cannot be defeated.« Apollos Schicksal kommentiert er mit grausamer Teilnahmslosigkeit: »If he dies… he dies.«
126 Vgl. auch Prince, Visions of Empire, 73.
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Nach dem Kampf bewahrheitet sich allerdings Apollos Vorhersage: Rocky versteht nun, worum es geht. Ohne zu zögern, tritt er an die Stelle des toten Freundes und fordert seinerseits Drago heraus. Die USA haben eine Schlacht verloren, aber noch nicht den Krieg. Statt des mutigen, aber als Champion längst abgelösten Apollo steigt diesmal der eigentliche Repräsentant der Vereinigten Staaten in den Ring. Für diesen Part eignet sich kaum eine Figur so gut wie Rocky. Durch seinen Aufstieg aus ärmsten Verhältnissen zum Weltmeister in den ersten beiden Filmen der Serie verkörperte er den amerikanischen Traum, und das zu einer Zeit, als die Nation durch den Vietnamkrieg und seine Folgen stark angeschlagen war. Bereits in Rocky III war er folgerichtig in die Rolle des Verteidigers der amerikanischen Gesellschaft hineingewachsen, wobei er in diesem Fall gegen zersetzende Kräfte im Innern, die radikalen Schwarzen der Black-Power-Bewegung, repräsentiert durch den brutalen Clubber Lang, antrat. »Erstmals«, stellt Peter Hoff dazu fest, »wird Rockys Gegner nicht mehr charakterisiert, sondern typisiert.«127 Clubber ist wie Drago eine »Negativfigur«,128 die nur über die Ideologie, die sie vertritt, und die davon ausgehende Gefahr für die multikulturelle Gesellschaft der USA – vorbildlich symbolisiert durch Rocky und seine Verbündeten – definiert wird. Rocky schlägt ihn in den Sternenbannershorts, die sein früherer Gegner Apollo an ihn weitergegeben hat. Somit ist er bereits vor Rocky IV zu dem Vorkämpfer für die amerikanischen Werte schlechthin geworden. Im vierten Teil ist er vollends auf diese Rolle festgelegt und steht bereit, Amerika auch gegen den äußeren Feind zu verteidigen. Der Film kann sich rein auf diese Funktion Rockys konzentrieren. Eine tiefer gehende Psychologisierung ist dank der vorhergehenden Teile nicht mehr nötig. Dadurch wird er freilich ähnlich entindividualisiert wie sein Gegner. Beide sind nur noch Repräsentanten ihres Systems. Zugleich ist durch die anderen Filme, vor allem wiederum durch den dritten Teil, auch schon ein festes Schema etabliert. »The Rocky sequels have ceased to be movies in the usual sense of the word. They are now rituals«, wie Time bemerkte.129 Die obligatorischen Szenen zwischen Rocky und seiner Frau Adrian sind ebenso fester Bestandteil dieser eingespielten Abläufe wie der Entschluss zum Kampf, die ausgedehnten Trainingsmontagen und das große Finale im Ring. Dass der Entscheidungskampf die Revanche für eine Niederlage in der ersten Hälfte des Films ist, war auch in Rocky III schon so. Vor diesem zweiten Kampf machen die Sowjets keinen Hehl mehr aus ihrem Überlegenheitsgefühl. Die wahren Hintergründe der Auseinandersetzung kommen diesmal offener zur Sprache. »You have this belief that you are better than us. You have this belief that this country is so very good and we are so very bad«, entrüstet sich Ludmilla über die amerikanische Arroganz. »It’s all lies and false propaganda to support this antagonistic and violent government«, schimpft der Funktionär. Für den Zuschauer ist vor dem Hintergrund von Apollos Tod allerdings nur zu klar, wessen Mittel Lüge und Gewalt sind. Die Sowjets entlarven sich durch ihre Äußerungen quasi selbst, wodurch die Politik der Reagan-Administration als völlig richtig erscheint. Schließlich lässt der Funktionär jede Zurückhaltung fallen und stellt klar, worum es bei dem Kampf zwischen Rocky und Drago geht: »Perhaps this simple de127 Hoff, ›Rocky IV«, 160. 128 Ebenda, 161. 129 »Win the Battle, Lose the War«, in: Time 09.12.1985.
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feat of this little so-called champion will be a perfect example of how pathetically weak your society has become.« Die Sowjets gehen davon aus, dass Dragos überlegene Stärke diesen Kampf ebenso klar entscheiden wird wie zuvor den gegen Apollo. »It’s a matter of size. […] It is physically impossible for this little man to win«, teilt der Funktionär den Reportern mit. Damit ist natürlich nichts anderes gemeint, als dass die USA gegen die übermächtige, hochgerüstete UdSSR nur verlieren können. Immer wieder wird die physische Überlegenheit Dragos (also der Sowjetunion) gegenüber Rocky (also den Vereinigten Staaten) im Film betont. Drago wird als »indestructible« beschrieben, während seine Gegner offensichtlich chancenlos sind: »Whatever he hits, he destroys.« Der Sieg über Apollo scheint dies zu bestätigen. »I can’t get over the size of this Russian«, hat ein Reporter diesen Kampf kommentiert. »The Soviet’s strength is incredible.« Als sich Rocky und Drago schließlich im Ring gegenüberstehen, überragt der sowjetische Muskelberg den Amerikaner um mehr als eine Haupteslänge. »It’s a true case of David and Goliath here«, bemerkt der Kommentator des amerikanischen Fernsehens. Damit sind die Fronten klar. Rocky verkörpert wieder einmal den uramerikanischen Underdog, der gegen einen scheinbar unbezwingbaren Gegner antritt. Gleichzeitig verweist der Vergleich mit David und Goliath auch auf die biblische Dimension des Kampfes. Schon der Name Ivan Drago kennzeichnet den sowjetischen Boxer zum einen als den stereotypen Russen, den ›Ivan‹ eben,130 wie Rocky Repräsentant seines Systems, zum andern bringt er ihn mit dem Drachen, dem Symbol des Bösen gerade auch in der christlichen Überlieferung, in Verbindung. »Rocky rückt somit durch seinen Kampf mit Ivan Drago in die Reihe der mythologischen Drachentöter ein«,131 er wird zum modernen St. Georg. Auch das Datum des Kampfes, der 25. Dezember, wird gerade deshalb immer wieder betont, weil es den Atheismus der Kommunisten, die den Termin festgelegt haben, einerseits und Rockys Nähe zur christlichen Heilssphäre andererseits hervorhebt. Hier treten nicht nur zwei Männer gegeneinander an, hier kämpft Gut gegen Böse. Rockys Vorbereitung auf den Entscheidungskampf ist durch ein Motiv geprägt, das wir bereits in anderen Filmen über die Konfrontation mit der UdSSR beobachten konnten, die Rückkehr zu einer einfachen, naturverbundenen Lebens- oder in diesem Fall Trainingsweise, eine Wiederbelebung der frontier. Rocky zieht sich in die Abgeschiedenheit der sibirischen Schneelandschaft zurück und trainiert nahezu völlig ohne professionelle Sportgeräte. Er bricht auf diese Weise mit dem luxuriösen Lebensstil, den er und Apollo in der ersten Hälfte des Films gepflegt haben und der offensichtlich verweichlichend gewirkt hat. Dem stellt der Film in einer Parallelmontage das Training Dragos gegenüber, das völlig technisiert ist. Während Rocky sich in der freien Natur schindet, verlässt der sowjetische Boxer nie seine riesige Trainingshalle. Auf der einen Seite wird Rocky nur von seinen engsten Vertrauten begleitet und ist bei seinen Übungen meistens allein im Bild, auf der anderen Seite wird Dragos Training von einem Heer von Wissenschaftlern und Funktionären überwacht. Auch Dopingmittel kommen hier offenbar zum Einsatz. Wo der Amerikaner natürliche Hindernisse und Alltagsgegenstände benutzt, arbeitet sich der Sowjet an Maschinen ab, 130 Gegen den gleichen stereotypen, bösen Ivan musste im Jahr darauf auch der Held des Kampfsportfilms No Retreat, No Surrender (1985) antreten. 131 Hoff, »Rocky IV«, 170.
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mit denen er oft buchstäblich zu verschmelzen scheint. Tatsächlich zeigt der Film Drago als »ein[en] ›Maschinen-Mensch[en]‹ oder auch eine ›Mensch-Maschine‹.«132 Er ist kein selbstständig denkendes und agierendes Wesen, sondern ein Produkt des menschenverachtenden, materialistischen Sowjetsystems, nur ein Instrument für die Funktionäre, die ihn kontrollieren, eine Waffe. Bei den Pressekonferenzen ergreift er nie selbst das Wort, der Funktionär und vor allem seine Frau sprechen für ihn. Hier stellt der Film auch zwei gegensätzliche Frauen- und Familienbilder einander gegenüber: Die dominante, kalte und maskulin wirkende Ludmilla, das Negativbild einer Karrierefrau – ironischerweise gespielt von Stallones damaliger Lebenspartnerin Brigitte Nielsen – kontrastiert die feminine, anschmiegsame Adrian, die sich nach einem Streit wieder bedingungslos hinter ihren Mann und Beschützer stellt. Rocky IV trägt damit einem konservativen Klima Rechnung, das nach den Erfolgen der Frauenbewegung in den 1960er und 1970er Jahren wieder traditionelle Geschlechterrollen und patriarchalische Strukturen zu stärken suchte. Berufstätige und insbesondere beruflich erfolgreiche Frauen drängten Männer angeblich aus ihren Arbeitsplätzen und bedrohten damit zugleich deren vom Ernährerstatus abhängige Position als Familienoberhaupt.133 Gemeinsam (und oftmals in einer Person) mit unabhängigen, alleinstehenden und sexuell aktiven Frauen stellten sie geradezu ein eigenes Feindbild dar. Susan Faludi hat deshalb für die 1980er Jahre gar von einem »undeclared war against women« gesprochen.134 Rocky IV greift dieses Feindbild auf und 132 Ebenda, 163. 133 Vgl. z.B. Ronald Reagan, »Question-and-Answer Session Following a White House Luncheon for Editors and Broadcasters from Southeastern States, April 16th, 1982«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=42412 (27.07.2007): »Part of the unemployment is not as much recession as it is the great increase in the people going into the job market and, ladies, I’m not picking on anyone, but because of the increase in women who are working today and two-worker families and so forth.« 134 Susan Faludi, Backlash: The Undeclared War Against Women, London 1991. Dass es nicht übertrieben ist, in diesem Zusammenhang von einem Feindbild zu sprechen, belegen etwa die von Faludi zitierten heftigen Zuschauerreaktionen bei Vorführungen von Fatal Attraction (1987): Aufgeregte Männer feuerten Michael Douglas’ Figur während des Finales mit Rufen wie »Kill the bitch« an (ebenda, 140). Neben diesem emblematischen Film wären etwa Body Heat (1981), Black Widow (1987), Baby Boom (1987) oder Working Girl (1988) als Beispiele zu nennen sowie diverse Filme aus den frühen 1990er Jahren wie Basic Instinct (1992), The Hand That Rocks the Cradle (1992), Single White Female (1992) und Disclosure (1994). Auch in Krimiserien traten zu dieser Zeit überproportional viele Karrierefrauen als Mörderinnen in Erscheinung. Siehe auch Yvonne Tasker, Working Girls: Gender and Sexuality in Popular Cinema, New York 1998; Harry M. Benshoff/Sean Griffin, America on Film: Representing Race, Class, Gender, and Sexuality at the Movies, Malden u.a. 2004, 277-81; Nadel, Flatlining on the Field of Dreams, 86-113 und Harvey R. Greenberg, »Working Girl: Leveraged Sell-Out«, in: JPFT 17:1 (1989), 20-3. Eine positivere Sicht auf Frauenrollen in den 1980er Jahren vertritt Molly Haskell, From Reverence to Rape: The Treatment of Women in the Movies, Chicago/London 21987, 402, allerdings noch vor der Welle der hier angeführten Filme. Bestritten wird der antifeminist backlash, wie die Existenz jeglicher konservativer Strömung, von Powers/Rothman/Rothman, Hollywood’s America, 159. Neben der negativen
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verbindet es mit dem außenpolitischen Feindbild des Kommunismus, wodurch eine gegenseitige Verstärkung, eine doppelte Diskreditierung erreicht wird. Während die Amerikaner außerdem Familienmenschen sind – Rocky ist mehrfach mit seinem Sohn zu sehen –, gibt es bei den kinderlosen Sowjets keinen Hinweis auf ein liebevolles Verhältnis oder ein Familienleben. Der Film deutet möglicherweise sogar ein Verhältnis Ludmillas mit dem Funktionär an, wenn die beiden sich während des ersten Kampfes genüsslich eine Zigarette teilen.135 Rocky IV demonstriert so die Pervertierung der heiligen Institutionen Ehe und Familie durch den Kommunismus. LeSueur und Rehberger leiten aus der Kontrastierung von Rockys Individualismus – er kämpft nicht in staatlichem Auftrag, der Boxverband weigert sich sogar, den Kampf anzuerkennen – und der technokratischen Maschinerie um Drago ab, dass es nicht um einen Konflikt zwischen zwei Systemen, sondern zwischen dem Individuum und »bureaucratic-technological forces within our own society« gehe.136 Ihrer Meinung nach sind die Schurken »not really communists«,137 was sie unter anderem dadurch belegen zu können glauben, dass die Sowjets sich in das Spektakel um den ersten Kampf in Las Vegas angeblich gut einfügen.138 Das ist jedoch nicht der Fall. Dragos Mimik spiegelt deutlich Unverständnis und Verwirrung wider, als er mit dem Boxring aus den Katakomben auf die Bühne gefahren und mit der wilden Show konfrontiert wird.139 Die Zufriedenheit von Ludmilla und dem Funktionär bezieht sich offensichtlich auf den Kampf und auf nichts anderes. Das wird umso deutlicher, als der fröhlichen Show in Amerika später das pathetische Zeremoniell in Moskau gegenübergestellt wird. Während in den USA eine ausgelassene, bunte Zuschauerschar mit einem Popsong unterhalten wird, ist das sowjetische Publikum eine graue, uniformierte Masse, die die Nationalhymne schmettert und in einem eindeutig an den Faschismus gemahnenden Führer- und Personenkult dem Politbüro und seinem Supersportler huldigt. Die Parallelen zum Nationalsozialismus – ein Motiv, das uns bereits aus anderen Filmen vertraut ist – werden auch am Ehepaar Drago deutlich: Groß, blond und stark wirken die beiden, als wären sie einem Propagandafilm über Rassenlehre entsprungen.140 Zwar muss man bemerken, dass die Show in Las Vegas letzt-
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Darstellung bestimmter Frauentypen ist auch der geringe Anteil von weiblichen Sprechrollen in den Filmen der Zeit bemerkenswert; dazu Lynda Boose, »Techno-Muscularity and the ›Boy-Eternal‹ «, in: Amy Kaplan/Douglas E. Pease (Hg.), Cultures of United States Imperialism, Durham/London 1993, 581-616, hier: 587f. Vgl. Hoff, »Rocky IV«, 171. LeSueur/Rehberger, »Rocky IV, Rambo II«, 31. Ebenda, 31. Vgl. ebenda, 27. Vgl. auch Hoff, »Rocky IV«, 168. Durch die Nazi-Konnotation der Sowjets und Apollos Tod wird Rocky auch zum Kämpfer gegen totalitären Rassismus, was nicht wenig ironisch ist, wenn man bedenkt, dass in den vorangegangenen Teilen in erheblichem Maße rassistische Ressentiments ausgebeutet wurden, nicht nur in der Figur des Clubber Lang in Rocky III, sondern auch schon in den ersten beiden Teilen anhand von Apollo, der erst danach zum durchweg positiven Beispiel des angepassten Schwarzen gegenüber dem aggressiven Clubber wurde. Siehe dazu Joel W. Martin, »Redeeming America: Rocky as Ritual Racial Drama«, in: Joel W.
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endlich kaum weniger ideologisch angelegt ist – Apollo tritt als Uncle Sam auf, James Brown singt Living in America und das Publikum buht Drago von Anfang an aus –, aber der Film betont die Unterschiede zwischen den beiden Inszenierungen, nicht die Gemeinsamkeiten. Die Bösen sind Kommunisten, und Rocky IV entwirft ein Bild, wie man sich den Kommunismus vorzustellen hat – im Kontrast zum American Way of Life. Rockys Flucht in die Natur stellt zwar eine Kritik an Verweichlichung durch übertriebene Kommerzialisierung und Technisierung und eine Aufforderung zur Rückbesinnung auf ein einfacheres Leben, auf die Tugenden der frontier, dar, aber er bleibt der Verteidiger amerikanischer Werte gegen die sowjetische Bedrohung. Individualismus ist – wie bereits zu sehen war – gerade auch in der konservativen Sichtweise der vielleicht wichtigste dieser Werte, zumal in der Ära Reagans, der Eigenverantwortlichkeit und Bürokratieabbau predigte und in seiner Inaugurationsrede erklärte: »In this present crisis, government is not the solution to our problem; government is the problem.«141 Rocky scheint angesichts von Dragos unmenschlicher Stärke keine Chance zu haben, den Kampf zu gewinnen. Selbst seine Frau fürchtet um sein Leben, weil sie ihn für den sicheren Verlierer hält: »You can’t win!« Aber die Auseinandersetzung zwischen West und Ost soll nicht durch physische Kraft entschieden werden, so wie es auch Präsident Reagan in seiner evil-empire-Rede beschworen hatte: »I’ve always maintained that the struggle now going on for the world will never be decided by bombs or rockets, by armies or military might. The real crisis we face today is a spiritual one; at root, it is a test of moral will and faith. [...] I believe that communism is another sad, bizarre chapter in human history whose last pages even now are being written. I believe this because the source of our strength in the quest for 142 human freedom is not material, but spiritual.«
Das Motiv der Willensstärke prägt Rockys Vorbereitung auf den Kampf. »I just gotta do what I gotta do«, erklärt er seiner Frau. Er kann nicht aufgeben, weil er das Richtige tut. »Why can’t you change your thinking?«, fragt Adrian verzweifelt. In Rockys denkbar simpler Antwort klingt das Gespräch mit Apollo wieder an: »‘Cause I’m a fighter.« Er wird nicht vor der scheinbaren Übermacht kapitulieren. »Maybe I can’t win. […] But to beat me… he’s gonna have to kill me.« Der Rocksong Burning Heart, der die Ankunft in der UdSSR untermalt, greift dieses Thema später plakativ wieder auf. »In the warrior’s code there’s no surrender«, heißt es da. Und wiederum wird betont: »It’s a battle of wills.« Rocky triumphiert schließlich im Ring, weil er, Martin/Conrad E. Ostwalt Jr. (Hg.), Screening the Sacred: Religion, Myth, and Ideology in Popular American Film, Boulder u.a. 1995, 125-33; Daniel J. Leab, »The Blue Collar Ethnic in Bicentennial America: Rocky (1976)«, in: Steven Mintz/Randy Roberts (Hg.), Hollywood’s America: United States History Through Its Films, überarb. Auflage, New York 1996, 275-83. 141 Ronald Reagan, »Inaugural Address, January 20th, 1981«, http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=43130 (12.05.2007). 142 Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the National Association of Evangelicals in Orlando, Florida, March 8th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=41023 (27.07.2007).
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der christliche Kämpfer für das Gute, den stärkeren Willen, den festeren Glauben besitzt. Nicht Drago, sondern er erweist sich als »indestructable«, als auf menschliche Weise geradezu übermenschlich. »I must break you«, verkündet Drago Rocky bei der Begrüßung, um später in einer Kampfpause ernüchtert festzustellen: »He’s not human... He’s like a piece of iron.« Dass Rocky niemals aufgibt und immer wieder aufsteht, ist ein aus den vorigen Filmen wohlbekanntes Motiv. Hier symbolisiert es endgültig die Unbezwingbarkeit der USA selbst gegenüber dem stärksten Gegner. Rockys grandioses Beispiel gewinnt ihm – und damit natürlich Amerika – selbst die Unterstützung des anfangs feindseligen Publikums. Am Ende jubelt es geschlossen dem tapferen Amerikaner zu statt dem Vertreter des eigenen Systems. Sogar Drago wird durch den Kampf aus seiner Identitätslosigkeit erlöst: Als der Funktionär ihn wütend beschimpft, weil er es nicht schafft, Rocky zu besiegen, lehnt er sich erstmals gegen seinen Schöpfer und Unterdrücker auf und artikuliert Selbstbewusstsein: »I figth to win… for me! For me!« Wie die Künstler in Moscow on the Hudson oder White Nights erhebt sich Drago schließlich gegen den Anspruch des totalitären Systems, ihn zu definieren und zu kontrollieren. So wird auch in Rocky IV die Erlösung des Individuums aus den Ketten des kommunistischen Systems durch das amerikanische Beispiel gefeiert.143 Nach dem Sieg hält Rocky als Triumphator, eingehüllt in das Sternenbanner und somit umso deutlicher die Vereinigten Staaten repräsentierend, eine kurze Rede: »I seen a lot of people hatin’ me, and… I didn’t know what to feel about that, so… I guess I didn’t like you much none either. Durin’ this fight… I seen a lot of changin’. The way you felt about me, and the way I felt about you. In here were two guys... killin’ each other. But I guess that’s better than 20 million. What I’m tryin’ to say is... that if I can change... and you can change... everybody can change.«
Das Publikum reagiert mit begeistertem Applaus und in der Loge des Politbüros erhebt sich ein bewegter Gorbatschow – die Ähnlichkeit lässt keinen Zweifel daran, dass er gemeint ist –, um ebenfalls zu applaudieren. Der zuvor so kriegerische Film endet so mit allgemeinem Jubel. Dieser Schluss ist häufig als ein Rückzieher im letzten Moment interpretiert worden, als ein Versuch, das Vorangegangene zumindest teilweise zurückzunehmen und die Ideologie des Films abzuschwächen.144 Tatsäch143 Dolph Lundgren verkörperte wenige Jahre später noch einmal einen sowjetischen Kämpfer, der sich gegen seine Vorgesetzten wendet: In Red Scorpion (1988) soll er als Speznaz-Elitesoldat Nikolai einen afrikanischen Rebellenführer töten, beginnt aber angesichts von Giftgasangriffen auf wehrlose Dörfer und anderen Gräueltaten bald an seiner Mission zu zweifeln. Nachdem sein Anschlag gescheitert ist und er als Versager von seinen eigenen Leuten gefoltert wird und exekutiert werden soll, flieht er in die Wüste, wo er von einem Buschmann gerettet wird. Durch ein Missverständnis – der Buschmann glaubt nach Nikolais Vorstellungsversuch, er heiße »I am« und nennt ihn fortan so – wird verdeutlicht, wie die einst blind gehorchende Kampfmaschine zu ihrer Identität findet. Am Schluss des Films führt Nikolai einen erfolgreichen Rebellenangriff auf den kubanischen Stützpunkt an und zieht die wahren Unterdrücker der Bevölkerung zur Rechenschaft. 144 So z.B. Palmer, Films of the Eighties, 222 und Christensen, Reel Politics, 203. Ähnlich auch Prince, Visions of Empire, 75.
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lich ist dieses Ende aber vollkommen konsequent. Rocky IV unterscheidet sich in genau diesem Punkt von Kriegsfilmen wie Red Dawn, indem er über den Ersatzkrieg nicht hinausgeht und eine militärische Konfrontation als vermeidbar darstellt. Er tut dies jedoch keineswegs als Verfechter eines naiven Pazifismus, seine Botschaft steht vielmehr völlig im Einklang mit der offiziellen Haltung der Regierung: »peace through strength.«145 Rocky beweist erst die amerikanische Überlegenheit und spricht sich dann für einen weniger konfrontativen Kurs aus, so wie die ReaganAdministration ihr Aufrüstungsprogramm als Voraussetzung für die Möglichkeit einer Verständigung verstanden wissen wollte.146 Zumal die Veränderung, die Rocky anspricht, sehr einseitig gedacht ist. Indem er sich auf den Kampf bezieht, macht er deutlich, dass die Veränderung auf sowjetischer Seite seiner Veränderung vorangehen muss. Rocky freundet sich mit dem Publikum an, weil es ihm zujubelt. Mit anderen Worten: Die Sowjets müssen die Überlegenheit des anderen Systems anerkennen und sich entsprechend verhalten, dann wird man sie auch wohlwollender betrachten. Hier wird also keineswegs im letzten Moment eine Versöhnung zwischen Kommunismus und Kapitalismus angedeutet, sondern die Notwendigkeit der Aufgabe des Kommunismus betont. Seine Ansprache ist bezeichnenderweise ein Monolog, so wie im gesamten Film kein Gespräch zwischen den beiden Seiten stattgefunden hat, außer in Form von Streit bei den Pressekonferenzen. Rocky verordnet der UdSSR quasi Reformen. Als Gorbatschow sich von seinem Platz erhebt, sieht er denn auch aus, als sei ihm just in diesem Moment die Idee zu Glasnost und Perestroika gekommen, quasi als Reaktion auf das Ergebnis des Kampfes, das Peter Hoff treffend zusammengefasst hat: »Die moralische Kraft siegte über die materialistische Ideologie. Das ›Reich des Bösen‹ ging im Knockout zu Boden.«147 Das in gewisser Weise »paradoxical picture«,148 dass die USA im Konflikt mit der UdSSR als stärker und schwächer zugleich, als einerseits militärisch unterlegen, andererseits aber moralisch überlegen (und daher am Ende siegreich) erscheinen, begegnet in den Filmen dieser Zeit immer wieder. Die Bedeutung dieses Motivs und des Feindbildes insgesamt wird im Zusammenhang mit dem Vietnam-Trauma deutlich.
145 Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the National Association of Evangelicals in Orlando, Florida, March 8th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=41023 (27.07.2007). 146 Vgl. z.B. die Ausführungen von Außenminister George Shultz in einer Rede 1984 in »Realismus, Stärke und Verhandlungen«, in: Czempiel/Schweitzer, Weltpolitik, 428-31, und in »New Realities and New Ways of Thinking«, in: Foreign Affairs 63:4 (1985), 705-21, v.a. 705-8. 147 Hoff, »Rocky IV«, 172. Hoff betrachtet die »politische Utopie« am Ende des Films als zu seinem Märchencharakter passend (ebenda, 169). 148 Schwartz, Cold War Culture, s.v. »Rocky«.
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1.4 »DO WE GET TO WIN THIS TIME?«: DER KALTE KRIEG UND DAS VIETNAM-TRAUMA »Im Rückblick ist die Bedeutung der amerikanischen Vietnam-Erfahrung kaum zu überschätzen«, hat Joseph Sartelle geschrieben149 – mit Recht, denn der Vietnamkrieg war wohl das prägende Ereignis in der jüngeren Geschichte der USA. Die Niederlage in Südostasien erschütterte nicht nur das Vertrauen der Amerikaner in die eigene Unbesiegbarkeit, die rücksichtslose Kriegführung, die ihr Sinnbild in dem Massaker von Son My (My Lai) fand, bei dem amerikanische Truppen am 16. März 1968 an die 500 vietnamesische Zivilisten ermordeten, wurde auch dem Anspruch der moralischen Überlegenheit nicht gerecht.150 Grundlegende Mythen über das Wesen der Vereinigten Staaten und ihre Rolle in der Weltgeschichte wurden plötzlich in Frage gestellt.151 Die durch die Umwälzungen der 1960er Jahre wie die Bürgerrechts- und Frauenbewegungen ohnehin schon zerrissene Nation wurde durch den Krieg gespalten. Heftige kulturelle Auseinandersetzungen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft und eine Neuausrichtung der Außenpolitik waren die Folge. Die USA waren mit sich selbst nicht mehr im Reinen, ein Eindruck, der durch Ereignisse wie den Watergate-Skandal noch verstärkt wurde. Unbehagen über die amerikanische Rolle in Vietnam und zwiespältige Interpretationen der Bedeutung des Krieges für die USA prägen dementsprechend auch viele Filme über den Konflikt und seine Folgen.152 Dabei fällt zunächst die im Vergleich zu früheren Konflikten geringe Zahl von Filmen auf, die den Krieg direkt themati-
149 Joseph Sartelle, »Hollywood-Blockbuster: Träume und Katastrophen«, in: Geoffrey Nowell-Smith (Hg.), Geschichte des Internationalen Films, übers. von Hans-Michael Bock u.a., Stuttgart u.a. 1998, 469-80, hier: 476. 150 Zur amerikanischen Kriegführung in Vietnam siehe Greiner, Krieg ohne Fronten; Nick Turse, Kill Anything That Moves: The Real American War in Vietnam, New York 2014. 151 Siehe dazu John Hellmann, American Myth and the Legacy of Vietnam, New York 1986. 152 Die große Bedeutung des Vietnamkrieges zeigt sich nicht zuletzt in der umfangreichen Forschung auch zum Vietnamfilm, die allein in den USA eine kaum noch zu überblickende Fülle an Literatur hervorgebracht hat. Siehe z.B. Bruce Taylor, »The Vietnam War Movie«, in: D. Michael Shafer (Hg.), The Legacy: The Vietnam War in the American Imagination, Boston 1990; Rick Berg, »Losing Vietnam: Covering the War in an Age of Technology«, in: John Carlos Rowe/Rick Berg (Hg.), The Vietnam War and American Culture, New York 1991, 115-47; Stefan Reinecke, Hollywood goes Vietnam: Der Vietnamkrieg im US-amerikanischen Film (Aufblende: Schriften zum Film, Bd. 5), Marburg 1993; Jeremy M. Devine, Vietnam at 24 Frames a Second: A Critical and Thematic Analysis of over 400 Films About the Vietnam War, Jefferson/London 1995; Eben J. Muse, The Land of Nam: The Vietnam War in American Film, Lanham/London 1995; Nicole Weigel-Klinck, Die Verarbeitung des Vietnam-Traumas im US-amerikanischen Spielfilm seit 1968, Alfeld (Leine) 1996; Schwartz, Cold War Culture, s.v. »Vietnam War films«. Daneben sind diverse Sammelbände erschienen, etwa Linda Dittmar/Gene Michaud (Hg.), From Hanoi to Hollywood: The Vietnam War in American Film, New Brunswick u.a. 1990 und Michael Anderegg (Hg.), Inventing Vietnam: The War in Film and Television, Philadelphia 1991.
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sierten, während er noch im Gange war. Das dürfte mehr mit der Fernsehberichterstattung, die täglich Bilder vom Krieg in die amerikanischen Haushalte lieferte, zusammenhängen als mit der geringen Popularität dieses Krieges, denn die einzige Großproduktion dieser Jahre, die sich – in äußerst patriotischem Ton und völlig auf der Linie der Regierung – des Kampfgeschehens annahm, The Green Berets (1968), wurde durchaus ein kommerzieller Erfolg.153 Bis in die späten 1970er Jahre hinein fand der Krieg seinen deutlichsten filmischen Niederschlag in der Figur des labilen oder gar psychopathischen Veteranen. Als psychisch deformierte, zu Gewalttätigkeit neigende Außenseiter wie Travis Bickle in Martin Scorseses Taxi Driver (1976) versinnbildlichten diese Kriegsheimkehrer die Furcht vor dem, was die USA in Vietnam über sich selbst herausgefunden zu haben glaubten, ebenso wie das Leiden an der Erfahrung eines in mehrfacher Hinsicht wenig ruhmreich verlaufenen Krieges. Auch Coming Home und The Deer Hunter, die 1978 den Beginn einer intensiveren und offeneren filmischen Aufarbeitung markierten, rückten vor allem die Auswirkungen des Krieges auf die USA und das Schicksal der zurückkehrenden Soldaten in den Vordergrund.154 Aus den amerikanischen Veteranen wurden nun die eigentlichen Opfer des Krieges, womit zumindest teilweise eine Entwicklung ihren Anfang nahm, die in der ersten Hälfte der 1980er Jahre zu einer engen Verknüpfung des Bemühens, der problematischen Vietnamerfahrung Herr zu werden, mit dem Kalten Krieg führen sollte. Ich werde dies im Folgenden vor allem anhand der Rambo-Reihe zeigen. Der erste dieser Filme, First Blood, kam 1982 in die Kinos, basiert allerdings auf einem bereits 1972 erschienenen Roman von David Morrell.155 Die zehn Jahre zwischen diesen beiden Daten erklären zum Teil den zwiespältigen Charakter des Films, der ihn von seinen beiden Fortsetzungen unterscheidet und der bei der Bewertung sowohl des Vietnamkrieges als auch der Handlungen Rambos deutlich wird. John Rambo (Sylvester Stallone), hochdekorierter ehemaliger Elitesoldat, will seinen letzten noch lebenden Kameraden besuchen, muss aber von dessen Mutter erfahren, dass dieser an Krebs gestorben ist, eine Folge der von den Amerikanern eingesetzten chemischen Kampfstoffe. Als Rambo weiterzieht, wird er kurz darauf von dem Kleinstadtsheriff Teasle (Brian Dennehy) angehalten, der ihn wegen seiner langen Haare und der Militärjacke für einen Landstreicher hält: »You know, wearing that flag on that jacket, looking the way you do, you’re asking for trouble around here, friend.«156 Teasle macht Rambo klar, dass er ihn nicht in seiner friedlichen Stadt mit dem ironischen Namen Hope haben will. Als dieser dennoch versucht, den Ort zu betreten, verhaftet er ihn. Auf dem Polizeirevier wird der störrische Rambo von Teasles Untergebenen brutal misshandelt. Die dadurch hervorgerufenen Erinnerungen an seine Kriegsgefangenschaft lassen den Elitekämpfer durchdrehen: Rambo überwältigt seine Bewacher und flieht in die Wälder. Teasle ist geradezu besessen 153 Vgl. Weigel-Klinck, Verarbeitung des Vietnam-Traumas, 29. 154 Dass der Vietnamkrieg mit diesen beiden Filmen in Hollywood angekommen war, zeigte sich bei der Verleihung der Academy Awards 1979, bei der sie zusammen acht Oscars erhielten. 155 David Morrell, First Blood, Greenwich 1972. Falls nicht anders gekennzeichnet beziehe ich mich mit First Blood im Folgenden stets auf den Film. 156 Teasle hält Rambo ironischerweise offenbar für einen Hippie, was 1982 nicht mehr ganz zeitgemäß wirkte, sich aber durch die ältere Romanvorlage erklärt.
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davon, den Flüchtigen zu stellen, durch den er seine Autorität herausgefordert sieht, erst recht als bei der Verfolgung einer seiner Leute ums Leben kommt. Aber weder die Männer des Sheriffs noch die herbeigerufenen Nationalgardisten können Rambo das Wasser reichen, der einen Guerillakrieg gegen seine Verfolger beginnt und schließlich die Stadt angreift. Erst Rambos früherem Ausbilder und Kommandeur Colonel Trautman (Richard Crenna) gelingt es am Ende, ihn zur Aufgabe zu überreden. Während Rambo im Roman etliche Menschen tötet, stirbt der einzige Tote des Films durch seine eigene Schuld. Rambos Handlungen lassen nur noch Anklänge an die psychopathischen Figuren erkennen, die zum Zeitpunkt des Erscheinens des Romans das Bild der Veteranen bestimmten. Dagegen setzt der Film die seit den späten 1970ern vorherrschende victimization der Veteranen, indem er deutlicher Sympathien für den Amok laufenden Kriegshelden erzeugt und ihn in erster Linie als Opfer porträtiert.157 Der Flashback zur Folter in Vietnam zeigt ihn dementsprechend in Kreuzigungspose. In dem Gespräch mit Trautman am Ende des Films macht der bis dahin wortkarge Rambo seinem Ärger über die ungerechte Behandlung der Kriegsheimkehrer Luft. RAMBO: »Nothin’ is over! Nothin’! You just don’t turn it off! It wasn’t my war. You asked me, I didn’t ask you. And I did what I had to do to win, but somebody wouldn’t let us win. And I come back to the world, and I see all those maggots at the airport, protestin’ me, spittin’, callin’ me ›baby-killer‹ and all kind of vile crap. Who are they to protest me, huh? Who’re they? Unless they been me and been there and know what the hell they’re yellin’ about!« TRAUTMAN: »It was a bad time for everyone, Rambo. It’s all in the past now.« RAMBO: »For you! For me civilian life is nothin’! In the field we had a code of honor. You watch my back, I watch yours. Back here there’s nothin’. [...] Back there I could fly a gunship, I could drive a tank, I was in charge of million Dollar equipment. Back here I can’t even hold a job parkin’ cars!«
In dieser – akustisch teilweise nur schwer verständlichen – Rede wird nicht nur der Opferstatus der Veteranen betont, für die Rambo die Deutungshoheit über den Vietnamkrieg einfordert, in der Äußerung über einen ominösen »somebody«, der Rambo und seine Kameraden nicht gewinnen lassen wollte, klingt auch bereits die amerikanische Vietnam-Dolchstoßlegende an, der zufolge die US-Armee nicht geschlagen, sondern von Kräften aus dem eigenen Land – der Bürokratie, den Medien, der Friedensbewegung – daran gehindert wurde, zu siegen. Diese Behauptung ist einer von zahlreichen Mythen, die sich in den USA um den Vietnamkrieg herum gebildet haben,158 wobei die Ähnlichkeit zur Dolchstoßlegende der Weimarer Republik augenscheinlich ist. Diese Elemente verdeutlichen, dass First Blood nicht nur das victimizationThema fortschreibt, sondern auf der Schwelle zu einer neuen Phase der Auseinander157 Vgl. Jeffrey Walsh, »First Blood to Rambo: A Textual Analysis«, in: Alf Louvre/Jeffrey Walsh (Hg.), Tell Me Lies About Vietnam: Cultural Battles for the Meaning of the War, Milton Keynes 1988, 50-61, hier: 52f. 158 Siehe dazu H. Bruce Franklin, Vietnam and Other American Fantasies, Amherst 2000, 27f.
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setzung mit der Vietnamproblematik steht, die selbstkritische Ansätze zugunsten einfacher Schuldzuweisungen aufgibt. Der Film deutet diesen Schritt bereits an, er vollzieht ihn jedoch noch nicht konsequent und bleibt zwiespältig, wenn er den Veteranen Rambo den Vietnamkrieg in die amerikanische Kleinstadt tragen lässt. Rambo schlüpft dabei als Guerillakämpfer in die Rolle des Vietcong, was durch etliche Motive wie etwa das Tunnelversteck immer wieder betont wird. Teasle und der staatliche Machtapparat repräsentieren dagegen die USA, die auch diesmal trotz großen Personal- und Materialaufwands heillos unterlegen sind. »You want a war you can’t win?«, fragt Trautman den Sheriff und rät dazu, Rambo entkommen zu lassen. Aber Teasle gibt nicht auf, und so wird der Vietnamkrieg auf amerikanischem Boden noch einmal ausgetragen, mit demselben Ergebnis: Der Guerillakämpfer gewinnt. Damit wird auf der einen Seite der Krieg in Südostasien kritisiert, zugleich aber auch die Überlegenheit eines Kämpfers jener Ära gegenüber dem schwachen Amerika der Gegenwart mit seiner erbärmlich auftretenden Nationalgarde betont. In diesem Kontext kann die Kritik als weniger auf den Krieg selbst abzielend aufgefasst werden als vielmehr auf die Art, wie er geführt wurde. Gleichzeitig erscheint Rambo zwar als Opfer, aber in erster Linie eben als Opfer der amerikanischen Gesellschaft. Vom Militär als Kampfmaschine geschaffen – »God didn’t make him, I made him«, erklärt Trautman –, wurde er nicht darauf vorbereitet, sich in das zivile Leben in der Heimat einzugliedern. Dort will man mit diesem Produkt des eigenen Militarismus nichts zu tun haben, und noch das Beste, was der Veteran erwarten kann, ist Gleichgültigkeit. »What the hell has he been into?«, fragt ein junger Hilfssheriff beim Anblick von Rambos zahlreichen Narben. »Who gives a shit?«, entgegnet sein Kollege. Die Werte, für die Rambo angeblich in Vietnam gekämpft hat, zählen in den USA selbst nichts: Seine Freiheit wird von Teasle und dessen Männern negiert. Die Bilder der Folter in vietnamesischer Gefangenschaft sind einerseits klar rassistisch konnotiert, andererseits ist es jedoch wichtig, dass ihm diese traumatischen Erinnerungen durch die Misshandlungen in einem amerikanischen Gefängnis wieder ins Bewusstsein gerufen werden. Der Unterschied zwischen den beiden Situationen schmilzt in der Montage (wie in Rambos Kopf) weitgehend zusammen. Auch in den Vereinigten Staaten begegnet Rambo die Grausamkeit des Krieges. Amerika selbst wird für ihn zum Feind. »We can’t have you running around, wasting friendly civilians«, versucht Trautman ihn zur Aufgabe zu überreden. »There are no friendly civilians«, antwortet Rambo. Nach dem zuvor zitierten Ausbruch in der Schlussszene bricht Rambo weinend in Trautmans Armen zusammen, als er von den grauenvollen Kriegserlebnissen spricht, die ihn noch nach Jahren quälen. »I can’t get it out of my head«, schluchzt er. Dieser Satz drückt aus, was auch der ganze Film besagt, dass das Vietnam-Trauma noch sehr präsent ist – für Rambo und für die USA. Die Supermacht drohte von der aus Südostasien mitgebrachten ›Krankheit‹ ebenso aufgefressen zu werden wie Rambos einst hünenhafter Kamerad vom Krebs. First Blood verhielt sich – von der Einforderung von Respekt für die Veteranen abgesehen – zu diesem Problem noch unentschlossen, deutete aber bereits eine Lösung an. Diese Lösung präsentierte drei Jahre später die Fortsetzung Rambo: First Blood Part II (1985),159 der Film einer neuen Zeit. Hatte der erste Teil seine Wurzeln noch 159 Im Folgenden beziehe ich mich auf diesen Film kurz als Rambo.
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in den 1970er Jahren, so war Teil 2 gänzlich ein Produkt der Reagan-Ära und stand im Zeichen des Kampfes gegen eben jenes Gefühl der Schwäche und Unsicherheit, das aus Sicht der Konservativen für verhängnisvolle Entwicklungen wie die Entspannungspolitik mit all ihren oft beschworenen negativen Folgen verantwortlich war und für das sie den Begriff ›Vietnam-Syndrom‹ geprägt hatten. Um die Fehler der 1970er korrigieren zu können, mussten nicht nur die physische, militärische Stärke, sondern auch das Selbstvertrauen der USA wiederhergestellt werden. Reagan, dessen Präsidentschaft mit einem hoffnungsvollen Zeichen, der Freilassung der amerikanischen Geiseln in Teheran am Tag seiner Amtseinsetzung, begann, bemühte sich vor allem in seiner Rhetorik darum. Bereits im Mai 1981 erklärte er das Vietnam-Syndrom in einer Rede vor Absolventen der Militärakademie Westpoint für überwunden: »The era of self-doubt is over. […] Let friend and foe alike be made aware of the spirit that is sweeping across our land, because it means we will meet our responsibility to the free world.«160 Die neue alte Stärke der USA war auch im Wahljahr 1984 eines seiner zentralen Themen. »America is back, standing tall«, rief er der Nation zu.161 Auch nach seiner Wiederwahl betonte er: »Now there is a rebirth of patriotism.«162 Wenn auch Reagans Feststellung, »that the people of America have recovered from what can only be called a temporary aberration«, im Hinblick auf das Vietnam-Trauma zweifellos verfrüht war, so hatte er doch offenbar recht mit dem »hunger on the part of the people to once again be proud of America«.163 Tatsächlich veränderte sich die Gefühlslage der amerikanischen Nation während seiner Präsidentschaft merklich. Die begrenzten, aber erfolgreichen militärischen Operationen in Verbindung mit dem Aufrüstungsprogramm und der harten Haltung gegenüber der Sowjetunion vermittelten der Bevölkerung ein neues, wenn vielleicht auch trügerisches, Gefühl von Stärke. Weiter angefeuert durch die Olympischen Spiele in Los Angeles 1984 breitete sich Mitte der 1980er Jahre wieder eine optimistischere und patriotischere Stimmung aus.164 Diese ging einher mit einer Rehabilitierung der Vietnamveteranen. Hatte Time sie noch 1981 als »The Forgotten Warriors« bezeichnet,165 was zu diesem Zeitpunkt bereits anachronistisch war, so markierte die Einweihung der Vietnam Veterans Memorial Statue in Washington 1984 eindrucksvoll die öffentliche Anerkennung ihrer
160 Ronald Reagan, »Address at Commencement Exercises at the United States Military Academy, May 27th, 1981«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=43865 (27.07. 2007). 161 Ronald Reagan, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 25th, 1984«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=40205 (12.05. 2007). 162 »An Interview with the President« in: Time 19.11.1984. 163 Ronald Reagan, »Address at Commencement Exercises at the United States Military Academy, May 27th, 1981«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=43865 (27.07. 2007). 164 Am 24.09.1984 widmete Time »America’s Buoyant Mood« eine Titelstory. Zum Zusammenhang zwischen Patriotismus und Olympia siehe »Feeling Proud Again«, in: Time 07.01.1985. 165 Titelstory in Time 13.07.1981.
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Leistungen und Opfer.166 In zahlreichen Fernsehserien wie Magnum P.I., The A-Team, Airwolf, Simon & Simon oder Miami Vice wurden aus den gefährlichen Kriminellen und Psychowracks von einst nun gefeierte Helden.167 Dies ging so weit, dass den Veteranen nicht nur ein überlegener Erfahrungsschatz, sondern auch ein besseres Wertesystem und daraus folgend eine geradezu messianische Rolle für die amerikanische Gesellschaft zugesprochen wurden.168 Auch Rambo verließ dementsprechend im zweiten Teil der Reihe die Opferrolle, um zu einer Erlöserfigur zu werden. Sylvester Stallone, der sich 1985 auf dem Höhepunkt seiner Karriere befand169 und auch am Drehbuch zu Rambo beteiligt war, machte keinen Hehl daraus, dass er mit diesem Film – ähnlich wie mit der RockyReihe – auch pädagogische Absichten verfolgte: »I hoped to establish a character that can represent a certain section of the American consciousness and through the entertainment also be educational«, erklärte er in einem Werbevideo.170 Es ist nur ein scheinbarer Widerspruch, wenn Rambo dabei zu jenem comicartigen Charakter mutierte, der als Synonym für rücksichtslose Kraftprotze in die Alltagssprache eingehen sollte. Als omnipotenter Kämpfer mit mächtigen Muskelpaketen und annähernder Unverwundbarkeit versinnbildlichte er nicht nur ein starkes Amerika, er bewies damit auch, wie sehr das Vietnam-Trauma als Krise der Männlichkeit empfunden wurde. Im Verbund mit den Erfolgen des Feminismus stellte sich der verlorene Krieg als ernsthafte Bedrohung patriarchalischer Strukturen und männlicher Identität dar. Die Wiedergeburt des Mannes als hard body in Figuren wie Rambo und die gleichzeitige Assoziation alles Femininen mit den Ursachen für die Niederlage – ein Motiv, das sich schon in First Blood durch den Kontrast zwischen Rambos Körper und denen seiner Gegner findet – stellt eine zentrale Antwort auf dieses Problem dar. Susan Jeffords hat daher sogar argumentiert, dass dieser Gender-Konflikt das eigentliche Thema des Vietnamdiskurses sei.171 Auf der politischen Bühne ›verkörperte‹ (im wahrsten Sinne des Wortes) Ronald Reagan selbst mit seiner nicht zuletzt auf Filmrollen basierenden Aura des Cowboys und seiner ständigen Betonung von Stärke die166 Das Vietnam Veterans Memorial, die wall mit den Namen der Gefallenen und Vermissten, war bereits zwei Jahre zuvor eingeweiht worden. Zur Rehabilitierung der Veteranen siehe ausführlich Harry W. Haines, »› They Were Called and They Went‹: The Political Rehabilitation of the Vietnam Veteran«, in: Dittmar/Michaud (Hg.), From Hanoi to Hollywood, 81-97. 167 Siehe dazu ausführliche Lisa M. Heilbronn, »Coming Home a Hero: The Changing Image of the Vietnam Vet on Prime Time Television«, in: JPFT 13:1 (1985), 25-30. Vgl. auch Berg, »Losing Vietnam«, 120-3. 168 Vgl. Susan Jeffords, The Remasculinization of America: Gender and the Vietnam War (Theories of Contemporary Culture, Bd. 10), Bloomington/Indianapolis 1989, 137 u. 140. 169 Mit Rambo und Rocky IV feierte er in diesem Jahr zwei große Erfolge und führte die Liste der beliebtesten Schauspieler an; vgl. Gregory, Cold War America, 458. 170 Enthalten beim Bonusmaterial der DVD-Ausgabe der Trilogie von Momentum Pictures aus dem Jahr 2000. 171 Jeffords, Remasculinization, 167: »Vietnam representation is only topically ›about‹ the war in Vietnam or America’s military strength or political policymaking. Its true subject is the masculine response to changes in gender relations in recent decades, its real battle is that of the masculine to dominate and overpower its enemy.«
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sen hard body idealtypisch in seiner Abgrenzung zu den weichen, femininen Jahren Carters und der Entspannungspolitik.172 Man erinnere sich in diesem Zusammenhang auch an die Erfahrungen des ›Mannes aus Stahl‹ in Superman II. Die bei der Analyse von Rocky IV bereits angesprochene Dichotomie positiver und negativer Frauenfiguren in zahlreichen Filmen dieser Zeit stellt lediglich eine andere Seite desselben Phänomens dar. Wie James William Gibson in seiner hervorragenden Studie der »new war culture« nach Vietnam unter Rückgriff auf die Arbeit Klaus Theweleits gezeigt hat, weisen diese Gender-Konstruktionen mehr als deutliche Parallelen zu denen der Freikorps-Literatur in der Weimarer Republik auf – eine weitere Ähnlichkeit zur Kultur Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg neben der oben erwähnten Dolchstoßlegende.173 Diese spielt in Rambo ebenfalls eine wichtige Rolle und wird hier mit einem weiteren Mythos verknüpft, der bis heute in den USA sehr wirkmächtig ist und die MIAs (die Vermissten)174 und die POWs (die Kriegsgefangenen) des Vietnamkrieges zum Gegenstand hat: Angeblich wurde in Südostasien nach dem Friedensschluss 1975 zumindest ein Teil der über 2.000 als vermisst geführten amerikanischen Soldaten weiterhin als Kriegsgefangene festgehalten. Die eigentlich getrennten Kategorien MIA und POW verschmelzen zu Synonymen: Jeder MIA ist zumindest ein potentieller POW. Diese jeglicher vernünftigen Grundlage entbehrende Legende geht auf die Nixon-Administration zurück, entglitt nach dem Ende des Krieges jedoch zunehmend der Kontrolle der Regierung und wandte sich letztendlich gegen sie, denn da keine der folgenden Administrationen die Existenz von Kriegsgefangenen als sicher darstellen konnte, da sie sonst gezwungen gewesen wäre, etwas dagegen zu unternehmen, schien es den Anhängern des MIA/POW-Mythos, als versuche Washington die Sache zu vertuschen – etwa weil, wie in Rambo behauptet, die Vietnamesen Reparationszahlungen für die Freilassung der Gefangenen gefordert hätten.175 In den 1980er Jahren benutzten mehrere Filme die angebliche Existenz von Kriegsgefangenen in Südostasien als Aufhänger für Geschichten, in denen es um die Rückkehr nach Vietnam und die Rettung dieser Amerikaner ging. Die erste namhafte Produktion dieses Zyklus war Uncommon Valor (1983), der vom selben Regisseur wie First Blood inszeniert wurde. Daneben sind vor allem noch die ersten beiden Teile der Missing-in-Action-Reihe mit Chuck Norris zu nennen: Missing in Action (1984) und Missing in Action 2: The Beginning (1985). Dank der angeblichen Kriegsgefangenen ist es diesen Filmen möglich, den Vietnamkrieg nicht nur als ein Kapitel zu behandeln, das noch verarbeitet werden muss, sondern das tatsächlich noch nicht abgeschlossen ist. »The war’s not over until the last man comes home«,
172 Siehe hierzu Jeffords, Hard Bodies, hier v.a. 11. Zur Konstruktion des hard body in den Rambo-Filmen ebenda, 28-52. 173 James William Gibson, Warrior Dreams: Paramilitary Culture in Post-Vietnam America, New York 1994, hier v.a. 31f und 51-64. Klaus Theweleit, Männerphantasien, 2 Bde., Frankfurt a.M. 1977/78. 174 Bei diesen Vermissten handelt es sich um Soldaten, deren Tod nicht einwandfrei festgestellt werden konnte, weil es, beispielsweise bei über dem Meer abgestürzten Piloten, nicht möglich war, die Leichen zu bergen. 175 Für eine ausführlichere Darstellung zu diesem Thema siehe Franklin, Vietnam, 173-201.
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lautete ein Werbeslogan für Missing in Action.176 Hier wird ein Nutzen des MIA/ POW-Mythos überdeutlich: Wenn der Krieg noch nicht zu Ende ist, dann ist er auch noch nicht verloren, und wenn die letzte Schlacht ein amerikanischer Erfolg ist – die Befreiung von Kriegsgefangenen –, ist es quasi noch möglich, ihn zu gewinnen. Alle diese Filme verwandeln auf sehr ähnliche Weise die Niederlage letztendlich in einen Sieg, keiner spektakulärer als Rambo, die populärste dieser Rettungsfantasien.177 Bereits der Anfang macht deutlich, dass das Ziel des Films eine Revanche ist. Trautman sucht Rambo in dem Straflager auf, in dem er seit First Blood einsitzt, um ihn für eine Geheimoperation zur Rettung von POWs zu rekrutieren. »Do we get to win this time?«, fragt Rambo. »This time it’s up to you«, antwortet der Colonel. Der Motto-Charakter dieser Zeilen wird noch zusätzlich betont, da direkt auf sie der Vorspann folgt. Zunächst scheint sich die Geschichte jedoch zu wiederholen: Rambo muss feststellen, dass die Leitung der Operation in den Händen zwielichtiger Bürokraten liegt, die auch diesmal auf ihre überlegene Technologie vertrauen. Zudem werden ihm quasi die Hände gebunden, denn sein Auftrag lautet, nur Fotos zu machen und so einen Beweis für die Existenz von Kriegsgefangenen zu liefern, aber nichts zu deren Rettung zu unternehmen. Als Rambo diesen Befehl missachtet und einen der Gefangenen befreit, lässt Murdock, der verantwortliche Regierungsvertreter, ihn im Stich. Der Hubschrauber, der ihn aufnehmen sollte, dreht vor Rambos Augen ab, und er gerät ebenfalls in Gefangenschaft. Es stellt sich heraus, dass das Unternehmen nur der Beruhigung der Öffentlichkeit dienen sollte. Ein Erfolg war nie geplant. »It was a lie, wasn’t it? Just like the whole damn’ war!«, herrscht der aufgebrachte Trautman Murdock an. Der Verrat durch die eigenen Leute, der Dolchstoß, scheint auch diesmal alles zu beenden. Doch wie der Dialog zu Beginn bereits angekündigt hatte, kommt es dank Rambo – mit Trautmans Worten »a pure fighting machine with only a desire to win a war that someone else lost« – diesmal anders. Ihm gelingt zunächst die Flucht aus der Gefangenschaft und dann die Rettung der POWs im Lager, wobei er die vietnamesischen und sowjetischen Feinde reihenweise tötet. Zurück auf der amerikanischen Basis stellt er Murdock zur Rede: »You know there are more men out there. You know where they are. Find them! Or I’ll find you.« Nachdem er Trautman erklärt hat, dass er nur will, was jeder andere Veteran auch möchte, »for our country to love us as much as we love it«, geht er allein davon. Die USA haben nachträglich doch noch gesiegt. Dabei versucht Trautman anfangs noch, Rambo zu überzeugen, den Krieg hinter sich zu lassen. »The old Vietnam’s dead«, behauptet er, doch Rambo weiß es besser: 176 Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0087727/taglines (05.09.2007). 177 Eine erste Analyse dieser Filme lieferte Susan Jeffords frühzeitig mit »The New Vietnam Films: Is the Movie Over?«, in: JPFT 13:4 (1986), 186-94. Als ihr reales Vorbild kann das – allerdings grandios gescheiterte – privat finanzierte Rettungsunternehmen unter Leitung des ehemaligen Special Forces-Colonels James ›Bo‹ Gritz 1981 angesehen werden; siehe dazu »Daring Mission, Dashed Hopes«, in: Time 01.06.1981. Ein Werbevideo zu Rambo (ebenfalls enthalten beim Bonusmaterial der DVD) betonte Stallones Identifikation mit der Thematik und verwies darauf, dass der 1979 als letzter Gefangener entlassene Robert Garwood Anfang 1985 behauptet hatte, in Vietnam bis zu 70 noch lebende Amerikaner gesehen zu haben.
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»Sir, I’m alive, it’s still alive, isn’t it?« Diese simple Logik erinnert nicht zufällig an den oben zitierten Werbeslogan für Missing in Action, und Rambos Haltung wird wenig später von Co Bao (Julia Nickson), die sein vietnamesischer Kontakt im Einsatzgebiet ist, als richtig bestätigt: »Still war here«, beschreibt sie die trostlosen Zustände in ihrer von den Kommunisten geknechteten Heimat. Der Rettungseinsatz ist Neuauflage und Fortschreibung des Krieges zugleich. Rambo leistet somit nicht weniger als eine Korrektur der Geschichte, indem er zwar einerseits Parallelen zum Vietnamkrieg inszeniert, aber andererseits seinem Helden erlaubt, aus diesen Mustern auszubrechen und die ursprünglichen Rollen zu vertauschen. Die moderne Ausrüstung, mit der Murdock ihn ausgestattet hat, verursacht schon beim Absprung mit dem Fallschirm beinahe Rambos Tod, weshalb er sich ihrer weitgehend entledigt. Mit nur wenigen Waffen ausgestattet, deren wichtigste Pfeil und Bogen sowie sein Messer sind, entwirft er ein Gegenbild zu der technisierten und erfolglosen Kampfweise der USA. Trautman, obwohl Rambos Ziehvater, repräsentiert das in Vietnam gescheiterte Militär, nicht nur, weil er auch diesmal den Manipulationen der Bürokraten hilflos ausgeliefert bleibt, sondern auch durch sein Vertrauen auf die technologische Überlegenheit, wenn er vor der Mission rät: »Don’t use the blood-and-guts routine! Let technology do most of the work!« Rambo schlüpft dagegen wie schon in First Blood in die Rolle des Guerillakämpfers. Bereits seine indianisch-deutsche Abstammung – »a helluva combination«, wie Murdock bemerkt – charakterisiert ihn als einen ganz besonderen Krieger, eine Mischung aus zwei sehr unterschiedlichen ehemaligen Feinden der Vereinigten Staaten, quasi eine ideale Verschmelzung von ›Wildheit‹ und ›Zivilisation‹. Dies spiegelt sich auch in seiner auffälligsten Waffe wider, einem Spezialbogen, dessen Pfeile teilweise mit explodierenden Spitzen ausgestattet sind. So versteht Rambo durchaus mit modernem Hightech-Gerät umzugehen und bedient sich zur Rettung der Gefangenen eines Helikopters, seine Fähigkeiten als Waldläufer sind jedoch entscheidend für seinen Erfolg. Rambo steht damit in der Tradition der Helden der frontier, ein Motiv, das uns schon in mehreren Filmen, insbesondere in Red Dawn, begegnet ist. Hier wird deutlich, wie stark die Filme dieser Zeit im Allgemeinen und Rambo im Speziellen an die amerikanische Mythologie anzuknüpfen suchen.178 Die Befreiung der Gefangenen greift das Muster der captivity narrative auf, die Richard Slotkin als »the first coherent myth-literature developed in America for American audiences« identifiziert hat.179 In ihrer ursprünglichen Form erzählten diese Geschichten vom passiven Martyrium weißer Frauen oder Geistlicher in der Gefangenschaft der Indianer. Sie verschmolzen allerdings bald mit einem zweiten, Anfang des 18. Jahrhunderts aufkommenden Erzählungstyp, der die Taten weißer Jäger und Indianerkämpfer wie Daniel Boone feierte. Dadurch entstand »a single unified Myth of the Frontier in which the triumph of civilization over savagery is symbolized by the hunter/warrior’s rescue of the White woman held captive by savages«,180 und »the Indian fighter and
178 Zum frontier-Mythos in Rambo siehe auch Harold Schechter/Jonna G. Semeiks, »Leatherstocking in ‘Nam: Rambo, Platoon, and the American Frontier Myth«, in: Journal of Popular Culture 24:4 (1991), 17-25. 179 Slotkin, Regeneration through Violence, 95. Dazu ausführlich ebenda, 94-145 u. 440-59. 180 Slotkin, Gunfighter Nation, 15.
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hunter emerged as the first of our [America’s] national heroes«.181 Der Indianerkämpfer zeichnet sich dabei durch seine Kenntnis der Wildnis und der Wilden aus, durch die Beherrschung jener Fähigkeiten, die die Indianer so gefährlich machen. Auf die Bedeutung der mythischen Verarbeitung der Indianerkriege für die amerikanische Sicht auf den Vietnamkrieg werde ich in einem späterem Kapitel noch ausführlicher eingehen. Hier ist es zunächst wichtig, festzuhalten, dass Rambo auf ein urmythisches amerikanisches Erzählschema zurückgreift, wenn sein Held POWs rettet, indem er zu einem besseren Guerillakämpfer wird, als es die Vietnamesen sind. Und dieses Schema bot sich nicht nur wegen der angeblichen Kriegsgefangenen in Südostasien an: Auch die Geiselkrise im Iran war, nicht zuletzt durch die opferzentrierte Berichterstattung der US-Medien, zu einer nationalen captivity narrative geraten. Zudem sahen sich die Amerikaner in den 1980er Jahren mehrfach mit der Entführung von Landsleuten durch Terroristen konfrontiert. Es war daher nur folgerichtig, wenn Reagan, der ja schon die Invasion in Grenada mit der Rettung amerikanischer Bürger gerechtfertigt hatte, anlässlich der Freilassung von 39 US-Geiseln im Libanon in einem berühmt gewordenen Ausspruch als Mikrofontest erklärte: »After seeing Rambo last night, I know what to do next time it happens.«182 Der Film bleibt den Bildern des frontier-Mythos bis zum Schluss treu: Auch die finale Konfrontation mit dem sowjetischen Oberst ist nichts anderes als ein mit Hubschraubern und Bazooka ausgetragenes Westernduell. Rambos Stilisierung zum Waldläufer erfüllt aber noch eine zweite Funktion, denn er schlüpft damit in die Rolle, die eigentlich der Vietcong innehatte. Dafür übernehmen nun die Vietnamesen und ihre sowjetischen Verbündeten den ursprünglichen Part der Amerikaner. In großer Zahl und mit modernem Militärgerät, darunter natürlich dem Hubschrauber, dem Symbol der amerikanischen Kriegführung, können sie Rambo, der mit der Natur geradezu verschmilzt, aus dem Hinterhalt zuschlägt und wieder verschwindet, nicht besiegen. Die Sowjets treten auch insofern an die Stelle der Amerikaner, als sie als imperialistische Macht dargestellt werden, die das Land quasi besetzt hält. Die Vietnamesen, auf die sie selbst mit rassistischer Verachtung herabblicken, sind nicht mehr als ihre Helfer. Dadurch soll sicher nicht, wie Nicole Weigel-Klinck meint, die Niederlage der Vereinigten Staaten im Vietnamkrieg entschuldigt werden, gemäß der Logik, dass man eigentlich gegen die UdSSR und damit gegen einen ebenbürtigen Gegner verloren habe.183 Der Film betont ja immer wieder, dass der Krieg wegen des Verrats der Heimat an der kämpfenden Truppe verloren gegangen sei. Aber indem die Sowjets als die eigentlichen Machthaber im kommunistischen Vietnam porträtiert werden, werden die USA entlastet, denn der Krieg erscheint damit im Nachhinein als gerechtfertigt. Gleichzeitig geben sie die moralisch fragwürdige Rolle der Supermacht, die die Kontrolle über ein Land der Dritten Welt ausübt, an die Sowjetunion ab. Demgegenüber können die Amerikaner nun mit Rambo zum Freiheitskämpfer werden, der aus einer unterlegenen Position heraus mutig gegen die Imperialisten zu 181 Slotkin, Regeneration through Violence, 18. 182 Zitiert nach »At Last, the Agony Is Over«, in: Time 08.07.1985. 183 Weigel-Klinck, Verarbeitung des Vietnam-Traumas, 75f. Ähnlich auch Gibson, Warrior Dreams, 71, der von den rassistischen Implikationen ausgeht, also einer Bestätigung der »white superiority«.
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Felde zieht. Co, die Rambo dabei unterstützt, verkörpert das ›gute‹ Vietnam, für das man einst gekämpft hat: Gespielt von einem Model aus Hawaii mit einem chinesischen Elternteil wird sie dem westlichen Schönheitsideal gerecht und träumt vom gelobten Land Amerika. Rambos Verwandlung zum vietnamesischen Freiheitskämpfer wird symbolisch vollendet, als er nach Cos Tod184 ihren Talisman an sich nimmt, den er fortan selber um den Hals trägt. Die Darstellung der vietnamesischen Piraten ebenso wie die der Soldaten ist dagegen zutiefst rassistisch.185 Letztere erscheinen als degenerierte und zudem inkompetente Folterknechte, die sich in ihrem Lager von Prostituierten besuchen lassen.186 Nicht zufällig sind ihre Uniformen eigentlich die der Japaner aus dem Zweiten Weltkrieg. Dementsprechend sind die sadistischen »Russian bastards« nichts anderes als moderne Nazis. Rambo sieht sich also mit einem an den Zweiten Weltkrieg erinnernden Bündnis von Feinden konfrontiert, die deshalb auch keinerlei Gnade verdient haben.187 Demgegenüber wird die victimization der amerikanischen Vietnamveteranen auf die Spitze getrieben. Nicht nur Rambo erscheint in den ausgedehnten Folterszenen nach seiner Gefangennahme wieder in Christuspose, schon davor befreit er einen POW von einer kreuzähnlichen Konstruktion. Bei dieser ausgemergelten, bärtigen Gestalt ist die Christusallegorie noch deutlicher. Durch die Stilisierung der Amerikaner, in diesem Fall vor allem der angeblich existierenden Kriegsgefangenen, zu den eigentlichen Opfern des Krieges werden zwei miteinander verknüpfte Funktionen erfüllt: Die amerikanische Schuld wird verdrängt oder ganz negiert, und die Gegner werden zugleich diskreditiert. Deren unmenschliches Verhalten noch Jahre nach dem Krieg lässt keinen Zweifel daran, dass sie damals zu Recht bekämpft wurden, neben ihren Untaten verblassen etwaige amerikanische Kriegsverbrechen, während die Amerikaner durch den Opferstatus automatisch die damit verbundene Position moralischer Überlegenheit zurückerlangen. »To be a victim means never having to say you’re sorry.«188 184 Dass Co direkt nach einer entscheidenden Annäherung an Rambo, die in einem Kuss gipfelt, getötet wird, ist aufgrund der oben angesprochenen Unvereinbarkeit des kriegerischen Heldentums dieser Filme mit ›femininen‹ Aspekten wie Romanzen unvermeidlich. Ihre Funktion besteht wie die vieler Frauenfiguren vor allem darin, den Bösen zum Opfer zu fallen, wodurch der Rachedurst des Helden weiter angestachelt wird. 185 Zur Darstellung der Vietnamesen im amerikanischen Vietnamfilm siehe ausführlich Kap. II.3.1. 186 Tatsächlich förderten vor allem die amerikanischen Truppen in Südvietnam während des Krieges die Ausbreitung der Prostitution, die vom Vietcong bekämpft wurde. Vgl. Walsh, »First Blood to Rambo«, 57 und Reinecke, Hollywood goes Vietnam, 88. 187 Im Mittleren Osten kursierte Rambo tatsächlich in einer Fassung, deren Untertitel die Handlung auf die Philippinen und ins Jahr 1943 verlegten. Vgl. »Revenge Fuels Cold War Movies of the 80’s«, in: NYT 08.12.1985. 188 Gaylynn Studlar/David Dessen, »Never Having to Say You’re Sorry: Rambo’s Rewriting of the Vietnam War«, in: Film Quarterly 42:1 (1998), 9-16, hier: 11. Bernd Hey, »Zeitgeschichte im Kino: Der Kriegsfilm vom Zweiten Weltkrieg bis Vietnam«, in: GWU 47:10 (1996), 579-89, verweist auf ähnliche Strategien der Schuldverdrängung im Nachkriegsdeutschland (ebenda, 585f).
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In Rambo ist der Vietnamveteran allerdings nicht nur ein Opfer äußerer Feinde, sondern auch der eigenen Gesellschaft, die ihm zuerst den Sieg verwehrt und dann seinen Einsatz nicht anerkannt hat. Gegenüber Co spricht Rambo von einem »war against all the soldiers returning«, den er in der Heimat vorgefunden habe: »The kind of war you don’t win.« Diese Behandlung der Veteranen erscheint allerdings als eine Folge der Niederlage, womit sich die Kritik auf den ›Dolchstoß‹ konzentriert. In Interpretationen des Films wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Murdock, von Trautman als »a stinking bureaucrat who is trying to cover his ass« charakterisiert, Rambos Hauptfeind sei.189 Das ist in gewisser Weise richtig, denn die Wiederholung des Verrats an der kämpfenden Truppe durch Murdock und die von ihm repräsentierte Bürokratie spielt in der Tat eine prominente Rolle in Rambo. Wenn Andrew Martin Rambos Frage zu Beginn falsch mit »Are they going to let us win this time?« zitiert, ist er offensichtlich durch die Bedeutung dieses Handlungsstrangs beeinflusst.190 Murdock wird nicht nur als feiger und hinterhältiger Charakter präsentiert, dessen Behauptung, er habe selber in Vietnam gekämpft, schnell als Lüge entlarvt wird und dem das Schicksal der Kriegsgefangenen gleichgültig ist, es wird sogar deutlich, dass das Denken dieses amerikanischen Bürokraten dem äußeren Feind, dem menschenverachtenden technokratischen System der UdSSR verwandt ist. Wenn er Trautman mit den Worten »I’m in charge here. You’re just a tool. We’re the machine.« abfertigt, wird damit ein Bild heraufbeschworen, das sonst zur Charakterisierung totalitärer Staaten dient. Es ist andererseits allerdings zu beachten, dass Murdock am Ende nicht von Rambo getötet, sondern ›nur‹ erniedrigt und symbolisch entmachtet wird. Rambo zerstört dazu zunächst die Computeranlage auf der amerikanischen Basis, das Symbol einer maschinenhaften Bürokratie und ihres Kontrollanspruchs. Anschließend bedroht er Murdock in einer Konfrontation, die weniger Tod als vielmehr Vergewaltigung evoziert, also einer Zurschaustellung nicht nur körperlicher, sondern sexueller Dominanz. Damit unterwirft der hard body in der oben erläuterten Gender-Logik jene femininen Teile des Systems, der Nation und seiner selbst, denen die Schuld für die Niederlage zugeschrieben wurde. Die Herrschaft des ›männlichen‹ Mannes ist wiederhergestellt. Es ist allerdings ein Trugschluss, wenn Rambo aufgrund der Rolle Murdocks von manchen konservativen Forschern und Kritikern zu einem liberalen Angriff auf die Reagan-Administration und den militärisch-industriellen Komplex erklärt wird.191 189 So z.B. bei Frank Sweeney, »› What Mean Expendable?‹ Myth, Ideology, and Meaning in First Blood and Rambo«, in: JAC 22:3 (1999), 63-9, hier: 67f; Michael Comber/ Margaret O’Brien, »Evading the War: The Politics of the Hollywood Vietnam Film«, in: History 73 (1988), 248-60, hier: 259; Karen Rasmussen u.a., »Trauma, Treatment, and Transformation: The Evolution of the Vietnam Warrior in Film«, in: Marilyn J. Matelski/ Nancy Lynch Street (Hg.), War and Film in America: Historical and Critical Essays, Jefferson/London 2003, 134-58, hier: 149; Quart/Auster, American Film and Society, 157 und LeSueur/Rehberger, »Rocky IV, Rambo II«, 26. 190 Andrew Martin, Receptions of War: Vietnam in American Culture (Oklahoma Project for Discourse and Theory, Bd. 10), Norman/London 1993, 126f. 191 Michael Medved zitiert Rambo in dem Kapitel »Bashing America« seines ultrakonservativen Buches Hollywood vs. America als ein Beispiel für Filme der 1980er mit »rebel-
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Zum einen wird das Militär in diesem Film keineswegs negativ dargestellt, es ist vielmehr das Opfer des bürokratischen Verrats. Das wird nicht nur an den ständigen Reibereien zwischen Trautman und Murdock deutlich, sondern vor allem in der entscheidenden Szene, in der Letzterer Rambo und den von ihm befreiten POW im Stich lässt: Murdock befiehlt fast allen anwesenden Soldaten, die sichtlich erfreut auf die Meldung reagieren, dass einer ihrer Kameraden gerettet worden ist, das Kontrollzentrum zu verlassen, und gibt dann den »mercenaries« im Helikopter die Order, Rambo zurückzulassen. Trautman, als der wichtigste Repräsentant des Militärs als Institution, erscheint höchstens insofern als problematisch, als er nicht in der Lage ist, diesen Verrat zu verhindern und sich gegen Murdock durchzusetzen.192 Dieser wiederum wird als Vertreter eines »committee« mit dem Kongress in Verbindung gebracht, nicht mit dem Präsidenten, der Rambo im Falle eines Erfolgs eine Begnadigung in Aussicht stellt. Reagan galt den Anhängern des MIA/POW-Mythos als über jeden Verdacht erhaben. Er sprach von der »savage captivity in Vietnam«193 und zeigte sich in seiner Rede bei der Einweihung der Vietnam Veterans Memorial Statue selbst öffentlich als Anhänger des Mythos: »Also among the service men and women honored here today is a unique group of Americans whose fate is still unknown to our nation and to their families. Nearly 2,500 of the names on this memorial are still missing in Southeast Asia, and some may still be serving. Their names are distinguished by a cross rather than the diamond; thus, this memorial is a symbol of both 194 past and current sacrifice.«
Nach Reagans Überzeugung hatten die Veteranen für »a noble cause« gekämpft.195 Und: »They came home without a victory not because they’d been defeated, but be-
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lious, nonconformist, individualistic heroes struggling against a military establishment that was portrayed in largely unflattering terms« (ebenda, 218). Medved stützt sich u.a. auf die Studie von Powers/Rothman/Rothman, für die Rambo belegt, dass »a film can appear to be patriotic and still represent the government in a negative light« (Hollywood’s America, 84). Dass Rambos müheloser Erfolg in Vietnam eine unbeabsichtigte Herabwürdigung der dort gescheiterten Veteranen beinhaltet, wie Douglas Brode, The Films of the Eighties, New York 1990, 140 bemerkt, ist ein anderes Thema. Ronald Reagan, »Remarks on Presenting the Medal of Honor to Master Sergeant Roy P. Benavidez, February 24th, 1981«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=43454 (05.09. 2007). Ronald Reagan, »Remarks at Dedication Ceremonies for the Vietnam Veterans Memorial Statue, November 11th, 1984«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=39414 (14.09. 2007). Ronald Reagan, »Remarks at Memorial Day Ceremonies Honoring an Unknown Serviceman of the Vietnam Conflict, May 28th, 1984«, http://www.presidency.ucsb.edu/ ws/?pid=39975 (27.07.2007).
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cause they’d been denied permission to win.«196 Er vertrat also in jedem Punkt dieselben Ansichten, die auch Rambo propagiert, einschließlich der Dolchstoßlegende. Zudem ist es völlig verfehlt, im Konflikt eines individualistischen Helden mit einem korrupten oder ineffektiven System eine prinzipiell antikonservative oder auch nur neue Botschaft entdecken zu wollen. Individualismus und individuelle Freiheit sind vielmehr grundlegende amerikanische und damit auch konservative Werte, die, wie bereits zu sehen war, gerade in patriotischen, antisowjetischen Filmen immer wieder beschworen werden. Nicht nur gehört der Kampf gegen die Metropole zu den elementaren Bestandteilen des frontier-Mythos,197 die Erzählung vom an sich guten System, das zwar von Einzelnen missbraucht, aber dann eben auch wieder von Einzelnen in Ordnung gebracht werden kann, ist wohl die amerikanische Geschichte über die Gesellschaft und das Verhältnis des Bürgers zum Staat schlechthin.198 Wenn die Ordnung aus den Fugen gerät, ist es die Pflicht des Amerikaners, sie wiederherzustellen, auch gegen den Widerstand von Autoritäten. Rambo ist so gesehen nichts anderes als eine weitere Version von Mr. Smith Goes to Washington (1939).199 Wenn Powers, Rothman und Rothman oder Medved beklagen, dass im Film der 1980er Jahre selbst heldenhafte Polizisten als gegen die Regeln verstoßende Einzelgänger dargestellt werden, dann übersehen sie offenbar die ungebrochene Traditionslinie, aus der diese Figuren hervorgehen.200 Ebenso entgeht ihnen die Verbindung zur Rhetorik und Politik Reagans, der, wie bereits erwähnt wurde, mit einem Programm antrat, das Eigenverantwortlichkeit als amerikanische Kardinaltugend feierte und »big government« als die Wurzel allen Übels betrachtete. Reagan selbst erfasste dies besser, als er dem Kongress ein Veto gegen jede Steuererhöhung androhte und sich dabei in einem seiner zahlreichen Filmzitate mit Dirty Harry identifizierte: »Go ahead, make my day.«201 Somit wird deutlich, dass Murdock in Rambo trotz seines Amtes letztlich eine überholte Haltung verkörpert, die sich im erneuerten Amerika Reagans und Rambos nicht mehr durchzusetzen vermag und den Sieg diesmal eben nicht verhindern kann.202 Davor hat der Film das Vietnam-Trauma rein auf die Erfahrung der Nieder196 Ronald Reagan, »Remarks on Presenting the Medal of Honor to Master Sergeant Roy P. Benavidez, February 24th, 1981«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=43454 (05.09. 2007). 197 Vgl. Slotkin, Gunfighter Nation, 11. 198 Siehe dazu auch Bidaud, Hollywood et le rêve américain, 123f. 199 Zu diesem Film als »klassische Variante« des amerikanischen Mythos siehe Andreas Dörner, »Medien und Mythen: Zum politischen Emotionsmanagement in der populären Medienkultur am Beispiel des amerikanischen Films«, in: Ansgar Klein/Frank Nullmeier (Hg.), Masse – Macht – Emotionen: Zu einer politischen Soziologie der Emotionen, Wiesbaden 1999, 308-29, hier: 317-20. 200 Vgl. Powers/Rothman/Rothman, Hollywood’s America, 101-19; Medved, Hollywood vs. America, 222. 201 Ronald Reagan, »Remarks at a White House Meeting With Members of the American Business Conference, March 13th, 1985«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 38318 (27.07.2007). Das Zitat stammt aus dem Dirty Harry-Film Sudden Impact (1983). 202 Gregory A. Waller, »Rambo: Getting to Win This Time«, in: Dittmar/Michaud (Hg.), From Hanoi to Hollywood, 113-28, hier: 124, weist zu Recht darauf hin, dass der schein-
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lage und deren Folgen (also auf das ›Vietnam-Syndrom‹) reduziert, was vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass Rambo nur noch davon gequält wird, nicht gewonnen zu haben und in der Heimat schlecht behandelt worden zu sein, während schreckliche Erinnerungen wie in First Blood trotz erneuter Folter keine Rolle mehr spielen. Das Problem, das Vietnam darstellt, kann deshalb nach diesem Triumph aus der Sicht des Films für gelöst gelten.203 Mit seiner kriegerisch-patriotischen Botschaft traf Rambo offenbar den Nerv der Zeit. Trotz miserabler Kritiken204 wurde der Film ein Kassenhit205 und löste eine regelrechte »Rambomania« in den USA aus.206 »People have been waiting for a chance to express their patriotism«, erklärte Stallone den Erfolg: »Rambo triggered longsuppressed emotions that had been out of vogue.«207 Trotz der enormen Zuschauerzahlen auch in vielen anderen Ländern, kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass die begeisterte Aufnahme eine hohe Relevanz des Films und seiner Ideen und Motive für die Vereinigten Staaten in dieser Zeit belegt. Robert Sklar hält Rambo sogar für den Film, der »most freighted with meaning for American culture in the decade« sei.208 Welche Wirkung Rambo haben konnte, zeigen Ereignisse wie dieses: Als Vietnamveteranen bei der Verleihung eines Preises an Stallone gegen den Film demonstrierten, wurden sie von Jugendlichen beschimpft, die Stallone als »a real veteran« feierten.209 Auch Reagan zeigte öffentlich seine Wertschätzung des Films und lud Stallone ins Weiße Haus ein.210 Nicht zuletzt mit der oben zitierten Ankündigung, sich bei
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bare Angriff auf das politische System schon durch die Fokussierung der Kritik auf Murdock und dessen Überwindung neutralisiert wird. Auch Bernd Greiner gelangt bei seiner Analyse des Umgangs der amerikanischen Öffentlichkeit mit der Kriegführung in Vietnam in Krieg ohne Fronten, 545, zu dem Schluss: »Unannehmbar war allein der entgangene Sieg. […] ›Get out or win‹: Darin liegt der Kern des sogenannten ›Vietnamsyndroms‹. Es handelte nicht von geläuterter Zurückhaltung, sondern von der Weigerung, eine Niederlage zu akzeptieren, nicht von Selbstbeschränkung, sondern von der Aversion gegen militärische, politische und juristische ›Selbstfesselungen‹.« Dasselbe stellt Geoff Simons in seiner allerdings durch einen penetranten Antiamerikanismus beeinträchtigten Arbeit Vietnam Syndrome: Impact on US Foreign Policy, Basingstoke 1998, xvii u. xx, fest. Für einige Beispiele siehe LeSueur/Rehberger, »Rocky IV, Rambo II«, 25. In den USA spielte er insgesamt mehr als 150 Millionen Dollar ein, weltweit über 300 Millionen (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1985/0RMB2.php, 18.06.2007). In der Sowjetunion wurde der Film verständlicherweise weniger wohlwollend aufgenommen. Man beklagte sich über die Anstachelung antisowjetischer Emotionen und drehte mit Odinochnoye Plavanye (1985) über einen sowjetischen Major, der amerikanische Imperialisten bekämpft, eine Art Antwort auf Rambo. Siehe dazu »Red Rambo, Momo and Meow Meow«, in: Time 11.08.1986. »An Outbreak of Rambomania«, in: Time 24.06.1985. Zitiert nach ebenda. Sklar, Movie-Made America, 345. Zitiert nach Kevin Bowen, » › Strange Hells‹: Hollywood in Search of America’s Lost War«, in: Dittmar/Michaud (Hg.), From Hanoi to Hollywood, 226-35, hier: 229. Vgl. Palmer, Films of the Eighties, 206.
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künftigen Geiselnahmen den Filmhelden zum Vorbild nehmen zu wollen, förderte er, sicher auch bewusst, die Identifikation seiner Politik mit der im Film propagierten. Im Bild der Öffentlichkeit verschmolzen Ronnie und Rambo zu ›Ronbo‹. Ein weit verbreitetes Poster zeigte Stallones muskulösen Körper mit dem Kopf des Präsidenten.211 Die filmische Rehabilitierung des Militärs, die bereits mit dem Einsetzen der konservativen Wende in den späten 1970er Jahren begonnen hatte,212 gelangte im selbstbewussten, schlagkräftigen und zu Aktionen bereiten Amerika ›Ronbos‹ zu voller Blüte. In Filmen wie An Officer and a Gentleman (1982), The Lords of Discipline (1983), Top Gun (1986) oder Heartbreak Ridge (1986) wurde die Armee wieder als Schule der Nation und Verteidiger der amerikanischen Freiheit porträtiert. Vor allem Top Gun, ein »Reaganite wet dream«,213 in dem die amerikanischen Piloten nicht nur im Luftkampf, sondern auch beim weiblichen Geschlecht stets erfolgreich sind und der allein in den USA fast 177 Millionen Dollar einspielte,214 erwies sich als äußerst populäre Fantasie zum neuen Militarismus. Der Film ist zugleich das Paradebeispiel für die enge Kooperation zwischen Hollywood und dem Pentagon, die an der vorteilhaften Darstellung des Militärs oft entscheidenden Anteil hatte.215 Zu der neuerwachten Wertschätzung des Militärs und der Begeisterung für Rambo und seine Sicht auf den Vietnamkrieg passte auch die große öffentliche Anteilnahme am Schicksal Oliver Norths, der als Hauptverantwortlicher der Iran-ContraAffäre bestraft wurde. Ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung teilte die Meinung des Präsidenten, dass der im Vietnamkrieg mehrfach ausgezeichnete Colonel trotz der Illegalität der Aktion eigentlich ein Nationalheld sei, der nur seinem Land 211 Vgl. Sklar, Movie-Made America, 345. Das Poster ist abgedruckt in Lloyd deMause, »Ronbo Reagan in Kriegstrance«, in: Psychologie Heute 13:11 (1986), 46-53, hier: 46 u. 48. 212 Siehe dazu Claude J. Smith, Jr., »Clean Boys in Bright Uniforms: The Rehabilitation of the U.S. Military in Films Since 1978«, in: JPFT 11:4 (1984), 144-51. 213 Douglas Kellner, Media Culture: Cultural Studies, Identity and Politics between the Modern and the Postmodern, London u.a. 1995, 75. 214 Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1986/0TGUN.php (18.06.2007). 215 Powers/Rothman/Rothman, Hollywood’s America, 81-100, bestreiten die Rehabilitierung des Militärs im Film und behaupten (ebenda, 84): »From 1976 to 1990, we find the most critical depictions of the military.« Verantwortlich dafür sind ihrer Meinung nach Hollywoods liberale Filmemacher (ebenda, 97). Nicht überraschend schließt sich Michael Medved dieser Meinung an (Hollywood vs. America, 217-20). Die Tatsache, dass Medved sogar Top Gun als Beispiel für die negative Darstellung des Militärs anführt, wirft aber die Frage auf, ob es überhaupt möglich wäre, einen Film zu produzieren, der ihn in dieser Hinsicht zufriedenstellen würde. Die Navy jedenfalls »liked the film so much that navy recruiters set up recruiting booths inside some theaters that were showing the film. According to the navy, recruitment of young men wanting to become naval aviators went up 500 percent after the film was released« (Robb, Operation Hollywood, 182). Top Gun kam dank der Unterstützung mit einem Produktionsbudget von nur 15 Millionen Dollar aus (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1986/0TGUN.php, 18.06.2007). Ohne sie wäre der Film laut Produzent Jerry Bruckheimer nicht realisierbar gewesen; vgl. Robb, Operation Hollywood, 95.
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gedient habe. North erschien in seiner selbstgerechten Art, gepaart mit der Aura des Kriegshelden, geradezu als eine lebendig gewordene Figur des amerikanischen Mythos, bereit, auch im Alleingang des Richtige zu tun. Bezeichnenderweise sprach er in seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss mehr über Vietnam als über Nicaragua.216 Ein gegenläufiger Trend schien sich zur gleichen Zeit allerdings in einer neuen Welle von Vietnamfilmen niederzuschlagen. Diese Produktionen der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wie Platoon (1986) und Full Metal Jacket (1987) werden häufig als eine Reaktion auf die unkritischen und comichaften MIA/POW-Filme gesehen.217 In mancher Hinsicht, allein schon stilistisch, stehen sie diesen tatsächlich diametral gegenüber. Andererseits gibt es durchaus auffällige Parallelen. Davon wird in einem späteren Kapitel noch ausführlicher die Rede sein. Hier soll dagegen der nicht zu dieser neuen Phase gerechnete dritte Teil der Rambo-Reihe, Rambo III (1988), in den Blick genommen werden, der interessanterweise ebenfalls wieder eine kritischere Perspektive auf den Vietnamkrieg beinhaltet. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat dieser Film in der Forschung nur wenig Beachtung gefunden. Gerade in Untersuchungen über die Verarbeitung des Vietnamkrieges im Film wird er wegen des einfachen Umstandes, dass er in Afghanistan spielt, in der Regel komplett ausgeklammert.218 Das ist jedoch ein Fehler, denn tatsächlich stellt Rambo III im Hinblick auf das Vietnam-Trauma eine ebenso konsequente wie aufschlussreiche Weiterentwicklung dar. Statt Kriegsgefangene aus Vietnam muss Rambo diesmal seinen väterlichen Freund Colonel Trautman befreien, der bei dem Versuch, Stinger-Raketen an afghanische Widerstandskämpfer zu liefern, in sowjetische Gefangenschaft geraten ist. Einige Folterszenen – diesmal mit Trautman als Opfer – und viele Schießereien mit Scharen getöteter Sowjets später hat Rambo auch diese Mission erfüllt und mit den Mudschaheddin eine größere Schlacht gegen die Rote Armee gewonnen. Wichtig sind bei diesem Film vor allem zwei Punkte: Der erste betrifft Rambos erneutes Auftreten als Widerstandskämpfer, diesmal an der Seite der afghanischen »freedom fighters«, die ohne jede Einschränkung glorifiziert werden. So ist der Film denn auch »dedicated to the gallant people of Afghanistan«. Bezeichnend ist die Szene in der Ratsversammlung, als der Anführer des Dorfes, in dem Rambo untergekommen ist, ihm die Lage schildert und dabei erklärt: »What you see here are the Mujahedin soldiers. Holy warriors. To us this war is a holy war. And there is no true death for the Mujahedin because we have taken our last rites and we’re conceiving ourselves dead already. To us death for our land and god is an honor.«
216 Siehe dazu Haynes Johnson, Sleepwalking through History: America in the Reagan Years, New York u.a. 1992, 361-5 und Reinecke, Hollywood goes Vietnam, 70-4. Vgl. auch die Umfrage in IIPO, 1987-1988, 201. 217 So z. B. bei Maltby/Craven, Hollywood Cinema, 385; Prince, New Pot of Gold, 332; Quart/Auster, American Film and Society, 160; Weigel-Klinck, Verarbeitung des Vietnam-Traumas, 28. 218 Eine der wenigen Ausnahmen ist die knappe Studie von Eben J. Muse, »From Lt. Calley to John Rambo: Repatriating the Vietnam War«, in: JAS 27:1 (1993), 88-92.
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Der hier geschilderte heilige Krieg ist nicht der bedrohliche Dschihad der Islamisten, er rückt die Afghanen vielmehr noch enger an die Seite der USA in dem apokalyptischen Kampf zwischen den gottesfürchtigen Mächten des Guten und den gottlosen Scharen der Kommunisten, den die Reagan-Administration so oft beschworen hatte. Die Mudschaheddin kämpfen für eben jene Werte, mit denen sich auch der aufrechte Amerikaner identifizieren kann, für Gott und Vaterland. Auch ein Vergleich zwischen dem afghanischen Volkssport und Football unterstreicht diese Nähe zwischen den Verbündeten. Daran, dass die USA in Gestalt von Rambo hier auf der richtigen Seite stehen, kann es keinen Zweifel geben. Nachdem schon der zweite Teil den Helden zu einem Freiheitskämpfer gegen die sowjetischen Besatzer in Vietnam gemacht hatte, steht Rambo nach dem Sieg dort nun für einen weiteren Feldzug auf der Seite der Unterdrückten zur Verfügung. Der Film schlägt auch symbolisch die Brücke zu den Ereignissen in Vietnam: Wenn Rambo den Talisman der Vietnamesin Co an einen afghanischen Jungen weitergibt, wird so eine Traditionslinie antikommunistischer Freiheitskämpfer mit dem Amerikaner als Bindeglied suggeriert. Die Sowjets werden demgegenüber in Rambo III noch deutlicher als zuvor mit den Nazis gleichgesetzt. Während sie im zweiten Teil noch von Einheimischen unterstützt wurden, findet die Regierung in Kabul in diesem Film keine Erwähnung. Die sowjetischen Truppen erscheinen als Invasoren, die einen Genozid am afghanischen Volk verüben, was ungeachtet der unbestreitbaren Grausamkeit der sowjetischen Kriegführung in Afghanistan eine haltlose Übertreibung ist. »Over two million civilians, mostly peasant farmers and their families, have been systematically slaughtered by invading Russian armies«, erklärt ein CIA-Mann Rambo. Die Bilder, die in Zusammenhang mit diesem angeblichen geplanten Völkermord evoziert werden, sollen eindeutig an den Zweiten Weltkrieg erinnern, wenn der afghanische Anführer berichtet: »Our children die of disease, mines and poison gas. And the women are raped and killed. [...] Pregnant women were cut with bayonets and their babies thrown into the fires. This is done so they will not have to fight the next generation of Afghans.«
Auch Trautman hält dem sowjetischen Kommandeur Zaysen, als er verhört wird, diese Verbrechen vor, die das wahre Gesicht der UdSSR zeigen: »You talk peace and disarmament to the world, and here you are, wiping out a race of people.« Der rücksichtslose Hubschrauberangriff auf das afghanische Dorf untermauert diese Anschuldigungen. Besonders interessant an diesem Gespräch – dies ist der zweite wichtige Punkt bei der Betrachtung des Films – ist die Tatsache, dass vor dem Hintergrund des Afghanistankrieges und der Verbrechen, die Rambo III der Sowjetunion vorwirft, der Vietnamkrieg wieder kritikfähig wird. TRAUTMAN: »You started this damn’ war, now you have to deal with it.« ZAYSEN: »And we will. It is just a matter of time before we achieve a complete victory.« TRAUTMAN: »There won’t be a victory. Every day your war machines lose ground to a bunch of poorly armed, poorly equipped freedom fighters. The fact is that you underestimated your competition. If you’d studied your history, you’d known that these people have never
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given up to anyone. They’d rather die than be slaves to an invading army. You can’t defeat a people like that. We tried. We already had our Vietnam. Now you will have yours.«
An die Stelle der Dolchstoßlegende aus Rambo tritt nun bemerkenswerterweise die kritische (linksliberale) Interpretation des Vietnamkrieges, die sich gegen die Sowjets verwenden lässt. Das ist deshalb möglich, weil die Amerikaner in Afghanistan so eindeutig auf der richtigen Seite stehen, auf der der Widerstandskämpfer gegen die imperialistische Aggression, dass auch die eigene Schuld in Vietnam zumindest teilweise wieder anerkannt werden kann, zumal sie neben dem Völkermord der Sowjets gering erscheinen muss. Entscheidend ist, dass Trautmans Blick ein Blick zurück ist. War Vietnam in Rambo noch die Gegenwart, wie immer wieder betont wurde, ein nicht abgeschlossenes Kapitel, so gilt nach Rambos Sieg dort und der ›Selbstfindung‹ Amerikas unter Reagan nun endlich, was der Colonel schon in First Blood proklamiert hatte: »It’s all in the past now.« Die sowjetischen Verbrechen und das ›gute‹ Amerika sind die Gegenwart. Diese Strategie der Aufrechnung historischer und gegenwärtiger Schuld zur Entlastung der USA, speziell im Hinblick auf Vietnam, ist dieselbe, die schon in White Nights zu beobachten war. So wie dort Rassismus als ein zwar reales, aber mittlerweile bewältigtes Problem Amerikas porträtiert und der Unterdrückung der Bevölkerung in der UdSSR gegenübergestellt wurde, wird hier auf entsprechende Weise Vietnam mit Afghanistan verglichen. Schon 1985 hatte Stallone in einem Interview ähnlich argumentiert und das Recht der Amerikaner auf einen erneuerten Patriotismus aus den größeren Missständen im kommunistischen System abgeleitet: »There was a bad time a few years ago when some people stopped waving the flag and acted as if America was second rate, as if they were ashamed of it. It was a big mistake. America may have its flaws but it’s the freest country in the world. We don’t have to keep our people in with 219 walls and guns.«
Eine entsprechende Argumentation findet sich wieder einmal auch bei Reagan, der in seiner evil-empire-Rede, just bevor er auf die Sowjetunion zu sprechen kam, erklärte: »Our nation, too, has a legacy of evil with which it must deal. The glory of this land has been its capacity for transcending the moral evils of our past. For example, the long struggle of minority citizens for equal rights, once a source of disunity and civil war, is now a point of pride for all Americans. […] [W]hatever sad episodes exist in our past, any objective observer must hold a positive view of American history, a history that has been a story of hopes fulfilled and dreams made into reality. Especially in this century, America has kept alight the torch of free220 dom, not just for ourselves but for millions of others around the world.«
Problematische Aspekte der amerikanischen Kultur und Geschichte sind durch ihre Verortung in der Vergangenheit kein Grund für Scham mehr, sondern für noch grö219 »Stallone on Patriotism and ›Rambo‹«, in: Time 06.06.1985. 220 Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the National Association of Evangelicals in Orlando, Florida, March 8th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=41023 (27.07.2007).
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ßeren Stolz. Die Vereinigten Staaten sind nicht nur fähig, das Böse im eigenen Land zu überwinden, im Verhältnis zur gesamten US-Geschichte fallen diese Episoden auch kaum ins Gewicht, denn schließlich haben sich die Amerikaner immer wieder als Kämpfer für das Gute hervorgetan. So auch nun wieder in der Reagan-Ära, in der die USA eine weltweite Schlacht für die Freiheit an der Seite unterdrückter Menschen schlagen. Die Afghanen kennen Rambos Vergangenheit nicht und schätzen ihn zunächst als jemanden ein, der »no experience in war« hat. Sie beurteilen ihn anhand der Taten, die er nicht zuletzt für sie vollbringt, nicht nach seinem muskulösen Äußeren oder seiner Vietnamerfahrung. Damit erfährt er jene unvoreingenommene Anerkennung, die die Vereinigten Staaten in der Dritten Welt suchten. In den 1980er Jahren haben sich grundlegende Dinge gegenüber der Vietnam-Ära verändert, wie der Film schon deutlich macht, als Trautman Rambo zu überzeugen versucht, mit ihm nach Afghanistan zu kommen: TRAUTMAN: »This mission’s important, John.« RAMBO: »Do you really think we’re gonna make a difference?« TRAUTMAN: »If I didn’t, I wouldn’t be going.« RAMBO: »But it didn’t before.« TRAUTMAN: »That was another time.«
Die ›neue‹ Zeit ist nicht nur an der einwandfreien Rolle der USA erkennbar, die den in Vietnam nicht erreichten Erfolg garantiert, sondern auch daran, dass der CIAMann Griggs keine Negativ-Figur wie Murdock ist (wenn auch keine große Hilfe). Einen ›Dolchstoß‹ gibt es nicht mehr. Warum auch? Die USA haben ja ihre moralische Sicherheit und Stärke wiedergefunden. »To claim that the Rambo films have a political attitude is to dignify what is essentially a kind of reactionary paranoia«, urteilte die Washington Post angesichts von Rambo III.221 Das ist natürlich simplifizierend, spiegelt aber die allgemeine Reaktion auf diesen dritten Film der Reihe wider. 1988, im Zeichen von Glasnost und Perestroika sowie des Rückzuges der Roten Armee aus Afghanistan, waren Rambos militanter Antisowjetismus und die Ausbeutung eines sich dem Ende zuneigenden Konfliktes nicht mehr zeitgemäß. In den USA spielte die teure Produktion ihre Kosten nicht ein.222 Dennoch besitzt dieser Film durchaus repräsentativen Charakter, wenn man ihn, in Verbindung mit den beiden anderen Teilen, im Hinblick auf die Verarbeitung des Vietnam-Traumas im Zusammenhang mit dem Kalten Krieg betrachtet. Die Rambo-Trilogie zeigt besonders deutlich, dass der Weg zur Überwindung des Vietnam-Syndroms für die USA untrennbar mit der erneuerten Konfrontation der Supermächte verknüpft war, in die Präsident Reagan das Land in der ersten Hälfte der 1980er Jahre führte. Richard Melanson schrieb 1983, die Konservativen hätten richtig erkannt, »[that] the legacy of Vietnam required revision before a revitalized
221 »Rambo III«, in: WP 25.05.1988. 222 Bei einem geschätzten Budget von 65 Millionen Dollar spielte der Film in Amerika nicht einmal 54 Millionen ein. Weltweit brachte er es aber dennoch auf beachtliche 189 Millionen Dollar. Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0095956/business (18.06.2007).
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policy of anti-Communist containment could be adopted.«223 Auf der Grundlage der Filmanalyse möchte ich hier gegen diese konventionelle Sichtweise argumentieren. Die Überwindung des Vietnam-Syndroms ermöglichte nicht die Eskalation des Kalten Krieges, es war eher andersherum: Die erneute Verschärfung des Konflikts war, obwohl nicht nur deshalb betrieben, die Voraussetzung für die Bewältigung des amerikanischen Vietnam-Traumas.224 Indem Reagan die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus zu einem Kampf zwischen Gut und Böse erklärte, gab er den Amerikanern das zurück, was ihnen durch Vietnam verloren gegangen war: ein klares Weltbild, in dem die Vereinigten Staaten unzweifelhaft auf der richtigen Seite standen. Vietnam hatte die USA in der Rolle einer imperialistischen Supermacht gezeigt, die ihre moralische Integrität und folgerichtig ihre Unbesiegbarkeit verloren hatte. Reagans Rhetorik und die Filme der 1980er zeigen die Bemühungen, beides zurückzuerlangen. Dabei entstand eben jenes paradoxe Bild, das in Rocky IV zu beobachten war: die USA als schwächer und stärker zugleich. Die Amerikaner sehnten sich zurück in die Rolle des Underdogs, der nicht Schwächere herumschubst, sondern einen übermächtigen Gegner herausfordert und am Ende siegt, weil er moralisch überlegen ist, ein Umstand, der scheinbar zwangsläufig aus der Position des Schwächeren, des Opfers, folgt. Gegenüber einer Sowjetunion, die zur bedrohlichen Militärmacht und zur Verkörperung des Bösen schlechthin stilisiert wurde, konnte sich Reagans Amerika wieder als Underdog fühlen. Red Dawn, Rocky IV und die Rambo-Filme zeichnen alle dasselbe Bild: Amerikaner, die hoffnungslos unterlegen sind, aber den Kampf für die Freiheit gegen das böse Sowjetimperium aufnehmen und am Ende gewinnen. Die Triumphe im Kalten Krieg sind dabei oft direkt verknüpft mit dem Ende der Vietnam-Erfahrung als Problem für den Helden. In Firefox überwindet der Vietnamveteran Gant sein Trauma, das bezeichnenderweise durch die Erinnerung an seine Gefangenschaft (also Niederlage) und den Tod eines vietnamesischen Mädchens durch Napalm (also Schuld) ausgedrückt wird, im Kampf gegen die Sowjets. In Top Gun erfährt der junge Kampfpilot Maverick, dass sein 1965 abgeschossener Vater ein Held war, der nur deshalb nicht offiziell gewürdigt wurde, weil das Gefecht »over the wrong line on some map« stattfand. Bei dem finalen Luftkampf gegen einen Gegner, der zwar im Dialog nur als »the other side« bezeichnet, durch den Flugzeugtyp MiG und die roten Sterne auf den Helmen der Piloten aber deutlich genug identifiziert wird, bewältigt Maverick auch noch sein persönliches Trauma, den Tod seines Freundes Goose, für den er sich, obwohl schuldlos, verantwortlich fühlt – so wie sich die USA scheinbar grundlos wegen Vietnam schuldig fühlten. Und in Heartbreak Ridge, von Eastwood ursprünglich als Satire gedacht, wird schlussendlich nichts an-
223 Richard Melanson, Writing History and Making Policy: The Cold War, Vietnam, and Revisionism (American Values Projected Abroad, Bd. VI), Lanham u.a. 1983, 199. 224 Erkannt hat diesen Zusammenhang auch Philip J. Landon, »The Cold War«, in: Peter C. Rollins (Hg.), The Columbia Companion to American History on Film: How the Movies Have Portrayed the American Past, New York 2003, 69-80, hier: 70.
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deres behauptet, als dass die USA durch Grenada das Debakel in Vietnam quasi wieder wettgemacht hätten.225 Indem die Sowjets in den Filmen der frühen 1980er zudem immer wieder mit den Nazis gleichgesetzt werden, erscheint der Kalte Krieg als direkte Fortsetzung des Zweiten Weltkrieges, dessen mythische Verklärung im kollektiven Gedächtnis der Vereinigten Staaten Michael Adams treffend beschrieben hat: »World War II [...] has been converted over time from a complex, problematic event, full of nuance and debatable meaning, to a simple, shining legend of the Good War. For many, including a majority of survivors from the era, the war years have become America’s golden age, a peak in the life of society when everything worked out and the good guys definitely got a 226 happy ending. It was a great war. For Americans it was the best war ever.«
Dieser Krieg, der in der amerikanischen Erinnerung frei von problematischen Aspekten wie eigenen Kriegsverbrechen oder traumatisierten Veteranen ist, ist als das Modell des guten Krieges das Gegenbild zu Vietnam. Dabei spielt die Identifikation des Nationalsozialismus mit dem Bösen und dem Unamerikanischen schlechthin eine wichtige Rolle, die wiederum eng mit der Amerikanisierung des Holocaust verbunden ist. Seit den 1970er Jahren wird dieser in den USA zunehmend nicht nur als eine jüdische, sondern als eine amerikanische Erfahrung präsentiert und verstanden. Zugleich wird die absolute Einzigartigkeit des Holocaust in der Geschichte betont, womit, wie Peter Novick überzeugend argumentiert hat, ein Ausweichen vor der eigenen moralischen und historischen Verantwortung einhergeht: »The repeated assertion that whatever the United States has done to blacks, Native Americans, Vietnamese, or others pales in comparison to the Holocaust is true – and evasive.«227 Wie ich gezeigt habe, wurden die Verbrechen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten, sowohl gegen die eigene Bevölkerung als auch in der Dritten Welt, etwa in Afghanistan, in identischer Weise dazu benutzt, ein positives Selbstbild zu konstruieren – eine klassische Feindbildfunktion. Indem die Kommunisten mit den Nazis assoziiert und beider Untaten als ein und dasselbe dargestellt wurden, erhielt diese Gegenüberstellung die größtmögliche Schärfe: Wie die Nazis wurden die Sowjets zum absoluten Bösen. Wie in späteren Kapiteln zu sehen sein wird, beschränkt sich die Identifikation des Feindes mit dem Nationalsozialismus keineswegs auf den Kalten Krieg und die 225 Rückblickend bezeichnete Eastwood die Invasion zu Recht als »kind of a Mickey Mouse operation«. Zitiert nach Schickel, Clint Eastwood, 424. Die Notwendigkeit der Unterstützung durch das Marine Corps bei den Dreharbeiten (die wegen einer späteren Kontroverse im Abspann nicht erwähnt wird) verbot jedoch eine Ironisierung des Unternehmens, vgl. ebenda, 423. 226 Michael C.C. Adams, The Best War Ever: America and World War II, Baltimore/London 1994, 2. Siehe dazu auch Andreas Etges, »The Best War Ever? Der Deutungswandel des Zweiten Weltkriegs in US-amerikanischen Filmen am Beispiel von ›The Best Years of Our Lives‹ und ›Saving Private Ryan‹ «, in: Chiari u.a. (Hg.), Krieg und Militär, 161-78. 227 Peter Novick, The Holocaust in American Life, Boston/New York 1999, 15. Der Vollständigkeit halber muss man allerdings erwähnen, dass der Holocaust die Linke auch für amerikanische Gräueltaten sensibilisiert hat.
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Kommunisten. Da die Nazis in der Tat mächtig, aggressiv und mit friedlichen Mitteln nicht zu beschwichtigen waren, gaben sie »almost ideal enemies« ab.228 Selbst als vorsichtiger Analytiker wird man nicht umhinkommen, zuzugeben, dass selten ein Konflikt in dem Maße zu einer moralischen Unterscheidung zwischen einer ›guten‹ und einer ›bösen‹ Seite eingeladen hat wie der Zweite Weltkrieg. Die Nazis wurden deshalb zur Folie, durch die man alle späteren Feinde betrachtete. Um den ›guten Krieg‹ zu reproduzieren, wurden und werden sie bei Konflikten immer und immer wieder in neuer Gestalt entdeckt. Im Fall des sowjetischen Kommunismus konnte man dabei auf die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg entstandene Totalitarismustheorie zurückgreifen, die mit dem Beginn des Kalten Krieges an Bedeutung gewann: Der Kommunismus verschmolz im Bild des red fascism mit dem Nationalsozialismus. Der neue Feind wurde zu einer Variante des gerade besiegten, der Kalte Krieg zum nächsten Abschnitt eines langen Kampfes gegen den Totalitarismus, unter dem beide Ideologien subsumiert wurden.229 Die Totalitarismustheorie hat ihre Stärke zweifellos im komparativen Potential und lenkt den Blick auf unbestreitbar vorhandene Parallelen zwischen dem Dritten Reich und der UdSSR, ist jedoch problematisch, wenn sie – zumal im Dienste der Politik – im Sinne einer simplifizierenden Gleichsetzung angewendet wird, die die eben auch vorhandenen signifikanten Unterschiede ignoriert. An die Stelle einer kritischen Auseinandersetzung mit Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus tritt dann eine undifferenzierte Vermengung und Dämonisierung dieser Ideologien. Nach dem Ende der Entspannungsphase setzte sich diese Sichtweise in der Reagan-Ära wieder durch. Das Muster des Zweiten Weltkrieges verspricht dabei nicht nur moralische Sicherheit durch eine klare Trennung von ›gut‹ und ›böse‹, sondern auch den letztendlichen Sieg des Guten, also der USA. Auch deshalb ist es so attraktiv und das ideale Gegenbild zum Vietnamkrieg. In seiner Dissertation zu Hitler in der amerikanischen Literatur hat Michael Butter einen Umbruch in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren gezeigt: Wurde Hitler davor in der Auseinandersetzung mit Vietnam, Watergate und anderen negativen Aspekten der amerikanischen Realität häufig kritisch benutzt und etwa die Möglichkeit eines amerikanischen Hitlers formuliert, so dient er seither in überwiegendem Maß dazu, durch striktes othering als Verkörperung des Bösen den American exceptionalism zu bestätigen. So werden zum Beispiel dystopische Fantasien eines deutschen Sieges im Zweiten Weltkrieg benutzt, um der tatsächlichen Nachkriegsgeschichte einen utopischen Charakter zu verleihen.230 Es ist offensichtlich, dass es sich bei dieser Entwicklung und der exakt zur selben Zeit stattfindenden Rückkehr zum 228 Rieber/Kelly, »Substance and Shadow«, 3-39, hier: 22. Zur Bedeutung des Zweiten Weltkrieges für das amerikanische Selbstbild siehe ebenda, 21-5. 229 Siehe dazu Les K. Adler/Thomas Paterson, »Red Fascism: The Merger of Nazi Germany and Soviet Russia in the American Image of Totalitarianism, 1930’s-1950’s«, in: AHR 75 (April 1970), 1046-64; Benjamin L. Alpers, Dictators, Democracy, and American Public Culture: Envisioning the Totalitarian Enemy, 1920s-1950s, Chapel Hill/London 2003. Alpers betont, dass der Begriff ›Totalitarismus‹ ein Produkt der Zwischenkriegszeit ist und wie das Phänomen der Diktatur vor dem Kalten Krieg eine erheblich komplexere Bedeutungs- und Rezeptionsgeschichte in den USA hatte. 230 Michael Butter, The Epitome of Evil: Hitler in American Fiction, 1939-2002, New York 2009.
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Kalten Krieg, zur Dämonisierung der UdSSR als totalitäres, ›nazihaftes‹ Imperium, um zwei Aspekte desselben Phänomens handelt: die Wiederherstellung eines positiven Selbstbildes nach den krisenhaften 1960er und 1970er Jahren durch die Beschwörung eines manichäischen Weltbildes und die Projektion alles Negativen auf einen äußerst bedrohlichen, scheinbar übermächtigen Feind. Der vor allem durch Vietnam stark beschädigte amerikanische Mythos wurde so weitgehend wiederhergestellt, nicht, wie der Historiker William McNeill noch 1982 gefordert hatte, durch eine Überwindung der Bipolarität,231 sondern durch eine Wiederbelebung seiner ursprünglichsten manichäischen Form: »regeneration through violence«. Nach den oft ambivalenten Protagonisten der 1970er Jahre brachte das amerikanische Kino im folgenden Jahrzehnt den Superhelden zurück: Superman, Rambo, der Highlander (1986), der RoboCop (1987) und zahlreiche ähnliche Gestalten bevölkerten die Leinwand.232 Western und Filme über den Zweiten Weltkrieg blieben als eigenständige Genres marginalisiert, aber ihre Formeln und Motive, oder vielmehr die beiden diesen zugrundeliegenden zentralen Mythen des modernen Amerika, prägten dennoch die neuen Leinwandabenteuer. Die Sehnsucht nach einer einfacheren, unschuldigeren Vergangenheit war allenthalben spürbar. Die beiden populärsten Filmreihen der Zeit, die ursprüngliche Star-Wars-Trilogie und die IndianaJones-Filme, erweckten nicht zufällig zwei scheinbar ausgestorbene Genres, die Space Opera und das Adventure Serial, zu neuem Leben.233 Die Quintessenz der Kultur des Kalten Krieges in den frühen 1980er Jahren, die beruhigende Klarheit einer in gut und böse unterteilten Welt, findet sich in diesen Filmen überdeutlich, wenn Indiana Jones Nazis bekämpft oder harmlosen Eingeborenen gegen blutrünstige Sektierer hilft und eine multikulturelle Rebellentruppe Widerstand gegen ein totalitäres, militaristisches und rassistisches Imperium leistet, in dessen Uniformen japanische, deutsche und sowjetische Einflüsse verschmelzen. Nicht von ungefähr entlehnte Reagan hier den Ausdruck »evil empire«. Die Schlacht auf Endor in Return of the Jedi, in der die Rebellen an der Seite der primitiven Ewoks die hoch technisierten Imperiumsstreitkräfte mit Guerillamethoden bezwingen, spiegelt dieselbe Sehnsucht nach der Rückkehr in die Rolle der Freiheitskämpfer, nach einer Umschreibung der Vietnamerfahrung wider, die auch Rambo oder Red Dawn mit seinem Porträt der USA als »the world’s most misunderstood underdog«234 kennzeichnet. Die Amerikaner wollten wieder die Freunde der Ewoks und nicht die Sturmtruppen sein. Das Feindbild Sowjetunion machte dies möglich.
231 William H. McNeill, »The Care and Repair of Public Myth«, in: Foreign Affairs 61:1 (1982), 1-13. 232 Zu den 1970ern vgl. Hans Krah/Wolfgang Struck, »Gebrochene Helden / gebrochene Traditionen / gebrochene Mythen: der Film der 70er Jahre«, in: Hans Krah (Hg.), AllGemeinwissen: Kulturelle Kommunikation in populären Medien (Literatur- und medienwissenschaftliche Studien Kiel 2), Kiel 2001, 117-37. Zur Rückkehr des Superhelden vgl. auch Werner Faulstich, Filmgeschichte, Paderborn 2005, 235-40. 233 Star Wars (1977), The Empire Strikes Back (1980) und Return of the Jedi (1983); Raiders of the Lost Ark (1981), Indiana Jones and the Temple of Doom (1984) und Indiana Jones and the Last Crusade (1989). 234 »Cockeyed At ›Red Dawn‹ «, in: NYT 16.09.1984.
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In der Realität gestalteten sich die Dinge freilich komplizierter als im Film. Reagan konnte zwar in seinen Reden die von den USA unterstützen »freedom fighters«, insbesondere die nicaraguanischen Contras, mit allerlei historischen Helden, einschließlich der Aufständischen im Warschauer Ghetto und der französischen Resistance, vergleichen,235 aber der Rückhalt für das Engagement in Lateinamerika in der amerikanischen Bevölkerung blieb aus Angst vor einem neuen Vietnam gering.236 Bis auf risikoarme kurze Aktionen wie gegen Grenada und Libyen ging Reagan daher zumeist über Rhetorik nicht hinaus. Dilys M. Hill und Phil Williams gestehen ihm deshalb nur eine teilweise Überwindung des Vietnam-Syndroms durch vor allem symbolische Aktionen zu.237 Auch Richard Melanson kommt in seiner Untersuchung der amerikanischen Außenpolitik nach Vietnam zu dem Schluss, dass Reagan von der Nation nur »pride and confidence without sacrifice« verlangt und so keinen außenpolitischen, sondern lediglich einen kulturellen Konsens erreicht habe, »that involved a large dose of illusion«.238 Wie wichtig und grundlegend dies jedoch war, zeigte sich später in der Debatte um den Kuwaitkrieg: Auch wenn dieser, wie noch zu sehen sein wird, nur scheinbar eine endgültige Überwindung des Vietnam-Traumas signalisierte,239 so war doch 1991 offensichtlich, dass die USA seit der Evakuierung der Botschaft in Saigon einen weiten Weg zurückgelegt hatten – ein entscheidendes Stück davon während des Kalten Krieges in der ersten Hälfte der 1980er Jahre. Michael Vlahos hatte sich geirrt, als er noch 1988 behauptete: »What was left of the good-war-as-crusade died in Vietnam.«240
1.5 »JUST BECAUSE OUR GOVERNMENTS ARE BEHAVING LIKE ASSES DOESN’T MEAN THAT WE HAVE TO«: GEGENSTIMMEN Angesichts des bis hierhin entworfenen sehr einheitlich antisowjetischen Bildes stellt sich natürlich die Frage nach der Existenz anderer Filme, nach Gegenstimmen, die Kritik an der neuen Verschärfung des Kalten Krieges formulierten. Selbstverständlich war das Kino der 1980er Jahre nicht monolithisch dem Reaganismus verpflich-
235 Vgl. Ronald Reagan, »Address to Members of the British Parliament, June 8th, 1982«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=42614 (27.07.2007), »Radio Address to the Nation on Central America, February 16th, 1985«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=38231 (27.07.2007), und »Address to the Nation on Aid to the Nicaraguan Democratic Resistance, February 2nd, 1988«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=34932 (07.07.2007). 236 Vgl. die Umfragen in IIPO, 1983-1984, 186; IIPO, 1984-1985, 344 und IIPO, 19851986, 303. 237 Vgl. Dilys M. Hill/Phil Williams, »The Reagan Legacy«, in: Hill u.a. (Hg.), The Reagan Presidency, 233-5. 238 Melanson, American Foreign Policy, 193f. 239 Siehe dazu Kap. III.2.3. 240 Michael Vlahos, »The End of America’s Postwar Ethos«, in: Foreign Affairs 66:5 (1988), 1091-1107, hier: 1107.
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tet, wie in der Forschung auch immer wieder angemerkt worden ist.241 Dabei muss man zunächst gar nicht an komplett andere Produktionen denken. Wie ich bereits an einigen Stellen erwähnt habe, bieten viele Filme die Möglichkeit alternativer Lesarten. In diesem Zusammenhang ist noch einmal an die konservative Kritik an Rambo zu erinnern. Verschiedentlich ist zudem darauf hingewiesen worden, dass die Figur Rambos durch eine Uneindeutigkeit und ein Wechselspiel verschiedener Rollen gekennzeichnet sei, die ein enormes Identifikationspotential für diverse, auch marginalisierte, gesellschaftliche Gruppen böten. Die Ideologie dieser Filme lasse sich keineswegs so eindeutig bestimmen, wie das häufig suggeriert wird.242 Douglas Kellner macht dafür die Fähigkeit konservativer Ideologien verantwortlich, »to incorporate figures and fashion which neutralize and even reverse their original connotations as oppositional style and behavior«.243 Stephen Prince erinnert dagegen an die Profitorientierung Hollywoods und sieht in der »ideological conglomeration« als Merkmal der Filmproduktion der 1980er Jahre schlichtweg eine Strategie, um gerade im Zeitalter des Blockbusters ein möglichst großes Publikum anzusprechen.244 All diese Argumente sind sinnvoll und wichtig, lassen aber eine wesentliche Einsicht vermissen, nämlich die, dass es erhebliche Überschneidungen zwischen konservativen und liberalen Werten gibt, wie bereits am Beispiel des Individualismus zu sehen war. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die grundlegenden amerikanischen Mythen für alle politischen Richtungen sinnstiftend sind und schon immer für unterschiedliche Ausformungen und Interpretationen zur Verfügung gestanden haben. Selbst in den 1960er und 1970er Jahren wiesen als links und rechts verortete Filmzyklen daher eine große motivische Ähnlichkeit auf.245 Bei näherer Betrachtung ist es daher kaum überraschend, dass es oft Schwierigkeiten bereitet, einen Film als eindeutig liberal oder konservativ einzuordnen, dass beispielsweise Clint Eastwoods reaktionär anmutende Polizisten auch als Verkörperungen eines antiautoritären Liberalismus gesehen werden können.246 Das Bemühen, solche Etikettierungen zu vergeben, erweist sich als eine oft hochproblematische Praxis, die mitunter den Zugang zu Erkenntnissen eher verstellt als enthüllt. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Kategorien in sehr kurzsichtiger und einseitiger Weise mit bestimmten Ideen identifiziert werden, wenn etwa Patriotismus zu einem konservativen Wert erklärt oder Liberalen eine generell pazifistische Tendenz unterstellt wird, egal ob das im Einzelfall positiv oder negativ gemeint ist. Derartige Zuschreibungen, die zu einem beachtli-
241 Vgl. z.B. Prince, A New Pot of Gold, xvf; Belton, American Cinema / American Culture, 322f. 242 Vgl. John Carlos Rowe, »› Bringing It All Back Home‹: U.S. Recyclings of the Vietnam War«, in: ders., The New American Studies, Minneapolis 2002, 173-93, hier: 182-5; Duncan Webster, »› Whodunnit? America Did‹: Rambo and Post-Hungerford Rhetoric«, in: Cultural Studies 3:2 (1989), 173-93, hier: 185f. 243 Kellner, Media Culture, 65. 244 Prince, A New Pot of Gold, 315. 245 Vgl. Robert B. Ray, A Certain Tendency of the Hollywood Cinema, 1930-1980, Princeton 1985, 296-325. 246 Eric Patterson, »Every Which Way But Lucid: The Critique of Authority in Clint Eastwood’s Police Movies«, in: JPFT 10:3 (1982), 92-104.
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chen Teil gerade durch die Reagan-Ära geprägt worden sind, gehen an der Realität der amerikanischen Geschichte und Kultur vorbei. Es wäre daher verfehlt, in der Überwindung des Vietnam-Traumas durch die Rückkehr zum Kalten Krieg ein rein konservatives Projekt sehen zu wollen. Vielmehr war die Beschädigung der grundlegenden amerikanischen Mythen durch den Vietnamkrieg und die kulturellen Grabenkämpfe der 1960er und 1970er ein gesamtgesellschaftliches Problem. Immerhin waren es liberale beziehungsweise demokratische Administrationen gewesen, die das Land in den Vietnamkrieg geführt hatten. Dass John Hellmann in Rambo die Vorstellungen John F. Kennedys wiederfindet,247 erinnert nicht nur an den gesamtamerikanischen mythischen Unterbau, sondern auch konkret daran, welche Rolle liberaler Idealismus mit seinem eigenen Glauben an den ›guten Krieg‹ und die Sendung Amerikas im Kalten Krieg und bei der Katastrophe in Vietnam spielte. James Aho hat seine Theorie der Abfolge außen- und innenpolitischer Feindbilder in der amerikanischen Geschichte nicht zuletzt aus der Beobachtung abgeleitet, dass Konservative ihre Feinde oft in der eigenen Gesellschaft gesucht haben, während liberale Regierungen sich aufmachten, Dämonen in der Fremde zu erlegen.248 Und Michael Hochgeschwender hat betont, dass jene Form der amerikanischen Nationalmythologie, »der es um aggressiv nach außen gerichteten Export amerikanischer Werte zu tun war[,] […] ihre Existenz dem Zusammenwirken evangelikaler und liberaler Ideen« verdankte.249 Diese Feststellung hält meiner Meinung nach den Schlüssel zum Verständnis der Kultur des Kalten Krieges in den frühen 1980er Jahren bereit und hilft dabei, den Erfolg des Reaganismus zu verstehen und richtig einzuordnen, denn gerade diese Form des Mythos wurde hier wiederbelebt. Dies zeigt sich überdeutlich in den Filmen von George Lucas und Steven Spielberg, die von vielen Forschern zurecht als paradigmatisch für ihre Zeit angesehen werden. Star Wars und die Indiana-Jones-Reihe vermischen auf vielsagende Weise Ideen der counterculture und einen liberalen Idealismus mit konservativen Botschaften, wodurch ein neuer kultureller Konsens ermöglicht wurde, der – von den Machern durchaus nicht beabsichtigt – dem Geist der ReaganÄra verpflichtet war.250 Nostalgie ist nicht zwangsläufig reaktionär, wie Paul Monaco festgestellt hat,251 und wenn diese und andere Filme paradoxerweise totalitäre Diktaturen als unamerikanische Feinde präsentieren, dabei aber selbst antidemokratische Tendenzen entwickeln,252 ist dies nicht nur auf ein reaktionäres politisches Klima, sondern vor allem auf das Wesen des amerikanischen Mythos und seine Widersprüche zurückzuführen, insbesondere auf die große Bedeutung gewalttätiger Erlöserfigu-
247 John Hellmann, »Rambo’s Vietnam and Kennedy’s New Frontier«, in: Anderegg (Hg.), Inventing Vietnam, 140-52. 248 Aho, Thing of Darkness, 89-100. 249 Hochgeschwender, »›God’s Own Nation‹«, 293. 250 Dazu auch Peter Biskind, »The Last Crusade« in: Mark Crispin Miller (Hg.), Seeing through Movies, New York 1990, 112-49. Zur Begründung eines neuen Mythos nach Vietnam durch Star Wars siehe auch Hellmann, American Myth, 205-20. 251 Monaco, Ribbons in Time, 130f. 252 Vgl. z.B. Wood, Hollywood from Vietnam to Reagan, 162-74.
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ren.253 Natürlich gab es in den 1980er Jahren unbestreitbar eine konservative Reaktion, die sich etwa in antifeministischen oder auch rassistischen Tendenzen niederschlug und die erheblich polarisierte. Die Rückkehr zu einem manichäischen Weltbild, die Erneuerung des Kalten Krieges und die Dämonisierung der Sowjetunion aber waren weitgehend konsensfähig und konsensstiftend. Dennoch gab es natürlich Filme, die eine abweichende Position einnahmen und andere Perspektiven eröffneten. Ein prominentes (und frühes) Beispiel hierfür ist Warren Beattys Reds (1981), der ein ambitioniertes und trotz künstlerischer Freiheiten um historische Akkuratheit bemühtes Porträt amerikanischer Kommunisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeichnet. Erzählt wird die Geschichte des Journalisten John Reed (Warren Beatty) und seiner Liebesbeziehung zu der Feministin Louise Bryant (Diane Keaton) vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges und der Oktoberrevolution. Als Versuch, Geschichte zu verfilmen, ist Reds, der seinen historischen Anspruch durch die Einflechtung der Kommentare einer Gruppe von mehr als 20 Zeitzeugen zu untermauern sucht, letztendlich interessanter als als Stellungnahme zum Kommunismus oder dem Konflikt zwischen verschiedenen Ideologien.254 Der Film zeigt als Herzensprojekt Beattys zwar große Sympathie für seine Hauptfiguren und ist an sich schon außergewöhnlich durch die Wahl eines überzeugten amerikanischen Kommunisten als Protagonisten, aber »[i]t humanizes a radical hero by domesticating him«.255 Dass einige Kritiker und Forscher in dieser Darstellung eine Glorifizierung von Radikalen und Kommunisten sehen wollen, sagt mehr über den Seltenheitswert des Themas als über dessen Umsetzung aus.256 Als Reed am Ende des Films 1920 in einem russischen Hospital an Typhus stirbt, ist er längst desillusioniert durch die Verwandlung des postrevolutionären Russlands in einen totalitären Staat. »The dream that we had is dying in Russia«, hat seine Freundin und Gesinnungsgenossin Emma Goldman zuvor bereits konstatiert, in einer Schlüsselszene, in der sie 253 Zu dieser Problematik ausführlich John Shelton Lawrence/Robert Jewett, The Myth of the American Superhero, Grand Rapids/Michigan 2002.; außerdem Andreas Dörner, »Die politische Kultur der Gewalt: Zur Inszenierung von Gewalt als Teil des expressiven Individualismus im amerikanischen Film«, in: Michael Strübel (Hg.), Film und Krieg: Die Inszenierung von Politik zwischen Apologetik und Apokalypse, Opladen 2002, 17-37. 254 Mit Robert Rosenstone fungierte bei diesem Film nicht nur ein Biograph John Reeds, sondern auch ein Pionier der historischen Filmforschung in den USA als Berater. Seine eigene Kritik, die die Mängel des Films als Geschichtswerk trotz der lobenswerten Ansätze verdeutlicht, hat Rosenstone in »Reds as History«, in: Reviews in American History 10:3 (1982), 297-310, niedergeschrieben. Er verweist dort auch ausdrücklich auf seine »minor role in the production of the film« (ebenda, 297). Zu Reds als Historienfilm siehe auch Christine Stinsell, »Reds«, in: Mark C. Carnes (Hg.), Past Imperfect: History According to the Movies, New York 1995, 192-5. Den Einsatz der Zeitzeugenkommentare in einer Weise, die letztendlich die höhere Autorität der Fiktion betont, kritisiert auch Leger Grindon, »Witness to Hollywood: Oral Testimony and Historical Interpretation in Warren Beatty’s ›Reds‹ «, in: Film History 5:1 (1993), 85-95. 255 Rosenstone, »Reds as History«, 309. 256 Zu dieser mit konservativer Kritik verbundenen Einschätzung vgl. Peter C. Rollins, »Introduction«, in: ders. (Hg.), American History on Film, xi-xxi, hier: xvi; Grenier, Capturing the Culture, 39-59.
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die im Entstehen begriffene UdSSR schonungslos als »a militaristic police state that suppresses freedom and human rights where nothing works« charakterisiert. In einer dramatischen Konfrontation mit dem Kominternvorsitzenden Sinowjew verteidigt Reed selber wenig später seine Vorstellungen, deren Prägung durch das amerikanische Ideal individueller Freiheit unverkennbar ist: »You separate a man from what he loves most, what you do is purge what’s unique in him. And when you purge what’s unique in him, you purge dissent. And when you purge dissent, you kill the revolution. Revolution is dissent!«
Reds zeigt zwar Sympathieträger, die an einen idealen Kommunismus glauben, was durchaus bemerkenswert ist, er stellt sie aber auch als an der Wirklichkeit verzweifelnde Idealisten dar und macht überdeutlich, dass ihre Ideen nichts mit dem Ergebnis der Russischen Revolution zu tun haben. Im Gegenteil, »they are destroying the hope of any real communism in Russia«, wie E.G. ernüchtert resümiert. Als Stellungnahme zugunsten der Sowjetunion kann man den mit drei Oscars ausgezeichneten Film nicht verstehen. So erklärt sich auch, dass Reagan, dem das Werk vor seiner Veröffentlichung im Weißen Haus gezeigt wurde, lediglich das traurige Ende störte.257 Dagegen rührte eine Gruppe von Filmen, die sich nicht mit der UdSSR, sondern mit Lateinamerika und der Rolle der USA in dieser Region beschäftigten, an einen Eckpfeiler der Politik des Kalten Krieges:258 Missing (1982), Under Fire (1983), Salvador (1986) oder Romero (1989) attackierten die Unterstützung diktatorischer Regime als Mittel im Kampf gegen den Kommunismus und zeigten dabei die hässlichen Seiten des von Reagan ausgerufenen ›Kreuzzugs für die Freiheit‹.259 Der Western Walker (1987) benutzt postmoderne Erzählelemente wie den bewussten Einsatz von Anachronismen, um zudem anhand der Geschichte von William Walker, der sich 1856 zum Präsidenten von Nicaragua aufschwang, auf die historische Traditionslinie fragwürdiger amerikanischer Einmischungen in die Geschicke der Dritten Welt unter dem Vorwand der Verbreitung von Demokratie und Zivilisation seit der Zeit der manifest-destiny-Euphorie aufmerksam zu machen.260 257 Vgl. Rosenstone, »Reds as History«, 308. 258 Siehe dazu Thomas Carothers, In the Name of Democracy: U.S. Policy Toward Latin America in the Reagan Years, Berkeley u.a. 1991; Robert A. Pastor, Whirlpool: U.S. Foreign Policy Toward Latin America and the Carribean, Princeton 1992; William M. LeoGrande, Our Own Backyard: The United States in Central America, 1977-1992, Chapel Hill/London 1998. 259 Zu diesen Filmen siehe auch ausführlich Prince, Visions of Empire, 81-114, und Palmer, Films of the Eighties, 132-54. Palmer ordnet sie als Teil eines Zyklus’ über Unterdrückung als Staatsterrorismus ein. 260 Zu Walker als Western und Historienfilm und dem Einsatz postmoderner Erzähltechniken siehe ausführlich Alexandra Keller, »Historical Discourse and American Identity in Westerns since the Reagan Era«, in: Peter C. Rollins/John E. O’Connor (Hg.), Hollywood’s West: The American Frontier in Film, Television, and History, Lexington 2005, 239-60, hier: 245-50; Sumiko Higashi, »Walker and Mississippi Burning: Postmodernism Versus Illusionist Narrative«, in: Rosenstone (Hg.), Revisioning History, 188-201; Robert
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Missing greift ebenfalls ein historisches, aber in der jüngeren Vergangenheit angesiedeltes Ereignis auf: Der Grieche Costa-Gavras, der sich bereits einen Ruf als Regisseur engagierter Polit-Thriller erarbeitet hatte, erzählt in diesem Film die Geschichte der verzweifelten Suche von Ed Horman (Jack Lemmon) und seiner Schwiegertochter Beth (Sissy Spacek) nach ihrem während des Militärputsches in Chile 1973 verschwundenen Sohn und Ehemann Charles (John Shea), die schließlich mit der grausamen Gewissheit endet, dass der junge Autor verhaftet und exekutiert worden ist. Was dem Film seine Schärfe gibt, ist die Behauptung, dass die amerikanische Regierung tief in die Planung und Ausführung des Umsturzes verwickelt gewesen und Charles mit dem Einverständnis offizieller US-Stellen ermordet worden sei, weil er sich zu sehr dafür interessiert habe. Zu diesem Schluss war der reale Ed Horman gelangt, der in den Vereinigten Staaten Klage gegen mehrere in den Fall verwickelte Beamte erhob, allerdings ohne Erfolg. Costa-Gavras’ Film schließt sich der Position der Hormans an und porträtiert die Angehörigen der US-Botschaft als zwielichtige Bürokraten, die nur vordergründig bei der Suche nach Charles helfen, in Wirklichkeit aber längst wissen, was mit ihm geschehen ist, und die Hintergründe seines Verschwindens zu verschleiern suchen. Ed dient dabei als wichtige Identifikationsfigur für den Zuschauer, indem sich seine Einstellung im Laufe der Handlung grundlegend wandelt. Als der Geschäftsmann aus New York in Santiago eintrifft, ist er zunächst überzeugt, dass sein linksliberaler Sohn selbst für den Schlamassel verantwortlich zeichnet, in den er geraten ist. Ohne Verständnis für die Ideale von Charles und Beth macht er seiner Schwiegertochter schwere Vorwürfe und vertraut auf die Hilfe der Botschaft. »I don’t want to hear any of your anti-establishment paranoia«, herrscht er Beth an, als sie die Gleichgültigkeit der amerikanischen Bürokraten gegenüber Charles’ Schicksal beklagt. Doch mit der Zeit beginnt Ed nicht nur, seinen Sohn und dessen Frau mit anderen Augen zu sehen und zu respektieren, er erkennt auch, dass Beths Misstrauen gegenüber der eigenen Regierung gerechtfertigt ist, dass diese offenbar tatsächlich die Ermordung eines ihrer Bürger gebilligt hat und mit einem menschenverachtenden Regime zusammenarbeitet, dessen Gräueltaten täglich auf den Straßen von Santiago zu beobachten sind. Am Schluss geben ihm die Diplomaten recht offen zu verstehen, dass Charles sterben musste, weil er seine Nase in Dinge gesteckt hatte, die ihn nichts angingen. Der damals tatsächlich verantwortliche Botschafter klagte nach der Veröffentlichung von Missing vergeblich gegen die Produktionsfirma United Artists. Auch in der Presse wurde die einseitige Darstellung von Personen und Ereignissen teilweise scharf kritisiert.261 Wie die anderen kritischen Filme des Lateinamerika-Zyklus’ stellt Missing die von den USA unterstützte Junta als faschistisches Regime dar, das die unterdrückte Bevölkerung durch eine Politik des Terrors beherrscht und ungehindert morden kann. A. Rosenstone, »Walker: The Dramatic Film as (Postmodern) History«, in: ebenda, 20213. Rosenstone sieht in diesem Film ein Beispiel für die Möglichkeit, eine eigenständige, der literarischen Historiographie gleichwertige filmische Geschichtsdarstellung zu erreichen. 261 Für eine ausführliche Diskussion des Films, insbesondere seines Umgangs mit den historischen Fakten und seiner Rezeption, siehe Toplin, History by Hollywood, 103-24. Toplin vertritt die Ansicht, dass Missing auf ein wichtiges Thema aufmerksam gemacht habe, erkennt aber auch die Kritik an seiner Einseitigkeit als gerechtfertigt an.
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Costa-Gavras findet für den Zustand Chiles nach dem Putsch eines der stärksten Bilder in jener Szene, in der ein mit grölenden und in die Luft schießenden Soldaten besetzter Jeep einen Schimmel durch die von der Ausgangssperre leergefegten Straßen des nächtlichen Santiago hetzt. Aber auch zahlreiche nicht symbolische Szenen enthüllen den Charakter von Pinochets Herrschaft. »Those are Nazis«, heißt es an einer Stelle explizit über die neuen Machthaber. Offiziell rechtfertigten die Vereinigten Staaten ihre Zusammenarbeit mit rechtsgerichteten Diktaturen mit einer Argumentation, die Jeane Kirkpatrick, außenpolitische Beraterin Reagans im Wahlkampf 1980 und von ihm zur UNO-Botschafterin berufen, in ihrem Aufsatz Dictatorships and Double Standards dargelegt hatte. Demnach gab es einen grundlegenden Unterschied zwischen traditionellen und revolutionären (sprich totalitären) Autokratien: »Generally speaking, traditional autocrats tolerate social inequities, brutality, and poverty, whereas revolutionary autocracies create them.«262 Rechtsgerichtete Diktaturen seien außerdem zu einer demokratischen Evolution fähig, sozialistische dagegen nicht.263 In Under Fire vertritt der französische CIA-Agent diese wenig später von der Geschichte widerlegte Linie, wenn er den Reportern, die während der Revolution in Nicaragua Partei für die Sandinisten ergreifen, erklärt: »If we wish to survive, we have a choice of tyrants. And for all the right reasons your poets [the Sandinistas] chose the wrong side.« Missing und Under Fire legen den Zynismus solcher konstruierten Unterscheidungen offen und entlarven nationale Interessen als ihr wahres Motiv. Wichtiger noch als die teilweise Infragestellung des monolithischen Feindbildes des Kalten Krieges, die diese Filme leisten, indem sie Sympathien für die revolutionären Bewegungen Lateinamerikas wecken, ist ihr Angriff auf das von der USRegierung propagierte Selbstbild: Wenn die Amerikaner hier immer wieder als Verbündete von Regimen in Erscheinung treten, die als nazihaft dargestellt werden, wird damit ein Kernelement des antikommunistischen Feindbildes gegen sie gewandt. Der simplifizierende Vergleich mit dem Nationalsozialismus dient nun der Kritik der amerikanischen Politik. Darüber hinaus verweisen diese Produktionen häufig auf die Parallelen zum amerikanischen Engagement in Vietnam, etwa wenn Walkers Getreue am Ende mit Hubschraubern evakuiert werden oder ein US-Offizier Charles Horman erklärt, das chilenische Militär führe »search and destroy missions just like in Vietnam« durch. Somit wird auch die Andersartigkeit des antikommunistischen Feldzugs der 1980er Jahre als ›guter‹ Krieg gegenüber dem ›schlechten‹ Krieg in Vietnam negiert. Diese Filme liefern somit ein wichtiges Gegenbild zu den zuvor analysierten Produktionen. Allerdings muss man einschränkend anmerken, dass ein Teil dieses Zyklus’ erst in der Entspannungsphase der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entstand und – wichtiger noch – keiner dieser Filme ein großer Erfolg wurde. Man darf ihre Bedeutung deshalb auch nicht überbewerten.264 262 Jeane J. Kirkpatrick, »Dictatorships and Double Standards«, in: dies., Dictatorships and Double Standards: Rationalism and Reason in Politics, New York 1983, 23-52, hier: 49. Der Artikel erschien zuerst 1979 in der Zeitschrift Commentary. 263 Ebenda, 32. 264 An den Kinokassen erzielte Missing, der auch einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch erhielt, mit 16 Millionen Dollar noch das beste Ergebnis (Quelle: http://www.thenumbers.com/movies/1982/0MSNG.php, 18.09.2007). Under Fire und Salvador spielten
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Ein wesentlich größeres Publikum fand eine zweite Gruppe von Filmen, der man auf den ersten Blick eine kritische Haltung zu attestieren gewillt sein könnte, nämlich jene Produktionen, die sich mit der Möglichkeit eines Atomkrieges und dessen Folgen auseinandersetzen. Mit der Verschärfung des Kalten Krieges Anfang der 1980er Jahre trat die Sorge um eine mögliche nukleare Konfrontation zwischen den Supermächten, die seit der friedlichen Lösung der Kubakrise eher eine geringe Rolle gespielt hatte, den Menschen wieder stärker ins Bewusstsein. Angesichts der konfrontativen Politik der Reagan-Administration, die auch über einen gewinnbaren Atomkrieg nachdachte, und der atomaren Nachrüstung der NATO in Europa wuchs die Sorge in der Bevölkerung rasch an, sodass die Friedensbewegung auch in den Vereinigten Staaten neuen Auftrieb erhielt, wo ihr wichtigstes Element zweifellos die landesweite Kampagne für das ›Einfrieren‹ der atomaren Rüstung (Nuclear Freeze Campaign) war, die im Mai 1983 sogar erreichte, dass das Repräsentantenhaus eine Freeze-Resolution verabschiedete, allerdings mit einigen Einschränkungen, die den faktischen Wert der Resolution stark minderten. Trotzdem darf die Bedeutung dieses politischen Erfolgs nicht unterschätzt werden, zeigt er doch, wie einflussreich die Idee geworden war.265 Die Angst vor dem Atomkrieg spiegelt sich auch in den zahlreichen Filmen wider, die vor allem während der frühen 1980er Jahre zu diesem Thema gedreht wurden.266 Kritik formulieren diese Produktionen zumeist allerdings nur an der Idee eines gewinnbaren Atomkrieges. Selbst der heftig umstrittene Fernsehfilm The Day After (1983), der die Zerstörung der Vereinigten Staaten durch einen nuklearen Schlagabtausch der Supermächte zeigt und den bei seiner Erstaustrahlung am 20. November 1983 etwa 100 Millionen Amerikaner sahen, bietet kein politisches Konzept an, dass über die simple Feststellung hinausgehen würde, dass ein Atomkrieg eine furchtbare Katastrophe wäre und vermieden werden muss – ein Standpunkt, dem sich im Juni 1983 auch Reagan öffentlich angeschlossen hatte, als er erklärte: »[N]uclear war dagegen nur 5.700.000 bzw. 4.500.000 Dollar ein (Quelle: http://www.the-numbers.com/ movies/1983/0NDFI.php; http://www.the-numbers.com/movies/1986/0SLVR.php, 18.09. 2007). 265 Zu den Atomkriegs- und Zivilschutzplänen der frühen Reagan-Administration siehe ausführlich Robert Scheer, Und brennend stürzen Vögel vom Himmel: Reagan und der »begrenzte« Atomkrieg, übers. von Dirk Bavendamm, München 1983; Kenneth D. Rose, One Nation Underground: The Fallout Shelter in American Culture, New York u.a. 2001, v.a. 214-24; zur Friedensbewegung John Lofland, Polite Protesters: The American Peace Movement of the 1980s, Syracuse 1993; Barbara Epstein, Political Protest and Cultural Revolution: Nonviolent Direct Action in the 1970s and 1980s, Berkeley u.a. 1991; Stefan Fröhlich, Nuclear Freeze Campaign: Die Kampagne für das Einfrieren der Nuklearwaffen unter der Reagan-Administration, Opladen 1990; Michael J. Hogan, The Nuclear Freeze Campaign: Rhetoric and Foreign Policy in the Telepolitical Age, East Lansing 1994. 266 Einen Überblick bieten Mick Broderick, Nuclear Movies: A Critical Analysis and Filmography of International Feature Length Films Dealing with Experimentation, Aliens, Terrorism, Holocaust and Other Disaster Scenarios, 1914-1990, Jefferson 1991 und Jerome F. Shapiro, Atomic Bomb Cinema: The Apocalyptic Imagination on Film, New York/London 2002.
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cannot be won and must never be fought.«267 So blieb die – teils erhoffte, teils befürchtete – große Wirkung auf die öffentliche Meinung denn auch aus. Untersuchungen zeigten, dass bei der Haltung der amerikanischen Bevölkerung zur Frage der Nuklearwaffen durch die Ausstrahlung von The Day After kaum eine Veränderung hervorgerufen wurde – auch wenn der Film viele Amerikaner beunruhigt haben mochte.268 Tatsächlich konnten auch Befürworter einer Politik der Stärke und der Aufrüstung den Film als Bestätigung ihrer Sichtweise empfinden. Den besten Beleg dafür stellt die Reaktion des Präsidenten dar, der in seinem Tagebuch notierte: »Der Film zeigt, warum wir mit dem, was wir tun, fortfahren müssen.«269 Tatsächlich kommt es in The Day After ja deshalb zur Katastrophe, weil offensichtlich das Prinzip der Abschreckung versagt hat und die NATO nicht in der Lage ist, die Rote Armee mit konventionellen Mitteln aufzuhalten. Daraus konnte man durchaus die Notwendigkeit einer stärkeren Militärmacht ableiten. Auch WarGames (1983) bestätigt die friedenserhaltende Funktion eines Gleichgewichts des Schreckens im Sinne der Mutual Assured Destruction (MAD). Auffallend bei allen Filmen zu diesem Sujet ist zudem, dass die Sowjetunion darin nur eine geringe oder gar keine Rolle spielt. Indem sie sich auf die USA konzentrieren und vorwiegend eine Bedrohung für das eigene Leben thematisieren, zeigen diese Produktionen, dass man ihre Antikriegsbotschaften nicht mit einem Aufruf zur Aussöhnung mit der UdSSR verwechseln darf. Gerade am Beispiel von The Day After lässt sich sehr gut sehen, dass die Klischees des Kalten Krieges auch in diesen Filmen weitgehend intakt sind und das Feindbild nicht hinterfragt wird. Wenn auch im Dunkeln bleibt, wer den umfassenden Atomkrieg beginnt, so wird doch deutlich, dass die Krise durch aggressive Handlungen der Sowjetunion ausgelöst und verschärft wird, deren militärische Macht hier letztendlich nicht weniger bedrohlich erscheint als in vielen anderen Filmen der Zeit. Eine Verständigung wird nur insoweit propagiert, als sie der Vermeidung der eigenen Vernichtung dient, weil die Vorstellung eines gewinnbaren Atomkrieges abgelehnt wird. Die Amerikaner hatten Angst vor einer nuklearen Apokalypse, aber nicht nur wegen der konfrontativen Haltung und den Äußerungen ihrer eigenen Regierung, sondern gerade auch weil sie der UdSSR misstrauten und sie als Bedrohung empfanden. Deshalb hatte auch die Nuclear-FreezeBewegung nie einen einseitigen amerikanischen Rüstungsstop angestrebt.270 Die Furcht vor dem Atomkrieg war, obwohl sie beide Seiten betraf,271 nicht wirklich völkerverbindend, sondern sehr egoistisch, und die Filme illustrieren dies. 267 Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Meeting of the American Medical Association House of Delegates in Chicago, Illinois, June 23rd, 1983«, http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=41508 (26.09.2007). 268 Siehe dazu Stanley Feldman/Lee Sigelman, »The Political Impact of Prime-Time Television: ›The Day After‹ «, in: Journal of Politics 47 (1985), 556-578. 269 Reagan, Erinnerungen, 619. 270 Vgl. Fröhlich, Nuclear Freeze Campaign, 46f, 51f und 65f. Vgl. dazu auch die Umfragen in IIPO, 1981-1982, 326f und IIPO, 1982-1983, 326f. 271 Auch im Ostblock entstanden Antiatomkriegsfilme. Siehe dazu Michael Aichmayr, »Zur Korrektur der Apokalypse: Atomare Bedrohung im Spielfilm der 80er Jahre«, in: Jürgen E. Müller/Markus Vorauer (Hg.), Blick-Wechsel: Tendenzen im Spielfilm der 70er und 80er Jahre (Film und Medien in der Diskussion, Bd. 3), Münster 1993, 165-75.
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So erklärt sich auch die breite Unterstützung für die Strategische Verteidigungsinitiative, den Plan zur Entwicklung und Errichtung eines umfassenden Raketenabwehrsystems, den Reagan, »concerned about the effects the nuclear fear is having on our people«,272 im März 1983 verkündete. Das SDI-Programm, das wegen der Idee im All stationierter Laserwaffen bald als ›Star-Wars-Programm‹ bekannt wurde,273 belastete die Beziehungen zur Sowjetunion schwer, da ein solches Defensivsystem das Prinzip der gegenseitigen Abschreckung auszuhebeln drohte und sich durchaus auch offensiv nutzen ließ. Den Amerikanern aber versprach Reagans »vision of the future which offers hope« eine Antwort auf die Bedrohung durch die sowjetischen Atomwaffen.274 Obwohl die technische Realisierbarkeit des Projekts von Beginn an heftig umstritten war, war das Vertrauen in die Vision eines starken, unangreifbaren Amerikas einer der Gründe, warum die Sorge der Bevölkerung ab 1984 rasch wieder abnahm.275 Kritisiert und lächerlich gemacht wurde SDI in der Agenten-Komödie Spies Like Us (1985). Dieser Film liefert eine teils platte, teils bissige Satire auf den Kalten Krieg mit der Geschichte zweier schusselig-liebenswerter Regierungsangestellter, die von der CIA rekrutiert werden, um als Köder von einer Operation abzulenken, bei der ein Agenten-Team eine sowjetische Nuklearrakete in seine Gewalt bringen und auf die USA abfeuern soll, um so einen realistischen Test des 160 Milliarden Dollar teuren SDI-Systems zu ermöglichen. Die für das Unternehmen verantwortlichen Generäle nehmen das prompt eintretende Versagen der Laserwaffen und die daraus folgenden Konsequenzen billigend in Kauf. Statt den Präsidenten davon in Kenntnis zu setzen, dass die anfliegende Rakete nicht von der UdSSR abgefeuert worden ist, stellen sie sich in ihrem unterirdischen Befehlsstand auf einen globalen Atomkrieg ein, getreu dem Motto: »A weapon not used is a useless weapon.« Die Bedrohung für den Weltfrieden sind hier nicht die Kommunisten, sondern unberechenbare amerika-
272 Ronald Reagan, »Address to the Nation on Strategic Arms Reduction and Nuclear Deterrence, November 22nd, 1982«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=42030 (29.08.2007). 273 George Lucas klagte vergeblich gegen die Verwendung seines Filmtitels zur Charakterisierung von SDI; vgl. dazu Rogin, »Ronald Reagan«, 43. Zur Bezugnahme auf Star Wars siehe auch Peter Krämer, »Star Wars«, in: Ellwood (Hg.), Movies as History, 44-53; zu SDI allgemein Rachel L. Holloway, »The Strategic Defense Initiative and the Technological Sublime: Fear, Science, and the Cold War«, in: Medhurst/Brands (Hg.), Critical Reflections on the Cold War, 209-32. 274 Ronald Reagan, »Address to the Nation on Defense and National Security, March 23rd, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=41093 (08.07.2007). 275 Vgl. Lofland, Polite Protesters, 220 u. 234. Siehe dazu auch Paul S. Boyer, Fallout: A Historian Reflects on America’s Half-Century Encounter with Nuclear Weapons, Columbus 1998, 175-81. Die öffentliche Unterstützung für SDI belegen diverse Umfragen, vgl. z.B. »High Hopes, Low Expectations«, in: Time 25.11.1985 und IIPO, 1986-1987, 313. Reagans Bemerkungen zu The Day After legen nahe, dass der Film auch ihm selbst SDI noch wichtiger erscheinen ließ; siehe Reagan, Erinnerungen, 616. Eine Inspirationsquelle für SDI war vermutlich der Film Murder in the Air (1940), in dem Reagan eine Hauptrolle gespielt hatte; vgl. Rogin, »Ronald Reagan«, 2.
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nische Militärs, insbesondere der ständig aus seinem Flachmann trinkende General Sline, der auf den Vorwurf »You are risking the future of the human race!«, ohne zu zögern, entgegnet: »To guarantee the American Way of Life, I’m willing to take that risk.« Während es den Helden schließlich im letzten Moment gelingt, die Rakete ins All umzulenken, stürmt eine Militäreinheit Slines Kommandostand und nimmt die Renegaten fest. Die Kritik wird durch diese Zeichnung der Wahnsinnigen als gegen den Willen der eigenen Regierung handelnde Einzeltäter wieder einmal entschärft. Allerdings identifiziert der Film sie dennoch mit Reagan und gibt den Präsidenten, der zu Beginn in einem Ausschnitt aus einem seiner alten Filme zu sehen ist, der Lächerlichkeit preis. So weist Sline, vor allem durch seine Frisur, erhebliche Ähnlichkeit mit Reagan auf, und die Kommandozentrale des SDI-Systems ist unter einem stillgelegten Autokino untergebracht, ein Verweis auf die gefährliche Vermischung von Film und Realität in Reagans Politik. Der Abspann führt ihn zudem vielsagend wie einen Schauspieler als Darsteller des Präsidenten der Vereinigten Staaten auf. Gleichzeitig zeichnet Spies Like Us ein recht freundliches Bild der Sowjets. Zwar fehlen nicht einige, natürlich auch der Genre-Parodie geschuldete, klischeehafte Szenen mit folterwilligen KGB-Agenten, dafür entpuppen sich die Soldaten, die die Nuklearrakete bewachen, als fröhliche und harmlose Zeitgenossen mit einer Vorliebe für amerikanische Rockmusik. Der Anteil der sowjetischen Soldaten an der Rettung der Welt fällt eher spärlich aus, aber sie erscheinen als normale Menschen, mit denen man zusammenarbeiten und sich anfreunden, ja in die man sich sogar verlieben kann. Daran ist allerdings auch zu sehen, dass die Verwandlung des Feindes in Freunde hier mit einer Feminisierung einhergeht: Von den fünf Soldaten sind zwei Frauen, und zwei weitere entpuppen sich als homosexuell. Ein noch deutlicherer Appell für eine Verständigung zwischen Ost und West fand sich zur Zeit des neuen Kalten Krieges in zwei Science-Fiction-Filmen: Enemy Mine (1985), von dem deutschen Regisseur Wolfgang Petersen inszeniert, behandelt das Thema allegorisch, anhand der Geschichte eines menschlichen und eines außerirdischen Kampfpiloten, die beide nach einer Schlacht im Weltraum auf einem unbewohnten Planeten notlanden, wo sie die Feindschaft zwischen ihren ›Rassen‹ überwinden und gemeinsam ums Überleben kämpfen müssen. Direkt thematisiert wird der Ost-West-Konflikt dagegen in 2010: The Year We Make Contact (1984). Peter Hyams’ Fortsetzung zu dem Science-Fiction-Klassiker 2001: A Space Odyssey (1968) von Stanley Kubrick ist von der Forschung zu Unrecht vernachlässigt worden.276 Der Film schildert eine gemeinsame Mission von amerikanischen und sowjetischen Astronauten zu dem seit der gescheiterten Expedition aus 2001 führerlos um den Jupiter kreisenden US-Raumschiff Discovery. Da sich die Position der Discovery plötzlich verändert und nur die Sowjets zu diesem Zeitpunkt über ein einsatzfähiges Raumschiff verfügen, sind die Amerikaner auf deren Unterstützung angewiesen, umgekehrt benötigen diese amerikanische Hilfe, weil sie mit den Systemen der Disco276 So erwähnen etwa Palmer, Films of the Eighties und Prince, Visions of Empire den Film überhaupt nicht. Möglicherweise spielt dabei eine Rolle, dass er im Schatten des Klassikers 2001 steht, was schon seine Aufnahme durch die Kritik beeinflusste; vgl. dazu » › 2010,‹ Pursues the Mystery of ›2001‹ «, in: NYT 07.12.1984 und »2010« auf http:// rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19840101/REVIEWS/401010302/1 023 (14.11.2004).
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very nicht vertraut sind. Diese heikle Zusammenarbeit findet vor dem Hintergrund einer sich rasch zuspitzenden Krise in Mittelamerika statt. 2010 nimmt mit diesen politischen Ereignissen eindeutig Bezug auf die Zeit seiner Entstehung. In der Auseinandersetzung um das offenbar kommunistisch gewordene Honduras spiegeln sich die Sorge um eine Destabilisierung Mittelamerikas und die Gegenmaßnahmen der Reagan-Administration wider. Im All stationierte Waffen verweisen auf die Diskussion um die Militarisierung des Weltraums im Zusammenhang mit dem SDI-Programm. In der Zukunftsvision von 2010 sind diese Pläne Wirklichkeit geworden. Und in dem vom Chef der Raumfahrtbehörde als »reactionary president […] with his fingerpoints on the button« charakterisierten amerikanischen Staatschef lässt sich unschwer Reagan beziehungsweise die liberale Wahrnehmung seiner Person wiedererkennen. Nicht nur hier nimmt der Film eine kritische Haltung zur US-Regierung ein. »The goddamn’ White House« entpuppt sich auch als wahrer Schuldiger am Amoklauf des Bordcomputers HAL, der in 2001 fast die gesamte Crew der Discovery das Leben gekostet hat. 2010 stellt der Eskalation des Konfliktes auf der Erde die langsame Annäherung zwischen den Astronauten beider Seiten gegenüber. Nachdem das anfängliche Misstrauen überwunden ist – der Film folgt insofern den Konventionen, als er die Amerikaner von Beginn an als offener und kooperativer darstellt –, entwickelt sich eine funktionierende Zusammenarbeit, ja sogar Freundschaft. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die gemeinsam zu meisternden Gefahren der Mission, wie der Weltraumspaziergang vom sowjetischen Raumschiff zu der trudelnden Discovery, bei dem der Todesangst ausstehende Amerikaner von seinem sowjetischen Kollegen beruhigt wird. Besonders eindrücklich ist die Szene, in der sich der amerikanische Missionsleiter Floyd (Roy Scheider) und eine junge sowjetische Astronautin während eines riskanten Manövers des Schiffs in Floyds Kabine aneinander klammern. Die unterschiedlichen Uniformen und die Sprachbarriere spielen in diesem Moment, in dem zwei um ihr Leben fürchtende Menschen einander Halt geben, keine Rolle. Ganz anders die Situation auf der Erde: Als ein sowjetisches Schiff versucht, die amerikanische Blockade von Honduras zu durchbrechen, wird es versenkt. Die UdSSR reagiert mit der Zerstörung eines Satelliten durch ihre Weltraumwaffen. Die diplomatischen Beziehungen werden abgebrochen. Die beiden Länder befänden sich praktisch im Krieg, wird den Astronauten mitgeteilt, die man auffordert, den Kontakt untereinander ebenfalls abzubrechen und das Schiff der jeweils anderen Seite – die Discovery ist mittlerweile wieder funktionstüchtig – nicht mehr zu betreten, solange sie auf ihr noch Monate entferntes Fenster zur Heimreise warten. »I only hope there’s an earth left for you to return to«, verleiht Floyds Vorgesetzter seiner Besorgnis Ausdruck. In dieser Situation nimmt eine mysteriöse außerirdische Intelligenz mit den Menschen Kontakt auf, die offenbar mit unerklärlichen Hinweisen auf Leben auf dem Jupitermond Europa und dem riesigen im All treibenden Monolithen, den die Astronauten ohne Erfolg zu erforschen versucht haben, in Verbindung steht. Floyd wird mitgeteilt, dass Amerikanern und Sowjets nur zwei Tage bleiben, um die Nähe von Jupiter zu verlassen. Dieser Umstand zwingt sie entgegen ihren Befehlen erneut zusammenzuarbeiten, denn nur durch den kombinierten Einsatz der geringen Treibstoffvorräte in beiden Schiffen kann eine vorzeitige Rückkehr zur Erde bewerkstelligt werden. »Just because our governments are behaving like asses doesn’t mean that we have to«, beschwört Floyd die sowjetische Kommandantin Tanya Kirbuk (Helen
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Mirren) – und überzeugt sie. Gemeinsam gelingt ihnen gerade rechtzeitig die Flucht an Bord des sowjetischen Raumschiffs, als Jupiter in sich zusammenfällt und an seiner Stelle eine zweite Sonne erscheint. Während dieses unglaublichen Ereignisses übermittelt HAL kurz vor der Zerstörung der Discovery im Auftrag der außerirdischen Intelligenz »the most important message« an die Menschheit: »All these worlds are yours except Europa. Do not attempt landing there. Use them together. Use them in peace.« Der Film endet mit Bildern einer friedlichen Erde, die nun von zwei Sonnen beschienen wird, während Floyd in einer Nachricht an seinen Sohn aus dem Off berichtet, dass der amerikanische Präsident und der sowjetische Premier am nächsten Tag ihre Schiffe und Flugzeuge zurückgerufen hätten: »Perhaps they learned something.« Die Begegnung mit friedlichen Außerirdischen, die eine Art Erlöserfunktion übernehmen, war zu dieser Zeit kein ungewöhnliches Motiv. Es taucht auch in Close Encounters of the Third Kind (1977), E.T. the Extra-Terrestrial (1982), Starman (1984), Cocoon (1985) oder Flight of the Navigator (1986) auf. Wenn Joseph Sartelle im Motiv des außerirdischen Eingreifens generell einen Ausdruck von Zweifeln an der Kraft der USA, ihre Probleme selbst zu bewältigen, sieht,277 dürfte das zumindest für 2010 zutreffen. Vor dem Hintergrund der extremen Spannungen bis zum Jahr 1984 drückt der Film die Sorge um die Fähigkeit der Menschheit aus, den großen Krieg zu verhindern. Er erinnert damit an The Day the Earth Stood Still (1951), den pazifistischen Klassiker aus dem frühen Kalten Krieg. Auch hier wird die kriegerische Menschheit von höher entwickelten Außerirdischen gewarnt, in diesem Fall sogar mit einem Ultimatum bedroht. Allerdings ist zu beachten, dass die außerirdischen Messiasse offensichtlich Verwandte der Superhelden sind, was an einer Figur wie Superman, der beiden Gruppen zugehörig ist, besonders deutlich wird. Das Motiv außerirdischen Eingreifens ist also wiederum nur eine Variation der bekannten Mythen, deren transzendentaler Gehalt in dieser Ausformung noch augenscheinlicher ist. Im Gegensatz zu den Superhelden wirken die gottähnlicheren außerirdischen Erlöser meistens ohne Anwendung von Gewalt, weshalb diese Variante des Mythos insgesamt friedlicher und versöhnlicher daherkommt. Auch Hyams’ Film ist von den Klischees des Kalten Krieges nicht völlig frei. Die technische Leistungsfähigkeit der Sowjets spiegelt beispielsweise nicht nur Respekt vor deren wissenschaftlichem Potential wider, sie steht auch in Zusammenhang mit dem Bild der den USA mindestens ebenbürtigen, militärisch hochgerüsteten Supermacht, die in anderen Filmen als Bedrohung wahrgenommen wird. Seitenhiebe auf das sowjetische System – etwa die Umbenennung des Raumschiffs, weil der ursprüngliche Namensgeber plötzlich in Ungnade gefallen ist – bleiben auch nicht aus, und die Initiative zu einer echten Zusammenarbeit geht von den amerikanischen Astronauten aus. Zudem wird die Annäherung zwischen beiden Seiten wie in Spies Like Us und in Enemy Mine, wo sich der echsenartige Außerirdische als Zwitterwesen entpuppt und ein Kind zur Welt bringt, zumindest zum Teil durch die Feminisierung der Sowjets – in der Figur Tanyas und in der Szene mit der jungen Astronautin – er277 Vgl. Sartelle, »Hollywood-Blockbuster«, 470. Zu diesen Filmen siehe auch Hugh Ruppersburg, »The Alien Messiah in Recent Science Fiction Films«, in: JPFT 14:4 (1987), 159-66, der sie wegen der Negation der Möglichkeit, dass die Menschheit ihre Probleme durch Fortschritt selbst lösen kann, als reaktionär ansieht.
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möglicht. Dass die außerirdische Intelligenz den beiden Supermächten, deren Koexistenz auch in den zwei Sonnen symbolisch zum Ausdruck kommt, quasi die Herrschaft über die Welt(en) mit Ausnahme Europas überträgt, hat darüber hinaus einen bedenklichen Unterton im Hinblick auf den Status der Dritten Welt. Aber trotz dieser Elemente darf man die ›Kontaktaufnahme‹ in 2010, der die Sowjets in der Zeit von Red Dawn und Rambo ungewohnt positiv darstellte, auf keinen Fall zu gering bewerten. Die Sowjets erscheinen hier als vernünftige, ja sogar sympathische Menschen. Mit dem daraus folgenden eindeutigen Appell für einen Frieden, der über die bloße Vermeidung von Krieg hinausgeht und stattdessen eine echte Annäherung beider Seiten fordert, nimmt 2010 unter den Filmen der frühen 1980er Jahre eine besondere Stellung ein. Es gab also auch während der Wiederbelebung des Kalten Krieges Filme, die sich nicht dem neuen Konsens anschlossen, die vielmehr die amerikanische Politik kritisierten und zum Teil sogar für echte Völkerverständigung plädierten. Allerdings handelt es sich dabei um vergleichsweise wenige und von der Öffentlichkeit oft kaum beachtete Produktionen,278 die durch ihren Ausnahmestatus die vorherrschenden Tendenzen letztendlich noch deutlicher werden lassen, als Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Ein echter, umfassender Wandel des Feindbildes setzte erst in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre mit dem Beginn einer neuen Entspannungsphase und der Entwicklung hin zum Ende des Ost-West-Konflikts ein.
278 2010 und Spies Like Us waren die größten Kassenerfolge mit 41 bzw. fast 60 Millionen Dollar Einnahmen; Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1984/02010.php (18.06. 2007) und http://www.the-numbers.com/movies/1985/0SPLU.php (18.09.2007).
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2.1 »WE’RE ALL JUST PEOPLE«: HUMANISIERUNG DES GEGNERS Nachdem die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen 1983 mit dem Abschuss des südkoreanischen Verkehrsflugzeugs, der Vorstellung von SDI, der Invasion in Grenada und dem Abbruch der Rüstungskontrollgespräche einen absoluten Tiefpunkt erreicht hatten, schien Reagan zu Beginn des folgenden Jahres plötzlich seinen Kurs zu ändern, als er zunehmend versöhnliche Töne gegenüber der Sowjetunion anschlug. Bereits am 16. Januar erklärte er in einer Grundsatzrede: »1984 is a year of opportunities for peace.« Er begründete dies nicht nur mit der erneuerten Stärke der USA, die eine glaubwürdigere Abschreckung garantiere und einen echten Dialog ermögliche, sondern er erinnerte auch daran, »[that] [o]ur two countries have never fought each other«, und fuhr fort: »There’s no reason why we ever should. Indeed we fought common enemies in World War II. Today our common enemies are poverty, disease, and above all, war.«1 Die Kernelemente dieser Rede – die amerikanische Bereitschaft zu »genuine cooperation«, die Existenz gemeinsamer Interessen und den Verweis auf die friedlichen Beziehungen in der Vergangenheit und das Bündnis im Zweiten Weltkrieg – wiederholte er in den folgenden Wochen immer wieder.2 Die Formel ›Realismus, Stärke und Dialog‹ bestimmte nun die Rhetorik der Reagan-Administration, die fortan die Position vertrat, dass durch ihre bisherige Politik, speziell das Aufrüstungsprogramm, die Stärke der Vereinigten Staaten wieder so weit hergestellt worden sei, dass nun Erfolg versprechende Verhandlungen möglich seien. 1 2
Ronald Reagan, »Address to the Nation and Other Countries on United States-Soviet Relations, January 16th, 1984«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=39806 (27.07.2007). Vgl. Ronald Reagan, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 25th, 1984«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=40205 (12.05.2007); »Radio Address to the Nation on United States-Soviet Relations, February 11th, 1984«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=39512 (27.07.2007). Reagans Behauptung, dass Amerikaner und Sowjets nie gegeneinander gekämpft hätten, ist natürlich nicht korrekt, denn sie ignoriert – wie viele Darstellungen zum Kalten Krieg – die Intervention amerikanischer Truppen zusammen mit denen anderer westlicher Mächte im russischen Bürgerkrieg. Dieser Versuch, die bolschewistische Revolution im Keim zu ersticken, war für das sowjetische Bedrohungsempfinden gegenüber den kapitalistischen Staaten von enormer Bedeutung. Siehe dazu ausführlich David S. Foglesong, America’s Secret War Against Bolshevism: US Intervention in the Russian Civil War, 1917-1920, Chapel Hill 1995.
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Tatsächlich wurden im Juli ein Abkommen über vertrauensfördernde Maßnahmen unterzeichnet und das Fischfangverbot für sowjetische Schiffe in amerikanischen Gewässern aufgehoben. Am 28. September empfing der Präsident zum ersten Mal seit vier Jahren den sowjetischen Außenminister Gromyko. Die Anzeichen, die auf eine echte Verbesserung der Beziehungen hindeuteten, mehrten sich also. Aber die Sowjetunion blieb misstrauisch und behielt einen entsprechenden Kurs bei. Wie die USA vier Jahre zuvor boykottierte sie nun die Olympischen Sommerspiele in Los Angeles. Zudem erhöhte sie zum ersten Mal seit Jahren wieder ihre Verteidigungsausgaben und stationierte weitere SS-20-Raketen als Antwort auf die NATO-Nachrüstung. Die Zurückhaltung der UdSSR gegenüber den ungewohnten Tönen aus Washington war nicht unbegründet. Im November fanden in den USA Präsidentschaftswahlen statt, und der Verdacht lag nahe, dass Reagans neue Rhetorik vor allem wahlkampftaktisch motiviert war. Dies wurde durchaus auch in den Vereinigten Staaten so gesehen. Angesichts der starken Friedensbewegung durfte der Präsident nicht als Kriegstreiber erscheinen. So erklärte auch ein Berater des Weißen Hauses, es gehe darum, sicherzustellen, »[that] the Democrats don’t have an issue.«3 Reagan selbst bestätigte alle Zweifler an seinen Absichten, als er vor einer Radioansprache als Test ins Mikrofon sagte: »My fellow Americans, I am pleased to tell you today that I’ve signed legislation that will outlaw Russia forever. We begin bombing in five minutes.«4 Der Ausspruch wurde zwar nicht gesendet, erreichte aber durch Presseberichte dennoch die Öffentlichkeit. Verständlicherweise konnte man in Moskau über diesen Scherz nicht lachen. Angesichts solcher Momente war es keineswegs klar, wie sich das Ost-West-Verhältnis nach Reagans überwältigendem Wahlsieg in seiner zweiten Amtszeit entwickeln würde. Die Erfordernisse des Wahlkampfs waren sicher ein wichtiger, aber nicht der alleinige Grund für die Abkehr Reagans von einem rein konfrontativen Kurs gewesen. Eine entscheidende Rolle spielten daneben wohl auch die für ihn überraschende Erkenntnis, dass die UdSSR sich tatsächlich vor einem amerikanischen Angriff fürchtete,5 sowie der wachsende Einfluss seines Außenministers George Shultz, der mit den Hardlinern um Verteidigungsminister Weinberger um eine pragmatischere Ausrichtung der amerikanischen Außenpolitik rang.6 Reagans Überzeugung, die USA wieder zu einer Position der Stärke geführt zu haben, war wohl ebenfalls bedeutsam, möglicherweise auch, wie manche vermuteten, der Wunsch seiner Frau Nancy, ihn als Friedensnobelpreisträger in die Geschichte eingehen zu sehen.7 Zudem war er trotz seiner oft anders wirkenden Rhetorik tatsächlich ein Befürworter der umfassenden Abrüstung von Atomwaffen8 und durchaus bereit, dieses Ziel gemeinsam mit einem sowjetischen Führer zu verfolgen, den er für vertrauenswürdig hielt. Bislang war er 3 4 5 6 7 8
Zitiert nach »Changing His Tune«, in: Time 25.06.1984. Zitiert nach »Party Time in Dallas«, in: Time 27.08.1984. Siehe dazu Garthoff, Great Transition, 138-40; Schild, 1983, 191-202, hier v.a. 193 u. 199. Vgl. Raymond A. Moore, »The Reagan Presidency and Foreign Policy«, in: Hill u.a. (Hg.), The Reagan Presidency, 179-98, hier: 180f u. 191. Vgl. ebenda, 196. Das war auch eine Motivation für das SDI-Programm; vgl. Melanson, American Foreign Policy, 189 und Harbutt, Cold War Era, 276.
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jedoch überzeugt gewesen, dass man den Sowjets nicht trauen konnte, weil sie angeblich von Lenin formulierten Leitlinien folgten, die besagten, dass die einzige verpflichtende Moral die Ausbreitung des Kommunismus sei und »that promises are like pie crust, made to be broken.«9 Nicht zuletzt deshalb war es für das Ende des Kalten Krieges, das zweifellos von vielen Faktoren beeinflusst wurde, vielleicht das wichtigste einzelne Ereignis, dass in der Sowjetunion 1985 in der Tat ein Mann an die Spitze gelangte, der nicht nur für ein ›Neues Denken‹ in seinem Land eintrat, sondern auch dessen Wahrnehmung im Westen grundlegend verändern sollte: Michail Gorbatschow.10 Mit seiner Wahl zum Generalsekretär am 11. März endete die immer problematischer gewordene Gerontokratie der Breschnew-Generation. Innerhalb von nur anderthalb Jahren waren erst Breschnew und dann sein Nachfolger Andropow verstorben, woraufhin im Februar 1984 mit Tschernenko wiederum ein Mann die Führungsrolle übernommen hatte, dessen baldiger Tod bereits abzusehen war. Dadurch war das Politbüro in der ersten Hälfte der 1980er Jahre nahezu permanent mit internen Machtkämpfen und der Sorge um die Nachfolgeregelung beschäftigt, während sich die USA ihrerseits vor das Problem gestellt sahen, sich ständig auf ein neues Gegenüber einstellen zu müssen. Nicht nur dies änderte sich nun. Der mit 54 Jahren verhältnismäßig junge Gorbatschow und seine Berater konnten nicht zuletzt deshalb eine Wende in der sowjetischen Politik einleiten, weil ihr Blick auf den Ost-West-Konflikt nicht durch die traumatische Erfahrung des Zweiten Weltkriegs und das daraus erwachsene extreme Sicherheitsbedürfnis geprägt war.11 Sie erkannten, dass angesichts der schwachen Wirtschaft der Sowjetunion, der viel zu hohen Ausgaben für das Militär und der 9
Ronald Reagan, »Remarks and a Question-and-Answer Session With Reporters on the Second Anniversary of the Inauguration of the President, January 20th, 1983«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=41498 (07.09.2007). Es ist für das Verständnis seines antikommunistischen Feindbildes durchaus erhellend, dass Reagan sich hier auf die ominösen ›Zehn Gebote‹ Lenins beruft, bei denen es sich – was er nicht wissen mochte – um ein Produkt der NS-Propaganda handelt. Der zitierte Ausspruch zum Wert von Versprechen taucht tatsächlich in Lenins Schriften auf, allerdings zitiert er damit ausdrücklich ein englisches Sprichwort, einmal sogar im englischen Original, und zudem als negativen Kommentar, keineswegs als Leitlinie für Kommunisten. V.I. Lenin, »A Replete Bourgeoisie and a Craving Bourgeoisie«, übers. von Abraham Fineberg/Julius Katzer, http://www.marxists. org/archive/lenin/works/1905/oct/10b.htm; »The Liberals and the Land Problem in Britain«, übers. von George Hanna, http://www.marxists.org/archive/lenin/works/1913/oct/12. htm (beide 02.10.2007). Siehe dazu auch »Pseudonym and Pseudohistory«, in: WP 22.01. 1983; »Kremlin Official Blasts Reagan: Arbatov Questions President’s Competence«, in: WP 22.11.1986; und den Leserbrief »› 10 Commandments‹ of Dubious Origin«, in: NYT 03.02.1983. 10 Zu den gängigen Erklärungsansätzen in der Diskussion um das Ende des Kalten Krieges siehe Vladislav M. Zubok, »Why Did the Cold War End in 1989? Explanations of ›The Turn‹ «, in: Odd Arne Westad, Reviewing the Cold War: Approaches, Interpretations, Theory, London 2000, 343-67; Stöver, Der Kalte Krieg, 467-71; zur »ausschlaggebende[n] Rolle« Gorbatschows ebenda, 469. 11 Vgl. Zubok, »Explanations«, 357. Kurz nach Gorbatschows Amtsantritt wurde auch der altgediente Außenminister Gromyko durch Eduard Schewardnadse abgelöst.
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durch die Machtpolitik gerade auch in der Dritten Welt überspannten Kräfte einschneidende Reformen nötig waren, wenn das sozialistische System gerettet werden sollte. Dazu musste der Kalte Krieg beendet werden, in dem die neue Führung keinen Sinn mehr sah. Gorbatschow machte stattdessen die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit zu einem Credo seiner Politik. Sein Programm zur Reform der Sowjetunion, das unter den Schlagworten ›Perestroika‹ und ›Glasnost‹ berühmt wurde, stieß im Westen weitgehend auf wohlwollende Reaktionen, sobald das anfängliche Misstrauen überwunden war und man sah, dass sich in der UdSSR tatsächlich etwas veränderte. Die persönliche Glaubwürdigkeit des Generalsekretärs spielte dabei eine große Rolle. Gorbatschow erwies sich als ein Mann mit Ausstrahlung, der anders als seine Vorgänger den Kontakt zur Öffentlichkeit suchte und die Menschen für sich und seine Ideen einzunehmen verstand. Noch vor seiner Wahl zum Generalsekretär hatte Großbritanniens ›Eiserne Lady‹ Margaret Thatcher nach einer Begegnung mit ihm festgestellt: »I like Mr. Gorbachev. We can do business together.«12 Die Wirkung Gorbatschows und deren Bedeutung für das Image der UdSSR erklärt sich zum Teil aus einem Phänomen, das in der Feindbildforschung als blacktop illusion bezeichnet worden ist, der – im Ost-WestKonflikt auf beiden Seiten zu beobachtenden – Neigung, die Bevölkerung des als Feind betrachteten Staates als im Grunde gut und den eigenen Vorstellungen zuneigend, aber durch eine böse Führung unterdrückt und manipuliert zu sehen.13 Diese auch in vielen Filmen vertretene Sichtweise – man denke an die zahlreichen Fluchtund Dissidentengeschichten – rechtfertigte das eigene Vorgehen im Konfliktfall, indem man beanspruchte, auch für die Bevölkerung des Feindes zu handeln, sie ermöglichte es aber auch, die Sowjetunion deutlich positiver zu betrachten, sobald mit Gorbatschow ein einnehmender Staatschef die ›schwarze Spitze‹ ersetzte. Vor allem in Europa wuchs sich ›Gorbis‹ Beliebtheit mit der Zeit zu einer regelrechten ›Gorbimania‹ aus. Zusammen mit seiner Frau Raisa, deren demonstratives Auftreten an seiner Seite ebenfalls ein Novum war,14 vermittelte er dem Westen ein positives Bild der Sowjetunion des ›Neuen Denkens‹. Man glaubte ihm, wenn er über Frieden und Abrüstung sprach. »Gorbachev is a different kind of fellow than those previous leaders«, befand auch Reagan im Dezember 1987: »I believe his desire for change is real. […] And he seems sincere when he talks about his desire for peace.«15 Reagan zeigte schon bald nach Gorbatschows Amtsantritt Interesse an einem Gipfeltreffen, das dann im November 1985 in Genf stattfand. Bis dahin hatte der 12 Zitiert nach »Getting a Closer Look«, in: Time 31.12.1984. 13 Vgl. dazu Shawn M. Burn/Stuart Oskamp, »Ingroup Biases and the U.S.-Soviet Conflict«, in: JSI 45:2 (1989), 73-89, hier: 73 u. 85f. Dazu ist zu bemerken, dass es sich bei der westlichen Einschätzung der Beziehung von Bevölkerung und Regierungen im Ostblock insgesamt weniger um eine Illusion handelte, als das umgekehrt der Fall war. 14 Im Juni 1988 widmete Time Raisa Gorbatschowa sogar eine Titelgeschichte (06.06.1988). 15 Zitiert nach »Reagan on Gorbachev: ›We Can Get Along‹ «, in: Time 28.12.1987. In den ersten Jahren war Gorbatschows Reformkurs in der Reagan-Regierung allerdings vor allem als Herausforderung, nicht als Chance, gesehen worden; vgl. Robert Legvold, »Lessons from the Soviet Past«, in: Richard C. Nelson/Kenneth Weisbrode (Hg.), Reversing Relations with Former Adversaries: U.S. Foreign Policy After the Cold War, Gainesville u.a. 1998, 17-43, hier: 23f.
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sowjetische Generalsekretär bereits erste einseitige Schritte unternommen, um die Lage zu entspannen und den Wunsch der UdSSR nach Abrüstung zu untermauern: Im April unterbrach er die Stationierung der SS-20-Raketen, im Juli verkündete er ein Moratorium der Kernwaffenversuche und im Oktober ließ er die SS-20 in Europa wieder auf den Stand vom Juni 1984 reduzieren. Die Ergebnisse des Gipfels waren dennoch, wie zunächst auch nicht anders zu erwarten, bescheiden. Die beiden Staatschefs einigten sich lediglich auf eine gemeinsame Erklärung, dass ein Krieg unter allen Umständen vermieden werden müsse. Aber es zeigte sich bereits bei diesen ersten Gesprächen, dass der amerikanische Präsident und sein neues Gegenüber persönlich gut miteinander auskamen, was der weiteren Entwicklung nur dienlich sein konnte. Vor dem Kongress erklärte Reagan zu dem Gipfel: »I called for a fresh start, and we made that start. I can’t claim that we had a meeting of the minds on such fundamentals as ideology or national purpose, but we understand each other better, and that’s a key to peace.«16 Er betonte aber, dass die erfolgreiche Politik der vergangenen Jahre, die Politik der Stärke, weitergeführt werden müsse. Das Verhältnis zwischen den Supermächten blieb vorerst angespannt, und die US-Politik verschärfte sich 1986 teilweise sogar noch, etwa durch die Lieferung von Stinger-Raketen an die Mudschaheddin und die Widerstandskämpfer in Angola. Reagan versicherte, dass sich an seiner Grundeinstellung nichts geändert habe: »It will be a cold day in Hades when I go soft on Communism.«17 Dennoch fand im Oktober ein weiteres Gipfeltreffen statt, diesmal in Reykjavik in Island. Bei diesen Gesprächen lag bereits eine Sensation in der Luft, als sich Gorbatschow und Reagan beinahe auf eine völlige Abrüstung aller Atomwaffen einigten, aber schließlich kam nicht einmal ein weniger bedeutender Vertrag zustande, da die Vereinigten Staaten nicht bereit waren, auf das SDI-Programm zu verzichten, das die Sowjets wiederum auf jeden Fall gekippt sehen wollten. Als die UdSSR im Februar 1987 ihre Atomwaffentests wiederaufnahm, schien das kein gutes Zeichen für die Ost-West-Beziehungen zu sein. Der Bericht der Reagan-Administration zur nationalen Sicherheitsstrategie erneuerte zu dieser Zeit die alten Vorwürfe gegen die sowjetische Regierung und stellte klar: »The most significant threat to U.S. security and national interests is the global challenge posed by the Soviet Union. […] Moscow seeks to alter the existing international system and establish Soviet global hegemony.«18 Dass es dennoch in diesem Jahr zu einem entscheidenden Durchbruch kam, war vor allem zwei Entwicklungen zu verdanken: Zum einen stand Reagan nach der Aufdeckung der Iran-Contra-Affäre unter Druck und brauchte deshalb einen außenpolitischen Erfolg.19 Durch das Ausscheiden einiger Hardliner aus der Regierung, auch in Folge dieses Skandals, hatte zudem Außenminister Shultz an Einfluss gewonnen. Zum andern zeigte sich Gorbatschow gewillt, auch bislang unvorstellbare Kompromisse zu machen, um einen Abrüstungsvertrag zu erreichen. Bis dahin hatte das Misstrauen beider Seiten jede echte Einigung unmöglich gemacht, da sich entweder 16 Ronald Reagan, »Address Before a Joint Session of the Congress Following the SovietUnited States Summit Meeting in Geneva, November 21st, 1985«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=38088 (09.10.2007). 17 Zitiert nach »Has Reagan Gone Soft?«, in: Time 13.10.1986. 18 National Security Strategy of the United States, o.O. 1987, 6. 19 »Can he recover?«, fragte Time am 09.03.1987 auf dem Titelblatt.
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die USA oder die UdSSR immer übervorteilt gefühlt hatten, wenn ihr Gegenüber einen Vorschlag machte.20 Das hing unter anderem mit der unterschiedlichen Zusammensetzung, Zählung und Beurteilung der Kernwaffenarsenale zusammen.21 Der Anspruch beider Seiten auf Parität war so zum Vorwand dafür geworden, dass die Aufrüstung immer weiter ging. Gleichzeitig pflegte jeder dem anderen vorzuwerfen, dass er sich nicht an die bisherigen Abmachungen halte und die Abrüstung blockiere. Gorbatschow durchbrach diesen verhängnisvollen Kreislauf, als er sich dazu bereit erklärte, die Abschaffung aller Mittelstreckenraketen zu akzeptieren, obwohl die USA weiter an dem SDI-Programm festhielten. Dies war wohl eher der Erkenntnis zuzuschreiben, dass SDI keine echte Bedrohung für die Sowjetunion darstellte, als der Überzeugung, den Rüstungswettlauf verloren zu haben. Jedenfalls machte dieses Einlenken den INF-Vertrag möglich, der am 8. Dezember 1987 in Washington unterzeichnet wurde und erstmals eine ganze Klasse von Nuklearwaffen eliminierte.22 Der Gipfel in der amerikanischen Hauptstadt war dann auch ein enormer PR-Erfolg für die beiden Staatschefs, für Gorbatschow noch mehr als für Reagan. Die Beliebtheit des sowjetischen Generalsekretärs im Westen erreichte ungeahnte Höhen, und Time wählte ihn zum »Man of the Year«.23 Mit dem INF-Vertrag war die Wende in den Ost-West-Beziehungen endgültig geschafft. Von nun an machte die Entspannung rasche Fortschritte. Im Februar 1988 gab Gorbatschow den schon lange geplanten Rückzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan binnen Jahresfrist bekannt.24 Wie sehr sich die Situation geändert hatte, zeigte sich bei Reagans Besuch in Moskau im Juni desselben Jahres, als der scheidende Präsident auf die Frage, ob er die UdSSR immer noch als »evil empire« bezeichnen würde, antwortete: »No. I was talking about another time, another era.«25 Die Veränderungen im politischen Klima schlugen sich relativ schnell auch in der Filmproduktion nieder. Im vierten Filmabenteuer Supermans etwa, das 1987 unter dem programmatischen Titel Superman IV: The Quest for Peace in die Kinos kam, befreit der Held auf Bitten eines kleinen Jungen die Welt von sämtlichen Atomwaffen. Der Film verweist damit auf die zu dieser Zeit keimende Hoffnung auf ein Ende 20 Zur Schwierigkeit der Abrüstungsverhandlungen siehe ausführlich Frei, Feindbilder und Abrüstung. Dass diese Einschätzungen teilweise bis heute nachwirken, beweist die Debatte »Were nuclear-arms-control negotiations beneficial to the United States?«, in: History in Dispute 6, 30-7. 21 Beispielsweise baute die Sowjetunion vor allem auf landgestützte Raketen, während die USA durch eine größere Zahl strategischer U-Boote und Bomber flexibler waren, was die UdSSR berücksichtigt wissen wollte. 22 Dazu ausführlich Garthoff, Great Transition, 325-37; Betty Glad/Jean A. Garrison, »Ronald Reagan and the Intermediate Nuclear Forces Treaty: Whatever Happened to the ›Evil Empire‹?«, in: Eric J. Schmertz u.a. (Hg.), President Reagan and the World, Westport/ London 1997, 91-107. 23 Siehe Time 04.01.1988. 24 Allerdings unterstützten sowohl die USA als auch die UdSSR weiterhin die verschiedenen Bürgerkriegsparteien; vgl. Scott, Deciding to Intervene, 73-7. 25 Zitiert nach Garthoff, Great Transition, 352. Vgl. auch Ronald Reagan,»›The President’s News Conference Following the Soviet-United States Summit Meeting in Moscow, June 1st, 1988«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=35903 (02.10.2007).
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der Gefahr einer nuklearen Apokalypse. Schon in den ersten Jahren nach Gorbatschows Amtsantritt zeigte sich zunehmend auch ein gewisser Wandel in der Darstellung der UdSSR und des Konflikts zwischen den Bündnissystemen. Dass sich die Filmemacher der problematischen Eindimensionalität vieler ihrer Porträts zum Teil durchaus bewusst waren, wurde bei einem Treffen zwischen amerikanischen und sowjetischen Regisseuren und Autoren im März 1987, das sich mit der gegenseitigen Darstellung beschäftigte, deutlich. Der an sich schon einen Umbruch signalisierende Austausch, an dem allerdings keine Verantwortlichen der extremsten antikommunistischen Filme wie Red Dawn (1984) oder Rocky IV (1985) beteiligt waren, legte die stereotype Figurenzeichnung beider Seiten offen. »In general, the American participants in the meeting described themselves as embarrassed by the Hollywood film clips«, berichtete die New York Times. »›We outstereotyped you,‹ Franklin Schaffner, the director of ›Patton,‹ said to the Soviet delegation.«26 Tatsächlich ließen sich zu dieser Zeit Tendenzen erkennen, sowjetische Charaktere ausgeglichener und menschlicher zu zeichnen. Der Thriller No Way Out (1987) beispielsweise präsentiert skrupellose US-Politiker, die eine Hexenjagd auf einen angeblichen Doppelagenten im Pentagon inszenieren, um den Mord des Verteidigungsministers an seiner Geliebten zu vertuschen, also den Kalten Krieg als Deckmantel für ihre eigenen Verbrechen missbrauchen. Zu guter Letzt konfrontiert der Film den Zuschauer mit der Enthüllung, dass ausgerechnet der sympathische und moralisch integere Held (Kevin Costner) ein sowjetischer Spion ist. Diese überraschende Wendung zwingt das Publikum förmlich dazu, stereotype Rollenklischees zu überdenken, zumal Figurenkonstellation und Handlung gleichzeitig Vergleiche mit dem damals aktuellen Iran-Contra-Skandal evozieren.27 Es ist durchaus folgerichtig, dass es gerade das Genre des Agentenfilms ist, dem viele Beispiele für die Humanisierung des Feindes mit der einsetzenden Entspannung zuzuordnen sind. Nicht nur, weil hier schon immer eine sehr enge Verbindung zur Tagespolitik zu beobachten war, sondern auch, weil der Spionage-Thriller seit der Verfilmung von John Le Carrés Roman The Spy Who Came in from the Cold (1965)28 generell dazu neigte, eine ambivalentere Sicht auf den Ost-West-Konflikt zu vermitteln. Der Kalte Krieg, ausgetragen in der Schattenwelt der Geheimdienste, wurde immer wieder als ein zynisches Spiel porträtiert, in dem beide Seiten mit schmutzigen Tricks, mit Verrat, Erpressung und Mord arbeiteten. Auch in den 1980er Jahren waren die Fronten in diesem Genre nicht mit so großer moralischer Sicherheit geklärt wie in vielen anderen zur gleichen Zeit produzierten Filmen. The Falcon and the Snowman (1985) etwa erzählt, basierend auf einem wahren Fall, die Geschichte eines jungen Amerikaners, der halb aus Langeweile, halb aus Entsetzen über die Machenschaften der CIA zum Verräter wird. Und in Arthur Penns Target (1985) wird die Frau des Helden zwar auf Geheiß eines ostdeutschen Geheimdienstmannes entführt, als wahrer Bösewicht und Mörder von Frauen und Kindern entpuppt sich aber ein amerikanischer Doppelagent, während der an Leib und Seele verkrüppelte Stasi-Mann eine zutiefst menschliche, Mitleid erweckende Figur ist. Die
26 »U.S. and Soviet Film Makers Debate Stereotypes«, in: NYT 25.03.1987. 27 Vgl. dazu auch Palmer, Films of the Eighties, 225. 28 John Le Carré, The Spy Who Came in from the Cold, New York 1963.
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bereits etablierte Ambivalenz machte es den Vertretern dieses Genres also einfacher, zu einer positiveren Darstellung der Sowjets und ihrer Verbündeten überzugehen.29 Diese lässt sich auch in Little Nikita (1988) beobachten. Bei einer Routineüberprüfung von Bewerbern für die Air Force findet der FBI-Agent Parmenter (Sidney Poitier) heraus, dass die Eltern des jungen Jeffrey Grant (River Phoenix) Schläfer sind, sowjetische Agenten, die Ende der 1960er Jahre in die USA eingeschleust worden sind und sich dort eine völlig normale Existenz aufgebaut haben, während sie auf ihre Aktivierung durch das KGB warten. Der Film stellt diese Schläfer aber nicht als existentielle Bedrohung für die Vereinigten Staaten dar, vielmehr sind sie selbst in Gefahr, als der sowjetische Agent Scuba seine Regierung mit der Drohung erpresst, alle Mitglieder des Netzwerks in San Diego, wo sich eine große Marinebasis befindet, zu ermorden. Während Parmenter hofft, über Jeffs Eltern an Scuba heranzukommen, der auch der Mörder seines Partners ist, schicken die Sowjets den Spionage-Veteranen Karpov in die USA, um den Renegaten dingfest zu machen. Eine Szene in der Botschaft in Mexiko, wo Karpov seine Anweisungen erhält, nimmt direkt auf die politischen Ereignisse der Entstehungszeit des Films Bezug. Während der Besprechung läuft auf einem Fernseher im Hintergrund ein Bericht über das Treffen zwischen Gorbatschow und Reagan in Genf. Karpov wird eingeschärft, jegliches Aufsehen zu vermeiden. BOTSCHAFTSANGEHÖRIGER: »What we fear most is the American media.« KARPOV: »I remember when we used to fear the CIA.« BOTSCHAFTSANGEHÖRIGER: »Everything changes, Karpov.«
Mit einem amüsiert-verächtlichen Blick auf den Fernseher und die Bilder der beiden Staatschefs erwidert Karpov: »Nothing changes.« Aber auch wenn er hier die Abgeklärtheit eines alten Agenten an den Tag legt, der keine Illusionen über den Wert von Gipfeltreffen hat, womit er auch das amerikanische Misstrauen widerspiegelt, dass es sich bei Gorbatschows ›Neuem Denken‹ nur um eine PR-Offensive handeln könnte, zeigt der Film eben doch eine Veränderung, eine leicht gewandelte Sicht auf die Sowjets. So wird Scuba, dargestellt von Richard Lynch, der auch den sowjetischen Agenten in Invasion U.S.A. (1985) gespielt hatte, von Parmenters Vorgesetztem als »a burnt-out double agent« charakterisiert: »Scuba has been turned so many times he looks like an omelette.« Sein Status ist also der eines zwielichtigen Verräters, der für beide Seiten gearbeitet hat und zudem nur durch Habgier motiviert ist, nicht etwa durch ideologische Überzeugungen. Obwohl er ein sowjetischer Bösewicht bleibt, ist er dadurch deutlich von der Regierung der UdSSR separiert. Die Schläfer, die einer nach dem anderen von ihm ermordet werden, sind dagegen durchweg hilflose Opfer. Zuletzt sind nur noch die Grants am Leben, die uneingeschränkte Sympathieträger sind, auch wenn der zweite Vorname ihres Sohnes Nikita ist. Dass Jeff die wahre Identität seiner Eltern nie geahnt hat, ist für den Zuschauer nur zu verständlich, denn die Familie ist so amerikanisch, wie es nur geht. Die Anfangssequenz des Films zeigt die Grants als gut integrierte Mitglieder ihrer Gemeinde bei einem Festumzug, bei dem sie in historischen Kostümierungen aus der Bürgerkriegszeit auftreten, der Vater passenderweise als General Ulysses S. Grant. Im wei29 Zum Spionage-Film in den 1980ern siehe auch Palmer, Films of the Eighties, 222-32.
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teren Verlauf der Handlung gibt es keinen Zweifel daran, dass es sich hierbei nicht um eine arglistige Täuschung handelt, sondern dass diese sowjetischen Agenten, die ja auch immer nur auf ihren Einsatz gewartet haben, aber nie an einer Spionage- oder Sabotageaktion beteiligt waren, tatsächlich völlig amerikanisiert sind. Parmenters Informationen entlasten die beiden noch weiter, denn der Zuschauer erfährt, dass Jeffs Vater schon in der Sowjetunion eine Vorliebe für westliche Musik hatte und als Schwarzmarkthändler zwei Jahre in einem KGB-Gefängnis saß, ehe er sich praktisch gezwungenermaßen als Agent zur Verfügung stellte. Als Karpov mit ihnen Kontakt aufnimmt und sie aktiviert, um Scuba in eine Falle zu locken, sind die Grants denn auch völlig verzweifelt und verweigern den Gehorsam. Karpov muss Jeff entführen, um ihre Hilfe zu erzwingen. Die Heimat dieser Familie ist nicht die Sowjetunion, sondern Amerika. Daran gibt es keinen Zweifel, als Jeffs Vater Frau und Sohn mit dem letzten Satz des Films auffordert: »Let’s go home!« Die Humanisierung der Grants geht also einher mit einer vollständigen Amerikanisierung, weshalb man nur eingeschränkt argumentieren kann, dass diese letztendlich eher Dissidenten als Agenten vorstellenden Figuren eine positivere Darstellung von Sowjets zeigen. Diese lässt sich aber an Karpov nachweisen. Der KGB-Agent ist zwar ein wesentlich zwielichtigerer Charakter als Parmenter, der schon durch die star persona von Sidney Poitier als vorbehaltlos gut gekennzeichnet ist, oder die amerikanisierten Grants, aber er ist keine Negativfigur wie etwa Chaiko in White Nights (1985) oder hier Scuba. Mit Parmenter verbindet ihn eher professionelle Konkurrenz als Feindschaft, und sein scheinbar skrupelloses Vorgehen, die Entführung Jeffs, um erst dessen Eltern unter Druck zu setzen und dann von Parmenter die Auslieferung Scubas zu erzwingen, wird am Schluss relativiert. »Russians don’t shoot their children«, klärt er den FBI-Agenten freundlich über seinen Bluff auf und macht damit deutlich, dass es selbst für die so oft als Unmenschen gezeichneten sowjetischen Geheimdienstler moralische Grenzen gibt.30 Karpov ist ein zwiespältiger, aber menschlicher Charakter. Dass die Sowjets in diesem Film nicht der böse Feind sind und Scuba eine Bedrohung für beide Seiten darstellt, zeigt sich im Finale auch daran, dass Parmenter und Karpov, FBI und KGB, den Renegaten im entscheidenden Moment gemeinsam erschießen, Seite an Seite stehend. Die unabhängigen Bemühungen beider Dienste, Scuba zu eliminieren, führen so letztendlich zu einem Moment der Zusammenarbeit. Dieses Motiv der Kooperation gegen auf eigene Faust handelnde sowjetische Militärs und Geheimdienstmänner taucht noch in einigen anderen Filmen dieser Zeit auf, beispielsweise in The Living Daylights (1987), mit dem die James-Bond-Reihe, die in der ersten Hälfte der 1980er Jahre auch die Verschärfung des Kalten Krieges mitgemacht hatte, den Wandel zu einem heterogeneren, insgesamt vorteilhafteren Bild von der UdSSR vollzog.31 Auch dieser Film reflektiert bewusst die »new policy of dé30 Der von Palmer, ebenda, 228, zitierte Satz »Russians are not monsters« fällt allerdings weder an dieser noch an einer anderen Stelle des Films. Palmer gibt die Schlussszene insgesamt nicht korrekt wieder. 31 Auch in der englischen Produktion The Fourth Protocol (1987) hilft ein hochrangiger KGB-Offizier dem Westen dabei, den Wahnsinnsplan seines Vorgesetzten zu vereiteln, der durch die Zündung einer Atombombe nahe einer amerikanischen Basis die Wahlen in England zugunsten von Labour beeinflussen will. Der Film beruht auf dem gleichnamigen
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tente« nach Gorbatschows Amtsantritt. Auf der einen Seite werden die Sowjets kritisiert, etwa für ihre »so-called wars of liberation« und vor allem für ihr Engagement in Afghanistan. Die Mudschaheddin werden wieder einmal vorbehaltlos als edle Freiheitskämpfer glorifiziert, deren Nähe zum Westen durch einen kultivierten, in Oxford ausgebildeten Anführer garantiert wird. Selbst ihre Verstrickung in den Drogenhandel wird durch zwei simple Argumente – sie brauchen das Geld für ihren Widerstand und verkaufen außerdem ironischerweise nur an die Sowjets – gerechtfertigt. Zum Höhepunkt des Films gehört daher auch der Kampf um einen sowjetischen Luftwaffenstützpunkt, in dem die Mudschaheddin als Helfer Bonds siegen. Auf der anderen Seite ist der KGB-General Koskov ein Renegat, der mit dem psychopathischen amerikanischen Waffenhändler Whitaker einen schmutzigen Drogenhandel betreibt, der der eigenen Bereicherung ebenso dient wie der Beschaffung von modernem Kriegsgerät für den Kampf in Afghanistan. Tatsächlich sieht sich Koskov zu Beginn des Films nur deshalb gezwungen, sein Überlaufen in den Westen vorzutäuschen, weil sein Vorgesetzter, der integere General Pushkin, ihm auf die Schliche gekommen ist. Es ist für das veränderte Klima bezeichnend, dass Bond Koskovs Behauptung, Pushkin plane einen Attentatsfeldzug gegen westliche Agenten, von Anfang an bezweifelt. Wenn er gegenüber M über Pushkin feststellt: »He’s tough and resourceful, but I can’t believe he’s a psychotic«, dann beschreibt er damit offensichtlich nicht nur den KGB-General, sondern die sowjetische Führung insgesamt. Im weiteren Verlauf der Handlung arbeiten Bond und Pushkin zusammen, und Koskov wird am Ende von den Sowjets festgenommen. Den Beginn einer neuen Zeit verkörpert auch der ehemalige KGB-General Gogol, der nun zum Außenministerium gehört und in dieser friedensstiftenden Funktion dafür sorgt, dass Bonds neue Geliebte Kara im Westen bleiben und dennoch als Cellistin im Ostblock auftreten darf. In Produktionen wie The Living Daylights oder Little Nikita fällt somit ein zwiespältiges Bild auf, das einerseits noch darauf beharrt, dass die Gefahr vor allem von sowjetischer Seite ausgeht, andererseits aber die Bösewichte von der Regierung der UdSSR trennt, die als prinzipiell aufrichtig und zur Zusammenarbeit fähig dargestellt wird. Schurken wie Scuba und Koskov stehen nun positivere Vertreter des sowjetischen Staates wie Karpov und Pushkin gegenüber. Darin zeigt sich unzweifelhaft eine Reaktion auf die diplomatische Offensive Gorbatschows, der ebenfalls mit grundsätzlicher Offenheit, aber zunächst noch mit einigem Misstrauen begegnet wurde. Die zunehmend menschlichere Porträtierung des Gegners hinterließ ihre Spuren sogar in einem B-Movie mit altmodischem Konfrontationsszenario wie Black Eagle (1988). Dieser Film präsentiert zwar einen klischeehaften KGB-Oberst als Bösewicht, humanisiert aber zumindest den wichtigsten Gegenspieler des Helden, den Agenten Nikolai, durch die Liebesbeziehung zu seiner Kollegin Natasha. Dass Nikolai von dem bis dahin auf Kampfmaschinen wie den Russen in No Retreat, No Surrender (1985) abonnierten Jean-Claude Van Damme gespielt wird, macht diese Charakterisierung noch auffälliger. Bezeichnenderweise wird er beim Showdown nicht von dem CIA-Agenten Ken Tani getötet, sondern stirbt bei dem Versuch, Natasha zu retten. In einer früheren Szene beweist Ken zudem erstaunliche Sensibilität für die Roman von Frederick Forsyth aus dem Jahr 1984 und spiegelt insofern auch noch die Ängste des Kalten Krieges wider, was in dem Misstrauen gegenüber Labour zum Ausdruck kommt.
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Feindbildproblematik, wenn er auf die Frage seines kleinen Sohnes »They’re bad men, aren’t they?« antwortet: »They probably think we are bad men.« Ausführlich und sehr bewusst setzte sich Russkies (1987) mit dem antikommunistischen Feindbild und seiner Verbreitung durch die amerikanische Populärkultur auseinander. Schon deshalb verdient dieser Film hier besondere Aufmerksamkeit, auch wenn er keinen Erfolg an den Kinokassen hatte.32 Erzählt wird die Geschichte von Mischa, seines Zeichens Funker auf einem Schiff der sowjetischen Kriegsmarine, das in einer Spionagemission unterwegs ist, bei der ein amerikanischer Verräter eine nicht näher spezifizierte »device« an die Sowjets übergeben soll. Der verantwortliche KGB-Offizier besteht darauf, trotz eines heftigen Sturms in einem Schlauchboot zu seinem Treffen mit dem Amerikaner übergesetzt zu werden, das Boot kentert, und Mischa strandet getrennt von seinen Kameraden an der Küste Floridas. Hier trifft er auf Danny, Adam und Jason, drei amerikanische Jungen in Flecktarnkleidung, deren Bild vom Konflikt zwischen den Supermächten durch Actionfilme und SergeantSlammer-Comics geprägt ist. Dementsprechend haben sie verinnerlicht, dass jeder Russe ein ›Ivan‹ ist, der nach der Unterjochung des freien Amerika trachtet. Über das kommunistische System wissen sie bestens Bescheid: ADAM: »In Russia, if you screw up, they don’t give you a second chance to explain yourself. They just kill you.« JASON: »Sounds like my dad.« DANNY: »Yeah, well, if this was Russia and you didn’t like what your parents were doing you just turned them in to the KGB.«
Als die drei den leicht verletzten Mischa finden und überwältigen, werden ihre Vorstellungen mit einer ganz andersartigen Realität konfrontiert. Mischa ist kein hässlicher, brutaler Babyfresser, sondern ein gutaussehender, freundlicher junger Mann, der einfach nur nach Hause will. Adam und Jason lassen sich recht schnell von der Harmlosigkeit ihres Gefangenen überzeugen, nur Danny hält zunächst eisern an seinen Vorurteilen fest. Wie sich herausstellt, hängt das mit seiner Familiengeschichte zusammen: Sein Großvater ist während des Volksaufstandes in Ungarn von sowjetischen Soldaten getötet worden, und sein Vater, der wie Jasons Vater Angehöriger der US-Armee ist, misstraut den Sowjets deshalb nicht nur, er hasst sie. »What if a Russian landed on the beach here? What would you do?«, fragt Danny ihn nach der Entdeckung Mischas. »Kill him«, lautet die knappe Antwort. Danny besteht darauf, dass 32 IMDb gibt das Einspielergebnis für die USA mit knapp über 2 Millionen Dollar an (Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0093898/business, 18.06.2007), The Numbers sogar nur mit wenig mehr als 1 Million (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1987/0RSKS.php, 18.06.2007). Die Einnahmen lagen damit ähnlich niedrig wie bei Little Nikita, der in den USA ca. 1,7 Millionen Dollar einspielte (Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0095532/ business und http://www.the-numbers.com/movies/1988/0LTNK.php, beide 18.06.2007), angesichts des Mitwirkens von Stars wie Sidney Poitier und River Phoenix allerdings als größerer Flop gelten muss. Little Nikita war auch von der Kritik mit großer Einhelligkeit zerrissen worden; vgl. »Poitier in Little Nikita«, in: NYT 18.03.1988; »Little Nikita«, in: WP 18.03.1988; »Little Nikita« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article? AID=/19880318/REVIEWS/803180303/1023 (10.06.2007).
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Mischa den Behörden ausgeliefert werden muss. »Don’t go liberal on this!«, herrscht er Adam an, als der widerspricht. »You’re starting to sound like your dad.« Dass die ›liberale‹ Meinung von Adams Vater in Fragen der nationalen Sicherheit nicht zählt, hat einen einfachen Grund: »He wasn’t even in the service, he didn’t even fight in Vietnam.« Danny hat also auch die in der Kultur des erneuerten Kalten Krieges fest etablierte Rolle der Vietnamveteranen als maßgebliche Instanzen verinnerlicht. Adams Vater gilt ihm als jemand, der von der kommunistischen Bedrohung nichts versteht. Danny erinnert seine Freunde außerdem an eine der wichtigsten Lektionen ihrer antikommunistischen Erziehung, die auch der Inhalt der Sergeant-Slammer-Episode gewesen ist, die sie während des Vorspanns gelesen haben: Dem Feind darf man nie vertrauen. »That’s the oldest trick in the book. Your enemy gets all buddy-buddy with you and when you’re not looking, he clunks you over the head.« Diese Überzeugung ist ein Kernbestandteil des Feindbildes und eines der größten Probleme bei seiner Überwindung. Solange jede freundliche oder nur vernünftige Handlung des Gegners als perfides Täuschungsmanöver interpretiert wird, kann es nie zu einer Annäherung kommen. Wie schon erwähnt wurde, war eine ernsthafte Abrüstungsvereinbarung zwischen den Supermächten aus genau diesem Grund lange Zeit nicht zu erreichen. Auch der verhängnisvolle Kreislauf spiegelbildlicher Schuldzuweisungen wird in einem frühen Dialog zwischen Danny und Mischa auf humorvolle Weise aufgegriffen und ad absurdum geführt. DANNY: »What about Afghanistan?« MISCHA: »What about Vietnam?« DANNY: »What are you talking about? You forced us into that one!« MISCHA: »Forced?« DANNY: »Yeah. You ever hear the domino theory?! You guys are always trying to bump off other countries so you can take over the world.« MISCHA: »It’s American imperialism that threatens world peace.« DANNY: »Wrong, Ivan! It’s the relentless Soviet obsession for world domination.« MISCHA: »Ah, this… this from funny book. Sergeant Slammer number one one four.« DANNY: »That just shows how dumb you are. It’s from no. 98, ›Sergeant Slammer and the Politburo of Death‹.«
Mischa hat sich im Versteck der Jungen mit den Sergeant-Slammer-Comics, den »funny books«, vertraut gemacht, die er als »American propaganda« bezeichnet: »Kill Arabs. Kill Gooks. Kill Russkie. Very nice.« Dannys Rückgriffe auf die politischen Botschaften seines Lieblingshelden zeigen, dass diese Einschätzung durchaus ihre Richtigkeit hat. Russkies thematisiert sehr deutlich den problematischen Einfluss der amerikanischen Populärkultur auf leicht zu beeindruckende Kinder. Neben den für die Handlung bedeutsamen Comics ist der Film gespickt mit Anspielungen auf die zumeist antikommunistischen Actionfilme aus der ersten Hälfte der 1980er Jahre. So hängt beispielsweise über Dannys Bett ein Poster des Schwarzenegger-Films Commando (1985), die Jungen vermuten nach dem Auffinden der Überreste des Schlauchboots eine Invasion »just like in Red Dawn«, und als sie diese sensationelle Entdeckung melden wollen, werden sie von Adams älterer Schwester Diane mit den
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Worten abgefertigt: »Well, wait after I’ve finished this call, I’ll get Chuck Norris on the hot line, okay?« Filme und Comics haben aber nicht nur das Feindbild fest in den Köpfen der Jungen verankert, sondern auch ihre Sicht auf die Vereinigten Staaten in bedenklicher Weise beeinflusst, wenn die Beobachtung der Vorbereitungen für eine Parade zum Nationalfeiertag sie zu folgendem Gespräch veranlasst: JASON: »I wish one day we could have a parade with real American stuff.« ADAM: »Yeah. Like what?« DANNY: »Yeah, like what?« JASON: »I don’t know. Tanks… guns… rockets…«
Krieg und Militär sind in der Vorstellungswelt der Freunde zum Amerikanischen schlechthin geworden. Ihre komplette Freizeitgestaltung – Bücher, Filme und Spiele – dreht sich um dieses Thema, um die Fantasie, selbst Soldat zu sein, was auch ihre Kleidung zum Ausdruck bringt. Kein Wunder, dass Adam die Entdeckung des Schlauchboots mit einem ehrfürchtigen »An invasion! World War III! Awesome!« kommentiert. Auf Dauer kann aber selbst Danny Mischas Charme nicht widerstehen, und so wandelt sich das Feindbild rasch zu einem beinahe ebenso eindimensionalen Freundbild. »Mischa, more like a benign alien than a human being, seems a wildly romanticized representative of the Soviet citizenry, as simplistic as the Rambo-style heroes he’s meant to counterpoint«, stellte die Washington Post korrekterweise fest.33 Tatsächlich weist der sowjetische Seemann keinen einzigen problematischen Charakterzug auf: Er ist friedliebend, freundlich, humorvoll und obendrein tierlieb, wie sein entschlossenes Einschreiten zeigt, als eine Gruppe tumber Amerikaner einen lebend an Land gezogenen Rochen quält. Er hängt an seinem Vaterland und an seiner Familie, aber kommunistische Ideologie ist aus seinem Mund nicht zu vernehmen. Lediglich als er erfährt, dass am Nationalfeiertag der Amerikanischen Revolution gedacht wird, merkt er erfreut auf. Der Film macht mit Mischa aus dem furchteinflößenden russischen Bären einen knuddeligen Teddy, so wie er auch die den Jungen als homosexuell verdächtige Art seines Volkes erklärt, Zuneigung durch Körperkontakt zu zeigen: »Like bear, always hugging.« Es ist daher nicht überraschend, dass er für Danny zunehmend zu einer Vaterfigur wird, dass sich Diane auf den ersten Blick in ihn verliebt und dass die drei Freunde beschließen, ihm zur Rückkehr in die UdSSR zu verhelfen, notfalls mit einem Bootsausflug nach Kuba. Diese einseitige Zeichnung Mischas ist natürlich in gewisser Weise ähnlich problematisch wie die Dämonisierung der Sowjets in anderen Filmen. Sie führt allerdings trotz aller Kritik an der Verbreitung von Feindbildern in der amerikanischen Kultur nicht zu einer negativen Sicht auf die Vereinigten Staaten. Im Gegenteil, Russkies feiert durchaus die Vorzüge Amerikas, und der Tag im Konsumwunderland USA verfehlt auch auf Mischa seine Wirkung nicht. »It’s like part of me was sleeping and... and now is awake. America takes such big bite of life. Such big color. And music. And freedom«, erklärt er begeistert.
33 »Russkies«, in: WP 13.11.1987.
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Die Schurkenrolle wird also nicht von der Sowjetunion auf die Vereinigten Staaten übertragen, vielmehr treten auf beiden Seiten Negativfiguren in Gestalt unverbesserlicher Hardliner in Erscheinung. Bei den Sowjets ist dies der KGB-Offizier, der parallel zu Mischas Annäherung mit den Jungen versucht, seine Mission doch noch zu erfüllen, und die neue Freundschaft fast zerstört, als er Mischa zwingt, Danny zu fesseln, dessen gerade erst überwundene Vorurteile vom verräterischen Kommunisten damit doch noch bestätigt zu werden scheinen. Mischas Versuch, nach dem Vorbild der Jungen eine demokratische Abstimmung über das weitere Vorgehen durchzuführen, wird von dem KGB-Offizier rüde unterbunden, womit, wie durch die Erwähnung des Volksaufstandes in Ungarn, doch vorsichtig auf die Schattenseiten des sowjetischen Systems hingewiesen wird. Als Pendant des KGB-Manns auf amerikanischer Seite fungiert Jack, ein Armeeangehöriger und brutaler Schläger, der zu den Tierquälern am Hafen gehört und auf dem Höhepunkt des Films auf eigene Faust die Verfolgung der Sowjets aufnimmt. Mit seinem Maschinengewehr und dem um die Brust gewickelten Patronengurt gibt er dabei eine lächerliche Rambo-Parodie ab, einen Erwachsenen, der denselben Comicfantasien verhaftet ist wie zu Beginn die Kinder. Bei der finalen Konfrontation auf dem Wasser, an der auch die Familien der drei Jungen und ein sowjetisches UBoot beteiligt sind, sind es diese beiden negativen Charaktere, die eine Gefahr für alle übrigen darstellen. Jack verursacht beinahe Dannys Tod und schießt Mischa an, der aber den Jungen noch vor dem Ertrinken retten kann, bevor er selbst von dessen Vater aus dem Wasser gezogen wird. Auffälligerweise sind es dann die sowjetischen Marinesoldaten, die einen friedlichen Ausgang ermöglichen, indem sie als erste ihre Waffen senken, als Mischa und Dannys Vater – der eine auf Russisch, der andere auf Englisch – beide Seiten dazu auffordern. Der KGB-Offizier, den schon der Kapitän von Mischas Schiff als »crazy idiot« beschimpft hat, wird in Gewahrsam genommen, mit denselben (untertitelten) Worten, die auch sein amerikanisches Gegenüber zu hören bekommt: »You’re in deep shit, Jack.« Diese abschließende Parallelisierung verdeutlicht noch einmal, dass diese beiden Charaktere weniger für jeweils spezifische amerikanische oder sowjetische Denk- und Handlungsweisen stehen als vielmehr für solche, die auf beiden Seiten zu finden sind. Gleichzeitig wird angedeutet, dass eine neue Zeit begonnen hat, in der diese sich nicht mehr durchzusetzen vermögen und Freundschaft nicht mehr durch Dummheit verhindert wird, wie Mischa zuvor beklagt hat. In dieser neuen Zeit vertauschen Danny, Jason und Adam Sergeant Slammer am Ende mit Tolstois Krieg und Frieden, und wie der Film mit dem Vorlesen einer gewaltverherrlichenden Comicszene begonnen hat, so endet er mit einer Lektion über Freundschaft. Diese wird möglich, so bemüht sich Russkies zu vermitteln, wenn man den Menschen hinter dem Feindbild sieht. Weil Dannys Vater bei seiner ersten Begegnung mit Mischa in einer Bar nicht weiß, dass er einen Russen vor sich hat, kann er dem stummen Fremden als Freund begegnen. »Don’t look like Russians to me. Looks like people«, ruft Jacks Kumpan vielsagend während der Bootsverfolgungsjagd aus und verdeutlicht damit, dass es vor allem um ein Problem der Wahrnehmung geht, um einen vorurteilsbehafteten Blick, um ein vorgefertigtes Bild, das der wesentlichen Erkenntnis im Weg steht, mit der Diane ebenso naiv wie zutreffend die besorgten Eltern zu beruhigen versucht: »I mean, we’re all just people.«
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In der realen Welt sahen die Filmemacher die neue Zeit allerdings noch nicht verwirklicht. Produzent Stephen Deutsch klagte schon vor der Veröffentlichung von Russkies über die Schwierigkeit, im US-Kino eine positive Darstellung von Sowjets zu vermarkten: »It was very difficult to get the movie done. Do people really want to see a Russian in a positive role? The Russians live under the tyranny of their propagandistic system […]. We live under the tyranny of our economic system[.]«34 Ob das geringe Publikumsinteresse wirklich auf die Wahl eines sowjetischen Helden zurückzuführen ist, kann nicht geklärt werden. Möglicherweise war der Film seiner Zeit noch etwas voraus, indem er die neue Tendenz zur Humanisierung der Sowjets auf die Spitze trieb. Die Entwicklung vom Kalten Krieg zur Entspannung sollte sich jedoch fortsetzen.
2.2 »DO I LOOK LIKE THE ENEMY?«: PARTNER GEGEN GEMEINSAME FEINDE Dass das Verhältnis zwischen den beiden Supermächten im Begriff war, sich grundlegend zu ändern, zeigten nicht lange, nachdem Russkies (1987) in den amerikanischen Kinos gelaufen war, einige Produktionen, die eine Zusammenarbeit von Amerikanern und Sowjets gegen gemeinsame Feinde thematisierten. Dieses Motiv war bereits in Filmen wie The Living Daylights (1987) aufgetaucht, allerdings war die Rolle der Sowjets dort noch sehr ambivalent gewesen, da die Bedrohung als ebenfalls aus ihren Reihen kommend dargestellt wurde. Ihr Anteil an der Vereitelung der finsteren Pläne war zudem vergleichsweise gering. Dagegen wurden nun mit Red Heat (1988) und Iron Eagle II (1988) Filme veröffentlicht, in denen die Sowjets als gleichwertige Partner und Verbündete in Erscheinung traten, und zwar gegen gänzlich von ihnen unabhängige Feinde, die beide Seiten gleichermaßen bedrohten. Reagan hatte ja bereits in seinen ersten versöhnlicheren Reden 1984 die Hoffnung auf einen Dialog mit der Erinnerung an das Bündnis im Zweiten Weltkrieg und der Existenz aktueller »common enemies« verknüpft. Die Filme griffen derartige Gedanken nun auf und führten sie konsequent fort, wobei sie eine sich verändernde Bedrohungswahrnehmung reflektierten. So betonte die Nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 1988 zwar, dass es trotz der Veränderungen im sowjetischen Führungsstil bislang keine Beweise gebe, dass sich an ihren langfristigen Zielen etwas geändert habe.35 Im Vergleich zu der ein Jahr zuvor veröffentlichten Version fällt aber auf, dass anderen Bedrohungen jetzt deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde, und es wurde festgestellt: »Although the Soviet Union still poses the primary security threat, we and our allies and friends also face a diversity of other serious security challenges: regional and low-intensity conflicts; the potential for nuclear proliferation; international terrorism; narcotics trafficking; radical politico-religious movements; and problems of instability, succession, and economic development in countries that are important friends and allies.«36
34 Zitiert nach »U.S. and Soviet Film Makers Debate Stereotypes«, in: NYT 25.03.1987. 35 National Security Strategy of the United States, Washington D.C. 1988, 74. 36 Ebenda, 13f.
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Diese Gefahren lösten in den Filmen über amerikanisch-sowjetische Zusammenarbeit das Feindbild des Kalten Krieges bereits ab. Dadurch konnten die Sowjets zu eindeutig positiven Figuren, sogar zu Helden werden. Am deutlichsten vollzogen ist dieser Wandel in Red Heat, der auch durch seine Produktionsgeschichte vom Geist der Entspannung zeugt: Zum ersten Mal erhielt ein amerikanisches Filmteam eine Drehgenehmigung für den Roten Platz. Die positive Darstellung der Sowjetunion dürfte dafür den Ausschlag gegeben haben. Der Film schickt den Moskauer Miliz-Hauptmann Ivan Danko (Arnold Schwarzenegger) nach Chicago, von wo er den georgischen Drogenhändler Viktor Rostavili in die UdSSR überführen soll. Auf dem Weg zum Flughafen wird Viktor jedoch von seinen amerikanischen Geschäftspartnern, einer Gruppe brutaler Schwarzer, die wegen ihrer kahl rasierten Schädel ›Cleanheads‹ genannt werden, befreit. In der Folge muss Danko zusammen mit dem chaotischen amerikanischen Polizisten Art Ridzik (James Belushi) Viktor wieder dingfest machen und den geplanten Drogendeal verhindern. Red Heat präsentiert sich als »glasnost’s first buddy movie«37 und greift damit auf ein bewährtes Muster zurück: Zwei ungleiche Partner müssen sich notgedrungen zusammenraufen und werden trotz ständiger Reibereien zu Freunden. Eine in den 1980er Jahren beliebte Paarung war beispielsweise die eines Schwarzen mit einem Weißen, wie in der äußerst populären Lethal-Weapon-Reihe oder in 48 Hrs. (1982) mit Nick Nolte und Eddie Murphy, der wie Red Heat unter der Regie von Walter Hill entstand.38 Statt eines solchen rein amerikanischen Teams müssen diesmal also der schweigsame, raue Russe und der schnoddrige Amerikaner zusammenarbeiten. Indem der Film die beiden so verschiedenen Polizisten permanent aneinandergeraten lässt, ironisiert er die überholte Konkurrenz zwischen den Systemen und die alten Feindbilder: Ridzik äußert sich vorwiegend herablassend über die Welt hinter dem Eisernen Vorhang, aber Kiew kennt er nur von ›Hühnchen Kiew‹. Immerhin weiß er, dass der Russe Tee in einem Glas mit Zitrone trinkt, weil er Doctor Zhivago (1965) gesehen hat. Danko seinerseits preist fortwährend die Vorzüge des sozialistischen Systems und kommentiert einen Pornofilm im Fernsehen mit einem abschätzigen »Capitalism!«. Auch der Rüstungswettlauf wird auf humorvolle Weise aufgegriffen, wenn Ridzik Danko mit einer 44er Magnum ausstattet und dazu meint: »You are now the proud owner of the most powerful handgun in the world.« Worauf dieser nur entgegnet: »Soviet Podbyrin 9.2 mm is world’s most powerful handgun.« Gleichzeitig wird betont, dass die Unterschiede im Grunde gar nicht so groß oder sogar unwichtig sind. So ist zum Beispiel der auf die Vorschriften pochende Polizeichef laut Danko »like KGB«. Und auch die Ermittlungsmethoden der beiden Beamten sind sich letztendlich nicht unähnlich: »We both go too far«, resümiert Danko. Tatsächlich bringt der Film der handfesten Vorgehensweise des sowjetischen Polizisten, der einen wesentlich lockereren Umgang mit den Rechten von Verbrechern gewohnt ist als seine westlichen Kollegen, einige Bewunderung entgegen. Vor dem Hintergrund zunehmender Gewalt in den amerikanischen Innenstädten im Zusam37 »U.S.-Soviet Buddy Movie With a Chicago Backdrop«, in: NYT 17.06.1988. 38 Auch dieser Film erhielt mit Another 48 Hrs. (1990) eine Fortsetzung. Auf die Lethal Weapon-Reihe (und die interracial buddy movies allgemein) gehe ich ausführlicher in Kap. II.2.1 ein.
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menhang mit Drogenkriminalität tritt hier eine unverhohlene Sehnsucht nach law and order zutage. Was in so vielen Filmen kritisiert wurde, die Missachtung der Menschenrechte durch den autoritären Staat, die Allmacht seiner Organe, das erscheint nun vielmehr als ein Vorzug gegenüber dem demokratischen System, in dem offensichtliche Verbrecher dank juristischer Tricks wieder auf freien Fuß gelangen. Dass Polizisten bei ihren Ermittlungen das Gesetz übertreten und brutal vorgehen, ist im Kino keine Seltenheit und wird vom Zuschauer für gewöhnlich auch goutiert, solange es einer gerechten Sache dient. Insofern ist es nicht überraschend, dass der autoritäre Staat plötzlich in einem positiven Licht erscheint, wenn sich seine Gewalt nicht gegen Unschuldige, sondern gegen Verbrecher richtet. Wenn Danko gegen Mörder, die selbst offensichtlich keinerlei moralische Grenzen kennen, mit rücksichtsloser Brutalität vorgeht, handelt er letztendlich nicht anders als zahllose amerikanische Helden auch. Diese Tradition gewalttätiger Erlöserfiguren wurde an anderer Stelle bereits erörtert. Danko unterscheidet sich von Charakteren wie Clint Eastwoods Dirty Harry lediglich dadurch, dass er durch seine Handlungen nicht in einen Konflikt mit dem System gerät, das er zu retten versucht. »We are not like American police. You ship drugs to my country and one morning you will wake up and find your testicles floating in glass of water next to your bed«, droht er dem Anführer der Cleanheads. An der Umdeutung der sowjetischen Missachtung von Menschenrechten von einem Anlass für Kritik zu einem für fast schon Bewunderung in diesem Kontext werden zwei Punkte deutlich: Erstens wird hier unfreiwillig die Problematik offengelegt, dass Mythen und Populärkultur auch in einer Demokratie Denkmuster transportieren können, die denen autoritärer Ideologien nahe stehen. Dies gilt keineswegs nur für die USA, allerdings fällt im amerikanischen Kino eine besonders starke Tendenz zu radikalen Lösungen auf. So werden in Polizeifilmen die Verbrecher am Ende meist nicht verhaftet und vor Gericht gestellt, sondern in einem finalen Showdown, der natürlich auch auf die Tradition des Westerns zurückgeht, getötet, wobei die Handlung oft so konstruiert ist, dass dies als unausweichlich erscheint – etwa weil nur so das Leben von Unschuldigen gerettet werden kann. Zweitens zeigt sich, dass diese Muster mit Charakteristika des Feindbilddenkens zusammenhängen, nämlich dem Umstand, dass normalerweise geächtete Praktiken wie Folter oder sogar Tötung – das ultimative Tabu innerhalb der eigenen Gesellschaft – gegenüber einem als böse identifizierten Feind nicht nur geduldet, sondern sogar ermutigt und belohnt werden. Genau diese Identifikation von Gut und Böse findet in den meisten Fällen im Film statt und geht einher mit einer emotionalen Anteilnahme am Schicksal der positiven Figuren, weshalb der Zuschauer oft gar nicht realisiert, dass er mit einem zweifelhaften Verhalten konfrontiert wird, und darum auch keine kritische Distanz dazu aufbauen kann. In internationalen Konflikten, insbesondere natürlich in Kriegen, spielen sich identische Prozesse ab. Diese Problematik wird in späteren Kapiteln noch ausführlicher analysiert. Die Sowjets, die allzu oft selbst als essentiell böse und deshalb, etwa in Rambo (1985), als legitime Opfer von Gewaltexzessen dargestellt worden waren, können aus den genannten Gründen nun gegenüber einem gemeinsamen Feind als neuer Verkörperung des Bösen selbst unproblematisch Gewalt anwenden. Dass ihre Gesetze sie dabei weniger behindern, kann vorteilhaft erscheinen. Red Heat erhebt die Sowjetunion aber nicht zum Vorbild.
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DANKO: »In socialist countries, insurance not necessary. The state pays for everything.« RIDZIK: »Yeah, but tell me somethin’, Captain. If you got such a fuckin’ paradise over there, how come you’re up the same creek as we are with heroin and cocaine?« DANKO: »Chinese find way. Right after revolution they line up all drug dealers, all drug addicts, take them to public square and shoot them in back of head.« RIDZIK: »That’d never work here. Fuckin’ politicians wouldn’t go for it.« DANKO: »Shoot them first!«
In diesem Dialog klingt nicht nur wiederum eine gewisse Sehnsucht nach radikalen Lösungen an, die nur einem nicht-demokratischen Staat zur Verfügung stehen, es wird auf der anderen Seite auch klargestellt, dass die UdSSR den USA natürlich nicht wirklich überlegen ist, wie Danko behauptet. Die Verhältnisse im Bereich der Konsumgüter werden deutlich, wenn auch humorvoll gezeigt, wenn Danko und Ridzik ihre Uhren als Abschiedsgeschenke tauschen – ein »1.000 dollar marvel of Western technology« gegen eine »20 dollar East German watch«. Auch an anderen Stellen wird eine gewisse Kritik vorgebracht, vor allem an der Geheimniskrämerei der sowjetischen Behörden, die den Amerikanern zunächst verschweigen, wie gefährlich Viktor wirklich ist, und an Dankos teilweise blindem Gehorsam, der ihn am Ende sogar die Waffe auf Ridzik richten lässt und Viktor damit noch einmal ein vorübergehendes Entkommen ermöglicht. Das tut Dankos ansonsten durchweg positiver Darstellung aber keinen Abbruch. Wenn William Palmer kritisiert, dass Red Heat »zero insight into Russian society« bietet,39 hat er damit nicht Unrecht, aber das ist im Grunde unwesentlich. Wichtig an diesem Film ist, dass er einen ungewohnten Helden präsentiert. »In most films that you see, Soviets are usually portrayed the very negative way. […] So I think this will be the first film where a Soviet comes off in a very, very good way and a heroic way«, meinte Schwarzenegger in einem Werbevideo zum Film.40 Das ist nicht ganz richtig. Sowjetische Helden hatte es auch davor schon in amerikanischen Filmen gegeben, aber sie waren Außenseiter und Dissidenten, keine überzeugten Sozialisten. Selbst Mischa in Russkies (1987) war nicht als Kommunist gezeichnet worden. Danko ist deshalb eine außergewöhnliche Figur, weil er einen Teil des sowjetischen Staatsapparates verkörpert und als Anhänger des Systems dargestellt wird, ohne deswegen Sympathien einzubüßen. Fünf Jahre zuvor hatte William Hurt in Gorky Park (1983) ebenfalls einen Moskauer Ermittler gespielt, aber Renko war ein gänzlich anderer Charakter, ein Kritiker des Systems, für das er arbeitete. Ein Vergleich der beiden Schlussszenen macht den Unterschied offensichtlich: In beiden Filmen melden sich die Helden am Ende von ihrer Mission zurück. Aber Gorky Park zeigt an dieser Stelle in einer Überblendung zurück zu Osbornes Farm, wie Renko die kostbaren Zobel, die er eigentlich töten sollte, um das sowjetische Monopol zu schützen, in die Freiheit der schwedischen Wälder entlässt, also seine Auftraggeber hintergeht und den Interessen seines Staates schadet. Das Bild der aus ihren Käfigen flüchtenden Zobel, von Irina aus dem Off mit »one day, Arkasha, one day…« kommentiert, verweist zudem noch einmal auf die Unfreiheit in der UdSSR. Die Szene in Red Heat ist dagegen ohne jeden Hinter39 Palmer, Films of the Eighties, 237. 40 Enthalten beim Bonusmaterial der DVD-Ausgabe von Kinowelt.
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sinn: Hier vermeldet ein Held der Sowjetunion seinen Sieg über die Drogenmafia. Diese Gegenüberstellung zeigt, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Dankos Heldenrolle ermöglicht es sogar, ihn mit Motiven des Westerns in Verbindung zu bringen und so geradezu zu amerikanisieren: Die Kneipe, in der er Viktor und seine Komplizen zu Beginn stellt, erinnert mit dem Klavierspieler, der feindseligen Kundschaft und dem Tisch mit den Gangstern nicht zufällig an einen Saloon, wie ihn etwa John Wayne in zahllosen Western betritt. Wie der Sheriff im Wilden Westen geht auch Danko allein in die Höhle des Löwen. Ebenso entspricht die letzte Konfrontation einem Westernduell. Solche Motive sind uns auch in anderen Filmen begegnet, dass sie einen sowjetischen, sozialistischen Helden aufbauen, wäre jedoch zur Zeit von Red Dawn (1984) undenkbar gewesen. Wie bereits angesprochen wird Dankos Heldenrolle durch ein anderes Feindbild ermöglicht, die amerikanischen und sowjetischen Drogendealer. Mit dem Kampf gegen die Drogen greift Red Heat ein zentrales Thema der 1980er Jahre auf, das mit dem Ende des Ost-West-Konflikts noch weiter an Bedeutung gewann.41 Der Feind ist in diesem Fall kein anderer Staat, vielmehr geht die Bedrohung von zersetzenden Gruppen innerhalb der beiden Gesellschaften aus, den Georgiern einerseits und den Schwarzen andererseits. Obwohl Viktor der hauptsächliche Antagonist Dankos und Ridziks ist, verdient die Darstellung der Cleanheads besondere Aufmerksamkeit, die – für den ›Krieg gegen die Drogen‹ durchaus typisch, aber erstaunlich offenherzig – rassistische Ressentiments aktiviert. Die bedrohliche Wirkung der fast durchweg muskelbepackten und sehr groß gewachsenen Schwarzen mit ihren kahl geschorenen Schädeln ist an sich schon nicht zu unterschätzen.42 Der Film geht aber wesentlich weiter. Zentral ist hier die Szene, in der Danko den inhaftierten Anführer der Cleanheads trifft. Abdul Elijah bezeichnet sich selbst als »revolutionary leader«, und sein Name kennzeichnet ihn als einen Black Muslim, der sich somit als Anhänger einer ›fremden‹ Religion, die zu dieser Zeit zunehmend als Bedrohung empfunden wurde, außerhalb der amerikanischen Gesellschaft stellt. Die ›Bruderschaft‹ der Cleanheads wird also als mehr als nur eine kriminelle Bande gezeichnet, sie ist eine Organisation radikaler Schwarzer. Abdul Elijahs Ausführungen bestätigen das: »You want to know what my crime is? My crime was being born. I’m 38 years old and I’ve been locked up 26 of those. I educated myself in here. And I’ve come to understand that this country was built on exploiting the black man. Of course, I don’t hear anything about brothers in your country, but your country exploits its own people just the same, so I guess that makes me the only Marxist around here, right, Comrade? You see, this ain’t just no drug deal, this is politics, baby, this is economics, this is spiritual. I plan to sell drugs to every white man in the world. And his sister.«
Dieser Monolog und die daraus folgende Rolle der Cleanheads bringt Kritik an der Behandlung von Schwarzen in Verbindung mit Kriminalität – Abdul Elijah ist offen41 Den war on drugs behandle ich ausführlich in Kap. II.4. 42 Ridzik vergleicht sie mehrfach mit Basketballspielern und verweist damit ebenfalls mit einem durch Humor verschleierten rassistischen Unterton darauf, dass insbesondere physisch mächtige Schwarze in der US-Gesellschaft vor allem im Sport und im Showgeschäft akzeptiert werden können.
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sichtlich ein notorischer Krimineller – und erklärt den Drogenhandel zur Waffe der Schwarzen in einem Rassenkrieg gegen die weiße Weltbevölkerung. Dadurch wird natürlich auch die Partnerschaft der USA mit der UdSSR gegen diese Bedrohung untermauert, zumal deutlich wird, dass diese politisch motivierten Drogenhändler wesentlich gefährlicher und auch revolutionärer sind als die Sowjets. Diese Darstellung ist auch deshalb so eindrücklich, weil jedes positive Gegenbild fehlt. Der einzige andere Schwarze mit einer größeren Rolle, Lieutenant Stobbs (Lawrence Fishburn), steht zwar auf der richtigen Seite des Gesetzes, ist aber ein unsympathischer Charakter, ein Karrierist, der Ridzik das Leben schwer macht. Dass die georgischen Drogenhändler als gefährliche Minorität durchaus den Schwarzen entsprechen sollen, zeigt sich etwa wenn Viktor in der Kneipe zu Beginn – natürlich zu Unrecht – den Vorwurf erhebt, die Polizei nehme sie wegen ethnischer Vorurteile aufs Korn: »Why are you always getting at us Georgians?« Er versucht also im Stil eines Schwarzen, die Rassismuskarte auszuspielen. An einer anderen Stelle des Films legt Danko Wert darauf, dass Viktor zwar Sowjet, aber kein Russe ist.43 Interessant ist noch, dass Red Heat auch darauf verweist, dass die Entspannung zwischen Ost und West nicht nur die Zusammenarbeit der Polizisten ermöglicht, sondern auch die der Gangster. Vor allem in der Sowjetunion profitieren sie von den neuen Verhältnissen. »It gets more difficult«, erklärt Dankos Freund und Kollege Yuri am Anfang. »Ten years ago there weren’t any drugs, now they’re a problem. Another ten years, we’ll be like Harlem.« Hier klingt wiederum der Vorzug eines autoritären Überwachungsstaats gegenüber einer Demokratie bei der Bekämpfung von Kriminellen an. Die Reformen Gorbatschows haben also eine ungeahnte Schattenseite, die Viktor noch einmal verdeutlicht, wenn er ankündigt: »After 70 years the doors begin to open in Moscow. The first taste of freedom will be cut with cocaine.« Angesichts dieser Begleitumstände der Entspannung wird Partnerschaft mit dem Westen gegen die neue Bedrohung für die Sowjetunion nicht nur zur Möglichkeit, sondern geradezu zur Notwendigkeit. Eine noch weiter gehende Zusammenarbeit der Supermächte gegen eine andere Art von Bedrohung steht im Mittelpunkt der Handlung von Iron Eagle II: Amerikaner und Sowjets unternehmen eine gemeinsame Militäroperation, um die Nuklearwaffen eines Staates am Persischen Golf zu zerstören. Die Identität des Feindes wird im Film nicht eindeutig bestimmt, in den Dialogen ist konsequent von ›ihnen‹ die Rede. Douglas Kellner kommt zu dem Schluss, »[that] the Arab enemy is obviously Iraq«.44 Obwohl es richtig ist, dass der Angriff in Iron Eagle II an die Zerstörung des irakischen Atomreaktors durch einen israelischen Luftangriff 1981 erinnert, ist diese Zuordnung zu einfach und zu stark durch spätere Entwicklungen wie den Kuwaitkrieg beeinflusst. Bei einer Einsatzbesprechung wird das Ziel zwar einmal kurz auf einer Karte gezeigt, diese ist allerdings nur unzureichend beschriftet, und es fehlen Landesgrenzen. Ohne zusätzliche Orientierung – die der normale Zuschauer nicht hat – ist es kaum möglich, den genauen Standort der Nuklearanlage auszumachen, der sich nach dieser Szene im Iran befindet. Das würde vor dem Hintergrund der Zeit tatsächlich mehr Sinn ergeben, denn 1988 war das Verhältnis der USA zum Irak, den 43 Stobbs liest später allerdings von einem sowjetischen Fax ab, dass Viktor in »Georgia, Russia« geboren sei. 44 Kellner, Media Culture, 84.
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man während seines Angriffskrieges gegen den Iran unterstützt hatte, noch recht gut, während der Iran auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie dieses Jahres als bedeutende Bedrohung identifiziert wurde.45 Die gelegentlich zu sehende Landesflagge allerdings ist weder dem Iran noch einem anderen realen Staat zuzuordnen. Letztendlich bleibt nur der Schluss, dass der Film sich bewusst nicht festlegt und damit Raum für unterschiedliche Assoziationen lässt: Irgendein und damit jeder Staat der Region könnte die Bedrohung sein. Dass Iron Eagle II im Kontext der Entspannung die Kommunisten durch ein muslimisches Feindbild ersetzt, wird durch diese Unschärfe aber nicht weniger signifikant.46 Auffällig ist dabei der Unterschied zum ersten Teil, Iron Eagle (1986), in dem ein amerikanischer Teenager seinen Vater mithilfe eines Vietnamveteranen und zweier gestohlener F-16-Jets aus der Gewalt eines arabischen Diktators befreit: Obwohl auch dieser Film schon ein muslimisches Feindbild instrumentalisiert, finden sich noch Hinweise auf den Kalten Krieg. So übt der jugendliche Held Doug im Flugsimulator den Luftkampf gegen sowjetische MiGs, mit denen auch die Araber ausgestattet sind. Die hierdurch angedeutete Verbindung zwischen den beiden Feinden ist in der Fortsetzung verschwunden. Da die Sowjets nun als Verbündete in Erscheinung treten, sind auch ihre MiGs positiv belegt. Der Flugzeugtyp des gemeinsamen Feindes wird dagegen nicht näher spezifiziert. Anhand der beiden Filme lässt sich somit beobachten, wie der Mittlere Osten sich durch die Annäherung zwischen Ost und West von einem Schauplatz des Kalten Krieges, an dem Gefahr für die Vereinigten Staaten mit dem Einfluss der Sowjetunion verknüpft ist, zu einem für beide Seiten gleichermaßen bedrohlichen Krisenherd wandelt. Ausgenommen von diesem negativen Bild ist natürlich Israel als Verbündeter des Westens (zu dem auch die UdSSR Gorbatschows nun gerechnet werden kann). Israel spielt für die Handlung eine kleine, aber bedeutsame Rolle als Stützpunkt für den Angriff auf die Nuklearanlage. Bei den Dreharbeiten zum Film leistete das israelische Militär einen wesentlich größeren Beitrag, indem es, wie schon für den ersten Teil, Flugzeuge und Piloten bereitstellte. Für das Pentagon wäre eine Unterstützung trotz allen Patriotismus’ wegen der nicht einwandfreien Darstellung des US-Militärs in beiden Fällen nicht in Frage gekommen, für das israelische Verteidigungsministerium stellte dagegen ein Szenario, in dem seine eigenen Streitkräfte nicht thematisiert wurden, dafür aber Israel betreffende Bedrohungen, und das Präventivschläge wie den gegen den Irak 1981 legitimierte, kein Problem dar.47 Ähnlich wie Red Heat zeichnet Iron Eagle II ein eindimensionales Feindbild, während er zugleich engagiert an der Überwindung eines anderen arbeitet. Der Verwendung gesichtloser Araber oder Perser als Kanonenfutter steht die Annäherung zwischen den amerikanischen und sowjetischen Soldaten gegenüber, die, um ein effektives Team bilden zu können, erst ihre Vorurteile und ihre gegenseitige Ablehnung überwinden müssen, die der Amerikaner Downs am offenherzigsten formuliert: »I been serving my country for 19 years. I shed blood for it. And… I’ll be damned if I’m gonna stand up and salute a bunch of communist pigs.« Ein anderer Amerikaner 45 Vgl. National Security Strategy [1988], 14 u. 82f. 46 Zu diesem Feindbild siehe ausführlich Kap. III.3. 47 Kellner, Media Culture, 84, urteilt daher: »[I]f Top Gun can be legitimately seen as U.S. military propaganda, Iron Eagle II can be seen as Israeli propaganda.«
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bemerkt verwirrt: »I thought they trained us to target these people, not rub wings with them.« Große Probleme bereitet die Umstellung auch dem Protagonisten, dem amerikanischen Piloten Cooper, der erst kurz zuvor seinen Freund Doug – den Helden des ersten Teils – bei einem Luftkampf mit sowjetischen Jägern verloren hat. Mit diesem Zusammenstoß beginnt der Film, wobei einfache Schuldzuweisungen von Anfang an vermieden werden: Cooper und Doug dringen bei einem Patrouillenflug vor Alaska ebenso unabsichtlich wie leichtsinnig in den sowjetischen Luftraum ein, und als die sowjetischen Abfangjäger, die sie zurückeskortieren sollen, sich provokativ verhalten, verliert Doug die Nerven und eröffneten das Gefecht. »The pilots on both sides were way out of line«, stellt der amerikanische Verteidigungsminister fest, als er dem empörten General Stillmore erklärt, warum die Regierung leugnet, dass Doug von den Sowjets abgeschossen worden ist: »We are trying to nurture a very fragile détente here.« Diesem Zweck soll nach dem Willen der Politiker auch die gemeinsame Aktion gegen die bedrohliche neue Nuklearmacht dienen. Cooper kann den Zwischenfall allerdings nicht so schnell abtun wie die offiziellen Stellen, und natürlich macht er die Sowjets für den Tod seines Freundes verantwortlich. Für die amerikanisch-sowjetische Mission ist er daher ein denkbar ungeeigneter Kandidat, was allerdings für das gesamte Team gilt, das von den hochrangigen Militärs beider Seiten mit der Absicht zusammengestellt worden ist, einen Erfolg unmöglich zu machen. »Someone’s got to do what’s right for this country«, herrscht Stillmore den Kommandeur der Truppe, General Sinclair (Louis Gossett Jr.), an, als dieser das falsche Spiel seiner Vorgesetzten endlich durchschaut und ihn zur Rede stellt.48 Die verantwortlichen Militärs erweisen sich somit als unverbesserliche ›kalte Krieger‹, die in der Entspannung eine gefährliche Entwicklung sehen, die nicht gefördert, sondern sabotiert werden muss. Das Experiment einer militärischen Zusammenarbeit soll daher zum Scheitern gebracht und die Nuklearanlage durch einen – allerdings ebenfalls von beiden Seiten durchzuführenden – Atomschlag vernichtet werden. Obwohl kein Zweifel daran gelassen wird, dass auch die sowjetischen Generäle an dieser Manipulation beteiligt sind, legt der Film, wie auch bei der Überwindung der Vorurteile, das Hauptaugenmerk auf die Amerikaner, die sogar den Tod eines ihrer eigenen Piloten verschulden, der für den Angriff auf die in einem Canyon versteckte Nuklearanlage ausgewählt wird, obwohl er aufgrund seiner Klaustrophobie dafür völlig ungeeignet ist, weshalb er schon bei einem Übungsflug verunglückt. Der Plan von Stillmore und seinen Gesinnungsgenossen scheitert aber an der Fähigkeit des Teams, sich schließlich doch zusammenzuraufen. Sogar Cooper überwindet seine Feindschaft mit dem sowjetischen Piloten Lebanov, in dem er einen seiner Gegner aus dem den Film eröffnenden Luftkampf wiedererkannt hat. Dies wird vor allem dadurch möglich, dass er sich in Lebanovs Kameradin Valeri verliebt. Die Feminisierung des sowjetischen Gegenübers erleichtert dem amerikanischen Helden also wieder einmal die Annäherung. Die Unangemessenheit und Hinderlichkeit des Feindbildes wird Cooper zunächst bewusst, weil es einer Beziehung zu der sowjetischen Pilotin im Weg steht. In einer entscheidenden Szene fordert er sie daher auf, hinter das Feindbild zu blicken: »Do I look like the enemy?« Sie erinnert ihn ihrerseits daran, dass auch er Teil des Problems ist, wenn sie zurückfragt: »Do I?« Nachdem die Romanze mit Valeri ein Umdenken bei Cooper eingeleitet hat, kommt auch 48 Sinclair ist der väterliche Freund und Helfer Dougs aus dem ersten Teil.
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Lebanov auf ihn zu und eröffnet ihm, dass sein eigener Freund seit ihrem Luftkampf im Rollstuhl sitzt. »It was unfortunate day for all of us«, stellt er fest: »Both sides were foolish. For that… I am sorry.« Diese Szene weckt nicht nur bei Cooper, sondern auch beim Zuschauer Sympathien für den bis dahin (auf sowjetischer Seite) noch am zwiespältigsten gezeichneten Lebanov. Überhaupt ist die Darstellung der Sowjets ausgesprochen positiv. Wenn Valeri Cooper als typischen Amerikaner identifiziert und kritisch bemerkt, dass es einen wichtigen Unterschied zwischen ihnen gibt – »I fly for my people, not for myself.« –, wird sogar der oft beschworene Gegensatz zwischen amerikanischem Individualismus und sowjetischem Kollektivismus neu gedeutet. Statt der Beschneidung persönlicher Freiheiten werden hier Tugenden wie Gemeinschaftssinn und Verantwortungsgefühl mit der UdSSR assoziiert. Kritik taucht im Grunde nur in einer Szene auf, die auf Rassismus in der sowjetischen Militärhierarchie verweist und die USA dabei einmal mehr als positives Gegenbeispiel anführt, symbolisiert durch Sinclair als schwarzen General. Allerdings wird keiner der im Film vorkommenden Sowjets als Rassist gezeichnet, insofern beeinträchtigt diese Kritik an einem institutionellen Problem ihre positive Darstellung kaum. Diese äußert sich auch in der Erschütterung des sowjetischen Oberst über den geplanten Atomschlag, der zahllose unschuldige Menschen in den umliegenden Dörfern das Leben kosten würde. Die in früheren Filmen immer wieder als rücksichtslose Unmenschen porträtierten Sowjets zeigen nun also sogar Mitgefühl für die Bevölkerung eines Staates, der sie bedroht. Für sowjetische wie amerikanische Mitglieder des Teams ist die Gefährdung Unschuldiger die entscheidende Motivation, ihre Befehle zu missachten und den bereits abgeblasenen Angriff doch durchzuführen. Im Hinblick auf das neue Feindbild ist dies freilich eine perfide Logik, die den amerikanisch-sowjetischen Präventivangriff, sofern er mit ›chirurgischer Präzision‹ nur gegen die Nuklearanlage durchgeführt wird, von einem Akt der Aggression in einen der Menschlichkeit verwandelt. Amerikaner und Sowjets retten nicht nur ihre eigenen Mitbürger, sondern auch die feindliche Zivilbevölkerung, die nicht durch sie, sondern durch die eigene Regierung in Gefahr gebracht wird. Eine friedliche Lösung des Konflikts steht im Film nie zur Debatte. Die Atomwaffen des ungenannten Golfstaats können offenbar nur offensiven Absichten dienen, zumal dessen Regime nicht nur als »highly unstable«, sondern auch als »extremely fearful of any moves our countries make towards détente« beschrieben wird, also als Feind des Friedens selbst.49 War bereits in Red Heat die Feststellung formuliert worden »It’s okay, if we like each other«, so geht Iron Eagle II in seiner Darstellung der amerikanisch-sowjetischen Zusammenarbeit noch erheblich weiter und endet mit einer politischen Utopie: Vor dem Angriff, den ihre Vorgesetzten untersagt haben, reißen die Soldaten beider Seiten die Landesflaggen von ihren Uniformen und werfen sie nebeneinander in den Wüstensand. Das Team und seine Mission sind wichtiger als die Loyalität zu einem bestimmten Staat. In eben diesem Sinn verweist die bei einer abschließenden Zeremonie verlesene Botschaft des amerikanischen Präsidenten und des sowjetischen Generalsekretärs auf 49 In Kap. III.2.2 wird diese Rechtfertigung präemptiver Gewaltanwendung im Kontext des neuen Feindbildes ›Schurkenstaaten‹ ausführlich analysiert.
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»the even greater battle that lies ahead, the battle with the flags that wave upon us. The flags that unify our nations but separate our world. This battle will not be fought on the fields of war but in our own hearts and minds. And should we emerge victorious, perhaps we will get beyond those flags to a new one, one that all of us are willing to fly.«
Die Formulierung eines derartigen pazifistischen Wunschtraums durch einen Film, der seine Dramatik zum größten Teil aus Kampfszenen bezieht, ist nicht wenig paradox. Sie zeigt jedoch, welche Hoffnungen durch die Entspannung nach Gorbatschows Amtsantritt geweckt wurden. Die Realität war selbstverständlich weniger harmonisch, aber eine Kooperation zwischen den USA und der UdSSR gegen gemeinsame Bedrohungen erschien 1988 durchaus als Möglichkeit. So berichtete die New York Times, dass die Sowjetunion in den Vereinigten Staaten Rat für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen suchte, und befürwortete einen Austausch über solche Themen: »America might gain from an alliance against crime, and for that matter, international terrorism.«50 Im Film zogen die beiden Supermächte wenige Jahre später tatsächlich gegen arabische Terroristen zu Felde, in Delta Force 3: The Killing Game (1991), der zahlreiche Ähnlichkeiten zu Iron Eagle II aufweist, die Zusammenarbeit nach den Umwälzungen der Jahre 1989/1990 aber als noch wesentlich unproblematischer darstellt. Die hier besprochenen Filme zeigen einen zunehmenden Wandel im Bild der UdSSR. Der Erfolg von Red Heat beweist, dass, entgegen der ein Jahr zuvor geäußerten Befürchtungen des Produzenten von Russkies, auch das Publikum spätestens jetzt bereit war, Sowjets in positiven Rollen oder sogar als Helden zu akzeptieren.51 Andererseits lässt sich anhand dieser Filme aber feststellen, dass die Überwindung des sowjetischen Feindbildes durch den Aufbau beziehungsweise durch die Instrumentalisierung anderer Feindbilder möglich wurde. Das positive Porträt der UdSSR ist in diesen Filmen untrennbar mit einer neuen Rolle als Verbündeter gegen gemeinsame Feinde verknüpft. Dies erinnert an die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg, als Westdeutschland vom dämonisierten Feind zum wichtigen Verbündeten wurde, ein Wandel, der in der Politik ebenso vollzogen werden musste wie im Film. Produktionen wie The Big Lift (1950) mussten angesichts der veränderten Weltlage nicht nur das neue Feind-, sondern vor allem auch das neue Freundbild begründen.52 Der Übergang zum Kalten Krieg gegen den Kommunismus war in diesem Zusammenhang eine geringere Herausforderung als der damit verbundene Rollenwechsel der Deutschen, denn die UdSSR war schon vor dem eher kurzlebigen Zweckbündnis ge50 »Moscow vs. Its ›Mafia‹«, in: NYT 30.11.1988. 51 Red Heat spielte in den USA fast 35 Millionen Dollar ein; Quelle: http://www.imdb.com/ title/tt0095963/business und http://www.the-numbers.com/movies/1988/0REHE.php (beide 18.06.2007). Das Einspielergebnis für den billiger produzierten Iron Eagle II gibt The Numbers immerhin mit 10 Millionen Dollar an (Quelle: http://www.the-numbers.com/ movies/1988/0IRE2.php, 18.06.2007), IMDb noch etwas höher mit 10,5 Millionen (Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0095382/business, 18.06.2007). Dass die Reihe noch zweimal fortgesetzt wurde, spricht dafür, dass dies als Erfolg gewertet wurde. 52 Siehe zu diesem Film als Beispiel ausführlich Rainer Rother, »Der Film The Big Lift und die Umorientierung eines Feindbildes«, in: Hickethier u.a. (Hg.), Film in der Geschichte, 211-9. Vgl. allgemein Heeb, Deutschlandbilder, 45-50 u. 103-17.
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gen Hitler in den USA negativ gesehen worden, man konnte hier also zu alten Bildern zurückkehren. Das eindeutige Feindbild erleichterte es aber auch, die Deutschen als Verbündete zu akzeptieren, da eben nicht nur aus Nazis Demokraten wurden, sondern zugleich die Kommunisten die dadurch entstehende Leerstelle besetzten, ein Umstand, der im Kino unter anderem darin zum Ausdruck kam, dass die kommunistischen Schurken von denselben Schauspielern verkörpert wurden, die früher die Nazis dargestellt hatten.53 Die bereits erläuterte Totalitarismustheorie ermöglichte in dieser Hinsicht einen reibungslosen Übergang, da der Feind nicht verschwand, sondern nur seine Gestalt leicht veränderte – und seinen Platz auf der Landkarte. Die Filme über die Zusammenarbeit gegen gemeinsame Feinde folgten also einem bewährten Muster, um das sich wandelnde Verhältnis zur UdSSR und die daraus folgenden Konsequenzen für deren Image zu thematisieren. Indem sie dafür aber anderer Bedrohungen bedurften, ließen sie bereits erahnen, dass das Ende des Kalten Krieges nicht das Ende der wichtigen Rolle von Feindbildern für die USA bedeuten würde.
2.3 »A BRAVE NEW WORLD«: DAS ENDE DES OST-WEST-KONFLIKTS Die amerikanische Filmproduktion zeigte ab 1987 also erste deutliche Risse im Feindbild Sowjetunion, die im folgenden Jahr immer größer wurden. Diese Beobachtung ergänzt die Ergebnisse der Meinungsforschung und der politischen Psychologie, die in dieser Zeit ebenfalls einen Rückgang von Feindseligkeit und Bedrohungsempfinden innerhalb der amerikanischen Bevölkerung feststellten. Dabei ist es in diesem Zusammenhang weniger bedeutsam, ob man den Höhepunkt der Spannungen 1980, also nach dem Einmarsch in Afghanistan und vor der Wahl Reagans, verortet, oder im Krisenjahr 1983.54 Entscheidend ist, dass zahlreiche Meinungsumfragen bestätigen, dass sich das Bild der Sowjetunion in den späten 1980er Jahren rasch und deutlich zum Positiven veränderte.55 Christoph Weller hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Zerfall des Feindbildes in den USA allerdings später und langsamer statt-
53 Vgl. Daniel J. Leab »Hollywood and the Cold War, 1945-1961«, in: Toplin (Hg.), Hollywood as Mirror, 117-37, hier: 127. 54 Don Munton, »A New World Order? Western Public Perceptions of the Post-Cold-War Era«, in: David Dewitt u.a. (Hg.), Building a New Global Order: Emerging Trends in International Security, Toronto u.a. 1993, 378-400, hier: 384, meint, dass die Sorgen bezüglich der UdSSR während der gesamten 1980er Jahre kontinuierlich abnahmen. Dagegen stellen Choichiro Yatani/Dana Bremel, »Trends and Patterns in Americans’ Attitudes Toward the Soviet Union«, in: JSI 45:2 (1989), 13-32, einen Anstieg der Feindschaft bis 1983 und erst danach einen Rückgang fest. 55 Vgl. hierzu die Umfragen in IIPO, 1980-1981, 217-21; IIPO, 1982-1983, 253f; IIPO, 1983-1984, 213; IIPO, 1986-1987, 245-7; IIPO, 1988-1989, 195, und IIPO, 1989-1990, 228. Siehe auch Alvin Richman, »Poll Trends: Changing American Attitudes Toward the Soviet Union«, in: Public Opinion Quarterly 55:1 (1991), 135-48; Brett Silverstein/Robert R. Holt, »Research on Enemy Images: Present Status and Future Prospects«, in: JSI 45 (1989), 159-75, hier: 163.
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fand als in der BRD: Für die Vereinigten Staaten lasse sich erst ab dem Sommer 1988 ein entscheidender Wandel beobachten, wie er in Westdeutschland bereits zwischen dem Sommer 1986 und dem Frühjahr 1988 stattgefunden habe.56 Obwohl man mit Blick auf die amerikanischen Filme zu bedenken geben muss, dass es dort schon 1987 deutliche Anzeichen für eine veränderte Wahrnehmung der UdSSR gab, ist diese Analyse im Grundsatz zutreffend. Offensichtlich spielten bei der Frage, wann und wie rasch sich das Feindbild auflösen konnte, länderspezifische Charakteristika eine Rolle. Das ist freilich wenig überraschend und lässt sich nicht zuletzt durch die Ergebnisse dieser Arbeit erklären. Neben einigen anderen Faktoren, wie grundsätzlichen Unterschieden in der politischen Kultur und der Tatsache, dass die amerikanische Friedensbewegung im Gegensatz zur europäischen wenig getan hatte, um den Antikommunismus an sich zu bekämpfen,57 spielte es zweifellos eine wichtige Rolle, dass, wie ich im vorangehenden Kapitel gezeigt habe, die Rückkehr zu einer größeren nationalen Geschlossenheit und die Stärkung des Selbstwertgefühls in den USA nach den Umbrüchen der 1960er und 1970er Jahre sehr eng mit dem erneuerten Kalten Krieg verbunden waren. Das Feindbild Sowjetunion hatte für die Vereinigten Staaten eine kaum zu überschätzende Rolle gespielt, es ist daher nur logisch, dass es sich dort als widerstandsfähiger erwies als in Westeuropa.58 Hier zeigt sich sehr deutlich der wichtige Beitrag der Filmanalyse, die Aufschluss über die Bedeutung des Feindbildes für das Selbstbild der Amerikaner gibt und Zusammenhänge offenlegt, die nach der Auswertung von Umfragen und ähnlichen Quellen nur vermutet werden können. Andererseits stellt sich angesichts der von mir behaupteten Wichtigkeit des Feindbildes für die USA natürlich erst recht die Frage, wie es zu seinem raschen, wenn auch später als anderswo einsetzenden, Zerfall kommen konnte. Christoph Weller hat in seiner Arbeit großes Gewicht darauf gelegt, ein Versagen der traditionellen Feindbildforschung bei der Erklärung dieses Vorgangs nachzuweisen, der angesichts der zuvor stets betonten großen Stabilität von Feindbildern als theoriewidriges Verhalten betrachtet werden könnte.59 Dass seine eigenen Ausführungen kaum weniger mangelhaft sind und trotz aller Kritik an einer sich auf die Funktionen von Feindbildern konzentrierenden Forschung letztlich nicht an diesen vorbeikommen, auch wenn ihm das bei seinen recht schwammigen Ausführungen zu unterschiedlichen nationalen Identitäten nicht bewusst zu sein scheint, kann und soll an dieser 56 Christoph Weller, Feindbilder und ihr Zerfall: Eine Analyse des Einstellungswandels gegenüber der Sowjetunion (Tübinger Arbeitspapiere zur Internationalen Politik und Friedensforschung 18), Tübingen 1992; darauf aufbauend ders., Die öffentliche Meinung in der Außenpolitik: Eine konstruktivistische Perspektive, Wiesbaden 2000, 39-78. 57 Zu den Unterschieden zwischen BRD und USA vgl. Weller, Feindbilder und ihr Zerfall, 28f. Siehe auch Stephen Kalberg, »Vor dem Hintergrund zweier politischer Kulturen: Amerikaner und Deutsche haben ein unterschiedliches Sowjetunion-Bild«, in: Beiträge zur Konfliktforschung 19:4 (1989), 45-67. 58 Weller führt dies als mögliche Erklärung an, allerdings nur in einer Fußnote (Die öffentliche Meinung in der Außenpolitik, 183 Anm. 29). Seine im Konjunktiv gehaltenen Schlussfolgerungen zu den Unterschieden bei der »Bildung nationaler kollektiver Identität« werden gleichfalls sehr vorsichtig vorgebracht (ebenda, 189). 59 Vgl. ebenda, 79-162.
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Stelle nicht weiter erörtert werden. Tatsächlich lässt sich der Zerfall des Feindbildes durchaus schlüssig erklären. Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass es ein großes Missverständnis wäre, anzunehmen, dass sich das Feindbild restlos aufgelöst hätte und vollständig verschwunden wäre. Wie in den folgenden Kapiteln sehr deutlich zu sehen sein wird, überdauerten vielmehr wichtige Bestandteile des Feindbildes dieses quasi als Zerfallsprodukte und existierten in modifizierter Form und in neuen Verbindungen fort. Insofern erwies sich das Feindbild, selbst als es zerbröckelte, als beständig. Dass es zu diesem Zerfall kam, ist wiederum im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen, nämlich auf die Zunahme von Informationen, die nicht mit dem Feindbild in Einklang gebracht werden konnten, einerseits und die Bedrohung durch Nuklearwaffen andererseits. Der Konflikt zwischen zwei Atommächten mit dem Potential zur mehrfachen vollständigen Vernichtung ihres jeweiligen Gegners stellte eine so furchteinflößende Bedrohung dar, dass eine echte Entspannung eigentlich nur begrüßt werden konnte. Wie im vorangehenden Kapitel dargestellt wurde, ging die Verschärfung zu einem neuen Kalten Krieg Anfang der 1980er Jahre mit einer wachsenden Angst vor einem möglichen Atomkrieg und einer Stärkung der Friedensbewegung einher. Obwohl die SDI-Pläne Reagans für eine gewisse Beruhigung sorgten, muss man davon ausgehen, dass die amerikanische Bevölkerung insgesamt in dem Bewusstsein lebte, dass der Konflikt zwischen den Supermächten zu einer nuklearen Apokalypse führen konnte. Prinzipiell waren Abrüstungsverträge daher auch stets von einer großen Mehrheit befürwortet worden. Sobald es einem sowjetischen Staatschef gelang, Vertrauen zu erwecken, konnte er also durchaus mit einer vorteilhaften Reaktion rechnen. Wie ihr Präsident waren viele Amerikaner vehement gegen den Kommunismus, mit dem es eigentlich keine Aussöhnung geben konnte, zugleich aber für ein Ende der Gefahr beiderseitiger Vernichtung. Wegen der großen gemeinsamen Bedrohung durch die Atomwaffen war die Aufrechterhaltung des Feindbildes trotz allen Nutzens für das amerikanische Selbstwertgefühl also auch spürbar problematisch, und es gab zumindest einen gewichtigen Grund, seine Auflösung zu begrüßen.60 Dass dies allein aber nicht ausgereicht hätte, beweist schon der Umstand, dass die Abrüstungsverhandlungen zuvor jahrzehntelang durch das Feindbilddenken auf beiden Seiten blockiert worden waren. Entscheidend für eine Verbesserung der Beziehungen war deshalb der Kurswechsel in der UdSSR, wo sich die neue Führung ihrerseits von dem manichäischen Weltbild der marxistisch-leninistischen Doktrin löste, das eine zentrale Ursache für den Ost-West-Konflikt war. Man muss Raymond Garthoff widersprechen, wenn er die manichäische Weltsicht der USA zu einer Reaktion auf diese Doktrin erklärt, womit er die prinzipielle Vorliebe der Amerikaner, die Welt scharf in Gut und Böse zu unterteilen, die sich nicht nur im Kalten Krieg beobachten ließ, ignoriert. Es steht aber außer Frage, dass die Beendigung des Konflikts dadurch möglich wurde, dass die
60 Diese Argumentation findet sich im Prinzip auch bei Weller, Feindbilder und ihr Zerfall, 38-40.
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Sowjets bislang gültige Vorstellungen hinter sich ließen.61 Dadurch gingen sie dem Westen voraus, der nun seinerseits »über seinen eigenen Schatten springen mußte«.62 Die selektive Wahrnehmung, die durch Feindbilder bedingt wird und diese dann wieder verstärkt, sodass Informationen, die dem eigenen Weltbild widersprechen, entweder gänzlich verdrängt oder so umgedeutet werden, dass sie es bestätigen, war in der Forschung von jeher als eines der zentralen Probleme bei der Überwindung von Feindbildern ausgemacht worden. Durch Gorbatschows Reformpolitik mit all ihren Folgen und das neue Auftreten der sowjetischen Führung, die es verstand, sich und ihre Projekte auch vor der Öffentlichkeit des Westens positiv zu präsentieren, wuchs die Dissonanz zwischen einem am Feindbild UdSSR ausgerichteten Weltbild und den tatsächlichen Ereignissen derart an, dass sie sich schlichtweg nicht mehr verleugnen oder durch noch so misstrauische Interpretationen des Geschehens wegerklären ließ. Glasnost und Perestroika, das gute Verhältnis zwischen Gorbatschow und Reagan, der Abschluss des INF-Vertrags, der sowjetische Abzug aus Afghanistan, die Ankündigung drastischer Truppenreduzierungen bei den konventionellen Streitkräften der Roten Armee in Europa, all das waren Tatsachen, die nach einer Anpassung des alten Weltbildes verlangten. Dies wurde den Amerikanern gleichzeitig dadurch erleichtert, dass sie den sowjetischen Kurswechsel auch als Bestätigung ihrer eigenen Politik, als Sieg verbuchen und ihr bisheriges Weltbild somit zwar als überholt, aber dennoch als bis zu diesem Zeitpunkt korrekt empfinden konnten – ähnlich wie es das Ende von Rocky IV (1985) gezeigt hatte. Die dramatischen Ereignisse des Jahres 1989 taten ein Übriges. Gorbatschow beantwortete den Verlust der Kontrolle über den Reformprozess in Osteuropa in Folge der einsetzenden Demokratisierung, die er selbst ermutigt hatte, nicht mit einer Rückkehr zur Repression, sondern er hielt an der sogenannten ›Sinatra-Doktrin‹ fest, die – anders als die überholte Breschnew-Doktrin – die Souveränität der sozialistischen Staaten und deren Anrecht auf eigenständige Veränderungen ihres Systems respektierte. Die UdSSR nahm es hin, dass der Gürtel aus Satellitenstaaten, der sie nach Westen hin abgeschirmt hatte, nun seinen eigenen Weg ging, dass der eiserne Vorhang, der Europa mehr als vier Jahrzehnte geteilt hatte, verschwand. Im Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer, des Symbols des Kalten Krieges schlechthin, akzeptierte die Sowjetunion sogar die NATO-Mitgliedschaft eines wiedervereinigten Deutschlands. Die UdSSR und die USA unterzeichneten den CFE-Vertrag über die Reduzierung der konventionellen Streitkräfte in Europa und den START-Vertrag, der die atomare Abrüstung weiter vorantrieb. Angesichts dieser Entwicklungen konnte es nicht überraschen, dass Time Gorbatschow zum »Man of the Decade« erklärte63 und er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Da es mit der Zeit keinen Zweifel mehr daran geben konnte, dass sich die Sowjetunion verändert hatte, musste sich auch das amerikanische Bild von ihr verändern. Daraus darf man wohlgemerkt nicht den Schluss ziehen, dass das Feindbild zuvor in seiner Gesamtheit gerechtfertigt gewesen wäre und erst nach Gorbatschows Amtsantritt der Korrektur bedurfte. Eine Diskrepanz zwischen dem Feindbild und den tatsächlichen Verhältnissen in der
61 Vgl. Garthoff, Great Transition, 754-6. 62 Stöver, Der Kalte Krieg, 439. 63 Siehe Time 01.01.1990.
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UdSSR existierte auch davor schon. Durch die Veränderungen in den späten 1980er Jahren wurde sie aber so groß, dass sie sich nicht mehr ignorieren ließ. Die Vereinigten Staaten blieben nicht zuletzt wegen der großen Bedeutung des Feindbildes für die eigene Identität verhältnismäßig lange misstrauisch gegenüber Gorbatschow und seiner neuen Sowjetunion. Ein Foreign-Affairs-Artikel beschrieb die Stimmung im Land 1988 als »wary readiness […]: distinctly hopeful yet cautious«.64 Als George Bush Anfang 1989 die Nachfolge Reagans antrat, erklärte er dementsprechend seine Absicht, »the new closeness with the Soviet Union« fortsetzen zu wollen,65 mahnte aber auch zu Vorsicht und Realismus.66 Die UdSSR galt immer noch als durchaus gefährlicher Rivale,67 und bei einer Umfrage im Mai 1990 waren noch 61% der Befragten der Meinung, der Kalte Krieg sei noch nicht vorbei.68 Die Bevölkerung zeigte insgesamt eine langsamere Veränderung ihrer Einstellung als die politischen Eliten, die ihre Haltung nach den Revolutionen von 1989 verhältnismäßig rasch den neuen Gegebenheiten anpassten.69 Dass länger eine Position vorsichtigen Abwartens beibehalten wurde, sollte aber auf keinen Fall über die substantielle Verbesserung in der Sicht auf die Sowjetunion hinwegtäuschen. »The current image of the USSR, in fact, is the most positive that has been recorded during the past four decades«, stellte Alvin Richman 1991 fest.70 Sehr auffällig ist auch, dass die Sowjetunion in der Nationalen Sicherheitsstrategie des Jahres 1990 nicht mehr als Feind behandelt wurde. Zwar betonte das Papier, dass die Beziehungen zur UdSRR weiterhin eine »strategic priority« seien, »because that country remains the only other military superpower«, von einer direkten Bedrohung durch die Rote Armee oder die sowjetische Politik war aber keine Rede mehr.71 Tatsächlich erklärte George Bush in einer Rede vor den Vereinten Nationen am 1. Oktober 1990 den Kalten Krieg für beendet: »The long twilight struggle that for 45 years has divided Europe, our two nations, and much of the world has come to an end.«72 Es ist dabei nicht wenig bedeutsam, dass er das in diesem Rahmen und im 64 Daniel Yankelovich/Richard Smoke, »America’s ›New Thinking‹ «, in: Foreign Affairs 67:1 (1988), 1-17, hier: 2. 65 George Bush, »Inaugural Address, January 20th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ ws/?pid=16610 (12.05.2007). 66 George Bush, »Address on Administration Goals Before a Joint Session of Congress, February 9th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=16660 (12.05.2007). 67 Vgl. Richman, »Poll Trends«, 135; Silverstein/Holt, »Research on Enemy Images«, 164. Siehe auch die Umfragen in IIPO, 1987-1988, 564; IIPO, 1989-1990, 689. 68 IIPO, 1990-1991, 178. 69 Vgl. Shoon Kathleen Murray/Jonathan A. Cowden, »The Role of ›Enemy Images‹ and Ideology in Elite Belief Systems«, in: International Studies Quarterly 43:3 (1999), 455-81, hier: 461. Ob man daraus den Schluss ziehen kann, dass Feindbilder bei politischen Eliten eine weniger wichtige Rolle spielen, erscheint mir allerdings fraglich. 70 Richman, »Poll Trends«, 138. 71 National Security Strategy of the United States: 1990-1991, Washington D.C. u.a. 1990, 31. 72 George Bush, »Address Before the 45th Session of the United Nations General Assembly in New York, New York, October 1st, 1990«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=18883 (21.07.2007).
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Kontext des irakischen Überfalls auf Kuwait tat. In dieser Krise schienen die früher fast immer durch zwei konkurrierende Vetomächte blockierten Vereinten Nationen im Zeichen der Kooperation zwischen den USA und der Sowjetunion endlich die bei ihrer Gründung in sie gesetzten Hoffnungen zu erfüllen. Ein Bündnis für eine sicherere Welt, wie es in Red Heat (1988) oder Iron Eagle II (1988) fantasiert worden war, rückte scheinbar in greifbare Nähe. Das Image der Sowjetunion profitierte davon zweifellos, ebenso wie von dem Auftauchen eines neuen Dämons als Feind der zivilisierten Welt in Gestalt Saddam Husseins. Die Zerfallserscheinungen im Feindbild UdSSR zeigen sich überdeutlich in der Filmproduktion jener Jahre, die zunehmend die offenkundig gewordene Entspannung zwischen Ost und West thematisierte, Veränderungen in der Sowjetunion und in ichrem Verhältnis zu Amerika Rechnung trug und sich vom Kalten Krieg verabschiedete. Auffällig ist vor allem jene Gruppe von Filmen, die von einer möglichen Sabotage des Friedensprozesses handeln. Gleich zwei Fernsehfilme, Red King, White Knight (1989) und die britische Produktion Just Another Secret (1989), lassen amerikanische Agenten Attentate auf das Leben des sowjetischen Generalsekretärs verhindern. Die Verschwörer kommen in beiden Fällen aus den Reihen der Sowjets. Tatsächlich berichtet Reagan in seinen Memoiren, vor dem Gipfel in Washington sei von sowjetischer Seite aus die Sorge geäußert worden, dass während Gorbatschows Besuch in Amerika ein Putsch gegen ihn versucht werden könnte, verbunden mit einem den Amerikanern anzulastenden Attentat.73 Es ist nicht klar, ob solche Befürchtungen wirklich zur Sprache gekommen sind oder ob Reagan hier möglicherweise wieder einen populären Filmstoff mit seinen Erinnerungen vermischt. Dass die Gefahr eines Umsturzes in der UdSSR bestand, belegt aber schon der, wenn auch zu spät erfolgte, Staatsstreichversuch 1991. Von einer Verschwörung, wie sie laut Reagan von den Sowjets befürchtet wurde, handelt auch The Package (1989), allerdings ist das Szenario hier komplexer als in den bereits genannten Filmen: Das Komplott schließt in diesem Fall auch Vertreter des amerikanischen Militärs ein, die sich mit den unzufriedenen Sowjets zusammentun, um den Generalsekretär, der leicht als Gorbatschow zu erkennen ist, bei einem Amerikabesuch zu ermorden, bevor er mit dem Präsidenten, der wiederum große Ähnlichkeit mit George Bush aufweist, ein historisches Abkommen unterzeichnen kann, das alle Nuklearwaffen eliminieren würde. Palmer übersieht diesen wesentlichen Unterschied, wenn er schreibt, dass in The Package wie in Just Another Secret »the Russian renegade spooks are the villains, while the Americans enter the lists to protect the good Russians from their own«.74 Zwar sind es in The Package Amerikaner, die die Verschwörung enttarnen und vereiteln, aber die Bösen sind es in diesem Fall auch. Tatsächlich treten die sowjetischen Verschwörer in diesem Film nur am Rande auf. In einigen wenigen Szenen treffen sie mit den Amerikanern zusammen, aber sie sind an der Durchführung des Plans fast völlig unbeteiligt. Im Zentrum stehen hier stattdessen Spezialisten für verdeckte Operationen des amerikanischen Militärs, die sich als völlig skrupellos erweisen und auch Mitwisser in den eigenen Reihen kaltblütig aus dem Weg räumen. Sergeant Gallagher (Gene Hackman), der einen unter Arrest stehenden Soldaten von Deutschland nach Amerika überführt und 73 Reagan, Erinnerungen, 765f. 74 Palmer, Films of the Eighties, 225.
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so, ohne es zu ahnen, den Attentäter (Tommy Lee Jones) einschleust, durchschaut die Gefährlichkeit dieser Leute schon, bevor er durch die Befreiung seines Gefangenen auf die Spur der Verschwörung gebracht wird. »Every time I meet one of you people... covert ops, infiltrators... I get this real bad feeling in my guts«, erklärt er dem Colonel, der sich später als der Anführer der Schurken erweist, bei ihrem ersten Zusammentreffen in Berlin. Der Film formuliert mit dieser negativen Darstellung der Schattenkrieger unverhohlene Kritik an solchen verdeckten Operationen und einer Politik, die sich darauf stützt. Man kann dies durchaus auf die Aktionen der ReaganAdministration in Lateinamerika beziehen. Durch das sich abzeichnende Ende des Ost-West-Konflikts verändert sich die Perspektive auf den Kalten Krieg, der nun zumindest teilweise im Hinblick auf die Art, wie er geführt wurde, neu bewertet wird. Die verdeckten Operationen und die Zusammenarbeit mit Militärmachthabern in Lateinamerika boten hierfür den offensichtlichsten Ansatzpunkt, nicht nur weil diese Politik schon zuvor umstritten gewesen war, sondern auch wegen der Umorientierung der Bush-Administration auf den ›Krieg gegen die Drogen‹ als Kernstück der neuen Bedrohungsanalyse. Der rasche Fall Manuel Noriegas vom wertvollen Verbündeten im Kampf gegen die Sandinisten zum Staatsfeind Nr. 1, der nach einer Invasion Panamas im Dezember 1989 gefangengenommen und zur Aburteilung als Drogenhändler in die Vereinigten Staaten gebracht wurde, symbolisierte diesen Politikwechsel.75 General Esperanza in Die Hard 2 (1990), der von seinem fiktiven Staat Valverde an die USA ausgeliefert wird, ist offensichtlich an Noriega angelehnt. In die Exposition des Films eingestreute Fernsehberichte informieren darüber, dass »the man who has come to symbolize the enemy in America’s fight against cocaine« noch zwei Jahre zuvor seine Truppen gegen kommunistische Rebellen geführt hatte, in »a campaign fought with American money and American advisers«. Wie The Package weist auch Die Hard 2 den Schattenkriegern der Reagan-Ära die Schurkenrolle zu: Esperanzas frühere Militärberater bringen in einer terroristischen Aktion den Flughafen von Washington unter ihre Kontrolle und schrecken auch vor Massenmord an ihren eigenen Landsleuten nicht zurück, um den Diktator freizupressen. Sie repräsentieren eine Politik, die sich bei der Wahl ihrer Verbündeten und ihrer Mittel nur an einem Kriterium orientiert, nämlich der Nützlichkeit im Kampf gegen den Kommunismus. »Cardinal Richelieu said it best: ›Treason is merely a matter of dates.‹«, erklärt ihr Anführer, Colonel Stewart, seinen Standpunkt: »This country’s got to learn that it can’t keep cutting the legs off of men like General Esperanza. Men who have the guts to stand up against communist aggression.« Stewart ist einer der typischen Filmbösewichte dieser Zeit, ein Ewiggestriger, der im Feindbilddenken eines vergangenen Konflikts gefangen ist und damit nachträglich auch die Problematik der daraus resultierenden Weltsicht bloßlegt; ein Mann, der ein Flugzeug voller Unschuldiger abstürzen lässt, um dann seinen Männern zu erklären: »You’ve won a victory for our way of life.« Es ist sicherlich kein Zufall, dass die selbstgerechten Anführer der Schurken in beiden Filmen Colo75 LeoGrande, Our Own Backyard, 391, fasst Noriegas Hilfe für die Contras zusammen: »Noriega allowed the rebels to set up training camps, provided planes and pilots from his drug smuggling operations to move contra arms, dispatched Panamanian commandos on sabotage missions into Nicaragua, and made a cash donation to the cause.« Zu Noriegas Sturz siehe ausführlich Carothers, In the Name of Democracy, 166-82.
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nels sind, die sich mit ihren verbecherischen Operationen als Verteidiger der freien Welt und der amerikanischen Demokratie verstehen. Die Erinnerung an Oliver North ist offensichtlich gewollt, gerade in Die Hard 2, wo auch erwähnt wird, dass mit dem Einstieg in den Drogenhandel ein Kongressverbot zur Finanzierung Esperanzas umgangen werden sollte. The Package diskreditiert die amerikanischen Verschwörer noch zusätzlich, indem sie mit Neonazis in Verbindung gebracht werden. Auch wenn diese in erster Linie als Sündenböcke fungieren sollen, denen der Anschlag angelastet werden kann, erscheinen die verbrecherischen Militärs dadurch doch in einem noch schlechteren Licht – zumal der dumpfe Antikommunismus der Neonazis und deren paranoides Misstrauen gegenüber der Sowjetunion auch sie auszuzeichnen scheinen. Es ist bemerkenswert, dass Amerikaner hier als Nazis und diese wiederum vor allem als Antikommunisten dargestellt werden. Daran zeigt sich sehr deutlich die veränderte Rolle der Sowjets, die in früheren Filmen ja selbst immer wieder den Nazis angeglichen worden waren. Die Verschwörer werden derartig negativ präsentiert,76 dass die Argumente, die der Colonel in ihrem Namen am Schluss vorbringt, von vornherein als falsch gekennzeichnet sind. »There hasn’t been a world war in 50 years, Sergeant. You ever wonder why? It’s nuclear weapons. We want ‘em. The Soviets want ‘em«, hält er Gallagher vor. Dessen Reaktion zeigt, was von dieser Einschätzung zu halten ist: »We? Who’s ›we‹? A bunch of nutcases?« Die Argumentation mit dem Gleichgewicht des Schreckens macht für einen vernünftigen Menschen angesichts des Endes des OstWest-Konflikts keinen Sinn mehr. »If it wasn’t for nuclear weapons, Sergeant, you would be fighting the Russians in the streets of Washington right now«, behauptet der Colonel und zeigt damit, dass er immer noch im Denken des Kalten Krieges verhaftet ist. Er ist die Verkörperung des Paradoxons, dass gerade die Leute, die die Gefährlichkeit des Konflikts angeblich am besten durchschauen, alles tun, um ihn aufrechtzuerhalten. Passenderweise wird er von seinen eigenen Leuten getötet, die nach dem gescheiterten Anschlag ihre Spuren verwischen wollen, während sich Gallagher und seine Frau unter einer Weihnachtsreklame in die Arme fallen, die »peace on earth« verkündet. The Package zeigt den Kalten Krieg als ein Phänomen der Vergangenheit, dem nur diejenigen nachtrauern, die von ihm profitiert haben. »The Soviet and American military-industrial complex has the entire patriotic, flag-waving world right by the balls«, erläutert der Attentäter Boyette, ein zynischer Söldner, das Funktionieren des Konflikts. Dieser wurde in dieser ebenfalls simplifizierenden Sicht also nicht durch zwei miteinander unvereinbare Ideologien am Leben erhalten, sondern durch seinen Nutzen für einflussreiche Kräfte auf beiden Seiten, nämlich jene, die ihren Wohlstand, ihre Macht oder gar ihre Existenz dem Kalten Krieg verdankten und die deshalb kein Interesse an Frieden hatten.
76 Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Inszenierung des Anschlags, zu der ein Scharfschütze und die Platzierung eines ermordeten Sündenbocks gehören, Erinnerungen an das Attentat auf John F. Kennedy wachruft, oder genauer noch an solche Verschwörungstheorien, wie sie Oliver Stone zwei Jahre später in JFK (1991) auf die Leinwand brachte.
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Eine ähnliche Kritik formuliert auch The Russia House (1990) nach dem gleichnamigen Roman von John Le Carré,77 in dem ein sowjetischer Wissenschaftler im Westen publik machen will, dass die strategischen Streitkräfte der UdSSR sich in einem so miserablen Zustand befinden, dass sie keine Bedrohung darstellen. Bei der CIA stößt diese Enthüllung jedoch nicht nur auf Erleichterung, ist den Verantwortlichen doch klar, dass es ohne glaubhaften Konkurrenten kein Wettrüsten mehr geben würde, was eine schlechte Nachricht für die amerikanische Rüstungsindustrie wäre.78 Dieser Film, der mit seinen prachtvollen Aufnahmen von Moskau und Leningrad die veränderten Produktionsbedingungen deutlich erkennen lässt, bemüht sich, ein realistisches Bild der Sowjetunion von Glasnost und Perestroika zu zeichnen: Die Menschenrechtslage hat sich verbessert – die Bevölkerung darf Kritik nun laut äußern –, aber die Konsumgüterwirtschaft funktioniert nach wie vor nicht, und Verräter erwartet in den Händen des KGB immer noch der Tod. Trotz der brutaleren Methoden der Sowjets, die hier nicht direkt gezeigt werden, gibt es aber, wie im von Le Carré maßgeblich mitgeprägten Spionage-Genre üblich, keine klare Trennung zwischen guten und bösen Geheimdiensten. Beide Seiten sind Teil des Problems und blockieren den Weg zum Frieden. »The grey men are keeping the arms race alive, which nobody is supposed to want«, resümiert der Protagonist Barley am Schluss. Solche Aussagen wirkten beim Erscheinen des Films freilich schon nicht mehr ganz zeitgemäß. Gleiches galt für das Atomkriegsszenario von William Prochnaus Roman Trinity’s Child, der 1983, also auf dem Höhepunkt der Spannungen und der Furcht vor einem nuklearen Schlagabtausch, erschienen war.79 Für die Fernsehproduktion By Dawn’s Early Light (1990) wurde die Handlung daher aktualisiert: Während im Buch die sowjetische Führung einen begrenzten Atomschlag gegen die USA durchführt, um die als bedrohlich empfundene amerikanische Militärmacht zu schwächen, trägt der Film den seither eingetretenen Veränderungen Rechnung. »Our relations couldn’t possibly be better«, stellt der US-Präsident daher verwirrt fest, als er die Meldung über den sowjetischen Angriff erhält, der nun die Reaktion auf eine vom Staatsgebiet der NATO-Macht Türkei aus auf die UdSSR abgefeuerte Atomrakete darstellt. Die Sowjets sind nicht mehr die Aggressoren, sie haben lediglich zu spät erkannt, dass sie nicht von der NATO attackiert worden sind, sondern, wie der sowjetische Präsident seinem amerikanischen Pendant mitteilt, von »dissident members of our own military who fear our vastly improved relations and who conspire to overthrow this government and force war between our two countries«. Dem Klassiker Fail-Safe (1964) nicht unähnlich kreist die Handlung des Films in der Folge um die Bemühungen der beiden besonnenen Staatschefs und einiger amerikanischer Militärs, den nach jahrzehntelang einstudierten Automatismen ablaufenden nuklearen Schlagabtausch zu beenden, bevor beide Nationen komplett vernichtet werden. Erschwert wird dies dadurch, dass der amerikanische Präsident nach dem Absturz seines Hubschraubers als tot gilt und der ihm nachfolgende Innenminister von der sowjetischen Version der Ereignisse und dem Angebot, die Feindseligkeiten nach einem gleichen Schaden anrichtenden amerikanischen Gegenschlag zu beenden, nichts wissen will. Gestützt auf 77 John Le Carré, The Russia House, New York 1989. 78 Die New York Times beklagte auch deshalb die stereotype Figurenzeichnung des Films; »Embrace the Stereotype; Kiss the Movie Goodbye«, 27.01.1991. 79 William Prochnau, Trinity’s Child, New York 1983.
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den Rat eines Colonels, der wie er selbst in völlig unangebrachten Schemata von Sieg und Niederlage und in den Mustern des Kalten Krieges denkt, ordnet dieser Politiker einen umfassenden Angriff auf die Sowjetunion an. Nur durch die Meuterei einiger Militärs, die durch das Wiederauftauchen des eigentlichen Oberbefehlshabers legitimiert wird, kann die völlige Katastrophe im letzten Moment abgewendet werden. Die den Krieg auslösende Verschwörung spielt in By Dawn’s Early Light interessanterweise für den weiteren Verlauf der Handlung kaum eine Rolle. Stattdessen konzentriert sich der Film auf den Konflikt zwischen Falken und Tauben innerhalb des amerikanischen Apparats und die gefährlichen Mechanismen des Kalten Krieges. Die insgesamt durchaus vorteilhafte Sicht auf die Sowjetunion zeigt sich vor allem in der Figur des (nur als Stimme auftretenden) sowjetischen Präsidenten, der von Anfang an bemüht ist, den Krieg mit so wenigen Opfern wie möglich zu beenden. Den Argumenten des kriegstreiberischen Colonels wird implizit und explizit widersprochen: »This isn’t the 1950s, they’re not looking for new worlds to conquer anymore.« Das immer wiederkehrende Thema einer möglichen Sabotage des Friedensprozesses zeigt, welche Bedeutung der Annäherung zwischen den beiden Systemen nun zugemessen wurde: Die Rückkehr zum Kalten Krieg wurde zur Schreckensvision. Darüber hinaus wird in diesen Filmen deutlich, als wie zentral Gorbatschow für die Veränderung in der Sowjetunion und im Ost-West-Konflikt gesehen wurde. Offensichtlich erkannte man in ihm – durchaus zurecht – eine neue Art von sowjetischem Staatschef. Gleichzeitig ist das Gefühl von Unsicherheit spürbar, das die Entspannung begleitete. Wenn Gorbatschow beziehungsweise seinen filmischen Platzhaltern in den meisten Szenarien Gefahr vor allem aus den eigenen Reihen droht, spiegelt das auch das anhaltende Misstrauen gegenüber dem sozialistischen Staat insgesamt wider. Gorbatschow selbst wird zwar durchweg positiv gesehen, aber auch als mehr oder weniger einzigartig auf sowjetischer Seite, sodass die Annäherung ganz persönlich mit ihm und weniger mit der UdSSR als solcher stattfindet, weshalb ein Attentat auf ihn alles zunichte machen könnte. Insofern ist es beachtenswert, dass in einer der letzten Produktionen des OstWest-Konflikts überhaupt, Star Trek VI: The Undiscovered Country (1991), zwar der Anschlag gelingt, die Verschwörung aber dennoch scheitert. Der für die Originalserie prägende Subtext des Kalten Krieges wird in diesem sechsten Filmableger offen und selbstkritisch thematisiert. Obwohl die Besatzung des Raumschiffs Enterprise mit der Einbindung eines russischen Offiziers – Pavel Chekov (Walter Koenig) – von Beginn an die Utopie einer in Harmonie vereinten Erde repräsentierte, hatte die Serie den Konflikt zwischen den Supermächten nicht überwunden, sondern lediglich verpflanzt: Die Föderation stand als freie Welt, geschützt durch die Sternenflotte als Pendant zur NATO, dem kriegerischen Klingonenreich gegenüber, mit dem sie immer wieder um Einfluss in unabhängigen Systemen, also der Dritten Welt, konkurrierte. Die Rollen von Gut und Böse waren dabei eindeutig verteilt: Die Klingonen waren stets der Aggressor, die Föderation reagierte lediglich, um sich und andere zu schützen. Nie war die Allegorie jedoch eindeutiger als in The Undiscovered Country, der mit zahlreichen, auch selbstironischen Elementen die Entwicklung seit den späten 1980er Jahren kommentiert. Der Film beginnt mit einem klingonischen Tschernobyl, der Explosion des Monds Praxis, der eine zentrale Rolle für die Energieproduktion des Imperiums
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spielt. Aufgrund des hohen Militärbudgets fehlen den Klingonen die Mittel, um diese durch »overmining and unsufficient safety precautions« verursachte ökonomische und ökologische Katastrophe in den Griff zu bekommen, die zu einer Verseuchung der Atemluft in ihrem Reich führt. »The Klingon empire has roughly 50 years of life left«, informiert der Oberbefehlshaber der Sternenflotte seine Untergebenen. Tatsächlich ist die Explosion von Praxis also mehr als eine Anspielung auf das Reaktorunglück in der Ukraine, sie bündelt in einem einzigen Ereignis verschiedene Elemente der klingonisch-sowjetischen Schwäche wie eine marode Wirtschaft und durch Aufrüstung erschöpfte Staatskassen. Vor allem verweist sie mit der Darstellung eines vor dem Kollaps stehenden Klingonenreichs auf die immer evidenter werdenden Probleme in der UdSSR, deren krisenhafte Zuspitzung für die nur zwei Jahre zuvor veröffentlichten Filme noch nicht absehbar war. Anders als etwa in The Package ist deutlich, dass die Klingonen Frieden schlichtweg brauchen, »an end to almost 70 years of unremitting hostility, which the Klingons can no longer afford«, wie Spock (Leonard Nimoy) die Aussichten zusammenfasst. In der Tat nimmt der klingonische Kanzler Gorkon – schon der Name lässt erahnen, dass es sich um einen Gorbatschow mit Stirnwulsten statt Muttermal handelt – Verhandlungen mit der Föderation auf, die allerdings auf dieselben Vorbehalte stoßen wie in den anderen Filmen. Auf beiden Seiten gibt es Hardliner, die einen entscheidenden Krieg einem Friedensschluss vorziehen würden. »The opportunity here is to bring them to their knees«, urteilt Admiral Cartwright bei der Sternenflotte. »Attack them now while we still can«, lautet die entsprechende Forderung bei den Kleingonen. Wie in The Package tun sich diejenigen, die keinen Frieden wollen, zusammen, um die Verhandlungen zu sabotieren. An der Eigennützigkeit ihrer Motive, egal, was für Argumente sie vorbringen mögen, besteht auch hier kein Zweifel, wenn die Verschwörer als »everyone who stands to lose from peace« beschrieben werden. Anders als in den älteren Filmen gelingt der Anschlag auf Gorkons Leben allerdings, der so inszeniert ist, dass es aussieht, als ob die Enterprise, die das Schiff des Kanzlers zur Friedenskonferenz eskortieren sollte, für den Angriff verantwortlich sei. Kirk (William Shatner) und der Bordarzt McCoy (DeForest Kelley) werden von den Klingonen als Mörder Gorkons vor Gericht gestellt und zu lebenslanger Zwangsarbeit in den Minen von Rura Penthe verurteilt, einem Eisplaneten, der als das klingonische Sibirien fungiert und von ihnen sogar explizit als Gulag bezeichnet wird. Auf der einen Seite werfen der Schauprozess und die Szenen in der grausamen Strafkolonie ein sehr schlechtes Licht auf die Klingonen – und damit auf die UdSSR, deren totalitäres System hier im Stil älterer Produktionen kritisiert wird. Auf der anderen Seite gibt sich Gorkons Tochter Azetbur, die seine Nachfolge antritt, aber mit der Bestrafung der vermeintlichen Mörder ihres Vaters zufrieden und setzt den Friedensprozess gegen die Ratschläge ihrer Militärs fort. Dass die Ermordung eines einzelnen friedenswilligen Staatsoberhaupts nicht ausreicht, die Rückkehr zur Konfrontation auszulösen, kann man als Beleg für eine optimistischere Sicht auf die Annäherung zur Sowjetunion und auf deren Absichten zu Beginn der 1990er Jahre interpretieren. Die Friedensinitiative der Klingonen ist stabiler als erwartet. Man könnte versucht sein, dies mit der verzweifelten Lage des Imperiums zu erklären, allerdings sollte man bedenken, dass sich diese noch nicht auf den militärischen Bereich erstreckt und gerade solche Krisenszenarien zahlreichen Dritter-Weltkrieg-Fantasien der frühen 1980er Jahre zugrunde lagen. Diese klingen an, wenn der klingonische
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Stabschef General Chang (Christopher Plummer) die Situation mit »We need breathing room« analysiert, was Kirk mit »Earth, Hitler, 1938« kommentiert. Bezeichnenderweise ist Chang aber eben nicht (mehr) repräsentativ für die klingonische Politik, sondern gehört zu den Verschwörern. Die klingonische Führung will ihre Probleme nicht durch Eroberung lösen, sondern bittet die Föderation um Hilfe. Darin spiegelt sich die neue Einschätzung der Sowjetunion wider, die positiver ist als früher, aber auch durch den sich andeutenden Abstieg der UdSSR von einer konkurrierenden Supermacht zu einer auf Unterstützung angewiesenen Krisenregion beeinflusst wird.80 Zugleich diskreditiert die Notlage der Klingonen die Verschwörer auf Seiten der Sternenflotte besonders stark, die offensichtlich nicht nur auf Verteidigung aus sind, sondern darauf, die Schwäche des Feindes auszunutzen. Was The Undiscovered Country interessant macht und ihn wiederum von The Package unterscheidet, ist der Umstand, dass die Besatzung der Enterprise – mit Ausnahme von Spock – die Vorbehalte der Verschwörer teilt. Insbesondere bei Kirk ist das Feindbild kaum weniger stark ausgeprägt. Als er damit beauftragt wird, Gorkon zu eskortieren, ist er empört. KIRK: »They’re animals!« SPOCK: »Jim… There is an historic opportunity here.« KIRK: »Don’t believe them! Don’t trust them!« SPOCK: »They are dying.« KIRK: »Let them die!«
Der Captain der Enterprise muss erst seine eigenen Vorurteile überwinden, um den Friedensprozess retten zu können. Andererseits argumentiert der Film mit Spock (und einer weiteren Anspielung auf die historischen Ereignisse), dass ihn in gewisser Weise gerade sein tiefverwurzeltes Misstrauen gegenüber den Klingonen für diese Mission prädestiniert: »There is an old Vulcan proverb: ›Only Nixon could go to China.‹« Kirk selbst ist von dieser Logik nicht überzeugt. »I’ve never trusted Klingons. And I never will. I can never forgive them for the death of my boy«, vermerkt er in seinem persönlichen Logbuch.81 Chang irrt sich keineswegs komplett, wenn er in Kirk einen verwandten Geist zu erkennen glaubt, ein Spiegelbild quasi, mit dem er sich im Einverständnis wähnt bei der Feststellung: »In space, all warriors are cold warriors.«82 Dieselben Vorurteile wie bei Kirk werden auch von seiner Crew geäußert. So mutmaßt Chefingenieur Scotty (James Doohan), dass Azetbur selbst für die Ermordung ihres Vaters verantwortlich sein könnte. »They don’t place the same value on 80 In der bereits einige Jahre zuvor gestarteten Nachfolgeserie Star Trek: The Next Generation (1987-1994) spielen chaotische Zustände im krisengeschüttelten Klingonenreich mehrfach eine wichtige Rolle. 81 Kirks Sohn wurde in Star Trek III: The Search for Spock (1984) von den Klingonen getötet. 82 Changs Forderung »Don’t wait for the translation, answer me now!« während des Prozesses, in dem er als Ankläger fungiert, ist eine weitere Anspielung auf den Kalten Krieg, zitiert er damit doch die berühmte Konfrontation im UN-Sicherheitsrat während der Kubakrise.
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life as we do«, behauptet er und äußert damit eine Einschätzung, die nicht nur zur Charakterisierung der Kriegerrasse der Klingonen in der Serie diente, sondern oft auch zur Beschreibung der Sowjets. Tatsächlich gibt es aber einen wichtigen Unterschied zwischen diesen beiden Feindbildern und zwar die Rolle von Rassismus. Während rassistische Elemente beim Feindbild Sowjetunion sonst in der Regel keine Rolle spielten, sind sie im Hinblick auf die Klingonen von großer Bedeutung und werden in The Undiscovered Country ausführlich behandelt. Bereits in der Originalserie wurden die Klingonen mit »racial signifiers« versehen, die ihnen eine auffällige Ähnlichkeit mit der populären Schurkenfigur des Fu Manchu verliehen, wodurch sie leichter als Feinde zu identifizieren und zu akzeptieren waren.83 Bedeutsamer waren ›rassische‹ Unterschiede zunächst aber bei der Darstellung der Romulaner, der anderen großen feindseligen Macht, die mit asiatischen Gegnern, insbesondere mit dem maoistischen China identifiziert werden konnte.84 Erst in den 1980er Jahren erhielten die Klingonen ihr dann etabliertes Äußeres mit den langen Haaren und den charakteristischen Stirnwulsten: »[T]he Klingons became irreconcilably Other, even animalistic, their make-up design significantly altered from the early days[.]«85 Sie waren nun definitiv nicht mehr nur eine imperialistische Macht, die mit der Föderation konkurrierte, sie waren ein dezidiert ›rassischer‹ Feind. Kirk bestätigt dies, wenn er sie in dem bereits zitierten Dialog als Tiere bezeichnet und einen offensichtlich rassistisch geprägten Hass offenbart, der ihn die Ausrottung beziehungsweise das Aussterben der anderen Spezies gutheißen lässt. Besonders explizit wird das Thema in der Sequenz des Films behandelt, in der Gorkon mit einer kleinen Delegation, zu der auch Chang und Azetbur gehören, mit den Offizieren der Enterprise zu Abend isst. Bereits Kirks Einladung kommentiert Chekov mit einem missmutigen »Guess who’s coming to dinner?«, womit er den Titel eines Filmklassikers über Rassismus aus der Zeit der Bürgerrechtsbewegung zitiert und so den Interpretationsrahmen vorgibt.86 Die Crew der Enterprise beklagt nach der Begegnung, dass die Klingonen angeblich alle gleich aussehen, schlecht riechen und unappetitliche Essmanieren haben. Azetburs Vorwürfe als Reaktion auf Chekovs Bemerkung zu »inalienable human rights«, die allen Planeten zustehen müssten, sind offensichtlich nicht unberechtigt: »›Inalien‹. If you could only hear yourselves! ›Human rights‹. Why, the very name is racist. The Federation is no more than a ›homo sapiens only‹ club.« Obgleich dies natürlich nicht ganz richtig ist, ist die auch bei der Besprechung im Sternenflottenhauptquartier zu beobachtende und bis heute in allen Star-Trek-Serien unveränderte dominante Rolle der Menschen in der Föderation ein ständiger Widerspruch zu den propagierten Idealen ›rassischer‹
83 Vgl. Daniel Leonard Bernardi, ›Star Trek‹ and History: Race-ing Toward a White Future, New Brunswick u.a. 1998, 63. Die Behauptung von Worland, »Captain Kirk«, 112, die Rassenthematik habe in der Auseinandersetzung mit den Klingonen in der Originalserie keine Rolle gespielt, ist somit unzutreffend. 84 Zur Rolle der Romulaner siehe Worland, »Captain Kirk«, 110-3. 85 Worland, »From the New Frontier to the Final Frontier«, 29. In den neuesten Filmen und Serien, die zeitlich wieder früher angesiedelt sind, hat sich das Aussehen der Klingonen wiederum verändert, ist aber eher noch monströser geworden. 86 Guess Who’s Coming to Dinner? (1967).
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Gleichheit. The Undiscovered Country löst diesen Widerspruch nicht auf,87 aber der Film macht ihn bei seiner Auseinandersetzung mit dem Problem des Feindbildes zumindest zu einem Thema.88 Die selbstreflexive Tendenz bezüglich des Verhältnisses zum Kalten Krieg, die der Film an den Tag legt, »critiquing the belligerent attitudes of the original series, now viewed as outdated«,89 erfasst somit auch den rassistischen Subtext der Serie. In seinem abschließenden Logbucheintrag vor dem Abspann korrigiert Kirk sogar den berühmten Leitspruch der Enterprise: »boldly going where no man... where no one has gone before.« Der Absage an ›rassische‹ Feindbilder läuft allerdings die Figur Generals Changs zuwider, der sich wiederum auffällig von den übrigen Klingonen unterscheidet: Seine Hautfarbe ist deutlich heller, seine Stirn ist glatter, und statt der üblichen lange Haare ziert seinen ansonsten kahlen Schädel nur ein kleiner Zopf, der ihm zusammen mit einem schmalen Bärtchen ein deutlich asiatisches Aussehen verleiht. Sein Äußeres, das somit eher dem der Klingonen der 1960er Jahre ähnelt, unterstreicht damit die Assoziation, die sein Name hervorruft. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es kein Zufall ist, dass ausgerechnet der wichtigste Antagonist eine derartige Codierung erhält, zumal angesichts der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in China im Juni 1989, mit der deutlich wurde, dass das dortige Regime nicht beabsichtigte, einen ähnlichen Kurs wie die UdSSR einzuschlagen. Dazu passt auch die Beteiligung der – wie bereits erwähnt wurde – schon in der Originalserie mit Asiaten und vor allem mit China identifizierten Romulaner an der Verschwörung gegen den Frieden. In der seit 1987 ausgestrahlten Nachfolgeserie Next Generation traten die Romulaner denn auch in vielfacher Hinsicht an die Stelle der Klingonen, die ihrerseits nun in Form von Lieutenant Worf sogar in die Besatzung der Enterprise integriert wurden.90 Hier zeigen sich die Grenzen der Selbsterkenntnis von The Undiscovered Country. Zwar ist es so, dass Kirk durch die Begegnung mit Gorkon und vor allem durch dessen Festhalten an der Hoffnung auf Frieden bis zum buchstäblich letzten Atemzug zum Nachdenken und zu einem Gesinnungswandel veranlasst wird. Dabei wird ihm klar (und durch ihn dem Zuschauer vermittelt), dass die Angst vor dem Frieden vor allem die Angst vor der Zukunft ist, die Gorkon als »undiscovered country« bezeichnet hat. Wie Chang, der nach dem Motto »no peace in our time« den Krieg anstrebt, fürchtet Kirk anfangs den Beginn einer Zeit, die nicht mehr die sein wird, in der er sozialisiert wurde und auf die sein Wertesystem abgestimmt ist. Gorkon konfrontiert ihn erstmals mit dieser Erkenntnis: »You don’t trust me, do you? I don’t blame you. If there is to be a brave new world, our generation is going to have the hardest time living in it.« Hier wir deutlich, dass es nicht zuletzt die Gewöhnung an den Konflikt ist, die dessen Beendigung so schwierig macht, vor allem natürlich für diejenigen, denen er quasi zum Lebensinhalt geworden ist. »I was terrified«, gesteht Kirk später McCoy: »I was used to hating Klingons. It never even occurred to me to take Gorkon 87 Deutlich wird dies z. B. auch an Spock, der mal seine Nichtmenschlichkeit betont, mal sich assimiliert. 88 Vgl. auch Bernardi, ›Star Trek‹ and History, 101. 89 Worland, »From the New Frontier to the Final Frontier«, 30. 90 Tatsächlich spielt die Bedrohung durch die Romulaner in Next Generation eine entscheidende Rolle für die Annäherung zwischen Föderation und Klingonen.
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at his word.« Zum Schluss bringt er den Sachverhalt noch einmal auf den Punkt, als er zu Azetbur sagt: »Some people think the future means the end of history.« Der Film nimmt damit Bezug auf Francis Fukuyamas These, dass mit dem Sieg des kapitalistisch-demokratischen Westens im Kalten Krieg der letzte ideologische Konflikt beendet und somit gleichsam das Ende der Geschichte erreicht sei, da es fortan keine großen Kämpfe mehr auszufechten geben werde.91 The Undiscovered Country argumentiert, dass dies für viele eine erschreckende Aussicht ist, zum Beispiel für die Besatzung der Enterprise, der in ihrem letzten Abenteuer gleich ein doppeltes Ende der Geschichte droht, sozusagen ein kosmopolitisches und ein persönliches. Die unbekannte Zukunft kann von den Helden erst begrüßt werden, als sie nicht mehr in diesem Sinne begriffen wird. Was der Film nicht ausspricht, was dem glücklichen Ende aber zugrunde liegt, ist, dass erstens der Staffelwechsel zur Next Generation ja bereits erfolgt und damit das Fortbestehen des Star-Trek-Universums garantiert ist, dass zweitens Kirk seine Feindseligkeit gegenüber den Klingonen einfach auf die Verschwörer transferieren kann und dass es drittens immer noch die Romulaner (oder später die Borg, die Cardassianer, das Dominion etc.) gibt. Die von Azetbur formulierte Botschaft des Films »war is obsolete« erweist sich also als etwas zu optimistisch, sie hat ihre Gültigkeit nur für den aktuellen Konflikt. Für die Zukunft gilt eher, dass man – wie die Helden in Iron Eagle II und ähnlichen Filmen – schon jemand anderen finden wird, den man hassen kann. Diese Analyse ändert freilich nichts daran, dass The Undiscovered Country im Hinblick auf den Kalten Krieg eine ausgesprochen fortschrittliche und, um es noch einmal zu betonen, selbstkritische Haltung einnimmt. Denn natürlich gab es auch in den letzten Jahren des Ost-West-Konflikts noch Produktionen anderer Art, die dem alten Feindbild stärker verhaftet blieben. Konfrontative Filme wie Bulletproof (1988) oder Red Scorpion (1989) stellten jetzt allerdings die Ausnahme dar, und es war ihnen auch kein großer Erfolg beschieden.92 Selbst Rambo III (1988) blieb hinter den Erwartungen zurück. Die Komödie Her Alibi (1989) griff noch einmal das Motiv der in die USA flüchtenden Künstler auf, machte diese und die sie verfolgenden Geheimdienstleute aber immerhin zu Rumänen und verortete sie so in einem Land des Ostblocks, dessen Regime sich vehement gegen Gorbatschows Reformkurs sperrte.93 Als sich der Ost-West-Konflikt immer deutlicher dem Ende zuneigte, wurden die Filme, die ihn thematisierten, immer mehr zu Totengesängen. In John Frankenheimers The Fourth War (1990) verwandelt sich der Kalte Krieg in einen »pissing con-
91 Francis Fukuyama, »The End of History?«, in: National Interest 16 (1989), 3-18. 92 Red Scorpion spielte bei einem Budget von 16.000.000 Dollar nur knapp 4,2 Millionen ein; Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0098180/business u. http://www.the-numbers.com/ movies/1989/0RDSC.php (beide 18.06.2007). 93 Als der Umsturz in Rumänien nicht wie in den anderen osteuropäischen Ländern weitgehend friedlich verlief, sondern zu blutigen Unruhen führte, erklärten die Vereinigten Staaten sogar, dass sie keine Einwände erheben würden, falls die UdSSR mit Truppen intervenieren wolle, um die Opposition gegen den Diktator Ceausescu zu unterstützen; vgl. Garthoff, Great Transition, 408.
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test between two obsolescent soldiers«.94 Und als im März 1990 The Hunt for Red October in die Kinos kam, drängte sich für Time die Frage auf: »Will the movie seem an anachronism in this moment of revolutionary change? Or do the events of recent months make the movie even more treasurable as possibly the last, and by no means the least, of its kind?«95 Tatsächlich wirkte der Film mit einer sowjetischen Wunderwaffe als Prämisse, dem U-Boot Roter Oktober, das offensichtlich entwickelt wurde, um einen atomaren Erstschlag gegen die USA führen zu können, an der Schwelle zu den 1990er Jahren inhaltlich überholt. Seine Handlung erinnert an Firefox (1982) und ähnliche Filme aus der ersten Hälfte der 1980er Jahre, was nicht weiter überraschen kann, da die gleichnamige Romanvorlage von Tom Clancy im Jahr 1984, also auf dem zweiten Höhepunkt des Kalten Krieges, erschienen war.96 Der Film verarbeitet dieses Problem, indem er die Zeitgebundenheit der Geschichte explizit macht und sie auf den November 1984, »shortly before Gorbachev came to power«, datiert. Den Ereignissen wird also ihre Glaubhaftigkeit zurückgegeben, indem man sie quasi historisiert. Das heißt, der Film selbst macht deutlich, dass er sich auf eine vergangene Epoche bezieht. Als eine solche erscheint auch die Ära der Spionage-Abenteuer in Company Business (1991), einem selbstironischen Abgesang auf das Genre, in dem zwei alternde Agenten, ein Russe und ein Amerikaner, den Geheimdiensten beider Seiten, die an ihrer überholten Konkurrenz festhalten, ein Schnippchen schlagen. Die politischen Verhältnisse änderten sich so schnell, dass die Filme Schwierigkeiten hatten, mit der Entwicklung Schritt zu halten. The Undiscovered Country startete am 31. Dezember 1991 in den amerikanischen Kinos – zehn Tage, nachdem sich die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken offiziell aufgelöst hatte.
94 Pat Dowell, »Frankenheimer, John«, in: Crowdus (Hg.), Political Companion, 155-9, hier: 158. 95 »A High-Stakes Blindman’s Bluff«, in: Time 05.03.1990. 96 Tom Clancy, The Hunt for Red October, New York 1984.
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»Russia – what a fucking mess!«: Das Bild Russlands nach dem Ende des Ost-West-Konflikts
Der Zusammenbruch der Sowjetunion wurde in den USA durchaus mit gemischten Gefühlen beobachtet. Neben die Erleichterung über das Verschwinden der konkurrierenden Supermacht als Bedrohung trat alsbald beträchtliche Sorge um die Begleiterscheinungen und Konsequenzen des Auflösungsprozesses des sowjetischen Imperiums, nicht zuletzt weil hier ein Staat auseinanderbrach, der ein gewaltiges Nuklearwaffenarsenal kontrollierte. Tatsächlich wäre es der Regierung Bush am liebsten gewesen, wenn die UdSSR das Ende des Ost-West-Konflikts überlebt und ihre territoriale Integrität bewahrt hätte. Die Vereinigten Staaten bemühten sich deshalb so lange wie möglich, Gorbatschow zu stützen, und hielten zunächst zu den Vertretern der erstarkenden Teilrepubliken Distanz, auch zu Boris Jelzin, obwohl dieser zusehends als treibende Kraft hinter weitergehenden demokratischen und marktwirtschaftlichen Reformbemühungen in Erscheinung trat. Erst im Juli 1991 traf George Bush den russischen Präsidenten zu einem Vieraugengespräch. Einen Monat später warnte er in einer Rede vor dem Obersten Sowjet der Ukraine vor einem »suicidal nationalism«.1 Die Auflösung der UdSSR im Dezember 1991 erfüllte also keineswegs einen sehnlichen Wunsch der US-Regierung und konfrontierte sie mit einer Reihe von Herausforderungen und Problemen, die in der Folge für ihre Politik bestimmend sein sollten. Dazu gehörten zunächst ganz konkret die schlagartig veränderten Rahmenbedingungen dieser Politik: Aus einem einzigen Staat mit einer einheitlichen Außenpolitik waren beinahe über Nacht 15 Staaten geworden, die fortan alle eigene Beziehungen zu den USA sowie untereinander unterhielten. An die Stelle der überaus einfachen Situation vergangener Tage, in denen Absprachen mit der Sowjetunion für deren gesamten Herrschaftsbereich, einschließlich der formal unabhängigen Satellitenstaaten, als bindend betrachtet werden konnten, trat nun ein komplexes Beziehungs1
George Bush, »Remarks to the Supreme Soviet of the Republic of the Ukraine in Kiev, Soviet Union, August 1st, 1991«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19864 (11.12. 2007). Vgl. hierzu auch James M. Goldgeier/Michael McFaul, Power and Purpose: U.S. Policy toward Russia after the Cold War, Washington D.C. 2003, 18-40; William G. Hyland, Clinton’s World: Remaking American Foreign Policy, Westport/London 1999, 79; Stephan Bierling, Geschichte der amerikanischen Außenpolitik von 1917 bis zur Gegenwart, München 22004, 200-4.
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geflecht, zumal auch die Vereinigten Staaten im westlichen Bündnis fortan nicht mehr die gleiche uneingeschränkte Führerschaft beanspruchen konnten wie während des Kalten Krieges. Diese Verkomplizierung der politischen Landschaft fand zudem in den neuen demokratischen Strukturen Russlands ihre Fortsetzung: Die Amerikaner waren es gewohnt gewesen, mit dem sowjetischen Generalsekretär eine einzelne Person als maßgebliches Gegenüber und Verhandlungspartner zu haben. Deshalb neigte man in Washington zunächst dazu, Jelzin eher als Nachfolger Gorbatschows denn als Präsidenten eines demokratischen Staates zu betrachten.2 Es bedurfte der Gewöhnung, dass die russische Regierung nun auch zur Rücksichtnahme auf die Meinung ihrer Wählerschaft gezwungen war und sich darüber hinaus mit einem einflussreicheren Parlament mit eigenen politischen Vorstellungen auseinandersetzen musste. Gleichzeitig war völlig unklar, wohin sich Russland und die anderen Newly Independent States entwickeln würden. Der Reformprozess war alles andere als gefestigt, von einer sicheren Aussicht auf Erfolg ganz zu schweigen. Im Angesicht der enormen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen sowie eines erstarkenden Nationalismus, der nicht nur zu Konflikten zwischen den jungen Staaten führte, sondern auch innerhalb der russländischen Föderation, der nach wie vor verschiedene Ethnien angehörten, drohten chaotische Zustände. Die Bush-Administration tat allerdings wenig, um die Reformen zu unterstützen und zur Stabilisierung Russlands in der kritischen Umbruchphase beizutragen. Erst die nachfolgende Regierung Bill Clintons machte die Unterstützung der demokratischen und marktwirtschaftlichen Reformen in Russland zu einem zentralen außenpolitischen Anliegen der USA.3 In einer Rede vor dem Chicago Council on Foreign Relations im März 1993 sprach Clintons Außenminister Warren Christopher von der »greatest strategic challenge of our time« und erklärte: »For America and the world the stakes are just monumental.«4 Nur wenige Tage später unterstrich auch der neue Präsident diesen Befund: »The success of Russia’s renewal must be a first-order concern to our country [...] The danger is clear if Russia’s reforms turn sour, if it reverts to authoritarianism or disintegrates into chaos. The world cannot afford the strife of the former Yugoslavia replicated in a nation as big as Russia, spanning 11 time zones with an armed arsenal of nuclear weapons that is still very vast.«
Clinton betonte die Verknüpfung amerikanischer Interessen mit der Entwicklung in Russland und leitete daraus die Notwendigkeit einer »strategic alliance with Russian reform« ab.5 Konkret bedeutete dies, dass die Vereinigten Staaten sich bemühten, 2 3 4 5
Hyland, Clinton’s World, 81. Siehe hierzu und zu den dafür verantwortlichen unterschiedlichen Politikvorstellungen ausführlich Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 59-119. Zitiert nach Hyland, Clinton’s World, 84. William J. Clinton, »Remarks to the American Society of Newspaper Editors in Annapolis, April 1st, 1993«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=46392 (12.11.2007). Das Schreckgespenst eines noch verheerenderen Krieges als in Jugoslawien, in dem Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten, führten auch die Herausgeberinnen eines 1994 erschienenen Sammelbandes zu den neuen amerikanisch-russischen Beziehungen an, um zu ver-
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Jelzin wirtschaftliche Hilfe zukommen zu lassen, wobei sie vor allem ihr Gewicht im Internationalen Währungsfonds geltend machten, um Kredite für Russland durchzusetzen. Die Aufwendungen der USA selbst blieben dagegen gering, obwohl sie die politische Führung beanspruchten.6 Trotz milliardenschwerer internationaler Hilfe führte die Reformpolitik Jelzins jedoch nicht zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation für die Mehrzahl der Russen. Die durch die hastige Umstellung auf eine marktorientierte Produktion jenseits staatlicher Kontrolle und die Einschnitte im militärischen Sektor als einem zentralen Arbeitgeber überforderte Wirtschaft rutschte immer tiefer in die Krise. Zunehmend machten sich unvorhergesehene und problematische Begleiterscheinungen der Reformen bemerkbar.7 Während einige rücksichtlose und durch ihre Stellung begünstigte Personen von der übereilten Privatisierung ohne ausreichende gesetzliche Kontrollen profitierten, sank der Lebensstandard der Allgemeinheit auf ein für eine Industrienation bedenkliches Niveau. Der Kapitalismus zeigte sein hässlichstes Gesicht in Gestalt einer immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich und einer sich über die bereits aus der sowjetischen Zeit bekannten Maße ausbreitenden Korruption. Hinzu kam ein sprunghafter Anstieg der Kriminalität, begünstigt durch die Erosion des früher so mächtigen Polizei- und Überwachungsapparates. Die russische Mafia wurde in der Wahrnehmung des Westens schnell zu einem wesentlichen Merkmal des postkommunistischen Russland und seiner Krise. Der bekannte Journalist Seymour Hersh schrieb in der Zeitschrift Atlantic Monthly vom ›Wilden Osten‹ und konstatierte »the penetration of organized crime into all aspects of Russian life«.8 Andere Beobachter stellten Vergleiche mit dem Chicago der 1930er Jahre an,9 und Stephen Handelman warnte in Foreign Affairs: »Russia’s crime syndicate constitutes a serious threat to post-Soviet democracy.«10 In der Tat bedeutete die Zunahme von Verbrechen im Allgemeinen und organisierter Kriminalität im Besonderen eine beträchtliche Belastung für den demokratischen Reformprozess. Zum einen schreckten die gerade auch für westliche Geschäftsleute unsiche-
deutlichen, warum der Westen Russland in seiner schwierigen Situation helfen müsse: Sharyl Cross/Marina A. Oborotova, »The New Chapter: Opportunities and Challenges«, in: dies. (Hg.), The New Chapter in United States-Russian Relations: Opportunities and Challenges, Westport/London 1994, 1-17, hier: 7. 6 Vgl. Stephan Bierling, »Weder Partner noch Gegner: Die Rußlandpolitik der USA«, in: Peter Rudolf/Jürgen Wilzewski (Hg.), Weltmacht ohne Gegner: Amerikanische Außenpolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts (Internationale Politik und Sicherheit, Bd. 52), BadenBaden 2000, 125-47, hier: 128 u. 131f. 7 Vgl. Gail W. Lapidus, »Transforming Russia: American Policy in the 1990s«, in: Robert J. Lieber (Hg.), Eagle Rules? Foreign Policy and American Primacy in the Twenty-First Century, Upper Sadle River 2002, 97-132, hier: 106; LaFeber, America, Russia, and the Cold War, 356-8. 8 Seymour M. Hersh, »The Wild East«, in: Atlantic Monthly (Juni 1994), 61-86, hier: 62. 9 Vgl. »Russia Mobsters Grow More Violent and Pervasive«, in: NYT 16.08.1993. 10 Stephen Handelman, »The Russian ›Mafiya‹ «, in: Foreign Affairs 73:2 (1994), 83-96, hier: 83.
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ren Zustände die so dringend herbeigesehnten Investoren ab.11 Zum andern war der Eindruck, dass vor allem Gangster, die ihren Reichtum oft ungeniert zur Schau stellten, vom Ende des Sowjetsystems profitierten, dazu angetan, die neue demokratische (Un-)Ordnung in den Augen vieler Russen zu diskreditieren und damit den Befürwortern eines autoritären Staates in die Hände zu spielen. So diagnostizierte auch Hersh »a classic dilemma: is the cure – more police and state control over day-to-day life and society – worse than the disease?«12 Allerdings nahm die Furcht vor russischen Verbrecherorganisationen gerade auch im Hinblick auf deren Ausbreitung nach Westen zum Teil übertriebene, ja hysterische Formen an, wenn etwa die Journalistin Claire Sterling in ihrem Buch Thieves’ World behauptete, die Syndikate in Ost und West hätten eine »pax mafiosa« erklärt und würden nun zusammenarbeiten,13 weshalb »liberated Russia, as the underworld’s new country of choice, […] an active danger to its Western friends« werde.14 In einer ein Jahr zuvor veröffentlichten Studie des National Strategy Information Center zum organisierten Verbrechen als Bedrohung für die Sicherheit der USA wurde dagegen betont, dass es trotz gewisser Verbindungen keine weltweite »integrated, centrally directed criminal conspiracy« gebe,15 und zudem den osteuropäischen Gruppen eher geringe Bedeutung beigemessen. Zu beachten ist auch, dass die New York Times vermerkte, »[that] Moscow is still lagging behind American levels of murder and violence« – trotz einer dramatisch steigenden Mordrate.16 Dass die Kriminalität in Russland dennoch als so bedrohlich wahrgenommen wurde, erklärt sich wohl nicht nur aus dem Umstand, dass Verbrechen gegen westliche Geschäftsleute im Ausland in gewisser Weise mehr Aufmerksamkeit erregten als die alltägliche Gewalt in den amerikanischen Innenstädten, deren Opfer zumeist sozial unterprivilegierten Gruppen zuzurechnen waren. Vielmehr muss man vor allem die Furcht vor chaotischen, gesetzlosen Zuständen auf dem Gebiet einer Nuklearmacht berücksichtigen. Es kann nicht überraschen, dass sich diese Ängste auch in der Filmproduktion der Zeit niederschlugen. Terminal Velocity (1994) etwa wurde zwar von der Kritik einhellig zerrissen und blieb an den Kinokassen hinter den Erwartungen zurück,17 dies ist aber sicherlich nicht seinen politischen Bezügen zuzuschreiben, die in hochaktueller und charakteristischer Weise Sorgen und Hoffnungen im Hinblick auf die Entwicklung Russlands aufgriffen. Vor allem die Art, wie der Film Befürchtungen hin11 Vgl. Cross/Oborotova, »New Chapter«, 13. 12 Hersh, »Wild East«, 62. 13 Claire Sterling, Thieves’ World: The Threat of the New Global Network of Organized Crime, New York u.a. 1994, 14. 14 Ebenda, 17. 15 Ray Godson/William J. Olson, International Organized Crime: Emerging Threat to US Security, hg. vom National Strategy Information Center, Washington D.C. 1993, 3. 16 »Russia Mobsters Grow More Violent and Pervasive«, in: NYT 16.08.1993. 17 Bei einem geschätzten Budget von 50 Millionen Dollar spielte der Film in den US-Kinos nur knapp 16,5 Millionen ein; Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0111400/business (18.06.2007). Für beispielhafte Kritiken siehe »Diving From the Sky Into a Thickening Plot«, in: NYT 23.09.1994; »Terminal Velocity«, in: WP 23.09.1994; »Terminal Velocity« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19940923/REVIEWS/40923 0304/1023 (10.06.2007).
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sichtlich der russischen Mafia mit der Angst vor einem Umsturz in Russland verknüpft, ist interessant. Die Handlung konfrontiert den draufgängerischen Fallschirmspringer Ditch Brody (Charlie Sheen) mit einer Gruppe in den USA operierender russischer Mafiosi, die allesamt ehemalige KGB-Leute sind. Der gefürchtete Geheimdienst der Sowjetunion stellt also auch nach dem Ende des Kalten Krieges noch die Schurken, deren Pläne deshalb auch über diejenigen gewöhnlicher Verbrecher hinausgehen. Die Entführung eines Flugzeugs, das Goldbarren im Wert von 600 Millionen Dollar transportiert, dient ihnen nicht nur zur persönlichen Bereicherung. Vielmehr soll der zerrüttete russische Staat, der das Geld dringend benötigt, um die Versorgung der Bevölkerung mit dem Nötigsten zu garantieren, durch die Vorenthaltung dieser Mittel vollends destabilisiert und dann ein Staatsstreich finanziert werden, der die früheren Wächter des kommunistischen Systems an die Macht bringen würde. Ditch wird in diese finsteren Absichten durch Chris (Nastassja Kinski) eingeweiht, eine frühere Kollegin der Bösewichte, die wie diese ein Opfer des Stellenabbaus nach dem Zusammenbruch der UdSSR geworden ist, aber dennoch versucht, das neue demokratische Russland vor einem Rückfall in die totalitäre Vergangenheit zu retten. »They’re killers, just like Stalin«, charakterisiert sie die Gruppe um Pinkwater (James Gandolfini) gegenüber Ditch: »And thousands of people will die.« Der Amerikaner zeigt zunächst wenig Enthusiasmus, sein Leben für Russland zu riskieren, aber Chris hält ihm vor, dass auch den USA konkrete Gefahr durch eine solchen Umsturz droht. »Once they’re in power it’ll be the cold war all over again«, erklärt sie. »More missiles aimed at your country.« Gemeinsam gelingt es der russischen Ex-Agentin und dem Amerikaner, den üblen Plan zu vereiteln. Mit dem sichergestellten Gold kann die Demokratie in Russland stabilisiert werden, und ein dankbarer russischer Präsident ehrt die beiden Helden während einer Zeremonie in einem sonnigen, strahlenden Moskau. Dass Ditch hier mit einem Orden ausgezeichnet wird, hat für ihn und die Aussage des Films noch eine zusätzliche Bedeutung, denn in gewisser Weise geht damit für ihn ein längst abgehakter Jugendtraum doch noch in Erfüllung. Wie der Zuschauer zuvor erfahren hat, wollte Ditch als Kunstturner für die USA an den Olympischen Spielen in Moskau 1980 teilnehmen. Der amerikanische Boykott brachte ihn jedoch um seine Chance auf ›russisches Gold‹. Die Ehrung in Moskau mit einem goldenen Orden stellt einen späten Ausgleich für diese herbe Enttäuschung dar. Der Film präsentiert damit die Vorzüge einer Zeit, in der durch den Kalten Krieg zerstörte Träume verwirklicht werden können. Das neue Russland ist hier trotz seiner Probleme ein Ort der Hoffnung, was in der sonnenbeschienenen Zeremonie zum Schluss – der einzigen Szene, die in Russland spielt – deutlich zum Ausdruck kommt – ein Ort, der von normalen, liebenswerten Menschen wie Chris’ Familie bewohnt wird. Selbst das KGB wird nicht einseitig mit dem Bösen in Verbindung gebracht, denn Pinkwater und seinen Leuten stehen mit Chris und ihrer zu Beginn des Films ermordeten Freundin auch positive ehemalige Angehörige des Geheimdienstes gegenüber. Zudem ist die Rettung Russlands nur durch eine amerikanisch-russische Zusammenarbeit möglich, bei der Chris die treibende Kraft ist, auch wenn sie am Ende auf Ditchs Hilfe angewiesen ist. Insgesamt ist Terminal Velocity damit von einer eher optimistischen Grundhaltung im Hinblick auf Russland als möglichen Partner geprägt, wodurch sich dieser Film von zahlreichen späteren Produktionen unterscheidet.
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Allerdings muss man nicht nur anmerken, dass das positive Russland zum einen – wie schon die Sowjetunion in diversen Filmen der späten 1980er Jahre – feminisiert und zum anderen amerikanisiert wird, es begegnen außerdem auch hier schon zahlreiche Motive, die später immer deutlicher hervortreten und für die filmische Darstellung des post-kommunistischen Russland bestimmend werden. So ist festzuhalten, dass es in Terminal Velocity zwar eine Partnerschaft zwischen Russland und den USA gegen eine gemeinsame Bedrohung gibt, dass Letztere aber eindeutig und ausschließlich von Russland ausgeht, das somit eine zwiespältige Rolle spielt, als Verbündeter und Hort der Gefahr zugleich. Darin besteht ein deutlicher Unterschied zu den Filmen über die Zusammenarbeit gegen gemeinsame Feinde aus den letzten Jahren des Ost-West-Konflikts. Zudem ist Chris zwar eine aktive Heldin, der es um das Wohl ihres Landes geht, sie ist jedoch keine Staatsdienerin mehr. Vielmehr handelt sie auf eigene Faust, um das Unheil abzuwenden. Der russische Staat ist offensichtlich nicht in der Lage sich selbst zu schützen und bietet keinerlei Hilfe, ja er leugnet gegenüber Chris’ Freundin sogar die Entführung des Flugzeugs. Während derartige misstrauische Verschwiegenheit aber schon früher als typisch russisch (oder sowjetisch) dargestellt wurde, etwa auch in Red Heat (1988), ist die Ohnmacht des Staates ein Charakteristikum des postkommunistischen Russland – und ein wesentlicher Grund für das Aufkommen neuer (und alter) Bedrohungen. Als Ditch und Chris die von den Mafiosi auf einem Flugzeugfriedhof in der Wüste Arizonas versteckte Maschine durchsuchen und dabei die Leichen der ermordeten Besatzung entdecken, kommt dem Amerikaner, der zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dem Gold weiß, ein schrecklicher Verdacht: »Is this a nuclear thing? This is a nuclear thing, isn’t it?«, fragt er besorgt. Obwohl sich diese Befürchtung als unbegründet erweist, spielt der Film damit auf das Thema an, das den USA im Hinblick auf die unsicheren Verhältnisse und die noch unsicherere Zukunft Russlands die schlimmsten Albträume bereitete: die Kontrolle und Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Dieses Problem beschäftigte die Vereinigten Staaten in mannigfaltiger Gestalt. Zunächst war schon die Zersplitterung der UdSSR in verschiedene Nationen gleichbedeutend mit dem Entstehen neuer Atommächte, da sich außer in Russland auch in der Ukraine, in Weißrussland und in Kasachstan ehemals sowjetische Nuklearwaffen, Bomber und Raketenabschussbasen befanden. Der kleine Club nuklear bewaffneter Staaten vergrößerte sich also schlagartig um drei neue Mitglieder, die nicht in die bereits bestehenden internationalen Kontrollabkommen eingebunden waren. Zweifellos muss es als großer diplomatischer Erfolg gewertet werden, dass alle drei Staaten schon im Mai 1992 im Lissabonner Protokoll zustimmten, einen nichtnuklearen Status anzustreben und ihre Waffensysteme abzubauen oder nach Russland zu überführen. Dieser Prozess wurde Ende 1996 abgeschlossen.18 Es blieb jedoch die Gefahr der Weiterverbreitung von Waffen und Technologie durch und aus Russland, sowohl auf legalem als auch auf illegalem Wege. Erstere 18 Vgl. William C. Potter, »U.S.-Russian Cooperation for Nonproliferation«, in: Cross/Oborotova (Hg.), New Chapter, 39-55, hier: 45f; Bierling, »Weder Partner noch Gegner«, 141f. Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 43, weisen darauf hin, dass es in der BushAdministration auch Stimmen gab, die die neuen Atommächte für weniger problematisch oder sogar nützlich hielten, sich aber nicht durchsetzten.
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Möglichkeit war vor allem deshalb akut, weil Nukleartechnologie eines der wenigen Exportgüter war, das die krisengeschüttelte russische Wirtschaft auf dem Weltmarkt gewinnbringend einem großen Kreis potentieller Kunden anbieten konnte. Schon in den späten 1980er Jahren hatte die UdSSR auf diesem sensitiven Gebiet eine Exportpolitik betrieben, die zwar nicht gegen den Atomwaffensperrvertrag verstieß, aber aus amerikanischer Sicht zumindest als unklug zu bezeichnen war.19 Hinzu kam, dass es dem russischen Staat an Geld fehlte, um alle Wissenschaftler weiterzubeschäftigen oder angemessen zu bezahlen, die in den sowjetischen Waffenprogrammen und nuklearen Forschungseinrichtungen gearbeitet hatten. Es bestand die Gefahr, dass diese Spezialisten ihre Fertigkeiten anderswo feilbieten würden und dass es nicht nur zu einer Weiterverbreitung von Materialien, sondern auch zu einem Exodus von Experten mit gefährlichem Wissen kommen könnte.20 Die USA bemühten sich, solchen Entwicklungen entgegenzuwirken und dabei mit Russland zu kooperieren. Bereits im Dezember 1991 verabschiedete der Kongress den Soviet Nuclear Threat Reduction Act, aus dem das Cooperative-Threat-Reduction-Programm hervorging, das besser unter den Namen der beiden Senatoren, die den Gesetzentwurf eingebracht hatten, Sam Nunn und Richard Lugar, bekannt geworden ist. Im Rahmen dieses Programms wendeten die Vereinigten Staaten umfangreiche Mittel auf, um Russland bei der Finanzierung der Zerstörung und sicheren Lagerung gefährlicher Materialien zu unterstützen sowie um russischen Wissenschaftlern Arbeitsmöglichkeiten innerhalb des Landes zu verschaffen. So wurden etwa 500 Tonnen hochangereicherten Urans aus Atomsprengköpfen aufgekauft, Forschungsstipendien vergeben und – von den G7-Staaten – Forschungszentren in Moskau und Kiew eingerichtet. 21 Obwohl das Nunn-Lugar-Programm ein Erfolg war, reichte es nicht aus, um alle Gefahren aus der Welt zu schaffen und die Amerikaner zu beruhigen. Das durch den Zusammenbruch der UdSSR verschärfte Proliferationsproblem wurde schnell eine zentrale Sorge von Regierung und Bevölkerung in den USA22 und ist es bis heute geblieben. »If we do not stem the proliferation of the world’s deadliest weapons, no democracy can feel secure«, erklärte Bill Clinton im September 1993 vor den Vereinten Nationen.23 Eine Umfrage des Chicago Council on Foreign Relations 1995 ergab, dass die Verhinderung der Weiterverbreitung von Atomwaffen nach Meinung der Öffentlichkeit zu den absolut wichtigsten Zielen amerikanischer Politik gehören sollte und Meinungsführer diesem Punkt sogar die höchste Priorität einräumten.24 Dem-
19 Vgl. Potter, »Cooperation for Nonproliferation«, 42f. 20 Vgl. ebenda, 44; Hersh, »Wild East«, 76. 21 Vgl. Bierling, »Weder Partner noch Gegner«, 141 u. 143-5; Lapidus, »Transforming Russia«, 124; Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 50-2 u. 107-10. 22 Vgl. etwa den Titel von Time am 16.12.1991 mit der Schlagzeile »Loose Nukes« und dem mit Hammer und Sichel gekennzeichneten Kern eines zerbrechenden Atoms oder John M. Deutch, »The New Nuclear Threat«, in: Foreign Affairs 71:4 (1992), 120-34. 23 William J. Clinton, »Remarks to the 48th Session of the United Nations General Assembly in New York City, September 27th, 1993«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=47119 (27.07.2007). 24 Vgl. John E. Rielly (Hg.), American Public Opinion and U.S. Foreign Policy 1995, Chicago 1995, 15.
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entsprechend wurde das Problem auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie als »critical priority« behandelt.25 Während die ›traditionelle‹ nukleare Bedrohung durch weitere Abrüstungsabkommen wie den am 3. Januar 1993 unterzeichneten START-II-Vertrag reduziert wurde, ein Umstand, der symbolisch auch darin zum Ausdruck kam, dass die USA und Russland vereinbarten, ihre Raketen nicht länger auf Ziele im jeweils anderen Land auszurichten – was sich im Ernstfall freilich schnell ändern ließ –, blieben Massenvernichtungs- und gerade Atomwaffen somit ein beherrschendes Thema, und diverse neue Bedrohungsszenarien gewannen an Bedeutung.26 Wie Jerome Shapiro festgestellt hat, half die Furcht vor der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen dabei, die Ära nach dem Kalten Krieg zu definieren.27 Eine zentrale Rolle spielte die Sorge um den Diebstahl und Schmuggel nuklearer Materialien, ein Szenario, in dem sich verschiedene Aspekte des neuen Russlandbildes wie Korruption, Schwäche des Staates und Kriminalität unheilvoll verbanden. Seymour Hersh berichtete in dem bereits zitierten Artikel zur Ausbreitung des organisierten Verbrechens in Russland ausführlich über die drohende Gefahr und stellte fest: »[T]here is powerful evidence that organized crime in the former Soviet Union has been systematically seeking access to the nuclear stockpiles, with their potential for huge profit. There is also evidence that the Russian government is unable to account for all its bombs and all its weapons-grade uranium and plutonium.«28
Nur zwei Monate später titelte das Time Magazine »Nuclear Terror for Sale« und befasste sich mit demselben Thema.29 Zwar räumten solche um Seriosität bemühten Berichte im Gegensatz zu sensationsgierigeren Versionen ein, dass trotz zahlreicher Verdachtsmomente und kolportierter Fälle Beweise für tatsächlich durchgeführte Schmuggelaktionen fehlten, sie betonten jedoch, dass das Potential und interessierte Abnehmer vorhanden seien.30 Wie ernst die US-Regierung diese mögliche Bedrohung nahm, machte Clinton in einer Rede im März 1995 deutlich: »The breakup of the Soviet Union left nuclear materials dispersed throughout the newly independent states. The potential for theft of nuclear materials, therefore, increased. We face the prospect of organized criminals entering the nuclear smuggling business. Add to this the volatile mix, the fact that a lump of plutonium the size of a soda can is enough to build a bomb and the urgency of the effort to stop the spread of nuclear materials should be clear to all of us.«31
25 William J. Clinton, National Security Strategy of the United States 1994-1995: Engagement and Enlargement, Washington D.C./London 1995, 42. 26 Vgl. dazu auch Boyer, Fallout, 203-6. 27 Shapiro, Atomic Bomb Cinema, 218. 28 Hersh, »Wild East«, 68. 29 Time 29.08.1994. 30 Ähnlich urteilte zur selben Zeit auch Potter, »Cooperation for Nonproliferation«, 43. 31 William J. Clinton, »Remarks to the Nixon Center for Peace and Freedom Policy Conference, March 1st, 1995«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51049 (27.07.2007).
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Im Oktober 1997 behauptete ein russischer Wissenschaftler vor einem Kongressausschuss, dass das KGB mehr als 80 Atombomben in der Größe eines Koffers besessen habe, die nun verschwunden seien. Das FBI gab zwar eine Erklärung heraus, dass der Verbleib der Bomben bekannt sei,32 aber solche Geschichten nährten natürlich die Ängste der Amerikaner vor dem Chaos im ehemaligen Sowjetimperium und terroristischen Anschlägen mit Massenvernichtungswaffen. Paradigmatisch umgesetzt wurden all diese Befürchtungen in The Peacemaker (1997), der nur einige Tage zuvor, im September, in den Kinos angelaufenen ersten Produktion der von Steven Spielberg, Jeffrey Katzenberg und David Geffen gegründeten Firma DreamWorks. Der Film beginnt mit dem Überfall auf einen Zug, der die zehn Sprengköpfe einer gemäß den START-Vereinbarungen abgebauten SS-18Rakete transportiert. Der korrupte General Kodoroff und seine Helfer stehlen neun der Sprengköpfe und zünden den zehnten, nachdem sie den Zusammenstoß mit einem anderen Zug herbeigeführt haben, um einen Unfall zu simulieren und ihre Spuren zu verwischen. Dr. Julia Kelly (Nicole Kidman), Chefin der »White House Nuclear Smuggling Group«, durchschaut das Täuschungsmanöver jedoch und heftet sich mit Lieutenant Colonel Devoe (George Clooney) an die Fersen der Diebe. Die erste Spur führt sie dabei tatsächlich zur russischen Mafia, die Kodoroff über ein von ihr betriebenes Transportunternehmen in Wien bei der Durchführung seines Plans behilflich gewesen ist. Offensichtlich plant Kodoroff, die Sprengköpfe, deren Schwarzmarktpreis mit 200 Millionen Dollar pro Stück angegeben wird, zu verkaufen, und zwar an »fuckin’ Iran«, wie Devoe grimmig feststellt. Kurz vor der Grenze gelingt es den Amerikanern, nicht zuletzt dank ihrer Satellitentechnologie, den LKW mit Kodoroff und den Atomwaffen zu stellen. Allerdings hat der Russe einen der Sprengköpfe bereits an serbische Terroristen übergeben, die damit einen Anschlag in New York verüben wollen. Nachdem ein Albtraum also abgewendet worden ist, der Verkauf von Nuklearwaffen an einen ›Schurkenstaat‹, droht ein noch schlimmerer Wirklichkeit zu werden: ein terroristischer Anschlag mit Massenvernichtungswaffen auf amerikanischem Boden. Erst im buchstäblich letzten Moment – filmisch natürlich mit dem Countdown eines Zeitzünders aufbereitet – kann auch dieser Plan vereitelt werden. Die USA sind noch einmal davongekommen. Die Gefahr, die von den russischen Nuklearwaffen ausgeht, ist jedoch mehr als deutlich geworden. The Peacemaker zeigt eindrücklich, welche Elemente zusammenkommen, die zu einer tödlichen Bedrohung für die Vereinigten Staaten führen. Da ist zunächst eben die russische Mafia, die zwar nicht selbst für den Diebstahl verantwortlich zeichnet, aber doch darin verwickelt ist. Dass sie von Wien aus operiert, verweist auf ihre über Russland hinausgehenden Ambitionen und Verbindungen. Das luxuriöse Firmenhauptquartier zeugt zudem von beachtlichem Reichtum. Geld ist auch die Motivation für Kodoroff und seine Helfer im russischen Militär. Aber Korruption wird über diese Gruppe hinaus als allgegenwärtig im russischen Staat dargestellt. Wie der Zuschauer bei Devoes Befragung durch einen Kongressausschuss zu Beginn erfährt, hat er erst kurz zuvor zusammen mit seinem langjährigen Freund Dimitri Vertikoff (Armin Müller-Stahl) den Verkauf von Giftgas an den Irak durch einen ehemaligen KGB-Agenten verhindert – also einen ganz ähnlichen Fall von illegalem Handel mit Massenvernichtungswaffen, nur in kleinerem Maßstab. Und selbst Dimitri, der ein32 Vgl. Boyer, Fallout, 205f.
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deutig zu den Sympathieträgern des Films und zu den »good guys« gehört, muss von seinem Freund Devoe für derartige Zusammenarbeit mit Geschenken belohnt, also geschmiert, werden. Zudem sind seine Möglichkeiten begrenzt. Gegen die MafiaFirma Kordek, so erklärt er, könne er nicht ermitteln, ohne dass Kodoroff davon erfahren würde, da viele ehemalige Angehörige seiner Geheimdienstabteilung nun Mitglieder der Mafia seien. Der russische Staat ist aber nicht nur korrupt, sondern auch schwach und unfähig. Dieses aus Terminal Velocity bereits bekannte Charakteristikum wird in The Peacemaker noch deutlicher herausgearbeitet. Zwar sind die Russen eigentlich Partner der Amerikaner im Kampf gegen die Proliferation und außerdem Opfer von Kodoroffs brutalem Vorgehen, das durch die Ermordung der Wachmannschaft der Sprengköpfe sowie der Soldaten an einem Kontrollposten und vor allem natürlich durch die Zündung einer Atombombe auf russischem Boden zahlreiche Todesopfer fordert. Aber sie leisten dennoch keinerlei hilfreichen Beitrag zu den Bemühungen, die gestohlenen Sprengköpfe aufzuspüren. »If a top-ranking Russian general is involved any intel we get from Moscow is either compromised […] or a flat-out lie«, stellt Devoe schon zu Beginn der Ermittlungen fest; auf russische Unterstützung kann man also nicht zählen. Dimitri stellt hier natürlich in gewisser Weise eine Ausnahme dar, aber seine Hilfe, die ihn das Leben kostet, ist offensichtlich mehr seiner freundschaftlichen Beziehung zu Devoe geschuldet und aus den schon genannten Gründen inoffiziell und sehr begrenzt. Als Ausnahmeerscheinung im russischen Staatsapparat erinnert seine Rolle stark an die positiven sowjetischen Charaktere in diversen Filmen aus der Zeit des Kalten Krieges. Die russische Regierung dagegen ist unwillig, den Amerikanern Informationen zukommen zu lassen, und unfähig, Kodoroff selbst dingfest zu machen. Diese Problematik wird krisenhaft zugespitzt, als die amerikanischen Satelliten den LKW schließlich auf dem Weg in den Iran, aber noch innerhalb Russlands entdecken. Selbst mit genauen Informationen über den Ort sind die Russen, die keine Truppen in der Region haben, nicht in der Lage, Kodoroff aufzuhalten. Gleichzeitig bestehen sie aber auf der Unverletzlichkeit ihrer Grenzen und verweigern dem USMilitär, das in der Lage wäre, die Operation von einem Stützpunkt in der Türkei aus durchzuführen, die Erlaubnis zum Zugriff. »The Russians say they are handling this«, resümiert Kelly die offizielle Haltung. »The Russians couldn’t find snow in the middle of fuckin’ winter«, entgegnet Devoe. Der Film lässt keinen Zweifel daran, dass er mit dieser Einschätzung richtig liegt. Schlussendlich bleibt den Amerikanern keine andere Wahl, als einen Krieg mit Russland zu riskieren, da nur ihre Helikopter den LKW rechtzeitig abfangen können. Tatsächlich eröffnet eine russische Luftabwehrstellung das Feuer auf die drei Maschinen und schießt eine von ihnen ab. Neun amerikanische Soldaten bezahlen für die verhängnisvolle Kombination aus Schwäche und nationaler Eitelkeit bei den Russen mit ihrem Leben. Das letzte wichtige Element des Bedrohungsszenarios sind logischerweise die Käufer und potentiellen Benutzer der gestohlenen Atomwaffen. In The Peacemaker treten gleich beide zu erwartenden Möglichkeiten, nämlich ›Schurkenstaaten‹ und Terroristen, in Erscheinung. Die Bedrohung kommt also aus mehr als einer Richtung, in jedem Fall ist sie jedoch mit Russland und den problematischen Zuständen dort verknüpft. Dies ist auch in zahlreichen anderen Filmen seit Beginn der 1990er Jahre der Fall, in denen die ehemaligen Ostblockstaaten im Allgemeinen und Russland im
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Speziellen immer wieder als Markt für Massenvernichtungswaffen auftauchen. In Broken Arrow (1996) beispielsweise heißt es über die einfachste Möglichkeit, an Nuklearwaffen zu kommen: »Go to one of the former Soviet republics, they’ll fix you up with a couple for the price of a BMW.« Ganz ähnlich, wenn auch etwas kostspieliger, stellt Swordfish (2001) die Verhältnisse dar, wenn der patriotische amerikanische (Gegen-)Terrorist Gabriel (John Travolta) fragt: »Did you know that I can buy nuclear weapons in Minsk for 40 million each?« Russische Wissenschaftler mit einer Vergangenheit in sowjetischen Programmen züchten im Labor Superviren, wie in Mission: Impossible II (2000), oder bauen Atomwaffen für Terroristen, wie in The Sum of All Fears (2002). Meist sind es aber fertige Massenvernichtungswaffen, deren Diebstahl oder Verkauf aus Osteuropa die USA bedroht: ein biologischer Kampfstoff in Agent Red (2000), Giftgas in Con Express (2002) und natürlich Nuklearwaffen in GoldenEye (1995), Operation Delta Force 2 (1997), Tommorow Never Dies (1997) oder Bad Company (2002). Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen, denn gerade im B-Filmsektor wird die Thematik unermüdlich neu bearbeitet. »In fact, there seems to be a minor industry devoted to just chumming out cheap films about stolen nuclear materials and weapons«, wie Jerome Shapiro treffend bemerkt hat.33 Die Arsenale der russischen Streitkräfte bereiteten den Vereinigten Staaten aber nicht nur wegen der möglichen Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen Kopfzerbrechen. Man sah in ihnen auch weiterhin eine eigene Bedrohung, die durch den Umstand, dass die russische Armee als solche nicht mehr die furchteinflößende Streitmacht der Sowjetunion war, sondern sich offenbar in einem zunehmend miserablen Zustand befand, nicht geschmälert wurde. Dass das russische Militär gerade wegen seiner Schwäche den strategischen Waffen als letztem noch vorhandenen Element seines früheren Supermachtranges besondere Bedeutung zumaß, war nicht beruhigend;34 und dass die unterbezahlten Truppen eines krisengeschüttelten Staates, in dem sich verstärkt antiwestliche Tendenzen bemerkbar machten, über die Möglichkeit verfügten, den amerikanischen Kontinent vernichtend anzugreifen, erschien ausgesprochen bedrohlich. »Russian Nukes: Is anyone in control?«, fragte Time im April 1997 und zählte gleich eine Reihe möglicher Gefahren auf: »Th[e] decline [of the strategic nuclear forces] does not simply increase the risk of nuclear ›leakage‹ to rogue states, though that is bad enough. Experts in the West now worry that there is a danger of war by accident, or by miscalculation during a crisis, or set off by nuclear-armed rebels or terrorists.«35
Ein derartiges Szenario war schon 1995 in Crimson Tide auf die Leinwand gebracht worden, entworfen vom selben Drehbuchautor wie The Peacemaker, Michael Schiffer. Im Mittelpunkt des Films steht zwar die Auseinandersetzung zwischen dem Kapitän eines amerikanischen Atom-U-Bootes (Gene Hackman) und seinem 1. Offizier (Denzel Washington), die sich an verschiedenen Konfliktlinien wie Alter, Bildung, 33 Shapiro, Atomic Bomb Cinema, 218. 34 Siehe dazu »New Cold War Unlikely: Russian Military Seen as Too Depleted«, in: WP 24.03.1993, und Time 21.10.1996 mit der Titelschlagzeile: »Ivan The Terrified: The Russian military is now more fearful than feared. But the nuclear threat remains«. 35 »Present Danger«, in: Time 07.04.1997.
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Führungsstil und nicht zuletzt ›Rasse‹ – der Kapitän ist weiß, sein Offizier schwarz – entzündet, aber diese Auseinandersetzung wird ausgetragen und eskaliert vor dem Hintergrund einer internationalen Krise, die der San Francisco Chronicle als »horrific but quite believable« charakterisierte.36 Ein CNN-Bericht, der authentische Aufnahmen, unter anderem von Bill Clinton, mit für den Film aufgenommenem Material vermischt, führt den Zuschauer zu Beginn in die Situation ein: Die Rebellion in Tschetschenien hat sich auf die benachbarten Kaukasusrepubliken ausgedehnt, das russische Militär führt massive Luftangriffe durch. Entsetzt über die Zahl der zivilen Opfer suspendieren der amerikanische Präsident, sein französischer Amtskollege und der britische Premier sämtliche Hilfszahlungen für Russland. Der »ultranationalist leader« Vladimir Radchenko bezeichnet den amerikanischen Druck als »act of war against the Russian Republic and Russian sovereignity« und seinen eigenen Präsidenten als »US puppet«. Er ruft das russische Volk auf, sich ihm in einem Aufstand anzuschließen. »With the government in crisis, the Russian Republic was entering what can only be described as a state of civil war.« Radchenko besetzt mithilfe von »rebel forces« die Region um Wladiwostok, »including a naval base and a nuclear missile base housing Russian ICBMs«. Das russische Militär umzingelt das von Radchenkos Truppen gehaltene Gebiet, und das westliche Bündnis versetzt seine Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft. Der »worst standoff since the Cuban missile crisis« ist perfekt. Russische Atomwaffen befinden sich also in der Gewalt eines nationalistischen, amerikafeindlichen Demagogen, der auch prompt die USA direkt bedroht: Ein weiterer CNN-Bericht auf einem Fernseher im Haus des 1. Offiziers informiert darüber, dass Radchenko droht, einen atomaren Angriff auf die USA und Japan durchzuführen, sollte die russische Armee oder sonst jemand gegen ihn vorgehen.37 Die USS Alabama wird deshalb auf Patrouillenfahrt geschickt, um im äußersten Fall ihre eigenen Nuklearwaffen zur Verteidigung der Vereinigten Staaten einzusetzen. Die Möglichkeit eines Atomkrieges erscheint durchaus real, realer sogar als während des Kalten Krieges, als man sich auf die Vernunft der Russen verlassen konnte. Bei dem nationalistischen Rebellenführer, einem »potential Hitler«, wie einer der Offiziere meint, kann man aber offenbar nicht mit gesundem Menschenverstand und einem funktionierenden Selbsterhaltungstrieb rechnen. Der San Francisco Examiner beschrieb Radchenko als »a nutty Zhirinovsky-like figure« und stellte damit die von den Filmemachern zweifellos beabsichtigte Verbindung zu den realen politischen Vorgängen in Russland her.38 Im Dezember 1993 36 »Tension Hot in ›Crimson‹ «, in: SFC 12.05.1995 (http://www.sfgate.com/cgi-bin/article. cgi?f=/c/a/1995/05/12/DD33877.DTL, 10.06.2007). 37 In einer späteren Szene betrachten die Offiziere des U-Bootes ein offenbar älteres Fernsehinterview mit Radchenko, in dem er ankündigt, als Präsident schon den Tod eines einzelnen russischen Bürgers mit Nuklearwaffen zu rächen. Die Special Edition-DVD von Hollywood Pictures Home Entertainment aus dem Jahr 2003 enthält bei den aus dem Film entfernten Szenen eine ausführlichere Version dieses Interviews, in dem Radchenko außerdem erklärt, die japanischen Inseln, die er als russisches Territorium betrachtet, besetzen zu wollen. Nur so ist wohl zu verstehen, warum er auch Japan mit einem Atomangriff droht. 38 »20,000 Megatons Under the Sea«, in: SFE 12.05.1995 (http://www.sfgate.com/cgi-bin/ article.cgi?f=/e/a/1995/05/12/WEEKEND5257.dtl, 10.06.2007).
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hatte die trotz ihres Namens rechtsextreme Liberal-Demokratische Partei Wladimir Schirinowskis bei den Parlamentswahlen einen für viele Beobachter schockierenden Erfolg errungen und 25% der Stimmen erhalten. Schirinowskis Äußerungen bei öffentlichen Auftritten erinnerten in ihrer Radikalität in der Tat an die Radchenkos im Film, etwa: »I may have to shoot 100,000 people, but the other 300 million will live peacefully.« Schon 1991 hatte er zudem erklärt: »I say it quite plainly – when I come to power, there will be a dictatorship.«39 Ein Foreign-Affairs-Artikel bezeichnete Schirinowski als »a potent threat to Russian democracy.«40 Angesichts seiner Parolen und seines Erfolgs bei den Wählern fühlten sich viele an Adolf Hitler erinnert. Passend dazu wurde Russland immer wieder mit der Weimarer Republik verglichen – die Furcht kam auf, dass der Versuch, eine Demokratie zu etablieren, auf allzu ähnliche Weise scheitern könnte wie in den 1930er Jahren in Deutschland.41 Derartige Befürchtungen wurden noch dadurch verstärkt, dass die Kommunistische Partei sich als ernstzunehmende politische Kraft etablieren konnte. Es zeigte sich, dass George Bush zu voreilig gewesen war, als er im Januar 1992 verkündet hatte: »[C]ommunism died this year.«42 Nachdem die Kommunisten die Wahlen für die Duma im Dezember 1995 klar gewonnen hatten, sprach das Time Magazine im April 1996 denn auch von einem »Undead Red«, als es den kommunistischen Parteichef Gennadi Sjuganow, der als Favorit für die Präsidentschaftswahlen zwei Monate später galt, in einer Fotostrecke in eine Reihe mit Lenin, Stalin und Breschnew stellte.43 War Russland auf dem Weg zurück in die Sowjetzeit?44 Tatsächlich konnte Jelzin sich erst im zweiten Wahlgang gegen Sjuganow durchsetzen, nachdem er auch vom IWF für Russland bewilligte Gelder für seinen Wahlkampf zweckentfremdet hatte.45 Die Kommunisten blieben auch in der Folge die wichtigste Oppositionspartei noch vor der LDP.46 Rechts- wie Linksextreme profitierten also von der anhaltenden wirtschaftlichen und sozialen Krise, die zu wachsender Frustration in weiten Teilen der Bevölkerung über Jelzins Reformpolitik führte. Hinzu kam die hohe Kriminalität, die, wie schon erwähnt wurde, dazu beitrug, den demokratischen Staat, der offenbar nicht für die Sicherheit seiner Bürger sorgen konnte, zu diskreditieren. Angesichts der enormen Probleme kann es kaum überraschen, dass die kommunistische Vergangenheit im Rückblick positiver erschien oder gar verklärt wurde und dass Verfechter radikaler Programme und die Vertreter eines starken Staates immer mehr Gehör fanden. Dass auch die Feindseligkeit gegenüber dem Westen zunahm, der sich selbst zum Verbün39 Zitiert nach »Rising Czar?«, in: Time 11.07.1994. 40 Jacob W. Kipp, »The Zhirinovsky Threat«, in: Foreign Affairs 73:3 (1994), 72-86, hier: 72. 41 Vgl. David Beisel, »Looking for Enemies, 1990-1994«, in: Journal of Psychohistory 22:1 (1994), 1-38, hier: 26-9; außerdem Hersh, »Wild East«, 86; Cross/Oborotova, »New Chapter«, 14. 42 George Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 28th, 1992«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=20544 (12.05.2007). 43 »The Undead Red«, in: Time 08.04.1996. 44 Vgl. Time 27.05.1996 mit der Titelschlagzeile »Russia: Back To The USSR?«. 45 Vgl. Bierling, »Weder Gegner noch Partner«, 133. 46 Noch bei den Wahlen am 2. Dezember 2007 wurden sie zweitstärkste Kraft hinter der durch Wahlmanipulationen begünstigten Partei Wladimir Putins.
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deten der russischen Reform erklärt hatte und dessen Hilfe einerseits unzureichend war und andererseits als Einmischung hingestellt werden konnte, ist gleichfalls wenig überraschend – zumal wenn man bedenkt, dass Russland sich in einer Identitätskrise befand, die die Hinwendung zu Feindbildern begünstigte, und dass es ebenso daran gewöhnt war, den Westen als Feind zu betrachten, wie umgekehrt.47 In den USA wiederum wuchs die Furcht vor einem aggressiv-nationalistischen oder neokommunistischen Umsturz in Russland. Aus den Filmen der 1990er Jahre wird deutlich, dass man der russischen Regierung kaum zutraute, dieser Bedrohung Herr zu werden. Wenn es dem russischen Staat in Crimson Tide schließlich gelingt, die Krise zu bewältigen, obwohl sich, wie es heißt, ein komplettes Armeekorps mit 60.000 Mann Radchenko angeschlossen hat, ist dies wohl hauptsächlich der Handlungslogik des Films geschuldet, die die Meuterei des 1. Offiziers gegen den Einsatz der Atomwaffen legitimieren muss. In anderen Produktionen ist die Rettung der russischen Demokratie dagegen nur durch den Einsatz von Amerikanern möglich. Das populärste Beispiel hierfür ist sicherlich Air Force One (1997), der ein enormer Publikumserfolg war und auch von den meisten Kritikern zumindest wohlwollend aufgenommen wurde.48 Ein wesentlich direkteres Eingreifen der USA als in Crimson Tide eröffnet hier die Handlung: Gleich in der ersten Szene stürmt eine amerikanische Spezialeinheit den Präsidentenpalast in Kasachstan und nimmt den Diktator dieser ehemaligen Sowjetrepublik, General Radek (Jürgen Prochnow), gefangen. Die Hintergründe dieses spektakulären Einsatzes werden aufgeklärt, als der amerikanische Präsident James Marshall (Harrison Ford) drei Wochen später mit einem Festakt in Moskau geehrt wird. Radek führte in Kasachstan offensichtlich ein Terrorregime und verfügte zudem über ein Atomwaffenarsenal, sodass der Welt ein neuer Kalter Krieg drohte. Marshall spricht von einem Besuch in Flüchtlingslagern des Roten Kreuzes, »overwhelmed by refugees fleeing from the horror of Kazakhstan«, und erklärt: »I realized I don’t deserve to be congratulated. None of us do. Let’s speak the truth. The truth is, we acted too late. Only when our own national security was threatened did we act. Radek’s regime murdered over 200.000 men, women and children, and we watched it on TV. We let it happen. People were being slaughtered for over a year and we issued economic sanctions and hid behind the rhetoric of diplomacy. How dare we? The dead remember, real peace is not just the absence of conflict. It’s the presence of justice.«
47 Zum Feindbild in der politischen Kultur Russlands siehe Harle, Enemy with a Thousand Faces, 105-32. 48 Der Film spielte allein in den USA fast 173 Millionen Dollar ein, weltweit mehr als 315 Millionen. Das Budget belief sich auf 85 Millionen für die Produktion plus 20 Millionen für Werbung; Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1997/AIRFO.php (18.06. 2007). Zur Aufnahme durch die Kritiker vgl. »Just a Little Turbulence, Mr. President«, in: NYT 25.07.1997; »›Air Force One‹: Pressurized Ride«, in: WP 25.07.1997; »› Air Force One‹ Earns Its Wings«, in: WP 25.07.1997; »Air Force One«, in: AC 25.07.1997; »Air Force One« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19970725/REV IEWS/707250301/1023 (10.06.2007); »Hail to the Chief«, in: SFE 25.07.1997; »One Tough President«, in: SFC 25.07.1997; »The Ultimate Hijack«, in: Time 22.09.1997.
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Passend zu seinem Namen verspricht der Präsident, in Zukunft die Durchsetzung von Gerechtigkeit zu garantieren: »Never again will I allow our political self-interest to deter us from doing what we know to be morally right. Atrocity and terror are not political weapons. And to those who would use them: Your day is over. We will never negotiate. We will no longer tolerate and we will no longer be afraid. It’s your turn to be afraid.«
Selbstverständlich entlarvt diese Rede Marshall als Präsidenten aus einem filmischen Wunschtraum, allerdings aus einem, der das amerikanische Selbstverständnis in seinem eigenen Ideal und mit dem ihm eigenen Sendungsbewusstsein sehr genau trifft: die USA als moralische Macht für das Gute in der Welt, losgelöst von kleinlicher Interessenpolitik, wie sie von anderen Staaten betrieben wird. In unserem Zusammenhang sind in dieser Szene aber vor allem zwei Punkte wichtig, nämlich zum einen die Charakterisierung Radeks als Bedrohung der amerikanischen Sicherheit und zudem als Völkermörder, zum anderen die Tatsache, dass die Rolle der USA als Weltpolizist hier im Kontext einer Krise in der ehemaligen Sowjetunion definiert wird. Das demokratische Russland ist in der Logik des Films nicht in der Lage, die Sicherheit der Region zu gewährleisten. Zwar behauptet der russische Präsident in seiner Ansprache, die Ergreifung Radeks sei durch Spezialeinheiten beider Länder durchgeführt worden, tatsächlich zeigt die Anfangssequenz die Operation allerdings als ein rein amerikanisches Unternehmen. Später wird darüber hinaus deutlich, dass die russische Regierung durch Radek direkt bedroht war und sich nicht gegen ihn hätte halten können. Der russische Präsident verdankt es dem amerikanischen Eingreifen, dass er noch im Amt ist. Dieser Umstand ist im weiteren Verlauf der Handlung von zentraler Bedeutung, als nach dem Bankett das Unvorstellbare geschieht: Ein als Fernsehteam getarntes Terrorkommando entführt mit der Hilfe eines Verräters die Präsidentenmaschine Air Force One. Das Ziel der Terroristen ist es, den in Russland inhaftierten Radek freizupressen. Diese Forderung zu erfüllen, hätte verheerende Konsequenzen, die den Politikern in Russland und den Vereinigten Staaten klar ist. »You release this bastard and all of Central Asia will go up in flames«, prophezeit der Verteidigungsminister und kommentiert die Überlegung der Vizepräsidentin, den General jetzt freizulassen und später erneut in Gewahrsam zu nehmen, mit einem bestimmten »You go to catch him again, you’re gonna find him in Moscow.« Mit der im Fall seiner Freilassung als sicher geltenden Machtübernahme Radeks in Russland aber droht die Rückkehr des »Soviet Empire under a flag of genocide«. Den Amerikanern widerstrebt es daher, auf die Forderung der offensichtlich äußerst entschlossenen Terroristen einzugehen. Insbesondere der Verteidigungsminister, der in einer an das Auftreten Alexander Haigs nach dem Attentat auf Reagan erinnernden Manier versucht, die Kontrolle über den Krisenstab an sich zu reißen,49 ist bereit, im Zweifelsfall eher das Leben der 50 Geiseln, darunter Marshalls Frau und seine zwölfjährige Tochter, zu opfern. Die 49 Haig sorgte für einen kleinen Skandal, als er entgegen den Verfassungsbestimmungen Reportern gegenüber erklärte: »I am in control here, in the White House[.]« Zitiert nach John Patrick Diggins, Ronald Reagan: Fate, Freedom, and the Making of History, New York/ London 2007, 186.
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Russen wiederum, deren Existenz direkt bedroht ist, weigern sich rundweg, Radek freizulassen, solange unklar ist, ob sich der amerikanische Präsident noch am Leben befindet. Marshall hat nämlich nicht wie vorgesehen die Maschine mit einer Fluchtkapsel verlassen, sondern sich im Frachtraum versteckt. Von dort aus nimmt er persönlich den Kampf gegen die Terroristen auf. Bei den Politikern in Washington löst das helles Entsetzen aus, ein General erinnert jedoch daran, dass der Präsident für seinen Einsatz als Hubschrauberpilot in Vietnam mit der Congressional Medal of Honor, also dem höchsten amerikanischen Orden für Tapferkeit, ausgezeichnet worden ist: »He knows how to fight.« Nicht nur den USA, sondern auch dem Vietnamveteranen kommt damit wieder einmal eine besondere Erlöserfunktion zu. Dies ist umso interessanter, wenn man sich Marshalls Gegenspieler anschaut, den Anführer des Terrorkommandos Ivan Korshunov (Gary Oldman), der seinerseits ein Veteran des Afghanistankrieges ist. Dieses Detail kann als Teil einer Strategie gesehen werden, dem Terroristen einen komplexeren Charakter und sogar menschliche Züge zu verleihen, vor allem da es zur Sprache kommt, als Ivan sichtlich erschüttert über dem Leichnam eines seiner von Marshall getöteten Kameraden kniet. Aber dass es in diesem Film zu einem Duell zwischen einem Vietnam- und einem Afghanistanveteranen kommt, hat auch noch einen anderen Unterton, der auf die sehr unterschiedliche Interpretation der Kriege in den USA verweist, die sich in Marshalls moralisch geleiteten Vorstellungen von Weltpolitik einerseits und Ivans Wunsch nach Wiederaufrichtung des sowjetischen Imperiums andererseits spiegelt. Überhaupt muss man hinterfragen, inwieweit die Darstellung Korshunovs tatsächlich von der des stereotypen Ivans, wie er aus der Tradition des Kalten Krieges hinlänglich bekannt ist, abweicht. Hierbei fällt zunächst eine Schlüsselszene ins Auge: Nachdem Ivan den Nationalen Sicherheitsberater kaltblütig durch einen Kopfschuss ermordet hat, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, trennt er Marshalls Frau und seine Tochter Alice, die die Tat mitangesehen haben, von den übrigen Geiseln. Es folgt ein Dialog, den der Regisseur Wolfgang Petersen als eine seiner Lieblingsszenen bezeichnet:50 IVAN: »I am somebody’s son, too. I have three small children. Does that surprise you? […]« ALICE: »Why did you kill him?« IVAN: »Because I believe. And when I shot this man I knew in that instant how deep was my belief... that I would turn my back on God himself... for Mother Russia. My doubts, my fears, my own private morality... pff... it dissolve [sic!] in this moment... for this love. You know, your father, he has also killed. Is he a bad man?« ALICE: »That’s not true.« IVAN: »Why? Because he does it in a tuxedo with a telephone call and a smart bomb?« ALICE: »You are a monster. And my father is a great man. You’re nothing like him.«
Petersen meint in diesem Zusammenhang:
50 Vgl. den Audiokommentar zur DVD-Ausgabe von Touchstone Home Entertainment aus dem Jahr 2003.
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»I’m very proud that we have an, you know, a villain in the film that has really the chance of some scenes to really talk about, with all his passion to talk about his point of view. He’s also a human being, he’s not just a bad guy. I mean, he’s… then… he does extreme things and kills people and, and he goes over the top, of course, but there’s a reason. There’s, there’s a motivation there. And that makes it politically interesting also. Because I think, indeed, a character like that is possible with how it looks like in the former Soviet Union now.«51
Tatsächlich ist aber zu bezweifeln, dass Ivan trotz – und zum Teil vielleicht auch wegen – des überzeugenden Spiels von Gary Oldman auf den durchschnittlichen Zuschauer so wirkt, wie der Regisseur ihn sieht. Zwar gibt es die von Petersen angesprochenen Szenen, in denen er seine Motive nennt. So konfrontiert er Marshall gegen Ende des Films mit der Anschuldigung: »This is all your doing. This infection you call freedom – without meaning, without purpose. You have given my country to gangsters and prostitutes. You have taken everything from us. There is nothing left.« Hier kommen also jene durch die Reformen verursachten Krisenerscheinungen zur Sprache, die dem russischen Nationalismus und antiwestlichen Gefühlen in den 1990er Jahren Auftrieb gaben. Dass Ivan Freiheit als »infection« ohne Sinn betrachtet, dass er von Zorn und Verzweiflung angetrieben wird, kann vor diesem Hintergrund als nachvollziehbar gelten. Alles in allem überwiegen aber andere Elemente, die ihn eben doch eindeutig zum »bad guy« stempeln. So ist Vaterlandsliebe zweifellos auch für Amerikaner ein zentraler Wert, dass Ivan aber so weit geht, jegliche Moral dafür über Bord zu werfen und Gott selbst den Rücken zuzukehren, wie er Alice erklärt, steht dem amerikanischen Verständnis von Patriotismus diametral entgegen. Sein persönlicher politischer Wunschtraum, den er in einer früheren Szene formuliert, zeugt zudem von nationalistischem Chauvinismus und antidemokratischen Machtgelüsten: »What do I want? When Mother Russia becomes one great nation again… when the capitalists are dragged from the Kremlin and shot in the street… when our enemies run and hide in fear at the mention of our name and America begs our forgiveness – on that great day of deliverance you will know what I want.«
Diese Vision steht in signifikantem Gegensatz zu den selbstlosen Zielen, die Marshall in seiner »Be afraid«-Rede vertreten hat – was völlig logisch ist, denn Ivan ist ja ein Anhänger Radeks, in dem er einen großen Mann, einen Führer sieht. Dass er sich aber als glühender Bewunderer eines Diktators zeigt, dessen Gefährlichkeit und Unmenschlichkeit nicht umsonst zu Beginn des Films ausführlich dargelegt worden ist, reicht an sich schon aus, um auch ihn selbst in ein negatives Licht zu rücken. Der Film porträtiert Radek als Verantwortlichen eines Völkermordes und stellt ihn damit in die Tradition von Stalin und Hitler. Verstärkt wird diese Charakterisierung noch dadurch, dass er von Jürgen Prochnow gespielt wird, der dem amerikanischen Publi-
51 Zitiert nach ebenda. Da in den USA bereits am 10.02.1998 die erste DVD-Ausgabe mit diesem Kommentar veröffentlicht wurde, muss er vor diesem Datum aufgenommen worden sein.
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kum wie die meisten deutschen Darsteller vor allem aus Schurkenrollen bekannt ist.52 Dass Ivan in der Tat vom gleichen Schlag wie Radek ist, belegt die Skrupellosigkeit, mit der er wehrlose Geiseln ermordet. Auffällig ist dabei wiederum die Inszenierung des Kontrasts zu dem heldenhaften amerikanischen Präsidenten: Während Letzterer als Beschützer auftritt und um das Leben seiner Frau und seiner Tochter kämpft, werden diese von Ivan bedroht, der durch die Ermordung der Pressesprecherin demonstriert, dass er in der Tat dazu fähig ist, Frauen zu töten. Der Zuschauer hat ebenso wenig wie Marshall Zweifel, dass er auch bereit ist, die Drohung, Alice zu erschießen, wahrzumachen, als er ihr eine Pistole an den Kopf hält. Während Marshall in dieser Szene seine Menschlichkeit beweist, indem er als Vater das politische Prinzip, Terroristen nicht nachzugeben, über Bord wirft und den russischen Präsidenten bittet, Radek freizulassen, wird endgültig klar, dass Alice mit ihrer Einschätzung recht hatte: »You are a monster. And my father is a great man. You’re nothing like him.« Dieses Urteil hat umso mehr Bedeutung, als es mit der im filmischen Universum noch höher zu bewertenden Autorität eines unschuldigen Kindes gefällt wird. Wenn die Drohung, seine Tochter zu ermorden, Marshall zu der berechtigten Frage »Have you no honor?« veranlasst, so wird die Antwort darauf prompt gegeben. Nachdem der russische Präsident, seiner Verpflichtung gegenüber Marshall eingedenk, der Freilassung Radeks zugestimmt hat, bricht Ivan sein Wort. Statt die Geiseln freizulassen, will er sie mit nach Kasachstan nehmen und benutzen, um weitere Zugeständnisse zu erpressen, da sich die Methode ja bewährt hat. Damit wird nicht nur gezeigt, dass man mit Terroristen nicht verhandeln darf, weil man ihnen nicht vertrauen kann, Ivans niederer Charakter wird auch ein letztes Mal eindrucksvoll unterstrichen. Dementsprechend erhält er kurz darauf seine gerechte Strafe, als der amerikanische Präsident ihn in einem finalen Zweikampf aus dem Flugzeug befördert und ihn dabei mit einem Fallschirmriemen stranguliert. Ivan schwebt mit gebrochenem Genick gen Boden. Der ›US-Marshall‹ hat den russischen Verbrecher gehenkt. Die Überwältigung der letzten Terroristen gelingt gerade noch rechtzeitig, um die Weisung zur Freilassung Radeks zu widerrufen. Der mörderische General ist bereits dabei, im Triumph aus dem Gefängnis auszuziehen, die übrigen Gefangenen schmettern in einem begeisterten Chor die Internationale und belegen damit noch einmal die gefährliche Anziehungskraft dieses kommunistischen Diktators auf die einfachen Russen, als der Befehl kommt, ihn aufzuhalten. Radek versucht zu fliehen und wird nur Meter von seinem Hubschrauber entfernt von den Schüssen der Wachen niedergestreckt. Dank des kämpferischen US-Präsidenten ist die Demokratie in Russland zum zweiten Mal gerettet worden. Die Gefahr für ihn selbst ist damit allerdings noch nicht völlig gebannt. Der Film bietet dem Publikum nun noch einen Luftkampf über Kasachstan zwischen einer Staffel MiGs, die von einer Radek treuen Basis gestartet sind, und den F-15-Jägern, die die Air Force One seit Beginn der Entführung begleitet haben. Die Nähe zu den Filmen des Kalten Krieges geht schließlich also so weit, dass es sogar zu einem regelrechten Gefecht zwischen amerikanischem Militär und dem mit sowjetischer Ideologie und sowjetischem Kriegsmaterial ausgerüsteten Gegner kommt. Selbstredend 52 Siehe zu dieser Thematik Kap. II.2.3. Prochnows Leinwandimage ist umso wichtiger, als Radek keine einzige Dialogzeile im gesamten Film hat.
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entscheiden die Amerikaner den Kampf für sich. Die einzige Maschine, die sie dabei verlieren, opfert sich, um eine auf die Air Force One abgefeuerte Rakete abzufangen. »There is a tone of confident military heroics and almost a reverence for the presidency that seem a throwback to World War II propaganda movies«, bemerkte der San Francisco Chronicle durchaus angetan,53 und gerade diese Szene gibt ihm Recht. Es überrascht nicht, dass das Pentagon die Produktion großzügig unterstützte. Von der positiven Darstellung Amerikas ausgenommen ist natürlich der verräterische Secret-Service-Agent, der mehrere seiner Kollegen ermordet und den Terroristen die Übernahme der Maschine ermöglicht. Zu einer gewissen Ausgewogenheit oder irgendeiner Art von kritischer Perspektive auf die USA führt dies allerdings nicht. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil die Motive des Verräters völlig im Dunkeln bleiben. Im Gegensatz zu den russischen Schurken werden seine Beweggründe nicht thematisiert und seine Charakterisierung verbleibt noch oberflächlicher als die von Radek. Die Existenz dieser Figur scheint rein durch die Notwendigkeit begründet, das Entführungsszenario plausibel zu machen, sowie als Element der Spannungssteigerung.54 Die Existenz eines Verräters als besonders verwerfliche Form des Bösen hat zudem in einigen Filmen geradezu topischen Charakter. Dazu gehört auch, dass er oft einen auffallend elaborierten oder jämmerlichen Tod stirbt – in Air Force One zerschellt er am Ende als einziger mit der abstürzenden Präsidentenmaschine. Es bleibt festzuhalten, dass der Film die Vereinigten Staaten als Retter eines schwachen Russland porträtiert, wobei auch die Bedrohung als explizit russisch definiert wird, was trotz Partnerschaft mit der russischen Demokratie eine Rückkehr in zahlreiche Schemata des Kalten Krieges bedingt beziehungsweise ermöglicht. Das politische Szenario weist einige Ungereimtheiten auf: So beherrscht Radek Kasachstan, ist aber offensichtlich genau wie Ivan Russe. Zudem wird nicht klar, welche Rolle der Völkermord in ihren Plänen spielt und wer die Opfer sind. Dass solche Details keiner Erläuterung bedürfen, verdeutlicht noch einmal, wie wirkmächtig die Tradition des Kalten Krieges bleibt: Russen und Kasachen sind in erster Linie immer noch ehemalige Sowjets und damit eine Kategorie (›der Russe‹), und Kommunismus geht mit Völkermord einher.55 Auffallend ähnlich zu Air Force One verhält sich die Darstellung Russlands in The Saint (1997). Da dieser Film über weite Strecken auch in Russland spielt, ist sie sogar eher noch eindringlicher. Eine Einblendung zu Beginn verortet die Handlung in »Moscow... tomorrow«. Regisseur Philip Noyce erläutert dazu im Audikommentar der DVD:
53 »One Tough President«, in: SFC 25.07.1997. 54 Der Zuschauer wartet zwangsläufig auf den Moment, in dem die Amerikaner an Bord merken, dass sie einen Verräter in ihrer Mitte haben. Es ist in diesem Zusammenhang vielsagend, dass auch Petersen in seinem Audiokommentar nichts zum Hintergrund dieser Figur zu sagen hat. 55 Vanhala, Depiction of Terrorists, 252-9, analysiert den Film unter der Überschrift »Return of the Communist Threat«, das wichtige Element des Völkermordes findet bei ihr aber keine Erwähnung.
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»The Russia you see in this movie is not a real Russia. Our portrait of Moscow is purely speculative. Since ›The Saint‹ was shot, elections in Russia have confirmed the path towards stable democracy that the country embarked on in the early 90’s. But if certain reactionary forces had managed to exert more influence in Russia, then the events you see in this movie could have become a reality. Thank God they haven’t… yet.«56
Der Film zeigt also eine Art Schreckensvision. Dabei ist zu beachten, dass die Verlagerung des Geschehens in die nahe Zukunft zwar einerseits darauf hinweist, dass nicht das reale Moskau dargestellt wird, andererseits aber doch einen engen Bezug zur Gegenwart beansprucht. Der Reiz von The Saint sollte sich, als er in die Kinos kam, zweifellos daraus speisen, dass die dargestellten Verhältnisse für möglich gehalten werden konnten, so wie das ja auch der Regisseur rückblickend postuliert. Insofern handelt es sich von der Intention her, die auch dem Zuschauer vermittelt wird, also keineswegs um ein rein spekulatives Szenario. Vielmehr verwischt der Unterschied zwischen Heute und Morgen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Bilder des Films zu erheblichen Teilen aus dem Gestern zu stammen scheinen. Durch den Einsatz von Farbfiltern in eisiges Blau getaucht, ruft das winterliche Moskau in The Saint Erinnerungen an diverse Produktionen aus dem Kalten Krieg wach. Tatsächlich wurden nur die wenigsten Aufnahmen vor Ort (und dann im Frühling) gemacht, weil der Produktionsfirma längere Dreharbeiten in Moskau zu riskant erschienen. »At the time of shooting ›The Saint‹, the Western press seemed to be full of reports of corruption, chaos and impending doom in Russia«, erklärt Philip Noyce,57 der damit noch einmal bestätigt, dass der Film durchaus das vorherrschende Bild der Zeit wiedergibt, nur leicht überzeichnet. Die Bemühungen, der russischen Hauptstadt eine Aura extremer Kälte zu verleihen, sind immerhin nicht nur einem Stereotyp geschuldet, sondern auch für die Handlung wichtig, in der eine Heizölkrise mitten im Winter eine zentrale Rolle spielt. Der Ölmagnat Ivan (!) Tretiak (Rade Serbedzija) hat diesen Mangel künstlich herbeigeführt, um dadurch die demokratische Regierung zu diskreditieren und die Stimmung im Volk für einen nationalistischen Umsturz vorzubereiten. »America is so in love with Russian villains that now when the average Russian doesn’t possess two sticks to rub together, it is necessary to invent a wealthy and evil Russian oil magnate«, kommentierte der San Francisco Examiner diese Idee.58 Dem 56 Die erste DVD wurde in den USA am 07.10.1998 veröffentlicht, der Audiokommentar dürfte nicht allzu lang davor aufgenommen worden sein. Noyce bezieht sich offenbar auf die Präsidentschaftswahl 1996. 57 Zitiert nach dem Audiokommentar der DVD; vgl. ebenda auch Noyces Ausführungen zu den »icy blue looks of the Moscow exteriors«. 58 » › Saint‹ Needs Redemption«, in: SFE 04.04.1997. Die Kritiken für den Film fielen fast durchweg negativ aus, vgl. etwa »Some Things a Master Of Disguise Can’t Disguise«, in: NYT 04.004.1997; »Catch Kilmer If You Can«, in: SFC 04.04.1997; »The Saint« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19970404/REVIEWS/70404030 6/1023, (10.06.2007). Trotzdem spielte The Saint allein in den USA mehr als 61 Millionen Dollar ein und wurde international mit einem Einspielergebnis von 169,4 Millionen ein beachtlicher Erfolg; Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1997/SAINT.php (18.06. 2007).
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muss man insofern widersprechen, als die Charakterisierung Tretiaks als ehemaliger Parteifunktionär, der zu seinem Vermögen gekommen ist, indem er sich selbst bei der Privatisierung der Ölwirtschaft bevorteilt hat, zu den durchaus realitätsnahen Aspekten des Films gehört.59 Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass Tretiak als Figur auch etwas über die Bedeutung russischer Bösewichter für die USA aussagt. Zu beachten ist dabei zunächst, dass auch er wie Radchenko in Crimson Tide oder Ivan und Radek in Air Force One in die Reihe russischer Nationalisten gerechnet werden muss, die ein neues Feindbild für die Vereinigten Staaten abgeben.60 Im Gegensatz zu den Schurken aus Wolfgang Petersens Film ist er zwar kein Kommunist, obwohl seine Vergangenheit ihn bezeichnenderweise mit dem sowjetischen Regime in Verbindung bringt, sondern ein Superkapitalist, der zum organisierten Verbrechen gehört.61 Eine Diktatur strebt allerdings auch er an, nur dass er diese eher in die zaristische Tradition stellen will. Seine Rhetorik, wenn er über Russland als »the third Rome« und seine Pläne spricht, unterscheidet sich kaum von der aus den anderen Filmen bekannten, etwa in der Rede vor seinen Anhängern in einer der ersten Szenen: »Friends. Countrymen. Russians! [Jubel bei den Zuhörern] You people here in this room are the cream of Russia. And the whole nation is listening with us. But why do you all listen to me rave? Set aside my oil company, forget about my best-selling book, and all I am is… a lunatic, haunted by the fantasy of an empire that reclaims her former might, her former size. [Applaus] All I am is a poet… spinning rhymes of Russia not cut off at the knees, but armed to the teeth. Not ridiculed, but revered! No, more than revered… feared! [Jubel]«
Tretiak übt mit solchen Visionen nicht nur große Anziehungskraft auf das verarmte und frierende russische Volk aus, auch hohe Militärs und Vertreter der orthodoxen Kirche gehören zu seinen Verbündeten. Insbesondere der Armee kommt in seinen Umsturz- und Imperiumsplänen natürlich eine Schlüsselrolle zu. Zudem hat er durch sein Vermögen beträchtlichen Einfluss und kontrolliert die korrupte Polizei. Moskau, so wird an einer Stelle bemerkt, gehört ihm quasi. Wie Radchenko und Radek stellt Tretiak nicht nur eine Gefahr für die Demokratie in Russland dar, sondern auch eine Bedrohung der amerikanischen Sicherheit. Sein Staatsstreich ist wie in den anderen Filmen auch mit einem gewalttätigen Antiamerikanismus verbunden. »Tretiak’s supporters are mounting a siege at the US embassy«, vermelden die Fernsehnachrichten, als sich die Krise zuspitzt. Später wird berichtet, dass der wütende Mob Firmen mit Verbindungen nach Amerika angreift und US-Bürger verletzt worden sind. Vor diesem Hintergrund kann es kaum Zweifel 59 Allerdings muss man auch daran erinnern, dass Boris Jelzin durch Insiderverkäufe der staatlichen Öl- und Gasindustrie die Unterstützung der Oligarchen bei der Präsidentschaftswahl 1996 erkaufen wollte und dass die USA zu diesen Geschäften schwiegen. Vgl. Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 147f. 60 Ein weiteres, frühes Beispiel wäre General Benin (Christopher Lee), der in der amerikanisch-britischen Co-Produktion Death Train (1993) einen irrwitzigen (Atombomben beinhaltenden) Plan schmiedet, um die UdSSR wiederherzustellen. 61 In seinem Audiokommentar erläutert Philip Noyce, dass ihm bei seinen Recherchen die »business mafia« als gefährlichstes Element der russischen Mafia aufgefallen sei.
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daran geben, was Tretiak im Sinn hat, als er verkündet: »The balance of power is about to shift!« Die Rettung der russischen Regierung ist also wieder einmal nötig, um eine Bedrohung der USA abzuwenden, und auch diesmal können nur Amerikaner diese Rettung bewerkstelligen. In The Saint sind es der Meisterdieb Simon Templar (Val Kilmer), die titelgebende Hauptfigur einer seit 1928 erscheinenden Romanserie, die schon zuvor mehrfach in Filmen und Fernsehserien verarbeitet wurde, sowie die Wissenschaftlerin Dr. Emma Russell (Elisabeth Shue), die Tretiaks finstere Pläne im letzten Moment vereiteln, indem sie Russland (und kurz danach der ganzen Welt) das Wunder der kalten Fusion und damit unerschöpfliche saubere Energie schenken.62 Zwar erhalten sie dabei auch Hilfe von einigen Russen, diese fällt allerdings im Vergleich recht bescheiden aus: Eine Prostituierte versteckt sie vor Tretiaks Schergen, da eine alte Frau sie aber verrät, müssen sie nach wenigen Minuten wieder fliehen; eine Schwarzmarkthändlerin verkauft ihnen ihre Hilfe bei der Durchquerung des Moskauer Abwassersystems; ein aus Geldnot zeitweise für Tretiak arbeitender Wissenschaftler baut den Generator für die kalte Fusion, aber er führt dabei nur Emmas Anweisungen aus. Bezeichnend ist zudem, dass der demokratisch gewählte Präsident Karpov als Oberhaupt des russischen Staates die passivste Rolle aller Helfer spielt: Sein Beitrag zu seiner eigenen Rettung besteht einzig und allein darin, bei der entscheidenden Konfrontation auf dem Roten Platz gemäß Simons Instruktionen alles zuzugeben, was Tretiak ihm vorwirft – sodass sich dieser durch seinen Versuch, Karpov als Käufer einer nicht funktionierenden teuren Technologie bloßzustellen, selbst zu Fall bringt. Die russische Regierung ist also auch in diesem Film völlig von dem Eingreifen der Amerikaner abhängig. Hinzu kommt, dass The Saint, wie schon erwähnt, zahlreiche Szenen enthält, die unweigerlich an den Kalten Krieg erinnern, wenn Simon und Emma von russischen Soldaten mit Pelzmützen und Kalaschnikows durch ein unwirtliches Moskau gejagt werden. Die amerikanische Botschaft wird in der Szene, in der Emma, verfolgt von Tretiaks Sohn, auf das von Marines in Kampfmontur bewachte Tor zurennt und dabei »I’m an American!« schreit, wieder als Ort der Zuflucht in einem feindseligen Land inszeniert. Explizit wird die Vergangenheit evoziert, als die Prostituierte die beiden in einer alten Geheimkammer in ihrem Apartment versteckt, »built to escape the Secret Police«. Alte und neue Zeit fallen an diesem Ort zusammen. Hier wird überdeutlich, wie die neuen russischen Schurken es ermöglichen, zu gewohnten Bildern und Mustern zurückzukehren. Dass das KGB jetzt durch Mafiosi ersetzt wird, macht für den Ablauf der Szenen und die Bildsprache kaum einen Unterschied. Der Trend zur Wiederbelebung des Kalten Krieges gerade im Jahr 1997 fiel auch der New York Times auf, die im August einen Artikel zu diesem Phänomen veröffentlichte, in dem nach einer Erklärung gesucht wurde, wobei auch diverse Filmemacher
62 Simon Templar ist zwar ein staatenloses Phantom, das in London lebt, und seine Herkunft ist unklar, aber es ist wohl dennoch korrekt, ihn als Amerikaner zu identifizieren, da Val Kilmer, der Simons Wandlungsfähigkeit im Film durch zahlreiche Verkleidungen und wechselnde Akzente darstellt, immer dann sein normales amerikanisches Englisch spricht, wenn Simon als er selbst auftritt.
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zu Wort kamen.63 »It’s post-cold-war, but it’s the same area codes«, bemerkte etwa Produzent Joel Silver. Als Begründung wurde die verzweifelte Suche nach wirkungsvollen Schurken angeführt, die scheinbar durch eine spezielle Problematik erschwert wurde: »In an age of political correctness it’s hard to create a realistic terrorist, who has a religious or cultural affiliation, without offending someone«, stellte Andrew Marlowe, der Autor von Air Force One, fest und behauptete, dass Kommunisten und die amerikanische Regierung die einzigen seien, die man noch als Bösewichter verwenden könne, ohne mit Protesten oder gar einer Klage rechnen zu müssen. Sein Kollege Michael Schiffer, verantwortlich für die Drehbücher zu The Peacemaker und Crimson Tide, verwies dagegen auf die Verhältnisse in der ehemaligen UdSSR und das Bemühen der Autoren um möglichst große Realitätsnähe. Zur Sprache kamen außerdem nostalgische Gefühle des Publikums. So erklärte die Filmwissenschaftlerin Jeanine Basinger: »We invested so much in the Commies. For most of us, it goes back to our youth. I gave my moviegoing life to the Red menace. Now they’re going to snatch them away from me and replace them with aliens or Arabs? I don’t think so.« Aus einer Reihe von Gründen führte die Suche Hollywoods und der USA nach glaubhaften neuen Bedrohungen also zurück zu dem altvertrauten Feind vergangener Tage. Die Iron-Eagle-Reihe ging sogar so weit, rückwirkende Korrekturen vorzunehmen: Die positive Darstellung der Sowjetunion im zweiten Teil64 wird in Iron Eagle IV (1995) revidiert, indem der Luftkampf zwischen sowjetischen und amerikanischen Piloten aus dem älteren Film noch einmal gezeigt wird. In einer neu geschnittenen Version wird aus dem tragischen Zusammenstoß, an dem beide Seiten Schuld hatten, ein unprovozierter Angriff der MiGs, der für den abgeschossenen, in Iron Eagle II (1988) noch für tot erklärten Helden mit einem längeren Aufenthalt in einem sowjetischen Gefängnis inklusive Folter endet. Während viele Motive aus dem Kalten Krieg in den Produktionen der 1990er Jahre wieder auftauchten, wurde das Feindbild nicht nur erneuert, sondern auch aktualisiert. Die neuen russischen Schurken wiesen zwar in den meisten Fällen eine signifikante Verbindung zur sowjetischen Vergangenheit auf, etwa als ehemalige KGBLeute, in manchen Fällen waren sie auch tatsächlich Kommunisten, zumeist standen jetzt aber andere Charakteristika im Vordergrund. Die Feinde waren Nationalisten, Mafiosi, Waffenhändler oder Terroristen beziehungsweise eine Mischung aus diesen Elementen als nationalistische Mafiosi in Terminal Velocity und The Saint oder kommunistische Nationalisten und Terroristen in Air Force One. Im wiederum 1997 veröffentlichten The Jackal bedient sich die russische Mafia des politischen Terrorismus.65 Nachdem sein Bruder bei einer von russischer Polizei und FBI gemeinsam durchgeführten Operation in Moskau getötet worden ist, beschließt Unterweltboss Terek Murad einen Rachefeldzug, der nicht nur der Vergel63 »For Hollywood Villains, It’s Cold War II: ›It’s So Hard to Find a Good Guy to Hate Now‹ That the Red Menace Is Back«, in: NYT 06.08.1997. Die folgenden Zitate sind diesem Artikel entnommen. 64 Vgl. Kap. I.2.2. 65 Bei diesem Film handelt es sich um eine äußerst freie Adaption von Frederick Forsyths Roman Day of the Jackal, London 1971, in dem die französische OAS einen Profikiller anheuert, um Charles de Gaulle zu ermorden.
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tung dient, sondern darüber hinaus speziell die Amerikaner davon abschrecken soll, weiterhin gegen ihn vorzugehen. »So, the American FBI declared war on us. Then war it is«, resümiert er vor seinen Unterführern. Während er die russischen Sicherheitsorgane direkt angreift und mit einer Welle der Gewalt überzieht, engagiert er einen nur unter dem Decknamen ›Schakal‹ bekannten Profikiller (Bruce Willis), der für 70 Millionen Dollar die amerikanische First Lady ermorden soll – und zwar im Stile seines Auftraggebers als »a statement: public and brutal«. Russland und seine Mafia spielen in diesem Film letztlich nur eine untergeordnete Rolle. Nach der Erteilung des Auftrages konzentriert sich die Handlung zur Gänze auf die Bemühungen, den Schakal zu stellen, und verlagert sich damit schnell nach Amerika. Der Killer selbst ist zudem Amerikaner, wenn auch mit einer Vergangenheit als Auftragnehmer für das KGB. Dennoch begegnen wir auch in The Jackal den bereits bekannten Mustern und Motiven. Die wenigen Szenen in dem wieder einmal tief verschneiten Moskau etablieren das mittlerweile vertraute Bild eines korrupten Russlands, in dem das organisierte Verbrechen mehr Macht ausübt als der Staat und das deshalb zum einen auf die Hilfe der USA angewiesen ist, in diesem Fall durch das FBI, und zum andern eine direkte Bedrohung der amerikanischen Sicherheit darstellt. Bemerkenswert ist vor allem der Vorspann, der die jüngere russische Geschichte durch einen Zusammenschnitt von Dokumentaraufnahmen und Nachrichtenmaterial aufarbeitet: Auf eine sowjetische Flagge folgen Bilder der russischen Revolution und Lenins, die dann in Aufnahmen aus dem Kalten Krieg übergehen. Trostlose Industrieanlagen wechseln sich mit der innerdeutschen Grenze, Großaufnahmen von Stalin und immer wieder Paraden ab, bevor der Fall der Berliner Mauer, der Putschversuch gegen Gorbatschow, Jelzin und Demonstrationen zu mit Kommentarfetzen unterlegten Nachrichtenausschnitten über die Welle des Verbrechens im demokratischen Russland, den Aufstieg der Mafia und deren Ausdehnung bis in die Vereinigten Staaten überleiten. Diese Montage von Momentaufnahmen, deren ausgebleichte Fahlheit nicht nur Historizität signalisiert, sondern auch die trostlose Wirkung des Gezeigten verstärkt, verkürzt die russische Geschichte zu einer mit der Geburt der Sowjetunion beginnenden Passion. Die aktuelle Situation scheinbar unkontrollierbaren Verbrechens erscheint als geradezu zwangsläufige Folge einer konsequenten Entwicklung, als neueste Ausformung einer seit jeher durch Diktatur und Militarismus einerseits und chaotische Gewalt andererseits bestimmten russischen Identität. Der dokumentarische Charakter der Aufnahmen sowie die Aktivierung der Erinnerungen des Zuschauers durch bekannte Personen und Ereignisse unterstützen die ›Echtheit‹ des Gezeigten und verleihen ihm unwiderlegbare Autorität. Das damit von vornherein festgelegte negative Bild Russlands wird nur geringfügig dadurch korrigiert, dass The Jackal mit Major Valentina Koslova (Diane Venora) eine der positivsten und aktivsten russischen Figuren in allen hier analysierten Filmen aufbietet. Valentina ist eine durchweg integere und mutige Gegnerin des Verbrechens, die anderen mehrfach das Leben rettet. Als Polizistin verkörpert sie zudem die russische Staatsgewalt, die somit in diesem Fall nicht als völlig ineffektiv dargestellt wird. Allerdings ist sie im gesamten Film weitgehend von anderen Russen isoliert und wirkt eher als Ausnahmeerscheinung.66 Bezeichnenderweise entpuppt sich 66 Vgl. auch Vanhala, Depiction of Terrorists, 226.
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ein anderer in die Ermittlungen involvierter russischer Polizeioffizier als Informant der Mafia. Valentina trägt außerdem trotz allem nur wenig dazu bei, dass der Plan des Schakals vereitelt werden kann, nicht zuletzt deshalb, weil sie schon vor dem Finale von ihm getötet wird. Dies zeigt, dass die russische Heldin von den Filmemachern als diejenige der positiven Hauptfiguren des Films eingestuft wird, die am ehesten geopfert werden kann, um die Gefährlichkeit des Schakals zu verdeutlichen, ohne das Publikum zu verprellen.67 Der bis hierhin aufgezeigte Trend, wieder verstärkt auf russische Feindbilder zurückzugreifen, war nicht nur dem Bemühen Hollywoods um politisch korrekte, aber furchteinflößende Bösewichte geschuldet. Vielmehr spiegelt er eine auch sonst greifbare Entwicklung im amerikanischen Russlandbild wider, die die Filme ihrerseits wiederum verstärken mochten. Ein Blick auf Umfragen aus den 1990er Jahren zeigt, dass die Einschätzung Russlands in der amerikanischen Öffentlichkeit zwar deutlich positiver ausfiel als die der UdSSR während des Kalten Krieges, dass sie sich aber im Laufe des Jahrzehnts nahezu kontinuierlich verschlechterte.68 Parallel dazu hat die Forschung in der amerikanischen Außenpolitik eine konsequente Entwicklung weg von der zu Beginn der 1990er Jahre enthusiastisch verkündeten strategischen Partnerschaft festgestellt: Der Fokus verschob sich von der »Integration Russlands in die Weltwirtschaft in Richtung auf eine erneute Eindämmung«, wie Georg Schild schreibt.69 In Foreign Affairs beantwortete Richard Pipes 1997 die sich aufdrängende Frage »Is Russia still an enemy?« mit »It is not […] [b]ut it might become one[.]«70 Und im Vorwort zur überarbeiteten Auflage von Walter LaFebers Geschichte des Kalten Krieges konnte man im selben Jahr lesen, »[that] post-1991 events are unfortunately demonstrating that U.S.-Russian problems and confrontations did not end with the formal closing of the Cold War.«71 In der Tat kam es immer wieder und vermehrt zu Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland. In Reaktion auf die Planungen für eine Osterweiterung der NATO warnte Boris Jelzin bereits im Dezember 1994 vor einem ›kalten Frieden‹. Beeinflusst durch die nationalistischen und antiwestlichen Emotionen in der russischen Bevölkerung zeichnete sich zunehmend ein autonomerer und bisweilen konfrontativer Kurs des Kremls ab, der mit der Ablösung von Außenminister Andrej Kosyrew durch Jewgeni Primakow im Januar 1996 bestätigt wurde. Die Vereinigten Staaten ihrerseits rückten von der bisherigen Russia-first-Politik ab, reduzierten ihre Zuwendungen und bauten die Beziehungen zur Ukraine aus. Die wachsende Asymmetrie zwischen den beiden ehemals gleichrangigen Supermächten trug 67 Als starke Frauenrolle bleibt Valentina gleichfalls zwiespältig, da sie durch eine entstellende Narbe im Gesicht wiederum als Sonderfall markiert ist, als eine Frau, die nicht unbedingt freiwillig darauf verzichtet, feminine Rollenklischees zu erfüllen. 68 Vgl. dazu die entsprechenden Umfragen in IIPO, 1991-1992, 213; IIPO, 1992-1993, 217; IIPO, 1993-1994, 215-7; IIPO, 1994-1995, 226f; IIPO, 1995-1996, 199; IIPO, 1996-1997, 227; IIPO, 1997-1998, 214f; IIPO, 1998-1999, 201. 69 Georg Schild, Die bedrohte Supermacht: Die Außen- und Sicherheitspolitik der USA nach dem Ende des Kalten Krieges, Opladen 2002, 54. 70 Richard Pipes, »Is Russia Still an Enemy?«, in: Foreign Affairs 76:5 (1997), 65-78, hier: 78. 71 LaFeber, America, Russia, and the Cold War, vii.
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erheblich dazu bei, ihr Verhältnis zueinander zu belasten. Während einerseits die USA die NATO-Osterweiterung vorantrieben, näherte sich Moskau, das sich in vielen Sicherheitsfragen missachtet fühlte, über die Ablehnung der überragenden Vormachstellung der USA Peking an. Als im August 1998 eine schwere Finanzkrise die gerade leicht stabilisierte russische Wirtschaft erschütterte, schienen vielen Beobachtern die vom Westen unterstützten Reformen gescheitert zu sein. Mit der Entlassung seines gesamten Kabinetts und der Ernennung Primakows zum Ministerpräsidenten erweckte Jelzin jedenfalls den Eindruck, dass er der Reformpolitik den Rücken kehrte. Der Kosovokrieg, Russlands Zusammenarbeit mit dem Iran und anderen von Washington als gefährlich eingestuften Staaten, das wachsende amerikanische Engagement in Zentralasien und die Pläne der USA für eine Nationale Raketenabwehr (NMD) sorgten für weiteren Konfliktstoff.72 Zum Bruch kam es zwar nicht und beide Staaten arbeiteten auch immer wieder zusammen. Dennoch war das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Russland am Ende von Bill Clintons Präsidentschaft konfliktträchtiger als zu Beginn der 1990er Jahre. Vor allem fühlte es sich in Amerika so an, und der Optimismus früherer Tage, der durch zum Teil unrealistische Erwartungen genährt worden war, schlug in eine überaus negative Analyse des in Russland Erreichten und des amerikanischen Anteils daran um. Im Wahlkampf des Jahres 2000 attackierten die Republikaner dementsprechend die Regierung Clinton-Gore mit einer schon länger schwelenden »Who lost Russia?«-Debatte.73 Gleichzeitig zeigte sich das Team von George W. Bush entschlossen, statt der idealistischen Versuche Clintons, die russische Gesellschaft zu beeinflussen, einen dem Realismus verpflichteten Ansatz zu verfolgen, der Russlands Macht mehr Aufmerksamkeit widmete als seinen inneren Verhältnissen. Dies war auch deshalb möglich, weil bei aller Frustration über die Entwicklung der Reformen ein Rückfall Russlands in den Kommunismus oder eine Wende zum Faschismus mittlerweile ausgeschlossen schienen. Die neue Administration definierte Russland wieder als strategischen Rivalen und strebte eine härtere Linie, etwa bei der Durchsetzung des NMDVorhabens, an. Allerdings vollzog Bush aus verschiedenen Gründen, etwa wegen der wachsenden Sorge um China, schon bald einen Kurswechsel zurück zum engagement und baute auf ein persönliches Verhältnis zu Wladimir Putin. Die zunehmende Einschränkung der Pressefreiheit, der Demokratieabbau und die brutale Kriegführung in
72 Vgl. zu diesen Entwicklungen ausführlich Hannes Adomeit, »Russisch-amerikanische Beziehungen: Von ›strategic partnership‹ zu ›strategic patience‹ «, in: Stephan G. Bierling/ Reinhard C. Meier-Walser (Hg.), Die Clinton-Präsidentschaft: Ein Rückblick (Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen 31), München 2001, 77-92; Stephen Sestanovich, »The Collapsing Partnership: Why the United States Has No Russia Policy«, in: Robert J. Lieber (Hg.), Eagle Adrift: American Foreign Policy at the End of the Century, New York u.a. 1997, 163-77; Hyland, Clinton’s World, 87-119; Lapidus, »Transforming Russia«, 126-8; Bierling, »Weder Gegner noch Partner«, 133-45; Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 183-304. 73 Vgl. Lapidus, »Transforming Russia«, 99-102; Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 237.
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Tschetschenien – die Ziele hatten die USA stets als legitim anerkannt – wurden kaum in der Öffentlichkeit diskutiert.74 Die Anschläge vom 11. September 2001 führten dann zumindest vorübergehend zu einer erneuten Annäherung. Hatte Zbigniew Brzezinski noch 2000 davor gewarnt, sich von Russland in ein Bündnis gegen die Muslime ziehen zu lassen,75 so suchten nun die USA im ›Krieg gegen den Terror‹ den Schulterschluss mit Moskau. George W. Bush bezeichnete Wladimir Putin als seinen Freund76 und erklärte: »[A] common danger is erasing old rivalries[.]«77 Kritik verstummte praktisch völlig, und Tschetschenien wurde nun endgültig als Putins Front im Kampf gegen den Terrorismus akzeptiert. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem russischen Präsidenten in Moskau im Mai 2002 lobte Bush die Entwicklung Russlands und dankte Putin »for his understanding of the nature of the new war we face together«.78 Ein neues Abrüstungsabkommen, der Strategic Offensive Reduction Treaty, eine Art START III, wurde unterzeichnet. Putin nahm außerdem den Austritt der Vereinigten Staaten aus dem ABM-Vertrag hin, der den amerikanischen NMD-Plänen im Weg stand, und beschränkte sich auf verbale Missfallensbekundungen.79 Die Grenzen dieser neuerdings beschworenen Waffenbrüderschaft wurden aber im andauernden Streit um Russlands Zusammenarbeit mit dem Iran und vor allem in der internationalen Debatte um den Irakkrieg deutlich.80 Inwieweit man tatsächlich von einer grundlegenden Verbesserung der Beziehungen sprechen kann, ist daher zweifelhaft. Für die Filmproduktion lässt sich beobachten, dass das Bündnis gegen den Terror nur sehr selten dargestellt wurde, etwa in dem drittklassigen Actionfilm Marines (2003), in dem amerikanische und russische Truppen gemeinsam gegen einen tschetschenischen Warlord zu Felde ziehen. Während sich die Aufmerksamkeit anderen Ländern zuwandte, blieb das Bild von Russland und den Russen in Filmen wie Con Express, Frogmen Operation Stormbringer (2002) oder The Marksman (2005) im Wesentlichen innerhalb der in den 1990er Jahren etablierten Konventionen und damit bestenfalls zwiespältig. Zweifellos war das Russlandbild nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes komplexer als das der UdSSR während des Kalten Krieges. Viele Motive aus der Zeit der 74 Vgl. Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 305-13. 75 Zbigniew Brzezinski, The Geostrategic Triad: Living with China, Europe, and Russia, Washington D.C. 2001, 69. Die in dem Band gesammelten Aufsätze erschienen erstmals 2000 in der Zeitschrift National Interest. 76 George W. Bush, »The President’s News Conference, October 11th, 2001«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73426 (27.07.2007). 77 George W. Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 29th, 2002«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=29644 (13.05.2007). 78 George W. Bush, »The President’s News Conference With President Vladimir V. Putin of Russia in Moscow, May 24th, 2002«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73310 (27.07.2007). Zum Sinneswandel der Bush-Administration siehe auch »Our New Best Friend?«, in: Time 27.05.2002. Vgl. auch die Ausführungen zu Russland in The National Security Strategy of the United States, September 2002, 13 u. 26f; außerdem Schild, Bedrohte Supermacht, 91f u. 114. 79 Vgl. Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 322f. 80 Vgl. ebenda, 325-9.
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Konfrontation blieben jedoch bestimmend oder wurden bald wiederbelebt, da Russland auch weiterhin vor allem als Hort der Gefahr gesehen wurde. Die Wandlung zum Positiven, die in den letzten Jahren des sowjetischen Imperiums bei dessen Porträtierung stattgefunden hatte, darf also nicht mit einer völligen Auflösung des Feindbildes verwechselt werden, bei der die entsprechenden stereotypen Vorstellungen einfach verschwunden wären. Die Veränderung war auf längere Sicht betrachtet in erster Linie eine Modernisierung, bei der das monolithische Feindbild des Kalten Krieges durch diverse miteinander verknüpfte Bedrohungen ersetzt wurde. Terroristen, Nationalisten, Mafiosi und Waffenhändler, meist mit einer unheilvollen Verbindung zum alten Regime, gaben die neuen, nahezu beliebig kombinierbaren Feindbilder ab. ›Der Russe‹ blieb in vielfacher Hinsicht der bedrohliche ›Andere‹ in der amerikanischen Vorstellung.81 Während die Sowjetunion aber wegen ihrer (wahren oder eingebildeten) Stärke gefürchtet und auch respektiert worden war, lag im Fall des postkommunistischen Russlands die Gefahr in dessen Schwäche, die eben das Heranwachsen der unterschiedlichen Bedrohungen der Demokratie ermöglichte. Waren die Organe des sowjetischen Staates wie das KGB als nahezu allmächtig dargestellt worden, so zeichneten sie sich im Porträt Russlands nach 1991 vor allem durch ihre Unfähigkeit und Bestechlichkeit aus. Immer wieder mussten in den Filmen der 1990er Jahre die USA als Retter in der Not in Erscheinung treten. Von einer echten Partnerschaft konnte dabei keine Rede sein. Russland sank beinahe auf den Stand eines Dritte-WeltLandes ab, das sich beständig in der Krise befand und von dem beständig Gefahr ausging, weshalb es auch beständige amerikanische Aufmerksamkeit erforderte. Die Rolle der USA wurde dabei zwangsläufig glorifiziert, problematische Aspekte der amerikanischen Russlandpolitik – etwa die ungewollte Erosion der Demokratie durch die Unterstützung einer starken Exekutive gegenüber einem von Kommunisten und Nationalisten beherrschten Parlament oder die hinter den geweckten Erwartungen zurückbleibende Wirtschaftshilfe – wurden so gut wie nie reflektiert. Die russische Schwäche dagegen wurde immer mehr als sogar noch bedrohlicher empfunden als 81 Auch für die anderen ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken und die Satellitenstaaten gilt, dass die alte Dichotomie im Grunde beibehalten wurde. Wie Alicja Syska in ihrer Dissertation Eastern Europe in the Making of American National Identity (Diss. Saint Louis 2008) gezeigt hat, fungierte Osteuropa in den Vereinigten Staaten nach dem Kalten Krieg weiterhin maßgeblich als ›das Andere‹, als Gegenbild. Ein Blick auf die Filme bestätigt dies: Einerseits dienen die nach dem Fall des Eisernen Vorhanges nun dem westlichen Blick offenstehenden Länder als exotische Schauplätze, die sich zudem durch niedrige Produktionskosten als Drehorte anbieten: Prag und Budapest werden in Mission: Impossible (1996), Bad Company (2002) oder I Spy (2002) als eindrucksvolle Metropolen gezeigt. Andererseits bleiben sie zugleich gefährliche Orte, die von Spionen, Kriminellen und Terroristen bevölkert werden und Umschlagplätze für (Massenvernichtungs-)Waffen aus der ehemaligen UdSSR sind. In Filmen wie Derailed (2002) werden osteuropäische Staaten zuweilen ähnlich wie Russland in den Schemata des Kalten Krieges dargestellt. Wie zu Zeiten des Ost-West-Konflikts können sie als Platzhalter für die größere Macht im Osten fungieren. Hieran wird deutlich, dass die osteuropäischen Staaten aus der amerikanischen Perspektive weiterhin im Schatten Russlands lagen, dass die dort verortete Bedrohung immer noch auf sie abfärbte.
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einst die Stärke der UdSSR. Insbesondere die Kontrolle und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wurden zum Sinnbild für die Gefahr, die aus dem russischen Chaos drohte.82 Auf den Punkt gebracht wurde dieses Denken in einem Artikel von Thomas Friedman 1999: »Frankly, I wish Russia were the Soviet Union again; at least we knew how to deal with it. […] Try containing a Russian technical college selling nuclear know-how to Iran out of a Mafia-run Moscow. Russia is not the Soviet Union. It is just a big Albania – an experiment in democracy gone wrong, spewing out criminality, weapons and unemployment in all directions.«83
In diesem Sinne ruft auch der Nationale Sicherheitsberater in The Peacemaker angesichts der Meldung einer Atomexplosion in Russland aus: »Russia – what a fucking mess! God, how I miss the cold war!« Solche Gefühle speisten sich freilich nicht allein aus den Verhältnissen in Russland. Sie waren Ausdruck einer weitreichenden Verunsicherung, die auf das Ende des Ost-West-Konfliktes folgte.
82 Wenn in dem Film Space Cowboys (2000) ein mit sechs Nuklearrakten bewaffneter alter sowjetischer Satellit, »a relic from the cold war«, den Vereinigten Staaten gefährlich wird, ist das nichts anderes als eine weitere Variation bekannter Bedrohungsszenarien. Auch hier tragen die Russen nichts zur Lösung des Problems bei. 83 »Foreign Affairs: Deadheads And Warheads«, in: NYT 16.02.1999. Bemerkenswerterweise outete sich Friedman acht Jahre später auch mit Blick auf Russland als Fan der »post-cold war world«, vgl. »The Post-Post-Cold War«, in: NYT 12.11.2007.
Teil II: Eine Welt von Feinden
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1.1 »I’M THE BAD GUY? HOW DID THAT HAPPEN?«: FALLING DOWN NACH DEM KALTEN KRIEG Man hätte erwarten können, dass in den Vereinigten Staaten zu Beginn der 1990er Jahre Euphorie herrschte. Das sowjetische Imperium war kollabiert, die jahrzehntelange Konfrontation mit der UdSSR damit vorbei und die Gefahr eines vernichtenden nuklearen Krieges gebannt. Die USA konnten für sich beanspruchen, den Kommunismus in die Knie gezwungen und nach dem Nationalsozialismus auch die zweite totalitäre Bedrohung überwunden zu haben. »[T]he biggest thing that has happened in the world in my life, in our lives, is this: By the grace of God, America won the cold war«, erklärte denn auch George Bush in seiner Rede zur Lage der Nation im Januar 1992.1 Von Hochstimmung konnte bei der Mehrzahl der Amerikaner allerdings keine Rede sein, und gegen Ende seiner Ansprache stellt auch der Präsident fest: »There’s a mood among us. People are worried. There’s been talk of decline.«2 Tatsächlich waren viele Menschen in den USA mit ihrer Situation und der des Landes nicht zufrieden und blickten zudem eher pessimistisch in die Zukunft. Daran änderte auch die Begeisterung über den eindrucksvollen Sieg der US-geführten Koalition im Kuwaitkrieg 1991 nichts, die – »[l]ike a drugrush« – schnell wieder verflog.3 So konnte Bush die beispiellose Quote von 90% Zustimmung zu seiner Politik, die kurz nach Ende des Krieges am Golf ermittelt wurde, nicht einmal ansatzweise perpetuieren. Bei der Präsidentschaftswahl 1992 unterlag er Bill Clinton, der nach zwölf Jahren republikanischer Herrschaft das Weiße Haus für die Demokraten zurückeroberte. Nur ein Jahr nach der Auflösung der Sowjetunion endete damit auch die Ära des Reaganismus auf einer unerwartet düsteren Note.4 »Why is America in a blue funk?«, hatte sich der konservative Kolumnist Charles Krauthammer ein Jahr zuvor gewundert und die Stimmungslage wie folgt beschrieben: »[A] morbid pessimism has settled over the U.S., a Great Depression not of the economy but of the psyche.« Krauthammer sah die Gründe hierfür in der Melancholie nach der Erfüllung einer großen Aufgabe, der Enttäuschung über das Ausbleiben 1 2 3 4
George Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 28th, 1992«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=20544 (12.05.2007). Ebenda. Beisel, »Looking for Enemies«, 5. Vgl. »The End of Reaganism«, in: Time 16.11.1992.
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einer größeren Belohnung und überzogenen Sorgen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung.5 Letztere waren zweifelsohne ein wichtiges Element der amerikanischen Gegenwarts- und Zukunftsängste. Seit den späten 1980er Jahren mehrten sich die Stimmen, die ein Ende der ökonomischen Vormachtstellung der Vereinigten Staaten prophezeiten, einen entscheidenden Bedeutungsverlust zugunsten konkurrierender Wirtschaftsnationen, namentlich Japans und (West-)Deutschlands.6 Die Resonanz, auf die Paul Kennedys Buch The Rise and Fall of the Great Powers stieß,7 war bezeichnend für die sich ausbreitende negative Stimmung, die sich aus Ereignissen wie dem ›Schwarzen Montag‹ am 19. Oktober 1987 speiste, als der Dow Jones um mehr als 500 Punkte nachgab.8 Selbst im eigenen Land schien die im Niedergang begriffene USWirtschaft dem Ansturm ausländischen Kapitals hilflos ausgeliefert zu sein; es war vom Ausverkauf Amerikas die Rede.9 Auch wenn derartige Ängste deutlich übertrieben waren, gab es zu Beginn des neuen Jahrzehnts keinen Zweifel daran, dass sich die USA tatsächlich in einer Rezession befanden. Von 1990 bis zur Jahresmitte 1991 verloren 4,5 Millionen Amerikaner, von denen ein beträchtlicher Teil zur Mittelschicht gehörte, ihren Arbeitsplatz.10 Diese wirtschaftlichen Probleme waren aber nicht der einzige Grund, warum immer mehr Amerikaner ihr Land und sich persönlich in der Krise sahen. Auch die weitverbreitete Überzeugung, dass Kriminalität und vor allem Gewaltverbrechen immer mehr überhandnahmen, und die daraus resultierende Furcht spielten hierbei eine Rolle.11 Vor allem aber wurde die Krisenwahrnehmung durch die Auseinandersetzung um tatsächliche und postulierte Phänomene verstärkt, die unter Schlagwörtern wie balkanization, multiculturalism oder rights consciousness zusammengefasst wurden. Insbesondere – aber keineswegs ausschließlich – Konservative beklagten die Zersplitterung der amerikanischen Gesellschaft in einander befehdende Interessensgruppen, den Verlust gemeinsamer Werte und das Pochen auf Sonderrechte durch eine wachsende Zahl organisierter Minderheiten. Überall taten sich Spaltungen auf; die Einheit der Nation als solche schien bedroht.12 Hintergrund dieser Befürchtungen war nicht zuletzt die Angst vor der Erosion einer europäisch dominierten Kultur, die »Why Is America in a Blue Funk?«, in: Time 30.12.1990. Siehe hierzu ausführlicher die Kap. II.2.3 und II.3.2. Paul Kennedy, The Rise and Fall of the Great Powers: Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000, London 1988. 8 Vgl. James T. Patterson, Restless Giant: The United States from Watergate to ›Bush v. Gore‹, New York u.a. 2005, 202f. 9 Vgl. »For Sale: America«, in: Time 14.09.1987. 10 Siehe hierzu und zu verschiedenen Erklärungsansätzen Patterson, Restless Giant, 247. 11 Vgl. etwa Time 23.08.1993 mit der Titelschlagzeile »America The Violent: Crime is spreading and patience is running out«. Tatsächlich sank die Verbrechensrate seit Beginn der 1990er Jahre wieder, blieb aber weiterhin auf einem hohen Niveau; vgl. Patterson, Restless Giant, 274; Beisel, »Looking for Enemies«, 10f. 12 Siehe z.B. Charles J. Sykes, A Nation of Victims: The Decay of the American Character, New York 1992; Arthur M. Schlesinger, Jr., The Disuniting of America, New York/London 1992; Robert Hughes, Culture of Complaint: The Fraying of America, New York/Oxford 1993; Time 18.05.1992 mit der Titelschlagzeile »The Two Americas: E Pluribus Unum?«. 5 6 7
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durch die demographische Entwicklung zunehmend in Frage gestellt wurde. Angesichts der großen Zahl von Einwanderern aus Lateinamerika und Asien wurde dem weißen Bevölkerungsteil für das nächste Jahrtausend selbst Minderheitenstatus prophezeit.13 Die Rufe nach neuen, restriktiven Einwanderungsbestimmungen und der entschlossenen Bekämpfung illegaler Immigration wurden lauter.14 Insbesondere heterosexuelle weiße Männer neigten bereits dazu, sich als von allen Seiten bedrohte Art zu sehen. In einer Kultur, in der Recht und Macht paradoxerweise untrennbar mit dem Status als Opfer verknüpft zu sein schienen, begannen sie, sich selbst als unterdrückte Gruppe zu stilisieren. Ein Phänomen breitete sich aus, das Newsweek als »white male paranoia« charakterisierte.15 Als Aufhänger für ihre Betrachtungen diente den Reportern des Magazins dabei einer der aufsehenerregendsten Filme jener Jahre: Falling Down (1993). Keine andere Produktion behandelte so offensiv die Probleme der USA als Krise weißer Männlichkeit und die daraus resultierende Frustration und Wut. Regisseur Joel Schumacher erklärte: »Movies reflect society, and there have been several movies in the US about anger in the street but they had all been by African-Americans. Well, they’re not the only angry people in the United States.«16 Der Film über den immer gewalttätiger werdenden Streifzug eines weißen Mannes durch Los Angeles und die Bemühungen eines ebenfalls weißen Polizisten, ihn zu stoppen, entzieht sich zugleich einer raschen Einordnung als rassistisch, reaktionär oder progressiv durch eine konsequente Strategie der Mehrdeutigkeit. Der Zuschauer kann sich über weite Strecken mit dem von Michael Douglas gespielten Amokläufer identifizieren, wenn dieser gegen die alltäglichen Ärgernisse der urbanen Gesellschaft aufbegehrt, und dabei die Befriedigung extremer Fantasien genießen. Andererseits ermöglicht nicht zuletzt die zweite, durchweg positive Hauptfigur schließlich die Distanzierung von den schlimmsten Exzessen.17 Ob der Film die Taten seines Protagonisten verherrlicht oder verurteilt, ist schwer zu entscheiden, weil er fast durchgehend beides tut – oder zumindest zu tun scheint. Zudem offeriert er sowohl gesellschaftliche Missstände als auch den Charakter von Douglas’ Figur als Erklärung für die verhängnisvolle Kettenreaktion, die er zeigt. Dementsprechend zwiespältig reagierte die Kritik: »It’s hard to know how to respond to Falling Down«, gestand Time.18 In der New York Times lobte Vincent Canby das Spiel mit den Zweideutigkeiten und sprach von »the most interesting, all-out commercial American film of the year to date, and one that will function much like a 13 »Beyond the Melting Pot«, in: Time 09.04.1990. 14 Vgl. z.B. die Umfragen in IIPO, 1993-1994, 201, und Rielly (Hg.), American Public Opinion and U.S. Foreign Policy 1995, 14f. Siehe zu dieser Thematik ausführlich Patterson, Restless Giant, 292-300. 15 »White Male Paranoia«, in: Newsweek 29.03.1993. 16 Zitiert nach Jude Davies, »Gender, Ethnicity and Cultural Crisis in Falling Down and Groundhog Day«, in: Screen 36:3 (1995), 214-32, hier: 214. 17 Eine Untersuchung zur Rezeption des Films und seiner verschiedenen Identifikationsangebote, allerdings bei britischen Zuschauern, hat John Gabriel vorgelegt: »What Do You Do When Minority Means You? Falling Down and the Construction of ›Whiteness‹ «, in: Screen 37:2 (1996), 129-51. 18 »Losing It All in L.A.«, in: Time 22.03.1993.
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Rorschach test to expose the secrets of those who watch it.«19 Caryn James dagegen verurteilte den manipulativen Stil und befand: »Hollywood may have voted for Bill Clinton, but ›Falling Down‹ masterfully exploits conservative sentiments.«20 Roger Ebert sah in dem Film »a reflection of the real feelings of a lot of people who […] fall back on easy scapegoating« und stellte ihm ein gutes Zeugnis aus.21 Newsweek dagegen kam zu dem Schluss, »[that] ›Falling Down‹ rants with forked tongue. While solemnly condemning racism and violence, it doesn’t miss an opportunity to play on the audience’s most paranoid instincts. […] Pandering to the Zeitgeist, it becomes part of the problem it pretends to address.«22 Die Meinungen mochten geteilt sein und das ›Sowohl-als-auch‹ des Films kritisiert werden, aber dass sein Thema ungemein zeitgemäß war, konnte kaum jemand bestreiten.23 An den Kinokassen spielte er fast 41 Millionen Dollar ein.24 Auf heftige Kritik stieß Falling Down vor allem in Los Angeles, dem Schauplatz seiner Handlung. Das Porträt der Westküstenmetropole als gewalttätiger Großstadtdschungel und die stereotype Darstellung ihrer Bewohner erregten allgemeinen Unmut.25 Die Sensibilität war hier besonders hoch, weil der Film zwangsläufig Erinnerungen an die Ereignisse weckte, die die Stadt ein Jahr zuvor erschüttert hatten: Im März 1992 waren vier weiße Polizisten mit einer Videokamera gefilmt worden, als sie den Schwarzen Rodney King bei seiner Verhaftung brutal misshandelten. Trotzdem hatte eine Jury, der nur zwei Schwarze angehörten, drei der Angeklagten im darauffolgenden Prozess für unschuldig befunden und bei dem Vierten keine Entscheidung erreicht. In L.A. waren daraufhin die schwersten Unruhen in einer amerikanischen Stadt seit den draft riots des Bürgerkriegs ausgebrochen, die vier Tage gedauert und 55 Tote gefordert hatten. 2.300 Menschen waren verletzt, 800 Gebäude niedergebrannt worden. Auch in anderen Städten wie Atlanta oder Chicago war es in der Folge zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen den Angehörigen verschiedener Ethnien gekommen.26 Obwohl Falling Down nicht von diesen Vorfällen inspiriert und die Dreharbeiten zu diesem Zeitpunkt bereits in vollem Gange gewesen waren, war die Assoziation bei seinem Kinostart unvermeidlich, zumal Douglas’ Charakter im Film seine erste Auseinandersetzung mit einem koreanischen Ladenbesitzer austrägt und asiatische Geschäftsinhaber während der Unruhen wegen ihres wirtschaftlichen Erfolges und ihres angeblichen Rassismus’ eine der Hauptzielscheiben der Aggression von Schwarzen und Latinos gewesen waren. Zudem mussten die Rassenun19 »Urban Horrors, All Too Familiar«, in: NYT 26.02.1993. 20 »Some Holes Don’t Come From Bullets«, in: NYT 07.03.1993. 21 »Falling Down« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19930226/ REVIEWS/302260301/1023 (10.06.2007). 22 »Revenge of a Supernerd«, in: Newsweek 01.03.1993. 23 Lediglich Hal Hinson attestierte, »[that] this time out, Douglas finds himself a little behind the cultural curve«; »Falling Down«, in: WP 26.02.1993. 24 Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1993/0FDOW.php (18.06.2007). Die Produktionskosten beliefen sich auf ca. 30 Millionen Dollar, vgl. »The Talk of Hollywood: A Movie of One Man’s Riot Exploding From the Inside Out«, in: NYT 09.06.1992. 25 Siehe dazu »Horror for Hollywood: Film Hits a Nerve With Its Grim View of Hometown«, in: NYT 29.03.1993. 26 Hierzu Patterson, Restless Giant, 244f.
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ruhen als extremer Ausdruck der oft behaupteten und im Film thematisierten ›Balkanisierung‹ der USA gesehen werden. Schumacher sah sich durch die negativen Reaktionen denn auch bestätigt: »Obviously, this movie struck a nerve. When you hit a nerve, people will scream.«27 Die Probleme seien aber keineswegs spezifisch für Los Angeles, sondern in den meisten Großstädten anzutreffen. Breits die erste Szene des Films zeigt im Bild eines Verkehrsstaus L.A. als Nebeneinander separierter Einheiten und als Kakophonie disharmonischer Stimmen. In einem der Autos sitzt die von Michael Douglas gespielte Hauptfigur, ein Weißer mittleren Alters mit angegrautem, einem militärisch anmutenden Bürstenschnitt unterworfenem Haar, Brille, kurzärmeligem weißem Hemd und Krawatte – ein Jedermann. Seine Name bleibt dem Zuschauer für den längsten Teil des Films unbekannt, identifiziert wird er durch sein personalisiertes Nummernschild: D-FENS. Der nach zunächst völliger Stille kontinuierlich anschwellende Lärm auf der Tonspur und die vergeblichen Versuche von D-FENS, sich in der Hitze Kühlung zu verschaffen, verdeutlichen seine wachsende Anspannung. Der Anblick eines kleinen Mädchens im Wagen vor ihm gibt ihm schließlich den entscheidenden Impuls: Er steigt aus, lässt sein Auto einfach stehen und zieht mit seinem Aktenkoffer in der Hand zu Fuß los. »I’m going home«, antwortet er auf die Frage eines anderen Fahrers, wo er hinwolle. Im selben Stau steht auch die zweite Hauptfigur des Films, Detective Prendergast (Robert Duvall), der von Beginn als D-FENS’ Spiegelbild inszeniert wird. Über den gesamten Film hinweg werden immer wieder Parallelen und Gegensätze zwischen diesen beiden etabliert. »He looked like you, except… he was taller and he had hair«, beschreibt eine Zeugin später D-FENS gegenüber Prendergast, der ebenfalls »a white guy in a white shirt and tie« ist. Offensichtlich ist es gerade diese Ähnlichkeit, die Prendergast befähigt, als Einziger aus den verschiedenen Hinweisen die richtige Geschichte zusammenzusetzen und die Spur des anderen aufzunehmen. Die Verbindungen beschränken sich aber nicht nur auf Äußerlichkeiten, sie erstrecken sich vielmehr auf die gesamte Lebenssituation der beiden Figuren. Während D-FENS etwa vor kurzem seinen Job verloren hat, steht Prendergast bereits mit einem Bein im Vorruhestand; es ist sein letzter Arbeitstag. Unterschiedlich ist jedoch ihr jeweiliger Umgang mit den Problemen, mit denen sie konfrontiert werden. Im Gegensatz zu DFENS ist Prendergast schwer aus der Ruhe zu bringen. Der Stress des Verkehrsstaus, der den einen die Nerven verlieren lässt, kann dem anderen nichts anhaben. Der Polizist ist so entspannt, dass er sich sogar über eine Werbetafel am Straßenrand amüsieren kann, die eine der Kernaussagen des Films formuliert. Es handelt sich um eine Anzeige für das Bräunungsmittel »Hawaiian Tropic«. Neben einer braunhäutigen Schönen im Bikini verkündet der Werbeslogan mehrdeutig: »White Is For Laundry.« Obwohl der unmittelbare Bezugsrahmen natürlich der Wunsch vieler Weißer ist, nicht so weiß zu sein, was eine eher antirassistische Stoßrichtung eröffnet, impliziert die verächtliche Ablehnung weißer Hautfarbe auch eine Drohung. Diese wird ergänzt und expliziter durch ein in Großaufnahme hervorgehobenes Graffito, mit dem jemand die Anzeige versehen hat: Aus dem Ausschnitt der Frau schauen Kopf und Arme eines Männchens, das in einer Sprechblase »Help!!« ruft. Die Werbetafel wird dadurch zum Hinweisschild für die zentrale Problematik des Films, die
27 Zitiert nach: »Horror for Hollywood«, in: NYT 29.03.1993.
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Krise weißer Männlichkeit angesichts der doppelten Herausforderung durch multiculturalism und Frauen. Tatsächlich haben Frauen entscheidenden Anteil an den persönlichen Schwierigkeiten sowohl von D-FENS als auch von Prendergast. Ersterer ist geschieden, und seine Frau Beth (Barbara Hershey) hat eine richterliche Verfügung gegen ihn erwirkt, die es ihm verbietet, sich ihr auf eine bestimmte Entfernung zu nähern. Als er ihr am Telefon seinen Entschluss verkündet, nach Hause zu kommen, um ihre gemeinsame Tochter Adele an ihrem Geburtstag zu sehen, lehnt Beth dieses Ansinnen vehement ab und erklärt: »This is my house now. I pay the rent. You don’t even pay child support.« Sie gibt ihm also zu verstehen, dass er seine Rechte als Vater quasi verloren hat, weil er die funktionale Stelle des Familienoberhauptes, des Ernährers, an seine Frau abgegeben hat. D-FENS ist nicht mehr der ›Mann im Haus‹ oder gar der Hausherr. Wie tief er gefallen ist, wird später deutlich, als der Zuschauer erfährt, dass er wieder bei seiner Mutter wohnt, also eine Regression vom Familienvater zum abhängigen Sohn durchgemacht hat. Obwohl im Konflikt zwischen D-FENS und Beth Unabhängigkeit eine wichtige Rolle spielt, lässt sich das Frauenproblem der weißen Männer in Falling Down nicht auf weibliche Emanzipation reduzieren. Wie schon das Bild des zwischen zwei riesigen Brüsten gefangenen Männchens auf der Werbetafel andeutet, droht die Gefahr auch aus anderer Richtung. Weibliche Dominanz kann nicht nur direkte Usurpation der männlichen Stellung bedeuten, sondern auch durch Feminisierung des Mannes erfolgen. So bringt beispielsweise der einige Jahre später entstandene Film Fight Club (1999) die Männlichkeitskrise mit einer pervertierten Konsumgesellschaft und dem verweichlichenden Einfluss von Frauen in Verbindung.28 Auf dieser Ebene liegt das Problem von Prendergast: Seine Frau (Tuesday Weld) fordert nicht seinen Status als Ernährer heraus und im Gegensatz zu Beth plant sie auch nicht, ihren Mann aus seinem eigenen Haus auszuschließen. Stattdessen hätte sie ihn am liebsten die ganze Zeit bei sich zuhause. Ihre eigene Midlifecrisis verbindet sich mit der durch eine zurückliegende Verwundung Prendergasts ausgelösten Sorge um sein Leben zu einer hysterischen Gluckenhaftigkeit. Nachdem er schon den Dienst auf der Straße gegen einen Schreibtischjob eingetauscht hat, will Prendergast ihr zuliebe nun vorzeitig in den Ruhestand gehen und mit ihr an einen See in Arizona umsiedeln, der ihn selbst in keiner Weise anzieht. Sogar an seinem letzten Arbeitstag terrorisiert sie ihn geradezu mit weinerlichen Anrufen und der Forderung, bald nach Hause zu kommen – eine direkte Spiegelung von D-FENS’ Anrufen bei Beth. Dass das durch seine Frau erzwungene Verhalten eine Entmännlichung Prendergasts darstellt, wird an seinen Kollegen deutlich, die ihn überwiegend als Feigling und Pantoffelhelden betrachten, der für richtige Polizeiarbeit ungeeignet ist. Sogar seine ehemalige Partnerin Sandra (Rachel Ticotin), die ihm freundschaftlich verbunden ist, missbilligt offen die Art, wie er sich von den Wünschen und Bedürfnissen seiner Frau dominieren lässt. Dank seiner Erfahrung im Umgang mit diesem Frauentyp weiß er aber immerhin, wie die Mutter von D-FENS anzupacken ist, die Mrs. Prendergast ähnelt und etwa deren Vorliebe 28 Ähnlich wie bei Falling Down kann man auch hier urteilen, dass der Film Teil des Problems wird, dass er kritisiert. In diesem Sinne argumentieren z.B. Henry A. Giroux/Imre Szeman, »Ikea Boy Fights Back: Fight Club, Consumerism, and the Political Limits of Nineties Cinema«, in: Lewis (Hg.), End of Cinema, 95-104.
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für Kitsch teilt. Auch D-FENS’ Frauenprobleme beschränken sich offenbar nicht auf die unabhängige Beth. »He blames me«, verrät seine Mutter den Polizisten, ohne dies allerdings genauer zu erläutern. Das gestörte Verhältnis beider Männer zu den Frauen ihrer Familien steht in direktem Zusammenhang mit einem weiteren zentralen Aspekt der im Film dargestellten Krise, nämlich der Reproduktion weißer Männlichkeit. Selbst wenn man Richard Dyers Verdacht nicht teilen will, dass Falling Down die Sorge zugrunde liege, »that white sex is queer sex«, bleibt seine Analyse korrekt, dass der bedrohte Status weißer Männlichkeit hier mit der Perspektive eines regelrechten Aussterbens einhergeht.29 Sowohl D-FENS als auch Prendergast haben keine Söhne gezeugt, sondern ›nur‹ Töchter, und selbst diese Kinder haben sie verloren: Prendergasts Tochter ist im Alter von nur zwei Jahren gestorben; D-FENS’ Zugang zu Adele wird durch Beth blockiert. Sein Entschluss, sie gegen den Willen seiner Ex-Frau an ihrem Geburtstag zu besuchen und damit seine Vaterrolle zurückzuerobern, ist somit auch ein Aufstand gegen den drohenden Tod der ›Weißheit‹. Sein zerstörerischer Fußmarsch durch L.A. zu dem Häuschen in Venice verstärkt allerdings eine weitere Krise, die der Sichtbarkeit. Wie Richard Dyer erklärt, ist die hegemoniale Stellung von ›Weißheit‹ in der westlich-europäischen Kultur untrennbar mit ihrer Definition als Normalzustand verknüpft: »As long as race is something only applied to non-white peoples, as long as white people are not racially seen and named, they/we function as a human norm. Other people are raced, we are just people.«30 D-FENS’ Amoklauf stellt diese Gewöhnlichkeit in Frage. Die Spur der Verwüstung, die er hinter sich herzieht, beendet die Unsichtbarkeit von ›Weißheit‹ als Kategorie. Der »white guy in a white shirt and tie« wird speziell als solcher identifiziert. Das eigentlich Normale wird zum herausstechenden Merkmal, auch wenn nur Prendergast erkennt, dass es sich jeweils um ein und denselben Mann handelt. Diese Sichtbarkeit ist freilich ein Symptom der tieferliegenden, elementaren Krise, die die zentrale Position des weißen Mannes in Frage stellt und ihn zum Opfer macht – oder ihn auf der Suche nach einer neuen Identität nach dem Opferstatus streben lässt.31 Sie folgt aus der ›Balkanisierung‹ Amerikas, bei der jeder sein eigenes kleines Reich beansprucht und der weiße Mann aus der Mittelschicht überall ausgeschlossen wird. D-FENS’ Odyssee führt ihn von einem Ort, an dem er unwillkommen ist, zum nächsten, und immer wieder drehen sich seine Auseinandersetzungen mit anderen um das Recht, sich irgendwo aufhalten zu dürfen. Schon der Konflikt mit dem koreanischen Ladenbesitzer eskaliert, als dieser versucht, ihn hinauszuwerfen. Noch wesentlich deutlicher ist selbstverständlich die Szene mit den beiden Latinos, die ihn wenig später zur Rede stellen, als er auf einem kleinen Grashügel sitzt. D-FENS erkennt das prinzipielle Problem in diesem Fall schnell: »This is a gangland thing, isn’t it? We’re having a… a territorial dispute, hm? I mean, ahem, I wandered into your pissing ground, or whatever the damn’ thing is, and you’ve taken offense of my presence. I can understand that. I mean, I wouldn’t want you people in my backyard either. 29 Richard Dyer, White, London/New York 1997, 217-21, Zitat ebenda, 220. 30 Ebenda, 1. 31 Vgl. dazu auch Liam Kennedy, »Alien Nation: White Male Paranoia and Imperial Culture in the United States«, in: JAS 30:1 (1996), 87-100, v.a. 88-90.
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This is your home and… and your home is your home and I respect that. So if you would just back up a step or two, I’ll take my problems elsewhere. Okay?«
Die Gangmitglieder geben sich mit diesem Vorschlag, der ihre Ansprüche auf ein öffentliches Stück Land sogar anerkennt, aber nicht zufrieden. Sie fordern Wegzoll für die Verletzung ihres Territoriums und beschwören damit einen weiteren Gewaltausbruch herauf. Diese ersten beiden Konfrontationen sind von besonderer Schärfe, weil sie entlang ›rassischer‹ und kultureller Trennlinien verlaufen. D-FENS sieht sich im angeblich freien Amerika den inakzeptablen Ansprüchen nichtweißer Gruppen gegenüber, die diese nicht einmal angemessen, also nach den Spielregeln weißer Amerikaner, formulieren. Der Koreaner hat Schwierigkeiten mit der Aussprache, die Latinos markieren ihr Gebiet mit unverständlichen Graffiti und machen D-FENS dafür verantwortlich, sie nicht interpretieren zu können. »You come to my country, you take my money, you don’t even have the grace to learn how to speak my language?«, fragt DFENS den einen und erklärt den anderen: »Maybe you wrote it in English, I could fucking understand it.« Aber auch andere Weiße beanspruchen die Kontrolle über Territorium, und zwar Arme und Reiche gleichermaßen. Als D-FENS sich weigert, einem Obdachlosen Geld zu geben, beschimpft ihn dieser: »This is my park, I live here. Who the fuck are you, walking through my park carrying two bags?« Der Golfplatz und die Villa des Schönheitschirurgen sind dagegen das Gebiet der Oberschicht, deren Errichtung eines eigenen Reiches mit riesigen Grünflächen mitten in der Stadt und stacheldrahtbewehrten Mauern als besonders extrem erscheint. Äußerst problematisch wird dieser allgemeine Separatismus dadurch, dass am Ende von D-FENS’ Reise keine eigener Rückzugsraum auf ihn wartet. Er hat kein Zuhause mehr, keinen eigenen »backyard«, den er anderen verweigern könnte. Das Haus, zu dem er die ganze Zeit unterwegs ist, ist jetzt Beths, wie sie nicht zu betonen vergisst. Lediglich das spartanische Zimmer bei seiner Mutter würde ihm allein zur Verfügung stehen – ein kümmerliches Reich für die männliche weiße Mittelschicht. Um Prendergast ist es in dieser Hinsicht nur wenig besser bestellt. Die ›Balkanisierung‹ zeigt sich auch in seinem Umfeld, wenn zwei seiner Kollegen – auffälligerweise ein Latino und eine schwarze Frau – ihn nicht in ›ihrem‹ Verhörraum und als Helfer bei ihrer Ermittlung haben wollen; und in dem Heim, das auf ihn wartet, bestimmt eher seine Frau als er selbst. D-FENS’ Status und seine Identität sind aber nicht nur durch den Verlust von Familie und Zuhause bedroht, sondern vor allem durch den seiner Aufgabe: die Verteidigung der Vereinigten Staaten gegen den äußeren Feind, das kommunistische ›Reich des Bösen‹. Dieser Aspekt ist in der Forschung zu Falling Down bislang vernachlässigt worden. Die Gender- und Rassenkonstruktionen des Films wurden zwar mehrfach ausführlich analysiert, diese Arbeiten gehen aber nicht näher darauf ein, dass das Phänomen der white male paranoia hier mit dem Ende des Kalten Krieges in Verbindung gebracht wird. Insgesamt wird übersehen, welche zentrale Rolle Falling Down dem Militär und der Verteidigung für die männliche weiße Identität zumisst.32 32 Vgl. außer den bereits zitierten Untersuchungen auch Sharon Willis, High Contrast: Race and Gender in Contemporary Hollywood, Durham/London 1997, 13-9; Murray Pratt,
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Dies ist einigermaßen erstaunlich, da ja bereits die Identifizierung des Protagonisten über sein Nummernschild als D-FENS einen deutlichen Hinweis hierauf liefert. Seine Arbeit als Ingenieur in der Rüstungsindustrie, auf die diese Abkürzung anspielt, wurde anscheinend für nebensächlich erachtet, was sie aber eindeutig nicht ist. Dass D-FENS sich dieses Nummernschild gewählt hat, spricht für eine ausgesprochen starke Identifikation mit seinem Beruf. Und wenn der Abspann diese Figur als »D-Fens« aufführt, obwohl ihr richtiger Name – Bill Foster – im Verlauf des Films genannt wurde,33 verweist dies darauf, dass sie zumindest auf einer Bedeutungsebene auch für den Verteidigungsapparat der USA und dessen Krise nach dem Zusammenbruch der UdSSR steht. Der Zusammenhang von weißer Männlichkeit und (Kaltem) Krieg ist in Falling Down allgegenwärtig. Bereits in der Szene mit dem koreanischen Ladenbesitzer enthält der Dialog einige Anspielungen. So fragt D-FENS, nachdem er erfahren hat, dass er es mit einem Koreaner zu tun hat: »Do you have any idea how much money my country has given your country?« Zwar kann er die Summe auf Nachfrage selbst nicht beziffern, beharrt aber darauf, dass es eine Menge sein müsse. Er fordert damit – vergeblich – koreanische Dankbarkeit für die amerikanische Unterstützung ein, eine Unterstützung, die historisch im Kontext des Kalten Krieges gesehen werden muss. Das Jahr 1965, zu dem er die Preise zurückdrehen zu wollen erklärt, als er den Laden später mit einem Baseballschläger verwüstet, ist dagegen mit dem amerikanischen Engagement in Vietnam verknüpft und weist somit gleichfalls Bezüge zu Amerikas Rolle als Kämpfer gegen den Kommunismus in Asien auf. Immer wieder konstruieren weiße Männer in diesem Film ihre Identität über eine Verbindung zum Militärischen. Im Fall des Neonazis Nick (Frederic Forrest), der einen Militaria-Laden betreibt, ist dies nicht zu übersehen und auch zu erwarten. Beachtenswert ist aber der Obdachlose im Park, der D-FENS’ Mitgefühl zu erwecken sucht, indem er behauptet ein Veteran zu sein, erst des Vietnamkrieges, dann, als DFENS ihm das nicht abnimmt, des Krieges am Golf. Dieser zum Zeitpunkt der Dreharbeiten kaum ein Jahr zurückliegende Konflikt taucht in einer anderen Szene noch einmal auf: Im Büro von Captain Yardley, einem betont machohaften Charakter, der gerade am Sandsack trainiert, als Prendergast zu ihm kommt, hängt an einer Wand eine Karte der Golfregion. Die größte Rolle spielt Krieg für das Männerbild aber augenscheinlich im Hause Foster. Als Prendergast und Sandra D-FENS’ Mutter besuchen, schwenkt die Kamera im Wohnzimmer über ein Stück Wand und einen Tisch. Zu sehen sind eine gerahmte Sammlung von Orden, eine Urkunde über die Verleihung des Purple Heart an William Foster und zahlreiche Schwarzweißfotos eines Mannes in Uniform, teils allein, teils in Gruppenbildern mit Kameraden. Offensichtlich handelt es sich um eine Art Schrein für D-FENS’ verstorbenen Vater, einen dekorierten Veteranen des Zweiten Weltkrieges. Diese nur wenige Sekunden dauernde Einstellung macht einen großen Unterschied zwischen Bill Foster Senior und Junior deutlich: Während der Sohn » › Under Construction‹: Masculine Norms and Family Values in Falling Down«, in: Thamyris 2:1 (1995), 89-114; Carol Clover, »White Noise«, in: Sight and Sound May 1993, 69; Jude Davies, »› I’m the Bad Guy?‹ Falling Down and White Masculinity in 1990s Hollywood«, in: Journal of Gender Studies 4:2 (1995), 145-52. 33 Auch seine Mutter wird nicht etwa als Mrs. Foster, sondern als »D-Fens’ Mother« gelistet.
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von seiner Frau verlassen worden ist und sein Haus nicht mehr betreten darf, wird der Vater noch über den Tod hinaus in Ehren gehalten. Dass kein einziges der Bilder Letzteren in Zivil zeigt, ist in diesem Zusammenhang ebenso vielsagend wie die Tatsache, dass das Ensemble durch ein Miniaturbrautpaar ergänzt wird, das vermutlich einmal die Hochzeitstorte geschmückt hat. Die Gedenkwand für D-FENS’ Vater demonstriert somit den engen Zusammenhang von Militär, männlicher Identität und Stellung in der Familie, wobei Letztere hier wie so oft als stellvertretend für die Nation gesehen werden kann. Dass hier das eigentliche Problem von D-FENS liegt, wird in der folgenden Szene klar, die nach seinem Namen nun auch seinen persönlichen Hintergrund aufdeckt. Ihr Sohn mache dasselbe wie immer, erklärt Mutter Foster den Polizisten: »He’s building important things to protect us from the Communists.« Dass dies mittlerweile nicht mehr nötig ist, ist ihr anscheinend entgangen; anderen aber nicht, denn wie ein Anruf bei der Rüstungsfirma Notec ergibt, ist D-FENS vor über einem Monat entlassen worden. »I lost my job«, erzählt er wenig später niedergeschlagen der Hausmeisterfamilie, die er in der Villa des Schönheitschirurgen beim Grillen überrascht. »Actually, I didn’t lose it. It lost me. I’m overeducated, underskilled. Maybe it’s the other way around, I forget. And I’m obsolete. I’m not economically viable. I can’t even support my own kid.« Dies ist nicht die Geschichte irgendeines Arbeitslosen, sondern eines Verlierers des Endes des Kalten Krieges. Ein Foto in seinem Schreibtisch, das ihn in glücklicheren Tagen mit Beth und der kleinen Adele zeigt, ist auf das Jahr 1988 datiert, also kurz vor dem Zusammenbruch des Ostblocks. »Did you know that I build missiles?«, fragt er Prendergast, als sie sich schließlich gegenüberstehen. »I helped to protect America. You should be rewarded for that. Instead, they give it to the plastic surgeon.« Obwohl Beth ihren Mann offensichtlich schon verlassen haben muss, bevor er arbeitslos geworden ist, stellt Falling Down unzweifelhaft einen Zusammenhang zwischen der Familienmisere und dem Verlust seines Jobs her. D-FENS’ Frustration speist sich in jedem Fall in entscheidendem Maß aus dem Gefühl, dass er für sein Land einen wichtigen Dienst erfüllt hat und ihm nun die rechtmäßige Belohnung vorenthalten wird. Schlimmer noch, er wird um die Möglichkeit gebracht, seine Rolle als Vater zu erfüllen. Statt einer peace dividend erwartet ihn der soziale Abstieg. Und das Amerika, das er auf seiner Wanderung durch Los Angeles vorfindet, ist nicht das, das er zu verteidigen geglaubt hat, sondern ein Flickenteppich der Sonderinteressen, in dem für ihn kein Platz mehr ist. Das Problem der Arbeitslosigkeit durch Einschnitte bei den Verteidigungsausgaben war zu dieser Zeit überaus real. Während der Administration von George Bush verloren knapp eine Million Menschen im Verteidigungssektor ihre Stelle, der weitaus größte Teil davon, etwa 700.000, in der Rüstungsindustrie, die dank Reagans großzügiger Politik in den 1980ern einen enormen Boom erlebt und 1,6 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen hatte.34 Kalifornien war als ein Zentrum der militärischen Luftfahrtindustrie besonders stark von diesen Entwicklungen betroffen, die 34 Vgl. John E. Ullmann, »Defense Cuts, Base Closings, and Conversion: Slow Reaction and Missed Opportunities«, in: Meena Bose/Rosanna Perotti (Hg.), From Cold War to New World Order: The Foreign Policy of George H. W. Bush (Contributions in Political Science, Nr. 393), Westport/London 2002, 407-19, hier: 407f.
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auch bei den Rassenunruhen 1992 eine Rolle spielten.35 Am 13. März 1993, wenige Wochen nach dem Kinostart von Falling Down, verkündete Präsident Clinton in einer Radioansprache einen Plan, um die Versäumnisse der Bush-Regierung bei der »defense conversion« wettzumachen und den Arbeitslosen zu helfen. Beinahe wie ein Echo von D-FENS’ Klagen im Film erklärte er: »These Americans won the cold war. We must not leave them out in the cold.«36 Im Film gibt es für Michael Douglas’ Figur freilich keine Hilfe und keine Anerkennung. Am Ende steht für ihn in der Konfrontation mit Prendergast vielmehr eine überraschende Erkenntnis: D-FENS: »I’m the bad guy?« PPRENDEGAST: »Yeah.« D-FENS: »How did that happen?«
Prendergasts knappe Feststellung vermittelt eine Klarheit, die Falling Down aber zumindest über weite Strecken nicht hat. Für den Zuschauer stellt sich nicht nur die Frage, wie es zu D-FENS’ Absturz kommen konnte, sondern auch, ob er tatsächlich der Schurke des Films ist. Dessen Macher betonten vor allem in Reaktion auf die teils heftige Kritik, dass sie ein Statement gegen Gewalt und Rassismus abgeliefert hätten. Joel Schumacher äußerte in diesem Zusammenhang auch, »that the Douglas character is the film’s villain.«37 Vor der Veröffentlichung hatte er allerdings abwägender erklärt: »This is not a bad guy. But he’s had it. He’s part of the vanishing middle class; it’s about the people who used to be the strength of this country, the people who played by the rules and feel abandoned. There aren’t a lot of programs or help or sympathy for these people, and they’re very, very angry.«38 Von Drehbuchautor Ebbe Roe Smith war Ähnliches zu hören: »This is Joe Normal, a guy who bought the American dream, and it’s blown up in his face.«39 Die Repräsentativität von D-FENS gehörte auch zur Vermarktungsstrategie des Films, den ein Werbeslogan als »the adventures of an ordinary man at war with the everyday world« zusammenfasste.40 Diese Gewöhnlichkeit wird allerdings dadurch in Frage gestellt, dass grundsätzliche psychische oder charakterliche Probleme der Figur angedeutet werden, die offenbar noch vor den Verlust von Arbeitsplatz und Familie zurückreichen: Eine Videoaufnahme von Adeles erstem Geburtstag zeigt DFENS schon zu diesem Zeitpunkt als jähzornig und aggressiv. Darauf gründet sich 35 Vgl. Patterson, Restless Giant, 245; »Dismantling the War Machine: America’s cold war victory is just beginning to take a heavy toll on jobs in the defense industry«, in: Time 03.02.1992. 36 William J. Clinton, »The President’s Radio Address, March 13th, 1993«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=46332 (11.09.2007). Clinton nannte in dieser Ansprache deutlich niedrigere Zahlen als die bei Ullmann angegebenen und bezifferte die Arbeitsplatzverluste in der Rüstungsindustrie auf 440.000. 37 Zitiert nach »Horror for Hollywood«, in: NYT 29.03.1993. Siehe auch Kennedy, »Alien Nation«, 91f. 38 Zitiert nach »The Talk of Hollywood«, in: NYT 09.06.1992. 39 Zitiert nach ebenda. 40 Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0106856/taglines (23.01.2008).
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wohl auch die Angst von Beth und seiner Mutter. Andererseits muss seine Ex-Frau zugeben, dass er nie gewalttätig geworden ist. Und es fällt auf, dass D-FENS bis zum Schluss nie zu Gewalt greift, ohne zuvor in irgendeiner Weise provoziert worden zu sein. Wenn seine Ausbrüche sich auch immer weiter von der Selbstverteidigung gegenüber den Gangmitgliedern entfernen, sind sie doch nie wahllos oder dezidiert offensiv. Vor allem zu Beginn folgen sie erst auf längere Wortgefechte, in denen er oft vernünftiger auftritt als sein Gegenüber. Sein Porträt bleibt also zwiespältig und lässt sich auch im Rückblick nicht auf das eines Psychopathen reduzieren. Würde sein Vorgehen nicht in irgendeiner Weise als gerechtfertigt erscheinen, wäre es auch kaum zu erklären, dass das Kinopublikum seine Aktionen teilweise mit Szenenapplaus bedachte.41 Zentral für die zwiespältige Konstruktion von D-FENS ist zweifellos die Szene im Militaria-Laden des Neonazis. Hier wird er mit dem amerikanischen Feindbild schlechthin konfrontiert und damit zugleich mit der unangenehmen Möglichkeit, sich selbst darin wiederzuerkennen. Tatsächlich ist der Neonazi der Einzige, der D-FENS helfen will und ihn sogar in seinen privaten Bereich einlädt, und zwar weil er in ihm einen verwandten Geist erkennt. »I’m your friend«, versichert er D-FENS: »I’m with you. We’re the same, you and me. We’re the same. Don’t you see?« D-FENS weigert sich jedoch, sich mit einem homophoben, misogynen Rassisten zu identifizieren, der Nazi-Andenken, einschließlich gebrauchter Zyklon B-Behälter, sammelt und dem bei seinen Hasstiraden gut sichtbar der Geifer aus dem Mund spritzt. »We are not the same«, erklärt er daher entschieden: »I’m an American. You’re a sick asshole.« Damit macht er sich den Neonazi zum Feind und löst eine Konfrontation aus, die mit dessen Tod endet. Die Erschießung des anderen kann dabei selbstverständlich als Versuch interpretiert werden, eine inakzeptable Seite des eigenen Selbst zu negieren, worin ja eine wesentliche Funktion von Feindbildern besteht, zumal beide im Moment der tödlichen Schüsse tatsächlich in einen Spiegel schauen, der dabei zerstört wird. Wer nicht so weit denkt, für den ist, wie für D-FENS, in dieser Szene die Welt in Ordnung: Der arbeitslose Verteidiger der USA hat endlich wieder die Möglichkeit, gegen einen eindeutig als böse identifizierten Feind für amerikanische Werte wie Redefreiheit und Pluralismus einzutreten. Gegen einen solchen Feind sind auch die extremsten Mittel erlaubt: Der Neonazi ist auffälligerweise die einzige Figur, die von D-FENS getötet wird.42 Aber obwohl die Tötung des Neonazis weitgehend legitimiert scheint, überschreitet D-FENS damit den »point of no return«, wie er selber erkennt. Die Szene bringt keine Wende zum Guten, im Gegenteil, D-FENS nähert sich dem toten Feind danach sogar stärker an: Er akzeptiert nun die ihm von diesem zugeschriebene Rolle des Vigilanten und zieht in den urbanen Krieg, ausgestattet mit dem zunächst verschmähten Raketenwerfer und schwarzer Militärkleidung. In dem Telefonat, das er aus dem Büro des Neonazis führt, bedroht er Beth erstmals. Damit rückt er tatsächlich in die Rolle des Bösewichts, vor allem weil er nun in einen konsequenten Gegensatz zu Prendergast gerät. Während Letzterer »a white guy in a white shirt« bleibt, übernimmt DFENS den Part des schwarzgekleideten Schurken. Dass sich dieser Wandel vollzieht, 41 Vgl. »Horror for Hollywood«, in: NYT 29.03.1993. 42 Die Herzattacke des alten Golfers wird zwar in gewisser Weise auch durch ihn ausgelöst, ist aber deutlich anders zu bewerten als ein absichtlicher Mord.
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nachdem er die Figur eliminiert hat, die einem echten Feind am nächsten kommt, ist kein Zufall. Er beraubt sich damit selbst des ›Anderen‹, gegen den er sich positiv abgrenzen kann. Der Tod des Neonazis bedeutet für ihn letztendlich das Gleiche wie der Zusammenbruch der Sowjetunion. D-FENS’ Versuch einer »regeneration through violence« schlägt also fehl. Erfolgreich ist das Prinzip aber bei Prendergast. Dieser verkörpert in gewisser Weise einen neuen Männertyp, »one that is sensitive, generous, caring, and, perhaps most importantly, capable of change«, wie Susan Jeffords dieses neue Modell der frühen 1990er Jahre beschrieben hat.43 Im Gegensatz zu D-FENS ist Prendergast gelassen und einfühlsam und vermag auf Widrigkeiten mit Humor zu reagieren. Trotz der Probleme, die sie ihm bereitet, pflegt er ein liebevolles Verhältnis zu seiner Frau. Seine Freundschaft mit Sandra, einer deutlich jüngeren Latina-Kollegin, demonstriert außerdem seine vorbildliche Freiheit von Vorurteilen. Gegenüber dem zwiespältig porträtierten D-FENS erscheint er von Anfang bis Schluss als moralisch einwandfreie Figur.44 Seine Sensibilität und Rücksichtnahme geht zu Beginn aber zu weit, denn sie stellt seine Männlichkeit in Frage. Erst bei der Jagd auf D-FENS kann er sich beweisen und dabei auch seine männlichen Seiten wiederentdecken. Wenn er den jungen Kollegen, der ihn immer wieder verspottet hat, schließlich niederschlägt, ist das deutlicher Ausdruck einer als heilsam präsentierten Veränderung. Da er dabei die Ehre seiner Frau verteidigt, handelt es sich nicht um eine egozentrische Gewalttätigkeit wie bei D-FENS. Prendergast liebt seine Frau, schafft es aber nun – in der Darstellung des Films: endlich – auch, sich gegen sie zu behaupten und sogar die dominante Position in ihrer Beziehung zurückzugewinnen. Zu guter Letzt beweist er Captain Yardley mit seinem »fuck you«, dass er auch nach dessen Definition – »Real men curse.« – ein richtiger Mann ist. D-FENS’ Amoklauf ermöglicht also zumindest einer der beiden Hauptfiguren eine »regeneration through violence«. In der finalen Konfrontation erkennt dieser seine Rolle als Bösewicht für Prendergast schließlich an und fordert ihn zu einem dem Mythos gerecht werdenden Duell auf: »It’s perfect. Showdown between the sheriff and the bad guy? It’s beautiful.« Die Tragik der in Falling Down behandelten Krise weißer Männlichkeit liegt nicht zuletzt darin, dass sie eine Situation darstellt, in der ein weißer Mann die so dringend benötigte Funktion des bösen Feindes für den anderen übernehmen muss. Des äußeren Feindbildes beraubt, wird D-FENS selbst zum ›Anderen‹ für den Ver43 Susan Jeffords, »The Big Switch: Hollywood Masculinity in the Nineties«, in: Jim Collins u.a. (Hg.), Film Theory Goes to the Movies, New York/London 1993, 196-208, hier: 197. Vgl. auch ihren anderen Aufsatz zu diesem Thema »Can Masculinity be Terminated?«, in: Steven Cohan/Ina Rae Hark (Hg.), Screening the Male: Exploring Masculinities in Hollywood Cinema, London/New York 1993, 245-62. 44 Dieser Unterschied zeigt sich beispielsweise auch in der vorbildlichen beziehungsweise mangelnden Kontrolle ihrer Waffen, die, wie Tim Jon Semmerling anhand von Black Sunday (1976) gezeigt hat, ein wichtiges Merkmal des Helden und seiner unzivilisierten, unmoralischen Gegenspieler in der Tradition der frontier ist: Während D-FENS nur in der Auseinandersetzung mit den Latinos eindeutig überlegen in der Handhabung der Waffen ist und mehrfach aus Versehen Schüsse auslöst, zieht Prendergast seine Pistole nur einmal und streckt D-FENS dann mit einem einzigen, gezielten Schuss nieder. Vgl. Tim Jon Semmerling, »Evil« Arabs in American Popular Film: Orientalist Fear, Austin 2006, 117-21.
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teidiger des Inneren, den Polizisten Prendergast. An diesem Film lässt sich somit beobachten, dass das amerikanische Stimmungstief zu Beginn der 1990er Jahre und damit verbundene Phänomene wie white male paranoia im Zusammenhang mit dem Ende des Kalten Krieges und dessen Auswirkungen gesehen werden müssen. Der Wegfall der äußeren Bedrohung hatte Folgen, die sich nicht darauf beschränkten, durch Einschnitte bei den Verteidigungsausgaben zur Rezession beizutragen. Die USA waren außerdem gezwungen, den Verlust eines ›engen Feindes‹ zu verarbeiten.45 Wenn man sich vor Augen hält, wie stark das Feindbild Sowjetunion noch wenige Jahre zuvor dazu benutzt worden war, die amerikanische Identität zu definieren, liegt es auf der Hand, dass der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa zu tiefgreifender Verwirrung und zu Spannungen in den Vereinigten Staaten führen musste. Ohne eine konsensstiftende äußere Bedrohung war es geradezu zwangsläufig, dass sich innergesellschaftliche Konflikte verschärften. Der Blick richtete sich nun auf das eigene Land und damit auf kulturelle und soziale Problemfelder, in denen man leicht ›Andere‹ fand, gegen die man sich abgrenzen konnte. Wenn Falling Down L.A. in Bild und Ton als Kriegszone porträtiert, versinnbildlicht dies nicht nur die Großstadt als Dschungel, als Dritte Welt innerhalb der Ersten, sondern auch die USA insgesamt als Schlachtfeld in jenen Auseinandersetzungen, die als culture wars bezeichnet werden.46 In diesen Kämpfen, die sich entlang politischer Überzeugungen und moralischer, oft auch religiöser, Wertvorstellungen entzündeten, ging es sowohl um einzelne Streitfragen wie die Legitimität von Abtreibungen als auch um komplexe Phänomene wie die oft beschworene Gefahr der ›Balkanisierung‹. Diese machten Konservative und einige Liberale nicht zuletzt an den amerikanischen Universitäten aus, die, so die Kritik, von einer linken Elite dominiert würden, die versuche, ihre zersetzende Ideologie des multiculturalism durchzusetzen. Die freie Meinungsäußerung als heiliges Gut der amerikanischen Verfassung würde dabei immer stärker durch eine intolerante political correctness beschnitten.47 »Thought Police«, titelte Newsweek in seiner Weihnachtsausgabe 1990 mit einer vielsagenden Anspielung auf George Orwells Roman 1984.48 Präsident Bush schloss sich diesem Feldzug mit einer Rede an der Universität von Michigan im Mai 1991 an.49 Interessanterweise erklärte auch Joel
45 Vgl. zu diesem Ausdruck Jan Øberg, »Coping with the Loss of a Close Enemy: Perestroika as a Challenge to the West«, in: Bulletin of Peace Proposals 21:3 (1990), 287-98. 46 Zu den culture wars allgemein siehe James Davison Hunter, Culture Wars: The Struggle to Define America, New York 61993; Patterson, Restless Giant, 245-91. 47 Siehe hierzu aus konservativer Perspektive Allan Bloom, The Closing of the American Mind: How Higher Education Has Failed Democracy and Impoverished the Souls of Today’s Students, New York 1987; Dinesh D’Souza, Illiberal Education: The Politics of Race and Sex on Campus, New York u.a. 1991, und die um Objektivität bemühte linksliberale Antwort von John K. Wilson, The Myth of Political Correctness: The Conservative Attack on Higher Education, Durham/London 1995. 48 Newsweek 24.12.1990, siehe dort auch den Artikel »Taking Offense«. George Orwell, 1984, London 1949. 49 George Bush, »Remarks at the University of Michigan Commencement Ceremony in Ann Arbor, May 4th, 1991«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19546 (12.01.2008).
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Schumacher über Falling Down: »It’s not a politically correct movie.«50 Die Linke ihrerseits verteidigte sich mit Verweisen auf die wesentlich mächtigere »conservative correctness«.51 Ein weiteres zentrales Schlachtfeld war der gesamte Bereich der Kunst. Hier wurde nicht zuletzt auch mit Filmen und um Filme heftig gekämpft. Es ging um Themen wie Gewaltdarstellungen und Sexualmoral, aber auch um Geschichtsbilder und natürlich wieder um Redefreiheit, die diesmal von liberaler Seite vehement eingefordert wurde.52 Konservative Kritiker wie Michael Medved und Richard Grenier attackierten ein ihrer Meinung nach eindeutig linkslastiges und den amerikanischen Geist vergiftendes Hollywood.53 Die 1930er bis 1950er Jahre wurden als strahlendes Gegenbild zur verderbten Gegenwart beschworen, als Goldenes Zeitalter patriotischen, familienfreundlichen Wertekinos. In der Liste der ›100 besten konservativen Filme‹, die die National Review im Oktober 1994 veröffentlichte, dominierten denn auch Produktionen aus dieser Zeit. Der Titel des »Best Picture Indicting the Sixties Counterculture« ging allerdings an einen zeitgenössischen Film, Robert Zemeckis’ Forrest Gump (1994), der in der Tat auf ebenso herzerwärmende wie unzweifelhafte Weise die Botschaft vermittelt, dass die 1960er Jahre mit Frauen-, Bürgerrechts- und Friedensbewegung der Anfang allen Übels in Amerika gewesen seien, weshalb die Geschichte der Korrektur durch einen rechtschaffen-naiven weißen Mann bedürfe.54 Konservative Politiker benutzten den Film folgerichtig, um diese Argumentation zu verkaufen. Jennifer Hyland Wang bemerkt dazu: »For years, Communism shaped the contours of our national identity. Forrest Gump helped conservatives formulate another opponent; ‘60s liberals have become our mythic moral counterweights.«55 Wenn man einen Zusammenhang zwischen den culture wars und dem Ende des Kalten Krieges herstellt, muss man natürlich beachten, dass diese kulturellen und sozialen Auseinandersetzungen nicht erst in den späten 1980er Jahren begannen. Vielmehr verweist schon das konservative Feindbild auf die Ursprünge in den 1960ern. Seit jener Zeit waren Werte sowie die Stellung von Frauen und Minderheiten permanent umstritten gewesen. In einer modernen, multikulturellen Nation war dies auch kaum überraschend.56 Allerdings kommt man nicht umhin, festzustellen, dass sich die Konflikte und der Ton, in dem sie ausgetragen wurden, just in dem Moment erheblich verschärften, als der Ost-West-Konflikt zu Ende ging. So nahm die Offensive
50 Zitiert nach: »Fingers on a Raging Pulse«, in: WP 26.02.1993. 51 Wilson, Myth of Political Correctness, 164. 52 Siehe dazu ausführlicher Charles Lyons, The New Censors: Movies and the Culture Wars, Philadelphia 1997; zu den 1980er Jahren außerdem Prince, New Pot of Gold, 341-69. 53 Medved, Hollywood vs. America; Grenier, Capturing the Culture. 54 »The 100 Best Conservative Movies«, in: National Review 24.10.1994. 55 Jennifer Hyland Wang, » › A Struggle of Contending Stories‹: Race, Gender, and Political Memory in Forrest Gump«, in: Cinema Journal 39:3 (2000), 92-115, hier: 109. Für eine kritische Analyse des Films siehe auch Peter N. Chumo, II., » › You’ve Got to Put the Past Behind You Before You Can Move On‹: Forrest Gump and National Reconciliation«, in: JPFT 23:1 (1995), 2-7. 56 Vgl. Patterson, Restless Giant, 260. Siehe ebenda auch die Kapitel zu den 1970er Jahren, 13-151.
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gegen political correctness erst im Jahr 1991 richtig Fahrt auf.57 »Whatever the causes, the clamor of cultural conflict over social trends, coexisting with laments about national decline, seemed especially cacophonous in the early 1990s«, stellt auch James Patterson fest.58 Auch wenn die meisten Amerikaner zwischen den Extrempositionen der Linken und Rechten standen, war der Eindruck einer tiefen Spaltung weit verbreitet: Bei einer Umfrage im Frühjahr 1993 waren 63% der Befragten der Meinung, »[that] Americans are greatly divided when it comes to the most important values«.59 Dazu trug zweifellos die enorme Schärfe der gegenseitigen Angriffe bei, die das Repertoire zur Zeichnung von Feindbildern voll ausschöpften. Beide Seiten bezichtigten einander, Anhänger totalitärer Ideologien, also Feinde des Amerikanischen schlechthin, zu sein.60 Die Rechte verglich political correctness und ihre (angeblichen) liberalen Verfechter sogar mit Viren und Seuchen.61 Patterson hat die Verbindung zwischen den culture wars der frühen 1990er Jahre und dem Ende des Kalten Krieges als »plausible, though hard to prove« bezeichnet.62 Tatsächlich lässt sich auch in diesem Fall, wie fast immer bei kulturellen Einflüssen, kein endgültiger Beweis erbringen. Aber nicht nur der auffällige zeitliche Zusammenhang und die Logik des Umschwenkens auf einen inneren Feind, wenn der äußere verlorengeht,63 legen eine solche Schlussfolgerung nahe. Auch in der Argumentation der konservativen Akteure fallen immer wieder die Bezüge zum Kalten Krieg ins Auge, etwa wenn Pat Buchanan auf dem Parteitag der Republikaner im August 1992 verkündete: »There is a religious war going on in this country. It is a cultural war as critical to the kind of nation we shall be as the Cold War itself.«64 Allan Bloom, Autor des Bestsellers The Closing of the American Mind, pries in einer Rede zum Thema »Liberal Education and Its Enemies« vor der Akademie der Air Force 1991 den Kuwaitkrieg und den Kalten Krieg, um dann festzustellen, »[that] the barbarians are not at the gate; they, without our knowing it, have taken over the citadel.«65 Überdeutlich war die Ablösung des äußeren Feindes durch den inneren bei Charles Krauthammer, der in der Washington Post nach dem Sieg über Kommunismus und Sozialismus eine fortbestehende Bedrohung von links durch »Environmentalism«, »the long dormant antiwar movement« und vor allem »Balkanization« identifizierte: »America will survive both Saddam and the snail darter. But the setting of one ethnic group against another, the fracturing not just of American society but of the American idea, poses a threat that no outside agent in this post-Soviet world can hope to match.«66 Vgl. Wilson, Myth of Political Correctness, 1 u. 13. Patterson, Restless Giant, 260. IIPO, 1993-1994, 32. Siehe dazu Hunter, Culture Wars, 144-52. Vgl. Wilson, Myth of Political Correctness, 23. Patterson, Restless Giant, 260. Dies ließ sich auch in anderen Ländern beobachten; vgl. Søren Keldorff, The Image of the Enemy: From an External, Military to an Internal, Civilian Enemy, Malmö 1991. 64 Zitiert nach Patterson, Restless Giant, 252. 65 Zitiert nach Wilson, Myth of Political Correctness, 78. 66 »What’s Left of the Left: After socialism, an agenda for fracturing American society«, in: WP 21.12.1990. Für eine ausführlichere Analyse von Krauthammers Argumentation siehe 57 58 59 60 61 62 63
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D-FENS’ verblüffte Frage zum Schluss von Falling Down »I’m the bad guy? How did that happen?« bezeichnet nicht nur ein persönliches, sondern ein nationales Problem der Zeit, das ohne den Verlust des Feindbildes Sowjetunion nicht zu verstehen ist. Der Feind im Innern war eine mögliche Antwort auf die drängende Frage, die der sowjetische Agent in Company Business (1991) beispielhaft formuliert: »Whose ass you Americans are going to kick now, huh?«
1.2 »A WHOLE NEW BALL GAME«: DIE UNSICHERE NEUE WELTORDNUNG Einen Ersatz für die UdSSR zu finden, der das »villain vacuum«67 zu füllen vermochte, das durch das Ende des Ost-West-Konfliktes entstanden war, stellte eine bedeutende Herausforderung für die USA dar. Für verschiedene Eliten, die es gewohnt waren, Feindbilder zu instrumentalisieren, handelte es sich dabei nicht nur um ein psychisches Problem. Hollywood benötigte Gegenspieler für die Helden von Kriegsund Actionfilmen. Politikern erleichterten äußere Bedrohungen die Konsensbildung und die Mobilisierung der Bevölkerung. Am direktesten betroffen waren aber zunächst jene Institutionen, deren Existenzberechtigung sich direkt aus der Verteidigung der Vereinigten Staaten gegen ihre Feinde herleitete: Militär und Geheimdienste. Der national security state war im Wesentlichen ein Produkt des Kalten Krieges.68 Ganze Bürokratien hatten vom und für den Konflikt der Supermächte gelebt. Die New York Times berichtete im Februar 1992: »Before the cold war, the nation did not even have a formal system for classifying documents, though some agencies did keep secrets. Today, however, Government officials classify almost seven million documents a year – so many that Washington has an agency to coordinate policy 69 for keeping secrets.«
Die Abwesenheit von Gefahr, der Verdacht, dass D-FENS »obsolete« sein könne, war für diverse Einrichtungen, allen voran das Pentagon, die CIA und die anderen Auslandsgeheimdienste, selbst eine Bedrohung. Die hochgerüstete Sowjetunion, die als aggressiv und noch ein knappes Jahrzehnt zuvor sogar als rüstungstechnisch überlegen gegolten hatte, hatte jedes noch so hohe Budget gerechtfertigt. Nun war plötzlich nicht einmal ein ebenbürtiger Gegner in Sicht, der die USA hätte herausfordern
Jochen Schulte-Sasse/Linda Schulte-Sasse, »War, Otherness, and Illusionary Identifications with the State«, in: Cultural Critique 19 (Fall 1991), 67-97, hier: 79-83, die den konservativen Angriff auf die ›Balkanisierung‹ im Zusammenhang mit dem Kuwaitkrieg sehen. 67 »›Crimson Tide‹: Deciding the World’s Fate From the Ocean’s Bottom«, in: NYT 12.05.1995. 68 Siehe dazu Michael J. Hogan, A Cross of Iron: Harry S. Truman and the Origins of the National Security State, 1945-1954, New York 1998. 69 »Bush and Yeltsin Declare Formal End to Cold War«, in: NYT 02.02.1992.
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können. Angesichts dieser sich auftuenden »enemy gap«70 und den lauter werdenden Forderungen nach einer ›Friedensdividende‹ in der Öffentlichkeit drohten ein erheblicher Bedeutungsverlust und dramatische Einschnitte. Die militärische Führung reagierte frühzeitig auf dieses sich seit den späten 1980er Jahren abzeichnende Problem. Im Gegensatz zur CIA erkannte sie die Unvermeidlichkeit von Umstrukturierungen und bemühte sich, diese mitzubestimmen. 71 Wie schon zu sehen war, konnten Kürzungen im Verteidigungshaushalt und ein daraus resultierender Stellenabbau, insbesondere in der Rüstungsindustrie, nicht verhindert werden. Es kam jedoch nicht zu einer großangelegten Abrüstung. Vielmehr setzten sich nicht zuletzt dank des Einflusses des Pentagons Reformpläne durch, die die Streitkräfte und ihre finanziellen Mittel auf einem immer noch sehr hohen Niveau beließen. Sowohl der unter George Bush entwickelte Plan für eine Base Force als auch die Bottom-Up Review der Clinton-Administration 1993 hielten an einer massiven Armee fest, die in der Lage sein sollte, zwei große regionale Kriege in der Art des Kuwaitkrieges parallel zu führen und zu gewinnen. Die Verteidigungsausgaben sanken in den 1990er Jahren zwar deutlich im Vergleich zu den Höchstmarken der Reagan-Administration, aber nur leicht unter den Mittelwert für die Gesamtdauer des Kalten Krieges.72 Entscheidend war hierfür nicht zuletzt die Entwicklung neuer Bedrohungsszenarien, die nun, wie an der Two Major Regional Wars Doctrine beispielhaft zu sehen, statt einer allumfassenden globalen Herausforderung diverse regionale Gefahrenherde in den Vordergrund stellten.73 In ähnlicher Weise verschoben sich auch die Aufgabenfelder der Geheimdienste, die gleichfalls darauf beharrten, gebraucht zu werden und dementsprechend finanziert werden zu müssen.74 Im Film der 1990er Jahre griffen die ›grauen Männer‹ teilweise zu extremen Mitteln, um ihre Bedeutung und ihre Budgets zu erhalten oder wiederherzustellen. Als der Präsident ihnen etwa in The Long Kiss Goodnight (1996) die gewünschten Mittel verweigert, planen sie selbst einen verheerenden Anschlag auf amerikanischem Boden, der 4.000 Tote fordern und ihnen ihre Gelder bescheren soll. Der Film spielt zu70 »The Enemy Gap«, in: NYT 25.05.1991. 71 Vgl. Kimberly Marten Zisk, »The Threat of Soviet Decline: The CIA, the Joint Chiefs of Staff, and the End of the Cold War«, in: Randall B. Ripley/James M. Lindsay (Hg.), U.S. Foreign Policy After the Cold War, Pittsburgh 1997, 160-81; Paul N. Stockton, »When the Bear Leaves the Woods: Department of Defense Reorganization in the Post-Cold War Era«, in: ebenda, 106-31. 72 Vgl. Cindy Williams, »Defense Policy for the Twenty-First Century«, in: Lieber (Hg.), Eagle Rules?, 241-65, hier: 251; außerdem Peter L. Hahn, »Grand Strategy«, in: Ripley and Lindsay (Hg.), U.S. Foreign Policy After the Cold War, 185-214. 73 Vgl. dazu »Pentagon Imagines New Enemies To Fight in Post-Cold War Era«, in: NYT 17.02.1992; »U.S. Strategy Plan Calls For Insuring No Rivals Develop«, in: NYT 08.03. 1992; Colin L. Powell, »U.S. Forces: Challenges Ahead«, in: Foreign Affairs 71:5 (1992/ 93), 32-45. Für eine ausführliche Darstellung zur Entwicklung neuer Strategien und Bedrohungsszenarien, mit besonderem Augenmerk auf der Entwicklung des Konzepts des ›Schurkenstaates‹, siehe Michael Klare, Rogue States and Nuclear Outlaws: America’s Search for a New Foreign Policy, New York 1995. 74 Vgl. »C.I.A. Nominee Wary of Budget Cuts«, in: NYT 03.02.1993; »A New World For Spies«, in: Time 05.07.1993.
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dem mit realen Verschwörungstheorien, wenn der Geheimdienstchef erklärt: »1993. The World Trade Center bombing, remember? During the trial one of the bombers claimed the CIA had advance knowledge. [Schnauben] The diplomat who issued the terrorists’ visa was CIA. It’s not unthinkable they… paved the way for the bombing, purely to justify a budget increase.« Solche Szenarien entpuppen sich in gewisser Weise als Nachfolger der ›Verschwörung-gegen-den-Frieden‹-Filme aus der Endphase des Ost-West-Konfliktes. Besonders augenscheinlich ist dies im Fall der Genreparodie The Man Who Knew Too Little (1997),75 die mit einem Komplott russischer und britischer Geheimdienste zur Sabotage einer Vertragszeremonie direkt an die Tradition von The Package (1989) und ähnlichen Produktionen anknüpft. Während die Verschwörer in jenen Filmen aber noch – wenn auch abstruse – patriotische Motive geltend machten, besteht in der neuen Variante kein Zweifel daran, dass sie von purem Eigennutz angetrieben werden. Die Angst, in der neuen Zeit unbedeutend oder gänzlich überflüssig zu sein, bestimmt ihr Handeln. So beantwortet in Mission: Impossible (1996) der zum Verräter gewordene Jim Phelps (Jon Voight), der in der gleichnamigen Fernsehserie der 1960er Jahre noch der integere Held gewesen war, die Frage nach dem Warum mit dem Ende des Kalten Krieges: »No more secrets to keep from everyone but yourself. Operations you answer to no one but yourself. Then one day, you wake up, the President of the United States is running the country without your permission. The son of a bitch, how dare he? And you realize: It’s over. You’re an obsolete piece of hardware, not worth upgrading…«
Solche Zweifel am Sinn der eigenen Existenz stellten ein Stück weit wohl auch Selbstreflexionen des Spionage-Genres dar, das in seiner klassischen Form untrennbar mit dem Kalten Krieg verbunden war und sich unter anderem mit diesen Verratsund Verschwörungsszenarien zu erneuern versuchte. Zugleich beschreiben sie aber das reale Problem der Sicherheitsorgane, sich mit der Welt nach dem Fall der Berliner Mauer zu arrangieren. Dieses Problem resultierte nicht zuletzt daraus, dass Außenpolitik mit dem Zusammenbruch der UdSSR für viele Amerikaner an Bedeutung verlor. »I’ll tell you where [your funding] is. Can you say health care?«, fertigt der Präsident in The Long Kiss Goodnight seine Geheimdienstleute ab und verweist damit auf eine Verschiebung der Prioritäten. Zwar wurde zu keinem Zeitpunkt ein neuer Isolationismus von einer Mehrheit der Bevölkerung befürwortet, aber es bestand doch kein Zweifel daran, dass es angesichts des Fehlens einer konkreten Bedrohung von außen in erster Linie innenpolitische Themen waren, die die Menschen bewegten.76 Das machte auch die Präsidentschaftswahl 1992 deutlich, bei der sich der außenpolitisch unerfahrene Bill Clinton gegen den Amtsinhaber und Kuwaitkrieg-Sieger George Bush durchsetzen konnte. Clintons berühmtes Wahlkampfmotto »It’s the economy, stupid!« traf im Kontext von Rezession und Ende des Ost-West-Konfliktes offensichtlich den Nerv 75 Der Titel ist natürlich eine Anspielung auf den Hitchcock-Klassiker The Man Who Knew Too Much (1956). 76 Vgl. Ole R. Holsti, »Public Opinion and Foreign Policy«, in: Lieber (Hg.), Eagle Rules?, 16-46, hier: 40-2; Rielly (Hg.), American Public Opinion and U.S. Foreign Policy 1995, 6f u. 10.
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der Zeit. Obwohl der neue Präsident tatsächlich einem deutlichen Primat der Innenpolitik folgte, kam er natürlich nicht umhin, sich auch mit Problemen der Außenpolitik zu beschäftigen, an denen seine Amtszeit alles andere als arm war. Hierbei erwies es sich dann für ihn selbst als problematisch, dass es ohne eine überragende Bedrohung, der es sich entgegenzustellen galt, schwierig war, die Unterstützung der Bevölkerung für außenpolitische Engagements zu mobilisieren, insbesondere dann, wenn diese mit Opfern in Form von Geld oder Truppen verbunden waren. Dieser Umstand wurde auch in den Nationalen Sicherheitsstrategien der 1990er Jahre immer wieder beklagt.77 Auch die Konsensbildung innerhalb des politischen Apparates erwies sich nach dem Ende des Kalten Krieges als zunehmend schwierig. Das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative war in außenpolitischen Fragen deutlich spannungsreicher, da zum einen der Kongress selbstbewusster auftrat und sich nicht mehr so leicht dem Führungsanspruch des Präsidenten unterordnete und zum anderen parteipolitische Auseinandersetzungen bedeutender wurden. Dies galt umso mehr nach dem erdrutschartigen Sieg der Republikaner bei den Wahlen 1994. Clinton sah sich in der Folge einem ausgesprochen feindseligen Repräsentantenhaus gegenüber, das entschlossen war, dezidiert gegen ihn Politik zu machen. Vorläufig war damit das Ende jener von Arthur Schlesinger beschriebenen ›imperialen Präsidentschaft‹ besiegelt, die der Konflikt mit der Sowjetunion hervorgebracht hatte.78 Uneinigkeit war also nicht nur in den culture wars zu beobachten, sie erstreckte sich auch auf den Bereich der Außenpolitik. Samuel Huntington sah diese in einem Artikel in Foreign Affairs 1997 im Würgegriff von ethnischen und anderen Partikularinteressen, die die gemeinsamen nationalen Interessen verdrängt hätten. Als zugrundeliegendes Problem identifizierte er die »disintegrative effects of the end of the Cold War«, die in fataler Weise durch »changes in the scope and sources of immigration and the rise of the cult of multiculturalism« verstärkt würden.79 Huntington erkannte die zentrale Rolle, die der Kampf gegen den Kommunismus für die gemeinsame amerikanische Identität gespielt hatte, und gelangte angesichts seiner pessimistischen Einschätzung einer ›balkanisierten‹ US-Gesellschaft zu dem Schluss: »Given the domestic forces pushing toward heterogenity, diversity, multiculturalism, and ethnic and racial division, […] the United States, perhaps more than most countries,
77 Vgl. Clinton, National Security Strategy 1994-1995, 117; A National Security Strategy for a New Century, Weißes Haus, Oktober 1998, 59 (http://clinton2.nara.gov/WH/EOP/NSC/ html/documents/nssr.pdf, 20.07.2007); A National Security Strategy for a New Century, Weißes Haus, Dezember 1999, 49 (http://clinton4.nara.gov/media/pdf/nssr-1299.pdf, 20.07. 2007). 78 Arthur M. Schlesinger, Jr., The Imperial Presidency, Boston 1973. Zum Verhältnis von Präsident und Kongress in den 1990ern siehe Andrew Bennett, »Who Rules the Roost? Congressional-Executive Relations on Foreign Policy After the Cold War«, in: Lieber (Hg.), Eagle Rules?, 47-69; Jürgen Wilzewski, »Demokratie und Außenpolitik: Friktionen zwischen Präsident und Kongreß«, in: Rudolf/Wilzewski (Hg.), Weltmacht ohne Gegner, 38-61. 79 Samuel P. Huntington, »The Erosion of American National Interests«, in: Foreign Affairs 76:5 (1997), 28-64, hier: 32.
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may need an opposing other to maintain its unity.«80 Im Hintergrund stand dabei das Eingeständnis, dass die Vereinigten Staaten als Nation, die sich entschieden über ihre Ideologie definierte, ein ›Reich des Bösen‹ brauchten, um sich ihrer Identität als ›Macht für das Gute‹ sicher sein zu können. »Ohne einen solchen Feind […] fehlte der amerikanischen Nation ein Objekt der Mission«, wie Detlef Junker das Problem beschrieben hat. Ohne einen Opponenten, der »die manichäische Falle des amerikanischen Sendungsbewusstseins« besetzte,81 wurden die USA zum »Eagle Without a Cause«82. Als »Weltmacht ohne Gegner«83 fehlte ihnen der »pole-star«84, an dem sie ihre Politik ausrichten konnten. Immer wieder mussten Analysten in den 1990er Jahren feststellen, dass amerikanische Außenpolitik deutlich schwieriger zu gestalten war, wenn es keine eindeutige, überragende Bedrohung gab.85 Die vielen kleineren Krisen dieser Zeit fügten sich nicht zu einem klaren Gesamtszenario zusammen.86 Art und Ausmaß einzelner Gefahren waren oft schwierig einzuschätzen. Vor diesem Hintergrund fiel es der Regierung schwer, ein allgemein akzeptiertes Konzept zu entwickeln und umzusetzen. Dies zeigte sich nicht zuletzt in den Debatten um die verschiedenen Interventionen im Ausland, die an Häufigkeit zunahmen, was den vergrößerten Spielraum der USA belegte, zugleich aber in jedem einzelnen Fall heftig umstritten waren. Der Einsatz amerikanischer Truppen in Haiti, Somalia oder Jugoslawien war in den Augen vieler nur unzureichend mit den nationalen Interessen verknüpft oder aber zu halbherzig. Nicht jeder akzeptierte den liberalen Idealismus im Stile Woodrow Wilsons, den die Clinton-Administration propagierte, als Leitlinie der amerikanischen Außenpolitik, und für andere stellte sich die Frage, warum eine Regierung mit moralischen Maßstäben dem Morden in Ruanda tatenlos zusah. Amerika konnte seine überlegenen Truppen in den 1990er Jahren ungehinderter einsetzen als jemals zuvor, war aber in beständigem Zweifel, wann, wo und warum es dies tun sollte.87
80 Ebenda. 81 Junker, Power and Mission, 129. 82 Robert J. Lieber, »Eagle Without a Cause: Making Foreign Policy Without the Soviet Threat«, in: ders. (Hg.), Eagle Adrift, 3-25, hier: 3. 83 Peter Rudolf/Jürgen Wilzewski, »Der unilaterale Reflex: Amerikanische Außenpolitik vor neuen Herausforderungen«, in: dies. (Hg.), Weltmacht ohne Gegner, 9-18, hier: 10. 84 Gregory F. Treverton/Barbara A. Bicksler, »Conclusion: Getting from Here to Where?«, in: Graham Allison/Gregory F. Treverton (Hg.), Rethinking America’s Security: Beyond the Cold War to New World Order, New York/London 1992, 407-33, hier: 407. 85 Vgl. neben den schon zitierten Beispielen auch Randall B. Ripley/James M. Lindsay, »Promise versus Reality: Continuity and Change After the Cold War«, in: dies. (Hg.), U.S. Foreign Policy After the Cold War, 313-30. 86 Siehe zu diesem Problem ausführlich Schild, Bedrohte Supermacht. 87 Siehe hierzu Richard N. Haass, Intervention: The Use of American Military Force in the Post-Cold War World, Washington D.C. 1994; Peter Viggo Jakobsen, »National Interest, Humanitarianism or CNN: What Triggers UN Peace Enforcement After the Cold War?«, in: Journal of Peace Research 33:2 (1996), 205-15; Bruce W. Jentleson, »Who, Why, What, and How: Debates Over Post-Cold War Military Intervention«, in: Lieber (Hg.), Eagle Adrift, 39-70.
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»That we do not know how to think about what follows the U.S.-Soviet confrontation is clear from the continued references to the ›post-Cold War period‹ «, stellte Condoleezza Rice zu Beginn des Jahres 2000 in einem Artikel in Foreign Affairs korrekt fest.88 Fast zehn Jahre nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums war es immer noch nicht gelungen, einen neuen Bezugsrahmen zu etablieren. Auch alternative Terminologien wie »Interregnum« für die Periode zwischen 1989 und 1999 zeugten von anhaltender Ratlosigkeit.89 Ein Mangel an Versuchen, ein neues Modell zu entwickeln, an Analysen und Zukunftsprognosen, war dabei nicht das Problem. Diese wurden schon in den frühen 1990er Jahren in großer Zahl veröffentlicht. Von einem neuen ›Konzert der Mächte‹ war da die Rede, aber auch vom »Unipolar Moment« der USA.90 Die am meisten beachtete Theorie errichtete wohl Samuel Huntington um die These vom »Clash of Civilizations«,91 die sich aber zunächst ebenso wenig wie irgendeine andere als allgemein anerkannt oder zumindest dominierend durchzusetzen vermochte. Als der Ost-West-Konflikt zu Ende ging und George Bush – trotz seiner selbsterklärten Schwierigkeiten mit »the vision thing«92 – am 11. September 1990 vor dem Hintergrund des irakischen Überfalls auf Kuwait eine »new partnership of nations« und das Ziel einer »new world order« verkündete,93 hätten sich vermutlich nur die wenigsten Beobachter träumen lassen, dass man dem Kalten Krieg schon bald nachtrauern würde – möglicherweise aber doch, denn immerhin hatte sich Francis Fukuyama bereits ein Jahr zuvor im letzten Absatz seines berühmten Artikels »The End of History?« nicht nur trotz, sondern gerade wegen des postulierten Triumphs des demokratischen Liberalismus ausgesprochen melancholisch gezeigt:
88 Condoleezza Rice, »Promoting the National Interest«, in: Foreign Affairs 79:1 (2000), 4562, hier: 45. In diesem programmatisch betitelten Beitrag zum Präsidentschaftswahlkampf formulierte Rice die republikanische Kritik an der Außenpolitik Clintons mit dem zentralen Vorwurf, es seien keine klaren Prioritäten gesetzt worden. 89 »Special Issue: The Interregnum: Controversies in World Politics 1989-1999«, in: Review of International Studies 25 (1999). 90 Richard Rosecrance, »A New Concert of Powers«, in: Foreign Affairs 71:2 (1992), 64-82; Charles Krauthammer, »The Unipolar Moment«, in: Foreign Affairs 70:1 (1991), 23-33. Siehe außerdem Stanley Hoffmann, »A New World and Its Troubles«, in: Foreign Affairs 69:4 (1990), 115-22; John Lewis Gaddis, »Toward the Post-Cold War World«, in: Foreign Affairs 70:2 (1991), 102-22; Joseph S. Nye, Jr., »What New World Order?«, in: Foreign Affairs 71:2 (1992), 83-96. 91 Samuel P. Huntington, »The Clash of Civilizations?«, in: Foreign Affairs 72:3 (1993), 2249; The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order, New York u.a. 2003 [1996]. Siehe auch »Comments: Responses to Samuel P. Huntington’s ›The Clash of Civilizations?‹«, in: Foreign Affairs 72:4 (1993), 2-26, und die Erwiderung darauf: Samuel P. Huntington, »If Not Civilizations, What? Paradigms of the Post-Cold War World«, in: Foreign Affairs 72:5 (1993), 186-94. Dazu ausführlich Kap. III.3.2. 92 Zitiert nach Patterson, Restless Giant, 223. 93 George Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the Persian Gulf Crisis and the Federal Budget Deficit, September 11th, 1990«, http://www.presidency.ucsb.edu/ ws/?pid=18820 (29.11.2007).
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»The end of history will be a very sad time. The struggle for recognition, the willingness to risk one’s life for a purely abstract goal, the worldwide ideological struggle that called forth daring, courage, imagination, and idealism, will be replaced by economic calculation, the endless solving of technical problems, environmental concerns, and the satisfaction of sophisticated consumer demands. In the post-historical period there will be neither art nor philosophy, just the perpetual caretaking of the museum of human history. I can feel in myself, and see in others 94 around me, a powerful nostalgia for the time when history existed.«
Während Fukuyamas Nostalgie aber durch die Aussicht auf Langeweile und den scheinbar unwiderruflichen Verlust einer ›heroischen‹ Zeit ausgelöst wurde, waren bei den meisten Zeitgenossen ganz andere Probleme für solche Gefühle verantwortlich, die mit mangelnder Aufregung nicht das Geringste zu tun hatten. Zentral war vielmehr die sich ausbreitende Überzeugung, die ›neue Weltordnung‹ sei risikoreicher als die alte. Insbesondere Anhängern der realistischen Denkschule bereitete das Ende des Ost-West-Konfliktes Kopfzerbrechen. Vizeaußenminister Lawrence Eagleburger warnte in einer Rede an der Georgetown University im September 1989, dass die sich herausbildende multipolare Welt nicht unbedingt friedlicher, da wenig stabil, sein werde.95 Auf derselben Linie, aber deutlich konkreter, erklärte John Mearsheimer in einem Artikel im August 1990, dass man den Kalten Krieg bald vermissen werde, da ein multipolares System neue ›heiße‹ Kriege in Europa wahrscheinlich mache.96 Einen anderen Aufsatz stellte er zwei Jahre später unter die Überschrift »Disorder Restored«.97 Während die zwischenstaatlichen Beziehungen vor allem im Westen solche pessimistischen Einschätzungen nicht erfüllten, wurde der Eindruck, dass man es in den 1990er Jahren tatsächlich mit einer »New World Disorder«98 zu tun hatte, durch Phänomene wie aufflammenden Nationalismus, Bürgerkriege und Terrorismus verstärkt. »Today, as an old order passes, the new world is more free but less stable«, stellte auch Bill Clinton bei seiner Amtseinführung 1993 fest: »Communism’s collapse has called forth old animosities and new dangers.«99 Nicht nur erwiesen sich die großen Hoffnungen, die das Ende des Ost-West-Konfliktes geweckt hatte, als trügerisch, die Lage schien eher schlimmer als zuvor zu sein, da viele bislang unterdrückte Konflikte nun zum Ausbruch kommen konnten und man sich mit vielfältigeren und schwerer kalkulierbaren Gefahren konfrontiert sah. Diese negative Wahrnehmung der post-sowjetischen Welt, die mit einer regelrechten Sehnsucht nach dem Kalten Krieg einherging, war bereits anhand des Russlandbildes der USA zu beobachten. Es gab verschiedene Gründe, sich die UdSSR zurückzuwünschen. Eher selten angesprochen wurde die Notwendigkeit eines Feindes 94 Fukuyama, »The End of History?«, 18. 95 Vgl. Bierling, Geschichte der amerikanischen Außenpolitik, 201. 96 John J. Mearsheimer, »Why We Will Soon Miss the Cold War«, in: Atlantic Monthly (August 1990), 35-50. 97 John J. Mearsheimer, »Disorder Restored«, in: Allison/Treverton (Hg.), Rethinking America’s Security, 213-37. 98 Hughes, Culture of Complaint, 28. 99 William J. Clinton, »Inaugural Address, January 20th, 1993«, http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=46366 (12.05.2007).
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für die Vereinigten Staaten. In dem Film Death Train (1993) etwa wird diese potentiell verstörende Erkenntnis zwar formuliert, aber zugleich entschärft, indem man sie einem Rechtsterroristen in den Mund legt, der seine Zusammenarbeit mit einem russischen General zur Wiedererrichtung der Sowjetunion so als Akt des Patriotismus rechtfertigt: »I’m an American and love my country. America’s lost right now. So we define ourselves by who we hate, right? And, no matter what you say, the USSR was a very worthy opponent.« Anders als in dieser offenherzigen Aussage wurde zumeist nicht der Verlust des Feindes an sich, sondern der daraus resultierende Mangel an Stabilität und Klarheit als Problem dargestellt. So berichtete Clinton 1995 von einem Staatsbesuch in Israel: »Foreign Minister Peres said that he felt sorry for me because we had lost our enemy. And we all laughed a little bit uncomfortably because we knew there was a grain of truth in what he said. Oh, we knew so clearly when we had the Soviet Union, the cold war, and the massive nuclear threat.«100 Der Gegensatz zwischen der scheinbar übersichtlichen, leicht zu durchschauenden Welt des Kalten Krieges und den komplizierten 1990er Jahren wird besonders deutlich in Crimson Tide (1995) herausgearbeitet. Angesichts der neuartigen Bedrohung durch nationalistische russische Rebellen mit Atomwaffen macht der amerikanische U-Boot-Kapitän Ramsey hier gegenüber seinen Offizieren keinen Hehl aus seiner Nostalgie: »In the good old days of the Cold War, the Russians could always be depended on doing whatever’s in their own best interest. But this Radchenko’s playing a whole new ball game with a whole new set of rules.« Der Ost-WestKonflikt wird rückblickend zur ›guten alten Zeit‹, deren hervorstechendes positives Merkmal die Rationalität und Berechenbarkeit des Gegners war. Es scheint geradezu so, als wäre der Ausbruch eines Atomkrieges damals unmöglich gewesen, da das Wissen um die Nichterreichbarkeit eines Sieges und somit Vernunft und Selbsterhaltungstrieb dem entgegenstanden. Mit anderen Worten, das MAD-Prinzip garantierte Sicherheit. Die Ängste der 1980er Jahre vor einem sowjetischen Überraschungsangriff oder den gefährlichen Automatismen der nuklearen Konfrontation werden in diesem Zusammenhang völlig ausgeblendet. Einzig die Kubakrise, also der Moment der allgemein als derjenige der schwersten Spannungen und der größten Kriegsgefahr anerkannt wird, kann zum Vergleich mit der aktuellen Bedrohung dienen, wobei betont wird, dass dieses Ereignis mehr als 32 Jahre zurückliegt. Die Tatsache, dass es damals nicht zum Krieg kam, stützt zudem die Beurteilung des Ost-West-Konfliktes als stabiles System. Die neue Zeit wird dagegen durch den Rebellenführer Radchenko verkörpert, der explizit als irrational, unberechenbar und zu allem fähig gezeichnet wird. »He’s a dangerous lunatic and he’s threatening nuclear war and he means it«, charakterisiert ihn einer der Offiziere. Zwar gibt ein anderer daraufhin zu bedenken: »What’s that make us since we’re the only nation ever dropped a nuclear bomb on anyone?« Ein tiefgreifender Versuch, diese schwierige Frage zur amerikanischen Geschichte zu beantworten, wird hier jedoch nicht gemacht. Wie die gesamte Diskussion in der Offiziersmesse dient sie in erster Linie dazu, die für die spätere Handlung wichtige Unterscheidung zu treffen zwischen jenen, die ohne zu zögern Atomwaffen einsetzen würden, und den anderen, die diesbezüglich moralische Bedenken haben. 100 William J. Clinton, »Remarks at the World Jewish Congress Dinner in New York City, April 30th, 1995«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51298 (27.07.2007).
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Ramsey gehört zur ersten Kategorie, für ihn steht außer Frage, dass ein Angriff mit Nuklearwaffen legitim ist, wenn es darum geht, den Feind zu vernichten. Der Erste Offizier Hunter dagegen vertritt die Ansicht, »that in the nuclear world… the true enemy can’t be destroyed«. Denn: »In the nuclear world, the true enemy is war itself.« Ramsey sind derartige philosophische Überlegungen offensichtlich nicht geheuer. Er ist sich allerdings durchaus bewusst, warum Hunter und er so unterschiedliche Ansichten haben. Nach der ›vorsichtigen‹ Antwort des Ersten Offiziers auf die Frage, ob er den Atombombenabwurf auf Japan für einen Fehler halte, erklärt er: »I don’t mean to suggest that you’re indecisive, Mr. Hunter. Not at all. Just, um, complicated. ‘Course, that’s the way the Navy wants you. Me, they wanted simple.« Nach der Logik des Films ist Ramsey als Kapitän aus der Schule des Kalten Krieges einfach, weil dieser Konflikt einfach war: Es gab einen klaren Feind, klare Fronten und klare Befehle. Es bestand kein Bedarf, sich mit komplexen Situationen auseinanderzusetzen, mit möglichen Grauzonen. Wie schon erklärt wurde, bedeutete diese Klarheit scheinbar geopolitische Stabilität. Sie verlieh den Akteuren zudem auch persönliche Sicherheit. »It’s all I got to rely on, bein’ a simpleminded son of a bitch«, erläutert Ramsey seine Haltung. Hunter wiederum ist der Mann der neuen Zeit. Sein ›komplizierter‹ Charakter entspricht der schwer durchschaubaren Welt der 1990er Jahre. Diese beschreibt Rules of Engagement (2000) fünf Jahre später genau wie Crimson Tide als »a whole new ball game«, in der Szene, in der Marine-Colonel Childers (Samuel L. Jackson) seinen Freund Hodges (Tommy Lee Jones) darüber hinwegtrösten will, dass dieser seit seiner Verwundung in Vietnam nur Schreibtischdienst leisten kann: »You ain’t missing nothing, Hodge. It’s a whole new ball game. No friends, no enemies. No front, no rear. No victories, no defeats. No mama, no papa. We’re orphans out there.« Beide Filme lassen keinen Zweifel daran, dass die Situation gerade deshalb so schwierig ist, weil es bei aller Unklarheit weiterhin Bedrohungen gibt, gegen die die Vereinigten Staaten verteidigt werden müssen, seien es russische Nationalisten oder arabische Terroristen. »There’s half a dozen other Third World countries with atom bombs who’d love to drop one on us«, heißt es in Crimson Tide. Während Rules of Engagement die Gefahren der Gegenwart zum Anlass nimmt, um Männer vom Schlage eines Childers oder eines Ramsey als aufgrund ihrer eigenen moralischen Sicherheit gegenüber der neuen Generation überlegen und daher unentbehrlich für die Verteidigung der USA zu preisen, bleibt Crimson Tide in der Beurteilung des Kapitäns zwiespältig. Hier ist Hunter eindeutig der ›Held‹ des Films. Seine Meuterei gegen Ramseys Absicht, die Atomwaffen trotz des möglichen Widerrufs des Abschussbefehls in einem verstümmelten Funkspruch einzusetzen, erweist sich am Ende als gerechtfertigt: Der Befehl ist tatsächlich widerrufen worden, da die russische Armee die Rebellen überwältigen konnte.101 Ramsey ist allerdings kein Psychopath und auch kein Bösewicht. Der Film legt großen Wert darauf, dass er und 101 Die Idee eines widerrufenen Abschussbefehls ist natürlich höchst unrealistisch. Wegen des Meutereiszenarios war es den Produzenten Jerry Bruckheimer und Don Simpson bei diesem Film nicht möglich, die Unterstützung des Pentagons zu erhalten. Deshalb meldet sich der Fernsehreporter auch von dem französischen Flugzeugträger Foche statt von einem amerikanischen Schiff.
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die ihn unterstützenden Offiziere nach ihrer besten Überzeugung handeln. Bis zum Schluss ist unklar, ob ein Atomschlag zur Rettung Amerikas nicht tatsächlich nötig ist. Auch Hunter stellt diese Möglichkeit nicht in Frage, er argumentiert lediglich damit, dass im Zweifelsfall ein anderes U-Boot diesen Angriff ausführen wird, falls er erforderlich sein sollte. Da Radchenko jedoch auch über Jagd-U-Boote verfügt, ist selbst dieses Szenario nicht hundertprozentig sicher. Auch wenn der Ausgang Hunter Recht gibt, wird Ramseys Standpunkt nicht völlig entwertet. In der letzten Szene des Films begegnen sich die beiden auf Augenhöhe und offensichtlich versöhnt mit den jeweiligen Handlungen des anderen. Ramsey beweist seine Integrität zudem dadurch, dass er Hunter selbst für ein neues Kommando empfiehlt, während er seinen Abschied aus dem aktiven Dienst nimmt. Der Wachwechsel für die komplizierte neue Zeit ist damit vollzogen, was auch eine Abkehr von der Klarheit des Kalten Krieges bedeutet. »You were both right. And you were also both wrong«, fasst der Admiral, der dem Untersuchungsausschuss am Schluss des Films vorsitzt, das Dilemma zusammen, das hier primär als ein juristisches erscheint, unzweifelhaft aber auf die gesamte Situation zu übertragen ist: Nur in einem »new ball game with a whole new set of rules« ist es überhaupt denkbar, dass die Unterscheidung zwischen richtig und falsch nicht eindeutig zu treffen ist. Die Sehnsucht nach dem ›alten Spiel‹ mit seinem wohlbekannten Regelwerk kann daher kaum überraschen. »We had an intellectually coherent thing«, erklärte Clinton die Nostalgie für den Kalten Krieg in einem Interview, kurz nachdem mehrere US-Soldaten in Mogadischu getötet worden waren. »The American people knew what the rules were and when we did whatever.«102 Auch er selbst konnte sich dieser Wehmut nicht entziehen: »We look back to that era now, and we long for a – I even made a crack the other day. I said, ›Gosh, I miss the cold war.‹ It was a joke, I mean, I don’t really miss it, but you get the joke.«103 Dieser Scherz des Präsidenten fand ein
102 »›It’s Self-Evident That We… Can’t Solve All the Problems‹«, in: WP 17.10.1993. 103 Zitiert nach: »The Greatest Cold War Myth of All«, in: Time 29.11.1993. Vgl. auch »Clinton Reexamines a Foreign Policy Under Siege«, in: WP 17.10.1993. Konservative wie Charles Krauthammer und Paul Wolfowitz attackierten Clinton daraufhin mit dem Argument, er wolle sich wie viele andere nun nach dem Sieg zum überzeugten ›kalten Krieger‹ stilisieren und trauere einer angeblichen Klarheit im Konflikt mit der Sowjetunion nach, die die Liberalen in Wirklichkeit doch seit Vietnam bestritten hätten, als sie nicht wahrhaben wollten, dass die UdSSR das ›Reich des Bösen‹ war. »The Greatest Cold War Myth of All«, in: Time 29.11.1993; Paul D. Wolfowitz, »Clinton’s First Year«, in: Foreign Affairs 73:1 (1994), 28-43, hier: 39. Diese Vorwürfe wiesen zwar auf das Problem der Verklärung der zurückliegenden Epoche hin, sie beharrten aber zugleich darauf, dass die moralische Lage in der Tat ganz eindeutig gewesen sei – nur hätten eben nicht alle Amerikaner das erkannt. Vor allem ignorierten Wolfowitz und Krauthammer jedoch, dass der Ost-West-Konflikt trotz teils heftiger Auseinandersetzungen in bestimmten Fragen von einem breiten, überparteilichen Konsens getragen worden war, den auch der Vietnamkrieg nicht völlig zerstört hatte. Wie ich bereits ausführlich dargelegt habe, fehlte eine solche grundlegende Übereinstimmung dagegen in den 1990er Jahren.
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vielfaches Echo, etwa, wie an anderer Stelle schon zu sehen war, in The Peacemaker (1997).104 Dieser Film behandelt in geradezu paradigmatischer Weise die Gefahren der »New World Disorder«. Wie in Crimson Tide spielt auch hier die Erkenntnis eine zentrale Rolle, dass die Bedrohungen der Gegenwart vielfältiger und unberechenbarer sind als früher. Der smarte Colonel Devoe ist zwar weit davon entfernt, »a simpleminded son of a bitch« wie Ramsey zu sein, aber auch er läuft zunächst Gefahr, die Dinge zu einfach zu sehen, wenn er Dr. Kelly etwas herablassend die Welt erklärt: »This is how it works: The good guys, that’s us, we chase the bad guys. And they don’t wear black hats. They are, however, all alike. They demand power and respect, and they’re willing to pay top Dollar to get it.« Die Wissenschaftlerin widerspricht jedoch diesem viel zu rationalen, im politikwissenschaftlichen Sinne realistischen Modell: »There are people out there who don’t care about money and who don’t give a damn about respect. People who believe that killing innocent men and women is justified. For them it is about rage, frustration, hatred… They feel pain and they’re determined to share it with the world.« Wie sich zeigt, liegt sie mit dieser Analyse richtig, denn die direkteste Gefahr für die USA geht in The Peacemaker nicht von einem anderen Staat aus, sondern von einem Terroristen, der von eben den von Kelly umrissenen emotionalen Motiven angetrieben wird. Wie ich im vorangehenden Kapitel schon gezeigt habe, nimmt der Film die Ängste über mangelhafte Sicherheit des russischen Nuklearwaffenarsenals auf. Es war zu sehen, dass das Russland der 1990er Jahre wegen seiner Schwäche oftmals als noch bedrohlicher wahrgenommen wurde als die mächtige Sowjetunion. Die Sorge um eine unkontrollierte und unkontrollierbare Proliferation spielte bei diesem Bild eine entscheidende Rolle. Kein Thema war für die Entwicklung neuer Bedrohungsszenarien in den 1990er Jahren wichtiger als die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. »Who Else Will Have the Bomb?«, fragte Time just in dem Moment, als sich die Sowjetunion auflöste, auf dem Titel.105 Schon im Jahr zuvor hatte Charles Krauthammer in seinem eher optimistischen Artikel »The Unipolar Moment« Proliferation und die Entstehung neuer »Weapon States« als wichtigste Bedrohung nach dem Ende des Kalten Krieges identifiziert und geschlussfolgert: »The post-Cold War era is thus perhaps better called the era of weapons of mass destruction.«106 Auch der spätere CIA-Chef John Deutch warnte frühzeitig vor der »New Nuclear Threat«.107 Wie Krauthammer vorausgesagt hatte, blieben diese Sorgen fürderhin zentral für die Diskurse um amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik. In der Zeitschrift Foreign Affairs etwa wurden sie regelmäßig zur Sprache gebracht,108 und in den Nationalen 104 Siehe das Ende von Kap. I.3. Ein weiteres Beispiel ist Casino Royale (2006), in dem die britische Geheimdienstchefin M den Seufzer »Christ, I miss the cold war!« ausstößt. 105 Time 16.12.1991. 106 Krauthammer, »Unipolar Moment«, 31. 107 Deutch, »New Nuclear Threat«. Deutch bekleidete von Mai 1995 bis Dezember 1996 das Amt des Director of Central Intelligence. 1998 bis 1999 war er Vorsitzender der Commission to Assess the Organization of the Federal Government to Combat the Proliferation of Weapons of Mass Destruction. 108 Siehe z.B. Michael Mandelbaum, »Lessons of the Next Nuclear War«, in: Foreign Affairs 74:2 (1995), 22-37; Fred Charles Iklé, »The Second Coming of the Nuclear Age«, in:
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Sicherheitsstrategien spielten sie eine wichtige Rolle.109 Wie ernst die ClintonAdministration das Problem nahm, beweist die Einrichtung eines neuen Direktorats für ›Nonproliferation and Export Controls‹ im National Security Council.110 Vor allem Konservative forderten zudem vehement die Entwicklung von Raketenabwehrsystemen für amerikanische Truppen im Ausland (TMD) und für die USA selbst (NMD).111 Wie an The Peacemaker zu sehen, bereitete Amerika aber nicht nur die Möglichkeit Unbehagen, dass weitere Staaten dem Club der Nuklearmächte beitreten könnten, sondern insbesondere auch die Gefahr, dass nichtstaatliche Akteure wie Terroristen Massenvernichtungswaffen in ihren Besitz bringen könnten. Reale Ereignisse wie der Giftgasanschlag der Sekte Aum Shinrikyo auf die U-Bahn von Tokyo im März 1995 nährten die Ängste vor einer neuen Stufe des Terrorismus. Im Gegensatz zu früheren Gruppen schienen die zunehmend fanatischen, oft religiös oder ethnisch motivierten Terroristen der 1990er Jahre darauf aus, möglichst große Zahlen von Menschen zu ermorden. Der ›postmoderne Terrorismus‹, wie Walter Laqueur ihn bezeichnete,112 war brutaler und zugleich schwerer zu durchschauen als seine Vorläufer. Time klagte: »It used to be known who the ›terrorists‹ were: a handful of Middle Eastern or leftist political movements, sponsored and protected by governments, bent on achieving their well-advertised ideological goals through death and intimidation. The next generation of terrorists is more obscure, an assemblage of disparate fanatics pursuing unique or mysterious agendas, with only 113 the capacity for random violence in common.«
Dank der zunehmenden Irrationalität und Skrupellosigkeit der Terroristen und der gleichzeitigen Verfügbarkeit von Massenvernichtungswaffen drohte eine ganz neue Dimension der Vernichtung. Derartige Anschläge wurden seit 1990 in zahllosen Filmen thematisiert, von True Lies (1994) über The Rock (1996) bis zu Agent Red (2000). Experten beharrten derweil darauf, dass es sich nicht nur um Fantasien der Populärkultur, sondern um eine überaus reale Gefahr handelte: »Long part of the Hollywood and Tom Clancy repertory of nightmarish scenarios, catastrophic terrorism has moved from far-fetched horror to a contingency that could happen next
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Foreign Affairs 75:1 (1996), 119-28; Richard K. Betts, »The New Threat of Mass Destruction«, in: Foreign Affairs 77:1 (1998), 26-41. National Security Strategy of the United States: 1991-1992, Washington D.C. u.a. o.J., 58; Clinton, National Security Strategy 1994-1995, 41-7; National Security Strategy [1998], 11f; National Security Strategy [1999], 7-11. Vgl. Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 163. Siehe hierzu beispielhaft William Schneider, »Weapons Proliferation and Missile Defense: The Strategic Case«, in: Robert Kagan/William Kristol (Hg.), Present Dangers: Crisis and Opportunity in American Foreign and Defense Policy, San Francisco 2000, 267-85. Walter Laqueur, »Postmodern Terrorism«, in: Foreign Affairs 75:5 (1996), 24-36. »The Price of Fanaticism«, in: Time 03.04.1995.
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month.«114 Dass Terroristen an Nuklearwaffen kommen könnten, galt zwar als eher unwahrscheinlich, dies sorgte aber kaum für Beruhigung, da die Diskussion um Massenvernichtungswaffen und ihre Verbreitung nun anders als während des Ost-WestKonfliktes auch immer stärker chemische und biologische Kampfmittel berücksichtigte, die vergleichsweise leicht zu beschaffen und einzusetzen waren. Time präsentierte seinen Lesern im April 1995 einen kompletten »Catalog of Terror« inklusive Preisangaben. Selbst eine radiologische Bombe war nach dieser Auflistung für nur 20.000 Dollar zu haben.115 Die Frage der Beschaffbarkeit gefährlicher Materialien verknüpfte das Problem von Proliferation und Massenvernichtungsterrorismus mit anderen Phänomenen wie organisierter Kriminalität und Drogenschmuggel. »The networks necessary to move drugs can be used to move weapons, explosives, and personnel – the same requirements that terrorists need«, erläuterte Senator John Kerry als Vorsitzender des Subcommittee on Terrorism, Narcotics and International Operations 1993 die Verbindung von Drogenhandel und Terrorismus.116 Clinton sprach von den »increasingly interconnected groups that traffic in terror, organized crime, drug smuggling, and the spread of weapons of mass destruction.« Dieser Komplex von Bedrohungen war ein zentrales Motiv seiner außenpolitischen Reden. Die USA, so die Argumentation des Präsidenten, sahen sich wie der Rest der Welt immer stärker mit transnationalen Problemen und Gefahren konfrontiert – eine Folge der an sich durchaus positiven Entwicklung der Globalisierung: »The emergence of the information and technology age has brought us all closer together and given us extraordinary opportunities to build a better future. But in our global village, progress can spread quickly, but trouble can, too. Trouble on the far end of town soon becomes a plague on everyone’s house.«117 Gerade die Offenheit freier Gesellschaften, so betonte Clinton, mache sie dabei »very, very vulnerable to the forces of organized destruction and evil.«118 Zu den transnationalen Bedrohungen infolge der Globalisierung zählten nicht nur genuin kriminelle Machenschaften. Auch Überbevölkerung, Flüchtlingsströme und Umweltprobleme wie die globale Erwärmung wurden unter diesem Überbegriff subsumiert.119 Am charakteristischsten zeigte sich das Bedrohungsempfinden gegenüber
114 Ashton Carter/John Deutch/Philip Zelikow, »Catastrophic Terrorism: Tackling the New Danger«, in: Foreign Affairs 77:6 (1998), 80-94, hier: 80. 115 »The Price of Fanaticism«, in: Time 03.04.1995. 116 Interview im Anhang zu Godson/Olson, International Organized Crime, 53-6, hier: 54. Vgl. auch Carter/Deutch/Zelikow, »Catastrophic Terrorism«, 81: »Elaborate international networks have developed among organized criminals, drug traffickers, arms dealers, and money launderers, creating an infrastructure for catastrophic terrorism around the world.« 117 William J. Clinton, »Remarks to the United Nations General Assembly in New York City, October 22nd, 1995«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=50683 (27.07.2007). 118 William J. Clinton, »Remarks at the Michigan State University Commencement Ceremony in East Lansing, Michigan, May 5th, 1995«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 51317 (27.07.2007). 119 Vgl. den Artikel des Nationalen Sicherheitsberaters Anthony Lake, »The Reach of Democracy: Tying Power to Diplomacy«, in: NYT 23.09.1994, sowie Nye, »What New
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den Schattenseiten der globalisierten Welt aber wohl in der Angst vor Viren. »The threats we face today as Americans respect no Nation‘s borders«, stellte Clinton fest.120 Dies galt in besonderem Maße für Krankheiten und ihre Erreger,121 die darüber hinaus nicht einmal die Grenzen des menschlichen Körpers respektierten und so die durch das Verschwimmen klarer Trennlinien ausgelöste Unsicherheit ins Extreme steigerten. Hinzu kam ihre Unsichtbarkeit für das menschliche Auge. Als nicht greifbarer, aber umso zerstörerischer Feind, dem man keinen anderen Daseinszweck als Vernichtung zuordnen konnte, kein ›vernünftiges‹ Ziel, vereinten sie beispielhaft jene Merkmale, die die Bedrohungen der 1990er Jahre auszuzeichnen schienen. In Filmen, Romanen und Sachbüchern wurden Virusinfektionen und Epidemien in diesem Jahrzehnt zu einem populären Stoff für die breite Masse.122 Nach einer Erhebung des Chicago Council on Foreign Relations im Jahr 1998 stuften 72% der Öffentlichkeit »AIDS, Ebola virus, and other potential epidemics« als »critical threat« ein.123 Dass Viren zunehmend ins Bewusstsein der Menschen rückten, hing natürlich nicht zuletzt mit der Ausbreitung von AIDS zusammen.124 Auffallend ist jedoch, dass Krankheiten, die der Medizin in vielen Fällen schon seit 20 oder 30 Jahren bekannt waren, erst jetzt im Kontext transnationaler Bedrohungen einen Platz in der Vorstellungswelt der Öffentlichkeit beanspruchten.125 In Filmen wie Outbreak (1995) und Büchern wie Richard Prestons Tatsachenroman Hot Zone126 zeigt sich die Nähe der Epidemiegeschichten zu klassischen Invasionsszenarien: Hier wie dort erfordert das Eindringen des ›Fremden‹ eine militärische Antwort. Der Kreis zu Terrorismus und Proliferation schließt sich mit der Verwendbarkeit von Viren in der biologischen Kriegführung. Wie schon erwähnt wurde, spielten biologische und chemische Massenvernichtungswaffen in den 1990er Jahren eine bedeutende Rolle im Diskurs um die nationale Sicherheit der USA. Gerade B-Waffen galten wegen der relativ geringen Schwierigkeiten bei der Beschaffung (gegenüber einer
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World Order?«, 85; außerdem Clinton, National Security Strategy 1994-1995, 5; National Security Strategy [1998], 1; National Security Strategy [1999], 1. William J. Clinton, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 23rd, 1996«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=53091 (12.05. 2007). Siehe hierzu auch Laurie Garrett, »The Return of Infectious Disease«, in: Foreign Affairs 75:1 (1996), 66-79. Siehe dazu ausführlich und mit zahlreichen Beispielen Peter Hutchings, »Satan Bugs in the Hot Zone: Microbial Pathogens as Alien Invaders«, in: Deborah Cartmell u.a. (Hg.), Alien Identities: Exploring Difference in Film and Fiction (Film/Fiction, Bd. 4), London/ Sterling 1999, 11-30. Interessant ist nicht zuletzt Hutchings Hinweis, dass Kämpfe gegen fiktionale Krankheiten eine ähnliche Funktion wie Rambos Rückkehr nach Vietnam erfüllen, indem sie den gegen AIDS verpassten Sieg nachholen. Vgl. Holsti, »Public Opinion and Foreign Policy«, 21. Zu AIDS als Problem vgl. die Umfragen in IIPO, 1992-1993, 680, und IIPO, 1997-1998, 607. Zur filmischen Aufarbeitung von AIDS in den 1990ern siehe Phil Melling, »The Adversarial Imagination«, in: Philip John Davies/Paul Wells (Hg.), American Film and Politics from Reagan to Bush Jr., Manchester/New York 2002, 182-201, hier: 196-201. Vgl. Hutchings, »Satan Bugs«, 12. Richard Preston, The Hot Zone, New York 1994.
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Atombombe) und dem enormen Tötungspotential (im Vergleich zu chemischen Kampfmitteln) als wahrscheinlichste »WMD of choice« für Terroristen und arme Staaten.127 Im Film war es für Terrorgruppen zwar unrealistisch leicht, an Nuklearwaffen zu kommen, aber die Filmemacher entdeckten zunehmend auch den Bioterrorismus als ebenso bedrohliche Alternative, beispielsweise in Twelve Monkeys (1995), Operation Delta Force (1997), The Patriot (1998), Agent Red, Mission: Impossible II (2000), Derailed (2002), Lara Croft Tomb Raider: The Cradle of Life (2003) oder Mission: Impossible III (2006). Dass solche Fiktionen nicht ohne Wirkung blieben, beweist das Beispiel des Präsidenten selbst: Clinton war nach der Lektüre von Richard Prestons Thriller The Cobra Event128 so beunruhigt, dass er einen Gipfel von US-Behörden zu terroristischen Angriffen mit Bio-Waffen anberaumte, der im März 1998 stattfand.129 Am Beispiel der Furcht vor Epidemien lässt sich noch ein weiteres Charakteristikum der Perzeption der transnationalen Gefahr beobachten, nämlich das Bild der Dritten Welt als Ursprung grenzüberschreitender, ebenso diffuser wie tödlicher Bedrohungen. Ob Viren aus Afrika, Drogen aus Lateinamerika, Einwanderer aus Asien oder Terroristen aus dem Mittleren Osten, die Vereinigten Staaten (und Westeuropa) sahen sich nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes einer Vielzahl von Angriffen auf ihre nationale Sicherheit und Einheit ausgesetzt, die allesamt von den ärmeren Regionen im Süden ausgingen. Statt der kommunistischen Staaten Osteuropas schien die Dritte Welt nun zum Gegenpol des Westens zu werden, was schon frühzeitig von zahlreichen Beobachtern mit Sorge registriert wurde.130 Hierzu passt auch, dass Russland, wie ich im vorangehenden Kapitel gezeigt habe, in dieser Zeit oft wie ein Land der Dritten Welt dargestellt wurde. Chaotische Verhältnisse, politische Instabilität, Korruption, die mangelhafte staatliche Kontrolle über das eigene Territorium und die Beheimatung krimineller und terroristischer Banden waren Merkmale, die das Bild der ehemaligen Sowjetunion, des Ostens, mit dem des Südens verbanden. Insbesondere beim Schlüsselthema der Proliferation kam der früheren UdSSR als Gefahrenherd und als Bindeglied zu anderen Sicherheitsrisiken selbstverständlich besondere Bedeutung zu. Hier vor allem konnten jene Überlegungen ansetzen, die den Kalten Krieg als bessere Zeit erscheinen ließen, wurde der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums doch als eine wesentliche Vorausset-
127 Betts, »New Threat of Mass Destruction«, 32. Siehe hierzu auch Laurie Garrett, »The Nightmare of Bioterrorism«, in: Foreign Affairs 80:1 (2001), 76-89. 128 Richard Preston, The Cobra Event, New York 1998. 129 Vgl. Hutchings, »Satan Bugs«, 11; William J. Clinton, »Interview With Judith Miller and William J. Broad of the New York Times, January 21st, 1999«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=57766 (27.07.2007). 130 Vgl. Horst Pöttker, »Medienbilder vom Süden: Anläßlich des Irak-Kriegs fünf Thesen zur Einführung«, in: Medium 21:1 (1991), 21f; Lothar Brock/Stephan Hessler, »Ein neues Feindbild? Wahrnehmungswandel in den Nord-Süd-Beziehungen«, in: Hanne-Margret Birckenbach u.a. (Hg.), Jahrbuch Frieden 1992: Konflikte, Abrüstung, Friedensarbeit, München 1991, 78-88; Volker Matthies, »› Feindbild‹ Dritte Welt? Wider die Militarisierung und Marginalisierung der Nord-Süd-Beziehungen«, in: ders. (Hg.), Kreuzzug oder Dialog: Die Zukunft der Nord-Süd-Beziehungen, Bonn 1992, 7-22.
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zung für die Ausbreitung, wenn nicht sogar für das Aufkommen der transnationalen Bedrohungen gesehen. Warum der Kalte Krieg trotz der ideologisch begründeten Feindschaft zweier hochgerüsteter Bündnissysteme rückblickend vergleichsweise positiv erschien, erklärt sich nicht zuletzt aus einem Unterschied in der Wahrnehmung der alten und der neuen Feinde, den Jürgen Link deutlich gemacht hat: Dem Ostblock wurde vom Westen ›Subjektstatus‹ zugestanden, das heißt, er wurde zwar als Antagonist begriffen, aber auch als Teil eines gemeinsamen Systems, sodass eine regelhafte Interaktion möglich war, bei der ein Mindestmaß an Verantwortlichkeit vorausgesetzt werden konnte. Die neuen Gefahren wurden dagegen komplett außerhalb des Systems, also im puren Chaos verortet.131 Gerade daraus folgte die besondere Bedrohlichkeit dieser Feinde, da für sie nicht einmal jene Schranken und Maßstäbe galten, auf die man sich bei den Sowjets zumindest hatte verlassen können. Verhandlungen und Abkommen waren mit ihnen nicht möglich. Das Chaos befand sich jenseits jeglicher Logik, darum waren seine zerstörerischen Mächte auch nicht berechenbar. Diese Vorstellung war wohlgemerkt nicht auf nichtstaatliche Akteure beschränkt. Indem die politischen Führer von als Feinden eingestuften Staaten wie Libyen, Iran, Irak oder Nordkorea als nationalistische oder religiöse Fanatiker oder schlicht als Wahnsinnige eingestuft wurden, rechnete man sie prinzipiell ebenfalls der Irrationalität und damit dem Chaos zu. Nur so ist zu verstehen, warum Herausforderungen von ›Schurkenstaaten‹ oder Terrorgruppen als bedrohlicher wahrgenommen werden konnten (und können) als die der UdSSR, obwohl sie nicht einmal ansatzweise über deren Macht verfügten. Ein irrationaler und – im Fall von Terroristen oder Kriminellen – auch schwer identifizierbarer Feind konnte nicht durch eigene Stärke abgeschreckt und schon gar nicht kontrolliert werden. Er war daher in der Lage, mit geringeren Mitteln – die er ohne Beschränkungen durch eine akzeptierte Ordnung voll ausschöpfte – ein Höchstmaß an Schaden anzurichten.132 In der Angst vor der einzelnen Atombombe kam dies beispielhaft zum Ausdruck. In The Peacemaker erklärt Dr. Kelly Colonel Devoe: »I’m not afraid of the man who wants ten nuclear weapons, Colonel. I’m terrified of the man who only wants one.« Diese Aussage findet sich beinahe identisch auch in The Sum of All Fears (2002), wo der CIA-Chef Cabot (Morgan Freeman) gegenüber dem Präsidenten äußert, man müsse auch einmal andere Gegner als Russland bei den Übungen für einen nuklearen Angriff berücksichtigen. »Who else has 27.000 nukes for us to worry about?«, fragt der Präsident, worauf Cabot entgegnet: »It’s the guy with one I’m worried about.« Die großen Arsenale, die während des Kalten Krieges als Gefahr ersten Ranges galten und Anlass zu ständiger Sorge waren, wurden nun als stabil und beinahe beruhigend betrachtet. Stattdessen ging die Bedrohung nun scheinbar von jenen aus, die nur über einen Bruchteil dieser Zerstörungskraft verfügten. Das musste zwangsläufig den Kreis potentieller Aggressoren erheblich vergrößern. 131 Jürgen Link, »Fanatics, Fundamentalists, Lunatics, and Drug Traffickers – The New Southern Enemy Image«, in: Cultural Critique 19 (Fall 1991), 33-55, hier: 39f. Eine deutlich kürzere deutsche Version dieses Aufsatzes ist »Viren- und Giftfluten: Das neue Feindbild Süd«, in: Medium 21:1 (1991), 38-41. 132 Siehe hierzu ausführlich Kap. III.2.2.
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So konnte das Bild entstehen, dass der »Doomsday« nach der Beendigung der Konfrontation der Supermächte wahrscheinlicher geworden war.133 Die irakische Invasion Kuwaits hatte für George Bush – und nicht nur für ihn – noch vor dem Zusammenbruch der UdSSR bewiesen, »[that] the world remains a dangerous place with serious threats to important U.S. interests wholly unrelated to the earlier patterns of the U.S.-Soviet relationship.«134 Diese Feststellung wiederholte er in der Folgezeit immer wieder,135 zwei Jahre später äußerte er dann sogar die Gewissheit, »that our world today is more uncertain, more unpredictable than the world we’ve left behind. The Soviet bear may be extinct, but there are still plenty of wolves in the woods, renegade rulers, outlaw regimes, madmen we simply cannot allow to get a finger on the nuclear trigger.«136 Mit einer ähnlichen Metaphorik verdeutlichte der von Clinton nominierte James Woolsey schon vor seiner Bestätigung als Director of Central Intelligence dem Geheimdienstausschuss des Senats seine Ansicht, dass die Zahl der Bedrohungen nicht gesunken, sondern gewachsen sei: »Yes, we have slain a dragon. But we live now in a jungle filled with a bewildering variety of poisonous snakes. And in many ways, the dragon was easier to keep track of.«137 Dass D-FENS überflüssig geworden sein könnte, war damit relativ schnell auszuschließen. Als eigentliches Problem stellte sich somit auf Dauer nicht ein Mangel an Bedrohungen dar, sondern deren verwirrende Vielzahl und Gestaltlosigkeit. Als Robert Kagan und William Kristol im Jahr 2000, pünktlich zum Wahlkampf, einen Sammelband herausbrachten, den sie explizit in die Tradition des Committee on the Present Danger stellten, mussten sie aus der klaren Einzahl früherer Tage einen Plural machen: Present Dangers.138 Mit der Sowjetunion war den USA der Hauptfeind verloren gegangen, der nicht nur jederzeit eindeutig identifiziert werden konnte, sondern der darüber hinaus Ordnung in das Chaos gebracht hatte. Denn die UdSSR, die ja angeblich für alles Unheil verantwortlich zeichnete, das in der Welt geschah, war sozusagen der Kitt gewesen, der die an sich damals schon vielfältigen Gefahren in den Augen der Amerikaner zusammengehalten hatte. Da Terroristen, Revolutionäre und Diktatoren jeweils als von Moskau aus gesteuert gegolten hatten, hatte man es scheinbar nur mit einem einzigen Feind zu tun gehabt. Und da man über diesen bestens Bescheid gewusst hatte, war man auch der Notwendigkeit enthoben gewesen, die anderen Bedrohungen für sich allein zu verstehen. Dass ein derartiges Ordnungsprinzip nun fehlte, stellte ein ernsthaftes Problem dar und erklärt, warum vielen Amerikanern die Welt nach dem Zusammenbruch der UdSSR letztlich unheimlicher 133 »Fighting Off Doomsday«, in: Time 28.06.1993. 134 George Bush, »Remarks at the Aspen Institute Symposium in Aspen, Colorado, August 2nd, 1990«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=18731 (12.01.2008). 135 Vgl. z.B. George Bush, »Address Before the 45th Session of the United Nations General Assembly in New York, New York, October 1st, 1990«, http://www.presidency.ucsb.edu/ ws/?pid=18883 (21.07.2007), und »Remarks to Officers and Troops at Hickam Air Force Base in Pearl Harbor, Hawaii, October 28th, 1990«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=18972 (21.07.2007). 136 George Bush, »Remarks to the American Legion National Convention in Chicago, Illinois, August 25th, 1992«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=21371 (21.07.2007). 137 »C.I.A. Nominee Wary of Budget Cuts«, in: NYT 03.02.1993. 138 Kagan/Kristol (Hg.), Present Dangers.
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war als die Zeit, in der man mit der Angst vor einem sowjetischen Überraschungsangriff und einem vernichtenden Atomkrieg gelebt hatte. Der Psychologe Eric Santner hat dieses Phänomen, dass paranoide Ängste nach dem Ende des Kalten Krieges nicht ab-, sondern zunahmen, als ›paradoxe Paranoia‹ bezeichnet und geschlussfolgert, dass die Nostalgie nach dem Konflikt der Supermächte die Sehnsucht nach einer Paranoia darstellte, die als angenehmer empfunden wurde, weil der Verfolger hier mehr oder weniger klar erkennbar und geographisch eindeutig verortet war.139 Das Ende des Kalten Krieges hatte deshalb keine beruhigende Wirkung. Hinweise auf ein anhaltendes oder sogar verstärktes Gefühl der Bedrohung finden sich in großer Zahl.140 So fällt es auf, dass bei Umfragen in den 1990er Jahren ein überraschend hoher Prozentsatz von Amerikanern (zwischen 38 und 45%) einen Weltkrieg mit amerikanischer Beteiligung innerhalb der nächsten zehn Jahre erwartete.141 Bei einer anderen Erhebung im März 1994 vertraten 67% der Befragten die Meinung, dass die Welt seit dem Ende des Kalten Krieges gefährlicher geworden sei.142 Hinzu kommt eine bemerkenswerte Ausbreitung ›hysterischer Epidemien‹, die Elaine Showalter zu der Feststellung veranlasst haben, in den 1990er Jahren seien die Vereinigten Staaten zur »hot zone of psychogenic diseases« geworden.143 Es liegt nahe, in den über die Medien verbreiteten hysterischen Syndromen, zu denen etwa die Behauptung gehörte, von Aliens entführt oder von Satanisten missbraucht worden zu sein, und die von den verborgenen Ängsten und Bedürfnissen einer Kultur sprechen,144 auch einen Ausdruck der ›paradoxen Paranoia‹ zu sehen, die durch den Verlust eines ›beruhigenden‹ Feindes ausgelöst wurde. Zu beachten ist zweifelsohne auch, dass in den 1990er Jahren das Genre des Paranoia-Thrillers, das »in der Filmproduktion Hollywoods in der Dekade der 80er Jahre nahezu gänzlich von der Leinwand verschwunden« war,145 eine neue Blüte erlebte. Am Anfang dieser neuen Welle stand natürlich JFK (1991), der das Attentat auf John F. Kennedy zum Ergebnis einer gigantischen Verschwörung erklärte. Ein fiktives Komplott zur Ermordung des Präsidenten behandelte Shadow Conspiracy (1997), in Snake Eyes (1998) war es der Verteidigungsminister, der von seinem eigenen Sicherheitsbeauftragten aus dem Weg geräumt wurde. Absolute Power (1997) machte dagegen ausnahmsweise das Staatsoberhaupt selbst zum Bösewicht. Verbrecherische Machenschaften der Geheimdienste in Produktionen wie The Long Kiss Goodnight wurden schon erwähnt; als weitere Beispiele wären hier Bad Company (1995), Mer139 Eric L. Santner, My Own Private Germany: Daniel Paul Schreber’s Secret History of Modernity, Princeton 1996, xiiif. 140 Junker, Power and Mission, 143, irrt daher, wenn er die Suche nach neuen Feinden allein zur Sache politischer Eliten erklärt und schreibt: »Die ganz überwiegende Mehrheit der Amerikaner fühlte sich nach dem Ende des Kalten Krieges in den Grenzen der kontinentalen USA sicher, eine Bedrohung der westlichen Hemisphäre war nicht zu erkennen.« 141 Vgl. IIPO, 1991-1992, 276; IIPO, 1993-1994, 298; IIPO, 1996-1997, 290; IIPO, 19981999, 274. 142 IIPO, 1994-1995, 619. 143 Elaine Showalter, Hystories: Hysterical Epidemics and Modern Culture, London 1997, 4. 144 Vgl. ebenda 203. 145 Gérard Naziri, Paranoia im amerikanischen Kino: Die 70er Jahre und die Folgen (Filmstudien, Bd. 35), St. Augustin 2003, 214. Zu den 1990ern vergleiche ebenda, 290-4.
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cury Rising (1998), Enemy of the State (1998) und der programmatisch betitelte Conspiracy Theory (1997) zu nennen. Es ist offensichtlich, dass Regierungsbehörden und -vertreter in den 1990ern verstärkt als Schurken benutzt wurden. Der Behauptung der New York Times, diese Filme gingen mit ihren Angriffen noch über die Vorbilder aus den 1970er Jahren hinaus,146 muss jedoch widersprochen werden. Tatsächlich fällt im Gegenteil auf, dass die neuen Produktionen vergleichsweise zahm waren. »Nicht die institutionelle Macht per se wird als potentielle Gefahrenquelle dargestellt, sondern der persönliche Stil und die Aufrichtigkeit der jeweiligen Akteure liegen im Fokus«, wie Gérard Naziri bemerkt hat.147 Die Rätsel werden hier in aller Regel gelöst, die Bösen zur Strecke und die Welt in Ordnung gebracht. Ein tiefverwurzeltes Misstrauen gegenüber der eigenen Regierung zeigen diese Filme – mit Ausnahme von JFK, der allerdings Kennedy glorifiziert – nicht. Vielleicht kann man aber argumentieren, dass sie wiederum auf ein Bedürfnis nach identifizierbaren Bösewichten einerseits und die Unsicherheit über deren Ort in der Welt andererseits verweisen. Derweil bemühte man sich, das Chaos zu ordnen und ein neues einheitliches Feindbild zu schaffen. Die wachsende Bedeutung des Konzepts des ›Schurkenstaates‹, der nach Massenvernichtungswaffen strebt und Terroristen unterstützt, ist nicht zuletzt in diesem Zusammenhang zu sehen.148 Vor allem betonte Clinton immer wieder, dass auch die verschiedenen transnationalen Bedrohungen miteinander verknüpft seien. Auf die Spitze trieb er dies, als er von einer »unholy axis of terrorists, drug traffickers, and international criminals« sprach.149 Mit dieser Formulierung postulierte der Präsident nicht nur ein Bündnis zwischen den drei Gruppen und verschmolz sie dadurch zu einem einzigen Feind, er evozierte dabei außerdem einen Vergleich mit dem Kampf gegen den Faschismus im Zweiten Weltkrieg. Dies war zweifellos ein bewusster Versuch, die 1990er Jahre trotz aller Widernisse in das manichäische Schema einer vermeintlich besseren Zeit einzuordnen.
1.3 »IT’S JUST NOT SIMPLE ANYMORE«: DIE SEHNSUCHT NACH EINER MANICHÄISCHEN WELT Die Clinton-Administration war immer wieder bemüht, die 1990er Jahre in die Tradition des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges zu stellen. Schon bei seiner Amtseinführung dankte der neue Präsident »the millions of men and women whose
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»Hollywood Presents: Government as Villain«, in: NYT 12.02.1995, Naziri, Paranoia im amerikanischen Kino, 292. Siehe dazu Kap. III.2. William J. Clinton, »Remarks to the 52nd Session of the United Nations General Assembly in New York City, September 22nd, 1997«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=54652 (27.07.2007). Er verwendete diese Formulierung in der Folge noch häufiger, vgl. »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 27th, 1998«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=56280 (12.05.2007), und »Remarks at the Pentagon in Arlington, Virginia, February 17th, 1998«, http://www.presi dency.ucsb.edu/ws/?pid=55483 (27.07.2007).
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steadfastness and sacrifice triumphed over depression, fascism, and communism.«150 Später erklärte er mit Blick auf die neuen Bedrohungen: »Appeasement of organized evil is not an option for the next century any more than it was in this century. Like the vigilant generations that brought us victory in World War II and the cold war, we must stand our ground.«151 Dass die glorreiche Vergangenheit ein Leitfaden für die Gegenwart sein sollte, machte auch der Nationale Sicherheitsberater deutlich, als er in der New York Times schrieb: »To many Americans, the cold war divisions have given way to a confusing tangle of problems that prevent us from setting clearly defined goals for our foreign policy. […] Beneath the surface, however, there is an enduring truth about this new world. The same idea attacked by Fas152 cism and Communism remains under attack today.«
Man kann hier zum einen feststellen, dass nun vollends die unter Reagan wieder zu voller Blüte gelangte Erzählung über den Kalten Krieg kanonisiert wurde, die ihn als Fortschreibung des Zweiten Weltkrieges darstellte. Zum andern wird gerade bei dem Zitat von Lake deutlich, dass die zurückliegenden Konflikte nicht nur deshalb beschworen wurden, weil sie mit den größten Triumphen der USA verbunden wurden, sondern außerdem wegen ihrer Klarheit, die man auf diese Weise auch für die eigene Zeit reklamierte. Für Amerikas Selbstverständnis als Macht des Guten im fortwährenden Kampf gegen das Böse blieb die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg von größter Bedeutung, gerade in einer Zeit, die Anlass zur Unsicherheit bot. Als die UdSSR sich auflöste und damit der totalitäre Feind verschwand, warf dies verstörende Fragen auf. Für das Magazin Time war im Juni 1991 plötzlich die Existenz des Bösen an sich zweifelhaft, wovon dann natürlich auch der Gegenpol betroffen war. »Does the good become meaningless in a world without evil?«, lautete die bange Frage. Der Essay ließ aber zumindest keinen Zweifel daran, dass es das Böse früher in eindeutig identifizierbarer Gestalt gegeben hatte: »Hitler was evil«, das zumindest stand fest.153 Vier Jahre später beklagte Andrew Delbanco – ein Sohn deutscher Juden, die vor Hitler geflohen waren –, dass die Amerikaner den Bezug zum Bösen als ontologische Kategorie verloren hätten. Selbst die Sprache des Kalten Krieges, die dem Metaphysischen noch am nächsten gekommen wäre, hätte man nun nicht mehr. Trotz einer kritischen Perspektive auf die Instrumentalisierung des Konzepts des Bösen in der Geschichte stellte Delbanco fest: »We want Satan back because God depends on him.«154 Beim Betrachten der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Invasion in der 150 William J. Clinton, »Inaugural Address, January 20th, 1993«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=46366 (12.05.2007). 151 William J. Clinton, »Remarks at the Michigan State University Commencement Ceremony in East Lansing, Michigan, May 5th, 1995«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 51317 (27.07.2007). 152 »The Reach of Democracy: Tying Power To Diplomacy«, in: NYT 23.09.1994. 153 Time 10.06.1991 mit der Titelschlagzeile: »Evil: Does it exist – or do bad things just happen?« und dem Essay »Evil« von Lance Morrow. 154 Andrew Delbanco, The Death of Satan: How Americans Have Lost the Sense of Evil, New York 1995, 228.
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Normandie verspürte er Zweifel, »whether Americans were still equipped to recognize evil if it should be visited upon us again.«155 Tatsächlich diente der Zweite Weltkrieg den USA gerade angesichts der Jubiläen in den 1990er Jahren zur Vergewisserung über das Böse. »Evil still stalks the planet«, vermerkte Ronald Reagan in einem Artikel zum D-Day-Jahrestag und führte Kuwait und Bosnien als Beispiele an.156 Auch Time erkannte anlässlich des V-E-Day überall auf der Welt Zeugnisse für »Hitlerism’s enduring power« und sprach daher – in deutlichem Gegensatz zu früheren Zweifeln – von »The Evil That Won’t Die«.157 Obwohl das Böse demnach weiterhin existierte und damit auch der Bedarf nach einer Macht für das Gute gesichert war, erschien vielen Amerikanern der Zweite Weltkrieg als bessere Zeit.158 Im Kontext der Würdigungen für die Helden des größten Sieges der USA, zu denen unter anderem der 1993 in Gesetzesform gegossene Beschluss gehörte, ein National World War II Memorial auf der Mall in Washington zu errichten,159 machte sich in den Vereinigten Staaten eine die bisherige Verehrung noch in den Schatten stellende Nostalgie breit. Den Höhepunkt erreichten diese Gefühle 1998 mit der Veröffentlichung von Tom Brokaws Bestseller The Greatest Generation160 und Steven Spielbergs Film Saving Private Ryan. Der Erfolg dieser Produktion bedeutete die triumphale Rückkehr eines Genres, das 20 Jahre lang nahezu komplett von der Leinwand verschwunden gewesen war.161 Der Film spielte allein in den USA mehr als 216 Millionen Dollar ein,162 wurde mit fünf Oscars und zahlreichen weiteren Preisen ausgezeichnet und stieß bei den Kritikern auf fast einhellige Begeisterung. Es war die Rede von »the finest war movie of our time«163 und gar »the greatest war movie ever made«.164 Eine der wenigen ne155 Ebenda, 6. 156 »Why We Should Always Remember: The Lessons of the D-Day Invasion for a World Still Stalked by Evil«, in: WP 05.06.1994. 157 »Hitler: The Evil That Won’t Die«, in: Time 08.05.1995. 158 Vgl. dazu auch die Umfrage in IIPO, 1994-1995, 640f. 159 Offiziell eingeweiht wurde dieses Denkmal am 29. Mai 2004. 160 Tom Brokaw, The Greatest Generation, New York 1998. 161 Die umfassendste Studie des Genres ist Jeanine Basinger, The World War II Combat Film: Anatomy of a Genre. Updated Filmography by Jeremy Arnold, Middletown 2003. Die Filmographie ebenda, 263-341, nennt im Zeitraum zwischen 1979 und 1997 nur fünf Filme. 162 Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1998/SVPRI.php (18.06.2007). 163 »Panoramic and Personal Visions of War’s Anguish«, in: NYT 24.07.1998. 164 »›Private Ryan‹: Steven Spielberg’s Unflinching Tribute To the Men Who Conquered Hell«, in: WP 24.07.1998. Für weitere positive bis überschwängliche Rezensionen siehe »War Is Hell«, in: SFC 24.07.1998 (online: http://www.sfgate.com/cgi-bin/article.cgi?f=/ c/a/1998/07/24/DD35860.DTL, 12.01.2008); »Spielberg’s ›Private‹ Matters«, in: SFE 24.07.1998 (online: http://www.sfgate.com/cgi-bin/article.cgi?f=/e/a/1998/07/24/WEEK END8689.dtl, 12.01.2008); »Saving Private Ryan« auf http://rogerebert.suntimes.com/ apps/pbcs.dll/article?AID=/19980724/REVIEWS/807240304/ 1023, 12.01.2008; »Reel War«, in: Time 10.08.1998; »By Being honest About Violence, Spielberg Wins«, in: NYT 02.08.1998; »› Ryan‹ Storms Screen With Heart-Rending Evocation of War«, in: WT 24.07.1998; »› Private‹ First Class For Spielberg«, in: NYP 24.07.1998.
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gativen Reaktionen kam von Richard Grenier, der Spielberg in der Washington Times Antiamerikanismus vorwarf.165 Wie Stephen Hunter in der Post feststellte, war dies wohl eher auf eine persönliche Aversion gegenüber dem Regisseur und seinen liberalen Bekenntnissen zurückzuführen als auf eine Analyse des Films, den Hunter als »probably the most conservative film of the decade« lobte.166 In der Tat muss man Vincent Canby zustimmen, dass es »wishful thinking« wäre, Saving Private Ryan als Antikriegsfilm einzuordnen.167 Die schwierige Frage, wann ein Film dieses Prädikat verdient hat beziehungsweise ob es überhaupt möglich ist, Krieg auf der Leinwand darzustellen, ohne ihn zu romantisieren, kann an dieser Stelle nicht erschöpfend behandelt werden.168 Spielbergs Film weist aber ohnehin nur einen Aspekt auf, der die Vermutung nahelegt, es könne sich um eine Kritik an Krieg handeln, nämlich die um Realismus bemühte Darstellung der Schlachten. Die drastische Brutalität und Unmittelbarkeit des Kampfgeschehens insbesondere der D-DaySequenz, die in entscheidender Weise durch die Tonebene und Kameraführung erzeugt wird, war in diesem Genre ein Novum und erregte entsprechende Aufmerksamkeit. Obwohl diese Szenen ohne Frage das Grauen des Krieges bloßlegen, wäre es falsch, allein deshalb auf eine kritische Haltung zu schließen. Wie sich auch an späteren, von Saving Private Ryan sicherlich beeinflussten Produktionen wie Black Hawk Down (2001) oder We Were Soldiers (2002) beobachten lässt, schließen sich äußerst blutige Bilder vom Leiden der Soldaten und eine das Militärische feiernde Botschaft keineswegs aus. Philippa Gates hat zu den ›authentischen‹ Kampfsequenzen in diesen Filmen angemerkt, »[that] they do not necessarily offer a more accurate portrayal of war and most often merely mask increasingly idealistic moral assertions.«169 Gerade an Saving Private Ryan wird deutlich, dass die Betonung des hohen Preises, der im Krieg gezahlt werden muss, nicht zu dessen Diskreditierung führen muss. Im Gegenteil: Wenn der im Sterben liegende Captain Miller (Tom Hanks) den jungen James Ryan (Matt Damon) am Ende mit seinen letzten Worten auffordert: »Earn this!«, dann richtet sich der Film damit an die Amerikaner der Gegenwart, denen vor Augen gehalten wird, dass 50 Jahre zuvor mutige Männer durch die Hölle des Krieges und oft genug in den Tod gingen, um nachfolgenden Generationen ein sicheres und freies Leben zu ermöglichen.170
165 »Saving Private Spielberg«, in: WT 28.07.1998. 166 »Strafing ›Private Ryan‹ «, in: WP 09.08.1998. 167 »Saving a Nation’s Pride of Being: The Horror and Honor of a Good War«, in: NYT 10.08.1998. 168 Siehe dazu Michael Strübel, »Kriegsfilm und Antikriegsfilm: Ein filmgeschichtlicher Abriss aus der Sichtweise der internationalen Politik«, in: ders (Hg.), Film und Krieg, 39-73. 169 Philippa Gates, »›Fighting the Good Fight‹: The Real and the Moral in the Contemporary Hollywood Combat Film«, in: QRFV 22:4 (2005), 297-310, hier: 298. 170 Anthony McCosker, »Suffering with Honour: The Visual Brutality of Realism in the Combat Film«, in: Scope 2 (2005), http://www.scope.nottingham.ac.uk/article.php?issue= 2&id=70 (27.05.2006), analysiert die Rechtfertigung der Gewalt in Saving Private Ryan »as an act of memorialisation, as a way of shocking ›complacent‹ U.S. and Western audiences into a new process of remembering the past and confirming the moral right of ›the good war‹.«
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Das Töten und Sterben ist in Saving Private Ryan alles andere als sinnlos. Dass innerhalb von Millers Gruppe Zweifel an der Mission geäußert werden, Ryan zu finden, steht dazu in keinem Widerspruch, denn der Film befindet sich damit durchaus in der Tradition des Genres.171 Solche Diskussionen dienten schon in den während des Krieges entstandenen Produktionen dazu, eventuelle Bedenken des Publikums zu verbalisieren und auszuräumen. Zudem wird zu keinem Zeitpunkt der Sinn des Krieges in seiner Gesamtheit ernsthaft in Frage gestellt. »The cause […] was nothing less than civilization«, schrieb Stephen Ambrose, der als historischer Berater bei Saving Private Ryan fungierte, kurz vor dem Kinostart,172 und der Film rüttelt an dieser Aussage nicht. Die Opfer, die gebracht wurden, werden als schwer, aber notwendig dargestellt. Dies zeigt sich überdeutlich, wenn Ryan sich am Schluss weigert, seinen Posten und seine Kameraden zu verlassen, und die Mission damit zur Verteidigung einer strategisch wichtigen Brücke umgeschrieben wird. Die finale Schlacht behält zwar den Inszenierungsstil der erschütternden Eröffnungssequenz bei, unterscheidet sich von dieser jedoch fundamental, indem sie einer klaren, konventionellen Dramaturgie folgt, die Miller seinen Männern und dem Zuschauer vor Beginn des Gefechts anhand des Schlachtplans erläutert. Dem Geschehen wird damit eine nachvollziehbare Sinnstruktur unterlegt. Der Kampf einer kleinen Gruppe von Amerikanern gegen eine an Zahl und Material weit überlegene Einheit der Waffen-SS folgt den Mustern mythischer Erzählungen, bis hin zum Auftauchen der ›Kavallerie‹ im letzten Moment. Saving Private Ryan zeigt zwar einige ungewöhnliche Szenen, etwa G.I.s, die sich ergebende Wehrmachtssoldaten einfach niederschießen, bleibt aber insgesamt den konservativen Genrekonventionen auffallend treu, auch was die Darstellung der Feindes angeht. Nur ein einzelner deutscher Soldat wird aus der Masse der gesichtslosen Nazi-Truppen herausgehoben und dies noch dazu in höchst zwiespältiger Wiese, da der Gnadenakt, das Leben eines Gefangenen geschont zu haben, sich hier letztendlich als schwerer Fehler erweist, der mehrere der amerikanischen Helden, unter anderem Miller selbst, das Leben kostet. Der Deutsche zeigt sich undankbar und wortbrüchig, des Mitgefühls der Amerikaner unwürdig. In der Forschung herrscht aus den genannten Gründen ein breiter Konsens, dass der Film »an der Legende des Zweiten Weltkriegs [mitbaut].«173 Er tut dies nicht zuletzt auch dadurch, dass er die Alliierten der USA nahezu vollständig ausblendet. Davon, dass die Invasion in der Normandie und die Befreiung Europas ein multinationales Unternehmen waren, ist hier nichts zu sehen. In einem einzigen Dialog wird kurz auf die britischen Verbündeten Bezug genommen und dann in bezeichnend negativer Weise. Andere Nationen werden auf die hilflose französische Zivilbevölkerung reduziert. Saving Private Ryan trägt damit zu der für die Nostalgie der 1990er
171 Vgl. McCrisken/Pepper, American History, 92. 172 »The Kids Who Changed the World«, in: Newsweek 13.07.1998. 173 Etges, »The Best War Ever?«, 176. Vgl. auch Frank P. Tomasulo, »Empire of the Gun: Steven Spielberg’s Saving Private Ryan and American Chauvinism«, in: Lewis (Hg.), End of Cinema, 115-30; Krin Gabbard, »Saving Private Ryan Too Late«, in: ebenda, 13138; John Hodgkins, »In the Wake of Desert Storm: A Consideration of Modern World War II Films«, in: JPFT 30:2 (2002), 74-84. McCrisken/Pepper, American History, 125; Basinger, World War II Combat Film, 253-62.
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Jahre so wichtigen Stilisierung der Vereinigten Staaten zum alleinigen Retter der Welt im Kampf gegen den Totalitarismus bei. Der ›Kreuzzug‹ gegen den Faschismus blieb in der Erinnerung einer komplexen Zeit, die ohne einen Hitler auskommen musste, kostbar als »one of the few occasions when might was unimpeachably associated with right.«174 Saving Private Ryan sprach solche nostalgischen Gefühle direkt an, indem er den Zweiten Weltkrieg als großen, aber vergangenen Moment in der amerikanischen Geschichte porträtierte. Schon die Werbekampagne sprach von »the last great invasion in the last great war«.175 Ob es den Amerikanern der Gegenwart möglich sein würde, ihre Schuld gegenüber der »greatest generation« abzutragen und deren Leistung zu wiederholen, musste nach dem ›Ende der Geschichte‹ fraglich erscheinen. Nach dem Erfolg von Spielbergs Film wurde der Zweite Weltkrieg wieder häufiger auf die Leinwand gebracht.176 Die Sehnsucht nach einer einfacheren Welt, in der große amerikanische Taten möglich waren, prägte aber auch noch andere Produktionen. Ins Auge stechen hier zunächst die Katastrophenfilme der späten 1990er Jahre, vor allem Armageddon (1998) und Deep Impact (1998), die beide von der drohenden Vernichtung allen Lebens auf der Erde durch den Einschlag eines riesigen Asteroiden handeln. Derartige Szenarien hatten zu Beginn des Jahrzehnts plötzlich öffentliches Aufsehen erregt und die New York Times argwöhnen lassen, dass die »Perfect Peril« für die Zeit nach dem Kalten Krieg gefunden sei.177 Interessant ist, dass beide Filme – passend zum bevorstehenden Jahrtausendwechsel – apokalyptische Visionen präsentieren, das Ende der Welt aber als durch den entschlossenen Einsatz von Amerikanern abwendbar darstellen.178 Eine besondere Rolle fällt dabei militärischen Organisationen und Strukturen zu. Die Beziehung von Katastrophenfilm und Kriegskino geht hier über die bloße Verwandtschaft in der Behandlung eines bedrohlichen Ausnahmezustandes hinaus. Armageddon und Deep Impact sind quasi Kriegsfilme, die die Abwehr eines Angriffs von außen zeigen und dabei bekannte Muster und Motive verwenden.179 174 »The Last Crusaders?«, in: Time 06.06.1944. 175 Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0120815/taglines (23.01.2008). 176 Im selben Jahr war auch der weniger erfolgreiche, obwohl von einigen Kritikern als vielschichtiger gelobte The Thin Red Line (1998) in die Kinos gekommen. U-571 (2000), Pearl Harbor (2001), Windtalkers (2002) und Hart’s War (2002) schrieben die Erzählung vom ›guten Krieg‹ fort. 177 »Killer Asteroids: The Perfect Peril«, in: NYT 06.04.1992. Vgl. auch Time 23.05.1994 mit der Titelschlagzeile: »Cosmic Crash: A shattered comet is about to hit Jupiter, creating the biggest explosion ever witnessed in the solar system. Could it happen here on Earth? Yes…«. 178 Siehe dazu Conrad Ostwalt, »Armageddon at the Millenial Dawn«, in: Journal of Religion and Film 4:1 (2000), http://avalon.unomaha.edu/jrf/armagedd.htm (07.08.2006). 179 Siehe dazu ausführlich Harald Fricke, »Mobilisierung für die Massen. Amerikanische Untergangsängste, Mythen und Science-fiction: Armageddon von Michael Bay«, in: Margrit Frölich u.a. (Hg.), Nach dem Ende: Auflösung und Untergänge im Kino an der Jahrhundertwende (Arnoldshainer Filmgespräche, Bd. 17), Marburg 2001, 117-26, v.a. 119; Herbert Mehrtens, »Die filmische Konstruktion der kampfbereiten Nation: ›Deep Impact‹«, in: Chiari u.a. (Hg.), Krieg und Militär, 179-98.
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Besonders deutlich ist die Verschmelzung von Kriegs- und Katastrophenfilm in Independence Day (1996), in dem die Bedrohung aus dem All kein unpersönlicher Asteroid, sondern eine außerirdische Invasion ist.180 An den Kinokassen übertraf der Erfolg dieses Films beinahe alles bisher Dagewesene: Das Einspielergebnis in den USA belief sich auf mehr als 306 Millionen Dollar, die weltweiten Einnahmen lagen bei fast 817 Millionen.181 Die Aufnahme durch die Kritik fiel nicht einhellig positiv aus,182 dafür erteilten sowohl Clinton als auch sein republikanischer Herausforderer Bob Dole, die sich damals im Wahlkampf befanden, Independence Day öffentlich ihren Segen.183 Der Film bot sich für solche Bekenntnisse an, da er familienfreundlich inszenierte Spannung mit einer überaus patriotischen Botschaft verband. »It’s a feelgood-about-America type of movie«, wie Darstellerin Vivica A. Fox treffend bemerkte: »Makes you believe in land of the free, home of the brave.«184 ID4, wie der Film auch kurz genannt wird, führt seinem Publikum zu diesem Zweck zunächst ein äußerst bedrohliches Szenario vor: Zwei Tage vor dem amerikanischen Unabhängigkeitstag tauchen plötzlich riesige Raumschiffe einer technologisch hochentwickelten außerirdischen Zivilisation über den Großstädten der Erde auf. Das Äußere dieser massiven Flugobjekte und die gigantischen Schatten, die sie auf die Metropolen der Menschheit werfen, lassen von Anfang an nichts Gutes erahnen, und die schlimmsten Befürchtungen werden erfüllt, als kurz darauf der Angriff beginnt. Washington, New York City und Los Angeles, sozusagen die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Hauptstädte der USA, werden sofort nahezu vollständig vernichtet. Die amerikanischen Zuschauer können in diesen Szenen, die auch die Werbekampagne prägten, mit wohligem Grusel die Zerstörung diverser nationaler Symbole – vom Empire State Building bis zum Weißen Haus – verfolgen. Die Überlegenheit der außerirdischen Aggressoren kommt wirkungsvoll zum Ausdruck, wenn sie mit einem einzigen Energiestrahl eine komplette Großstadt in eine Flammenhölle verwandeln. Sie wird noch deutlicher, als der erste Gegenangriff der US-
180 Für ausführliche Analysen dieses Films siehe auch Markus Koch, Alien-Invasionsfilme: Die Renaissance eines Science-fiction-Motivs nach dem Ende des Kalten Krieges, München 2002, 82-109; Michael Paul Rogin, Independence Day, or How I Learned to Stop Worrying and Love the Enola Gay, London 1998. 181 Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1996/0ID4.php (18.06.2007). 182 Vgl. »Space Aliens, Action and a Chance to Save the Planet«, in: NYT 02.07.1996; »Independence Day«, in: AC 12.07.1996 (http://www.austinchronicle.com/gyrobase/Calen dar/Film?Film=oid:138121, 10.06.2007); »Independence Day«, auf http://rogerebert. suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19960702/REVIEWS/607020301/1023 (10.06. 2007); »These Scenes Are Self-Evident«, in: SFE 02.07.1996 (http://www.sfgate.com/ cgi-bin/article.cgi?f=/e/a/1996/07/02/STYLE6573.dtl, 10.06.2007); »Declaration of ›Independence‹ « , in: SFC 02.07.1996 (http://www.sfgate.com/cgi-bin/article.cgi?f=/c/a/ 1996/07/02/DD57773.DTL, 10.06.2007). 183 Vgl. Rogin, Independence Day, 9f. 184 Zitiert nach dem Werbefeature »ID4 Invasion«, enthalten beim Zusatzmaterial der Special Edition der DVD von 20th Century Fox Home Entertainment.
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Luftwaffe in einem Debakel endet, weil die amerikanischen Raketen nicht einmal in der Lage sind, die Schutzschilde zu durchdringen, die die Raumschiffe umgeben.185 Doch selbstverständlich ist die Menschheit, für die Amerika synekdochisch steht, nicht so leicht unterzukriegen, und die Handlung führt in der Folge ein Triumvirat zusammen, das die Rettung der Erde in die Wege leitet: den weißen Präsidenten Thomas Whitmore (Bill Pullman), den jüdischen Computerspezialisten David Levinson (Jeff Goldblum) und den schwarzen Kampfpiloten Captain Steven Hiller (Will Smith). Gemeinsam initiieren diese drei am 4. Juli eine wagemutige Gegenoffensive. Jedem kommt dabei eine andere Schlüsselrolle zu: Steven steuert ein in den 1950er Jahren abgestürztes und seither in einer geheimen Militäreinrichtung bei Roswell verstecktes Raumschiff186 ins All und zum außerirdischen Mutterschiff, damit David dort einen Computervirus einspeisen kann, der die Schilde der Angreifer deaktiviert und so die Durchführung einer erfolgreichen Attacke unter der persönlichen Führung von Whitmore ermöglicht.187 Wie Michael Rogin dargelegt hat, belebt Independence Day mit der Zusammenarbeit dieser Charaktere die »New Deal coalition« neu, »the World War II-civil rights alliance of European ethnics, blacks and progressive WASPs.«188 Dieses Bündnis geht allerdings auf Kosten eines umfassenderen Pluralismus beziehungsweise des in den 1990er Jahren so umstrittenen multiculturalism. Andere Minderheiten wie Latinos und Asiaten kommen kaum vor und sind auf bedeutungslose Randpositionen reduziert. Gleichzeitig führt der Konflikt mit den Invasoren zur Wiederherstellung einer konservativen Gender-Ordnung. Davids hysterischer schwuler Chef Marty kommt bereits in der ersten Phase des Angriffs um, hilflos mit seinem Auto im Stau feststeckend. Auch Jimmy, dessen Beziehung zu seinem Kameraden Steven spielerisch homosexuell konnotiert ist, muss frühzeitig sterben: Er verliert sein Leben bei dem katastrophalen ersten Gegenangriff. Diejenigen Männer, die auch nur in Verdacht stehen könnten, nicht wirklich maskulin zu sein, erweisen sich also in der Krisensituation als nicht überlebensfähig. Zudem werden die Frauenfiguren konsequent in eine untergeordnete Position gedrängt und haben an der Rettung der Erde keinen nennenswerten Anteil. Selbst Stevens Freundin Jasemin (Vivica A. Fox), die noch die aktivste weibliche Rolle hat, wird auf eine klassisch weibliche Handlung, die Versorgung von Opfern des Alien-Angriffs, festgelegt. Davids Ex-Frau Connie (Margaret Colin), die ihre Ehe der Karriere geopfert hat, verliert dagegen trotz ihres scheinbaren Zugangs zur Macht als Pressesprecherin des Präsidenten innerhalb kürzester Zeit jeg185 Der Film bedient sich hier wie an anderen Stellen unverhohlen bei Star Wars (1977) und The War of the Worlds (1953) nach dem gleichnamigen Roman von H.G. Wells (London 1898). 186 Wegen dieses Handlungselements erhielt die Produktion keine Unterstützung vom an sich wohlgesonnenen Pentagon; vgl. dazu den Audiokommentar von Produzent Dean Devlin. 187 Eine vierte wichtige Rolle, die allerdings nicht so eng mit den anderen dreien verbunden ist, ist die des Vietnamveteranen Russell Casse (Randy Quaid), der das außerirdische Raumschiff, das unter Whitmores Führung angegriffen wird, mit einem Kamikazeangriff zerstört. Er übernimmt damit die aus den 1980er Jahren bekannte Erlöserfunktion des Vietnamveteranen. 188 Rogin, Independence Day, 41f.
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liche Initiative. Die Katastrophe führt sie zurück an Davids Seite, der sie nun auch durch seinen männlichen Einsatz zu beeindrucken vermag. Die First Lady (Mary MacDonnell) schließlich bezahlt für ihr unabhängiges Verhalten sogar mit dem Leben. Mit der Einsicht des nahen Todes bittet sie ihren Mann auf dem Sterbebett um Verzeihung, weil sie gegen seinen Wunsch L.A. nicht rechtzeitig verlassen hat.189 So entfaltet die außerirdische Invasion trotz aller Tragik für die drei männlichen Hauptfiguren und die Gesellschaft insgesamt eine geradezu heilsame Wirkung. Steven erhält die Möglichkeit, seinen Traum von einem Flug ins All zu verwirklichen, und heiratet darüber hinaus Jasemin – vor dem Alienangriff hätte eine Ehe mit der Stripperin seine Karriere gefährdet. David wiederum gewinnt Connie zurück. Der Präsident verliert zwar seine Frau, dies scheint beim Happy End aber schon fast vergessen zu sein, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass ihn der Angriff der Außerirdischen aus der Krise befreit, in der er sich zu Beginn des Films befindet. In den ersten Szenen wird deutlich, dass der jugendliche Staatschef, der im Kuwaitkrieg noch als Kampfpilot gedient hat, politisch angeschlagen ist. In einer Diskussionsrunde im Fernsehen wird hart mit ihm ins Gericht gegangen. »Leadership as a pilot in the Gulf War is completely different from leadership in politics«, heißt es da. Und – bezeichnenderweise – von einer weiblichen Expertin ist zu hören: »They elected a warrior and got a wimp.« Whitmores Problem liegt offensichtlich nicht darin, dass er nicht zur Führungspersönlichkeit taugt. Aber die komplizierte Welt der 1990er Jahre bietet ihm keine Möglichkeit, geradlinig zu führen. »It’s just too much politics, it’s too much compromise«, analysiert Connie die Lage. Insofern ist die Invasion das Beste, was dem Präsidenten passieren kann. Zwar hadert er nach dem ersten Angriff noch mit seiner Rolle und der Verantwortung: »We could have evacuated the cities hours ago. That’s the advantage of being a fighter pilot. In the Gulf War, we knew what we had to do. It’s just not simple anymore.« Doch der außerirdische Angriff stellt eine Kriegssituation – wie in Whitmores ruhmreicher Vergangenheit – her und macht die Dinge damit endlich wieder einfach. Nun sind keine politischen Kompromisse mehr nötig, ja nicht einmal mehr möglich. Der Präsident kann endlich zu der Führerfigur werden, die in ihm steckt, aus dem »wimp« wird wieder ein »warrior«, der seine Truppen sogar wie ein mittelalterlicher König selbst in die Schlacht und zum Sieg führt. Die für das US-Kino ohnehin typische Glorifizierung des Präsidenten wird damit in Independence Day auf die Spitze getrieben.190 Dazu gehört auch, dass Whitmore in diesem Film am Ende in mehr als nur einem übertragenen Sinn zum Führer der Welt wird. Nachdem sie einen Plan ausgearbeitet 189 Diese antifeministische Haltung ist für die apokalyptischen Szenarien dieser Zeit durchaus typisch; siehe dazu Joel W. Martin, »Anti-Feminism in Recent Apocalyptic Film«, in: Journal of Religion and Film 4:1 (2000), http://avalon.unomaha.edu/jrf/antifem.htm (07.08.2006). 190 Zum US-Präsidenten im Hollywoodfilm siehe Bidaud, Hollywood et le Rêve américain, 125-8; zum Typus des ›Kriegerpräsidenten‹ als Verkörperung der Sehnsucht nach einfacheren Zeiten in den 1990er Jahren siehe Stefan Butter, »› He Knows How to Fight‹: The Warrior President as Leader of the (Free) World in Independence Day (1996) and Air Force One (1997)«, in: Wilfried Mausbach u.a. (Hg.), The American Presidency: Multidisciplinary Perspectives, Heidelberg 2012, 323-35.
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haben, wie die Außerirdischen besiegt werden können, teilen die Amerikaner diesen per Morsecode den menschlichen Widerstandsnestern auf der ganzen Welt mit und der Präsident wendet sich in einer Ansprache an seine Leute: »Mankind. That word should have new meaning for all of us today. We can’t be consumed by our petty differences anymore. We will be united in our common interest. Perhaps it’s fate that today is the Fourth of July. And you will once again be fighting for our freedom. Not from tyranny, oppression or persecution. But from annihilation. We’re fighting for our right to live. To exist. And should we win the day, the Fourth of July will no longer be known as an American holiday but as the day when the world declared in one voice: We will not go quietly into the night! We will not vanish without a fight! We’re going to live on! We’re going to survive! Today, we celebrate our Independence Day!«
Die Alien-Invasion bringt also nicht nur die amerikanische Gesellschaft zusammen, sie eint die ganze Welt und hat damit statt dystopischer letztendlich utopische Qualität. ID4 greift hier auf eine Idee zurück, die interessanterweise für Ronald Reagan sehr wichtig gewesen war. Seit seinem ersten Zusammentreffen mit Gorbatschow in Genf hatte er immer wieder das Bild einer gegen außerirdische Angreifer verbündeten Erde verwendet, um auf grundlegende gemeinsame Interessen von USA und UdSSR zu verweisen,191 so zum Beispiel bei einem Auftritt vor Mitgliedern des National Strategy Forum in Chicago am 4. Mai 1988: »I’ve often wondered, What [sic!] if all of us in the world discovered that we were threatened by a power from outer space – from another planet. Wouldn’t we all of a sudden find that we didn’t have any differences between us at all – we were all human beings, citizens of the world 192 – and wouldn’t we come together to fight that particular threat.«
Nachdem der sowjetisch-amerikanische Gegensatz nicht mehr existiert, versinnbildlicht Independence Day die Einigung der Welt durch die Überwindung einer vielleicht noch tieferen Feindschaft, wenn er in einer kurzen Szene israelische und arabische Piloten zeigt, die sich gemeinsam auf die Offensive vorbereiten. Diese Einigung findet unter dezidiert amerikanischer Führung statt. Das wird zum einen durch das symbolische Datum deutlich, das Whitmore auch in seiner Rede anspricht. Die Amerikaner führen den Rest der Menschheit hier aber auch ganz konkret an: Sie entwickeln und verbreiten den Angriffsplan, sie infizieren das Computersystem der Außerirdischen mit dem Virus, sie zerstören das Mutterschiff durch eine Atombombe193 und ebnen so den Weg für den Sieg. Japaner, Russen und alle anderen akzeptieren 191 Vgl. Lou Cannon, President Reagan: The Role of a Life-time, New York u.a. 1991, 61-4. 192 Ronald Reagan, »Remarks and a Question-and-Answer Session With Members of the National Strategy Forum in Chicago, Illinois, May 4th, 1988«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=35783 (21.01.2008). Dieser Ausschnitt wird auch in dem Werbefeature »ID4 Invasion« gezeigt, die Macher von Independence Day stellten den Bezug also selbst her. 193 Diese Bombe wird ebenfalls von David und Steven zum Einsatz gebracht. Der weltrettende Einsatz amerikanischer Nuklearwaffen gegen eine Bedrohung aus dem All stellt eine weitere Parallele zu Armageddon und Deep Impact dar.
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die amerikanische Führung, ohne zu zögern, ja sie erwarten sie geradezu, wie aus der Reaktion eines britischen Piloten auf die Nachricht, die Amerikaner würden eine Gegenoffensive planen, ersichtlich ist: »It’s about bloody time! What do they plan to do?« Dass andere Nationen überhaupt nur in kurzen Montagen vor dem Angriff und dann nach dem Sieg zu sehen sind, aber nicht während der eigentlichen Kämpfe, unterstreicht die dominierende Rolle der USA. Die Vorstellung, dass die Menschheit durch einen außerirdischen Angriff geeint wird, legt natürlich ungewollt die enorme Bedeutung von Feindbildern offen sowie ihre Funktion, Differenzen innerhalb einer Gruppe durch Abgrenzung gegen ›Andere‹ zu überdecken. Für die ganze Welt ist dies logischerweise nur gegen einen extraterrestrischen Feind möglich. Die völkerbindende Botschaft von ID4 hängt also von der Imagination eines nichtmenschlichen Aggressors ab, ohne den sie nicht denkbar wäre. Aliens sind für ein solches Szenario nicht nur ein idealer, sondern buchstäblich der einzige Feind. Sie können zudem bedenkenlos bis hin zur völligen Auslöschung bekämpft werden, da sie ja kein Teil der Menschheit sind. Der Film verhindert jegliche Zweifel an dieser Logik, indem er seine Außerirdischen als physisch und ideologisch völlig unmenschlich zeichnet, nämlich als tentakelbewehrte Monster, die heuschreckenartig von Planet zu Planet ziehen und ihrerseits die Ausrottung der Menschheit planen. Whitmore demonstriert dagegen die prinzipielle menschliche Friedfertigkeit, als er den Angreifern noch nach der Zerstörung zahlreicher Großstädte mit Millionen von Opfern einen möglichen Frieden in Aussicht stellt: »We can find a way to coexist.« Die Aliens haben an ›friedlicher Koexistenz‹ jedoch kein Interesse. Auf die Frage »What is it you want us to do?« lautet die simple Antwort: »Die.« Der menschliche Vernichtungsfeldzug am Schluss ist also lediglich Selbstverteidigung gegen einen Feind, mit dem keine Einigung möglich ist. Die Außerirdischen erweisen sich also auch hierin als ideale Feinde, als totalitäre Darwinisten, als Weltall-Nazis. Ihre enorme technologische Überlegenheit ermöglicht es zudem, die Vereinigten Staaten nach dem Zerfall des sowjetischen Imperiums endlich wieder in der Rolle des scheinbar hoffnungslos unterlegenen, am Ende aber durch moralische Stärke triumphierenden Underdogs zu zeigen. Auch diese Funktion konnte in den 1990er Jahren kein realer Feind der Gegenwart erfüllen. Außerirdische boten sich also nicht nur deshalb als Bösewichte an, weil es »politically incorrect« gewesen wäre, »to use any nationality for bad guys«, wie der deutsche Regisseur Roland Emmerich behauptete. Der Wahrheit näher kam er mit der Feststellung: »Aliens are the best movie villains since Nazis.«194 Noch wesentlich deutlicher äußerte sich sein Kollege Paul Verhoeven, Regisseur des zumindest teilweise satirischen Starship Troopers (1997): »The US is desperate for a new enemy… The communists were the enemy, and the Nazis before them, but now that wonderful enemy everyone can fight has been lost. Alien sci-fi gives us a terrifying enemy that’s politically correct. They’re bad. They’re evil. And they’re not even human.«195 194 Zitiert nach Rogin, Independence Day, 15. 195 Zitiert nach Heidi Kaye/I.Q. Hunter, »Introduction – Alien Identities: Exploring Difference in Film and Fiction«, in: Cartmell u.a. (Hg.), Alien Identities, 1-10, hier: 2. Koch, Alien-Invasionsfilme, 134-58, betrachtet Starship Troopers als gelungene Satire. Meiner Meinung nach ist der Film wesentlich zwiespältiger, da er sich in seinen Action-
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In der Tat erlebte das US-Kino in den 1990er Jahren eine durch die Weiterentwicklung computergestützter Spezialeffekte begünstigte Renaissance des AlienInvasionsfilms. Statt der freundlichen, oft geradezu messianischen außerirdischen Besucher, die von den ausgehenden 1970er bis in die späten 1980er Jahre dominiert hatten, wurden nun wieder, wie in den 1950ern, bösartige Aliens als Bedrohung inszeniert. Die Liste der Beispiele ist lang: Predator 2 (1990), Dark Angel (1990), Body Snatchers (1993), Stargate (1994), Species (1995), The Arrival (1996), First Contact (1996), Men in Black (1997), The Fifth Element (1997), Species II (1998), The Faculty (1998), Dark City (1998), The X Files (1998), Sphere (1998), Wing Commander (1999). Nur selten verliefen Begegnungen mit anderen Lebensformen noch friedlich wie in Contact (1997). Markus Koch hat in seiner Arbeit zu diesem Thema bereits überzeugend die These vertreten, »dass der Verlust des Orientierungsfixpunktes ›Kalter Krieg‹ das westliche Weltbild nachhaltig erschüttert hat und in einer unter anderem durch Auswirkungen der Globalisierung zunehmend komplexer und unübersichtlicher werdenden Welt ein Verlangen nach leicht fassbaren Ordnungssystemen menschlicher Existenz hervorruft; ein Verlangen, welches durch das Alien196 Invasionsszenario bedient wird.«
Die Wiederbelebung dieses Genres ist somit eine weitere Ausformung der Nostalgie der 1990er Jahre für die Zeiten des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Film Virus (1999), in dem die die Crew eines amerikanischen Schleppers auf einem scheinbar verlassenen russischen Forschungsschiff einer aus Energie bestehenden außerirdischen Lebensform begegnet, die die Menschheit für einen Virus hält, der ausgerottet werden muss. Hier nimmt der Eindringling aus dem All also ganz direkt den Platz des früheren Gegners aus dem Ost-West-Konflikt ein, er bedient sich sogar dessen für den Kalten Krieg entwickelter Technologie. Das einzige noch lebende russische Besatzungsmitglied wird dagegen zur Verbündeten der Amerikaner gegen den neuen Feind. Andere Produktionen bringen die extraterrestrische Gefahr dagegen mit aktuellen irdischen Feindbildern der 1990er Jahre in Verbindung. »Aliens are irresistibly metaphorical; the films use them to represent alien presences much closer to home«, stellen Heidi Kaye und I.Q. Hunter dazu fest.197 Die verschiedenen Bedeutungen des englischen Wortes alien legen dabei vor allem die Verbindung zu einer anderen Art von Eindringlingen nahe, die viele Amerikaner als Bedrohung empfanden. Diesen Gefühlen verlieh Pat Buchanan 1992 beispielhaft Ausdruck: »Our own country is undergoing the greatest invasion in its history, a migration of millions of illegal aliens yearly from Mexico«.198 Den Zusammenhang zwischen Latinos und außerirSequenzen zu ernst nimmt und – ähnlich wie Falling Down (1993) oder Fight Club (1999) – Gefahr läuft, das vorgeblich Kritisierte letztlich zu unterstützen. Darin unterscheidet er sich von Tim Burtons bissigem Mars Attacks! (1996). 196 Koch, Alien-Invasionsfilme, 16f. 197 Kaye/Hunter, »Introduction«, 3. Damit widersprechen sie freilich ihrer nur eine Seite zuvor gemachten Beobachtung, dass die Außerirdischen in den Invasionsfilmen der 1990er »no longer seem to stand for anything.« 198 Zitiert nach Patterson, Restless Giant, 292.
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dischen Invasoren stellen etwa Independence Day199 und The Arrival her. Men In Black unterscheidet zwar in seiner ersten Szene zwischen harmlosen menschlichen aliens aus Mexiko und gefährlichen Außerirdischen, dieser tendenziell kritische Ansatz geht aber in der Gesamtheit des Films verloren, der sich ausschließlich um die Notwendigkeit der Kontrolle von illegal aliens bis hin zur Auslöschung als gefährlich eingestufter Exemplare dreht. In Dark Angel und Predator 2 wird dagegen eine andere transnationale Bedrohung mit einer ›fremden‹ Präsenz in Verbindung gebracht, nämlich der Drogenhandel. Stargate wiederum macht seine Aliens mit Rückgriff auf koloniale Muster zu degenerierten Orientalen. Die Invasionsszenarien dienten also in mehr als einer Hinsicht dazu, die komplexe Situation eines unklaren Bedrohungsgefühls zu verarbeiten. Die USA sehnten sich in den 1990er Jahren nach einer klar in Gut und Böse unterteilten Welt. An ›Anderen‹, die man als Gefahr wahrnahm und gegen die man sich abgrenzen konnte, mangelte es nicht. Die Frage war, wer als Hauptfeind die Nachfolge der totalitären Regime der Vergangenheit antreten und Ordnung in das Chaos bringen konnte.
199 Vgl. dazu Rogin, Independence Day, 51-3.
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2.1 »I’LL JUST CALL YOU ADOLF«: DAS SÜDAFRIKANISCHE APARTHEIDREGIME Von der überragenden Bedeutung des Nationalsozialismus für die amerikanische Dämonologie war bereits mehrfach die Rede. So war zu sehen, dass die Sowjetunion im Kalten Krieg oftmals als totalitäre Macht mit dem Dritten Reich gleichgesetzt wurde, wobei Kommunismus und Nationalsozialismus quasi zu einem einzigen Feind verschmolzen, und dass in den 1990er Jahren angesichts der großen Unsicherheit nach dem Ende des Ost-West-Konflikts der Zweite Weltkrieg mit seiner scharfen Trennung von Gut und Böse, der positiven Rolle, die die USA gespielt hatten, und dem guten Ausgang für Amerika immer wieder als bessere Epoche und als Leitfaden beschworen wurde. Welche zentrale Rolle die Nazis für die amerikanische Vorstellung vom Bösen und der Mission der Vereinigten Staaten bei dessen Bekämpfung spielen, wird nun noch deutlicher werden, wenn weitere Feindbilder in den Blick genommen werden, die stark im Zeichen des Nationalsozialismus stehen. Als erstes Beispiel bietet sich in diesem Zusammenhang Südafrika vor dem Ende der weißen Minderheitenherrschaft 1994 an. Die Einordnung als Feindbild mag dabei zunächst fragwürdig erscheinen, da dieser Staat nie als Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA angesehen wurde. Sie ist jedoch trotz dieser Einschränkung für die späten 1980er und frühen 1990er Jahre durchaus angemessen, wie ich im Folgenden zeigen werde, nicht zuletzt weil die Afrikaaner1 über ihre rassistische Ideologie mit den Nazis in Verbindung gebracht und so in jedem Fall als eine Bedrohung amerikanischer Werte gezeichnet wurden. Zudem lässt sich an diesem Beispiel eine wichtige Feindbildfunktion hervorragend nachvollziehen, denn der Kampf gegen die Apartheid diente auch als Projektionsfläche für die eigenen Probleme der Amerikaner mit dem Zusammenleben von Schwarzen und Weißen. Apartheid war die Bezeichnung für jenes System der rigorosen Rassentrennung, dessen Wurzeln bis in die koloniale Vorgeschichte des südafrikanischen Staates zurückreichten und das nach dem spektakulären Wahlsieg der Nationalpartei der Afrikaaner 1948 institutionalisiert und in einer Reihe von Gesetzen wie dem Mixed Marriages Act (1949) und dem Population Registration Act (1950) festgeschrieben wurde. In der Theorie sollte aparte ontwikkeling allen ›Rassen‹ die bestmögliche Entfaltung gemäß ihrer eigenen Kultur garantieren; in der Praxis bedeutete sie die Herr1
Als Afrikaaner wird jener Teil der weißen Bevölkerung Südafrikas bezeichnet, dessen Muttersprache das auf das Niederländische zurückgehende Afrikaans ist.
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schaft der weißen Minderheit durch die brutale Unterdrückung und Ausbeutung der übrigen Bevölkerung. Eine zentrale Rolle spielte die Einrichtung der sogenannten Homelands oder Bantustans: Diese vorgeblich souveränen Staaten konnten als Beförderung schwarzer Selbstregierung gesehen werden – obwohl kein anderer Staat sie anerkannte –, machten tatsächlich aber die Schwarzen rechtlich zu Ausländern in ichrem eigenen Land, was der südafrikanischen Regierung die Handhabe verschaffte, nur die jeweils benötigten Arbeitskräfte auf ›ihrem‹ Territorium zu dulden, wo sie in speziellen Townships (also Ghettos) leben mussten, während alle, die keine Arbeitserlaubnis besaßen, deportiert werden konnten. Kontrolliert wurde die schwarze Bevölkerung über jederzeit mitzuführende Referenzbücher, die seit dem irreführend betitelten Natives Abolition of Passes Act (1952) die Passpflicht ersetzten.2 Die negativen Folgen dieses Systems waren mannigfaltig und sind in Südafrika noch heute spürbar: Weitverbreitete Armut, eine hohe Verbrechensrate und eine Kultur der Gewalt sind nur ein Teil der Probleme, die durch die Apartheid verursacht oder verschärft wurden. Die Afrikaaner profitierten ökonomisch in jenen Bereichen, in denen ungelernte und schlecht ausgebildete Arbeitskräfte ausgebeutet werden konnten, auf Dauer aber litt die Wirtschaft des Landes unter dem Mangel an qualifizierten Arbeitern, der ihre Konkurrenzfähigkeit seit den 1970er Jahren zunehmend beeinträchtigte. Hinzu kam der Status Südafrikas als Paria-Staat, seine nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Isolation in der internationalen Gemeinschaft.3 Dass diese nicht vollkommen war, lag maßgeblich an Südafrikas Rolle als Verbündeter des Westens im Kalten Krieg. Der rohstoffreiche und strategisch wichtig gelegene Afrikaaner-Staat stilisierte sich durchaus erfolgreich als Bollwerk gegen den Kommunismus, der sich in Afrika wie überall mit antikolonialen und revolutionären Bewegungen gegen den westlichen Imperialismus verbündet hatte. Auch der ANC war in Augen, die die Welt durch die Brille des Ost-West-Konflikts betrachteten, durch seine Zusammenarbeit mit der kommunistischen Partei Südafrikas, seine Beziehungen zu Moskau und das Bekenntnis zum bewaffneten Kampf diskreditiert. Ein rassistisches, undemokratisches Südafrika mochte nicht die beste Lösung sein, schien einem roten aber allemal vorzuziehen. Die unter Carter zeitweilig lauter gewordene Kritik der USA an der Apartheid ebbte daher zunächst wieder ab, als Reagan das Präsidentenamt übernahm und den Kalten Krieg wieder verschärfte.4 Die Politik der Reagan-Administration gegenüber Südafrika wurde unter dem Schlagwort constructive engagement zusammengefasst. Von Chester Crocker, dem Assistant Secretary of State for African Affairs, ausgearbeitet, sah das neue Konzept vor, die Sorgen der weißen Bevölkerung ernst zu nehmen und Kritik zwar weiterhin zu formulieren, sie aber nicht mehr in der Öffentlichkeit auszubreiten, sondern über 2
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Vgl. zur Einrichtung und Ausformung der Apartheid ausführlich Robert Ross, A Concise History of South Africa, Cambridge 1999, 114-43; T.R.H. Davenport, South Africa: A Modern History, 4., aktual. Auflage, Basingstoke 1991, 327-67 u. 518-57; Frank Welsh, South Africa: A Narrative History, New York u.a. 1999, 414-74; Princeton N. Lyman, Partner to History: The U.S. Role in South Africa’s Transition to Democracy, Washington D.C. 2002, 9-21. Zu den Kosten der Apartheid siehe ausführlich Ross, Concise History, 144-62, zu den wirtschaftlichen Problemen auch ebenda, 132f. Zu Carters Südafrika-Politik vgl. Lyman, Partner to History, 25f.
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diplomatische Kanäle zu kommunizieren. Ganz im Sinne des Kalten Krieges sollte außerdem eine Regelung für das seit dem Auslaufen des UNO-Mandats 1966 illegal von Südafrika okkupierte Südwestafrika (Namibia) mit einer Lösung des Konfliktes in Angola verknüpft werden.5 Eine am Kalten Krieg orientierte Sichtweise kam der seit 1978 im Amt befindlichen Regierung von P.W. Botha entgegen, die einen ›totalen Angriff‹ des Marxismus auf Südafrika postulierte, den sie ihrerseits mit einer ›totalen Strategie‹ zu beantworten gedachte: Nach außen gingen die Streitkräfte verstärkt gegen Guerillas vor, auch durch Luftangriffe auf andere Staaten, während im Innern begrenzte Reformen die Lage verbessern sollten.6 Hierzu gehörte auch die Implementierung einer neuen Verfassung 1984, die den indischstämmigen Bevölkerungsteil und die sogenannten coloureds (Nachkommen schwarz-weißer Verbindungen) durch Einrichtung eines Parlaments mit drei Kammern erstmals formal an der Regierung beteiligte. Allerdings wurde zugleich die Stellung des Präsidenten enorm aufgewertet, und vor allem blieb die schwarze Bevölkerungsmehrheit nach wie vor komplett von jeder Mitsprache ausgeschlossen. Wenn dies also ein Schritt nach vorn war, so war es ein sehr kleiner, der tatsächlich den Widerstand gegen das Regime nur verstärkte und einen neuen Kreislauf von Gewalt und staatlicher Repression auslöste, der in der Verhängung des landesweiten Ausnahmezustandes im Juni 1986 gipfelte.7 Diese Entwicklungen erregten verstärkt die kritische Aufmerksamkeit der amerikanischen Nachrichtenmedien und damit der Öffentlichkeit. Das Magazin Time, das Mitte der 1980er Jahre in beinahe jeder Ausgabe über die Vorgänge in Südafrika und vor allem über die Kämpfe berichtete, kann hier beispielhaft angeführt werden; die entscheidende Rolle spielte aber wohl die Berichterstattung im Fernsehen.8 Die südafrikanische Regierung reagierte mit massiven Behinderungen der Presse, konnte ihr Image aber dadurch nicht korrigieren.9 Die Anti-Apartheid-Bewegung, die auch davon profitierte, dass sich manche Aktivisten von der Nuclear-Freeze-Bewegung neuen Aufgabenfeldern zuwandten, wuchs immer weiter an. Die Stimmen wurden zahlreicher und lauter, die von der US-Regierung forderten, den Druck auf das Apartheid-Regime zu erhöhen. Im ganzen Land fanden Protestaktionen statt, sodass einige Beobachter schon die Auseinandersetzungen um den Vietnamkrieg als Vergleich heranzogen.10 Unter diesen Umständen wurde es für die Reagan-Adminis-
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Siehe dazu ebenda, 30-6. Lyman verteidigt als ehemaliger Mitarbeiter Crockers das Konzept des constructive engagement. Für eine negative Beurteilung siehe z.B. Welsh, Narrative History, 480. 6 Zur ›totalen Strategie‹ vgl. Davenport, Modern History, 397; Welsh, Narrative History, 479. 7 Siehe dazu Ross, Concise History, 169-78; Welsh, Narrative History, 481-90. 8 Vgl. Garth S. Jowett, »Hollywood Discovers Apartheid: The Depiction of White South Africans in Recent American Films«, in: JPFT 19:4 (1992), 172-9, hier: 173. 9 Vgl. etwa »Moving to Muzzle the Messenger«, in: Time 22.12.1986. 10 Vgl. »Principle of Vital Importance: In the U.S., a wave of demonstrations against apartheid«, in: Time 05.08.1985. Auch Lyman, Partner to History, 27, spricht von »the most turbulent period of foreign policy disagreement in the United States since the Vietnam War.« Zur Anti-Apartheid-Bewegung siehe ebenda, 27-30.
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tration immer schwieriger, ihre Politik der leisen Töne als eine glaubwürdige Strategie für die Demokratisierung Südafrikas zu rechtfertigen. Als der Präsident in einem Interview im August 1985 behauptete, die südafrikanische Regierung habe die Rassentrennung, wie es sie in den USA früher gegeben habe, beseitigt,11 löste er damit einen Sturm der Entrüstung aus. Zu einem regelrechten PR-Desaster wuchs sich seine einzige große Ansprache zum Thema Südafrika und Apartheid ein Jahr später aus, die maßgeblich durch die Hardliner-Sichtweise von CIA-Chef Casey und Redenschreiber Pat Buchanan geprägt war.12 Reagan stellte zwar klar: »Apartheid is morally wrong and politically unacceptable.« Er sprach sich aber gegen Sanktionen aus und führte dabei diverse Argumente an, die den offiziellen Erklärungen der Afrikaaner verdächtig ähnelten. So prangerte er »the calculated terror by elements of the African National Congress« an und stellte fest, »[that] the South African Government is under no obligation to negotiate the future of the country with any organization that proclaims a goal of creating a Communist state and uses terrorist tactics and violence to achieve it.« Zudem verwies er wiederum auf die angeblich bedeutenden Fortschritte, die das Land gemacht habe, und stellte es, in einem besonders fragwürdigen Abschnitt, als wirtschaftliche und soziale Erfolgsgeschichte anderen Teilen Afrikas und der Welt gegenüber. Vor der Verhängung des Ausnahmezustandes habe es weitreichende Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit gegeben: »Indeed, it’s hard to think of a single country in the Soviet bloc, or many in the United Nations, where political critics have the same freedom to be heard as did outspoken critics of the South African Government.«13 Obwohl Teile des ANC tatsächlich zu vereinzelten terroristischen Aktionen griffen – der blutigste Anschlag am 20. Mai 1983 in Pretoria kostete neben den beiden jugendlichen Attentätern 17 Unschuldige das Leben – und obwohl einige seiner Führer erklärte Kommunisten waren, war es völlig verfehlt, ihn als kommunistische Terrororganisation hinzustellen.14 Auf der anderen Seite wirkte der Verweis auf die weitreichenden Freiheiten in Südafrika höhnisch angesichts des staatlichen Repressionsapparates, der sich unter anderem auf den Suppression of Communism Act von 1950 mit seiner extrem vagen Definition von Kommunismus stützen konnte und seit 1976 befugt war, Verdächtige ohne Anklage und richterlichen Beschluss für unbegrenzte Zeit festzuhalten. So stand die Administration mit ihrer Sicht der Dinge zunehmend alleine da. Ein Foreign-Affairs-Artikel erklärte die Politik des constructive engagement im Winter 1985 für gescheitert,15 und zweifellos sprach Time vielen aus der Seele, als es im August 1986 titelte: »Pressuring South Africa: If not now, when?
11 Ronald Reagan, »Telehpone Interview With Bob Mohan of WSB Radio in Atlanta, Georgia, August 24th, 1985«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=39020 (21.02.2008). 12 Vgl. dazu Lyman, Partner to History, 35. 13 Ronald Reagan, »Remarks to Members of the World Affairs Council and the Foreign Policy Association, July 22nd, 1986«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=37643 (08.07. 2007). 14 Siehe dazu ausführlich Thomas G. Karis, »South African Liberation: The Communist Factor«, in: Foreign Affairs 65:2 (1986), 267-87. 15 Sanford J. Ungar/Peter Vale, »South Africa: Why Constructive Engagement Failed«, in: Foreign Affairs 64:2 (1985), 234-58.
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If not this, what?«16 Unter dem Eindruck der öffentlichen Meinung wuchs im Kongress die Zahl der Befürworter von Sanktionen, denen sich auch einige konservative Republikaner anschlossen. »Apartheid […] has replaced civil rights as the key vote on racial issues«, bemerkte der Abgeordnete Newt Gingrich und machte damit einen entscheidenden Grund deutlich, sich in dieser Frage gegen die Regierung zu stellen.17 So konnte es passieren, dass im Oktober 1986 eine heterogene, aber breite Koalition im Kongress das Veto Reagans gegen den Comprehensive Anti-Apartheid Act überstimmte, das der Präsident damit begründet hatte, dass er zwar mit den Zielen des Gesetzes übereinstimme, Sanktionen aber für den falschen Weg halte, auch weil sie das Leid der schwarzen Bevölkerung verstärken würden.18 Diese bemerkenswerte Niederlage Reagans verdeutlichte die Stimmung in Amerika und führte zu einer signifikanten Erhöhung des Drucks auf die südafrikanische Regierung. Auch bislang zögerliche Mitglieder der internationalen Gemeinschaft wie Israel und Japan schlossen sich nach dem amerikanischen Politikwechsel der Allianz gegen die Apartheid an. Zudem zogen sich immer mehr US-Firmen aus Südafrika zurück, was angesichts der ohnehin problematischen Wirtschaftslage seine Wirkung nicht verfehlen konnte.19 Die USA, die 1986 auch ein Zeichen setzten, indem sie mit Edward Perkins erstmals einen schwarzen Botschafter nach Südafrika entsandten, nahmen somit eine wenn nicht feindselige, so doch zunehmend konfrontative Haltung zu dem Regime in Pretoria ein. Bezeichnenderweise identifizierte die Nationale Sicherheitsstrategie des Jahres 1988 Apartheid als »a primary cause of instability in all of southern Africa«.20 In diesem Klima der weitverbreiteten Entrüstung über die Verhältnisse am Kap der Guten Hoffnung, in dem Südafrika als zentrale Front im Kampf gegen zeitgenössischen Rassismus verstanden wurde, entstand eine kleine, aber bemerkenswerte Gruppe von Filmen, die sich der Thematik annahmen und die Afrikaaner dabei zu einem Feindbild machten. Quasi als Prototyp dieser Produktionen kann man den britischen Film The Wilby Conspiracy (1974) identifizieren. Hier wurde, wie Kenneth Cameron festgestellt hat, das Arsenal westlicher Bilder von Afrika um einen neuen weißen Archetyp ergänzt; zu schon lange etablierten Figuren wie dem White Hunter und der White Queen gesellte sich nun der White Torturer: »[H]e was evil because he was a white South African security cop.« Der von Sidney Poitier gespielte schwarze Held dagegen war der Gute, »because he was black and pro-ANC.«21 Dieses grund16 Time 04.08.1986. 17 Zitiert nach »Apartheid’s New Upheaval«, in: Time 22.07.1985. 18 Für Reagans Antwort auf den Gesetzentwurf siehe Ronald Reagan, »Message to the House of Representatives Returning Without Approval a Bill Concerning Apartheid in South Africa, September 26th, 1986«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=36504 (08.07. 2007). Zur Kongress-Koalition gegen das Veto siehe Michael Clough, »Southern Africa: Challenges and Choices«, in: Foreign Affairs 66:5 (1988), 1067-90, hier: 1071f. 19 Vgl. Welsh, Narrative History, 491f; Lyman, Partner to History, 36; Davenport, Modern History, 461-4. 20 National Security Strategy [1988], 93. 21 Kenneth M. Cameron, Africa on Film: Beyond Black and White, New York 1994, 158; Hervorhebung im Original. Siehe zu diesem Film auch Vivian Bickford-Smith, »Picturing Apartheid: With a Particular Focus on ›Hollywood‹ Histories of the 1970s«, in: dies./
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legende Schema war auch für die amerikanischen Anti-Apartheid-Filme der späten 1980er und frühen 1990er Jahre bestimmend, die sich durch »the equation of the policies of apartheid with the racist ideologies of Nazi Germany« auszeichnen.22 Dies ist etwa ein wesentliches, wenn auch nie im Dialog explizit gemachtes Element in Richard Attenboroughs Cry Freedom (1987). Der Film befasst sich mit der Geschichte von Steve Biko, dem charismatischen Studentenführer, der in den 1970er Jahren die Black-Consciousness-Bewegung mitbegründete. Im März 1973 wurde Biko ›gebannt‹, das heißt es wurde ihm verboten, seinen Heimatbezirk zu verlassen, sich mit mehr als einer Person außerhalb seiner Familie im selben Raum aufzuhalten und sich in Wort oder Schrift an die Öffentlichkeit zu wenden. Nachdem er am 18. August 1977 außerhalb seines Bannbezirks verhaftet worden war, wurde er im Polizeigewahrsam so schwer misshandelt, dass er am 12. September während des Transports auf der Ladefläche eines Polizeifahrzeugs starb. Die offizielle Erklärung machte einen Hungerstreik für seinen Tod verantwortlich.23 Gleich zu Beginn von Cry Freedom behauptet eine Einblendung: »With the exception of two characters whose identity has been concealed to ensure their safety, all the people depicted in this film are real and the events are true.« Damit wird zum einen der wichtige Anspruch formuliert, eine wahre Geschichte zu erzählen, zum andern wird auch sofort ein Bezug zwischen den historischen Ereignissen und der Gegenwart hergestellt: Dass zwei Charaktere durch Verschleierung ihrer Identität geschützt werden müssen, verdeutlicht, dass die im Film gezeigte Repression nicht nur real war, sondern es immer noch ist. Der Vorspann betont den Realitätsanspruch noch weiter, wenn er nicht nur, wie sonst üblich, die Namen der Hauptdarsteller anführt, sondern auch die Namen der realen Personen, die sie verkörpern: »Denzel Washington as Steve Biko« und »Kevin Kline as Donald Woods«. Bei Letzterem handelt es sich um einen englischsprachigen südafrikanischen Journalisten, der im Londoner Exil die Bücher Biko und Asking for Trouble veröffentlichte, in denen er Bikos Geschichte inklusive seiner – von verschiedenen Stellen angezweifelten – engen Freundschaft mit ihm schildert.24 Cry Freedom nennt diese Werke im Vorspann als Grundlage für seine Darstellung der wahren Ereignisse und Woods außerdem im Abspann noch einmal als Berater.25 Ähnlich wie bei manchen Filmen über das Leben im Kommunismus wie Night Crossing (1981) oder Eleni (1985) verleiht der historische Anspruch der Darstellung der Afrikaaner besonderes Gewicht. »We’re not the monsters we’re sometimes made out to be«, behauptet Polizeiminister Jimmy Kruger in einem Gespräch mit Woods,
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Richard Mendelsohn (Hg.), Black and White in Colour: African History on Screen, Oxford u.a. 2007, 256-78, hier: 260f, und Peter Davis, In Darkest Hollywood: Exploring the Jungles of Cinema’s South Africa, Athens 1996, 73-81. Jowett, »Hollywood Discovers Apartheid«, 177f. Zu Biko und der Black Consciousness-Bewegung siehe Ross, Concise History, 141-3; Davenport, Modern History, 378f u. 393; Welsh, Narrative History, 475f. Donald Woods, Biko, New York 1978; Asking for Trouble: Autobiography of a Banned Journalist, London 1980. Für die Kritik an Woods’ Darstellung siehe Grenier, Capturing the Culture, 271f. Mit Cry Freedom als Darstellung von Geschichte befasst sich Bickford-Smith, »Picturing Apartheid«.
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doch der Film gibt sich alle Mühe zu zeigen, dass die Schergen des ApartheidRegimes in der Tat Ungeheuer sind. Kruger, dessen riesiges Anwesen an eine Sklavenhaltervilla in den Südstaaten erinnert, erweist sich dementsprechend als hinterhältiger Schurke, seine verständnisvolle Art ist nur Fassade. Anstatt, wie versprochen, ein von Woods angezeigtes Fehlverhalten seiner Polizei zu untersuchen, hetzt er diesem selbst die Sicherheitskräfte auf den Hals. Nach Bikos Tod entlarvt er sich vollends als Unmensch durch den historisch überlieferten Ausspruch: »Biko’s death leaves me cold.«26 Interessanterweise wird Bikos Folterung durch die Polizei nicht gezeigt. Cry Freedom springt von seiner Verhaftung direkt zur Nacht seines Todes, als er seine schweren Verletzungen bereits erlitten hat. In dieser Szene, in der ein schockierter Arzt ihn untersucht und seine Verlegung in ein Krankenhaus fordert, zeichnet sich der anwesende Polizist durch eben jene Kälte und mangelnde Empathie aus, auf die Krugers Äußerung verweist. Damit entsteht ein Porträt, das unschwer in die Tradition der Darstellung von Nazis, insbesondere der SS, eingeordnet werden kann. Dieser Bezug wird durch den Umstand, dass es um rassistisch motivierte Gewalt geht, natürlich noch verstärkt. Der Film betont den Kontrast zwischen einer faschistisch anmutenden weißen Polizeimacht und ihren wehrlosen schwarzen Opfern zudem in zwei Szenen, die den Film wie eine Klammer umschließen: Am Anfang steht ein brutaler Einsatz mit prügelnden Polizisten und bellenden Schäferhunden gegen ein illegales Township im November 1975, am Ende springt die Handlung in der Chronologie noch einmal zurück und zeigt die Niederschlagung der Unruhen in Soweto 1976, genauer gesagt, in erster Linie deren Beginn im blutigen Ende einer Demonstration von Schülern gegen Afrikaans als Unterrichtssprache.27 Beide Szenen zeigen exzessive Gewaltanwendung und rücken, wie auch der übrige Film, vor allem Frauen und Kinder als Opfer in den Mittelpunkt. Ohne die in der Tat abstoßende Brutalität des Vorgehens der südafrikanischen Polizei in Soweto in irgendeiner Weise rechtfertigen zu wollen, lohnt es sich doch, einen Blick auf die Art und Weise zu werfen, wie Cry Freedom dieses inszeniert. Fünf Dinge fallen dabei besonders auf: Erstens macht eine vorangestellte Szene, in der Biko mit Woods telefoniert, deutlich, dass selbst der schwarze Aktivist nicht mit dem skrupellosen Einsatz von Gewalt gegen die Schüler rechnet. Zweitens wird die singende, beinahe feiernde Menge mit den wiederum kalt und emotionslos wirkenden Polizisten kontrastiert. Drittens werden die Steinwürfe der Demonstranten als Reaktion auf den Einsatz von Tränengas nur in einer Totalen von hinter der Menge gezeigt, sodass sie effektiv kaum zu sehen sind, während bei den anschließenden Schüssen der Polizisten in die Menge sowohl Schützen als auch Getroffene immer wieder hervorgehoben werden. Eine Einstellung rekonstruiert dabei, viertens, das berühmteste Foto von den Soweto-Unruhen, das zeigt, wie der im Sterben liegende 13jährige Hector Pieterson von einem Kameraden weggetragen wird. Damit wird eindringlich betont, dass es sich um eine realistische Darstellung wahrer Ereignisse handelt. Gleichzeitig, und das ist der fünfte wichtige Punkt, verfälscht der Film jedoch 26 Vgl. Welsh, Narrative History, 476. 27 Zu Soweto siehe Ross, Concise History, 142f; Davenport, Modern History, 389-94; Welsh, Narrative History, 474f.
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die Tatsachen, indem er eine rein weiße Polizeimacht zeigt. In Soweto waren aber, wie auch sonst oft in Südafrika, schwarze Polizisten unter weißen Offizieren im Einsatz.28 Dies festzustellen kann wohlgemerkt nicht, wie Richard Grenier dies in seiner Kritik zu intendieren schien, den rassistischen Hintergrund des Massakers in Frage stellen, der durch den Kontext unzweifelhaft gegeben war.29 Es ist aber wichtig festzuhalten, dass Cry Freedom die komplexe und noch bitterere Realität des ApartheidSystems zugunsten einer simplen und dadurch eindringlicheren Gegenüberstellung von weißen Tätern und schwarzen Opfern ignoriert. Der sehr kurze Auftritt eines schwarzen Polizisten in Zivil an einer anderen Stelle des Films beeinträchtigt den Gesamteindruck in keiner Weise, da er gegenüber den angesprochenen Szenen völlig untergeht. Die Darstellung Bikos lässt die Afrikaaner in einem noch schlechteren Licht erscheinen. Auffällig ist hier, wie der Film zunächst durch Woods den Verdacht formuliert, bei dem Vertreter des Black Consciousness könne es sich um einen schwarzen Rassisten handeln, um diesen dann wirkungsvoll zu entkräften. Woods’ Annahme, Biko predige »black supremacy« statt »white supremacy« und sei somit eine Art Spiegelbild der Afrikaaner, erweist sich rasch als ein schwerwiegender Irrtum. Stattdessen erscheint der intelligente und sympathische Aktivist, der zwar für »direct confrontation«, aber gegen Gewalt ist und der in einer Szene der Idee, die weiße Herrschaft durch eine schwarze zu ersetzen, explizit eine Absage erteilt, in scharfem Kontrast zu den weißen Rassisten, die ihn verfolgen und ermorden. Gewalttätig wird er nur ein einziges Mal: Als ein Polizist ihm einen Hieb versetzt, schlägt er zurück. Diese Szene erinnert an einen ähnlichen Moment in dem Anti-Rassismus-Klassiker In the Heat of the Night (1967), in dem Sidney Poitier als schwarzer Detective die Ohrfeige eines weißen Südstaatlers beantwortet.30 Cry Freedom begnügt sich aber nicht einfach mit einem positiven Porträt Bikos, er gerät geradezu zur Hagiographie. Bei seinem ersten Auftritt im Film ist Biko im Gegenlicht gefilmt, sodass die Sonne wie ein Heiligenschein hinter seinem Kopf steht und Woods und den Zuschauer blendet. Bikos Bild wird außerdem geglättet, indem etwa seine Affären nicht thematisiert werden.31 Die Verklärung des Widerstandskämpfers zum Heiligen erinnert an Attenboroughs wenige Jahre zuvor entstandenen Film Gandhi (1982). Die Parallelen sind nicht nur thematisch offensichtlich, sondern auch in der Inszenierung, etwa bei den Heerscharen von Komparsen in den jeweiligen Beerdigungsszenen. Es gibt jedoch einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen beiden Filmen: Während Gandhi ganz seiner Titelfigur gewidmet ist, ist Cry Freedom letztendlich kein Film über Steve Biko. Tatsächlich handelt er von Donald Woods.
28 Vgl. »The Soweto-Uprising: A Soul-Cry of Rage«, in: Time 28.06.1976. 29 Vgl. Grenier, Capturing the Culture, 272f. Grenier behauptete auch, der Film sei »as out of date as the Trojan Wars« (ebenda, 270), da die Zustände in Südafrika längst nicht mehr so schlimm seien, wie hier gezeigt – eine entweder lächerliche oder zynische Bemerkung, die aber an Reagans Rechtfertigung seiner Politik erinnert. 30 Biko hatte Woods von diesem Zwischenfall berichtet; vgl. Bickford-Smith, »Picturing Apartheid«, 269. 31 Siehe dazu ebenda, 268-70.
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Dies lässt sich schon mithilfe nackter Zahlen deutlich machen: Der Film hat eine Gesamtlaufzeit von zweieinhalb Stunden, zum Zeitpunkt von Bikos Tod sind gerade einmal eine Stunde und sieben Minuten vergangen. Danach ist der Aktivist zwar noch in einigen kurzen Rückblenden zu sehen, aber die Aufmerksamkeit gehört eindeutig Woods und dessen heroischem Kampf gegen das System. So steht letztendlich nicht der schwarze Widerstand gegen die Apartheid im Mittelpunkt, sondern die Bemühungen eines weißen Liberalen, von diesem Widerstand zu berichten. Die zweite Hälfte des Films erzählt ebenso konventionell wie ausführlich von den Repressalien gegen den Journalisten, der nun ebenfalls ›gebannt‹ wird, den Attacken auf seine Familie und deren abenteuerlicher Flucht über Lesotho in die Freiheit. Diverse Kritiker beklagten schon beim Kinostart diese Konzentration auf Weiße als problematischen Aspekt einer gutgemeinten Anklage gegen ein rassistisches System.32 Die Washington Post verteidigte Attenborough gegen diese Vorwürfe mit der Feststellung, dass der Zweck die Mittel heilige.33 Doch das ist eine zu simple Sichtweise, denn tatsächlich unterläuft Cry Freedom auf diese Weise die Idee, die Bikos Widerstand anleitete.34 Black Consciousness bedeutete die Entwicklung eines schwarzen Selbstbewusstseins jenseits der Patronage durch liberale Weiße, die nach Bikos Meinung nicht dazu geeignet waren, die Retter der Schwarzen zu sein, und dies auch nicht sein sollten. Der Film verwendet zu Beginn einige Szenen darauf, Biko genau dies erläutern zu lassen. »I just think that a white liberal, who clings to all the advantages of his white world – jobs, housing, education, Mercedes –, is perhaps not the person best qualified to tell blacks how they should react to apartheid«, erklärt er Woods. »The only history we read was made by the white man, written by the white man.« Genau hierauf läuft der Film am Schluss aber wieder hinaus. Indem er den Eindruck erweckt, dass Bikos Martyrium erst durch die Veröffentlichung von Woods’ Buch einen Sinn erhält, erhebt er doch wieder einen weißen Liberalen zum unentbehrlichen Autor und Vermittler der Geschichte und schmälert – wenn auch unbeabsichtigt – Bikos eigene Leistung, von der verhältnismäßig wenig zu sehen ist. Die Filmproduktion selbst wird zur nächsten Schicht dieser weißen Geschichtsschreibung, in der folgerichtig eben Weiße im Mittelpunkt stehen. Indem Cry Freedom aber eine weiße Familie mit sehr blonden Kindern zu den prominentesten Opfern des Apartheid-Regimes macht, erweckt er einen verzerrten Eindruck von den Verhältnissen in Südafrika, den er am Schluss durch den Rückblick auf die Soweto-Unruhen selbst korrigieren zu wollen scheint. Der Konflikt um die Apartheid stellt sich über weite Strecken weniger als eine Auseinandersetzung zwischen Schwarzen und Weißen dar, als vielmehr eine zwischen den ›guten‹ Weißen, die akzentfreies Englisch sprechen, und den rassistischen Afrikaanern, deren Akzent sie wiederum in die Nähe der Nazis rückt. Die Szene, in der Woods seine 32 Vgl. »Attenborough’s ›Cry Freedom‹«, in: NYT 06.11.1987; »The Trouble With ›Freedom‹«, in: NYT 15.11.1987; »Cry Freedom« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs. dll/article?AID=/19871106/REVIEWS/711060301/1023 (10.06.2007); »The Empire Strikes Out«, in: Time 09.11.1987. 33 »Cry Freedom«, in: WP 06.11.1987. 34 Vgl. zu dieser Kritik auch Rob Nixon, Homelands, Harlem and Hollywood: South African Culture and the World Beyond, New York/London 1994, 82-4; Davis, In Darkest Hollywood, 102-5.
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Haushälterin mit vorgehaltener Waffe gegen eine nächtliche Passkontrolle durch zwei Polizisten verteidigt, ist in diesem Zusammenhang ebenso bezeichnend wie die Tatsache, dass das Schicksal dieser Frau nach der Flucht der Familie keine Rolle spielt, obwohl man annehmen muss, dass sie als potentielle Mitwisserin nun erst recht in Gefahr schwebt. Cry Freedom ist nicht der einzige Anti-Apartheid-Film, der weniger von der Unterdrückung der Schwarzen und ihrem Widerstand handelt als vom Kampf liberaler Weißer gegen das System. Auch die britische Produktion A World Apart (1988) erzählt eine dezidiert weiße Geschichte, was sich in diesem Fall allerdings daraus erklärt, dass die Autorin Shawn Slovo, die Tochter einer bekannten Aktivisten-Familie, hier ihre eigenen Jugenderinnerungen aufarbeitet.35 Große Ähnlichkeit mit Cry Freedom weist außerdem die Verfilmung von André Brinks Roman A Dry White Season (1989) auf. Wie Woods nach Bikos Tod fordert der Geschichtslehrer Ben Du Toit (Donald Sutherland) das System heraus, als er sich bemüht, Gerechtigkeit für seinen Gärtner Gordon Ngubene und dessen Sohn Jonathan zu erlangen, die beide in Polizeigewahrsam zu Tode gefoltert worden sind. A Dry White Season wird allerdings von vielen Forschern als deutlich besserer und interessanterer Film eingeschätzt,36 und tatsächlich ist er Attenboroughs Porträt Südafrikas an Tiefe und Komplexität weit überlegen. Dies liegt zum einen daran, dass er der Perspektive und der Lebenswelt der Afrikaaner, die in Cry Freedom kaum vorkommen, sehr viel Aufmerksamkeit widmet. Der Held dieses Films ist selbst ein Afrikaaner, der zu Beginn des Films voll in seine Gemeinschaft integriert ist, ein ehemaliger Rugby-Spieler, der in der Schule die Afrikaaner-Version der südafrikanischen Geschichte unterrichtet und an die prinzipielle Gerechtigkeit der Staatsordnung glaubt. Erst nach und nach erkennt er, dass er seine Augen vor den hässlichen Seiten der Realität verschlossen hat, der Abhängigkeit seiner Lebenswelt von einem brutalen Polizeistaat. »All my references have switched. Nothing is the same anymore. […] I went along with them. I believed their lies«, erklärt er in einer späten Szene des Films der Journalistin Melanie (Susan Sarandon), die ihm zuvor zynisch erschienen ist. Kenneth Cameron identifiziert Ben deshalb als Beispiel eines weiteren Archetyps: »the Awakened White – the white who learns what South Africa is really like.«37 Dieser Erkenntnisprozess und die Konsequenzen, die er daraus zieht, führen zu Bens Isolation und schließlich zu seinem Ausschluss aus der Gemeinschaft der Afrikaaner. Er verliert seinen Job und seine Familie zerbricht, da Frau und Tochter sich von ihm abwenden. Nur sein Sohn Johan, der während des Vorspanns in einer idyllischen Szene ›rassischer‹ Harmonie beim Fußballspielen mit Jonathan – man beachte auch die Ähnlichkeit der Namen – zu sehen ist, hält zu ihm. »Traitor«, »kaffir lo-
35 Zu diesem Film, in dem ebenfalls nazihafte Folterer vorkommen, siehe Cameron, Africa on Film, 170f; Jowett, »Hollywood Discovers Apartheid«, 175; Nixon, Homelands, Harlem and Hollywood, 85-8. 36 Vgl. Donald Bogle, Toms, Coons, Mulattoes, Mammies and Bucks: An Interpretative History of Blacks in American Films, New York/London 42001, 306-9; Cameron, Africa on Film, 159f; Jowett, »Hollywood Discovers Apartheid«, 176; Nixon, Homelands, Harlem and Hollywood, 88f. 37 Cameron, Africa on Film, 159.
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ver«38 und »communist« sind die Beschimpfungen, die die beiden sich anhören müssen. »It’s like in a war. You have to choose sides«, fordert Bens Frau Susan, worauf er entgegnet: »We have to choose the truth.« Der Film lässt keinen Zweifel daran, dass Ben Recht hat, bemüht sich aber, auch die Tragik gerade des familiären Konflikts darzulegen, und macht am Beispiel von Susan und der Tochter Suzette deutlich, dass nicht alle Afrikaaner aus purem Hass an der Apartheid festhalten. Erziehung, Furcht und nicht zuletzt der Wunsch, dass alles so bleiben soll, wie es ist, erscheinen als starke Triebkräfte für ein Verhalten, das nicht entschuldigt, sondern durch dieses Verständnis letztlich wirkungsvoller angeklagt wird. Gleichzeitig verleiht A Dry White Season auch seinen schwarzen Charakteren mehr Gewicht als Cry Freedom, was damit zusammenhängt, dass er von einer schwarzen Regisseurin, Euzhan Palcy, inszeniert wurde, die auch den Anspruch hatte, frühere Bilder zu korrigieren.39 Das zeigt sich am deutlichsten in der Figur des Taxifahrers Stanley (Zakes Mokae), der Ben unterstützt und alles andere als ein passives Opfer ist. In der letzten Szene geht er schließlich sogar zum bewaffneten Kampf gegen die Unterdrücker über. Allerdings kommt selbst er nicht über den Status einer, wenn auch wichtigen, Nebenfigur hinaus. Palcy hatte ihre ursprüngliche Absicht, aus einer schwarzen Perspektive über Südafrika zu erzählen, notgedrungen aufgeben müssen: »[C]learly nobody wanted to put money into a black filmmaker making a movie about blacks in South Africa«, beschrieb sie ihre Erfahrung in Hollywood.40 So bleibt auch in diesem Film das Zentrum weiß. Auch hier bekämpft vor allem ein Weißer das Regime der Unterdrückung und bezahlt dafür am Ende sogar mit seinem Leben.41 Der Gegner trägt (außerhalb von Bens Familie) wiederum nazihafte Züge, was vor allem in der Figur von Captain Stolz zum Ausdruck kommt, der bezeichnenderweise von dem Deutschen Jürgen Prochnow gespielt wird. Und obwohl ein schwarzes Mitglied der Sonderpolizei eine auffällige Nebenrolle spielt, ähnelt die Darstellung der Soweto-Unruhen der simplifizierenden Version in Cry Freedom. Hier ist nur am Bildrand, fast versteckt, einmal ein schwarzer Polizist zu sehen, ansonsten wird auch in diesem Fall die Polizeimacht in ihrer uniformierten Weißheit in scharfen Gegensatz zur Menge der Demonstranten gesetzt. Wie Attenboroughs Film betont A Dry White Season den Gegenwartsbezug seiner in der jüngeren Vergangenheit angesiedelten Geschichte, wenn zum Schluss folgender Text auf schwarzem Hintergrund erscheint: »1989. The South African government continues to ban, imprison, torture and murder the men, women and children who oppose apartheid. Since a State of Emergency was declared nationwide in 1986, 50,000 people, including children as young as eleven years old, have been held without being charged of any crime… some as long as 850 days. This film is dedicated to the
38 Kaffir ist ein arabisches Wort, das eigentlich »Ungläubiger« bedeutet und ursprünglich von den Muslimen als Bezeichnung für Schwarzafrikaner verwendet wurde. Im Gebrauch durch die Weißen wurde es zu einem Schimpfwort wie Nigger. 39 Vgl. auch Bickford-Smith, »Picturing Apartheid«, 266. 40 Zitiert nach Nixon, Homelands, Harlem and Hollywood, 88. 41 Vgl. dazu auch ebenda, 88-90; Davis, In Darkest Hollywood, 109-12.
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thousands who have given their lives and to those who carry on the fight for a free and democratic South Africa.«
Dagegen behandelt The Power of One (1992) das Südafrika der Apartheid eher als historisches Sujet. Tatsächlich hatten sich zwischen dem Erscheinen von A Dry White Season und der Produktion dieses Films wichtige Veränderungen zugetragen: Im September 1989 hatte Frederik Willem de Klerk die Nachfolge Bothas als Präsident angetreten und begonnen, das Land auf einen echten Reformkurs zu führen. So wurden die Verbote diverser Organisationen, einschließlich des ANC, aufgehoben und politische Häftlinge freigelassen, darunter der berühmteste Gefangene der Welt, Nelson Mandela. Obwohl es bis zu den ersten allgemeinen Wahlen 1994 noch ein steiniger Weg war, zeichnete sich damit ein entscheidender Umbruch ab.42 Dass The Power of One in der Zeit um den Zweiten Weltkrieg herum spielt, sorgt aber nicht nur für größere Distanz, es verschärft zugleich noch einmal die Darstellung der Afrikaaner, da diese nun direkt als Nazi-Sympathisanten gezeigt werden können, die nicht England, sondern dem Dritten Reich den Sieg wünschen, was die Hauptfigur des Films, der englische Waisenjunge P.K., schmerzhaft zu spüren bekommt. Wenn sein größter Peiniger aus Kindertagen später als brutaler Polizeisergeant mit Hakenkreuz-Tätowierung und als eifriger Scherge des neuen ApartheidRegimes wieder auftaucht, wird damit jene Verwandtschaft und Traditionslinie konkretisiert, die die anderen Filme nur suggeriert hatten. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass diese Darstellung natürlich nicht ohne Grundlage ist: »While most Afrikaners did not embrace Nazism as such, the fact remains that National Socialism encompassed many of the Afrikaner ideals, and this has led to the obvious comparison over the years«, wie Garth Jowett dazu anmerkt.43 Es gab während des Zweiten Weltkrieges terroristische Anschläge von Afrikaanern und Angriffe auf Juden, und manche der später führenden südafrikanischen Politiker waren an diesen Umtrieben beteiligt. Baltazar Johannes Vorster etwa, von 1966 bis 1978 Premierminister und Vorsitzender der Nationalpartei, war Führer des SA-ähnlichen Ossewa Brandwag und während des Krieges als Nazi interniert gewesen.44 Die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Afrikaanertum ist allerdings zu simplifizierend. Sie ignoriert zum einen den wichtigen Unterschied, dass das Dritte Reich eine Diktatur war, während die südafrikanischen Nationalisten in einem System herrschten, in dem sie sich regelmäßig freien Wahlen stellen mussten, auch wenn an diesen nur die weiße Bevölkerung teilnehmen konnte. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass die Tendenz, die Afrikaaner allein für die Apartheid verantwortlich zu machen, wie dies in Cry Freedom und The Power of One erscheint, nicht ganz fair ist, denn auch ein erheblicher Teil der englischsprachigen Wähler trug mit seinen Stimmen zu den Siegen der Nationalpartei und damit zum Fortbestehen der
42 Siehe dazu und zum Ende der Apartheid ausführlich Ross, Concise History, 181-97; Davenport, Modern History, 443-5; Welsh, Narrative History, 499-514. 43 Jowett, »Hollywood Discovers Apartheid«, 178. 44 Vgl. Ross, Concise History, 139; Welsh, Narrative History, 418-20 u. 464.
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Apartheid bei.45 Südafrika war, anders als Nazi-Deutschland, trotz schwerer Repressionen und Eingriffe von Seiten der Regierung zudem nie einer völligen Gleichschaltung der Medien und der Justiz unterworfen.46 Und obwohl die Apartheid ein unmenschliches und verbrecherisches System war, hat sie nie in den organisierten Völkermord gemündet, der die Naziherrschaft auszeichnete. Darüberhinaus ist die Ideologie der Afrikaaner trotz aller Ähnlichkeiten zum Nationalsozialismus nicht zu verstehen ohne die wichtige Rolle der Religion, genauer gesagt der Niederländischen Reformierten Kirche Südafrikas, die die Apartheid bis in die frühen 1980er Jahre mit der Bibel begründete. Ihr Abrücken von dieser Position und der Verlust der theologischen und moralischen Sicherheit, der darin zum Ausdruck kam, spielte denn auch eine wichtige Rolle bei der Demontage des ApartheidSystems.47 Hier deutet sich außerdem eine andere, für die USA weniger schmeichelhafte Parallele an, die durch den Nazi-Vergleich verdeckt wird: Tatsächlich weist das Credo der Afrikaaner, wie es in der Christlich-Nationalen Erziehung gelehrt wurde, mit seinem Beharren auf einer von Gott gelenkten Geographie und Geschichte und der Überzeugung, der Herr habe Südafrika für die Buren ausgewählt, eine augenscheinliche Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Glauben auf, in God’s Own Country zu leben – zumal auch dieses erst den Ureinwohnern von weißen Siedlern abgerungen werden musste. So wird deutlich, dass die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Apartheid, obwohl naheliegend, der Realität nicht gerecht wird. In den Filmen scheint sie denn auch nicht zuletzt deshalb so attraktiv zu sein, weil sie eine klare Trennung der Weißen in gute Liberale und böse Rassisten ermöglicht und somit sowohl eine Identifikations- als auch eine Projektionsfläche bietet. Dieser Eindruck verstärkt sich durch die Tatsache, dass in allen besprochenen Produktionen Weiße im Mittelpunkt stehen und als Helden fungieren. Auch in dieser Hinsicht sticht The Power of One hervor, der trotz zweifellos lobenswerter Absichten nicht nur den weißen Jungen zum zentralen Opfer der Afrikaaner stilisiert, sondern auch noch eine extrem paternalistische Haltung einnimmt, wenn er ihm eine geradezu messianische Rolle für die Befreiung der Schwarzen zuschreibt.48 Von den amerikanischen Anti-Apartheid-Filmen dieser Jahre steht allein Bopha! (1993)49 dem Trend entgegen, sich auf Weiße zu konzentrieren. Das überrascht nicht, wenn man sich die Verantwortlichen hinter diesem Projekt ansieht: Der Film war das Regiedebüt von Morgan Freeman – der in The Power of One einen schwarzen Häftling gespielt hatte – und wurde von der Firma des schwarzen Entertainers Arsenio Hall produziert. Erzählt wird hier die Geschichte einer schwarzen Familie im Südafrika des Jahres 1980, die durch die Apartheid zerrissen wird, als der Sohn sich dem Widerstand gegen das System anschließt, dem auch sein Vater (Danny Glover) 45 Siehe dazu Welsh, Narrative History, 461, 464 u. 476f. Allerdings beförderte die von der Regierung konsequent betriebene Afrikaanerisierung von Polizei, Justiz und Armee die alleinige Identifikation der Afrikaaner mit dem Herrschaftssystem. 46 Siehe dazu Ross, Concise History, 134f; Davenport, Modern History, 543-8. 47 Vgl. Jowett, »Hollywood Discovers Apartheid«, 178; Ross, Concise History, 183; Welsh, Narrative History, 484f. 48 Siehe dazu auch Davis, In Darkest Hollywood, 113-6. 49 Der Titel ist das Zulu-Wort für Haft/Arrest.
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als Polizeisergeant angehört. Bei weitem der vielschichtigste der hier erwähnten Filme, zeigt Bopha! das brutale Vorgehen der Sonderpolizei, ohne alle weißen Polizisten gleichermaßen als Monster abzustempeln. Vor allem aber beschäftigt er sich im Gegensatz zu den anderen Produktionen intensiv mit den Auswirkungen der Apartheid auf ihre eigentlichen Opfer, insbesondere mit der tragischen Perversion, dass die weiße Regierung die Schwarzen zu Helfern bei ihrer eigenen Unterdrückung machte, was vielfach zur Gewalt Schwarzer gegen Schwarze führte.50 Auf der einen Seite werden die schwarzen Polizisten als eine maßgebliche Stütze des Systems dargestellt und erstmals im Einsatz – auch mit der Schusswaffe – gegen Demonstranten gezeigt. Auf der anderen Seite wird auch die in den anderen Filmen weitgehend tabuisierte Gegengewalt des Widerstands nicht verschwiegen: Bopha! beginnt mit der Ermordung eines schwarzen Polizisten durch die grausame Praxis des necklacing, bei der dem Opfer ein mit Benzin übergossener Autoreifen um den Hals gelegt und angezündet wurde.51 Die größere Komplexität beeinträchtigt in keiner Weise die Kritik an der Apartheid, wodurch die Schwächen der anderen Produktionen umso deutlicher werden. Um besser zu verstehen, was hinter den ›weißgewaschenen‹ Filmen gegen die Apartheid steckt, lohnt es sich, auf eine andere Produktion aus derselben Zeit zu schauen, die sich nicht mit Südafrika, sondern mit den USA in den 1960er Jahren beschäftigt, diese aber auffallend ähnlich behandelt: Mississippi Burning (1988) greift wie Cry Freedom eine wahre Geschichte auf, in diesem Fall die Ermordung dreier Bürgerrechtler während einer Kampagne zur Registrierung von schwarzen Wählern vor der Präsidentschaftswahl 1964. Der Film war schon bei seinem Erscheinen heftig umstritten und ist häufig kritisiert worden, weil er seine emotional packende Anklage gegen Rassismus in einem Gewand präsentiert, das die historisch-sozialen Realitäten in höchst problematischer Weise verzerrt.52 So wird die Rolle des FBIs vom Gegner der Bürgerrechtsbewegung zu deren Beschützer umgeschrieben: Die Helden des Films sind die beiden FBI-Agenten Anderson (Gene Hackman) und Ward (Willem Dafoe), die die Aufklärung des Verbrechens in einem amerikanischen Süden betreiben, der konsequent als das ›Andere‹ eines besseren, liberalen Amerika inszeniert wird, von dem er völlig abgelöst erscheint. Die schwarze Bevölkerung gerät damit wieder einmal zum passiven Objekt eines Kampfes zwischen guten und bösen Weißen. Trotz aller Szenen schwarzen Leids ist der direkte Anlass für die entscheidende Initiative der beiden Agenten zudem der Angriff auf eine weiße Frau. Auch hier erscheinen also die guten Weißen nicht nur als Gegner, sondern auch als wichtigste Opfer der Rassisten. Die ehrliche Entgegnung von Regisseur Alan Parker auf die Kritik an den genannten Punkten unterstrich den zwiespältigen Charakter des Films: 50 So betont Ross, Concise History, 178, dass die Regierung den Aufstand in den 1980er Jahren nur niederschlagen konnte, weil sie sich schwarzer Hilfspolizei und lokaler Warlords für ihre Zwecke bedienen konnte. 51 Davenport, Modern History, 548, erwähnt, dass zwischen Januar 1984 und Juni 1987 zwischen 300 und 400 Menschen auf diese Weise ermordet wurden. 52 Siehe dazu Toplin, History by Hollywood, 25-44; Maltby/Craven, Hollywood Cinema, 38490; Jonathan Rosenbaum, Movies as Politics, Berkeley u.a. 1997, 118-24; Bogle, Toms, Coons, Mulattoes, Mammies and Bucks, 301-3; Jeffords, Hard Bodies, 125-31.
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»Our film cannot be the definitive film of the black Civil Rights struggle. Our heroes are still white. And in truth, the film would probably never have been made if they weren’t. This is a reflection of our society not the Film Industry. But with all of its possible flaws and shortcomings I hope our film can help to provoke thought and allow other films to be made because the 53 struggle still continues.«
Parker machte deutlich, dass mit Blick auf die kommerziellen Erfolgsaussichten das Thema Rassismus nur aus einer weißen Perspektive und mit positiven weißen Identifikationsfiguren behandelt werden konnte54 – was letztlich auf fortbestehende rassistische Strukturen in der amerikanischen Gesellschaft verweist, die durch diese Filme aber in die Vergangenheit und/oder auf andere Länder projiziert werden. Während offenkundige Rassisten als ›Andere‹ fungieren, bleibt dabei auch die schwarze Identität das Fremde, das in einem durchaus typischen Grundmuster in der Rolle des Verfolgten als harmlos betrachtet werden kann, zumal wenn es zugleich infantilisiert wird und schutzbedürftig erscheint.55 Diese antirassistischen Filme werden also dadurch problematisch, dass das Feindbild, das sie erschaffen, als Projektionsfläche dient, die von Missständen im eigenen Umfeld ablenkt, die sich in ihren Produktionsbedingungen immer noch widerspiegeln. Sie tragen so, wenn auch ungewollt, zu der Vorstellung bei, dass Rassismus zwar in der Vergangenheit der USA existiert habe, in der Gegenwart aber nur noch das Problem ›Anderer‹ sei. Dieses Bild war entscheidender Bestandteil der (neo-) konservativen Reaktion seit den 1970er Jahren: Während offener Rassismus der alten Art nach der Bürgerrechtsbewegung außerhalb der radikalen Rechten diskreditiert war, wurde nun die scheinbar fortschrittliche Idee einer ›farbenblinden‹ Gesellschaft propagiert. Ethnische Unterschiede sollten überhaupt keine Rolle mehr spielen – auch nicht im Sinn einer staatlichen Wohlfahrtspolitik zugunsten von Minderheiten. Affirmative action wurde als ein falsches Konzept attackiert, das nicht nur dem amerikanischen Grundwert der Eigenverantwortlichkeit zuwiderlaufe, sondern auch zu einer reverse discrimination von Weißen (und anderen Minderheiten wie den Asiaten) führe. In einem Amerika, das den Rassismus angeblich überwunden hatte, erschienen antirassistische Maßnahmen also plötzlich selbst als rassistisch.56 53 Zitiert nach Maltby/Craven, Hollywood Cinema, 386. 54 Dass Bopha! von allen hier besprochenen Filmen das bei weitem schlechteste Einspielergebnis – lediglich 212.438 Dollar – erzielte, stützt diese These (Quelle: http://www.thenumbers.com/movies/1993/0BPHA.php, 14.03.2008). 55 Vgl. hierzu als einem Grundkonzept in der Auseinandersetzung mit dem Fremden Hickethier, »Zwischen Abwehr und Umarmung«, 24f. In der amerikanischen Kultur lässt sich das Stereotyp des hilfsbedürftigen Schwarzen, das auch als Gegenbild zum black rapist fungiert, bis zur Kritik an der Sklaverei zurückverfolgen; vgl. etwa Harriet Beecher Stowe, Uncle Tom’s Cabin, or: Life Among the Lowly, London 1955 [1852]. 56 Vgl. dazu ausführlich Michael Omi/Howard Winant, Racial Formation in the United States: From the 1960s to the 1990s, New York/London 21994, 14-23 u. 113-36. Zum Thema reverse discrimination siehe auch Wilson, Myth of Political Correctness, 136-57; Uwe Wenzel, »Babylon and Beyond: Die Politik der Rassenbeziehungen von Clinton zu Bush Jr.«, in: Hans-Jürgen Puhle u.a. (Hg.), Supermacht im Wandel: Die USA von Clinton zu Bush (Nordamerikastudien, Bd. 20), Frankfurt a.M./New York 2004, 160-89, hier: 160f.
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Bei dieser Argumentation konnte man sich auch auf die Erfolge von Schwarzen berufen, die in den 1980er Jahren gerade im Showgeschäft beeindruckend waren: Eddie Murphy, Bill Cosby und Michael Jackson prägten das Bild dieses Jahrzehnts maßgeblich. In ihnen allerdings »the first black superstars of post-racist America« zu sehen,57 geht entschieden zu weit. Ohne die enormen und kontinuierlichen Fortschritte der schwarzen Minderheit in Frage stellen zu wollen, die schließlich so weit führten, dass 2009 mit Barack Obama der erste schwarze Präsident ins Weiße Haus einziehen konnte, blieb und bleibt Rassismus ein reales Problem in den Vereinigten Staaten. Die Stereotypisierung von Schwarzen in den Medien nahm zwar ab, aber sie verschwand nicht. In vielen Fällen wurde sie nur unterschwelliger, weniger offen eingesetzt. Sowohl Ronald Reagan als auch George H.W. Bush aktivierten in ihren Wahlkämpfen rassistische Ressentiments, Ersterer mit seinen Angriffen auf die ominöse welfare queen, Letzterer noch offensichtlicher mit seiner Willie-Horton-Kampagne. Hier wurde das nach wie vor wirkmächtige Bild vom gefährlichen, kriminellen Schwarzen58 instrumentalisiert, um weiße Ängste zu schüren. Dass dies auch in Filmen weiterhin geschah, war bereits am Beispiel von Red Heat (1988) zu sehen.59 Auffällig ist auch, dass nicht nur die Zahl von Ehen zwischen Schwarzen und Weißen niedrig blieb und nur langsam anstieg,60 sondern dass ›gemischtrassige‹ Romanzen auf der Leinwand nach wie vor ein schwieriges Thema waren; dass insbesondere Beziehungen zwischen schwarzen Männern und weißen Frauen weitgehend tabuisiert wurden. Ob Samuel L. Jackson und Geena Davis in The Long Kiss Goodnight (1996), Will Smith und Linda Fiorentino in Men in Black (1997) oder Wesley Snipes und Diane Lane in Murder at 1600 (1997), diese Paarungen durften über einen Flirt und das Spiel mit der unterschwelligen (verbotenen) sexuellen Versuchung
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Die Idee der reverse discrimination spielte auch eine wichtige Rolle in dem nicht ganz so ›farbenblinden‹, aufsehenerregenden Buch von Richard Herrnstein/Charles Murray, The Bell Curve: Intelligence and Class Structure in American Life, New York u.a. 1996, in dem sie behaupteten, durch empirische Untersuchungen ethnische Unterschiede beim durchschnittlichen Intelligenzquotienten nachweisen zu können, die deutlich machten, dass Schwarze durch affirmative action weit über ihre Qualifikation hinaus bevorteilt würden. Grenier, Capturing the Culture, 204. Siehe dazu Dennis Rome, Black Demons: The Media’s Depiction of the African American Male Criminal Stereotype, Westport/London 2004. Die Darstellung von Schwarzen gehört zu den am besten erschlossenen Themen in der amerikanischen Filmforschung; siehe dazu beispielhaft Bogle, Toms, Coons, Mulattoes, Mammies and Bucks; Mary Ellison, »Ambiguity and Anger: Representations of African Americans in Contemporary Hollywood Film«, in: Davies/Wells (Hg.), American Film and Politics, 157-81; Daniel J. Leab, »Blacks in American Cinema«, in: Crowdus (Hg.), Political Companion, 41-50; David E. Wilt/Michael Shull, »African Americans After World War II«, in: Rollins (Hg.), American History on Film, 207-17; Robyn Wiegman, »Black Bodies / American Commodities: Gender, Race, and the Bourgeois Ideal in Contemporary Film«, in: Lester D. Friedman (Hg.), Unspeakable Images: Ethnicity and the American Cinema, Urbana/Chicago 1991, 308-28; James Snead, White Screens, Black Images, New York/London 1994; Herman Gray, Watching Race: Television and the Struggle for »Blackness«, Minneapolis 1995. Vgl. Patterson, Restless Giant, 309f.
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nicht hinaus, die sonst zu erwartende Liebesbeziehung blieb ihnen versagt, auch wenn die schwarzen Stars noch so positive Charaktere verkörperten. Und wenn in Under Siege 2: Dark Territory (1995) die Nichte des Helden den schwarzen Zugschaffner, der mit ihr flirtet, mit einer Martial-Arts-Technik auf den Boden befördert, kann der spielerische Unterton nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier auch eine durchaus ernste Grenze aufgezeigt wird – die dann eben im weiteren Verlauf der Handlung auch nicht überschritten wird. Dass Sex zwischen einer weißen Frau und einem Mann einer anderen ›Rasse‹ nur durch einen schweren Fehltritt oder vor allem durch Vergewaltigung zustande kommen kann, gehört zu den grundlegendsten rassistischen Mythen der westlichen Kultur.61 In den USA spielte diese Vorstellung zudem eine wichtige Rolle bei der Verdrängung der Tatsache, dass sexuelle Gewalt während der Sklaverei gerade unter umgekehrten Vorzeichen ein weitverbreitetes Phänomen war.62 Es ist offensichtlich, dass sie im ›farbenblinden‹ Amerika noch nicht überwunden war. Für die schwarzen Rollen der 1980er und 1990er Jahre bedeutete die Idee einer postrassistischen Zeit zum einen, dass sie häufiger positiv ausfielen und mehr Raum zugestanden bekamen, sodass eben auch vermehrt Schwarze zu Stars aufsteigen konnten. Auf der anderen Seite verloren sie aber auch oft jeden Bezug zu einer schwarzen Identität. In ›farbenblinden‹ Filmen und Serien hatten Schwarze keine spezifisch schwarzen Probleme: Rassismus ist in der Cosby Show ein Thema für historische Diskussionen mit den Großeltern, und in Beverly Hills Cop (1984) wird Eddie Murphys Hautfarbe nur in einer einzigen Szene thematisiert, nämlich als er sich – bezeichnend genug – eine Hotelsuite ergaunert, indem er die Rassismus-Karte ausspielt. Im populären Genre der interracial buddy movies schließlich werden schwarzweiße Freundschaften gefeiert, aber oft wird Rassismus in diesen Filmen eher negiert als kritisiert und die schwarzen Charaktere werden quasi ›entschärft‹.63 So muss beispielsweise mehrfach eine beschädigte schwarze Männlichkeit, symbolisiert durch die Unfähigkeit zu töten, durch den weißen Helden wieder hergestellt werden.64 Gleichzeitig lenken die gemischtrassigen Paare die Aufmerksamkeit des Zuschauers von den potentiell noch verstörenderen homosexuellen Konnotationen dieses Genres ab. All das lässt sich etwa in der populären Lethal-Weapon-Reihe beobachten, vor allem in den ersten beiden Teilen. Die Familie des schwarzen Polizisten Murtaugh (Danny Glover) verkörpert hier ein bürgerliches Idealbild und wird dementsprechend 61 Vgl. Ella Shohat/Robert Stam, Unthinking Eurocentrism: Multiculturalism and the Media, London/New York 1994, 157. 62 Vgl. bell hooks, Yearning: Race, Gender, and Cultural Politics, Boston 1990, 57-61. 63 Zu diesem Genre siehe etwa Ed Guerrero, »The Black Image in Protective Custody: Hollywood’s Biracial Buddy Films of the Eighties«, in: Manthia Diawara (Hg.), Black American Cinema, New York/London 1993, 237-46; Cynthia J. Fuchs, »The Buddy Politic«, in: Cohan/Hark (Hg.), Screening the Male, 194-210; vgl. außerdem Yvonne Tasker, Spectacular Bodies: Gender, Genre, and the Action Cinema, London/New York 1993, 35-45; Chris Jordan, Movies and the Reagan Presidency: Success and Ethics, Westport/London 2003, 77-98. 64 Siehe dazu Christopher Ames, »Restoring the Black Man’s Lethal Weapon: Race and Sexuality in Contemporary Cop Films«, in: JPFT 20:3 (1992), 52-60.
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positiv dargestellt, was einerseits durchaus fortschrittlich, da früheren Konventionen zuwiderlaufend, ist. Dass diese Familie ebenso gut weiß sein könnte,65 hat aber auch eine problematische Seite, insofern dadurch einer Verdrängung realer Probleme Vorschub geleistet werden kann. Dies ist gerade deshalb der Fall, weil ›Rasse‹ und Rassismus durchaus eine Rolle spielen, wenn es um die Charakterisierung der Schurken geht, die als Projektionsfläche dienen. Schon in Lethal Weapon (1987) ist der wichtigste Widersacher des ErmittlerDuos Murtaugh und Riggs (Mel Gibson) wohl nicht zufällig ein Albino. Lethal Weapon 2 (1989) jedenfalls lässt keinen Zweifel daran, dass die Drogen schmuggelnden Afrikaaner, die in diesem Film die Bösewichte abgeben, als ideologisches Gegenbild zum ›farbenblinden‹ Amerika verstanden werden müssen. Tatsächlich ist schon im ersten Teil ein »Free South Africa, End Apartheid Now«-Aufkleber auf Murtaughs Kühlschrank so ziemlich der einzige und nur für den aufmerksamen Zuschauer sichtbare Hinweis auf ein schwarzes Bewusstsein der Familie. Insofern deutet sich die Strategie der Fortsetzung hier bereits an, die voll auf die alles andere als subtil vorgenommene Gleichsetzung von Afrikaanern und Nazis und deren völlige Andersartigkeit im Vergleich zu den Amerikanern setzt. Der amerikanischen Polizei, ein Abbild des harmonischen melting pot, steht eine uniforme Truppe arisch-blonder Afrikaaner gegenüber. Dass diese Angestellte des südafrikanischen Konsulats in Los Angeles sind und ihre schmutzigen Geschäfte unter dem Schutz ihrer diplomatischen Immunität abwickeln, macht deutlich, dass sie nicht nur als Individuen, sondern als Vertreter ihres Staates gemeint sind. Der Drogenimport erscheint so geradezu als Angriff Südafrikas auf die Vereinigten Staaten. Vordergründig geht es dabei natürlich um Geld. Es wird aber mehr als deutlich gemacht, dass die Afrikaaner in erster Linie wegen ihres unamerikanischen Rassenhasses und ihrer Verwandtschaft mit den Nazis zu verdammen sind. Schon bei der Verfolgungsjagd, die den Film eröffnet, rätseln Murtaugh und Riggs, ob es sich bei der Sprache im abgehörten Funkverkehr der Bösewichte – natürlich Afrikaans – um Deutsch oder Japanisch handelt. Der Feind wird also, noch bevor er richtig zu sehen ist, mit dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung gebracht. Dass die Afrikaaner in der Tat dem totalitären Lager zuzuordnen sind, wird dem Zuschauer kurz darauf eindrücklich vor Augen geführt, wenn ihr (An-)Führer (Joss Ackland) einen seiner Leute wegen Versagens kurzerhand exekutieren lässt. Insbesondere Riggs’ Dialoge sind über den gesamten Film hinweg gespickt mit Anspielungen auf das Dritte Reich: Arjen Rudd und seine Männer werden bei ihm zu »Aryan Crud and his brownshirts«,66 die er auch schon mal mit einem verächtlichen »Well, well. It’s the master race« begrüßt. Vor allem sein Kommentar, als er versucht, den Namen von Rudds rechter Hand Pieter (Derrick O`Connor) in dessen Pass zu entziffern, ist bezeichnend für die gesamte Haltung dieses Films (und der meisten anderen) zu den Afrikaanern: »Pieter von… vor… What a… Fuck, I’ll just call you Adolf.« In Anbetracht von Pieters öligem Hitlerscheitel erscheint diese Idee umso naheliegender.
65 So bemerkt etwa Norman K. Denzin, Reading Race: Hollywood and the Cinema of Racial Violence, London u.a. 2002, 100: »Glover as Murtaugh is a black man who is not black. He is a black man who is white.« 66 Den Gag, Arjen zu »Aryan« zu verdrehen, benutzt Riggs gleich mehrfach.
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Dass all diese bissigen Bemerkungen Riggs in den Mund gelegt werden, verweist auf einen weiterführenden wichtigen Aspekt des Films: Nicht der »kaffir« Murtaugh, sondern sein Freund, der »kaffir lover« Riggs ist derjenige, der den größten Zorn auf die weißen Rassisten zu verspüren scheint. Obwohl Murtaugh in einer frühen Szene in seinem Haus überfallen und seine Familie bedroht wird, wirkt er ruhiger und weniger persönlich betroffen als sein Partner. Dies lässt sich nicht einfach nur mit seinem generell bedächtigeren Wesen erklären. Vielmehr zeigt sich darin, dass auch in diesem Film der Kampf gegen die südafrikanischen Nazis maßgeblich eine Sache der ›guten‹ Weißen ist. Daran ändert auch die Tatsache wenig, dass es Murtaugh ist, der am Schluss Rudd, also den obersten Bösewicht, erschießt. Allzu auffällig ist, dass seine Frau und seine Kinder, anders als im ersten Teil, frühzeitig in Sicherheit gebracht werden. Ausgerechnet eine Bedrohung, die von rassistischen Schurken ausgeht, wird dadurch von der schwarzen Familie abgelenkt und findet stattdessen andere Opfer: Murtaughs und Riggs’ Kollegen, vor allem aber Riggs’ neue Freundin Rika (Patsy Kensit), die als Sekretärin im Konsulat arbeitet, die einzige positive südafrikanische Figur des Films ist und nach einer einzigen Liebesnacht mit Riggs von Rudds Schergen grausam ermordet wird. Wieder einmal ist es also die Gewalt gegen eine blonde weiße Frau, die eine zentrale Stellung in der Handlung einnimmt und die stärkste emotionale Reaktion beim Zuschauer hervorrufen soll. Und Riggs ist spätestens nach diesem Mord tatsächlich persönlicher betroffen als Murtaugh. Als würde das vielleicht nicht genügen, wird dieses Element quasi gedoppelt, denn es stellt sich heraus, dass schon Riggs’ vor dem ersten Teil ums Leben gekommene Ehefrau von Pieter ermordet worden ist, weil er den Operationen der Afrikaaner zu nahe gekommen war. Gleich zwei tote weiße Frauen stacheln also den Zorn des Helden und des Publikums entscheidend an. Riggs zieht los, um ohne Rücksicht auf die diplomatische Immunität der Schurken Rache zu nehmen, und Murtaugh steht ihm als treuer Freund zur Seite. Bemerkenswert ist an Lethal Weapon 2 noch ein weiterer Punkt: Obwohl die rassistische Ideologie der Afrikaaner für ihre Charakterisierung so wichtig ist, wird sie kaum erklärt. Das System der Apartheid ist zugleich zentral und peripher. Schon weil dieser Film nicht in Südafrika spielt, sind die dortigen Verhältnisse nur Hintergrund, aber nicht Fokus des Geschehens. Das bedeutet, dass ein ausreichendes Wissen der Zuschauer um die Apartheid und die darauf basierende Akzeptanz der Gleichsetzung von Afrikaanern und Nazis Ende der 1980er Jahre offenbar vorausgesetzt werden konnte. Vivian Bickford-Smith stellt korrekt fest: »Indeed the fact that Afrikaners were picked to be the villainous opponents of Mel Gibson and Danny Glover in Lethal Weapon 2 (1989) was a sure indication of the worldwide fame, or infamy, now achieved by South African politics.«67 In diesem Fall kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass es angemessen ist, von einem Feindbild zu sprechen, denn immerhin konstruierte der Film die Afrikaaner als Bedrohung der Vereinigten Staaten, was zuvor auch schon C.A.T. Squad (1986) getan hatte,68 und die Washington Post sprach in einer Rezension gar von »the best of all possible villains«.69 67 Bickford-Smith, »Picturing Apartheid«, 256. 68 Zu diesem Film siehe Cettl, Terrorism in American Cinema, 62f. 69 »Lethal Weapon 2«, in: WP 07.07.1989. Finanziell war Lethal Weapon 2 der einzige, dafür umso eindrucksvollere Erfolg aus der Reihe der Anti-Apartheid-Filme. In den US-Kinos
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Das Aufkommen dieses Feindbildes war zum einen natürlich eine Folge des starken Medieninteresses an den Auseinandersetzungen in Südafrika in den 1980er Jahren. Es wurde zum andern begünstigt durch das sich abzeichnende Ende des Kalten Krieges, das gerade in den Jahren, in denen diese Filme entstanden, das Bedürfnis schuf, neue Schurken zu präsentieren.70 Allerdings konnten die Afrikaaner trotz ihrer so gut ausschlachtbaren Ideologie langfristig keinen Ersatz für die Sowjets abgeben, schon weil ihre Herrschaft den Zusammenbruch der UdSSR nur um wenige Jahre überdauerte. Tatsächlich beschleunigte das Ende des Ost-West-Konflikts den Wandel in Südafrika, da es auch die Wahrnehmung der Geschehnisse dort entscheidend veränderte: Südafrika war nun kein strategisch wichtiger ›Frontstaat‹ im Kampf gegen den Kommunismus mehr, womit die Afrikaaner ein wichtiges Argument für die Unterdrückung des schwarzen Widerstandes verloren, während der ANC weit weniger bedrohlich erschien. Unter internationalem und innerem Druck initiierte de Klerk einen Reformprozess, über den er ebenso die Kontrolle verlor wie Gorbatschow, sodass am 10. Mai 1994 Nelson Mandela als erster schwarzer Präsident Südafrikas vereidigt werden konnte.71 Südafrikanische Schurken verloren in der Folge zwangsläufig an Bedeutung, sie verschwanden aber keineswegs völlig. In Operation Delta Force (1997) versucht eine Gruppe explizit als Nazis bezeichneter ehemaliger Afrikaaner-Militärs mithilfe von Bioterrorismus die Kontrolle über das Land zurückzugewinnen und einen ›rassisch‹ reinen »Volksstaat« zu begründen. Nur eine amerikanische Spezialeinheit (unterstützt von einer guten Afrikaanerin) kann diesen finsteren Plan vereiteln und die junge Demokratie retten. Ein Afrikaaner verschafft als Waffenhändler der NeonaziVerschwörung in The Sum of All Fears (2002) eine Atombombe, ein anderer führt in Jonathan Demmes Version von The Manchurian Candidate (2004) die Gehirnwäsche durch, die amerikanische Soldaten in Marionetten eines Konzerns verwandelt. Diese Beispiele belegen, dass die Afrikaaner als Variante der Nazis und somit als eine mögliche Verkörperung des Bösen dauerhaft in die amerikanische Dämonologie eingegangen waren.
spielte er über 147 Millionen Dollar ein (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/ 1989/0LTH2.php, 18.06.2007). Dagegen kam Cry Freedom auf nicht einmal 6 Millionen (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1987/0CRFR.php, 18.06.2007), A Dry White Season erzielte knapp 3,8 Millionen (Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0097243/business, 09.03.2008), und The Power of One 2,8 Millionen (Quelle: http://www.the-numbers.com/ movies/1992/0POF1.php, 09.03.2008). Dieser Unterschied lässt sich wohl am ehesten mit den Genre-Präferenzen des Publikums und dem Vorteil von Lethal Weapon 2 als Fortsetzung eines Erfolgsfilms erklären. 70 Vgl. in diesem Sinn auch Jowett, »Hollywood Discovers Apartheid«, 172. 71 Zur Bedeutung des Ende des Kalten Krieges für Südafrika vgl. Ross, Concise History, 183f; Welsh, Narrative History, 502; Lyman, Partner to History, 46.
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2.2 »A CHANCE TO PUNCH SOME NAZI IN THE FACE«: DIE SERBEN ALS VÖLKERMÖRDER Ein weiteres amerikanisches Feindbild, das entscheidend durch den Vergleich mit dem Nationalsozialismus geprägt ist, sind die Serben. Ihr Image als ›Balkan-Nazis‹ war eine direkte Folge der Kriege, die in den 1990er Jahren die Auflösung Jugoslawiens begleiteten. Das Auseinanderbrechen des blockfreien, aber sozialistisch regierten Vielvölkerstaates auf dem Balkan war der Regierung von George Bush alles andere als willkommen, nicht zuletzt weil man in Washington wie in Moskau befürchtete, dass der UdSSR eine ähnliche Entwicklung und damit im schlimmsten Fall ein Bürgerkrieg mit Atomwaffen drohte.72 Noch im Juni 1991 machte Außenminister Baker während eines Besuchs in Belgrad deutlich, dass die USA die nach Unabhängigkeit strebenden Republiken nicht als neue Staaten anerkennen würden. Von der serbischen Führung konnte dies als grünes Licht für ein hartes Vorgehen gegen die Sezessionisten verstanden werden. So trugen die Vereinigten Staaten ungewollt zum Ausbruch der Kämpfe bei, die mit dem Eingreifen der jugoslawischen Armee in Slowenien begannen.73 Während die Bundesrepublik Deutschland Kroatien und Slowenien bereits im Dezember 1991 anerkannte, was vielfach als übereilt kritisiert wurde,74 und die Europäische Gemeinschaft diesen Schritt einen Monat später vollzog, erfolgte die offizielle Anerkennung durch die USA tatsächlich erst im April 1992, als sich auch Bosnien-Herzegowina für unabhängig erklärt hatte. Man hoffte, eine weitere Eskalation des Krieges, oder besser gesagt der Kriege, so verhindern zu können. Die Geschehnisse in diesem Konflikt, insbesondere die Kämpfe in Bosnien, waren kompliziert und ohne eine genaue Kenntnis der Geschichte des Balkans und der aktuellen Ereignisse nur schwer zu verstehen.75 Den zeitgenössischen Beobachtern im Ausland bot sich ein verwirrendes Bild, in dem sich aber immer klarer die Schurkenrolle der Serben als Aggressoren und Kriegsverbrecher abzuzeichnen schien. Schon im Juni 1992 erklärte das Magazin Time den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic zum »Butcher of the Balkans« und identifizierte ihn als Hauptverantwortlichen für das Blutvergießen.76 Dass die Serben zunehmend als die Böse-
72 Vgl. Robin Alison Remington, »Balkan Triangle: Washington, Moscow, and Belgrade«, in: Cross/Oborotova (Hg.), New Chapter, 153-67, hier: 156. 73 Vgl. Hyland, Clinton’s World, 30; Raphael Draschtak, Endspiel 1995: Die USA beenden den Balkankrieg (Ethnos, Bd. 66), Wien 2005, 4. 74 Siehe dazu Daniele Conversi, »Germany and the Recognition of Croatia and Slovenia«, in: Brad K. Blitz (Hg.), War and Change in the Balkans: Nationalism, Conflict and Cooperation, New York 2006, 57-75. 75 Einen umfassenden Überblick bieten die Aufsätze in Blitz (Hg.), War and Change in the Balkans und Dunja Melþiü (Hg.), Der Jugoslawien-Krieg: Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen, 2., aktual. u. erw. Auflage, Wiesbaden 2007. Eine detaillierte Abhandlung, die sich besonders der Rolle der USA widmet, ist Draschtak, Endspiel 1995. Siehe dazu außerdem Georg Schild, »Die USA und der Bürgerkrieg in Bosnien«, in: Außenpolitik 47:1 (1996), 22-32. 76 »The Butcher of the Balkans«, in: Time 08.06.1992.
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wichte in diesen Kriegen betrachtet wurden, ist insofern verständlich, als die skrupellose Machtpolitik des Opportunisten Milosevic unbestreitbar eine zentrale Rolle beim Ausbruch und der Perpetuierung der Kämpfe spielte, in denen die serbischen Streitkräfte und Milizen zudem furchtbare Gräueltaten begingen. Bilder von Gefangenenlagern und Schilderungen von Massakern wie in Srebrenica, wo etwa 7.800 Muslime ermordet wurden,77 erschütterten die Weltöffentlichkeit. Allerdings wurde das einseitige Bild von serbischen Tätern auf der einen und kroatischen und muslimischen Opfern auf der anderen Seite der Realität nicht gerecht, denn die serbischen Verbrechen unterschieden sich zwar quantitativ, aber kaum qualitativ von denen der Kroaten und Muslime. Alle Parteien betrieben Lager und verübten Massaker sowie ethnische Säuberungen in den jeweils von ihnen kontrollierten Gebieten. Deshalb kritisierte Charles Boyd, der nur wenige Monate zuvor noch stellvertretender Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa gewesen war, in einem Artikel in Foreign Affairs im Herbst 1995 »the underinformed notion that this is a war of good versus evil, of aggressor against aggrieved«, von der die amerikanische Politik geleitet wurde.78 Er führte etliche der im öffentlichen Diskurs wenig bekannten oder beachteten Fakten an, etwa die Verteilung von Land und Bevölkerung vor Ausbruch des Krieges – die zumindest zum Teil die Behauptung von der ›Eroberung‹ weiter Teile Bosniens durch die Serben widerlegte –, die Flucht und Vertreibung hunderttausender serbischer Zivilisten und die muslimische Praxis, die eigenen Stellungen und die der UN-Truppen zu beschießen, um dies den Serben anzulasten. Die Isolation und Anfeindung durch den Westen habe zudem mit dazu beigetragen, die Politik der serbischen Führung in den Augen ihrer Bevölkerung zu legitimieren: »Demonization has unleashed demons.«79 Derartige Kritik war im allgemeinen öffentlichen und politischen Diskurs aber selten, der durch eine engagierte, jedoch oft einseitig-verzerrende Medienberichterstattung geprägt wurde. Verstärkt wurde dieser Trend durch umfangreiche PRKampagnen, die die amerikanischen Firmen Ruder Finn Global Public Affairs und Waterman and Associates im Auftrag der Regierungen von Kroatien und BosnienHerzegowina organisierten.80 So wurden effektiv Doppelstandards etabliert, die es Kroaten und Muslimen erlaubten, sich als Opfer zu stilisieren, während ihre eigenen Vergehen weitgehend unbeachtet blieben oder heruntergespielt wurden. Als besonders wirkungsvoll erwies sich die Beschwörung des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust zur Mobilisierung internationaler und gerade amerikanischer Unterstützung. Tatsächlich beanspruchten alle Kriegsparteien, durch einen Genozid bedroht zu sein.81 Am überzeugendsten konnten dies die bosnischen Muslime tun, 77 Zu Srebrenica siehe Draschtak, Endspiel 1995, 98-110. 78 Charles G. Boyd, »Making Peace with the Guilty: The Truth about Bosnia«, in: Foreign Affairs 74:5 (1995), 22-38, hier: 23. 79 Ebenda, 34. 80 Siehe dazu ausführlich Beham, Kriegstrommeln, 160-91. Der serbischen Regierung war es aufgrund des Embargos nicht möglich, einen Vertrag mit einer Londoner PR-Firma abzuschließen, ihre Propaganda richtete sich außerdem schwerpunktmäßig nach innen (vgl. ebenda, 192). 81 Siehe dazu ausführlich David Bruce MacDonald, Balkan Holocausts? Serbian and Croatian Victim-centred Propaganda and the War in Yugoslavia, Manchester/New York 2002.
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denen es gelang, die einflussreichen jüdischen Lobbygruppen in den USA für ihre Sache zu gewinnen. Elie Wiesel etwa nutzte die Eröffnung des Holocaust Memorial Museum in Washington im April 1993, um in diesem bedeutungsschweren Kontext öffentlichkeitswirksam Präsident Clinton zum Eingreifen in Bosnien zu drängen.82 Obwohl der kroatische Staatschef Franjo Tudjman ein Nationalist erster Güte war, der sich in seinen Plänen und der Wahl der Mittel kaum von Milosevic unterschied, noch im Mai 1995 offen von der Aufteilung Bosniens zwischen Serbien und Kroatien sprach83 und sich zu allem Überfluss mit antisemitischen Ausfällen hervortat, und obwohl während des Zweiten Weltkrieges die – von Tudjman rehabilitierte – kroatische Ustaša eigene Konzentrationslager betrieben hatte, in denen Juden und Serben ermordet worden waren,84 konzentrierten sich die historisch aufgeladenen Vorwürfe ganz auf die serbische Kriegspartei. Die Vergleiche mit den 1930er und 1940er Jahren waren in der Berichterstattung über Bosnien allgegenwärtig und bestimmten auch die Debatte um die amerikanische Politik. Denn indem die Serben zu den Nazis der Gegenwart erklärt wurden, geriet eine unentschlossene oder auf Diplomatie setzende Haltung zum Appeasement.85 »Today’s equivalent of Chamberlain is the Vance-Owen year-long rejection of the use of force to stop the killing«, schrieb Zbigniew Brzezinski in Newsweek.86 Auch für Time riefen die Bilder aus Bosnien eine unangenehme Erinnerung wach: »the world sitting by, eager for peace at any price, as Adolf Hitler marched into Austria, carved up Czechoslovakia.«87 Und ein Leitartikel in der New York Times erklärte auf derselben Linie: »The relations between Serbia and the Bosnian Serbs faithfully reproduce the relations between Nazi Germany and the Sudetenland.«88 Angesichts dieser historischen Vergleiche stand die amerikanische Regierung natürlich unter Druck, etwas zu unternehmen, umso mehr als sich die europäischen Verbündeten, die zunächst die Führung in dieser Krise auf dem eigenen Kontinent beansprucht hatten, als unfähig erwiesen, eine Lösung herbeizuführen.89 Andererseits berührte der Konflikt auf dem Balkan aber keine vitalen Interessen der Vereinigten Staaten, oder wie es der frühere Außenminister Baker ausgedrückt hatte: »We don’t have a dog in this fight.«90 Die amerikanische Bevölkerung zeigte daher trotz aller Empörung über die Gräuel in Bosnien wenig Unterstützung für einen möglicherweise verlustreichen Militäreinsatz zu deren Beendigung.91 So wurde zunächst vor allem 82 Vgl. Draschtak, Endspiel 1995, 17. 83 Zu Tudjman und seinen Plänen für Bosnien vgl. Ivo Banac, »The Politics of National Homogeneity«, in: Blitz (Hg.), War and Change in the Balkans, 30-43, hier: 33f; Draschtak, Endspiel 1995, 1f u. 64. 84 Zu Tudjmans Angriffen auf die Juden und seiner Relativierung des Holocaust vgl. MacDonald, Balkan Holocausts?, 167f; zu Kroaten und Serben im Zweiten Weltkrieg ebenda, 134f. 85 Siehe dazu auch Beisel, »Looking for Enemies«, 28f. 86 » › Never Again‹ – Except for Bosnia«, in: Newsweek 22.04.1993. 87 »Atrocity And Outrage«, in: Time 17.08.1992. 88 Unbetitelter Artikel von Stanley Hoffmann in: New York Times 04.12.1994. 89 Vgl. Schild, Bedrohte Supermacht, 69f. 90 Zitiert nach Draschtak, Endspiel 1995, 3. 91 Vgl. dazu die Umfragen in IIPO, 1995-1996, 276-8.
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die Aufhebung des UN-Waffenembargos gefordert, das die besser ausgerüsteten Serben bevorteilte. Faktisch duldeten die USA wissentlich die Verletzung des Embargos, die von vielen Staaten betrieben wurde, und nahmen sogar iranische Waffenlieferungen an die bosnischen Muslime hin. Außerdem konnte Kroatien mit Zustimmung der US-Regierung einen Vertrag mit dem privaten Militärdienstleister MPRI abschließen, dessen aus hochrangigen amerikanischen Ex-Militärs rekrutiertes Personal die kroatischen Streitkräfte in moderner Strategie und Taktik schulte und sie damit auf ihre Gegenoffensive in der Krajina im August 1995 vorbereitete.92 Währenddessen entwickelte die Clinton-Administration auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr einen Plan zur Beendigung des Krieges, der die Aufteilung des bosnischen Territoriums unter der kroatisch-muslimischen Föderation und der serbischen Republik Srpska im Verhältnis 51:49 vorsah. Eine Einigung unter diesen Bedingungen wurde schließlich durch NATO-Luftangriffe auf serbische Ziele, die am 30. August 1995 begannen, und den durch diese begünstigten Vormarsch von Kroaten und Muslimen ermöglicht. Die USA führten so ein Ende des Krieges herbei, allerdings auch um den Preis, in zynischer Weise Bevölkerungsverschiebungen durch Flucht und Vertreibung als Vereinfachung der Lage zu begrüßen.93 Das Friedensabkommen von Dayton, das durch eine große internationale Friedenstruppe abgesichert werden musste, machte die Kroaten zu den großen Landgewinnern, politisch aber profitierte Milosevic am meisten von den Verhandlungen, die ihn in einem erstaunlichen Ausmaß rehabilitierten und es ihm sogar erlaubten, sich plötzlich als Friedensstifter zu gerieren. Sicherlich auch deshalb, vor allem aber wohl wegen des weitverbreiteten Bilds von den serbischen Nazis als Alleinschuldigen des Konflikts, hinterließ das Abkommen bei vielen den Eindruck, dass hier Aggression letztendlich belohnt worden sei.94 Das Schurken-Image der Serben schlug sich alsbald auch in der amerikanischen Filmproduktion nieder. Schon 1994, als ein Ende des Krieges noch nicht in Sicht war, stellte der Agenten-Thriller Royce seiner eigentlichen Handlung eine Sequenz voran, in der in Bosnien Geiseln aus der Gewalt der Serben befreit werden müssen.95 The Rock (1996) führt eine seiner beiden Hauptfiguren, den FBI-Chemiewaffenexperten Stanley Goodspeed (Nicolas Cage), mit der Entschärfung einer Bombe aus C4 und Giftgas ein, die in einem an ein bosnisches Flüchtlingslager adressierten Paket entdeckt wird. »Half a million Serbians reside in the US, Marvin. Serbians don’t like Bosnians«, klärt er seinen jungen Kollegen und die Zuschauer kurz und bündig über die logischen Zusammenhänge auf. In der Folge traten die serbischen Bösewichte noch häufiger als Terroristen in Erscheinung. Tatsächlich waren nach dem Anschlag auf das World Trade Center im März 1993 Kroaten und vor allem Serben zunächst
92 Zu MPRI und den Aktivitäten der Firma in Kroatien und später auch Bosnien-Herzegowina siehe P.W. Singer, Die Kriegs-AGs: Über den Aufstieg der privaten Militärfirmen, übers. von Karl Heinz Silber, Frankfurt a.M. 2006, 199-223. 93 Vgl. dazu Draschtak, Endspiel 1995, 95f. 94 Vgl. Patterson, Restless Giant, 371; Jeffrey Gedmin, »Europe and NATO: Saving the Alliance«, in: Kagan/Kristol (Hg.), Present Dangers, 179-96, hier: 185. 95 Mit einem ähnlichen Szenario beginnt auch Sabotage (1996); siehe dazu Cettl, Terrorism in American Cinema, 231.
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zu den Verdächtigen gezählt worden.96 Während sich diese Mutmaßungen und entsprechende Bekenneranrufe als falsch herausstellten, griffen mehrere Filme später auf die Idee terroristischer Angriffe militanter Serben zurück. Damit wandelten sich diese von weit entfernten Übeltätern zu einer direkten Gefahr für die Vereinigten Staaten und die amerikanische Bevölkerung. Zugleich wurden sie so in ein größeres Bedrohungsszenario eingeordnet, das in den 1990er Jahren permanent an Bedeutung gewann. Dies lässt sich etwa in Crash Dive (1997) beobachten, einem für den Video- und DVD-Markt billig produzierten Abklatsch von Under Siege (1992), in dem ein Terrorkommando ein amerikanisches U-Boot in seine Gewalt bringt und die USA mit ihren eigenen Nuklearraketen bedroht. Die Terroristen werden einer internationalen radikalen Bewegung zugeordnet, deren Ziel »the domination of the free world by any means necessary« ist. Zumindest bei einem Teil von ihnen handelt es sich um Jugoslawen (also Serben), so auch beim Anführer, der sich in einer Szene ereifert, sein Land sei von »peacekeepers« zerstört worden. In Diplomatic Siege (1999) wiederum stürmt eine Gruppe, die sich als »Serbian Liberation Front« bezeichnet, die amerikanische Botschaft in Bukarest, in der pikanterweise noch eine Atomwaffe aus den Tagen des Kalten Krieges lagert, die nun den Serben in die Hände zu fallen droht. Deren Aktion richtet sich gegen die von der internationalen Gemeinschaft betriebene Verfolgung und Verurteilung serbischer Kriegsverbrecher.97 Wut über die Einmischung des Westens treibt auch den Terroristen Dusan in The Peacemaker (1997) an, einen bosnischen Serben, der allerdings nicht als eindimensionaler Bösewicht gezeichnet wird, eine Rolle, die in diesem Film der korrupte russische General Kodoroff innehat. Vielmehr gibt sich das Drehbuch einige Mühe, Dusan menschliche Züge zu verleihen und Mitgefühl für ihn zu wecken. So wird er als feinsinniger Pianist dargestellt, der den Schmerz über den Tod seiner Familie nicht erträgt und dadurch zu dem wahnsinnigen Plan getrieben wird, während einer Friedenskonferenz in New York eine Atombombe zu zünden. Von nationalistischen Motiven distanziert er sich in dem Bekennervideo, in dem er seine Motive darlegt, ausdrücklich. Stattdessen beansprucht er sogar, für alle Parteien des Krieges zu sprechen und zu handeln: »Im a Serb. I’m a Croat. I’m a Muslim.« Trotz der Erläuterung bleiben seine Beweggründe allerdings verworren und schwer nachvollziehbar, zumal als Rechtfertigung für einen derart verheerenden Akt des Terrors. Wie ich im letzten Kapitel erläutert habe, lassen solche emotionalen, irrationalen Motive die Gefahr durch den Terrorismus sogar noch bedrohlicher, da unberechenbarer erscheinen.98 Dass es sich bei Dusans Helfern um Nationalisten handelt und er außerdem mit der russischen Mafia zusammenarbeitet, um seinen Plan zu realisieren, wirft weitere Schatten auf ihn. In jedem Fall ändert seine Humanisierung nichts daran, dass hier 96 Vgl. »Tower Terror« und »Who Could Have Done It«, in: Time 08.03.1993; Richard A. Clarke, Against All Enemies: Inside America’s War on Terror, aktual. Auflage, London 2004, 73f. 97 Zu diesem Film siehe ausführlicher Cettl, Terrorism in American Cinema, 110f. 98 Das unterscheidet Dusan von den nordirischen Terroristen, mit denen Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 253, ihn wegen der Humanisierung vergleicht, die für deren Darstellung typisch ist; siehe dazu Kap. III.1.4.
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wie in Crash Dive und Diplomatic Siege die Bedrohung der USA durch Terrorismus und Massenvernichtungswaffen auch mit Serben (und eben nicht mit Kroaten) in Verbindung gebracht wird. Gleichwohl muss man festhalten, dass diese Filme zwar serbische Schurken verwenden, dass diese aber nicht mit dem serbischen Staat oder Militär identifiziert werden. Das lässt sich zum einen natürlich mit der wachsenden Bedeutung eines transnationalen Feindbildes Terrorismus in den 1990er Jahren erklären. Dass die offizielle serbische Politik in diesen Produktionen nicht thematisiert und als bedrohlich oder nur empörend dargestellt wird, spricht aber auch dafür, dass das Feindbild Serbien zu diesem Zeitpunkt noch nicht so deutlich ausgebildet war.99 Insofern ist es stimmig, dass die Botschaft Dusans, der in den Führern aller Seiten und den Waffenlieferanten im Ausland die Verantwortlichen für das Morden sieht, durchaus Hinweise auf die Komplexität des Jugoslawienkrieges enthält. Die tieferen Ursachen für die Grausamkeiten dieses Konflikts versuchte zur selben Zeit ein bemerkenswerter, allerdings kaum bekannter Film zu ergründen. Von Oliver Stone produziert, entstand Savior (1998) unter der Regie des Serben Peter Antonijevic, und schon diese Personalie lässt eine vom Üblichen abweichende Perspektive erahnen. In der Tat bemüht sich Antonijevics »picture of reconciliation«100 um eine dem Leid aller Seiten gerecht werdende Ausgewogenheit. Die historischen und politischen Hintergründe des Krieges in Bosnien spielen dabei eine sehr untergeordnete Rolle, stattdessen werden vor allem psychologische und soziale Faktoren beleuchtet, wodurch das Geschehen eine gewisse zeitlose Allgemeingültigkeit erhält. Hauptdarsteller Dennis Quaid bemerkte daher durchaus nicht unrichtig: »It takes place in Bosnia, but it’s really about all war.«101 Der Film folgt dem Amerikaner Joshua, dessen Familie in Paris bei einem wohl von Muslimen verübten Anschlag getötet wird und der sich, um seine Rachegelüste zu befriedigen, als Söldner für die Serben verdingt. Den erhofften sinnvollen Krieg findet er in Bosnien freilich nicht, das Töten macht ihn vielmehr selbst zu dem, was er zu bekämpfen vorgibt, nämlich zu einem Mörder von Kindern, wie er schließlich erschreckt feststellen muss. Seine Haltung ändert sich endgültig, als ein Gefangenenaustausch stattfindet. Der Charakter des Krieges tritt hier in aller Deutlichkeit zutage. Die Gefangenen beider Seiten sind keine Kombattanten, sondern Zivilisten, vor allem Frauen. Joshuas serbischer Kamerad Goran prahlt damit, die Muslimin, die sie zur Übergabe bringen, in einem jener serbischen Lager, die die Weltöffentlichkeit so empörten, ›gefickt‹ zu haben, eine Tatsache die ihm besondere Genugtuung verschafft, weil sein Vater früher für die Frau gearbeitet hat. »They fuck your women, too«, meint Joshua, was Goran allerdings bestreitet, denn eine serbische Frau sei zu stark und zu stolz, würde also eher sterben. Der Austausch zeigt jedoch, dass Joshua recht hat, denn unter den befreiten Serben befindet sich Gorans Nachbarin Vera – und sie ist hochschwanger. Für Goran stellt dies nach der Logik, die er zuvor erläutert hat, eine persönliche Beleidigung dar. Joshuas Einwand, sie sei vergewaltigt 99
Nichtsdestotrotz ist es offensichtlich falsch, wenn Zywietz, ebenda, 253f, meint, erst im Kosovokrieg sei den Serben die Schuld zugeschrieben worden. 100 Zitiert nach einem Interview mit Antonijevic, das beim Bonusmaterial der DVD von Splendid Film aus dem Jahr 2006 enthalten ist. 101 Zitiert nach einem Interview, ebenda.
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worden, wischt er beiseite: »Raped? Ha! She’s a fucking whore! With a fucking Muslim bastard in her belly! And her family, my neighbors, good Serbs, great warriors, she dishonored them!« Der Film nimmt hier Bezug auf eines der dunkelsten Kapitel des Bosnienkrieges, in dem die Vergewaltigung der Frauen des Feindes – ohnehin eine typische Erscheinung in Kriegen – von allen Parteien, vor allem aber von den Serben, geradezu systematisch betrieben und zu einer Taktik erhoben wurde.102 Savior zeigt dies aber nicht nur als ein Phänomen des Konflikts, sondern als einen Schlüssel zu seinem Verständnis, wie Roger Ebert korrekt feststellte: »[T]he film argues that much of the blood-hate on both sides involves psychotic male societies in which women are chattel – to be raped if they’re not yours, and killed if they’re yours and have been raped.«103 Dieselbe perverse Logik, die die Frauen des Feindes zu bevorzugten Zielscheiben macht, versagt den eigenen Frauen den Opferstatus, lastet vielmehr ihnen eine Entehrung der Familie und der Nation an. In einer schockierenden Szene zerrt Goran Vera in einem Tunnel aus dem Auto, wirft sie auf den Boden und tritt immer wieder in ihren Bauch. Als er dadurch den Geburtsvorgang auslöst, macht er sich bereit, das neugeborene Kind sofort zu ermorden. Das ist für Joshua, der sich zu spät entschlossen hatte, ein Baby im Haus einer alten Muslimin zu retten, zu viel: Er greift ein und erschießt Goran. Die Rettung Veras und ihrer in dem Tunnel entbundenen Tochter wird danach für ihn, dessen Sohn ermordet worden ist und der selbst ein Kind getötet hat, zu einer persönlichen Mission, die die Hoffnung auf Erlösung bietet. Auf ihrer Flucht ins sichere Ausland, nach Split, droht ihnen allerdings von allen Seiten Gefahr: Von den Serben, die sie wegen Gorans Tod verfolgen, von den Muslimen, die Veras Heimatdorf niederbrennen und die Bewohner massakrieren oder in die Gefangenschaft verschleppen,104 und von den Kroaten, denen Vera in die Hände fällt, als sie versucht, eine Reisemöglichkeit ausfindig zu machen. Gemeinsam mit anderen serbischen und muslimischen Zivilisten wird sie in einer schlicht aber eindringlich inszenierten Massenhinrichtung von den kroatischen Soldaten ermordet, nur wenige Meter von dem Versteck entfernt, in dem Joshua sich mit dem Baby verbirgt, ohne eingreifen zu können. Savior zeigt so konsequent alle Parteien des Krieges gleichermaßen als Täter und als Opfer. Darüber hinaus ist Gewalt hier fast immer gegen Zivilisten gerichtet. Damit wird ein Aspekt verdeutlicht, der für den Krieg in Bosnien zweifellos prägend war. Der Film erhält dadurch aber auch als allgemeines Porträt von Krieg eine besondere Härte. »The battle scenes in ›Saving Private Ryan‹ 102 Siehe dazu Karl Kaser, »Das ethnische ›engineering‹«, in: Melþiü (Hg.), Der Jugoslawien-Krieg, 401-14, hier: 411f; Draschtak, Endspiel 1995, 13. 103 »Savior« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19981211/REVI EWS/812110302/1023 (10.06.2007). 104 Savior erwähnt auch den Kampf internationaler Mudschaheddin auf Seiten der bosnischen Muslime, ein Thema, das im Rahmen der allgemeinen Diskussion um die Gefahr des Islamismus an Bedeutung gewann. Wie stark die bosnische Armee und Regierung während des Krieges islamisiert wurden und deshalb mit Terroristen kooperierten, ist umstritten. Beispielsweise hat Draschtak, Endspiel 1995 diesbezüglich sehr kritische Anmerkungen (vgl. ebenda, 23, 220 u. 233), während MacDonald, Balkan Holocausts?, 242-4, dem Vorwurf der Islamisierung widerspricht.
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may be gorier, but they don’t convey anything close to the intensity of cruelty and hatred that are so palpable in ›Savior’s‹ scenes of torture and butchery«, befand die New York Times.105 Tatsächlich ist Savior ein seltenes Beispiel für einen Film, den man wohl berechtigterweise als Antikriegsfilm bezeichnen kann.106 Das hängt ursächlich damit zusammen, dass hier eben keine dramatischen Kämpfe zwischen Soldaten gezeigt werden, dass der Film keine spektakuläre Kriegs-Action bietet. Gewalt ist in Savior schon deshalb nicht glamourös, weil sie einseitig von Starken an Schwachen, von Bewaffneten an Wehrlosen verübt wird.107 Zu dem Zeitpunkt, als Savior in den amerikanischen Kinos startete, eskalierte bereits der nächste Konflikt im ehemaligen Jugoslawien, die Auseinandersetzung zwischen den nach Unabhängigkeit strebenden Kosovo-Albanern und der serbischen Regierung. Während der Kriege im restlichen Jugoslawien war es im Kosovo ruhig geblieben, dennoch hatte die Politik in der serbischen Provinz für diese eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Milosevic hatte den nationalistischen Mythos der Serben vom geheiligten Boden des Kosovo108 kräftig ausgebeutet, um seine eigene Karriere zu befördern, und dafür gesorgt, dass 1989 die seit 15 Jahren bestehende weitgehende Autonomie, die dem Kosovo beinahe den Status einer Teilrepublik verlieh, aufgehoben worden war. Dieses serbische Vorgehen hatte die nationalistischen Bewegungen in den anderen Republiken und deren Unabhängigkeitsbestrebungen gestärkt. 109 Im Friedensabkommen von Dayton war der Status des Kosovo jedoch nicht berührt worden. Wohl nicht zuletzt aus Enttäuschung darüber radikalisierte sich in der Folge der albanische Widerstand gegen die serbische Unterdrückung. Nach langen Jahren des friedlichen Strebens nach Unabhängigkeit waren die Albaner nun zunehmend überzeugt, nur der bewaffnete Kampf, der Ende 1996 von der UÇK proklamiert wurde, könne zum Erfolg führen. Die serbische Regierung beantwortete die Angriffe der UÇK mit einer brutalen Repressionspolitik, die sich auch gegen zivile Zentren richtete: Zwischen April und September 1998 wurden 250.000 bis 300.000 Menschen aus ihren Dörfern vertrieben. Dies führte der auch von den USA zunächst als Terrororganisation eingestuften Untergrundarmee weitere Kämpfer zu und gewann ihr außerdem die Sympathien des Auslands. Wie zuvor in Bosnien wurden die Serben nun wieder als die eigentlichen Verantwortlichen für die Gewalt angesehen, die NATO 105 »In the Butchery of Bosnia, a Killer Becomes a Humanitarian«, in: NYT 25.11.1998. 106 Vgl. in diesem Sinne auch die Kritik von Roger Ebert. 107 Vermutlich ist dies, neben dem low-budget-Status des Films, aber auch ein wesentlicher Grund, warum er zwar von Kritikern gelobt wurde, aber kein größeres Publikum erreichte. Nur auf zwei Leinwänden gestartet, spielte er in den USA erbärmliche 12.903 Dollar ein (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1998/0SVRI.php, 19.03.2008)! 108 Siehe dazu Sabrina P. Ramet, »The Kingdom of God or the Kingdom of Ends: Kosovo in Serbian Perception«, in: Mary Buckley/Sally N. Cummings (Hg.), Kosovo: Perceptions of War and Its Aftermath, London/New York 2001, 30-45. 109 Vgl. Matthias Rüb/Dunja Melþiü, »Jugoslawien unter Miloševiü«, in: Melþiü (Hg.), Der Jugoslawien-Krieg, 327-43, hier: 332; Roland Dannreuther, »War in Kosovo: History, Development and Aftermath«, in: Buckley/Cummings (Hg.), Kosovo, 12-29, hier: 17. Zu Hintergründen und Verlauf des Kosovo-Krieges siehe außerdem Noel Malcolm, »The War Over Kosovo«, in: Blitz (Hg.), War and Change in the Balkans, 143-55.
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drohte eingedenk der Lehren aus dem Jugoslawienkrieg mit einem Angriff. Dieser begann, nachdem Verhandlungen zwischen Albanern und Serben in Rambouillet bei Paris gescheitert waren, am 24. März 1999 als reiner Luftkrieg, der Serbien zum Einlenken zwingen sollte, ohne die Soldaten des Bündnisses einer großen Gefahr auszusetzen. Das Bombardement der NATO-Flugzeuge konnte eine großangelegte serbische Kampagne zur Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo und damit eine furchtbare humanitäre Katastrophe nicht verhindern, zwang Milosevic aber schließlich zum Einlenken. Die serbischen Truppen mussten sich zurückziehen, die albanischen Flüchtlinge konnten unter dem Schutz einer internationalen Friedenstruppe zurückkehren. Bald darauf begann die sukzessive Abwanderung eines großen Teils der serbischen Minderheit in der Provinz, oftmals auch als Flucht vor den nun einsetzenden Racheakten der Albaner. Für den Kosovo sollte eine politische Lösung gefunden werden, die die territoriale Integrität Serbiens achtete, doch selbst jahrelange Bemühungen blieben letztendlich vergeblich: Am 17. Februar 2008 erklärte sich der Kosovo für unabhängig und wurde innerhalb kurzer Zeit von einer Vielzahl von Staaten, darunter auch die USA, anerkannt. Der Versuch der Serben, den Kosovo ethnisch zu säubern, und die deutliche Überlegenheit der serbischen Armee- und Polizeikräfte gegenüber der UÇK sorgten dafür, dass der Krieg im Kosovo vom Westen noch mehr als der in Bosnien in Kategorien von Gut und Böse wahrgenommen wurde.110 Die einseitige Medienberichterstattung und die Informationspolitik der NATO taten ein Übriges, um diesen Eindruck zu verstärken,111 der trotz der ohne jeden Zweifel skrupellosen Politik des Regimes in Belgrad den Nuancen des Konflikts nicht gerecht wurde. Tatsächlich wollten auch die westlichen Regierungen nicht, dass die UÇK ihr Maximalziel, einen ethnisch reinen Kosovo innerhalb eines Großalbaniens, verwirklichte.112 Im öffentlichen Diskurs spielte das aber kaum eine Rolle. Hier wurde die im Jugoslawienkrieg bereits etablierte Gleichsetzung von Serben und Nazis nun machtvoll reaktiviert. So formulierte Präsident Clinton am Vorabend der NATO-Angriffe die rhetorische Frage: »What if someone had listened to Winston Churchill and stood up to Adolph [sic!] Hitler earlier? How many people’s lives might have been saved? And how many American lives might have been saved?«113 Auch in seiner Ansprache an die Nation am Tag darauf fehlten die Bezüge zum Zweiten Weltkrieg nicht.114 Pressesprecher Joe Lockhart erläuterte später, wie der Vergleich von Hitler und Milosevic gemeint sei: »I don’t think he was comparing his goals or his military apparatus. I think he was looking at some of the atrocities and summary executions that marked what 110 Speziell zur amerikanischen Wahrnehmung siehe Robert Singh, »American Perceptions«, in: Buckley/Cummings (Hg.), Kosovo, 61-77. 111 Siehe dazu Gerhard Lampe, »Medienfiktionen beim NATO-Einsatz im Kosovo-Krieg 1999«, in: Strübel (Hg.), Film und Krieg, 127-34. 112 Vgl. Dannreuther, »War in Kosovo«, 20. 113 William J. Clinton, »Remarks at the Legislative Convention of the American Federation of State, County, and Municipal Employees, March 23rd, 1999«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=57294 (27.07.2007). 114 William J. Clinton, »Address to the Nation on Airstrikes Against Serbian Targets in the Federal Republic of Yugoslavia (Serbia and Montenegro), March 24th, 1999«, http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=57305 (27.07.2007).
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we all know about Nazi Germany.«115 Den Holocaust, der damit natürlich allem voran gemeint war, wollte Clinton in einer Rede im Mai zwar nicht mit den ethnischen Säuberungen im Kosovo gleichsetzen, er betonte aber, dass die beiden Geschehnisse »related« seien.116 »Die serbischen Schreckenstaten unterscheiden sich von denen der Nazis grundsätzlich nur durch die geringeren Dimensionen«, stellte dementsprechend der Historiker Daniel Jonah Goldhagen in der Süddeutschen Zeitung fest und forderte deshalb »Eine ›deutsche Lösung‹ für den Balkan«: Serbien müsse besiegt, besetzt und einer Art Entnazifizierung unterworfen werden.117 Dazu kam es zwar nicht, aber durch den Kosovo-Krieg reihten sich die Serben endgültig unter den amerikanischen Feindbildern ein. Robert Kagan und William Kristol zählten Belgrad in ihrem Sammelband Present Dangers neben Peking, Pjöngjang und Bagdad zu den »evil regimes«, deren Beseitigung das Ziel der US-Politik sein müsse.118 Gleichermaßen bezeichnend ist, dass der Anführer einer multinationalen Terrororganisation, die in der Action-Komödie Bad Company (2002) eine Atombombe in den Vereinigten Staaten zünden will, zeitweilig ein Russe oder Afghane sein sollte, schließlich aber als Serbe auf der Leinwand landete.119 Dieser Film erinnert durch die Terrorismus- und Massenvernichtungswaffenthematik, die nach dem 11. September 2001 freilich aktueller denn je war, an die Produktionen mit serbischen Bösewichtern aus den 1990er Jahren. Dass Dragan, so der Name des Terroristen im Film, von dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen »terrorist crimes against humanity« gesucht wird, rückt ihn aber deutlich in die Nähe der neuen serbischen Schurken, die nun vor allem als ›ethnische Säuberer‹ beziehungsweise Völkermörder gezeichnet wurden, wie zum Beispiel in Operation Delta Force 4 (1999) oder Sniper 2 (2002). In letzterem Film werden zwei amerikanische Scharfschützen in Serbien eingeschleust, um einen General auszuschalten, der noch nach Milosevics Sturz »a stealth operation of hit-and-run ethnic cleansing in small Muslim towns along the eastern border« betreibt. Die beiden Amerikaner befreien außerdem mithilfe des (aus drei Leuten bestehenden) serbischen Untergrunds den inhaftierten Schriftsteller Pavel, der von seinen Rettern lernt, »[that] freedom isn’t free«: Das Böse kann nur mit Gewalt bekämpft werden. Einsichtig zitiert er am Schluss George Orwell: »›People sleep peacefully in their beds at night because men stand ready to do violence on their behalf.‹ […] He abhorred violence, too. But I guess he understood when it became necessity.«
115 »Press Briefing by Joe Lockhart, March 26th, 1999«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=47718 (27.07.2007). 116 William J. Clinton, »Remarks to the Veterans of Foreign Wars of the United States at Fort McNair, May 13th, 1999«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=57561 (27.07. 2007). 117 »Eine ›deutsche Lösung‹ für den Balkan«, in: SZ 30.04.1999. 118 William Kristol/Robert Kagan, »Introduction: National Interest and Global Responsibility«, in: Kagan/Kristol (Hg.), Present Dangers, 3-24, hier: 7. 119 Vgl. die Ausführungen des Darstellers Matthew Marsh in dem Werbe-Making Of »In Bad Company: An Inside Look«, enthalten beim Bonusmaterial der DVD von Touchstone Home Entertainment aus dem Jahr 2002.
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Der Genozid, den es hier zu verhindern gilt, wird im Film zwar in keiner einzigen Szene gezeigt, dafür stellt der Dialog die Serben gleich zweimal direkt in die Tradition von Nazis und Kommunisten, den totalitären Schurken der Vergangenheit. Eine Widerstandskämpferin erklärt: »My grandfather fought against the Germans. My father against the Communists. Now it’s our turn.« Später erläutert Pavel angesichts eines völlig zerstörten Dorfes: »Muslims lived here for 600 years. The Nazis tried to wipe them out, then the Communists and the Serbs.« Während die ethnischen Säuberungen selbst hier nicht zu sehen sind, findet sich eine umso drastischere Darstellung ein Jahr später in The Hunted (2003), dem der Kosovo-Krieg eigentlich nur als Aufhänger für die Geschichte eines durch seine Erfahrungen traumatisierten und deshalb Amok laufenden Elitesoldaten (Benicio Del Toro) dient. Die Eröffnungsszene, die die Zerstörung eines albanischen Dorfes im März 1999 zeigt, gibt sich alle Mühe, die Idee einer Hölle auf Erden umzusetzen: Flammen und Explosionen erzeugen eine regelrechte Feuersbrunst; schreiende Zivilisten werden von serbischen Soldaten zusammengetrieben, in Gruben gestoßen oder direkt auf der Straße hinterrücks mit Gewehrsalven niedergemäht; überall liegen Leichen herum. Dass die Inszenierung bis ins Irreale überzogen ist, wird daran deutlich, dass inmitten des gerade stattfindenden Gemetzels auch einige Tote liegen, die sich bereits im fortgeschrittenen Verwesungsstadium befinden. Das ergibt natürlich keinen Sinn, verstärkt aber den grausigen Eindruck noch einmal. Die Szene ist zweifellos auch deshalb so extrem inszeniert, weil sie die Traumatisierung des Elitesoldaten, der den verantwortlichen serbischen Kommandeur während des Massakers eliminiert, glaubhaft machen soll. Daran, dass hier das Bild einer geradezu apokalyptischen serbischen Soldateska entworfen wird, ändert das aber nichts. »They’re killing everyone in sight. It’s not a war, it’s a slaughter«, erläutert der Anführer der Delta Force-Einheit. Und tatsächlich gibt der serbische Kommandeur den Befehl: »Kill them all… level the entire village. No mercy for Albanians.« Der Tod, der ihn kurz darauf ereilt, erscheint somit nur gerecht, und der Film lässt keinen Zweifel daran, dass diese ethnische Säuberung nichts anderes als ein Völkermord ist. Bei der Darstellung der Opfer wird wiederum deutlich, wie nahe die Inszenierung von Regisseur William Friedkin daran ist, in eine unfreiwillige Parodie abzurutschen, wenn ein kleines albanisches Mädchen mit einem Stofftier gezeigt wird – eine Aufnahme, die an die Produktion eines möglichst mitleiderregenden Kriegsbildes in der Satire Wag the Dog (1997) erinnert, deren fiktiver Krieg auch noch in Albanien angesiedelt ist. Ein weiterer Film über serbische Kriegsverbrechen und die unentbehrliche Rolle der USA als Macht für Frieden und Gerechtigkeit ist Behind Enemy Lines (2001), der diesmal wieder in Bosnien spielt, aber eindeutig durch den Kosovo-Krieg geprägt ist. Die Handlung ist inspiriert durch die Geschichte des amerikanischen Kampfpiloten Scott O’Grady, der am 2. Juni 1995 während eines Patrouillenflugs von bosnischen Serben abgeschossen wurde – offensichtlich als gezielte Vergeltung für vorangehende NATO-Angriffe – und sich sechs Tage lang versteckt hielt, bevor er gerettet wurde.120 Im Film sind es gleich zwei Amerikaner, die abgeschossen werden, aber schon kurz nach der Landung mit dem Fallschirm muss der Navigator Chris Burnett (Owen 120 Siehe dazu Time 19.06.1995 mit der Titelschlagzeile »The Pilot’s Escape«; Draschtak, Endspiel 1995, 84f.
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Wilson) mit ansehen, wie sein verletzter Pilot von den Serben kaltblütig ermordet wird. Er selbst befindet sich fortan auf der Flucht, gejagt von Militäreinheiten und einem Scharfschützen im blauen Trainingsanzug, den der Abspann nur als »Tracker« aufführt. Dieser Charakter, der auch den Piloten hinterrücks erschießt, wird Burnetts Nemesis. Schon rein optisch wird dabei ein klarer Gegensatz aufgebaut zwischen dem blonden amerikanischen Sunnyboy Burnett, der auch nach Tagen in der Wildnis noch glatt rasiert daherkommt, und dem grimmigen Serben mit seinem dunklen Dreitagebart. Der Grund, warum der serbische Kommandeur Lokar den Abschuss der Maschine anordnet und Burnett um jeden Preis tot sehen will, ist ein Massengrab mit ermordeten Muslimen, dessen Anlegung die Amerikaner bei ihrem Aufklärungsflug nichtsahnend fotografiert haben, nachdem sie auf Burnetts Drängen von ihrem vorgegebenen Kurs abgewichen sind, um die verdächtige Aktivität in der »demilitarized zone« zu überprüfen. Den Serben geht es also darum, die Aufdeckung noch größerer Verbrechen, nämlich ihres Genozids an den Muslimen, zu verhindern. In Gefahr, des Völkermords überführt zu werden, sind sie bezeichnenderweise aufgrund der Initiative von Amerikanern. Deren NATO-Verbündete erweisen sich dagegen, ohne dies zu wollen, als ihre größten Helfer, da sie sich stur an Vorschriften, Kommandostrukturen und Abmachungen mit den Serben halten. So wird der Kommandeur von Burnetts Flugzeugträger, Admiral Reigart (Gene Hackman), von seinem NATO-Vorgesetzten Admiral Piquet (Joaquim de Almeida) mehrfach daran gehindert, eine schnelle Rettung Burnetts durchzuführen. Piquet pocht darauf, dass die amerikanischen Piloten durch ihr Eindringen in das eigentlich für sie gesperrte Gebiet gegen bestehende Absprachen verstoßen haben und dass eine Rettungsaktion dort ein gerade ausgehandeltes brüchiges Abkommen gefährden würde. Wichtig ist, dass die Verbündeten, die hier eher ein Hindernis sind, nicht nur das Leben eines amerikanischen Piloten in Gefahr bringen, an dessen Schicksal ihnen nichts zu liegen scheint; sie spielen den Serben auch in die Hände, indem sie die Aufdeckung des Völkermordes erschweren. Insofern ist es überraschend, dass Regisseur John Moore in seinem Audiokommentar zur DVD Piquets rationale Argumente als durchaus gewichtig anerkennt. In der Auseinandersetzung mit Reigart, nachdem dieser die Presse eingeschaltet hat, um öffentlichen Druck für eine Rettungsaktion zu erzeugen, sieht Moore den NATO-Offizier sogar als moralischen Sieger. Hier weicht die Sichtweise des Regisseurs doch signifikant von dem Bild ab, das der Film tatsächlich vermittelt und das adäquater wiedergegeben wird, wenn einer von Reigarts Untergebenen später bemerkt: »Piquet’s got his own agenda.« Das Hauptproblem mit dem Franzosen ist, dass er eine neutrale Haltung einnimmt in einem Konflikt, bei dem in der Sichtweise des Films klar zwischen Gut und Böse, zwischen Tätern und schutzbedürftigen Opfern, unterschieden werden kann, ja muss. Wie sehr Piquet, der selbst anführt, die Uniformen der Kriegsparteien nicht auseinanderhalten zu können, diesem Konzept entgegensteht, wird schon in seinem ersten Dialog mit Reigart deutlich, als er zu diesem bemerkt: »You, Admiral, are just what this conflict needs: an uncomplicated man.« Reigarts Entgegnung ist nicht weniger charakteristisch: »I’ll take that as a compliment.« Tatsächlich scheint der Bosnien-Krieg in Behind Enemy Lines nichts mehr zu brauchen als Männer mit einem geradlinigen Charakter, deren feste moralische Überzeugungen ihnen sagen, wann es wichtiger ist, zu handeln, als sich an internationale Spielregeln zu halten – eine Idee,
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die in der Debatte um den Kosovo-Krieg von größter Bedeutung war, da die UNO die Intervention der NATO nicht gebilligt hatte. Burnett ist Reigart trotz ihrer Differenzen zu Beginn charakterlich mehr als ähnlich und deshalb vor seinem dramatischen Abenteuer unzufrieden mit seiner Rolle und der der Vereinigten Staaten in Bosnien. Er will deshalb sogar den Dienst quittieren und beklagt sich, weil nicht klar ist, was die US-Streitkräfte hier eigentlich machen und auf wessen Seite sie stehen. Mit anderen Worten: Die Situation ist ihm zu kompliziert. »Everybody thinks they’re gonna get a chance to punch some Nazi in the face at Normandie. And those days are over. They are long gone. I used to think I was gonna get a chance to do it«, resümiert er frustriert. Aber wie er während seiner Flucht durch Bosnien – zu seiner Zufriedenheit – feststellen kann, hat er sich geirrt: Die Zeiten des Kampfes gegen das Böse sind noch nicht vorbei. Der Bosnien-Krieg hat klare Fronten. Und die Serben sind Nazis in einem kleineren Maßstab. Im finalen Zweikampf mit dem Scharfschützen erhält Burnett denn auch die Gelegenheit, sein Normandie-Erlebnis nachzuholen. Auch das amerikanische Rettungsteam kann in der letzten Szene seine überlegene Feuerkraft guten Gewissens einsetzen, um die serbischen Soldaten reihenweise niederzumähen, ein geradezu kathartischer Moment nach all den Szenen, in denen Burnett vor den Kugeln seiner Verfolger fliehen musste, und der erzwungenen Untätigkeit Amerikas gegenüber dem Bösen. Die Stilisierung der Serben zu Nazis hängt natürlich auch in diesem Film eng mit der Darstellung ihrer Opfer zusammen. Die Muslime, denen Burnett auf seiner Flucht begegnet, sind auffällig amerikanisiert: Sie trinken Cola, mögen amerikanische HipHop-Musik und imitieren in einem Fall sogar das Aussehen von Elvis Presley. Frauen, Halbstarke und alte Männer dominieren hier das Bild, sodass sie als zivile Widerstandsgruppe erscheinen, zumal sie keine Uniformen tragen und nur über wenige Waffen verfügen. Der Film setzt sie damit in überdeutlichen Kontrast zu den Serben, die als gut organisierte und bestens ausgerüstete Truppe gefährlich aussehender Kämpfer auftreten. Dementsprechend werden die Muslime bei dem Gefecht in Haþ einfach niedergemetzelt, von einem echten Kampf kann keine Rede sein.121 Es ist offensichtlich, dass sie die gute und zudem die schwächere Seite sind, dass sie der Hilfe der USA bedürfen. Die Szene, in der Burnett sich vor seinen Verfolgern zwischen den Leichen der ermordeten Muslime in dem Massengrab versteckt, macht zudem auch den Amerikaner symbolisch zu einem zumindest potentiellen Opfer des serbischen Völkermordes. Umso angemessener erscheint es, dass durch seinen und Reigarts Ungehorsam die Verbrechen aufgedeckt werden. Eine Einblendung zum Schluss erklärt, dass der serbische Kommandeur aufgrund der von Burnett gelieferten Beweise überführt und zur Rechenschaft gezogen worden ist. Die Zeichnung der Serben als Nazis – das wird gerade am Beispiel von Behind Enemy Lines deutlich – garantierte ein klares Feindbild, anhand dessen eine als lähmend kompliziert empfundene Welt interpretiert und einfach strukturiert werden konnte. Im Zusammenspiel mit der starken Betonung des Motivs des Genozids ermöglichte dieses Feindbild zudem nicht nur eine Art Wiederholung des Zweiten Weltkrieges (wenn auch in deutlich kleinerem Maßstab), sondern auch eine nachträg121 Diese Szenen wurden in ihrer Brutalität entschärft, um die PG-13-Altersfreigabe (Kinder unter 13 Jahren nur in Begleitung von Erwachsenen) für den Film zu erhalten; vgl. dazu den Audiokommentar von John Moore.
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liche Verhinderung des Holocausts.122 Die USA konnten sich so unzweifelhaft ihrer historischen Sendung als Macht des Guten vergewissern. Als Behind Enemy Lines im November 2001, zwei Monate früher als geplant, in den amerikanischen Kinos startete, wirkte der Film somit nicht nur deshalb zeitgemäß, weil hier das US-Militär, das die Produktion großzügigst unterstützt hatte,123 im heldenhaften Einsatz gezeigt wurde, während es in der Realität gerade dabei war, die Herrschaft der Taliban in Afghanistan zu beenden.124 Auch die Botschaft von der Notwendigkeit moralischer Gewalt in einer klar in Gut und Böse unterteilten Welt passte bestens in den ›Krieg gegen den Terror‹.
2.3 »OF COURSE, PUT A GERMAN ON IT«: DEUTSCHE, NAZIS UND DAS BILD VOM BÖSEN Natürlich darf man nicht übersehen, dass das Dritte Reich und die Verbrechen des Nationalsozialismus auch in vielen anderen Ländern als Sinnbild für das Böse benutzt werden können. Insbesondere die früheren Opfer der deutschen Aggression stellten und stellen ihre Feinde ebenfalls gern in die Tradition der Nazis, um sie zu diskreditieren und die patriotischen Gefühle der eigenen Bevölkerung zu stimulieren. So wurde die Sowjetunion nicht nur von den USA als totalitäre Macht dem Dritten Reich gleichgesetzt, sie stellte zugleich ihrerseits die Amerikaner und deren Verbündeten als faschistische Erben Hitlers dar und beschwor die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg.125 Auch die staatliche serbische Propaganda porträtierte die NATO während des Kosovo-Krieges als Neonazi-Organisation.126 Und nicht zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland selbst wurde der erste Kampfeinsatz der Bundeswehr mit der moralischen Verpflichtung begründet, kein neues Auschwitz zuzulassen. Die enorme Bedeutung des Nationalsozialismus für Selbstverständnis und Dämonologie der Amerikaner, deren Hintergründe ich an anderer Stelle schon ange-
122 Eine auffallend wichtige Rolle spielt das Motiv des Genozids auch im zweiten Teil von Peter Jacksons Lord-of-the-Rings-Verfilmung The Two Towers (2002). Man kann darin durchaus einen Nachhall des Kosovo-Krieges sehen, zumal die in vielem werkgetreue Verfilmung hier deutlich über den Roman von J.R.R. Tolkien hinausgeht. Eine entsprechende, etwas überzogen wirkende, Interpretation ist Christina Schildmann, »Hollywood lädt nach: Kriegsrhetorik in Matrix: Reloaded und The Lord of the Rings – The Two Towers«, in: Stefan Machura/Rüdiger Voigt (Hg.), Krieg im Film (Krieg der Medien – Medien im Krieg, Bd. 1), Münster 2005, 265-88. 123 Sogar die Premiere fand, wie ein erheblicher Teil der Dreharbeiten, auf dem Flugzeugträger USS Carl Vinson statt. Vgl. »Behind Enemy Lines« auf http://rogerebert.suntimes. com/apps/pbcs.dll/article?AID=/20011130/REVIEWS/111300301/1023 (10.06.2007). 124 Die New York Times etwa stellte fest, » [that] ›Behind Enemy Lines‹ […] feels very much of the moment[.]«; »Immersed in War (in Bosnia for a Change) With Gusto and Gadgetry«, 30.11.2001. Vgl. auch » › Behind Enemy Lines‹: Red, White and True Blue«, in: WP 30.11.2001: »[T]he thriller couldn’t be better suited to the times.« 125 Für einige beispielhafte Karikaturen siehe Paul Roth, »Feindbild in Ost und West«, in: Wagenlehner (Hg.), Feindbild, 87-107, hier: 88f. 126 Vgl. Ramet, »Kosovo in Serbian Perception«, 36.
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sprochen habe, ist dennoch immer wieder auffällig. Dadurch werden einige Fragen aufgeworfen, auf die noch eingegangen werden muss: Inwiefern hängt dies mit dem Deutschlandbild in den Vereinigten Staaten zusammen? Waren Nazis in den 1980er und 1990er Jahren nur noch eine historische Metapher für das Böse oder auch ein eigenes, aktuelles Feindbild? Existierte möglicherweise sogar ein Feindbild Deutschland? Gewisse Sorgen im Hinblick auf die Bundesrepublik gab es Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre tatsächlich. Diese standen in direktem Zusammenhang mit den Niedergangsängsten, die auf amerikanischer Seite das Ende des Ost-WestKonflikts begleiteten. In den USA wähnte man sich angesichts von Haushaltsdefizit und Arbeitslosigkeit in akuter Gefahr, von den exportstarken Nationen Deutschland und Japan im Hinblick auf wirtschaftliche Bedeutung nicht nur eingeholt, sondern überflügelt zu werden. Gerade da viele Beobachter der Überzeugung waren, in der Zeit nach dem Kalten Krieg werde militärische Macht eine wesentlich geringere Rolle spielen als ökonomische, stand damit zu befürchten, dass die Vereinigten Staaten ihre beherrschende Rolle in der Welt verlieren würden. Die Verbündeten wurden zunehmend als problematische Rivalen betrachtet: »Tokyo and Bonn could be responsible for some of America’s biggest headaches in the upcoming years«, warnte beispielsweise Jeffrey Garten in einem Artikel in Foreign Affairs.127 Sein darauf zurückgehendes Buch sprach wenige Jahre später sogar von der »most severe challenge since 1941, and today we are less prepared to respond than we were then.«128 Auch Jeffrey Bergner teilte die Überzeugung, dass die neue Weltordnung maßgeblich durch Japan und die Bundesrepublik mitbestimmt werden würde.129 Die Wiedervereinigung Deutschlands war dazu angetan, diese Erwartungshaltung noch zu verstärken, schienen damit doch die beherrschende Stellung der BRD in Europa und ein Aufstieg zur Supermacht garantiert. Zugleich stand die bange Frage im Raum, ob man nun ein Wiederaufflammen des mörderischen deutschen Nationalismus fürchten müsse.130 Passend zu solchen Bedenken droht in der zu dieser Zeit entstandenen ActionKomödie Loose Cannons (1990) die Wahl des Alt-Nazis von Metz (Robert Prosky) zum Bundeskanzler. Durch einen inszenierten Attentatsversuch auf Hitler ist von Metz in den letzten Tagen des Dritten Reichs mit einer Tarnung als Widerstandskämpfer versehen worden und scheint somit über jeden Verdacht erhaben. Es existiert allerdings eine Filmaufnahme, die enthüllt, dass er in Wahrheit als Liebling des 127 Jeffrey E. Garten, »Japan and Germany: American Concerns«, in: Foreign Affairs 68:5 (1989), 84-101, hier: 85. 128 Jeffrey E. Garten, A Cold Peace: America, Japan, Germany, and the Struggle for Supremacy, New York 1992, 22. 129 Jeffrey T. Bergner, The New Superpowers: Germany, Japan, the U.S.A. and the New World Order, New York u.a. 1991. 130 Vgl. dazu »The New Superpower«, in: Newsweek 26.02.1990; »Anything to Fear?«, in: Time 26.03.1990; Robert D. Kaplan, »The Character Issue«, in: Atlantic Monthly (May 1990), 24-34; Time 13.04.1992 mit dem Titel »Germany: New Muscle, Old Fears«. Siehe auch Beisel, »Looking for Enemies«,19-26. Conversi, »Germany and the Recognition« nennt das Wiederaufkommen der Angst vor Deutschland als einen Grund für die erwähnten heftigen Vorwürfe wegen der schnellen Anerkennung von Slowenien und Kroatien.
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Führers sogar dazu ausgewählt worden war, diesem bei seinem Selbstmord zu helfen.131 Der psychopathische Neonazi-Söldner Grimmer (Paul Koslo) soll das belastende Material, das von Metz gestohlen worden ist, in dessen Auftrag wiederbeschaffen, während zugleich der israelische Geheimdienst versucht, den Film in die Hände zu bekommen, um den Politiker noch vor der in wenigen Tagen anstehenden Wahl bloßzustellen. Zwei ungleiche amerikanische Polizisten (Gene Hackman und Dan Akroyd in einer weiteren buddy-Konstellation) werden durch die von Grimmer verübten Morde in die Jagd verwickelt und helfen den Israelis schließlich in entscheidender Weise dabei, den Film ausgerechnet während von Metz’ Rede vor der »International Conference of Christians and Jews« zu zeigen. Diese Handlung kann man allerdings nicht der deutschen Synchronfassung entnehmen, die sich bemüht, jeden Hinweis auf Deutschland und das Dritte Reich zu tilgen, auch um den Preis, dass die ohnehin hanebüchene Geschichte dann überhaupt keinen Sinn mehr ergibt.132 Letzteres ist bei dem wesentlich bekannteren Actionfilm Die Hard (1988) zwar nicht der Fall, aber auch hier werden die eigentlich deutschen Schurken in der deutschen Version amerikanisiert: Aus Hans wird Jack, aus Karl Charlie. Solche Veränderungen sind nicht zuletzt deshalb – mehr oder weniger leicht – möglich, weil diese Filme zwar auf das Stereotyp vom bösen Deutschen zurückgreifen, Deutschland selbst aber kaum von Bedeutung für die Handlung ist. Selbst in Loose Cannons ist die bevorstehende Wahl nicht mehr als der notwendige Hintergrund für die Geschehnisse, die komplett in den USA angesiedelt sind. Die Szene in der deutschen Botschaft kann diesbezüglich stellvertretend für den gesamten Film betrachtet werden: Die Polizisten wollen eigentlich von den deutschen Behörden Informationen zu ihrem Fall, aber noch während sie darauf warten, von einem Botschaftsangestellten mit dem sprechenden Namen Dobermann empfangen zu werden, tritt der stellvertretende FBI-Direktor an sie heran, und nach einem verbalen Schlagabtausch mit ihm verlassen die beiden die Botschaft, ohne mit den Deutschen gesprochen zu haben. Das Gebäude ist also letztlich nicht mehr als Kulisse, die deutsche Regierung bleibt in einer Geschichte, die die Bundesrepublik doch noch viel direkter betrifft als die USA oder Israel, merkwürdigerweise außen vor. Nur in 131 Wie es zusammenpassen soll, dass von Metz wegen des angeblichen Attentats im Gefängnis saß und gleichzeitig bei Hitlers Selbstmord im Bunker anwesend war, ist nur eine der zahllosen Ungereimtheiten dieses Films. 132 So werden aus den Nazis Argentinier gemacht, und der Film, der es wert sein soll, dafür zu töten, enthüllt hier keine Verbindung zu Hitler, sondern frühe Auftritte des Politikers in schlechten Hollywoodproduktionen! Diese Verdrehungen wirken umso lächerlicher, als die Bilder teilweise nicht zu den neuen Dialogen passen. In der Szene in der Botschaft etwa ist deutlich die Flagge der Bundesrepublik Deutschland zu sehen. Für eine derartige Bereinigung der deutschen Synchronfassung gibt es durchaus Vorbilder: Am bekanntesten ist wohl die Ersetzung von Uran schmuggelnden Nazis durch Drogenhändler in dem Hitchcock-Klassiker Notorious (1946), der in Deutschland deshalb auch unter dem Titel Rauschgift startete. Direkt nach dem Krieg mochten solche Veränderungen naheliegend erscheinen, dass man aber noch vierzig Jahre später in manchen Filmen die Identität der Bösewichte für den deutschen Markt ›korrigierte‹, ist doch einigermaßen verblüffend.
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der ersten Szene wird ein Agent erwähnt, der versucht hatte, den Film zu erwerben, aber – bezeichnend genug – von Grimmer bereits ermordet worden ist, bevor die Handlung beginnt. Es ist deshalb auch fraglich, ob Loose Cannons tatsächlich als Ausdruck der Sorgen hinsichtlich der Entwicklung Deutschlands, in deren Kontext er entstand, gesehen werden muss. Die Gefahr, die durch von Metz droht, wird nicht mit den eigentlich virulenten Themen Wirtschaftsmacht und Wiedervereinigung in Verbindung gebracht, die der Film überhaupt nicht anspricht. Die drohende Machtübernahme durch einen Alt-Nazi scheint zwar in gewisser Weise zeitgenössische Ängste aufzugreifen, aber andererseits spricht die Tatsache, dass von Metz seine Vergangenheit verbergen muss und nicht etwa deswegen populär ist, für die deutsche Demokratie und gegen einen neu erblühenden Nationalismus. Die Bedeutung, die von Metz’ enger Verbindung zu Hitler zugemessen wird, verstärkt den Eindruck, dass es hier eher um die Nazis der 1930er und 1940er Jahre geht als um das moderne Deutschland. Das ist noch deutlicher der Fall in einer weiteren Produktion aus den frühen 1990er Jahren, Fatherland (1994), einer TV-Verfilmung des gleichnamigen Romans von Robert Harris, in dem der britische Autor das Szenario eines Deutschen Reiches entwirft, das den Zweiten Weltkrieg gewonnen hat, in den 1960er Jahren ganz Europa beherrscht und sich in einem Kalten Krieg mit den USA befindet.133 Hier spiegeln sich zwar zeitgenössische britische Bedenken hinsichtlich des Deutschlands der Gegenwart und der EU, die Furcht vor einem Vierten Reich steht jedoch nicht im Mittelpunkt. Dass die Handlung in einer fiktiven Vergangenheit angesiedelt ist, in der das Dritte Reich nie aufgehört hat zu existieren, verleiht den tatsächlichen historischen Entwicklungen sogar geradezu utopische Qualität. Am interessantesten an diesem Film ist seine Darstellung der Vereinigten Staaten, die von der Vorlage signifikant abweicht: In Harris’ Roman versuchen die beiden Helden der Geschichte, der SS-Offizier Xaver März und die amerikanische Journalistin Charlie Maguire, vergeblich, ihre Beweise für die Ermordung der europäischen Juden an die US-Botschaft zu übergeben. Es wird klar, dass die amerikanische Regierung, die gerade einen Entspannungskurs gegenüber dem Deutschen Reich einschlägt und ein wichtiges Gipfeltreffen von Präsident Joseph Kennedy134 und Hitler plant, kein Interesse an der Aufdeckung deutscher Verbrechen hat, die diese Politik diskreditieren würden. März und Charlie bleibt deshalb nur die Möglichkeit, ihr Beweismaterial in die neutrale Schweiz zu schmuggeln und an die Presse zu übergeben. Ob dies wirklich gelingt, bleibt am Ende des Romans offen. Der Film unterschlägt dieses kritische Element und ersetzt den Schluss durch ein konventionelles Finale, das die seit den 1970ern etablierte Rolle der Amerikaner als völliges Gegenbild zu den Nazis und Bewahrer der Erinnerung an den Holocaust bestätigt: Als die Wagenkolonne des Präsidenten schon auf das Podest zufährt, auf dem Hitler seinen Besucher erwartet, gelingt es Charlie, sich durch Zuschauermenge und Wachen bis zu Kennedys Limousine vorzukämpfen und ihm die zusammengetrage133 Robert Harris, Fatherland, London 1992. 134 Der Vater von John F. Kennedy war zu Beginn des Zweiten Weltkrieges Botschafter in London, wurde aber wegen antibritischer und antidemokratischer Äußerungen von diesem Posten abberufen. Dass Harris ihn und nicht seinen Sohn im Roman zum Präsidenten macht, unterstreicht den kritischen Ansatz.
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nen Akten zu übergeben. Der Präsident blättert schnell durch die Schriftstücke und Fotos und zieht schockiert den moralisch einzig möglichen Schluss. Ein gedemütigter Hitler muss erleben, dass die Wagenkolonne kurz vor ihrem Ziel abdreht und ihn einfach stehen lässt. Schon an diesen Beispielen zeigt sich, dass die Filme über deutsche Nazis in den frühen 1990er Jahren nur einen schwachen oder gar keinen Bezug zur Bundesrepublik aufwiesen. Tatsächlich waren die Sorgen wegen Deutschland nicht von langer Dauer und verhältnismäßig schwach ausgeprägt. Die Frage, ob man die Deutschen wieder fürchten müsse, beschäftigte deren europäische Nachbarn stärker als die USA, und die Artikel, die sich damit auseinandersetzten, gelangten alle zu einem ähnlichen Ergebnis, wie Robert Kaplan es formulierte: »[T]he most important truth about West Germany today is that it is perhaps the most complacent, satisfied, petit bourgeois nation in Europe, if not on earth. It is the antithesis of the inflation-ravaged, socially torn society of the pre-Hitler period.«135 Die Deutschen, so war man doch allgemein überzeugt, hatten aus der Geschichte gelernt, die Demokratie galt als fest verankert. Wirtschaftlich wurde Japan zudem als eine wesentlich größere Bedrohung wahrgenommen als Deutschland, das man als einen Teil des Westens betrachtete. »Few if any identify Germany as a security threat because of its economic penetration of America«, stellte Jeffrey Garten fest.136 Es wäre daher verfehlt, von einem Feindbild Deutschland zu sprechen. Stattdessen muss die Rolle der Deutschen in der amerikanischen Dämonologie als einigermaßen paradox analysiert werden. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Deutschlandbild der Amerikaner in erster Linie durch den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust geprägt ist. ›Nationalsozialistisch‹ und ›deutsch‹ erscheinen oftmals als geradezu austauschbare Kategorien. Dies ist nicht zuletzt deshalb so, weil in Schulunterricht, Medienberichterstattung und Populärkultur die Geschichte des Dritten Reiches klar dominiert, während aktuelle Informationen zur Bundesrepublik dünn gestreut sind.137 So kann es nicht überraschen, dass die durch Nazi- und PreußenBilder geprägten Klischees von den kalten, effizienten und herrischen Deutschen nichts von ihrer Wirkung verloren. Hauptmann Wolf in Death Train (1993) beispielsweise trägt zwar nicht die schwarze Uniform der SS, sondern die grüne der bundesdeutschen Polizei, sein Auftreten würde aber bestens in einen Film über den Zweiten Weltkrieg passen. »Since when do you people tell a German anything on his own soil?«, fragt er mit eisiger Arroganz das Einsatzteam der UNO. Ganz ähnlich und nicht weniger typisch erklärt in Baby Boom (1987) ein Kindermädchen mit deut-
135 Kaplan, »Character Issue«, 32. 136 Garten, Cold Peace, 17. 137 Vgl. Paul Monaco, »Stereotypes of Germans in American Culture: Observations from an Interdisciplinary Perspective«, in: Amerikastudien / American Studies 31:4 (1986), 40311; Siegfried Quandt, »Zur Wahrnehmung der Deutschen im Ausland: Images als Produkt und Faktor der Geschichte«, in: Dieter Schmidt-Sinns (Red.), Völker und Nationen im Spiegel der Medien (BPB Schriftenreihe, Bd. 269), Bonn 1989, 36-42, hier: 39; Sabine Sielke/Elisabeth Schäfer-Wünsche, »Vereinigte Staaten«, in: Klaus Stierstorfer (Hg.), Deutschlandbilder im Spiegel anderer Nationen: Literatur, Presse, Film, Funk, Fernsehen, Reinbek bei Hamburg 2003, 155-89.
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schem Akzent ihrer potentiellen Arbeitgeberin im Bewerbungsgespräch: »I don’t like to be argued with.« Das positive, wenn auch um nichts weniger klischeehafte Gegenbild hierzu lässt sich ebenfalls in einem Wort zusammenfassen: Oktoberfest. Werden im einen Fall alle Deutschen als überkorrekte Preußen und/oder sadistische Nazis gesehen, so erscheinen sie in der zweiten Variante durchweg als gemütliche Bayern mit Lederhose und Bierkrug. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist die Komödie National Lampoon’s European Vacation (1985) mit Chevy Chase, in der eine amerikanische Familie während ihres Urlaubs die Sehenswürdigkeiten und Charakteristika von England, Frankreich und Deutschland kennenlernt. Ausgerechnet der Kölner ›Volksschauspieler‹ Willy Millowitsch agiert hier im bayerischen Ambiente. In Gotcha! (1985) landet der Held sogar in West-Berlin in einem Brauhaus, das man eher in München vermuten würde. Deutsche Bösewichte spielen in der Filmproduktion jedoch eine wesentlich größere Rolle als Bier und Volksmusik. Colonel Devoe erscheint es in The Peacemaker (1997) völlig logisch, dass ein Deutscher in Diensten der russischen Mafia den Transport der gestohlenen Nuklearwaffen organisiert hat: »You are the guy who gets things done. Of course, put a German on it. Smart.« Damit spielt er zum einen natürlich auf die deutsche Vergangenheit an, wobei gerade durch den Kontext der Abwickelung von Transporten und der Behauptung des Mannes, sich nicht für die Fracht zu interessieren, ein deutlicher Bezug zum Holocaust hergestellt wird. Der bebrillte, fleißige Deutsche wird zu einem neuen Adolf Eichmann, zum Weichensteller für einen weiteren Massenmord. Gleichzeitig verweist Devoes Kommentar aber auch auf das wohlbekannte Schurkenimage der Deutschen im Kino. Der Satz »of course, put a German on it« könnte geradezu das Motto Hollywoods sein, wenn es um die Erschaffung von Bösewichten für die Leinwand geht. Dies zeigt sich sowohl auf der Ebene der Charakterzeichnung als auch bei der Besetzungspolitik. So werden deutsche Schauspieler in amerikanischen Produktionen vorwiegend für Schurkenrollen engagiert, und zwar oftmals auch dann, wenn die dargestellten Personen keine Deutschen sind. Dies ist nicht nur in diversen JamesBond-Filmen so, etwa bei dem von Gottfried John verkörperten russischen General in GoldenEye (1995), sondern beispielsweise auch bei den Auftritten von Till Schweiger in The Replacement Killers (1998) und Lara Croft Tomb Raider: The Cradle of Life (2003) oder Jürgen Prochnow in Beverly Hills Cop II (1987), Judge Dredd (1995) und Air Force One (1997). Die deutschen Darsteller bringen in diesen Fällen die mit ihrer Nationalität einhergehende Assoziation mit dem (nationalsozialistischen) Bösen in ihre Figuren ein, ohne dass dies in der Handlung thematisiert werden müsste. Dass etwa in Crash Dive (1997) der eigentlich serbische Terroristenchef auf den Namen Richter hört und von Reiner Schöne gespielt wird, kennzeichnet ihn bereits als einen nazihaften Charakter. Auf der anderen Seite können explizit als Deutsche charakterisierte Bösewichte auch von Schauspielern anderer Nationalitäten dargestellt werden. In solchen Fällen werden oft britische Charaktermimen verpflichtet, zum Beispiel Alan Rickman für Die Hard, Jeremy Irons für Die Hard With a Vengeance (1995) oder Alan Bates für The Sum of All Fears (2002). Hier treffen quasi zwei Traditionen aufeinander, denn auch Briten werden generell gern für Schurkenrollen genommen. Das liegt wohl zum einen daran, dass sie sich leicht in amerikanische Produktionen integrieren lassen,
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aber dennoch eine gewisse Fremdheit mitbringen, die sie zu geeigneten Antagonisten macht. Zum andern wird der britische Akzent mit einer versnobten, aristokratisch daherkommenden Oberschicht in Verbindung gebracht, während der demokratische amerikanische Held in der Regel dem einfachen Volk entstammt. In The Silence of the Lambs (1991) etwa wird der Klassenunterschied zwischen der FBI-Agentin Clarice Starling (Jodie Foster) und dem kannibalischen Psychiater Hannibal Lecter auch durch Anthony Hopkins’ geschliffenes Englisch deutlich. Aus demselben Grund sprechen die manierierten Bösewichte in Disney-Animationsfilmen wie Aladdin (1992) und The Lion King (1994) mit britischem Akzent. Besonders auffällig und gelungen ist die Verbindung in Die Hard: Alan Rickmans Hans Gruber gibt gerade auch wegen seiner gepflegten Sprache und seines maßgeschneiderten Anzugs einen perfekten Antagonisten für den von Bruce Willis verkörperten Arbeiterklasse-Helden im schmutzigen Unterhemd ab. Seine gelegentlichen – für den deutschen Zuschauer etwas belustigenden – Einwürfe auf Deutsch sorgen zugleich dafür, dass der Hintergrund seiner Figur nicht in Vergessenheit gerät. Seine rechte Hand Karl, gespielt von dem ehemaligen sowjetischen Balletstar Alexander Godunov, erfüllt zudem das Klischee vom blonden Hünen und liefert damit die perfekte Ergänzung für das Feindbild des Films. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das von der nationalsozialistischen Propaganda beschworene Idealbild des Ariers – groß, blond, blauäugig – noch heute häufig verwendet wird, um in Filmen Deutsche und vor allem Nazis zu kennzeichnen. Auf der Leinwand begegnet einem immer wieder jene durch ihre körperlichen Merkmale herausstechende Herrenrasse, die in der Realität – und vor allem in der nationalsozialistischen Führungsriege – nie existiert hat. Zwar gibt es auch einige signifikante Gegenbeispiele, etwa wenn der gebürtige Puerto Ricaner Raul Julia in The Rookie (1990) einen deutschen Gangster spielt, aber viele deutsche Bösewichte sind doch auffallend arisch gezeichnet, sei es der Terrorist Wulfgar in Nighthawks (1981), Stamper in Tomorrow Never Dies (1997) oder Herr Haft in The Sum of All Fears.138 Bezeichnenderweise wird von diesen drei Charakteren nur Stamper tatsächlich von einem Deutschen gespielt, nämlich von Götz Otto, während in Nighthawks der Niederländer Rutger Hauer und in The Sum of All Fears der Däne Sven-Ole Thorsen agieren. Dieses Aussehen ist also ganz offensichtlich keineswegs typisch deutsch, dennoch ist es in der populären Vorstellung so eng mit dem Nationalsozialismus verknüpft, dass es in einem weiteren Schritt auch dazu dienen kann, nichtdeutsche Schurken als Nazis zu konnotieren. Dies war schon bei Drago in Rocky IV (1985) zu sehen; es gilt auch für das isländische Eishockeyteam in D2: The Mighty Ducks (1994) oder den britischen Terroristen in Passenger 57 (1992). In letzterem Fall ist diese optische Charakterisierung besonders effektiv, weil der Held des Films (Wesley Snipes) ein Schwarzer ist. Hieran zeigt sich wiederum, dass Nazis nicht unbedingt Deutsche sein müssen, dass es sich vielmehr um eine bestimmte Vorstellung vom Bösen handelt, die mit Deutschland selbst oft kaum noch etwas zu tun hat. Dass die Nazis zunehmend zu einem auf andere Feindbilder übertragbaren Symbol für Nationalismus, Völkermord und rassistische Ideologie wurden, erklärt sich nicht nur durch die Ausmaße ihrer Verbrechen. Auch der Hintergrund des Kalten 138 Einer der wenigen Filme, in denen der arische Deutsche eine positive Figur ist, ist Antibody (2002).
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Krieges spielte hierbei eine wichtige Rolle, wurden die Westdeutschen dadurch doch überaus schnell von Feinden zu wichtigen Verbündeten der USA und mussten deshalb positiver dargestellt werden. Im amerikanischen Kino der Nachkriegszeit wurden daher schon früh »gute Deutsche und böse Nazis« voneinander unterschieden.139 Damit wurde ein Grundstein für die zunehmende Loslösung der Nazis von Deutschland gelegt, wobei die Verbindung allerdings nie völlig gekappt wurde. So entstand jenes Bild, das ich bereits als paradox charakterisiert habe: Die Nazis sind einerseits weitgehend von Deutschland getrennt und zur abstrakten Verkörperung des Bösen geworden; andererseits wird aber auch ›das Deutsche‹ unweigerlich und beständig mit dem Bösen assoziiert, da Merkmale, die zumindest in der stereotypen Vorstellung als deutsch gelten, für das Nazi-Bild wichtig bleiben, was sich eben am häufigen Zurückgreifen auf deutsche Schurken, deutschen Akzent und arisches Aussehen ablesen lässt. Deutschland ist also überhaupt nicht und zugleich vollkommen böse, als konkreter Staat kein Feindbild, als Symbol aber der Feind schlechthin. Ein gutes Beispiel hierfür ist Aces: Iron Eagle III (1992), in dem der Nazi Kleiss von Lateinamerika aus einen florierenden Drogen- und Waffenhandel betreibt, mit dem er »hate groups all over the world« finanziert. Der Film stellt also eine Verbindung zwischen den neuen transnationalen Bedrohungen und den Nazis her, die zugleich als globales Problem erscheinen. Der Nationalsozialismus ist hier offensichtlich eine Chiffre für das Böse, die sich auf die Gegenwart übertragen lässt. Der Zweite Weltkrieg wird zugleich wiederholt und neu geschrieben: Der Amerikaner Chappy Sinclair (wie in den ersten beiden Teilen Louis Gossett Jr.) führt das Team einer Flugshow in historischen Kampfflugzeugen in die Schlacht gegen Kleiss, der sich als ehemaliger Pilot schließlich auch selbst dem Kampf stellt. Gegenüber dem Krieg ist die Konstellation jedoch deutlich verändert, denn zu Chappys Truppe gehören außer einem Briten auch ein Japaner und ein Deutscher (Horst Buchholz), der sich sogar als Kleiss’ Bruder entpuppt, wodurch überdeutlich wird, dass die Unterscheidung von guten Deutschen und bösen Nazis keine Frage der Herkunft ist: »All Krauts weren’t Nazis. But this Kleiss was the worst type.« Die ehemaligen Kriegsgegner sind nun also Verbündete im Kampf gegen die Nazis, was dadurch möglich ist, dass der Feind derselbe, aber zugleich auch ein anderer als damals ist. Dass Nazis und Deutsche nicht mehr identisch sind, wird auch an Kleiss’ oberstem Helfer deutlich, dessen Auftreten mit Reiterhose, Stiefeln und Reitgerte an einen SS-Mann erinnert und der so die Wiedergeburt des Nazis als lateinamerikanischer Drogendealer verkörpert. Chappys Gefährten einschließlich des Deutschen werden dagegen in der Schlussszene auf seiner Ranch überdeutlich amerikanisiert, wenn alle in schon fast klischeehaft texanischer Kluft auftreten. Dass die nationalsozialistische Bedrohung von Feinden ausgeht, die zugleich extrem deutsch und doch ohne Verbindung zu Deutschland sind, lässt sich auch in The Apocalypse Watch (1997) beobachten. Dieser Fernseh-Zweiteiler handelt von einer weltweiten Verschwörung von Rechtsradikalen, die mithilfe von Terrorismus und legalen Parteien die Macht übernehmen wollen, zunächst in Großbritannien, später dann in den Vereinigten Staaten, die als »the great prize« bezeichnet werden. Der Film zeichnet die Verschwörer als direkte Erben des Dritten Reiches: Zu ihren Anführern gehören ein SS-General und ein ehemaliger KZ-Arzt, Ansprachen werden 139 Heeb, Deutschlandbilder, 50.
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mit »Sieg Heil!«-Rufen beendet, und ein großangelegter Anschlag auf die britische Trinkwasserversorgung wird mit einem 1945 versteckten Gift durchgeführt, das als »Klyzon 44« bezeichnet wird – eine wenig subtile Anspielung auf Zyklon B. Der Führer der Organisation ist optisch ein perfekter Arier, der sich, nachdem sein Plan vereitelt worden ist, wie Hitler das Leben nimmt. Auffällig ist darüber hinaus vor allem, dass sämtliche wichtigen Personen innerhalb der Verschwörung, abgesehen lediglich von einem britischen Rechtspolitiker, deutscher Herkunft sind. Selbst die Frau des US-Botschafters in London entpuppt sich schließlich als Enkelin des SSGenerals. Wieder einmal wird also ein klarer Gegensatz zwischen Amerikanern und Nazis aufgebaut, zwei Kategorien, die sich in diesem Film auszuschließen scheinen. Gleichzeitig weisen die Nazis außer ihrer Abstammung aber keinen Bezug zu Deutschland auf, das in ihren Plänen merkwürdigerweise keine Rolle zu spielen scheint und für die Handlung völlig uninteressant ist. Sogar die Firma »Wiedergeburt«, die den Verschwörern als seriöse Front und zur Finanzierung dient, hat ihren Sitz in der Nähe Prags und nicht etwa in der Bundesrepublik.140 Das Ende des Films zeigt die Nazis als einen Feind, der zwar besiegt, aber nicht endgültig vernichtet werden kann: Der SS-General und seine Enkelin entkommen den Behörden und beginnen sofort mit der Vorbereitung eines neuen Anlaufs. Der Tod ihres Führers bedeutet keineswegs das Ende: »Somewhere out there, there is a new leader. We just have to find him.« Gleichzeitig verkündet der amerikanische Held: »It’s always there. We just gotta be on the lookout.« Diese Beschwörung eines ewigen Kampfes unterstreicht noch einmal, dass der Nationalsozialismus hier weniger eine konkrete Bedrohung als vielmehr eine Metapher für das unamerikanische Böse ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch Die Hard With a Vengeance. Der dritte Teil der Die-Hard-Reihe wartet wieder mit deutschen Schurken auf, nämlich mit einer kompletten Elite-Einheit der aufgelösten NVA, angeführt von Hans Grubers Bruder, der den passenden Namen Peter Krieg trägt. Die Soldaten der ehemaligen DDR werden deutlich in die Tradition der Nazis gestellt, zum Beispiel wenn ein FBI-Agent sie als »infiltration unit« charakterisiert, »the kind of thing the Nazis did at the Battle of the Bulge.«141 Vor allem kontrastiert der Film die uniforme Truppe großgewachsener teutonischer Gestalten mit den multikulturellen Amerikanern um McClane und den schwarzen Ladenbesitzer Zeus (Samuel L. Jackson) und präsentiert sich damit als ein weiteres interracial buddy movie, in dem die USA ihre eigenen ›rassischen‹ Probleme im Kampf gegen einen nazihaften Feind überwinden. Das erinnert stark an Lethal Weapon 2 (1989), obwohl man festhalten muss, dass Die Hard With a Vengeance sich deutlich bewusster, wenn auch deswegen nicht unproblematisch, mit der Rassenthematik auseinandersetzt.142 140 Das Niveau dieser Produktion lässt sich leicht daran ablesen, dass der Zuschauer nicht nur akzeptieren soll, dass die Nazi-Organisation dumm genug ist, ihre Tarnfirma mit einem solchen Namen und einem leicht stilisierten Hakenkreuz als Logo zu versehen, sondern auch, dass das bis zur Hälfte des Films tatsächlich niemandem auffällt. 141 Battle of the Bulge ist die amerikanische Bezeichnung für die deutsche Ardennenoffensive. 142 Einerseits zeichnet der Film kein ›farbenblindes‹ Amerika, andererseits scheint Zeus derjenige zu sein, der zunächst am stärksten von rassistischen Vorurteilen geleitet wird und
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Indem die Deutschen als »an army with no country« und als Söldner dargestellt werden, variiert der Film das Thema der durch den Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums entstandenen Bedrohung, die aus dem ungehinderten Abfluss von Massenvernichtungswaffen und Knowhow in die Dritte Welt erwächst. Zugleich ist dieses Porträt aber auch bezeichnend für das Bild der irgendwie deutschen, aber nicht mehr in Deutschland verorteten Bedrohung durch Nazis und ihre Verwandten. Wie stark die Nazis als Sinnbild für das Böse von ihren historisch-geographischen Wurzeln befreit worden sind, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass auch Schurken in lange vor dem Dritten Reich angesiedelten Geschichten im Kino regelmäßig ›nazifiziert‹ werden. Ein markantes Beispiel hierfür ist First Knight (1995), der die Artus-Legende nur als Aufhänger benutzt, um ein Szenario zu entwerfen, das deutlich durch George Bushs Idee der ›Neuen Weltordnung‹ geprägt ist, mit Camelot als von westlichen Werten dominierter UNO, den Rittern der Tafelrunde als blaugewandeter Friedenstruppe und einem schutzbedürftigen kleinen Land (Leonesse), das von einem aggressiven ›Schurkenstaat‹ bedroht wird.143 Dessen Herrscher, Malagant, verlangt – erfolgreich – von seinen Männern, dass sie sich einem totalitären Führerprinzip unterordnen. In einer Szene demonstriert er der gefangenen Königin Guinevere seine Macht, indem er ihr Kleid zerreißt und dann einen seiner danebenstehenden Untergebenen beschuldigt. Der Mann stimmt in einem perversen Akt der Selbstverleugnung zu, und Malagant erklärt: »This is what Arthur doesn’t understand: Men don’t want brotherhood. They want leadership.« Der Film verwendet zudem ein stark mit den Nazis assoziiertes Motiv, das unter anderem auch in Roland Emmerichs im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg angesiedelten Schlachtenepos The Patriot (2000) begegnet: das Verbrennen wehrloser Menschen bei lebendigem Leib in einer Kirche durch Soldaten. Solche Szenen erinnern an das berüchtigte Massaker von Oradour-sur-Glane, wo eine Einheit der Waffen-SS am 10. Juni 1944 als Vergeltung für Angriffe der Résistance beinahe alle Einwohner des Ortes, 642 Menschen, ermordete, Frauen und Kinder eben in der Dorfkirche. Die Parallele ist gerade in Emmerichs Film auffällig, wo die britischen Truppen nicht in der Lage sind, die amerikanischen Guerillas zu stellen, und deshalb deren Familien angreifen. Es ist daher nicht übertrieben, wenn man die ebenso schneidigen wie gnadenlosen Royal Dragoons unter Colonel Tavington (Jason Isaacs) in The Patriot als eine Art Waffen-SS in roten Röcken charakterisiert. Auch deshalb weist der Film, dessen Drehbuch von Robert Rodat, dem Autor von Saving Private Ryan (1998), verfasst wurde, einige Ähnlichkeit mit diversen Produktionen aus dem ›zweiten Kalten Krieg‹ auf: Wie dort die problematische Vietnamerfahrung im Kampf gegen die totalitären Sowjets überwunden wurde, so findet hier der durch seine eigenen Taten im French and Indian War verunsicherte Benjamin Martin (Mel Gibson) einen moralisch einwandfreien Anlass, wieder zu den Waffen zu greifen, und kann seine Fähigkeiten als Guerillakämpfer in der Auseinandersetzung mit ei-
diese Geisteshaltung überwinden muss, während ›Rasse‹ für McClane überhaupt kein Thema ist. Vgl. dazu auch Willis, High Contrast, 31. 143 Vgl. Caroline Jewers, »Hard Day’s Knights: First Knight, A Knight’s Tale, and Black Knight«, in: Martha W. Driver/Sid Ray (Hg.), The Medieval Hero on Screen: Representations from Beowulf to Buffy, Jefferson/London 2004, 192-210, hier: 194-8.
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nem nazihaften Feind zur Anwendung bringen – nicht anders als Rambo oder die Helden in Red Dawn (1984). King Arthur (2004) weist zwar keine brennenden Kirchen auf, dafür kennzeichnet in diesem Fall eine rassistische Ideologie die Bösewichte als (Vorläufer der) Nazis. Die sächsischen Invasoren werden nicht nur als stereotype, hünenhafte blonde Germanen dargestellt, völlig anachronistisch und ohne jeden Bezug zu den geschichtlichen Fakten wird ihnen die Idee einer Herrenrasse untergeschoben. »We don’t mix with these people«, erklärt der sächsische König (Stellan Skarsgaard), nachdem er einen seiner Männer von einer Keltin gezerrt hat, denn das Ergebnis einer solchen Verbindung könnten nur »half-people« und »weak people« sein. Darum droht der britannischen Bevölkerung nicht nur Unterwerfung, sondern ein regelrechter Genozid. Die Sachsen sind offensichtlich entschlossen, ihre Feinde komplett auszulöschen. Umso passender ist es angesichts dieser Anleihen bei den Nazis, dass der Sohn des Königs von Till Schweiger gespielt wird. Den Verantwortlichen scheint allerdings die Ironie entgangen zu sein, die darin liegt, in einem amerikanischen Film ausgerechnet die Sachsen als frühmittelalterliche Geistesverwandte Hitlers zu porträtieren. Man kann hieran aber einmal mehr die Wirkmächtigkeit der Verbindung zwischen den Nazis und dem Bösen in der amerikanischen Populärkultur erkennen. Von dieser waren zweifellos auch die Macher von The Sum of All Fears beeinflusst, als sie sich entschieden, die Terroristen aus Tom Clancys Roman144 durch europäische Neonazis unter Führung eines Wiener Industriellen zu ersetzen. Der vor den Anschlägen am 11. September 2001 abgedrehte Film wurde wegen dieser Änderung bei seiner Veröffentlichung im Mai 2002 häufig kritisiert. Vielen Rezensenten erschien das Szenario der Zündung einer Atombombe auf amerikanischem Boden angesichts der jüngsten Ereignisse als zu nah an der Realität, um unterhaltsam zu sein, gleichzeitig bemängelte man das völlig unrealistische Zurückgreifen auf Nazis für die Bösewichte. Dass man diesen vor den arabischen Attentätern des Buches den Vorzug gegeben hatte, wirkte nun naiv und wurde als falsche political correctness kritisiert.145 Tatsächlich hatten aber wohl erzählökonomische Erwägungen für diese Entscheidung den Ausschlag gegeben: Die Verantwortlichen waren der Ansicht gewesen, dass Clancys Verschwörung aus arabischen Terroristen, deutschen Linksradikalen und einem indianischen Extremisten für einen Zweistundenfilm zu kompliziert sei und vereinfacht werden müsse. Regisseur Phil Alden Robinson fasste die Überlegungen rückblickend folgendermaßen zusammen: »We needed a villainous conspiracy that was very quickly and easily understood, and it couldn’t just be Arabs because the Arabs couldn’t do in the movie what they couldn’t do in the book, which is open
144 Tom Clancy, The Sum of All Fears, New York 1991. 145 Vgl. »Terrorism That’s All Too Real«, in: NYT 31.05.2002; »A Paltry ›Sum‹ «, in: WP 31.05.2002; »In ›Sum,‹ Too Many Parts That Don’t Add Up«, in: WP 31.05.2002; »Reality Takes Flight«, in: CE 31.05.2002; »The Sum of All Fears«, in: CT 30.05.2002; »No Escape«, in: SFC 31.05.2002. Roger Ebert betrachtete die politisch korrekten Schurken zwar ebenfalls als unrealistisch, aber dennoch als richtige Wahl und bewertete den Film auffallend positiv; vgl. »The Sum of All Fears« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/ pbcs.dll/article?AID=/20020531/REVIEWS/205310302/1023 (10.06.2007).
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up a second front. […] The simplest, fastest way was Neo-Nazis.«146 Die Filmemacher vertrauten also – eigentlich mit gutem Grund – darauf, dass Nazis vom Kinopublikum als fiktionale Bedrohung akzeptiert werden würden. Ihr Problem bestand dann darin, dass ein realer Feind auf den Plan trat, der das Bedürfnis nach einer nicht nur symbolischen Darstellung des Bösen nährte, zumal in einem politischen Thriller, der als realistisch wahrgenommen werden wollte. Wie noch zu sehen sein wird, bedeutete das freilich nicht, dass die Assoziation mit dem Nationalsozialismus für das neue Feindbild im ›Krieg gegen den Terror‹ keine Rolle spielen sollte. Lediglich die Darstellung von Nazis selbst als zeitgenössische Bedrohung wirkte nun überholt. Der Zweite Weltkrieg und die Gleichsetzung von Totalitarismus mit dem Bösen verloren dagegen nichts von ihrer Bedeutung als zentrale Bezugspunkte für die amerikanische Dämonologie.
146 Zitiert nach dem Werbe-Making-of »The Sum of All Fears: A Cautionary Tale«, enthalten beim Bonusmaterial der DVD von Paramount Pictures aus dem Jahr 2002.
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Die ›gelbe Gefahr‹
3.1 »WE’RE FIGHTING EACH OTHER WHEN WE SHOULD BE FIGHTING THEM«: DIE VIETNAMESEN ZWISCHEN DÄMONISIERUNG UND MARGINALISIERUNG Der Kampf gegen den Totalitarismus ist nicht das einzige wichtige Leitmotiv der amerikanischen Dämonologie, das verschiedene Gegner miteinander verbindet. Von großer Bedeutung ist daneben vor allem die Tradition ›rassisch‹ markierter und rassistisch aufgeladener Feindbilder. Eine enge Verbindung von Rassismus und Gewalt begegnet in der Geschichte der USA immer wieder,1 sowohl im Inneren als auch in Konflikten mit der Außenwelt. Dies soll im Folgenden anhand der Darstellung von Auseinandersetzungen mit Asiaten näher beleuchtet werden. Obwohl die Kriege des 20. Jahrhunderts in diesem Zusammenhang natürlich eine prominente Rolle spielen, ist zunächst zu beachten, dass die Wurzeln dieser Tradition wesentlich weiter zurückreichen. Die Vereinigten Staaten hatten sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts bis an den Pazifik ausgedehnt und zwangsläufig ein wachsendes Interesse an Asien entwickelt, das vor allem als Wirtschaftsraum zahlreiche Verlockungen parat hielt. Die Öffnung Japans durch eine amerikanische Flotte unter dem Befehl von Commodore Matthew Perry 1853/54 ist nur ein prägnantes Beispiel hierfür, das zugleich verdeutlicht, dass das Ausgreifen der USA nach Asien sich von dem der europäischen Mächte – was Ziele und Mittel anbelangte – nicht wesentlich unterschied.2 Die USA traten als imperialistische Macht auf, und so war es nur folgerichtig, dass sie nach dem Krieg gegen Spanien 1898 die Philippinen als eigene Kolonie übernahmen und die Revolte der einheimischen Bevölkerung brutal unterdrückten.3 Die imperiale Sicht auf Asien als ebenso exotischen wie dekadenten und rückständigen Gegenpol zum zivilisierten und aufgeklärten Westen hat Edward Said in
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Vgl. Michael A. Bellesiles, »Introduction«, in: ders. (Hg.), Lethal Imagination: Violence and Brutality in American History, New York/London 1999, 1-15, hier: 11; Michael Rogin, »› Make My Day!‹: Spectacle as Amnesia in Imperial Politics«, in: Amy Kaplan/ Douglas E. Pease (Hg.), Cultures of United States Imperialism, Durham/London 1993, 499-534, hier: 509-12. Dazu Manfred Pohl, Geschichte Japans, 3., aktual. Auflage, München 2005, 59. Siehe dazu Gert Raeithel, Geschichte der nordamerikanischen Kultur. Band 2: Vom Bürgerkrieg bis zum New Deal, 4., aktual. u. erw. Auflage, Frankfurt a.M. 2002, 259f; Alexander Emmerich/Philipp Gassert, Amerikas Kriege, Darmstadt 2014, 134f.
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seiner grundlegenden Studie als Orientalismus beschrieben.4 Seine Analyse ist seither allerdings zurecht als allzu starr kritisiert worden, weil das Bild nie so einheitlich und stabil war, wie hier postuliert. So wird gerade die für Said zentrale Dichotomie von maskulinem Okzident und feminisiertem Orient der wichtigen Rolle nicht gerecht, die Frauen in den USA bei der Darstellung der Nation im Bild der Familie spielen, wie Melanie McAlister dargelegt hat und meine Arbeit wiederum bestätigt.5 Gleichwohl hat Said auf wesentliche Muster der Repräsentation und Sinnbildung aufmerksam gemacht, und dass der Orient grundsätzlich als das ›Andere‹ des Westens, auch Amerikas, gesehen wurde (und wird), ist offensichtlich. Die Abgrenzung gegen asiatische Einwanderer als coolies half beispielsweise den Iren, die von der protestantisch-angelsächsischen Bevölkerungsmehrheit lange Zeit selbst als minderwertige Arbeitskräfte betrachtet worden waren, dabei, ihren eigenen Anspruch auf amerikanische ›Weißheit‹ zu konsolidieren.6 Das westliche Überlegenheitsgefühl ging allerdings einher mit mehr oder weniger unterschwelligen Ängsten, wie sie sich um die Jahrhundertwende deutlich in der Furcht vor der yellow peril, der ›gelben Gefahr‹, manifestierten. Die im Kontakt mit dem Fremden immer präsente Angst vor sexuellen Grenzüberschreitungen und der Vermischung der ›Rassen‹, die in Vergewaltigungsfantasien prägnant zum Ausdruck kommt, verband sich mit Blick auf den Orient mit einem in der europäischen Kultur tiefverwurzelten Gefühl der Bedrohung angesichts der Menschenmassen des Ostens, die den Westen eines Tages wieder wie vormals in Gestalt von Hunnen oder Mongolen überrennen mochten.7 Die Amerikaner konnten also in ihren Konflikten mit Asiaten im 20. Jahrhundert auf eine alte Tradition und ein bereits fest etabliertes Repertoire an Stereotypen zurückgreifen, die die neuen Erfahrungen vorstrukturierten. Die Kämpfe gegen Japaner, Koreaner, Chinesen und Vietnamesen bedingten dann jeweils eine Erneuerung und Weiterentwicklung dieses Bildes, das nun auch dezidiert als Feindbild etabliert wurde, wobei insbesondere dem Kino eine entscheidende Rolle zufiel. Von der kaum zu überschätzenden Bedeutung des Vietnamkrieges für die USA war im ersten Kapitel dieser Arbeit bereits ausführlich die Rede. Dabei lag der Fokus 4 5
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Edward W. Said, Orientalism, London u.a. 2003 [1978]. Melani McAlister, Epic Encounters: Culture, Media, and U.S. Interests in the Middle East since 1945, aktual. Auflage, Berkeley u.a. 2005, 10-2. Für eine kritische Auseinandersetzung mit Saids Thesen siehe auch Pickering, Stereotyping, 147-73. Zum Kampf der Iren um ›Weißheit‹, für den auch die Sklavenfrage eine wichtige Rolle spielte, siehe Noel Ignatiev, How the Irish Became White, New York 1995; Michael Hochgeschwender, Wahrheit, Einheit, Ordnung: Die Sklavenfrage und der amerikanische Katholizismus, Paderborn u.a. 2006. Zum Bild der Asiaten in den USA vgl. ausführlich Robert G. Lee, Orientals: Asian Americans in Popular Culture, Philadelphia 1999; zur ›gelben Gefahr‹ auch Gina Marchetti, Romance and the »Yellow Peril«: Race, Sex, and Discursive Strategies in Hollywood Fiction, Berkeley u.a. 1993; Ute Mehnert, Deutschland, Amerika und die ›Gelbe Gefahr‹: Zur Karriere eines Schlagworts in der Großen Politik, 1905-1917 (Transatlantische Historische Studien, Bd. 4), Stuttgart 1995. Es muss festgehalten werden, dass die Furcht vor ›Rassenmischung‹ in der angelsächsischen und deutschen Tradition besonders ausgeprägt ist, während die lateinischen Kolonialmächte Spanien, Portugal und Frankreich diese Grenzziehung weit weniger streng betrieben.
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allerdings auf dem Kalten Krieg und der Rolle, die das Feindbild Sowjetunion bei dem Versuch spielte, das Vietnam-Trauma zu überwinden, sich der eigenen positiven historischen Rolle wieder zu vergewissern und somit einen neuen Konsens innerhalb Amerikas herzustellen. Nun sollen dagegen die Vietnamesen selbst als Feindbild in den Blick genommen und die Bedeutung dieses Feindbildes für die Aufarbeitung des Vietnamkrieges analysiert werden. Die wahre Flut von Filmen über den Krieg in Südostasien, die Hollywood seit dem Ende der 1970er Jahre hervorbrachte, belegt das große Bedürfnis der amerikanischen Nation, sich mit der Vietnamerfahrung auseinanderzusetzen. Der Krieg und das dazugehörige Feindbild blieben – auch durch diese Produktionen – weiterhin in Gesellschaft, Kultur und Politik präsent. »[T]he U.S. has not extracted itself from Vietnam«, stellte Time in einem Artikel zum 15-jährigen Jubiläum des Kriegsendes 1990 fest.8 Eine Normalisierung im Verhältnis zu dem früheren Kriegsgegner kam dementsprechend nur äußerst schleppend zustande. George Herring charakterisierte den Zustand 1991 deshalb als »Unending War« und sah die Schuld dafür in erster Linie bei Amerika: »Today more than fifteen years after the fall of Saigon the United States continues to treat Vietnam as an enemy, and thus legally and technically the war goes on.«9 Ein zentrales Problem, das die Beziehungen belastete, stellten die Frage der als vermisst geltenden amerikanischen Soldaten und der darauf basierende POW-Mythos dar, die, wie an anderer Stelle bereits dargelegt wurde, für viele Amerikaner von großer Bedeutung waren. »I pledge to every American family awaiting word of its loved ones: We will demand the fullest possible accounting for every POW and MIA. And we will not have normal relations with Hanoi until we are satisfied on that count«, versprach George Bush noch im August 1992.10 Im Juli 1995 erfolgte dann zwar endlich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Vietnam, aber die Tatsache, dass Bill Clinton dies mit der Absicht begründete, Informationen über das Schicksal von Vermissten und etwaigen Gefangenen zu erhalten,11 machte deutlich, dass auch dieser bedeutende Fortschritt noch kein Ende der Spannungen im Verhältnis der beiden Staaten bedeutete.12 Die anhaltende Feindschaft war insofern einigermaßen erstaunlich, als Vietnam als solches nach dem Abzug der amerikanischen Truppen 1973 rasch an Bedeutung für die US-Politik verlor. Der befürchtete Dominoeffekt blieb aus, stattdessen marschierten vietnamesische Truppen 1979 in dem ebenfalls von Kommunisten regierten Kambodscha ein. Washington unterstützte in den 1980er Jahren zwar den kambodschanischen Widerstand gegen die Besatzer, von einem strategisch wichtigen Schlachtfeld im Kalten Krieg war aber keine Rede mehr. Nach dem Ende des Ost8
»Vietnam 15 Years Later: Guilt and recrimination still shroud America’s perceptions of the only war it ever lost«, in: Time 30.04.1990. 9 George C. Herring, »America and Vietnam: The Unending War«, in: Foreign Affairs 70:5 (1991), 104-19, hier: 117. 10 George Bush, »Remarks to the American Legion National Convention in Chicago, Illinois, August 25th, 1992«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=21371 (21.07.2007). 11 Vgl. Franklin, Vietnam, 174. Auch die Nationale Sicherheitsstrategie des Jahres 1998 führte dies noch als ein Ziel auf; National Security Strategy [1998], 47. 12 Siehe dazu auch ausführlich Richard T. Childress/Stephen J. Solarz, »Vietnam: Detours on the Road to Normalization«, in: Nelson/Weisbrode (Hg.), Reversing Relations, 88-125.
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West-Konfliktes, das auch eine Regelung für Kambodscha mit sich brachte, versank Hanoi sogar noch tiefer in der weltpolitischen Bedeutungslosigkeit. Die Haltung der Vereinigten Staaten hatte also wenig mit konkreten politischen Erfordernissen der Gegenwart zu tun. Dazu passt in gewisser Weise sehr gut, dass die intensive Beschäftigung mit dem verlorenen Krieg nicht mit einem entsprechenden Interesse an Vietnam selbst einherging, ja dass das Land in Südostasien gerade in den so einflussreichen Filmen zumeist aus seiner spezifischen Geschichte herausgelöst wurde und sich in einen mythischen Schauplatz für Amerikas Erforschung seiner eigenen Seele verwandelte, das »Land of Nam«, das – wie Eben J. Muse beispielhaft erläutert hat – nicht in der realen Welt, sondern in der amerikanischen Imagination und Erinnerung angesiedelt ist.13 Diese Konstruktion eines ahistorisch-mythischen Ortes ist entscheidend für das Bild der Vietnamesen, ihre Dämonisierung und – zumeist gleichzeitige – Marginalisierung. Dies lässt sich schon anhand der ersten großen Hollywoodproduktionen beobachten, etwa Michael Ciminos The Deer Hunter (1978), der die Bedeutung des Krieges für die Vereinigten Staaten zu fassen versucht, ohne sich für die politischen Hintergründe oder für Vietnam als reales Land zu interessieren. Bezugsrahmen des Filmes, der auch zu zwei Dritteln in Amerika spielt, ist stattdessen der frontier-Mythos – schon der Titel erinnert bewusst an James F. Coopers Geschichte The Deer Slayer. Hier wird beispielhaft deutlich, dass die USA nicht nur auf generelle westliche Deutungsmuster zurückgriffen, um ihr Aufeinandertreffen mit Asien zu verstehen, sondern auch auf die ureigene amerikanische – gleichwohl natürlich von europäischen Mustern geprägte – Tradition der Auseinandersetzung mit dem Fremden, nämlich den Indianern. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Konzept des savage war, das Richard Slotkin folgendermaßen beschrieben hat: »At the core of that scenario [regeneration through violence] is the symbol of ›savage war,‹ which was both a mythic trope and an operative category of military doctrine. The premise of ›savage war‹ is that ineluctable political and social differences – rooted in some combination of ›blood‹ and culture – make coexistence between the primitive natives and civilized Europeans impossible on any basis other than that of subjugation. Native resistance to European settlement therefore takes the form of a fight for survival; and because of the ›savage‹ and bloodthirsty propensity of the natives, such struggles inevitably become ›wars of extermination‹ in which one side or the other attempts to destroy its enemy root and branch. […] [I]n savage war one side or the other must perish, whether by limitless murder or by the degrading experience 14 of subjugation and torture.«
13 Muse, Land of Nam, 10f. 14 Slotkin, Gunfighter Nation, 12. Die Radikalität dieser Vorstellung wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass selbst die brutalen Kolonialkriege Europas und der USA in der Regel nicht auf eine komplette Vernichtung des Gegners abzielten; siehe dazu Michael Hochgeschwender, »Kolonialkriege als Experimentierstätten des Vernichtungskrieges?«, in: Dietrich Beyrau u.a. (Hg.), Formen des Krieges: Von der Antike bis zur Gegenwart (Krieg in der Geschichte, Bd. 37), Paderborn u.a. 2007, 267-90.
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Tatsächlich wurde die amerikanische Vietnamerfahrung von Beginn an durch diesen mythischen Unterbau mitgeprägt. Vietnam war nicht nur für die einfachen Soldaten »Indian country«, auch hochrangige Militärs und Politiker bezogen sich in ihrer Rhetorik während des Krieges immer wieder auf die frontier und die Indianerkriege.15 Es war daher nur folgerichtig, dass der erste – und für mehrere Jahre einzige – große Kriegsfilm über Vietnam, The Green Berets (1968), von und mit John Wayne produziert wurde, dessen Person zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere für das Publikum schon nahezu ununterscheidbar mit seinem Leinwandimage als archetypischer Westernheld verschmolzen war. Der Film, dessen Einfältigkeit und Distanz zur Realität sich in einem der bekanntesten Fehler der Kinogeschichte widerspiegeln, der im Osten untergehenden Sonne in der Schlussszene, präsentiert sich denn auch über weite Strecken als ein nach Südostasien verlegter Western mit den amerikanischen Soldaten als Kavallerie und den Nordvietnamesen und Vietcong als Indianern.16 Quasi den umgekehrten Weg beschritt eine Gruppe revisionistischer Western Anfang der 1970er Jahre, die die Kämpfe zwischen Weißen und Indianern auf die Leinwand brachte. Soldier Blue (1970) und Little Big Man (1970) inszenierten Massaker an den amerikanischen Ureinwohnern als unschwer erkennbare Allegorien auf die Auswüchse der Kriegführung in Vietnam. Auch diese Filme bedienten sich also der Gleichsetzung von savage war und Vietnamkrieg, allerdings aus einer kritischen Perspektive, die die Problematik des amerikanischen Mythos und seines Wirkens in der Gegenwart zum Thema machte.17 Dagegen hält Ciminos Film trotz seiner düsteren Grundstimmung, die von einer spürbaren Erschütterung der mythischen Erklärungsmuster zeugt, erstaunlich eindeutig am Konzept des savage war fest. The Deer Hunter inszeniert das Schicksal der drei amerikanischen Hauptfiguren in vietnamesischer Gefangenschaft als nichts anderes als die wenige Jahre später auch von Ronald Reagan behauptete und in den POW-Filmen ausgiebig dargestellte »savage captivity in Vietnam«.18 Ohne die Leiden tatsächlicher amerikanischer Kriegsgefangener verharmlosen zu wollen, die in der Tat schweren Entbehrungen und auch Folter ausgesetzt waren, muss man festhalten, dass damit ein hochproblematisches, einseitiges und überzogenes Porträt entsteht. Jeglichen erklärenden Kontextes beraubt, verkommen die Vietnamesen in den ohnehin wenigen Szenen, die ihnen zugestanden werden, zu rassistischen Karikaturen sadistischer Wilder. Das mit fünf Oscars, unter anderem für den besten Film und die beste Regie, ausgezeichnete Werk erntete deshalb auch einige Kritik. Auf der Berlinale 1979 kam es, auch vor dem Hintergrund des kurz zuvor erfolgten Angriffs Chinas auf Vietnam, sogar zu einem Eklat, als sich die Delegationen der UdSSR und der osteuropäischen Länder – mit Ausnahme Rumäniens – aus Protest gegen die Aufführung von The Deer Hunter von dem Festival zurückzogen. Die Teilnehmer aus 15 Vgl. Slotkin, Gunfighter Nation, 494-6; Gibson, Warrior Dreams, 70f; Greiner, Krieg ohne Fronten, 152f. 16 Siehe zu diesem Film ausführlicher Philip M. Taylor, »The Green Berets«, in: Ellwood (Hg.), Movies as History, 36-43; Muse, Land of Nam, 38-45. 17 Siehe zu diesen Filmen Muse, Land of Nam, 47-52; Slotkin, Gunfighter Nation, 628-33. 18 Ronald Reagan, »Remarks on Presenting the Medal of Honor to Master Sergeant Roy P. Benavidez, February 24th, 1981«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=43454 (05.09. 2007).
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der Dritten Welt gingen nicht ganz so weit, schlossen sich aber der Kritik der sozialistischen Staaten an.19 Bis heute umstritten sind vor allem jene Szenen, in denen die Vietcong-Wachen ihre überwiegend amerikanischen Gefangen dazu zwingen, zu ihrer persönlichen Unterhaltung Russisches Roulette zu spielen. Positive Analysen des Films haben darauf hingewiesen, dass dies zwar nicht in einem strengen Sinne realistisch sei, aber eine gelungene Metapher für die selbstzerstörerische Absurdität des Krieges darstelle.20 Ob dies von einer Mehrzahl der Zuschauer so verstanden wird, muss angesichts der eindrücklichen Darstellung der Amerikaner als Opfer der Vietnamesen, die in einer unverständlichen Sprache grunzen und offensichtlich perverses Vergnügen an diesem grausamen Spiel haben, allerdings bezweifelt werden. Andere Forscher haben zudem gezeigt, dass hier zumindest auf einer Ebene eine Korrektur der Geschichte und Erinnerung vorgenommen wird: Eines der berühmtesten Fotos des Vietnamkrieges, eines der Bilder, die weltweit die moralische Empörung über das Vorgehen der USA und ihrer Verbündeten anheizten, wird neu inszeniert und umgeschrieben, nämlich die Exekution eines gefangenen Vietcong auf offener Straße durch den südvietnamesischen Polizeipräsidenten Nguyen Ngoc Loan am 3. Februar 1968.21 Eine Episode, in der Russisches Roulette eine Rolle spielte, ist zudem aus dem von US-Truppen verübten Massaker in My Lai überliefert.22 Auch die meist weniger beachtete Szene in dem vietnamesischen Dorf, die dem Martyrium der Gefangenschaft vorangeht, verdient in diesem Zusammenhang Aufmerksamkeit. Hier wird gezeigt, wie ein nordvietnamesischer Soldat Frauen und Kinder ermordet, bevor er von Michael (Robert De Niro) mit einem Flammenwerfer auf grausame, aber nach dem gerade Geschehenen gerecht anmutende Weise getötet wird. Gerade da dies die einzige Szene ist, die das Kampfgeschehen zeigt, ist es von großer Bedeutung, dass hier ein Bild entworfen wird, in dem der ›wilde‹ Feind jenseits aller Regeln einer zivilisierten Menschlichkeit agiert, während der amerikanische Held den Mord an Frauen und Kindern rächt. Die Motivik des savage war ist überdeutlich. Es ist möglich, dass Cimino eine Antikriegsaussage intendiert hatte, aber diese wird durch die Ausblendung der politisch-historischen Hintergründe und vor allem durch die vorbehaltlose victimization der US-Soldaten einerseits und die Dämonisierung des Feindes andererseits unterlaufen. Die britische Schauspielerin Julie Christie hatte hierzu als Präsidentin der Berlinale-Jury sehr richtig erklärt: »Ich bin der Ansicht, dass ein Film, der die Bevölkerung eines kleinen Landes, das einen erfolgreichen Guerillakrieg gegen eine riesige Invasionsmacht geführt hat, als fremdartigen, untermenschlichen Mob porträtiert, genau die Sorte von Rassismus ermutigt, die den Krieg überhaupt erst möglich gemacht hat. Ich glaube nicht, dass man eine ganze Nation als Sadisten dar-
19 Siehe dazu und zur Debatte um den Film allgemein Herbert Heinecke, »Die Debatte um The Deer Hunter – politische und künstlerische Dimensionen«, in: Strübel (Hg.), Film und Krieg, 109-26. 20 Vgl. ebenda, 117-9. 21 Vgl. Franklin, Vietnam, 14-8; Sylvia Shin Huey Chong, »Restaging the War: The Deer Hunter and the Primal Scene of Violence«, in: Cinema Journal 44:2 (2005), 89-106. 22 Siehe dazu Chong, »Restaging the War«, 95f.
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stellen kann, um dann zu behaupten, dies sei nur um des dramatischen Effektes willen geschehen.«23
Bezeichnenderweise landete The Deer Hunter neben Produktionen wie Red Dawn (1984) oder Rambo (1985) in Spencer Warrens Liste der 100 besten konservativen Filme – unter der Rubrik »Pictures to Make the Patriotic Blood Boil«.24 Von geradezu surrealer Qualität ist der Krieg in einem weiteren frühen Klassiker des Vietnamfilms, Apocalypse Now (1979), dessen Status als eine der maßgeblichen Repräsentationen der amerikanischen Vietnamerfahrung nicht zuletzt mit seiner selbst zu einer Art Mythos gewordenen Produktionsgeschichte zusammenhängt. So behauptete Regisseur Francis Ford Coppola: »Mein Film […] handelt nicht von Vietnam. Er ist Vietnam. Der Film ist, wie es wirklich war. Wir waren im Dschungel, wir waren zu viele, wir hatten zuviel Geld, zuviel Ausrüstung, und nach und nach drehten wir durch.«25 Es ist nicht wenig bedeutsam, dass dieser Vergleich zwischen Dreharbeiten und Krieg nur dann wirklich möglich ist, wenn man die Rolle der Vietnamesen, gerade auch als Feind, vernachlässigt. Tatsächlich werden sie in Apocalypse Now auf Randfiguren reduziert, und in der Geschichte von Captain Willard (Martin Sheen), der bis nach Kambodscha geschickt wird, um den nicht mehr kontrollierbaren Colonel Kurtz (Marlon Brando) zu töten, begegnet bereits eines der zentralen Motive der Aufarbeitung von Vietnam in den Vereinigten Staaten: Der Krieg wird zu einem Konflikt zwischen Amerikanern, für den Südostasien lediglich die Kulisse bildet. Der Charakter des Films muss zudem als ausgesprochen ambivalent beschrieben werden. Kritik und Faszination beziehungsweise Affirmation gehen miteinander einher und sind oft nicht voneinander zu trennen. Der berühmte Hubschrauberangriff der Air Cavalry auf ein vietnamesisches Dorf ist hierfür ein hervorragendes Beispiel. Einerseits erscheint die amerikanische Kriegführung in der blutigen Schlacht, die von Colonel Killgore (Robert Duvall) wegen der besten Wellen zum Surfen geschlagen wird, als gefährlicher Irrsinn, bei dem Tötung und Rettung von Zivilisten in absurder Weise parallel abgewickelt werden. Andererseits aber ist die Attacke aufregend und überaus eindrucksvoll dargestellt. Die ausgefeilte Inszenierung, bei der in bester Kriegsfilmtradition reichlich Explosionen, aber nie Nahaufnahmen der getroffenen Vietnamesen zu sehen sind, läuft dem kritischen Ansatz zuwider, die Ästhetisierung gibt dem Geschehen einen eigenen Sinn.26 Amerikanische Marines waren von der Szene augenscheinlich so beeindruckt, dass sie sie zum Vorbild nahmen und bei der Invasion Grenadas 1983 ebenfalls Wagners Walkürenritt aus ihren Helikoptern erschallen ließen.27 Die Ambivalenz von Apocalypse Now ist sicherlich zum Teil auf den Einfluss von John Milius zurückzuführen, dem Regisseur von Filmen wie Red Dawn, der die erste Drehbuchfassung zu Papier brachte. Aus dieser stammt wohl Kurtz’ Geschichte 23 24 25 26 27
Zitiert nach »Alles Samsara«, in: SZ 14.04.2011. »The 100 Best Conservative Movies«, in: National Review 24.10.1994. Zitiert nach Bergan, Coppola, 73. Zu den Dreharbeiten siehe ebenda, 73-82. Vgl. dazu auch Strübel, »Kriegsfilm und Antikriegsfilm«, 65. Vgl. Philip D. Beidler, »The Last Huey«, in: Michael Bibby (Hg.), The Vietnam War and Postmodernity, Boston 1999, 3-16, hier: 8.
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von dem Dorf, in dem der Vietcong allen Kindern die von US-Soldaten geimpften Arme abhackte.28 Allerdings kann man Milius kaum allein für die militaristischen, problematischen Aspekte des Films verantwortlich machen. Vielmehr wird man auch Coppola eine – bewusst oder unbewusst – zwiespältige Haltung attestieren müssen.29 Insbesondere die ebenso unverhohlene wie verstörende Bewunderung, die der Film Kurtz entgegenbringt, ist sonst nicht zu erklären. Diese wird vor allem durch Willard formuliert, der während der Reise Kurtz’ Akte studiert und den Zuschauer immer wieder durch Off-Kommentare an seinen Gedanken teilhaben lässt. »The more I read and began to understand, the more I admired him«, erklärt er. Was Willard zu begreifen beginnt, und was auch dem Zuschauer vermittelt wird, ist, dass Kurtz den Charakter des Krieges in Vietnam und das, was notwendig wäre, um ihn zu gewinnen, verstanden hat, im Gegensatz zur amerikanischen Militärführung – in Willards Worten »a bunch of four-star clowns who were gonna end up giving the whole circus away.« Kurtz hat bei seiner eigenmächtigen Exekution von vier Südvietnamesen als Doppelagenten offensichtlich genau die richtigen Leute erwischt. Sein vor allem mit Montagnards unabhängig geführter Guerillakrieg ist höchst erfolgreich. Kurtz’ Geheimnis liegt darin, dass er ebenso bedingungs- und gnadenlos agiert wie der Feind. »It’s judgement that defeats us«, erläutert er Willard schließlich persönlich seine zentrale Erkenntnis. Die USA verlieren, weil ihnen der Wille der Vietnamesen fehlt und deren Bereitschaft, jegliche moralischen Hemmschwellen zu überschreiten. Mit anderen Worten: Kurtz hat erkannt, dass der Vietnamkrieg ein savage war ist, den man nur gewinnen kann, wenn man ihn als Vernichtungskrieg mit den Methoden der Wilden führt.30 Es gibt zweifellos verschiedene Erklärungsmöglichkeiten, warum Willard Kurtz am Ende dennoch tötet, aber ein Fehler in dessen Analyse des Krieges ist ganz sicher nicht der Grund. Anhand dieser gezwungenermaßen knapp gehaltenen Ausführungen zu The Deer Hunter und Apocalypse Now sollte deutlich geworden sein, dass diese Filme bereits viele Elemente enthielten, die in der Folgezeit wichtig bleiben sollten und auch jene Entwicklungen der frühen 1980er Jahre mitbestimmten, von denen in Kapitel I.1 bereits ausführlich die Rede war. Die Rehabilitierung der Vietnamveteranen etwa war eng verbunden mit der in Ciminos Film so zentralen victimization der US-Soldaten, die in einem breiten Konsens als Opfer und gerade auch deshalb als Helden akzeptiert wurden. Begünstigt wurde dies auch durch einen gewandelten Blick auf den Krieg seit den späten 1970er Jahren: Die Verbrechen der kommunistischen Regierungen in Südostasien, vor allem des Pol-Pot-Regimes, das Leid der Boat People und der vietnamesische Einmarsch in Kambodscha gaben der Ansicht neuen Auftrieb, dass der Einsatz der USA doch richtig gewesen sei und einer gerechten Sache gedient 28 Vgl. Elitzik, »Milius, John«, 89. 29 Vgl. dazu auch Ulrich Fröschle/Helmut Mottel, »Medientheoretische und mentalitätengeschichtliche Probleme filmhistorischer Untersuchungen: Fallbeispiel ›Apocalypse Now‹«, in: Chiari u.a. (Hg.), Krieg und Militär, 107-40, hier: 124f. 30 Das Motiv des savage war ist natürlich auch in den Szenen mit Killgore präsent, der mit Vorliebe einen Kavalleriehut trägt und die Zerstörung eines Helikopters, der Verwundete aufnimmt, durch ein Mädchen mit einer Handgranate während des Angriffs auf das Dorf mit dem Fluch »bloody savages« kommentiert. Daran wird wiederum der ambivalente Charakter des Films deutlich.
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habe.31 Dies alles schlug sich in jenen Produktionen nieder, die Neuauflagen des Vietnamkrieges als comichafte Rachefantasien inszenieren. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre vollzog sich dann ein zumindest formaler Paradigmenwechsel, als eine neue Welle von Filmen in die Kinos kam, für deren Produktion und Rezeption der Anspruch auf Realismus ein entscheidendes Kriterium darstellte. Ausstattung, Charaktere, Sprache und Schauplätze sollten nun möglichst authentisch wirken – ein Eindruck, den ein Film wie Rambo schon aufgrund des Drehortes Mexiko nicht vermitteln konnte. Die neuen Produktionen hoben sich dadurch aber auch von den stark auf einer symbolisch-philosophischen Ebene operierenden The Deer Hunter und Apocalypse Now ab. Dazu bezogen sie sich häufig auf konkrete, historisch dokumentierte Ereignisse: Hamburger Hill (1987) behandelte die zehntägige Schlacht um den Dong Ap Bia (für die Amerikaner ›Hügel 937‹) im Ashau-Tal vom 11. bis 20. Mai 1969, BAT 21 (1988) brachte die Rettung des abgeschossenen Air Force Lieutenant Colonels Iceal Hambleton (Gene Hackman) auf die Leinwand und Casualties of War (1989) ein Kriegsverbrechen aus dem Jahr 1966. Entsprechende Texttafeln wiesen den Zuschauer jeweils auf die Verankerung in der geschichtlichen Realität hin. Kein Film beanspruchte Authentizität vehementer und erfolgreicher als Oliver Stones Platoon (1986), der ohne Zweifel als der bedeutendste Vietnamfilm dieser Periode, wahrscheinlich sogar als der einflussreichste überhaupt gelten muss. Der Erfolg des mit einem Budget von nur sechs Millionen Dollar produzierten und zur Weihnachtszeit in den amerikanischen Kinos gestarteten Films war ebenso überraschend wie vollständig: Er wurde von der überwiegenden Mehrheit der Kritiker gefeiert,32 spielte allein in den USA fast 138 Millionen Dollar ein,33 und die Academy of Motion Picture Arts and Sciences zeichnete ihn mit vier Oscars aus, darunter den Preisen in den beiden wichtigsten Kategorien ›Bester Film‹ und ›Beste Regie‹. Oliver Stone wurde quasi über Nacht zu einem der wichtigsten Filmemacher Hollywoods und Platoon zu einem maßgeblichen Orientierungspunkt für das Verständnis der amerikanischen Vietnamerfahrung. Eine zentrale Rolle spielte dabei von Anfang an der Anspruch auf Realismus, der schon die Werbekampagne prägte: »The first real movie about the war in Vietnam is Platoon«, verkündete der Kinotrailer, der auch eine Begründung dafür mitlieferte, indem er – ausgesprochen ungewöhnlich – die persönliche Erfahrung des Autors und Regisseurs als dekorierter Vietnamveteran betonte. Damit wurde »the moral authori31 Vgl. Muse, Land of Nam, 78. Eine entsprechende Argumentation findet sich z.B. bei Peter C. Rollins, »Using Popular Culture to Study the Vietnam War: Perils and Possibilities«, in: Peter Freese/Michael Porsche (Hg.), Popular Culture in the United States: Proceedings of the German-American Conference in Paderborn, 14-17 September 1993 (Arbeiten zur Amerikanistik, Bd. 12), Essen 1994, 315-37, hier: 325. 32 Siehe beispielhaft »The Vietnam War in Stone’s ›Platoon‹ «, in: NYT 19.12.1986; »› Platoon‹ Finds New Life in the Old War Movie«, in: NYT 11.01.1987; »Platoon’s Raw Mastery«, in: WP 16.01.1987; »› Platoon‹: Awesome Requiem«, in: WP 16.01.1987; »A Ferocious Vietnam Elegy«, in: Newsweek 05.01.1987; »A Document Written in Blood«, in: Time 15.12.1986; »Platoon« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID =/19861230/REVIEWS/612300301/1023, (14.06.2007). 33 Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1986/0PLTN.php (18.06.2007).
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ty of the witness«, die Stone gegenüber anderen Filmemachern auszeichnete,34 als wichtiger Faktor für die Rezeption des Films etabliert. Sein eigenes Erleben des im Film Behandelten wurde zum Garanten für die Wahrhaftigkeit des Porträts. In dieser Hinsicht waren seine Referenzen zweifellos erstklassig: Er hatte 1965 eine Zeit lang als Lehrer in Saigon gearbeitet, vor allem aber in den Jahren 1967/68 als Infanterist in Vietnam gekämpft. Während seiner Dienstzeit war er mehrfach verwundet und außerdem für Tapferkeit ausgezeichnet worden. Der Krieg im Dschungel war Teil seiner Lebensgeschichte, und er konnte sich bei der filmischen Umsetzung an seinen eigenen Erlebnissen orientieren. In der Tat ist Platoon trotz seiner fiktiven Geschichte sehr stark autobiographisch geprägt. Die Hauptfigur Chris Taylor (Charlie Sheen) ist wie Stone ein Collegeabbrecher, der sich freiwillig für den Kampfeinsatz in Vietnam gemeldet hat, und man kann mit Fug und Recht von einem alter ego sprechen. Bis in kleinste Details sind viele Szenen und Personen Stones eigenen Erinnerungen entnommen.35 In dem Bestreben, Vietnam möglichst authentisch auf die Leinwand zu bringen, ging der Regisseur aber noch weiter. Vor Beginn der Dreharbeiten auf den Philippinen mussten alle Darsteller der amerikanischen Soldaten ein zweiwöchiges boot camp unter der Leitung von Dale Dye absolvieren, einem pensionierten Captain des Marine Corps und Vietnamveteranen, den Stone als Militärberater für die Produktion engagiert hatte. Erklärtes Ziel dieser Maßnahme war es, aus den Schauspielern Infanteriesoldaten zu machen, ihnen einen Eindruck vom Leben im Dschungel zu vermitteln und den Effekt der Strapazen auf ihr Aussehen zu nutzen. »Stone’s pursuit of authenticity was extreme«, kommentierte Newsweek beeindruckt, »but he was determined that this be the first real Vietnam movie: ›I was under an obligation to show it as it was.‹«36 Mit diesem Vorhaben im Sinne eines Leopold von Ranke – zu zeigen, »wie es eigentlich gewesen« – war Stone nach Auffassung vieler Rezipienten erfolgreich. »This is not the Vietnam of op-ed writers, rabble-rousers or esthetic visionaries, not Vietnam-as-metaphor or Vietnam-the-way-it-should-have-been. It is a movie about Vietnam as it was, alive with authenticity«, schrieb die Washington Post.37 Im selben Gestus lautete die Titelschlagzeile von Time: »Platoon: Viet Nam As It Really Was«.38 Es herrschte nahezu einhelliger Konsens, dass der Film ein Triumph des
34 Thomas Doherty, »Witness to War: Oliver Stone, Ron Kovic, and Born on the Fourth of July«, in: Anderegg (Hg.), Inventing Vietnam, 251-68, hier: 251. 35 Zu Stones eigener Vietnamzeit und ihrer Verarbeitung in Platoon siehe Randy Roberts/ David Welky, »A Sacred Mission: Oliver Stone and Vietnam«, in: Robert Brent Toplin (Hg.), Oliver Stone’s USA: Film, History, and Controversy, Lawrence 2000, 66-90, hier: 66-79; Oliver Stone, »On Seven Films«, in: ebenda, 219-48, hier: 223-31; außerdem Stones Audiokommentar zur DVD (enthalten bei der Special Edition von MGM Home Entertainment aus dem Jahr 2001). 36 »A Ferocious Vietnam Elegy«, in: Newsweek 05.01.1987. 37 »Platoon’s Raw Mastery«, in: WP 16.01.1987. 38 Time 26.01.1987; diese Titelgeschichte ist nur in der amerikanischen Ausgabe des Magazins enthalten, nicht in der sonst in dieser Arbeit verwendeten internationalen.
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Realismus sei und damit anders als alle vorangegangenen Darstellungen Vietnams auf der Leinwand.39 In der Forschung ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass in Platoon auch rein fiktionale Elemente eine bedeutende Rolle spielen, vor allem Genrekonventionen, die Struktur des Bildungsromans und mythische Muster wie der Kampf zwischen Gut und Böse und die frontier.40 Nichtsdestotrotz muss man feststellen, dass die enorme Wirkung des Films auf das Publikum mit seiner Rekonstruktion des Kriegserlebnisses zusammenhängt. Die Reaktionen der Veteranen fielen nicht durchweg positiv aus, aber viele waren offensichtlich beeindruckt. David Halberstam berichtet von einem Kinobesuch, bei dem die Männer im Publikum, die in Vietnam gekämpft hatten, wirkten, »as if they had been transported back to the worst moments of their lives«.41 Für die übrigen Zuschauer konnte sich ein entsprechendes Gefühl einstellen, so wie es Steven Spielberg beschrieb: »It is more than a movie; it’s like being in Viet Nam. Platoon makes you feel you’ve been there and never want to go back.«42 Die höchst eindrucksvolle Vermittlung der Perspektive eines Frontsoldaten ist zweifellos die größte Stärke des Films – und zugleich sein problematischster Aspekt. Dies gilt für die meisten Produktionen dieser Zeit, die mit Blick auf die Erfahrung der amerikanischen Soldaten tatsächlich oft ein stimmigeres und vollständigeres Bild entwerfen als ihre Vorläufer. So zeigen und schaffen Platoon, Hamburger Hill oder Full Metal Jacket (1987), indem sie sich jeweils auf das Leben in einer bestimmten Einheit konzentrieren, ein Bewusstsein für die ethnische und soziale Dimension der Militärstruktur. Obwohl die schwarzen Charaktere nahezu nie in den Mittelpunkt rücken, was die Grenzen des Revisionismus deutlich macht, wird zumindest ihr spannungsreiches Verhältnis zu den Weißen thematisiert sowie das Problem eines institutionalisierten Rassismus’, der zu ihrer Überrepräsentierung in den Kampftruppen führt, während der ungefährliche Etappendienst Weißen vorbehalten bleibt. Problematisch ist die Soldatenperspektive vor allem aufgrund ihrer Beschränktheit. Bei allem Detailreichtum können die Filme, die sich ihr verschreiben, immer nur einen sehr begrenzten Horizont entwickeln. Ursachen, Kontext und Ergebnis des Krieges werden bestenfalls gestreift, weil sie für die einzelnen Soldaten, deren ganze Aufmerksamkeit verständlicherweise ihrem Überleben gilt, nicht von Bedeutung sind. In der einzigen Szene in Platoon, in der der Sinn des Krieges diskutiert wird, gesteht Sergeant Elias (Willem Dafoe) Chris, dass er seinen Glauben daran verloren hat und davon überzeugt ist, dass die Vereinigten Staaten verlieren werden: »We’ve 39 Siehe dazu auch Thomas Prasch, »Platoon and the Mythology of Realism«, in: William J. Searle (Hg.), Search and Clear: Critical Responses to Selected Literature and Films of the Vietnam War, Bowling Green 1988, 195-215, v.a. 195-8. 40 Vgl. ebenda; Schechter/Semeiks, »Leatherstocking in ‘Nam«, 17-22; Judy Lee Kinney, »Gardens of Stone, Platoon, and Hamburger Hill: Ritual and Remembrance«, in: Anderegg (Hg.), Inventing Vietnam, 153-65, hier: 161f. 41 David Halberstam, »Platoon«, in: Toplin (Hg.), Oliver Stone’s USA, 110-9, hier: 111. Zur Wirkung des Films auf das Publikum vgl. auch »The Nightmare of ›Platoon‹ «, in: WP 03.02.1987. Positive und negative Kommentare von Veteranen sind vermerkt in »Platoon: Viet Nam As It Really Was«, in: Time 26.01.1987. 42 Zitiert nach »Platoon: Viet Nam As It Really Was«, in: Time 26.01.1987.
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been kicking other people’s asses for so long, I figure it’s time we got ours kicked.« Diese Aussage erklärt im Grunde nichts. Die spezifischen Umstände des Vietnamkrieges bleiben außen vor. Indem Platoon und die ähnlich gearteten Filme sich auf Einzelereignisse konzentrieren und sich die Sichtweise der Soldaten zu eigen machen, übernehmen sie auch deren Unterscheidung zwischen »the Nam« und »the world«, bei der das Land in Südostasien zu einem nicht verstehbaren Ort jenseits der eigentlichen Geschichte wird. Wenn ein Ziel formuliert wird, so besteht es in der Regel darin, die einjährige Dienstzeit, die tour, möglichst unbeschadet zu überstehen. Die Kämpfe finden scheinbar um ihrer selbst willen statt. Charles Krauthammer hat dies von einer konservativen Warte aus als eine »classic anti-war technique« kritisiert, da sie den Krieg absurd erscheinen lasse.43 Tatsächlich wird dadurch aber auch – ob intendiert oder nicht – jede Möglichkeit einer fundierten Kritik des Krieges verbaut. Wie im Folgenden gezeigt wird, wird so letztendlich eher eine konventionelle, affirmative Sicht gefördert. Das ist besonders deutlich im Hinblick auf das Feindbild. Gerade hier macht die enge Perspektive der Filme einen kritischen Blick unmöglich. Gezeigt wird letztendlich eben nicht, wie Vietnam ›wirklich‹ war, sondern wie es von den amerikanischen Truppen erlebt wurde. Nun ist es zunächst völlig verständlich, dass sich USProduktionen auf das Kriegserlebnis der Amerikaner konzentrieren. Es soll auch nicht in Abrede gestellt werden, dass es eine beachtenswerte Leistung darstellt, wenn dem Zuschauer quasi das Nacherleben der Erfahrungen amerikanischer Soldaten möglich gemacht wird, zumal – wie die Rezeption von Platoon zeigt – damit offensichtlich eine nicht unbedeutende gesellschaftlich-kulturelle Funktion erfüllt wurde. Das Problem ist aber, dass dieses Nacherleben, die besonders starke Identifikation mit den US-Soldaten, bedeutet, dass auch die Furcht vor dem Feind sich auf den Zuschauer überträgt. »You are there in the woods chasing Charley«, schrieb die Washington Post über Platoon, um die Perfektion der Inszenierung hervorzuheben, und machte mit diesem Lob deutlich, dass zum authentischen Erlebnis die Übernahme des Feindbildes gehörte.44 Der Feind zeichnet sich im Vietnamfilm vor allem dadurch aus, dass er gesichtslos ist. Dieser Eindruck wird dem Zuschauer insbesondere durch die Kameraführung vermittelt: Auf der einen Seite werden die Amerikaner während Gefechten immer wieder in Nahaufnahmen gezeigt, einzelne Gruppen, Personen und eben auch Gesichter werden hervorgehoben. Nordvietnamesen und Vietcong auf der anderen Seite sind stets aus größerer Distanz aufgenommen, wobei die Kamera häufig sogar direkt die Perspektive der US-Soldaten wiedergibt. Die Feinde werden so zu voneinander ununterscheidbaren Männchen, die oft nur anhand ihrer Umrisse zu erkennen sind. Dies lässt sich in Platoon immer wieder beobachten, aber auch in Hamburger Hill, Casualties of War oder beim Angriff auf die US-Basis in Full Metal Jacket. Wie zentral die Gesichtslosigkeit des Feindes ist, lässt sich am Beispiel von In Country (1989) verdeutlichen, in dem ein Mädchen nach dem Highschool-Abschluss etwas über ihren in Vietnam gefallenen Vater zu erfahren versucht, den sie nie kennengelernt hat. Immer wieder bedrängt sie damit ihren Onkel Emmett (Bruce Willis), einen Veteranen, der in einer Szene des Films, während eines heftigen Gewitters, von 43 » › Platoon‹ Chic«, in: WP 20.02.1987. 44 » › Platoon‹: Awesome Requiem«, in: WP 16.01.1987.
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Flashbacks geplagt auf einen Baum klettert und »Show me your face!« in die Nacht schreit. Konsequenterweise wird es dann peinlich vermieden, das Gesicht des Feindes zu zeigen, wenn in einer späteren Rückblende der vietnamesische Soldat, der den Vater erschießt, zwar aus der Nähe, aber nur bis zur Brust zu sehen ist. Es handelt sich hierbei nicht nur um die Übernahme der im Kriegsfilm gängigen Praxis, dem Feind aus Gründen der Sympathielenkung keine allzu genauen Züge zu verleihen. Die Vietnamesen sind über den üblichen Grad hinaus schemenhaft, was ihnen einen umso bedrohlicheren Charakter verleiht. Im Dschungel stellen sie eine allgegenwärtige, aber kaum fassbare Präsenz dar. Sie greifen plötzlich aus dem Hinterhalt an und verschwinden dann wieder. Gerade daraus speist sich wiederum die Möglichkeit, den Vietnamkrieg als savage war zu betrachten: Wie die Indianer lassen sich die Vietnamesen nicht von der Wildnis trennen, in der sie die Amerikaner bedrohen; sie erscheinen als ein dämonischer Feind ohne menschliche Züge. Dementsprechend ist es nur folgerichtig, dass sich mit Elias auch in Platoon der uramerikanische Heldentyp des Waldläufers und Indianerkämpfers findet. Die Sequenz, die seinem Tod vorangeht, ist hierfür das beste Beispiel: Elias versteht die Taktik des Feindes, er hört die vietnamesischen Soldaten – deren Fähigkeit, sich nahezu lautlos fortzubewegen, zuvor eindringlich demonstriert worden ist – schon aus einiger Entfernung und tötet mehrere von ihnen im Alleingang, während er durch den Dschungel rennt, wodurch seine perfekte Beherrschung von Terrain und Waffe deutlich wird. Sehr ähnliche Momente finden sich bezeichnenderweise in Michael Manns Verfilmung von The Last of the Mohicans (1992).45 »We began to think they [the Vietnamese] were an amazingly supernatural type of soldiers«, erklärt Stone im Audiokommentar der DVD von Platoon, und das Bild, das die Filme der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entwerfen, entspricht dem durchaus. Darin einen echten Fortschritt gegenüber der Verächtlichmachung des Feindes in Produktionen wie The Green Berets oder Rambo zu sehen, wäre aber falsch, weil die Vietnamesen damit eben wiederum nicht menschlich erscheinen. Stattdessen wird mithilfe aller filmischen Mittel emotionale Anteilnahme nur für die US-Soldaten erzeugt und deren – unter den gegebenen Umständen verständlicherweise – stark von Furcht geprägtes Feindbild perpetuiert. Paul Goetsch hat das Problem treffend beschrieben: »[D]er Schrecken [hängt] mit dem Unbekannten, Undefinierbaren zusammen. Entsprechend nimmt der unsichtbare Feind im Vietnam-Film unheimliche Züge an. Anders ausgedrückt: Kampf- und Schlachtszenen, die mit zeitweise unsichtbaren oder als Schatten durch den Urwald huschenden Feinden arbeiten, erzeugen Angst und geraten in die Nähe des Gruselfilms 46 und Thrillers.«
45 Der echte Sergeant Elias, den Oliver Stone in Vietnam kennenlernte, war tatsächlich zur Hälfte indianischer Abstammung, Stone konnte allerdings keinen geeigneten indianischen Schauspieler für die Rolle finden; vgl. dazu Roberts/Welky, »Sacred Mission«, 72, und Stones Audiokommentar. 46 Paul Goetsch, »Der unsichtbare Feind im Vietnam-Film: Zum Problem der Sympathielenkung«, in: Michael Charlton/Silvia Schneider (Hg.), Rezeptionsforschung: Theorien und Untersuchungen zum Umgang mit Massenmedien, Opladen 1997, 148-56, hier: 152.
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Dass diese Bemerkung nicht übertrieben ist und die Inszenierung einer allgegenwärtigen, weitgehend unsichtbaren Bedrohung in der Tat die Dämonisierung des Feindes bedingt, lässt sich am besten anhand eines Filmes nachvollziehen, der in der einschlägigen Forschung kaum Beachtung gefunden hat, vielleicht weil er sich dezidiert nicht um Realismus bemüht: Aliens (1986). James Camerons Fortsetzung von Alien (1979), Ridley Scotts Klassiker des Science-Fiction- und Horrorfilms, in dem die Crew eines Raumfrachters auf einem fremden Planeten eine extrem aggressive außerirdische Lebensform entdeckt, ist denselben Genres verpflichtet wie sein Vorgänger, ergänzt diese jedoch um eine zusätzliche Komponente, die über weite Strecken sogar dominierend ist, nämlich den Kriegsfilm. »This time it’s war«, lautete dementsprechend auch der Werbeslogan für den Film, in dem Ripley (Sigourney Weaver), die einzige Überlebende der ersten Begegnung mit dem Alien, nach jahrzehntelangem Kälteschlaf als Begleiterin einer Einheit schwer bewaffneter »Colonial Marines« auf den Planeten zurückkehrt, weil der Kontakt mit einer mittlerweile dort errichteten Kolonie abgerissen ist. Wie schon der Titel erahnen lässt, stößt der Rettungstrupp dort nicht mehr nur auf ein einzelnes außerirdisches Monster wie im ersten Teil, sondern auf eine ganze Horde, mit der man sich in der Folge regelrechte Schlachten liefert. Bezugspunkt für die Inszenierung ist dabei nicht irgendein Krieg, sondern speziell der Vietnamkrieg. Cameron selbst äußerte sich damals dazu in einem Interview mit Don Shay von der Zeitschrift Cinefix:47 SHAY: »Ron Cobb, who of course is one of your principal designers on the film, said that in the early stages you were very consciously making a Vietnam War movie in outer space.« CAMERON: »As an element. But to me the whole, uh, the whole Vietnam, uh, experience was almost science fictional. In the sense that it, it was the first real high tech war, uh, that was waged against an extremely low tech enemy. And lost, which to me is… is… uh… is a very, is a very strange thing. It showed how technology didn’t work. And there is an aspect of that in this film. It’s like ›why are we losing?‹ «
Die Anknüpfung an Vietnam wurde zweifellos auch dadurch befördert, dass Cameron gleichzeitig an den Drehbüchern zu Aliens und Rambo arbeitete. Die Parallelen zwischen beiden Filmen sind nicht zu übersehen: Hier wie dort wird auf das Muster der captivity narrative zurückgegriffen, wobei die Kolonisten in Aliens und insbesondere die kleine Newt (Carrie Henn) dieselbe Funktion wie die Kriegsgefangenen in Rambo übernehmen. Und wenn Ripley sich am Ende Sturmgewehr und Flammenwerfer umhängt und damit gegen die Aliens zu Felde zieht, erinnert sie trotz weniger Muskeln allzu deutlich an Stallones Einzelkämpfer – sie wird zu »Fembo«.48 Cameron legte allerdings Wert auf die psychologische Dimension der Geschichte, die Stallone bei seiner Umsetzung vernachlässigt hatte. Dass Ripley von posttraumatischem Stress geplagt wird und die Rettungsaktion für sie auch eine Art Konfronta-
47 Als Video enthalten beim Bonusmaterial der Special Edition DVD von Twentieth Century Fox aus dem Jahr 2000. 48 Die treffende Namensschöpfung stammt von Harvey R. Greenberg, »FEMBO: Aliens’ Intentions«, in: JPFT 15:4 (1988), 164-71.
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tionstherapie darstellt, entspricht Camerons diesbezüglichen Vorstellungen: »In ›Aliens‹ I got to do what I wanted to do with Rambo, in a way[.]«49 Der Film ist aber nicht nur eng mit Stallones comichaftem Actionspektakel verwandt, er beinhaltet darüber hinaus viele Merkmale des Vietnamkriegsgenres, die ihn auch mit den wenig später entstandenen ›realistischen‹ Produktionen verbinden. Dies zeigt sich vor allem in der Darstellung der Marines, deren Ausrüstung und Sprache eindeutig Vietnam evoziert, etwa durch die Graffiti auf Helmen und Panzerung der Soldaten oder durch den Ausruf von Hudson (Bill Paxton): »Oh, man! And I was getting short!«50 Typisch ist auch die Figur des Lieutenants, der aufgrund seiner Unerfahrenheit nicht in der Lage ist, die Einheit effektiv zu führen, und sie – in kritischen Situationen überfordert – eher in Gefahr bringt. Ähnliche Charaktere, die die verhängnisvolle Praxis des US-Militärs in Vietnam widerspiegeln, die Offiziere häufig auszuwechseln, um möglichst vielen von ihnen einen karriereförderlichen Kampfeinsatz zu ermöglichen,51 finden sich zum Beispiel auch in Hamburger Hill oder Platoon, wo der Lieutenant irrtümlich Artilleriefeuer auf seine eigene Position anfordert. Dem gegenüber stehen die kampferprobten, meist die eigentliche Führung übernehmenden Unteroffiziere – in Aliens Corporal Hicks (Michael Biehn). Überaus interessant ist aber vor allem die Inszenierung der Begegnung mit dem Feind. Diese findet in Aliens auf die für den Vietnamkriegsfilm charakteristische Weise statt: Das Eindringen der Marines in die Station auf der Suche nach den Kolonisten entspricht der Patrouille im Dschungel, einem zentralen Topos des Genres. Dunkle Gänge und Rampen mit herabhängenden Kabeln und herausgerissenen Teilen bilden eine Art künstlichen Urwald, der nicht weniger fremd und unübersichtlich wirkt als der südostasiatische. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, je näher die Einheit dem ›Nest‹ der Aliens kommt, durch die offensichtlich von diesen erzeugten harzigen Gebilde an Wänden und Decken. Wie im Vietnamfilm weiß der Zuschauer in dieser Sequenz – durch den ersten Teil und Ripleys Warnungen vorbereitet – um die drohende Gefahr; er weiß, dass der Feind irgendwo im Dunkeln lauert. Wenn die Aliens schließlich angreifen, scheint es geradezu, als ob Teile der Umgebung plötzlich lebendig würden. Genau denselben Eindruck vermittelt das erste Auftauchen der Vietnamesen in Platoon: Chris schreckt während seiner ersten nächtlichen Mission im Dschungel aus dem Schlaf auf und entdeckt wenig später einige zunächst kaum erkennbare Schatten, die scheinbar aus dem Unterholz hervorwachsen. Der Vergleich dieser Szenen macht deutlich, dass sich beide Filme identischer Mittel bedienen, um eine Atmosphäre von Spannung und Angst zu erzeugen. Der Feind wird in beiden Fällen dämonisiert, indem er als eine Ausgeburt des Dunkels und der Wildnis präsentiert wird. Dass die außerirdischen Kreaturen in Camerons Film leibhaftige Monster sind, bedeutet lediglich eine letzte Steigerung ins Extreme. Die Tatsache, dass das Nichtsichtbare so großen Schrecken erzeugt, verweist auf ein Prinzip, das aus der Forschung zu imperialistischen Kulturen, aber auch aus der Gendertheorie wohlbekannt ist: der Blick als ein Mittel der Dominanz. Indem ich etwas zum Objekt meines Blickes mache, bestätige ich nicht nur meinen Status als Subjekt, ich erlange dadurch auch eine gewisse Kontrolle über dieses etwas. Die Zur49 Zitiert nach »Art of Darkness: ›Aliens‹ Return«, in: WP 20.07.1986. 50 Die Formulierung bezieht sich üblicherweise auf das Ende der einjährigen tour in Vietnam. 51 Siehe dazu Greiner, Krieg ohne Fronten, 127-9.
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schaustellung von Eingeborenen als exotische Attraktion oder von Frauen als Objekte der sexuellen Befriedigung sind hierfür prägnante Beispiele. Die visuellen Medien, gerade der Film, haben ihren Reiz von jeher auch aus diesem Effekt bezogen.52 Die Bedeutung dieser Erkenntnis für das Verständnis der amerikanischen Auseinandersetzung mit dem verlorenen Krieg in Südostasien ist offenkundig: Vietnam stellt sich als eine Krise dieses imperialen Blickes dar und wird so auch filmisch umgesetzt. Der Feind entzieht sich als Guerillakämpfer im Dschungel dem Blick der Amerikaner, und im Szenario des Hinterhaltes oder Überraschungsangriffs wird die Beziehung von Subjekt und Objekt auf den Kopf gestellt. Der Verlust der Kontrolle wird logischerweise als schrecklich erfahren, Tod beziehungsweise Niederlage erscheinen als geradezu zwangsläufige Folge. Das ist in Aliens eindringlich inszeniert, wo das Versagen der Technologie und die sich daraus ergebende Überlegenheit des ›primitiven‹ Gegners, die Cameron an Vietnam so bemerkenswert fand, gleichbedeutend mit dem Verlust des imperialen Blickes sind. Die Marines sind mit diversen Überwachungsgeräten, Kameras und Monitoren ausgerüstet, mithilfe derer der im Kommandofahrzeug zurückgebliebene Lieutenant das Vorrücken seiner Truppe zu steuern versucht. Im Dickicht der Kolonie werden die Bilder jedoch immer unklarer. »I don’t make that out too well«, bemerkt der Lieutenant an einer Stelle. Auch die »motion trackers« – tragbare Geräte, die Bewegungen in der Umgebung registrieren – garantieren keine Kontrolle über die Situation. In mehreren Szenen kann der zunehmend panische Hudson zwar ablesen, dass sich etwas bewegt, die Aliens aber nicht ausmachen. Das Vertrauen auf die Technik erweist sich als trügerisch. Aus den Jägern – zu Beginn ist von einer »bug hunt« die Rede – werden Gejagte. Der unsichtbare Feind degradiert die Soldaten zum Objekt seiner eigenen tödlichen Aktionen. Entsprechende Szenen finden sich in den Vietnamfilmen immer wieder, auch in Stanley Kubricks Full Metal Jacket, der als »the most suberversive film in terms of criticism of American society and the Vietnam War« angesehen werden kann,53 vor allem da hier intensiv die Erschaffung rassistischer Frauenhasser in der dehumanisierenden Militärausbildung behandelt wird.54 Was die Perspektive und demzufolge die Darstellung des Feindes angeht, folgt Kubrick allerdings weitgehend den Konventionen. Dass die Kämpfe hier nicht im Dschungel, sondern hauptsächlich in Huê stattfinden, macht dabei keinen Unterschied. Auch in den Ruinen der Stadt ist die häufige Unsichtbarkeit des Feindes das größte Problem. Die finale Sequenz mit der Hecken52 Dazu Laura Mulvey, »Visual Pleasure and Narrative Cinema«, in: Sue Thornham (Hg.), Feminist Film Theory: A Reader, Edinburgh 1999, 58-69. 53 Raya Morag, »›Life-Taker Heart-Breaker‹: Mask-ulinity and/or Femininity in Full Metal Jacket«, in: Wendy Everett (Hg.), The Seeing Century: Film, Vision, and Identity (Critical Studies, Bd. 14), Amsterdam/Atlanta 2000, 186-97, hier: 196. 54 Dazu auch Rich Schweitzer, »Born to Kill: S. Kubrick’s Full Metal Jacket as Historical Representation of America’s Experience in Vietnam«, in: Film & History 20:3 (1990), 6270; Paula Willoquet-Maricondi, »Full-Metal-Jacketing, or Masculinity in the Making«, in: Cinema Journal 33:2 (1994), 5-21; Susan White, »Male Bonding, Hollywood Orientalism and the Repression of the Feminine in Kubrick’s Full Metal Jacket«, in: Arizona Quarterly 44:3 (1988), 120-44. Kritisch beurteilt wird der Film (im Vergleich mit der Romanvorlage) von Jeffords, Remasculinization, 169-79.
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schützin zeigt beispielhaft die Bedeutung der Kontrolle durch den überlegenen Blick: Die US-Soldaten werden hier zunächst wieder einmal zu Opfern eines Feindes, den sie nicht ausmachen können. Die Vietnamesin hat sich in einem mehrstöckigen Gebäude über den Amerikanern postiert, die ihrem Blick und damit ihren Kugeln im offenen Gelände ausgeliefert sind, was im Wechsel zwischen Einstellungen aus der Perspektive der Schützin und quälenden Zeitlupenaufnahmen der Getroffenen mit spritzenden Blutfontänen besonders deutlich wird. Es gelingt den überlebenden Marines aber schließlich, im Schutz von Rauchgranaten vorzurücken und ihre Peinigerin zu stellen. Sobald sie sie ausgemacht haben, wendet sich das Blatt: Die Heckenschützin wird niedergeschossen, die Amerikaner umringen sie und starren nun ihrerseits auf das Mädchen hinunter. Die Dominanz ihres imperialen Blickes über das koloniale (und weibliche) Objekt ist damit wiederhergestellt. Allerdings ermöglicht Full Metal Jacket hier auch eine andere Lesart, indem er dem Feind zumindest in diesem einen Moment ein Gesicht gibt – noch dazu ein nicht dämonisches, sondern vielmehr mitleiderregendes. Dass die sterbende Vietnamesin zu beten scheint, verstärkt dies noch. Der Film erweist sich damit in dieser zentralen Szene wiederum als wesentlich ambivalenter als die meisten anderen Vietnamkriegsfilme, zeigt er doch, dass sich hinter dem unsichtbaren Feind kein Ungeheuer verbirgt. Ganz anders sieht dies wiederum in Predator (1987) aus. Ähnlich wie in Aliens wird eine amerikanische Militäreinheit hier mit einem außerirdischen Feind konfrontiert, in diesem Fall im Urwald Lateinamerikas, das in den 1980er Jahren ja vor allem Nicaraguas wegen als potentielles neues Vietnam galt. Anders als in Camerons Film ist der Außerirdische in Predator den Menschen technologisch überlegen und verfügt über eine Tarnvorrichtung, die ihn quasi durchsichtig erscheinen lässt und damit wiederum nahezu unsichtbar beziehungsweise zu einem Teil des Dschungels macht. Zudem besitzt er einen besonders dominanten Blick, mit dem er die Wärmesignatur seiner Opfer erkennen kann und den er zudem meist aus einer erhöhten Position in den Bäumen einsetzt. Der amerikanische Held schafft es erst, den außerirdischen Jäger zu besiegen, nachdem es ihm gelungen ist, sich diesem Blick zu entziehen, indem er sich mit Schlamm bedeckt, also noch perfekter mit seiner Umgebung verschmilzt als der Feind – das mittlerweile wohlbekannte Motiv der Verwandlung in den überlegenen Guerillakrieger. Ohne Tarnung entpuppt sich der Außerirdische – trotz seiner hochentwickelten Technologie – als abstoßendes Monster. Darin erinnert er wieder an die Aliens, mit denen Ripley es zu tun hat. Diese wenden neben dem Hinterhalt noch eine weitere Angriffstaktik an, die ebenfalls traditionell mit barbarischen und speziell asiatischen Feinden assoziiert wird: die ›menschliche (oder außerirdische) Welle‹.55 Nachdem die wenigen Überlebenden der verhängnisvollen Patrouille sich verschanzt haben, attackieren die Aliens sie ohne Rücksicht auf Verluste. Die schiere Zahl der Angreifer sorgt dafür, dass die Menschen sie trotz heldenhaften Widerstandes nicht aufhalten können. Während den Marines die Munition ausgeht, ist der feindliche Nachschub an Kämpfern anscheinend unerschöpflich. Es entspinnt sich ein last-stand-Szenario, das an die Niederlage General Custers bei Little Big Horn erinnert, vor allem aber an die klassischen westlichen Bilder von der ›gelben Gefahr‹, die Furcht vor den asiatischen Horden des 55 Vgl. auch Greenberg, »FEMBO«, 168f.
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Mongolensturms oder der chinesischen Offensiven im Koreakrieg. Es ist wiederum festzuhalten, dass derselbe »imperial nightmare of being overwhelmed by the Asian Other« auch die finale Schlacht von Platoon prägt,56 in der die nordvietnamesischen Truppen die Stellungen von Chris’ Einheit überrennen, sodass dem Captain (gespielt vom Militärberater Dale Dye) schließlich nur noch bleibt, einen massiven Luftangriff auf seine eigene Position anzuordnen. Die ›Anderen‹ erscheinen in solchen Szenen als unmenschlich, als zerstörerische Massen ohne Individualität, die von einem geheimnisvollen kollektiven Willen angetrieben werden. Aliens macht dies besonders explizit im Bild der eierlegenden Königin. Zweifellos ist die männliche Angst vor der Frau als Gebärerin ein wichtiger Subtext der Alien-Filme insgesamt. Wenn Barbara Creed zu dem Schluss kommt, dass Ripley und die Alien-Königin keine gegensätzlichen Prinzipien verkörpern, sondern lediglich zwei Seiten einer wegen ihrer reproduktiven Fähigkeit als monströs erlebten Weiblichkeit sind,57 ignoriert sie aber, dass in Camerons Film eben doch ein Unterschied zwischen einer gesunden, akzeptablen und einer unheimlichen, unmenschlichen Mutterschaft inszeniert wird. Auf der einen Seite steht Ripley, die als Quasi-Adoptivmutter Newts zu einem einzelnen, individuellen Kind kommt. Das Ende des Films stellt außerdem die Bildung einer traditionellen Familie mit Hicks als Vater in Aussicht.58 Auf der anderen Seite steht die Alien-Königin als Gebärmaschine, deren schleimiges, nie endendes Eierlegen auf die bedrohliche Fruchtbarkeit der Dritten Welt verweist, die barbarische, insektenartige Horden hervorbringt. Obwohl auch Ripley sich (symbolisch) ohne Geschlechtsverkehr fortpflanzt und als Kriegerin eine männliche Rolle usurpiert, hat sie bei weitem nicht die monströse Qualität der Alien-Königin. Diese kommt nicht zuletzt in ihrem phallisch konnotierten gewaltigen Schwanz zum Ausdruck, mit dem sie selbst den kräftigsten männlichen Körper, den des Androiden Bishop (Lance Henriksen), penetrieren und zerstören kann. Der Kampf zwischen Ripley und der Königin muss daher durchaus als Auseinandersetzung zwischen einer guten und einer bösen Mutter gelesen werden und steht zugleich für den Konflikt zwischen westlicher Zivilisation und (asiatischer) Dritter Welt, den nur die Nachkommenschaft einer Seite überleben kann. Damit schließt sich wieder der Kreis zum Konzept des savage war als Vernichtungskrieg gegen die dämonischen Kräfte der Wildnis, zu der von Kurtz in Apocalypse Now und von vielen Konservativen in politisch-historischen Debatten aufgestellten Behauptung, die USA hätten in Vietnam wegen selbstauferlegter Beschränkungen nicht gesiegt; die amerikanischen Truppen hätten ›mit einer Hand auf den Rücken gefesselt‹ gekämpft.59 In Aliens, wo die Feinde außerirdische Monster sind, kann ganz unverhohlen der Auslö56 Katherine Kinney, Friendly Fire: American Images of the Vietnam War, Oxford 2000, 5f. 57 Barbara Creed, The Monstrous-Feminine: Film, Feminism, Psychoanalysis, London/New York 1993, 51. 58 Im später veröffentlichten Director’s Cut erfährt der Zuschauer, dass Ripleys leibliche Tochter verstorben ist, während sie selbst im Kälteschlaf durchs All getrieben ist. Von einem Vater ist allerdings nie die Rede. 59 In diesem Sinne versprach etwa George Bush im Vorfeld des Kuwaitkrieges: »[I]f there must be war, we will not permit our troops to have their hands tied behind their backs.«; »The President’s News Conference, November 30th, 1990«, http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=19119 (27.07.2007).
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schung des Gegners als einziger möglicher Lösung das Wort geredet werden. Schon vor der Abreise zum Planeten erkundigt sich Ripley bei Burke (Paul Reiser), dem Vertreter der Firma, die die Kolonie betreibt und der auch ihr früheres Schiff gehörte: »You’re going out there to destroy them, right? Not to study. Not to bring back. But to wipe them out.« Und nach dem blutigen ersten Zusammenstoß mit den Aliens erklärt sie den überlebenden Marines: »I say we take off and nuke the entire site from the orbit. It’s the only way to be sure.« Burkes Widerspruch, er glaube nicht, dass sie oder irgendjemand das Recht habe, die Spezies einfach auszurotten, beantwortet sie mit einem entschiedenen »wrong«. Dass Burke, der sich als hinterhältig und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht erweist, der Einzige ist, der diese Position gegen Ripley und alle anderen Sympathieträger vertritt, diskreditiert sie effektiv, da dadurch der Eindruck zementiert wird, dass es keine moralischen Argumente gegen die exterminatorische Strategie gibt. Eine weitgehende Auslöschung der Vietnamesen findet in vielen Filmen auf eine andere Art und Weise statt: Nordvietnamesische Armee und Vietcong werden auch insofern zum unsichtbaren Feind, als sie für die Handlung oft eine erstaunlich untergeordnete Rolle spielen. Noch unwichtiger sind die Verbündeten: Die südvietnamesischen Truppen kommen so gut wie nicht vor und wenn doch, werden sie mit Verachtung bedacht.60 In keinem einzigen mir bekannten amerikanischen Spielfilm wird zudem die Kriegsbeteiligung Australiens oder Südkoreas, das allein 50.000 Soldaten stellte, auch nur erwähnt. Der Fokus liegt einzig und allein auf den Amerikanern. Die Marginalisierung aller anderen Parteien geht so weit, dass der Vietnamkrieg geradezu als ein inneramerikanischer Konflikt erscheint, als ein Kampf um die Seele der USA. Auch in dieser Hinsicht ist Platoon paradigmatisch für das Genre. Mit Elias und Barnes (Tom Berenger), dem ›guten‹ und dem ›bösen‹ Sergeant, stehen sich in Chris’ Einheit zwei unterschiedliche Wertesysteme und zwei widerstreitende Prinzipien gegenüber. Allerdings hat Oliver Stone betont, dass dies keine allegorische Konstruktion sei, dass vielmehr beide Charaktere auf Personen basierten, die er tatsächlich kennengelernt hatte – wenn auch nicht in derselben Einheit –,61 und dass die Spaltung in die Drogen konsumierenden, um Bewahrung ihrer Humanität bemühten »heads« und die trinkenden, zu unkontrollierter Gewalt neigenden »straights« Teil der Realität Vietnams gewesen sei. »[M]y most surprising experience«, schrieb er später, »was probably seeing almost the equivalent of a civil war going on in every one of the four units I was in (three of them front-line combat units).«62 Man muss Platoon zugutehalten, dass hier im Gegensatz zu anderen Filmen die simple Dichotomie von Gut und Böse am Ende durchbrochen wird. Wenn Chris die Ermordung von Elias rächt, indem er seinerseits Barnes tötet, ist dies nichts anderes als ein Rachemord, dessen Ambiguität deutlich wird, wenn man sich an eine zuvor getroffene Feststellung erinnert: »The only thing that could kill Barnes… is Barnes.« Chris beweist durch diese Tat also, dass er, auch wenn er letztendlich auf der Seite von Elias steht, nicht frei von dunkleren Persönlichkeitsanteilen ist. Er ist tatsächlich »a child born of those two fathers«, wie er in seinem Schlussmonolog bemerkt. Auch 60 Dazu auch Thomas Doherty, »Full Metal Genre: Stanley Kubrick’s Vietnam Combat Movie«, in: Film Quarterly 42:2 (1988/89), 24-30, hier: 29. 61 Stone, »On Seven Films«, 230f. 62 Ebenda, 224.
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die positive Hauptfigur, der gute amerikanische Soldat, wird somit nicht völlig von Schuld freigesprochen – ein wichtiges und durchaus komplexes Statement, das den Werbeslogan »The first casualty of war is innocence« aufnimmt und verdeutlicht. Allerdings droht dieser Aspekt angesichts der zuvor aufgebauten klaren moralischen Trennung unterzugehen. Den Konventionen des amerikanischen Kinos folgend, verdient Barnes als Bösewicht den Tod und Chris übt Gerechtigkeit. Entsprechend nahm das Publikum die Szene auf: »In the movie theaters, this illegal shooting usually gets a big hand«, berichtete Time.63 In jedem Fall stehen aber mit den Morden an Elias und Barnes Gewaltakte, die von Amerikanern gegen andere Amerikaner verübt werden, im Mittelpunkt von Platoons Version des Vietnamkrieges, deren Quintessenz in Chris’ letztem Kommentar aus dem Off noch einmal auf den Punkt gebracht wird: »I think now, looking back, we did not fight the enemy. We fought ourselves. And the enemy… was in us.« Diese Aussage klingt zunächst nach einer tiefgründigen philosophischen Einsicht, ist in Wahrheit aber hochproblematisch. Denn sie eliminiert gleichsam die Vietnamesen aus ihrem eigenen Unabhängigkeits- und Einigungskrieg. Das hat zwei zentrale Implikationen: Zum einen werden die Amerikaner zu den wichtigsten, ja zu den einzigen Opfern des Krieges, da sie als Zielscheibe sowohl der vietnamesischen als auch der eigenen Gewalt erscheinen. Dies kommt beispielhaft in Elias’ Todesszene zum Ausdruck: In der bezeichnenderweise auch als Motiv für das Filmplakat ausgewählten Aufnahme kniet er im Bildvordergrund und reckt in einer Art Kreuzigungspose die Arme zum Himmel, während im unscharfen Bildhintergrund mehrere vietnamesische Soldaten von Salven aus den amerikanischen Helikoptern niedergestreckt werden. Der Amerikaner beansprucht also das Bildzentrum, während die Vietnamesen an die Peripherie gedrängt und kaum noch wahrgenommen werden – so wie insgesamt das Vietnam aus dem Krieg erwachsene Leid mit Millionen von Toten und Verstümmelten und dauerhaften Umweltschäden durch die vom US-Militär eingesetzten chemischen Kampfstoffe hinter dem Leid der Vereinigten Staaten verschwindet. Zum andern wird damit auch eine Aussage über den Ausgang des Krieges getroffen: Wenn die USA gegen sich selbst gekämpft haben, dann haben sie sich auch die Niederlage selbst zugefügt und wurden demnach nicht von den technologisch und materiell weit unterlegenen Streitkräften eines ärmlichen Landes der Dritten Welt besiegt. Obwohl die Soldaten der nordvietnamesischen Volksarmee und des Vietcong als überaus bedrohlich dargestellt werden, wird ihnen damit letztendlich die Anerkennung für ihren Sieg versagt. Amerika, so scheint es, ist aufgrund seiner eigenen Zerrissenheit gescheitert. Das klingt noch etwas deutlicher in einem der früheren aus dem Off verlesenen Briefe von Chris an seine Großmutter durch, zu dem die zitierten Sätze aus dem Schlussmonolog wie ein Echo wirken: »The morale of the men is low. A civil war in the platoon. […] I can’t believe we‘re fighting each other when we should be fighting them.« Von hier ist es bemerkenswerterweise nicht allzu weit zu der Rambo zugrundeliegenden Dolchstoßlegende, die die Ursache für die Niederlage ja ebenfalls in der Uneinigkeit innerhalb Amerikas sieht; wobei Platoon sogar als potentiell gefährlicher gelten kann, da die Aura der Authentizität, die Stones Film um-
63 »Platoon: Viet Nam As It Really Was«, in: Time 26.01.1987.
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gibt, ihm eine schwer anfechtbare Autorität verleiht.64 In der motivischen Verwandtschaft liegt zumindest eine mögliche Erklärung für die Fähigkeit des Publikums, »to simultaneously embrace both Rambo (1985) and Platoon (1986) not only as box office hits but as cultural events.«65 Platoon unterscheidet sich freilich darin von Rambo, dass die Spaltung hier innerhalb der Truppe und nicht zwischen Armee und Heimat verläuft. Dort verortet sie aber beispielsweise auch Hamburger Hill, dessen Anspruch auf Realismus ebenfalls durch die persönliche Vietnamerfahrung seiner Macher gestützt wird: Autor Jim Carabatsos hatte wie Stone als Frontsoldat gedient, Regisseur John Irvin war als Dokumentarfilmer vor Ort gewesen. Im Gegensatz zu Platoon zeigt dieser vom Pentagon unterstützte Film seine Militäreinheit als verschworene Gemeinschaft, deren Zusammengehörigkeitsgefühl sich nicht nur im Kampf gegen die Vietnamesen erweist, sondern auch in der Abgrenzung gegen die noch schlimmeren Schurken aus den USA: die Medien und die Friedensbewegung, insbesondere »college kids« und Hippies, die Frauen und Freundinnen der Soldaten verführen, während diese in der Fremde ihr Leben riskieren, und sie bei der Rückkehr mit Hundekot bewerfen. Jeder Mann, der nicht in Vietnam gekämpft hat, wird hier pauschal verurteilt: »You don’t have to like it. But you have to show up«, erklärt Sergeant Frantz (Dylan McDermott), die militärische und moralische Autoritätsfigur des Films. Ein nicht weniger düsteres Bild der Friedensbewegung (und der Frauen- und Bürgerrechtsbewegung) zeichnet Forrest Gump (1994): Während Forrest (Tom Hanks) mit »some of America’s best young men« in Vietnam dient, lässt sich seine große Liebe Jenny (Robin Wright) mit Hippies und sogar der Black-Panther-Bewegung ein, widerlichen Typen, die den Kriegshelden nach seiner Rückkehr als »babykiller« beschimpfen, aber selber Frauen prügeln. Dass der Vietnamkrieg in diesem die jüngere amerikanische Geschichte aufarbeitenden und korrigierenden Film nur als Konflikt innerhalb der USA von Interesse ist, zeigen zudem gerade die in Südostasien spielenden Szenen, die die Marginalisierung der Vietnamesen auf die Spitze treiben. In der gesamten Sequenz sind überhaupt nur ein einziges Mal einige vietnamesische Bauern zu sehen, an denen die US-Soldaten in einem Reisfeld vorbeimarschieren, als wären sie ein Teil der Landschaft. Als Forrests Einheit später in einem Gefecht aufgerieben wird, wird der Feind lediglich durch Mündungsfeuer repräsentiert. Es wirkt gerade so, als ob der Dschungel selbst die Amerikaner angreift, zumal wenn Forrest seine Verwundung beschreibt: »Then it felt like somethin’ just jumped up and bit me.« Forrests Hochzeit mit Jenny, bei der sein in Vietnam verwundeter und lange Zeit verbitterter Freund Lieutenant Dan (Gary Sinise) mit neuen Beinprothesen und einer asiatischen Verlobten erscheint, symbolisiert die Heilung der durch Vietnam verursachten Wunden und die Überwindung der Spaltungen. Der Film lässt allerdings schon durch Jennys AIDS-Tod wenig später keinen Zweifel daran, dass dies keine ›Wiedervereinigung‹ auf Augenhöhe ist und eine Seite für ihre Verfehlungen während der Vietnam-Zeit büßen muss.
64 Vgl. auch Prasch, »Mythology of Realism«, 214f; Strübel, »Kriegsfilm und Antikriegsfilm«, 66. 65 Kinney, Friendly Fire, 6.
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Für die Friedensbewegung bezieht Oliver Stones zweiter Vietnamfilm Born on the Fourth of July (1989) Stellung, den Thomas Doherty als »extended antiwar protest« beschrieben hat.66 Die Verfilmung der gleichnamigen Autobiographie von Ron Kovic,67 der querschnittsgelähmt aus Vietnam zurückkehrte und sich von einem Unterstützer des Krieges zu einem prominenten Gegner entwickelte, hebt wiederum die simplifizierende Dichotomie von Kriegskritikern und Soldaten auf, konzentriert sich inhaltsbedingt aber ebenfalls ganz auf die USA. Auch in diesem Film spielt Gewalt von Amerikanern gegen Amerikaner eine zentrale Rolle: Ron (Tom Cruise) erschießt während eines Gefechts versehentlich einen Kameraden, und es werden zwei brutale Polizeieinsätze gegen Protestierer gezeigt, die die USA selbst als Kriegsgebiet erscheinen lassen.68 Born on the Fourth of July ist damit ein weiteres ausgezeichnetes Beispiel für die enorme Bedeutung der »trope of friendly fire«,69 die Katherine Kinney zu der Feststellung veranlasst hat: »The idea that we fought ourselves, literalized in the repetitious image of Americans killing Americans, is, I would argue, virtually the only story that has been told by Americans about the Vietnam War.«70 Das ist in dieser Ausschließlichkeit zwar übertrieben, aber die Herausstellung der Zentralität des Motivs ist mehr als berechtigt. Dass Vietnam immer wieder zum bloßen Schauplatz oder Katalysator eines Konflikts zwischen Amerikanern wird, der sich über die geographischen Grenzen des Landes oder die zeitlichen des Krieges hinweg fortschreiben lässt, belegen auch Filmbeispiele wie Universal Soldier (1992) oder Sniper 3 (2004). In manchen Produktionen wandert der Krieg komplett in die Vereinigten Staaten, wie in First Blood (1982) oder Southern Comfort (1981).71 Dies ist auch der Fall in Tigerland (2000), der unter der Regie von Joel Schumacher nach dem Drehbuch eines weiteren Veteranen, Ross Klavan, entstand. Der Film, der die letzten Wochen der Ausbildung von Infanteristen vor der Verschiffung nach Vietnam schildert, bezieht eine kritische Haltung gegenüber dem Militär und dem Krieg, die in dieser Deutlichkeit durchaus bemerkenswert ist. Der Protagonist Roland Bozz (Colin Farrell) ist ein rebellischer Unruhestifter, der nach Meinung seiner Vorgesetzten alle Anlagen hätte, 66 Doherty, »Witness to War«, 264. Muse, Land of Nam, 126, stellt fest, dass es sich bei Stones Film um die einzige ernsthafte Auseinandersetzung mit der Protestbewegung aus den 1980er Jahren handelt. 67 Ron Kovic, Born on the Fourth of July, New York 1976. 68 In der einen Szene, die auf einem Universitätscampus spielt, wird auch an die von der Nationalgarde von Ohio erschossenen Studenten der Kent State University erinnert; siehe zu diesem Vorfall Robert D. Schulzinger, A Time for War: The United States and Vietnam, 1941-1975, New York/Oxford 1997, 287f. Die Szene beim Konvent der republikanischen Partei in Miami 1972 ist mit deutlichen Parallelen zu den zuvor gezeigten Gefechten in Vietnam inszeniert, z.B. wird Ron hier wie dort von einem Schwarzen aus der Gefahrenzone getragen. 69 Kinney, Friendly Fire, 3. 70 Ebenda, 4. 71 Zu Southern Comfort, in dem eine Einheit der Nationalgarde von Louisiana während eines Wochenendmanövers mit den in den Sümpfen lebenden Cajun, den Nachfahren französischer Siedler, aneinandergerät und sich gleichzeitig untereinander bekämpft, siehe Rowe, »U.S. Recyclings«, 187-90.
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um ein ausgezeichneter Soldat zu werden, stattdessen aber seine Kenntnisse des Militärrechts nutzt, um seinen Kameraden Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie der Armee und dem Kriegsdienst in Vietnam entgehen können. Wer bei aller Kritik wieder einmal keine Rolle spielt, sind allerdings die Vietnamesen. Stattdessen erzählt auch Tigerland mit dem Konflikt zwischen Bozz und dem sadistischen Rassisten Wilson (Shea Wigham) die mittlerweile wohlbekannte Geschichte vom Kampf zwischen der guten und der bösen Seite Amerikas. Auf dem Trainingsgelände, das dem Film seinen Namen gibt und das als »the stateside province of Vietnam« bezeichnet wird, treten die US-Soldaten in Übungen gegeneinander an; Amerikaner ersetzen die Vietnamesen als Feind und – besonders auffällig bei der nachgestellten Durchsuchung eines Dorfes – als Opfer amerikanischer Verbrechen. Diese Umschreibung entschärft einen beachtlichen Teil des kritischen Potentials von Szenen wie jener, in der ein Ausbilder die Rekruten mit offensichtlichem Vergnügen darin unterweist, wie man ein Feldfunkgerät zur Folterung von Gefangenen benutzen kann.72 Um die Problematik der amerikanischen Auseinandersetzung mit diesem Thema, mit der eigenen Täterschaft, zu erfassen, empfiehlt sich ein Blick auf den wohl einzigen in Hollywood produzierten Spielfilm, der ein von US-Soldaten verübtes Kriegsverbrechen in den Mittelpunkt der Handlung stellt: Casualties of War behandelt einen wahren Vorfall aus dem Jahr 1966, den der Reporter Daniel Lang 1969 in einem Artikel im Magazin New Yorker und anschließend in einem Buch publik gemacht hatte.73 Eine Gruppe von fünf G.I.s unter der Führung von Sergeant Meserve (Sean Penn) entführt, vergewaltigt und ermordet während einer Patrouille das vietnamesische Mädchen Oahn (Thuy Thu Le). Regisseur Brian De Palma, der sich mit Filmen wie Dressed to Kill (1980) und Body Double (1984) nicht zu Unrecht den Ruf erworben hatte, mit Vorliebe extrem gewalttätige, frauenfeindliche Fantasien auf die Leinwand zu bringen,74 verzichtet in diesem Fall darauf, die Vergewaltigung detailliert zu zeigen. Seine wie üblich stilisierte, hier aber sehr auf emotionale Wirkung bedachte Inszenierung präsentiert Oahn als bemitleidenswertes Opfer.75 Der Film benutzt sie dennoch als Objekt, lediglich auf eine andere Weise, nämlich als Objekt des Streites zwischen Meserve und Eriksson (Michael J. Fox), einem jungen Familienvater, der erst seit wenigen Wochen im Land ist, sich als einziges Mitglied des Trupps nicht an der Tat beteiligt und seine Kameraden nach der Rückkehr ins Lager bei den vorgesetzten Offizieren anzeigt. In der Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern um die Frage, ob sie eine »VC whore« oder ein »farm girl« ist, spielt Oahn als Person nur insofern eine Rolle, als der Streit um ihren und auf ihrem Körper ausgetragen wird. Eine eigene Stimme erhält die Vietnamesin, de-
72 Dabei handelt es sich um eine in der Tat in Vietnam von US-Soldaten praktizierte Methode; siehe Greiner, Krieg ohne Fronten, 108; Turse, Kill Anything That Moves, 178. 73 Daniel Lang, Casualties of War, New York 1969. 74 Vgl. etwa Daniel J. Leab, »De Palma, Brian«, in: Crowdus (Hg.), Political Companion, 108-10, hier: 110: »[H]e seems obsessed by a sexuality that denigrates and demeans women, that verges on a disturbing and destructive misogyny.« 75 Insofern erscheint die Kritik von Desson Howe, »Self-Inflicted ›Casualties‹ «, in: WP 18.08.1989, die von einer deutlichen Abneigung gegenüber De Palmas früheren Filmen geprägt ist, etwas unfair.
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ren Sätze auch nicht untertitelt sind, dabei nie.76 Ihre Situation unterscheidet sich somit nicht von der ihres Landes in diversen anderen Filmen: Wichtig ist sie allein als Symbol im Kampf um Amerikas Seele. Aus diesem Blickwinkel ist es nur folgerichtig, dass De Palma wie ein Echo von Chris in Platoon klang, als er über die von Lang dokumentierte Geschichte sprach: »It showed that we were over there basically fighting ourselves instead of the enemy[.]«77 Tatsächlich eskaliert der Konflikt durch Erikssons Bemühungen, die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen zu lassen, so weit, dass einer seiner Kameraden, Clark (Don Harvey), einen Mordanschlag auf ihn verübt. Susan Jeffords hat, indem sie Casualties of War in eine Reihe mit Mississippi Burning (1988) und The Accused (1988) gestellt hat, darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei solchen im Vietnamfilm dargestellten Kämpfen zwischen guten und bösen Amerikanern um ein Motiv handelt, das in ähnlicher Form auch in anderen Zusammenhängen auftaucht.78 Offensichtlich ist etwa die Parallele zu den bereits besprochenen Antiapartheidfilmen, in denen die eigentlichen, schwarzen Opfer ebenfalls immer wieder zu bloßen Objekten des wichtiger erscheinenden Kampfes zwischen liberalen und rassistischen Weißen verkommen. Die Darstellung amerikanischer Gräueltaten in den Vietnamfilmen erweist sich auch über diesen Aspekt hinaus als ausgesprochen problematisch. Selbst Produktionen wie Platoon oder Full Metal Jacket, die vor dem heiklen Thema nicht zurückschrecken und Szenen beinhalten, in denen US-Soldaten Zivilisten ermorden oder den Leichen getöteter Vietnamesen die Ohren als Trophäen abschneiden, zeigen nie das wahre Ausmaß der tatsächlich in Vietnam verübten Verbrechen. Andere Filme, beispielsweise Born on the Fourth of July und In Country, sind vor allem in rückblickenden Dialogen recht explizit, aber diese verbale Darstellung verblasst gegenüber dem sichtbaren Leid der Amerikaner. Dass die Dorfszene in Platoon, in der zwei Morde zu sehen sind, bis heute einer filmischen Umsetzung des Massakers von My Lai, dem Hunderte von Menschen einschließlich Babys zum Opfer fielen, oder eines vergleichbaren Vorfalls am nächsten kommt, spricht für sich.79 Im Winter 2007/08 arbeitete Stone tatsächlich an einem weiteren Vietnamfilm, der die Untersuchung des Massakers behandeln sollte, als ein Streik der Gewerkschaft der Drehbuchautoren das Projekt (vorerst) stoppte.80
76 Vgl. auch Kathryn McMahon, »Casualties of War: History, Realism, and the Limits of Exclusion«, in: JPFT 22:1 (1994), 12-21, hier: 18f; McMahon stellt fest, dass sich Oahn allerdings als nicht völlig auslöschbar, also kontrollierbar, erweist. 77 Zitiert nach »Brian De Palma Explores Vietnam and Its Victims«, in: NYT 13.08.1989. 78 Jeffords, Hard Bodies, 118-36. 79 Auffällig ist diesbezüglich auch die Reaktion mehrerer Kritiker auf die Szene: Rita Kempley sprach etwa in ihrer Rezension in der Washington Post von einem »My Lai-like incident« (»› Platoon‹: Awesome Requiem«, 16.01.1987); auch Vincent Canby von der New York Times entdeckte in Platoon »some equivalent to just about every horror story we’ve ever read about Vietnam, including the My Lai massacre« (»› Platoon‹ Finds New Life in the Old War Movie«, 11.01.1987). Oliver Stone kommentiert auf der DVD richtiger, dass Elias einschreitet, bevor es zu einem weiteren My Lai kommt. 80 Quelle: http://www.imdb.com/title/tt1051718/ (14.07.2008).
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Manchen vor allem dem (neo-)konservativen Lager zuzuordnenden Kritikern ging das auf der Leinwand Gezeigte freilich schon zu weit. So betrachteten etwa einige vom allgemeinen Jubel abweichende Stimmen wie Jonathan Podhoretz Platoon als ›Entehrung‹ der Veteranen.81 Michael Medved behauptet in seinem polemischen Buch Hollywood vs. America, dass Vietnam »Hollywood’s favorite war« sei, weil er so viel Gelegenheit böte, die USA »at its worst« zu zeigen.82 Und Peter C. Rollins, immerhin eine prominente Persönlichkeit in der historischen Filmforschung, hat das filmische Porträt des Vietnamkrieges als einseitig antiamerikanisch und verfälschend gegeißelt. Gerade in Rollins’ Aufsätzen wird allerdings deutlich, dass sich diese Sichtweise nur vertreten lässt, wenn man – die historischen Fakten ignorierend – schon die bloße Feststellung, dass es in Vietnam zu Fehlverhalten und Gräueltaten von amerikanischen Soldaten gekommen ist, als ketzerisch behandelt, und nur Filme ohne jegliche Ambivalenz wie Hamburger Hill und The Hanoi Hilton (1987) gutheißt.83 Eine komplette Verleugnung amerikanischer Kriegsverbrechen findet sich in den Vietnamfilmen selten, die deshalb aber keineswegs Angriffe auf die Veteranen oder die amerikanische Nation darstellen. Vielmehr werden der dämonische Feind, die Schwierigkeit, ihn auszumachen, und seine Grausamkeit, wenn schon nicht zur Rechtfertigung, so doch zumindest zur Erklärung für das Verhalten der G.I.s.84 Casualties of War steht diesem Trend ein Stück weit entgegen, da Erikssons Handeln zeigt, dass man trotz der Geschehnisse in Vietnam seine moralische Integrität bewahren kann. Einerseits wird damit deutlicher als in anderen Filmen eine Entschuldigung von Gräueltaten durch die Umstände des Krieges abgelehnt.85 Andererseits dienen diese aber doch maßgeblich dazu, Meserves Handlungen verständlich zu machen, die nicht zuletzt eine Reaktion auf den Tod seines Freundes Brownie (Erik King) darstellen, der in einem scheinbar friedlichen Dorf Heckenschützen zum Opfer fällt.86 De 81 » › Platoon‹: Painful, brutal, much-praised movie on Vietnam dishonors veterans of America’s longest war«, in: WT 30.06.1987; siehe als weiteres Beispiel »› Platoon‹: Another Fantasy«, in: WP 07.04.1987. 82 Medved, Hollywood vs. America, 227. 83 Peter C. Rollins, »The Vietnam War«, in: ders. (Hg.), American History on Film, 93-102, erwähnt bezeichnenderweise weder My Lai noch, dass der von ihm kritisierte Casualties of War auf einem dokumentierten Fall beruht. Siehe außerdem Rollins, »Using Popular Culture«. 84 Vgl. dazu auch Goetsch, »Der unsichtbare Feind«, 154; Muse, Land of Nam, 182-4. 85 Vgl. in diesem Sinne auch Muse, Land of Nam, 185-8. 86 Schon zuvor erzeugt die typische Szene der nächtlichen Dschungelpatrouille mit den bewährten Mitteln das Gefühl einer allgegenwärtigen Bedrohung durch einen unsichtbaren Feind. Dies gipfelt in dem Moment, wenn Eriksson in einen Tunnel des Vietcong einbricht. Während er vergeblich versucht, sich zu befreien, werden seine im Tunnel zappelnden Beine von einem Vietnamesen bemerkt, den er selber nicht sehen kann, da sein Oberkörper sich im Freien befindet. In dieser rassistisch aufgeladenen Gruselszene, die den Feind als tierähnlichen Wilden zeigt und insbesondere mit Kastrationsängsten spielt, kriecht der Vietnamese mit einem zwischen die Zähne geklemmten Messer nicht nur auf den hilflosen Eriksson, sondern dank einer entsprechenden Kameraeinstellung auch frontal auf den Zuschauer zu. Beide werden erst im letzten Moment von Meserve gerettet. Dass die Rettung
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Palmas Film rüttelt, auch wenn er Charakterstärke zu einem Thema macht, nicht am Mantra von der Besonderheit der Vietnamerfahrung, der nicht alle der jungen Soldaten gewachsen sind und die ein Verbrechen wie das an Oahn verübte erst möglich zu machen scheint. In Vietnam zu sein, ist für die Männer hier – in den Worten des Regisseurs – »like being on a different planet where values can get turned upside down.«87 Damit wird der Vietnamkrieg wieder einmal aus jeglichem Kontext herausgelöst, insbesondere aus der amerikanischen Kultur und Geschichte. Die vorgebliche Einzigartigkeit Vietnams verstellt den Blick auf historische Verbindungslinien bei den Zusammenhängen zwischen Rassismus, Feindbild und Kriegführung. My Lai wird zu einem Ausnahmefall, obwohl beispielsweise das Massaker von No Gun Ri in Korea88 belegt, dass amerikanische Soldaten auch in einem scheinbar ganz anders gearteten Krieg zu vergleichbaren Verbrechen fähig waren. Indem die Filme sich auf die Ebene der Soldaten konzentrieren und Gräueltaten nur als eine Reaktion auf deren Kriegserfahrung darstellen, vermeiden sie zudem jede Kritik an der politischen und militärischen Führungsebene, an den Konzepten, die die Kriegführung bestimmten, wie beispielsweise der Obsession mit dem body count als Maßstab des Erfolges.89 Gerade Casualties of War entpuppt sich trotz seiner Thematik als eine Absolution des US-Militärs. Eriksson fungiert nämlich nicht nur wie Chris in Platoon als positive Identifikationsfigur und verkörpert die Unschuld Amerikas, die in Vietnam auf dem Spiel steht – eine Rolle für die Michael J. Fox ob seines jungenhaften Aussehens überaus geeignet war; er repräsentiert darüber hinaus auch die ›wahre‹ Armee, die im Gegensatz zu den fehlgeleiteten Männern um Meserve steht. Dies wird ganz explizit zum Ausdruck gebracht, als der Sergeant ihn zur Rede stellt, während die anderen Oahn vergewaltigen: MESERVE: »You probably like the Army, don’t you, Eriksson? I hate the Army.« ERIKSSON: »This ain’t the Army. This ain’t the Army, Sarge.«
Zwar scheint es, als Eriksson nach der Rückkehr ins Lager das Verbrechen meldet, zunächst so, als habe er sich mit dieser Feststellung getäuscht, da sowohl der Lieutenant (Ving Rhames) als auch der Captain (Dale Dye) es ablehnen, den Fall zu verfolgen. Stattdessen raten sie Eriksson, die Sache zu vergessen. Gerade als es so aussieht, von Erikssons Leben durch den Sergeant wohl auch das Verhältnis der beiden Männer komplexer machen soll, ändert am Gehalt der Szene nichts. Dass Meserves Brutalität eine Reaktion auf seine Umgebung ist, kommt beispielhaft auch in seinem abgewandelten Zitat aus Psalm 23 zum Ausdruck: »Yea though I walk through the valley of evil… I shall fear no death. ‘Cause I’m the meanest motherfucker in the valley.« 87 Zitiert nach »Brian De Palma Explores Vietnam and Its Victims«, in: NYT 13.08.1989. 88 Siehe dazu »The Bridge at No Gun Ri«, in: Time 11.10.1999, und die Fernsehdokumentation Das Massaker von No Gun Ri (2007), ausgestrahlt in der ARD am 29.03.2007. 89 Interessanterweise zeigte der Kinotrailer für Casualties of War eine in der endgültigen Schnittfassung nicht enthaltene Szene aus der Gerichtsverhandlung, die auf dieses Problem zumindest anspielt, wenn Meserve sagt: »My job’s only to kill Communist aggressors, count the bodies.«
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als ob die Institution an sich beschädigt sei, sorgt ein Militärgeistlicher, dem Eriksson seine Geschichte erzählt hat, dann aber dafür, dass eine Untersuchung eingeleitet wird, die zu einem Gerichtsverfahren führt. Dieses wird von De Palma in aller Kürze abgehandelt und dabei so inszeniert, dass durch den Blickwinkel der Kamera das Publikum selbst quasi auf der Richterbank sitzt und frontal auf die Angeklagten schaut, während die schneidenden Vorwürfe des Staatsanwaltes aus dem Off zu hören sind. Alle Einsprüche der Verteidigung werden abgewiesen. Am Ende verhängt das Gericht harte Strafen, Clark wird sogar zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Diese Auflösung präsentiert ein System, das schlussendlich doch einwandfrei funktioniert, und vermittelt eine Botschaft, die den von manchen Veteranen kritisierten Film für andere akzeptabel machte: »What the movie shows […] is that the American soldier is subject to very harsh discipline when he or she goes over the line«, lobte Jan Scruggs, der Präsident des Vietnam Veterans Memorial Fund. »This indeed shows that […] the whole military justice establishment works.«90 Der beruhigende Eindruck, dass diejenigen Soldaten, die sich etwas zuschulden kommen ließen, konsequent und im Einklang mit dem internationalen Kriegsrecht zur Rechenschaft gezogen wurden, ist aber gerade für Vietnam nachweislich falsch,91 was auch der Casualties of War zugrundeliegende Fall belegt. In der Realität bewahrheitete sich nämlich, was der Captain Eriksson im Film prophezeit: »Military courtmartials are notoriously lenient. And stateside review boards are even more lenient. Even if these four guys get convicted, they’re not gonna do any real time.« Tatsächlich wurden alle in erster Instanz verhängten Strafen nach kurzer Zeit massiv abgemildert. Die längste Haftdauer betrug am Ende fünf Jahre.92 De Palma enthält dem Zuschauer diese Information jedoch vor und führt ihn in die Irre, indem er den Anschein erweckt, als seien alle Zweifel an einer gerechten Bestrafung unbegründet gewesen. »I felt that the reduced sentences was one more ironic turn that the movie didn’t need«, erklärte der Regisseur seine Entscheidung. »I felt, emotionally speaking, there should be some peace on earth for the character Eriksson and that justice was done. In fact, they did go to prison; if we left in how fast they got out, that point would have left the movie dramatically stalled.«93 Die Priorität lag offensichtlich nicht darin, der ermordeten Vietnamesin Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, was einen pessimistischen Schluss bedingt hätte, sondern Erlösung für den amerikanischen Helden – und damit für Amerika selbst – zu finden.94 Hierzu dient auch der selbst in positiven Rezensionen durchweg kritisierte Rahmen,95 mit dem De Palma den Film versieht: Zu Beginn entdeckt Eriksson 1974 90 Zitiert nach »Vets Join List of ›Casualties‹ Critics«, in: WP 24.08.1989. 91 Dazu ausführlich Greiner, Krieg ohne Fronten, 439-510; Turse, Kill Anything That Moves, 222-58; vgl. auch »Interchange: Legacies of the Vietnam War«, in: JAH 93:2 (2006), 45290, hier: 455-8. 92 Vgl. »Brian De Palma Explores Vietnam and Its Victims«, in: NYT 13.08.1989. 93 Zitiert nach ebenda. Drehbuchautor David Rabe war mit dem Ende des Films unzufrieden und distanzierte sich deshalb von De Palmas Werk. 94 Vgl. dazu auch De Palmas Audiokommentar, enthalten beim Bonusmaterial der DVD von Columbia Tristar Home Entertainment aus dem Jahr 2004. 95 Siehe etwa »The Explosive Power of ›Casualties of War‹ «, in: WP 18.08.1989; »In ›Casualties of War,‹ Group Loyalty vs. Individual Conscience«, in: NYT 18.08.1989; »In the
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in einem Zug in San Francisco eine junge Vietnamesin (ebenfalls gespielt von einer leicht veränderten und außerdem synchronisierten Thuy Thu Le) und erinnert sich daraufhin an die Ereignisse. Am Ende schreckt er aus dem Schlaf auf und folgt der jungen Frau nach draußen, die beim Aussteigen ihr Halstuch vergessen hat – was wiederum an das Tuch erinnert, das Oahns Mutter ihr gebracht hatte. »You had a bad dream, didn’t you?«, fragt die Vietnamesin mitfühlend den verstörten Eriksson. »Yes«, entgegnet er. Worauf sie bemerkt: »It’s over now, I think.« Dann wendet sie sich zum Gehen. Eriksson sieht ihr unter der strahlenden Sonne Kaliforniens nach, während auf der Tonspur die elegische Musik von Ennio Morricone anschwillt, die diesem Ende eine ähnliche Stimmung verleiht wie der Einsatz von Samuel Barbers Adagio for Strings dem Schluss von Platoon. Die Erlösung ist in dieser Szene allerdings noch offensichtlicher als in Stones Film, denn schließlich erteilt Vietnam selbst hier den USA die Absolution, und der Vietnamkrieg wird zu einem Albtraum deklariert, aus dem man erwacht ist. Damit wird er wieder einmal ins Reich des nicht zur ›wahren‹ US-Geschichte gehörenden Irrealen gerückt. Zugleich zeigt die Rollenverteilung, dass die eigentlichen Casualties of War, die Opfer des Krieges, auch in diesem Film die Amerikaner sind. Selbst an den von anderen Amerikanern verübten Verbrechen an Vietnamesen leiden letztendlich vor allem sie. Diese Darstellung komplettiert den egozentrischen Zynismus gegenüber dem Leid der Vietnamesen, der in De Palmas Logik zum Ausdruck kommt, die historisch verbürgte Geschichte der Entführung, Vergewaltigung und Ermordung eines vietnamesischen Mädchens durch US-Soldaten zum Beleg dafür zu erklären, dass die Vereinigten Staaten in Vietnam in erster Linie sich selbst bekämpft hätten; eine Logik, die charakteristisch für die amerikanische Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg ist. Die Marginalisierung der Vietnamesen fand nicht nur in der Populärkultur statt, sondern auch im politischen Diskurs und in der Historiographie.96 Bezeichnend ist, dass es noch in einem im Jahr 2006 im Journal of American History veröffentlichten Austausch zwischen Historikern als eine der wichtigsten aktuellen Entwicklungen in der Forschung zum Vietnamkrieg betrachtet wurde, dass man erst jetzt mehr über die vietnamesische Seite erfahre – ein Umstand, der sich nicht nur durch den besseren Zugang zu Quellen in Vietnam erklären ließ.97 Vielmehr muss den USA insgesamt ein in seinem Ausmaß erstaunliches Desinteresse an der vietnamesischen Perspektive attestiert werden. Insofern kann es nicht überraschen, dass diese nur selten in Filmen eine Rolle spielte. Eine der wenigen Ausnahmen in dieser Hinsicht ist Good Morning, Vietnam (1987), der in einigen Szenen zumindest ansatzweise Einblicke in das Leben der Menschen in Südvietnam eröffnet. Darüber hinaus erhält hier auch der Feind ein menschliches Gesicht und eine Stimme, wenn Adrian Cronauer (Robin Williams), Moderator beim Truppenradio der US-Streitkräfte, sich mit dem jungen Vietnamesen Tuan (Tung Thanh Tran) anfreundet, der sich am Ende als Mitglied des Vietcong Valley of Shadow«, in: Newsweek 21.08.1989; »Casualties of War« auf http://rogerebert. suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19890818/REVIEWS/ 908180301/1023 (14.06. 2007). 96 Siehe Stephen Vlastos, »America’s ›Enemy‹: The Absent Presence in Revisionist Vietnam War History«, in: Rowe/Berg (Hg.), Vietnam War, 52-75. 97 »Interchange«, 453f, 459 u. 463.
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entpuppt. In einer außergewöhnlichen Szene, in der Cronauer Tuan aufsucht, um ihn zur Rede zu stellen und ihn zugleich vor einer drohenden Verhaftung zu warnen, konfrontiert dieser den Amerikaner, der ihm vorwirft, seine Freundschaft ausgenutzt zu haben, um ein Attentat auf ein von US-Soldaten frequentiertes Lokal zu verüben, mit seinem eigenen Blickwinkel. CRONAUER: »I gave you my friendship and my trust and now they tell me that my best friend is the goddam’ enemy!« TUAN: »Enemy? What is enemy? You killing my own people so many miles from your home. We not the enemy. You the enemy!« CRONAUER: »You used me to kill two people. Two people died in that fuckin’ bar!« TUAN: »Big fucking deal! My mother is dead. And my older brother, who be 29 years old, he is dead. Shot by Americans. My neighbor, dead. His wife, dead. Why? Because we’re not human to them. We’re only little Vietnamese.«
Hier wird der Anspruch der Amerikaner auf die alleinige Opferrolle ebenso überraschend wie effektiv als egozentrisch entlarvt. Leider verschenkt der Film, der in erster Linie eine Komödie sein will, sein kritisches Potential aber, indem er auf diese Szene kurz darauf ein unbeschwertes Softball-Spiel Cronauers mit seiner Englischklasse folgen lässt, das die Wirkung des zuvor Gezeigten unterminiert. Bemerkenswert, aber nahezu unbekannt ist The Iron Triangle (1989),98 in dem Captain Keene (Beau Bridges) durch die Begegnung mit dem 17-jährigen Vietcong Ho (Liem Whatley) zu der Erkenntnis gelangt, »that on the other side of the barrel of the gun there was a man… like me.« Der Film, der auf dem Tagebuch eines unbekannten Vietcong basieren soll, setzt der üblichen Dämonisierung des vietnamesischen Feindes erstmals Einblicke in dessen Kriegserfahrung entgegen, indem Ho zur zentralen Figur gemacht wird. Kritik an der Rolle der Amerikaner klingt dabei allerdings nur insofern an, als der repressive Charakter des südvietnamesischen Regimes deutlich wird. Die US-Soldaten selbst werden aber einmal mehr vor allem als Opfer inszeniert, und Keene wird im Konflikt mit einem südvietnamesischen Offizier gezeigt, der sein Spiegelbild in Hos Auseinandersetzungen mit dem »party official« Khoi in seiner Einheit hat. Auf beiden Seiten des Krieges finden sich somit eindimensionale Schurken, die Gefangene foltern und ermorden, und integere Charaktere. Zu beachten ist aber, dass alle negativ gezeichneten Figuren Vietnamesen (und ein Franzose) sind, während sich keinerlei Hinweise auf die problematischen Aspekte der amerikanischen Kriegführung finden. Dies beeinträchtigt das Bemühen um eine ausgeglichene Darstellung merklich. Bezeichnend ist zudem, dass Keene als Erzähler fungiert, womit die bestimmende Perspektive des Films letztlich doch eine dezidiert amerikanische bleibt. Den Versuch, dem amerikanischen Publikum eine wirklich vietnamesische Geschichte nahezubringen, unternahm Oliver Stone mit seinem dritten Vietnamfilm Heaven and Earth (1993). In Platoon hatte er seine eigenen Erfahrungen als Soldat verarbeitet; in Born on the Fourth of July hatte er kritisch beleuchtet, wie junge Männer durch die amerikanische Kultur in einen mit falschen Argumenten verkauf98 Es ist ebenso bedauerlich wie bezeichnend, dass weder IMDb noch The Numbers Informationen zum Einspielergebnis dieses Films liefern können.
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ten Krieg getrieben wurden. Beide Male hatte er dabei aus einer rein amerikanischen Perspektive erzählt und die US-Soldaten als die primären Opfer des Krieges in Szene gesetzt. Mit dem neuen Projekt wollte er nun über diese Beschränkung hinausgehen, die ihm durchaus als ein Problem von Hollywoods Version der Geschichte bewusst war: »Our Vietnam movies had always been about Americans and, as such, were ethnocentric if not racist.«99 Eine geeignete Vorlage fand er in der bewegten Lebensgeschichte von Le Ly Hayslip, wie sie sie in ihren beiden autobiographischen Büchern When Heaven and Earth Changed Places und Child of War, Woman of Peace niedergeschrieben hatte.100 Die Filmversion nimmt sich selbstverständlich einige künstlerische Freiheiten, bemüht sich aber – Hayslips eigenem Urteil nach durchaus erfolgreich101 – ihren Erfahrungen sowohl in Vietnam als auch später in den USA gerecht zu werden. Heaven and Earth präsentiert damit gleich in zweifacher Hinsicht eine ungewohnte Perspektive auf den Krieg, nämlich erstens eine vietnamesische und zweitens eine weibliche. Obwohl er, wie viele von Stones Filmen, leicht überladen wirkt und zudem an einigen Stellen in Rührseligkeit abzurutschen droht, stellt er zweifellos »a laudable political statement«102 dar und liefert einen kraftvollen, im amerikanischen Kino einzigartigen Eindruck vom Alltag und der Kriegserfahrung der vietnamesischen Bevölkerung. Heaven and Earth fängt die Schönheit der Landschaft Vietnams ein – im Gegensatz zu den bedrohlichen Dschungeln, die andere Produktionen dominieren – und zeigt die Arbeits- und Lebensweise der Landbevölkerung, einschließlich der Bedeutung von Buddhismus und Ahnenkult. Darüber hinaus macht er ebenso wie The Iron Triangle deutlich, dass der Krieg für die Vietnamesen ein Freiheitskampf war, der in direkter Verbindung zum Kampf gegen die Franzosen und in der Tradition des Widerstandes gegen frühere Fremdherrscher stand, und dass es für jemanden wie Le Ly (die von Hiep Thi Le gespielt wird) deshalb nur natürlich war, auf Seiten des Vietcong zu kämpfen. Vor allem aber rückt der Film erstmals das dem vietnamesischen Volk durch den Krieg entstandene Leid in den Vordergrund. Amerikanische Gräueltaten werden zwar auch in Heaven and Earth vernachlässigt, was einer von Hayslips Kritikpunkten an Stones Umsetzung war,103 der Film zeigt die US-Truppen aber aus der Perspektive der Landbevölkerung als bedrohliche Eindringlinge, besonders eindrücklich in der Szene, in der sie zum ersten Mal in Erscheinung treten und ein Helikopter in einem Reisfeld niedergeht wie ein Ungeheuer oder eine Naturgewalt. Die übliche Perspektive des Einrückens einer Patrouille in ein gefährliches Dorf und die Dämonisierung des Feindes werden so wirkungsvoll gespiegelt. In der Darstellung konnte Stones Film die Marginalisierung der Vietnamesen zwar durchbrechen, nicht aber an den Kinokassen, wo er gegenüber seinen beiden früheren Vietnamfilmen deutlich abfiel: Hatte Born on the Fourth of July noch 70 99 Stone, »On Seven Films«, 241. 100 Le Ly Hayslip mit Jay Wurts, When Heaven and Earth Changed Places: A Vietnamese Woman’s Journey from War to Peace, New York 1989; Le Ly Hayslip mit James Hayslip, Child of War, Woman of Peace, New York 1993. 101 Le Ly Hayslip, »Heaven and Earth«, in: Toplin (Hg.), Oliver Stone’s USA, 178-87. 102 McCrisken/Pepper, American History, 139. 103 Hayslip, »Heaven and Earth«, 185. Sie selbst hatte schon in ihrem Buch entsprechende Passagen für die Veröffentlichung kürzen müssen.
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Millionen Dollar eingespielt,104 so kam Heaven and Earth auf nicht einmal sechs Millionen und geriet damit zu einem veritablen Flop.105 »It’s one of the most forgotten films I’ve ever done«, bemerkt Stone im Audiokommentar der DVD.106 Offenbar hatte das amerikanische Publikum an der neuen Perspektive kein übermäßiges Interesse, wie auch die kaum vorhandene Rezeption vietnamesischer Produktionen nahelegt.107 Größeren Anklang fand dagegen ein Jahrzehnt später ein Film, der wieder Amerikaner in den Mittelpunkt stellte, dabei aber mit einem ungewohnt vorteilhaften Porträt des vietnamesischen Feindes aufwartete: We Were Soldiers (2002),108 Randall Wallaces Verfilmung der ersten großen Schlacht zwischen US-Truppen und nordvietnamesischer Armee im Ia Drang-Tal im November 1965, basierend auf einem Buch, das der damalige Bataillonskommandeur Harold Moore zusammen mit Joseph Galloway verfasst hatte, dem einzigen Journalisten, der die Kämpfe vor Ort miterlebt hatte.109 Ähnlich wie bei früheren Produktionen bedingt schon die Berufung auf diese Vorlage einen Anspruch auf Authentizität gegenüber anderen Versionen des Krieges. In Moores und Galloways Buch heißt es mit dem üblichen Verweis auf das eigene Erleben als einzig legitime Grundlage für eine Darstellung: »We knew what Vietnam had been like, and how we looked and acted and talked and smelled. No one in America did. Hollywood got it wrong every damned time, whetting twisted political knives on the bones of our dead brothers.«110 Der von beiden Autoren unterstützte Film tritt dementsprechend wieder einmal mit der Absicht an, nicht nur eine, sondern die ›wahre‹ Geschichte zu erzählen,111 was auch gleich der erste Off-Kommentar von Galloway-Darsteller Barry Pepper verdeutlicht. Bemerkenswerterweise – und in Abweichung von anderen Filmen über amerikanische Kampftruppen in Vietnam – wird die angekündigte Geschichte hier aber nicht nur als »a testimony to the young 104 Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1989/0BORN.php ( 25.05.2008). 105 Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1993/0HEEA.php (25.05.2008). Eine leicht abweichende Zahl, die aber ebenfalls unter sechs Millionen liegt, nennt http://www.imdb. com/title/tt0107096/business (25.05.2008). Das Budget wird dort mit 33 Millionen Dollar angegeben. 106 Enthalten beim Bonusmaterial der DVD von Warner Home Video aus dem Jahr 2002. 107 Vgl. Jamie Russell, Vietnam War Movies, Harpenden 2002, 83. 108 Allein in den USA spielte er über 78 Millionen Dollar ein, wobei das Budget relativ hoch war; http://www.the-numbers.com/movies/2002/WESOL.php gibt es mit 70 Millionen an, http://www.imdb.com/title/tt0277434/ business sogar mit 75 Millionen (beide 18.06. 2007). 109 Harold G. Moore/Joseph Galloway, We Were Soldiers Once... And Young: Ia Drang – the Battle That Changed the War in Vietnam, New York 1992. Siehe zu der Schlacht auch Schulzinger, Time for War, 183-9. 110 Moore/Galloway, We Were Soldiers Once, xxiv. Diese Behauptung ignoriert natürlich, dass auch Oliver Stone oder Jim Carabatsos sich auf ihre eigene Vietnamerfahrung beriefen. 111 Siehe dazu auch das Making Of mit dem bezeichnenden Titel »Getting It Right«, enthalten beim Bonusmaterial der Limited Edition-DVD von Concorde Home Entertainment aus dem Jahr 2007.
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Americans who died in the valley of death« bezeichnet, sondern im selben Atemzug auch als »a tribute to the young men of the People’s Army of Vietnam who died by our hand in that place.« Dieser Satz, der direkt auf die Buchvorlage zurückgreift, verheißt eine unübliche Inszenierung, die Dämonisierung und Marginalisierung durch eine Würdigung des Feindes ersetzt.112 Respekt vor dem Feind war zwar auch schon in anderen Produktionen zum Ausdruck gebracht worden, wenn es etwa in Full Metal Jacket hieß: »These enemy grunts are as hard as slant-eyed drill instructors.« Doch dieser Respekt bezog sich auf die geradezu übernatürlich anmutenden militärischen Fähigkeiten der vietnamesischen Soldaten. Er stand deren Dämonisierung also nicht entgegen, sondern war eng damit verknüpft. Dies zeigt sich beispielhaft in einer Szene in Hamburger Hill, in der Sergeant Frantz den neuen Mitgliedern seiner Einheit einen Vortrag über die Gefährlichkeit des Feindes hält, während sich ein Überläufer namens Han gleichzeitig zu Demonstrationszwecken an sie anschleicht: »Now forget about this Viet Cong shit. What you encounter out there is hardcore NVA, North Vietnamese. Motivated, highly trained and well equipped. If you meet Han or his cousins you will give him respect and refer to those little bastards as Nathaniel Victor. Meet ‘em twice and survive, you will call him Mr. Nathaniel Victor.«
Han, der am Ende von Frantz’ Rede mit einem bösartigen Grinsen seine Bazooka auf die Amerikaner anlegt, ist nicht nur auffallend hässlich, er kriecht auch wie ein Tier durch den Schlamm und trägt dabei nur einen Lendenschurz und ein Stirnband, was ihn wieder einmal in deutliche Nähe zu den teuflischen Wilden der Vergangenheit rückt, den Indianern, deren Kriegskunst ebenfalls respektiert werden konnte, ohne dass sie deshalb weniger rassistisch betrachtet worden wären.113 Auch in We Were Soldiers fehlt die Bezugnahme auf den savage war nicht völlig: Moore (Mel Gibson), der es offenbar als schlechtes Omen empfindet, dass sein Bataillon zum 7. Kavallerieregiment gehört, liest noch vor der Abreise nach Vietnam über Custers Niederlage am Little Big Horn und vergleicht die Situationen auch während der Schlacht, in der seine Truppen von einer Übermacht eingeschlossen werden. Dadurch werden die Vietnamesen doch wieder mit den blutrünstigen Wilden in Verbindung gebracht, die auf der Illustration in Moores Buch zu sehen sind. Viele Szenen zeigen zudem überaus konventionell die vietnamesischen Feinde als gesichtslose Masse, die in immer neuen Angriffswellen gegen die Verteidigungsstellungen der tapferen Amerikaner anbrandet. Deren Mut, Kameradschaft und Leiden stehen eindeutig im Mittelpunkt. 112 Vgl. Moore/Galloway, We Were Soldiers Once, xxivf: »While those who have never known war may fail to see the logic, this story also stands as tribute to the hundreds of young men of the 320th, 33rd, and 66th Regiments of the People’s Army of Vietnam who died by our hand in that place. They, too, fought and died bravely. They were a worthy enemy. We who killed them pray that their bones were recovered from that wild, desolate place where we left them and taken home for decent and honorable burial.« 113 Vgl. dazu Michael Hochgeschwender, »The Last Stand: Die Indianerkriege im Westen der USA (1840-1890)«, in: Thoralf Klein/Frank Schumacher (Hg.), Kolonialkriege: Militärische Gewalt im Zeichen des Imperialismus, Hamburg 2006, 44-79, hier: 48.
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Dennoch durchbricht der Film das traditionelle Feindbild, indem er immer wieder kurze, aber eindrückliche Szenen einstreut, die Schlaglichter auf die vietnamesische Seite werfen. Insbesondere der unterirdische Kommandostand der nordvietnamesischen Truppen, von dem aus Oberstleutnant Nguyen Huu An (Don Duong) die Schlacht lenkt, wird mehrfach gezeigt. Dadurch wird dem sonst in Vietnamfilmen dominierenden Eindruck von der Undurchschaubarkeit der feindlichen Aktionen entgegengewirkt. Sie erscheinen nicht mehr unheimlich, sondern werden nachvollziehbar. Der vietnamesische Befehlshaber wird außerdem zwar nicht so extrem idealisiert wie Moore, aber dennoch konsequent als Pendant zu dem amerikanischen Truppenführer präsentiert, wenn er wie dieser wohlüberlegte Entscheidungen trifft, mit seinen Soldaten spricht und Verwundeten seine Anerkennung zeigt. In einer Szene dankt er in einem einsamen Gebet für den Mut seiner Männer. Dass ihm diese am Herzen liegen, steht nicht zuletzt dem Klischee von der das individuelle Leben verachtenden asiatischen Kriegführung entgegen. Eine weitere Szene geht auch in der Darstellung des Kampfes für einen Moment über die gängige Inszenierung von eigener und feindlicher Seite hinaus, indem die Kamera die Reihen der Amerikaner verlässt und stattdessen einem vietnamesischen Soldaten folgt. Zu sehen ist, wie der junge Mann, der durch eine Brille zusätzlich weich und wenig bedrohlich wirkt, seine Angst überwindet und sich mit aufgepflanztem Bajonett dem Sturmangriff auf die amerikanischen Stellungen anschließt, der ihn bis auf wenige Schritte an Moore heranführt, bevor er von diesem erschossen wird. Diese Szene macht deutlich, dass die auch in diesem Film meist gesichtslosen, weil aus der Perspektive der US-Soldaten gezeigten vietnamesischen Truppen normale Menschen mit Emotionen waren. Ihr Angriffsgeist und ihre Opferbereitschaft werden – in einem Film, der deutlicher als andere Produktionen die verheerende Wirkung der amerikanischen Artillerie und Luftwaffe und deren wichtige Rolle vor Augen führt – nicht als fremdartige Wildheit dämonisiert, sondern als mit dem Mut und dem Patriotismus der Amerikaner vergleichbar gewürdigt. Dies findet seine Fortsetzung, wenn der elegische Schluss in einer Montage die jungen Witwen des vietnamesischen Soldaten und eines US-Lieutenants gegenüberstellt und so auch im Hinblick auf das durch den Krieg entstandene Leid Parallelität betont. Obwohl der Fokus auf den Amerikanern liegt, vermittelt We Were Soldiers besser als andere Filme einen Eindruck von der gegnerischen Seite114 und trägt damit zumindest im Ansatz der angesichts des amerikanischen Umgangs mit Vietnam vielleicht bemerkenswertesten Erkenntnis der Buchvorlage Rechnung: »This is our story and theirs.«115 Dazu gehört auch, dass Wallaces Film in einem Prolog darauf verweist, dass die Geschichte nicht erst mit dem Einsatz amerikanischer Truppen in Vietnam beginnt, sondern eher mit dem Kampf der Vietnamesen gegen die Franzosen. Damit wird der größere Kontext wenn schon nicht erklärt, so doch immerhin erwähnt. Vor deutlicheren politischen Einlassungen schreckt We Were Soldiers jedoch zurück, der trotz 114 Dies wurde auch in diversen Rezensionen vermerkt, siehe etwa »Early Vietnam, Mission Murky«, in: NYT 01.03.2002; »› Soldiers‹: A Fresh Look at an Old War«, in: WP 01.03.2002; »Bravery When the Bullets Fly«, in: CE 01.03.2002; »We Were Soldiers«, in: CT 28.02.2002; »We Were Soldiers« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/ article?AID=/20020301/REVIEWS/203010305/1023 (14.06.2007). 115 Moore/Galloway, We Were Soldiers Once, xxv.
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drastischster Bilder jegliche Kritik am Krieg selber und an der Art, wie er geführt wurde, vermeidet. Im Einklang mit früheren Vietnamfilmen, aber vor allem auch mit anderen zeitgenössischen Kriegsfilmen wie Black Hawk Down (2002) zieht er sich auf die scheinbar neutrale Position zurück, nur von Soldaten erzählen zu wollen, für die Politik keine Rolle spiele.116 Da der Film einen amerikanischen Sieg zeigt, den er durch Abweichung von der Vorlage noch heroisch überhöht,117 und dabei das amerikanische Militär, das die Produktion großzügig unterstützte, vorbehaltlos feiert, kann man durchaus konstatieren, »[that] ›We Were Soldiers‹ is the Vietnam battle epic that more conservative supporters of the war have wanted to see for over three decades, ever since Vietnam started becoming a cinematic symbol for national nightmare«.118 Tatsächlich weicht der Film den kontroversen Aspekten des Krieges aus, was durch die Wahl der Schlacht im Ia-Drang-Tal 1965 in zweifacher Hinsicht erleichtert wird: Erstens treffen hier reguläre Verbände zweier Armeen sozusagen ›auf der grünen Wiese‹ aufeinander. Dadurch besteht keine Notwendigkeit, sich mit der Problematik eines asymmetrischen Konfliktes auseinanderzusetzen, die viele andere Produktionen prägt. Die Schwierigkeit etwa, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, und die Erklärung von Gewalt gegen Zivilisten spielen hier keine Rolle. Stattdessen kann der Vietnamkrieg als konventioneller Krieg mit deutlichen Anklängen an den Zweiten Weltkrieg dargestellt werden. Es drängt sich der Schluss auf, dass auch das positive Porträt des Feindes durch diesen Umstand stark begünstigt wird. Zweitens ist die Geschichte zu einem frühen Zeitpunkt angesiedelt, als der Krieg noch nicht zu schweren Auseinandersetzungen in der amerikanischen Gesellschaft geführt hatte. Deshalb müssen die Protestbewegung und der (angebliche) Riss zwischen kämpfender Truppe und Heimatfront nicht thematisiert werden. In We Were Soldiers ist dementsprechend ein geeintes Amerika zu sehen. Hier gibt es keine Konflikte innerhalb der Einheiten in Vietnam, und die Ehefrauen und Familien ste116 Bezeichnenderweise wurde etwa eine Szene aus der endgültigen Schnittfassung entfernt, in der Moore Verteidigungsminister Robert S. McNamara und den Oberbefehlshaber in Vietnam, General William C. Westmoreland, die von seinem Erfolg in der Schlacht begeistert sind, darüber aufklärt, dass die USA diesen Krieg nicht gewinnen können: »We won’t run the little bastards back home, Sir. They are home.« Die Szene ist enthalten beim Bonusmaterial der oben genannten DVD-Ausgabe, mit einem Kommentar von Wallace, in dem er erklärt, dass er das Gefühl hatte, die Szene herausschneiden zu müssen, »because the movie is not about politics.« 117 Aus Moores und Galloways Bericht geht deutlich hervor, dass die Lage der amerikanischen Truppen schon am zweiten Tag der Schlacht stabilisiert war. Der dramatische Gegenangriff der Amerikaner mit aufgepflanztem Bajonett, der im Film den Sieg bringt, als die Lage eigentlich hoffnungslos scheint, ist eine Erfindung des Drehbuchautors, inspiriert vermutlich durch einen – erfolglosen – Versuch noch am ersten Tag zu einem von der Hauptmacht abgeschnittenen Zug durchzubrechen. Interessanterweise erwähnt der Film auch mit keiner Silbe, dass die Schlacht mit dem Abzug von Moores Truppen aus der Landezone X-Ray noch nicht beendet war, sondern dass darauf ein für die Amerikaner noch deutlich verlustreicheres Gefecht folgte, dessen Schilderung einen beachtlichen Teil des Buches einnimmt. 118 »We Were Soldiers«, in: CT 28.02.2002.
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hen treu zu ihren in der Fremde kämpfenden und sterbenden Männern. Mit der sonst so dominanten Geschichte von Vietnam als »second American Civil War«119 entfällt auch ein wichtiger Grund für die Marginalisierung der Vietnamesen. Aus diesen Punkten erklärt sich zudem, warum der Film den Eindruck zu erwecken vermag, dass die durch den Vietnamkrieg verursachten Wunden – zumindest teilweise – geheilt seien:120 Er rührt nicht daran. Dass Vietnam tatsächlich für die USA nach wie vor ein hochproblematisches und emotionales Thema ist, belegt schon seine fortdauernde Präsenz, beispielsweise im Präsidentschaftswahlkampf 2004 sowie in den Debatten um aktuelle Kriege in Afghanistan, im Irak und in Syrien. Und auch in neueren Filmen wie Sniper 3 oder The President’s Man (2000) fällt immer wieder die negative Darstellung Vietnams und der Vietnamesen auf. Zusammenfassend muss man festhalten, dass der Vietnamkrieg in den Vereinigten Staaten trotz seiner großen Bedeutung und der zahllosen filmischen Umsetzungen nur ungenügend aufgearbeitet worden ist. Es dominiert eine Sichtweise, die die Kriegserfahrung der amerikanischen Frontsoldaten zur einzig wichtigen Perspektive auf die Geschehnisse erklärt. Dies führt dazu, dass nicht nur eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem politischen, historischen und kulturellen Kontext und damit eine fundierte Kritik des Krieges nahezu unmöglich wird, auch wichtige Teilaspekte wie der Luftkrieg werden völlig vernachlässigt. Bis heute haben sich nur wenige Filme dieses Themas angenommen und wenn, dann in sehr fragwürdiger Weise: Entweder wird die Handlung möglichst schnell vom Himmel auf den Boden und damit zurück in die gängigen Muster verlegt, wie in BAT 21, oder die amerikanischen Piloten werden entgegen aller historischen Tatsachen zu Helden im Kampf gegen einen überlegenen Feind stilisiert, wie in John Milius’ Flight of the Intruder (1989).121 Die verheerenden Auswirkungen der amerikanischen Bombardements und der Einsatz chemischer Kampfstoffe aus der Luft spielen dagegen keine Rolle. Als problematisch erweist sich darüber hinaus vor allem, dass durch das Erzählen aus der Perspektive der amerikanischen Soldaten deren Feindbild perpetuiert wurde, zumal es kaum gegenläufige beziehungsweise ergänzende Geschichten gab. Die Vietnamesen erschienen so immer wieder als unsichtbarer Feind und wurden als solcher oft marginalisiert und dämonisiert zugleich. In einer rassistischen, entscheidend durch die kulturelle Erinnerung an die Indianerkriege und orientalistische Vorstellungen von der ›gelben Gefahr‹ geprägten Wahrnehmung gerieten sie zu unheimlichen, unmenschlichen Wilden; der Vietnamkrieg wurde zu einem neuen savage war, in dem die Abkehr von den Regeln der zivilisierten Kriegführung eine natürliche Reaktion auf die Barbarei des Feindes darstellte. Die Vietnamfilme trugen so auch dazu bei, jene rassistischen Stereotype am Leben zu erhalten, die schon den Krieg selbst mitbestimmt hatten.122 Sie leisteten damit 119 So bezeichnete David Halberstam rückblickend den Krieg (»Platoon«, 119). 120 So »Early Vietnam, Mission Murky«, in: NYT 01.03.2002. 121 Siehe dazu auch Sharon D. Downey, »Top Guns in Vietnam: The Pilot as Protected Warrior Hero«, in: Matelski/Lynch Street (Hg.), War and Film in America, 114-33, die argumentiert, dass gerade die wenigen Filme über Piloten in Vietnam diese als traditionelle Helden präsentieren. 122 Dazu auch David Desser, »› Charlie Don’t Surf‹: Race and Culture in the Vietnam War Film«, in: Anderegg (Hg.), Inventing Vietnam, 81-102.
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einem Rassismus Vorschub, der sich nicht nur gegen Vietnamesen richtete, sondern potentiell gegen alle Asiaten, sowohl in den USA als auch außerhalb, zumal er seit den 1980er Jahren durch die Furcht vor neuen Bedrohungen geschürt wurde.
3.2 »BUSINESS IS WAR«: DIE WIRTSCHAFTSSUPERMACHT JAPAN Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von rassistischen Ressentiments spielte die verstärkte Immigration aus Asien: Hatte die Zahl der Einwanderer asiatischer Herkunft in den 1960er Jahren noch unter einer halben Million gelegen, so vervierfachte sie sich im folgenden Jahrzehnt beinahe, während gleichzeitig die Einwanderung aus europäischen Ländern deutlich zurückging. In den 1980er Jahren kamen dann sogar mehr als 2,8 Millionen Asiaten in die Vereinigten Staaten.123 Damit wuchsen Einfluss und Sichtbarkeit der asiatischstämmigen Minderheit, insbesondere an der Westküste. Nicht zufällig entwarf Ridley Scott 1982 in seinem düsteren Science-Fiction-Thriller Blade Runner die Vision eines zukünftigen Los Angeles, das nicht nur ein urbaner Moloch, sondern auch stark fernöstlich geprägt ist. Angesichts des verlorenen Vietnamkrieges und oft krisenhaft erlebter Veränderungen der globalen Wirtschaft, beispielsweise bei der Verteilung von Kapital oder durch die Entwicklung der USA zu einer postindustriellen Gesellschaft, verband sich die Angst vor der Erosion weißer Dominanz in den Vereinigten Staaten selbst mit der Sorge um Amerikas Stellung in der Welt. Das Bild von Asiaten als bedrohliche gooks, die wie der Vietcong überall waren und die USA unterwanderten, hatte Konjunktur. Seit Beginn der 1980er Jahre wurde denn auch ein besorgniserregender Anstieg rassistisch motivierter hate crimes gegen Amerikaner asiatischer Abstammung verzeichnet.124 Gleichzeitig trat die wachsende asiatische Minderheit verstärkt für ihre Interessen und gegen Diskriminierung ein. Dazu gehörte auch der Kampf gegen die fortgesetzte rassistische Stereotypisierung von Asiaten in Filmen. Dass diese weitaus offener betrieben wurde als etwa die von Schwarzen, kam prägnant darin zum Ausdruck, dass die Verwendung von yellowface, also die Besetzung asiatischer Rollen mit entsprechend geschminkten weißen Schauspielern, nach wie vor eine akzeptierte Praxis darstellte.125 Während das entsprechende Vorgehen bei schwarzen Charakteren (blackface) längst als rassistisch verpönt war und bei einer neuen Produktion undenkbar gewesen wäre, konnte beispielsweise Joel Grey in dem Actionfilm Remo Williams: The Adventure Begins (1985) als koreanischer Lehrmeister des Helden auftreten. Dass so etwas möglich war, lag zweifellos nicht zuletzt am geringen Einfluss asiatischer Filmschaffender in Hollywood, aber auch daran, dass diese Minderheit lange Zeit sehr zurückhaltend gewesen war, wenn es darum ging, ihre Behandlung in Frage
123 Zahlen aus Udo Sautter, Die Vereinigten Staaten: Daten, Fakten, Dokumente, Tübingen/ Basel 2000, 117. 124 Siehe dazu Lee, Orientals, 216f; zum Bild der Asiaten als gooks ebenda, 11 u. 189-91. Zum antiasiatischen Rassismus nach Vietnam siehe auch Palmer, Films of the Eighties, 103-9. 125 Vgl. Benshoff/Griffin, America on Film, 116f; Terry Hong, »Asian Americans«, in: Rollins (Hg.), American History on Film, 225-33, hier: 227.
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zu stellen. Für die Filmindustrie stellte es deshalb eine unangenehme Überraschung dar, als die asiatischen Amerikaner, die man als wenig bedrohlich erachtet hatte, sich in den 1980er Jahren mit lauteren Protesten bemerkbar machten als irgendeine andere ethnische Gruppe.126 Ein weiteres Beispiel für dieses neue Selbstbewusstsein stellt die Bewegung Amerikaner japanischer Abstammung dar, die nun nach vierzig Jahren Wiedergutmachung für ihre Internierung während des Zweiten Weltkrieges forderten. Damit wurde ein Schweigen gebrochen, das ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung eines scheinbar positiven, rassistischer Diskriminierung zuwiderlaufen Bildes gewesen war: dem Mythos von der asiatischen model minority.127 Dieser Mythos von der hervorragend integrierten und prosperierenden asiatischen Minderheit hatte seine Wurzeln in den 1950er und 1960er Jahren, in denen er zwei primäre Funktionen erfüllte, die Robert Lee folgendermaßen beschrieben hat: »On the international front, the narrative of ethnic assimilation sent a message to the Third World, especially to Asia where the United States was engaged in increasingly fierce struggles with nationalist and communist insurgencies, that the United States was a liberal democratic state where people of color could enjoy equal rights and upward mobility. On the home front, it sent a message to ›Negroes and other minorities‹ that accommodation would be rewarded while 128 militancy would be contained or crushed.«
Seit den 1970er Jahren wurden Asiaten dann nicht mehr nur als Vorbild für andere Minderheiten beschworen, die ihrem Beispiel folgend hart arbeiten und sich nicht beklagen sollten, sondern zunehmend auch für die weiße Bevölkerungsmehrheit. Die akademischen Erfolge von asiatischstämmigen Schülern und Studenten, von denen beispielsweise überproportional viele Eliteuniversitäten besuchten, wurden in erster Linie auf die Bedeutung und das Funktionieren traditioneller Werte und Strukturen in ihren Familien zurückgeführt.129 Diese wurden somit zum Modell für die vermeintlich durch Scheidungen, alleinerziehende Eltern, Homosexualität, Disziplinlosigkeit und allgemeinen moralischen Verfall geschädigte weiße Arbeiter- und Mittelschicht. Obwohl es zunächst – trotz des zugrundeliegenden neokonservativen Programms – progressiv und in völligem Widerspruch zu den erwähnten rassistischen Tendenzen dieser Zeit erscheinen mag, eine nichtweiße Minderheit auf diese Weise zum Vorbild für die gesamte Gesellschaft zu erheben, erweist sich der model-minority-Mythos bei genauerer Betrachtung schnell als zweischneidiges Schwert, weshalb er auch von den Asiaten selbst kritisiert wurde.130 Zum einen ignoriert er diverse nicht ins Bild passende Fakten: So lässt sich der Wohlstand vieler asiatischer Amerikaner weniger aus überlegenen Familienwerten erklären, sondern eher aus bestimmten Mustern in der Immigration, nämlich daraus, dass viele dieser Einwanderer von vornherein der MitVgl. Lyons, New Censors, 88f. Siehe dazu und zum Folgenden Lee, Orientals, 10f u. 145-203. Ebenda, 146. Siehe z.B. Time 31.08.1987 mit dem Titel »Those Asian-American Whiz Kids« und »Why Do Asian Pupils Win Those Prizes?«, in: NYT 29.01.1988. 130 Diese Kritik kommt auch zur Sprache in »The New Whiz Kids«, in: Time 31.08.1987 und »A Promised Land?«, in: Time 05.03.1990.
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telschicht entstammten. Immigranten aus weniger privilegierten Gruppen blieb dagegen der soziale Aufstieg oftmals versagt. Tatsächlich lebten 1990 11% der asiatischen Familien in den Vereinigten Staaten unterhalb der Armutsgrenze, bei den weißen waren es ›nur‹ 8%.131 Zudem negiert der Mythos vom Erfolg der Asiaten in Amerika natürlich die Bedeutung, wenn nicht die Existenz rassistischer Diskriminierung. Zugleich wurde er von Beginn an instrumentalisiert, um die Ansprüche anderer Minderheiten auf Gleichberechtigung in Schach zu halten, indem etwa der schwarzen Bürgerrechtsbewegung die angeblich geglückte Assimilation der Asiaten entgegengehalten wurde oder in den 1980er und 1990er Jahren der Angriff auf affirmative action an den Universitäten damit begründet wurde, dass die so hoch qualifizierten asiatischen Studenten durch Sonderregelungen für Schwarze und Latinos ungerechterweise benachteiligt würden.132 Gerade letzteres Beispiel zeigt sehr gut, wie mithilfe des model-minority-Mythos der Vorwurf des Rassismus zurückgewiesen und dabei die asiatischen Amerikaner gegen andere Minderheiten ausgespielt werden konnten. Dadurch wurde nicht nur die Bildung einer gemeinsamen Front zur Durchsetzung von Interessen verhindert, es wurden so auch die Ressentiments von Schwarzen und Latinos gegen die erfolgreicheren Asiaten geschürt, von denen sie sich in ärmeren Vierteln oft schlecht behandelt und ausgebeutet fühlten. Nicht zufällig nahmen asiatische, vor allem koreanische, Ladenbesitzer eine prominente Rolle unter den Opfern der Rassenunruhen in Los Angeles im Frühjahr 1992 ein.133 Der übermäßig betonte Erfolg der Asiaten wurde aber, und das ist wohl der wichtigste Punkt, nicht nur von Schwarzen und Latinos oft negativ aufgenommen; vielmehr muss man für die amerikanische Gesellschaft insgesamt feststellen, dass der Grat zwischen Bewunderung auf der einen und Neid oder Furcht auf der anderen Seite sehr schmal war. Dieselben Stärken, die den Asiaten Vorbildcharakter verliehen, konnten sie ebenso leicht als Bedrohung erscheinen lassen, gerade auch für die weißen Amerikaner. Dass etwa Rassisten »Stop the Asian Hordes« an die Wand eines Universitätsgebäudes in Berkeley sprühten, zeigt, wie schnell sich althergebrachte westliche Angstfantasien auch in diesem Zusammenhang beschwören ließen. In der Tat war es nicht, wie behauptet, die Bevorzugung von Schwarzen und Latinos aufgrund von affirmative action, die Asiaten den Zugang zu mehreren Ivy-League-Universitäten erschwerte, sondern die Sorge, dass zu wenig Weiße angenommen würden.134 Das Konzept der model minority stand dem Bild von den Asiaten als gooks also keineswegs diametral entgegen. Beide waren vielmehr eng miteinander verknüpft (auch in der Einebnung der Differenz zwischen unterschiedlichen asiatischen Ethnien) und verstärkten sich wechselseitig.
131 Zahlen aus Lee, Orientals, 189. 132 Siehe beispielhaft »Campus Racism«, in: National Review 05.05.1989. 133 Vgl. Lee, Orientals, 205 u. 216; Patterson, Restless Giant, 302. Gelegentlich wurden Asiaten in der Tat auch als Vorbilder akzeptiert, wie das Beispiel des schwarzen Filmemachers Spike Lee beweist, der den Erfolg von Koreanern auf ihre intakten Familien zurückführte und forderte: »We should use the Koreans as a model.« Zitiert nach »Turning Boycott of Greengrocer Into Green Power«, in: NYT 07.06.1990. 134 Vgl. Wilson, Myth of Political Correctness, 144 u. 152.
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Dies war gerade deshalb der Fall, weil – wie schon angedeutet – die Leistungen der asiatischen Amerikaner im Zusammenhang mit dem scheinbaren Niedergang der USA als dominante Wirtschaftsnation und dem Aufstieg Asiens, insbesondere Japans, gesehen wurden. Die bestehende Ordnung wurde also auf nationaler und internationaler Ebene zugleich in Frage gestellt. Die Asiaten in den Vereinigten Staaten konnten so als Teil einer beunruhigenden Entwicklung wahrgenommen werden oder sogar als Agenten fremder Mächte – gooks eben, deren Loyalität nur vorgetäuscht war. Außenpolitisch spiegelte sich das Bild der model minority als gooks135 in Japan, dessen wirtschaftlicher Erfolg den Amerikanern Bewunderung abnötigte, aber in den 1980er Jahren auch zunehmend Furcht einflößte. Beispielhaft zeigt sich diese ambivalente Sicht in der Komödie Gung Ho (1986), in der das Überleben der prototypischen amerikanischen Kleinstadt Hadleyville auf dem Spiel steht, als nach der Unterwäschefabrik auch noch das Automobilwerk schließt, von dem – direkt oder indirekt – nahezu sämtliche Arbeitsplätze in der Gemeinde abhängig sind. Die Stadt entsendet deshalb Hunt Stevenson (Michael Keaton) nach Japan, um den Konzern Assan Motors davon zu überzeugen, die seit mehreren Monaten stillgelegte Fabrik zu übernehmen. Seine Mission ist tatsächlich erfolgreich, und bald darauf trifft das neue japanische Führungspersonal samt Familien in Hadleyville ein, von der dankbaren Bevölkerung mit großem Bahnhof willkommen geheißen. Die Begeisterung verfliegt allerdings schnell, als es nach der Wiedereröffnung des Werks zum Zusammenprall der Kulturen kommt, weil die Japaner fest entschlossen sind, die Produktion nach ihren eigenen Vorstellungen neu zu organisieren. Während die gemeinsame Morgengymnastik von den amerikanischen Arbeitern noch belächelt wird, stoßen die hohen japanischen Ansprüche an ihre Leistung auf heftigen Widerstand: Dass jeder Arbeiter alle Tätigkeiten am Fließband beherrschen und die Produktivität bei gleichzeitiger Vermeidung jeglicher Mängel an den Autos gesteigert werden soll, erscheint den Amerikanern absurd. Deren lasche Einstellung ist wiederum den Japanern, denen Hunt versprochen hat, seine dankbaren Kollegen würden für sie extra hart arbeiten, unbegreiflich. Als ein Arbeiter den Hinweis auf einen Fehler mit der Bemerkung abtut, nicht jedes Auto, das die Fabrik verlasse, könne perfekt sein, entgegnet sein japanischer Vorgesetzter: »In Japan, if there is defect, worker is ashamed. He stays night to fix it. In Japan, our goal is a zero percent of defect.« Der junge Leiter der Fabrik, Kazihiro (Gedde Watanabe), der selber unter Druck steht, weil die Zentrale in Japan mit dem Ausstoß ihrer neuen Zweigstelle nicht zufrieden ist, beklagt sich bei Hunt: »I do not understand American workers. They come five minutes late, leave two minutes early. They stay home when they are sick. They put themselves above company.« Gefangen zwischen den Forderungen seiner Freunde, sich für höhere Löhne einzusetzen, und den Ansprüchen der Japaner, die mehr Leistung erwarten, geht Hunt schließlich mit Kazihiro eine gewagte Abmachung ein: Die Fabrik soll in einem Monat die Rekordzahl von 15.000 Autos produzieren. Den Arbeitern erscheint das jedoch unmöglich, und Hunt macht einen großen Fehler, als er ihnen gegenüber behauptet, eine geringere Lohnerhöhung gäbe es schon, falls die Marke knapp verfehlt werde. Wie nicht anders zu erwarten, geben sich die Amerikaner daraufhin mit dem einfacheren Ziel zufrieden, die enttäuschte japanische Konzernleitung kündigt die er135 Zur »Model Minority as Gook« siehe Lee, Orientals, 180-203 (Zitat ebenda, 180).
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neute Schließung des Werks an, und die gesamte Stadt macht den früheren Helden Hunt wegen seines Schwindels für die Katastrophe verantwortlich. Zusammen mit Kazihiro gelingt es diesem dann aber, ein mitreißendes Beispiel zu setzen und die anderen zu motivieren, einen Tag vor Ablauf der Frist doch noch zu versuchen, das Unmögliche möglich zu machen. Die amerikanischen Arbeiter und ihre japanischen Vorgesetzten werden dabei endlich zu einem Team, das Konzernchef Sakamoto (Soh Yamamura) derartig beeindruckt, dass er von der Stilllegung der Fabrik wieder Abstand nimmt. Der Schluss des Films zeigt die Belegschaft erneut bei der Morgengymnastik, die nun von allen mit großem Engagement, aber zu den Klängen amerikanischer Rockmusik vollführt wird. In Gung Ho verwandelt sich der anfängliche Konflikt der Kulturen damit beim versöhnlichen Ende in einen Austausch, von dem beide Seiten profitieren: Die Amerikaner lassen sich zu Leistungen motivieren, die sie zuvor in ihrer Bequemlichkeit als unerreichbar betrachtet haben. Zudem lernen sie in der Auseinandersetzung mit dem extremen japanischen Kollektivdenken, ihre Individualität zwar nicht aufzugeben, aber in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Die nicht weniger wichtige Erkenntnis der Japaner wiederum formuliert Kazihiro in einem Wutausbruch gegenüber Sakamoto: »We work too damn hard. This is not our lives. This is a factory. Our friends, our families should be our lives. We are killing ourselves.« An dieser Aussage von Kazihiro wird aber auch bereits deutlich, dass der Austausch zwischen beiden Kulturen nicht wirklich gleichmäßig stattfindet, weil sie letztendlich nicht als ebenbürtig erscheinen. Vielmehr muss man mit David Budd feststellen: »The flavor, the tone of the film remains decidedly pro-American throughout as it pokes fun at the stilted nature of Japanese society, at an excessive rigidity, no matter how productive, which fails to fully appreciate human spirit – meaning, of course, American spirit.«136 In der Tat lässt Gung Ho keinen Zweifel daran, dass die eindrucksvolle Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Japaner zu einem erheblichen Teil durch ein krankes, ja unmenschliches System hervorgebracht wird. Damit werden zugleich einmal mehr negative Aspekte Amerikas, in diesem Fall die Auswüchse des Kapitalismus, auf das ›Andere‹ projiziert. So muss sich Kazihiro zu Beginn des Films in Japan einem entwürdigenden Training für Führungskräfte, die versagt haben, unterziehen, bei dem er öffentlich gedemütigt und sogar geschlagen wird. Sein Vergehen hat, wie man später erfährt, darin bestanden, sich zu sehr um das persönliche Glück seiner Angestellten gesorgt und dafür einen Rückgang der Produktion in Kauf genommen zu haben. Kazihiro, der der einzige detaillierter gezeichnete japanische Charakter in Gung Ho ist und mit seiner schmächtigen Figur, seiner großen Brille und seinem Schuljungenscheitel ein auffallend unbedrohliches, geradezu kindliches Äußeres aufweist, zeigt damit von vornherein eine Veranlagung zu amerikanischem Denken. Auch seine Familie ist innerhalb kürzester Zeit auf dem besten Weg, völlig amerikanisiert zu werden. Insofern ist es offensichtlich, dass eine wesentlich stärkere Anpassung von Seiten der Japaner vollzogen wird, um das Happy End zu ermöglichen. Zumal die Amerikaner letztendlich nichts wirklich Neues lernen, sondern eher – wenn auch nicht ohne japanische Hilfe – zu alten Qualitäten zurückfinden. Das wird in der bemerkenswerten Rede deutlich, die Hunt bei der Feier zum Unabhängigkeits136 Budd, Culture Meets Culture, 65.
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tag hält, nachdem er sich den Zorn der Stadt zugezogen hat, weil sein Schwindel aufgeflogen ist. Darin erklärt er: »They’re kicking our butts and that ain’t luck. That’s the truth. There’s your truth. Sure, the great old American do-or-die spirit. Yeah, it’s alive. But they’ve got it! Well, I tell you somethin’, we’d better get it back. We’d better get it back damn fast. Instead, we’re struttin’ around, tellin’ ourselves how great we are, pattin’ each other on the back.« Die japanische Wirtschaftsmacht wird hier, genau wie sonst die Familienwerte der model minority, zu einem Wegweiser für die Rückbesinnung auf uramerikanische Stärken. Wenn die Amerikaner am Schluss zu einer schier unglaublichen Arbeitsleistung fähig sind, liegt das also nicht daran, dass sie etwas aus der japanischen Kultur übernommen, sondern »the great old American do-or-die spirit« wiederentdeckt haben. Hunts Ansprache, die man ohne Übertreibung als Weckruf bezeichnen kann, zeigt auch, dass Gung Ho trotz seines versöhnlichen Anstrichs nicht unerheblich von Furcht vor der wirtschaftlichen Herausforderung aus Asien geprägt ist. Zwar wird die Ursache für den Abstieg der USA nicht etwa in unfairen japanischen Praktiken gesehen, sondern darin, dass man selbst bequem geworden ist; aber in Formulierungen wie »they’re kicking our butts« schwingt ein deutliches Gefühl der Bedrohung mit. Das kann auch durch die positive Geschichte von der Sicherung amerikanischer Arbeitsplätze durch japanische Investitionen nicht völlig verdeckt werden, da klar wird, dass dies zum einen Abhängigkeit vom Ausland bedeutet und zum andern ja nur deshalb nötig ist, weil die heimische Wirtschaft nicht mehr konkurrenzfähig ist. Es war durchaus charakteristisch für das Bild vieler Amerikaner in dieser Zeit, Japan nicht einseitig die Schuld an wirtschaftlichen Problemen wie der unausgeglichenen Handelsbilanz zwischen beiden Ländern zu geben. In Umfragen wurden neben Vorwürfen an die Japaner wegen Dumping oder der Abschottung ihres Marktes auch immer wieder die hohe Qualität japanischer Produkte sowie Missstände innerhalb der US-Industrie als Faktoren genannt und teilweise sogar als wichtiger eingestuft.137 Time beschrieb die Haltung der amerikanischen Öffentlichkeit im April 1987 entsprechend als »a strange mixture of admiration, envy, resentment touched now and then by fear, and no little confusion.«138 Der Kontext, in dem dieser Artikel erschien, war allerdings bezeichnend: die Entscheidung der Reagan-Administration, »the harshest trade sanctions that the U.S. has slapped on Japan since the end of World War II« in Form von Zöllen in Kraft zu setzen.139 Das war ein deutlicher Ausdruck der nicht von der Hand zu weisenden Tatsache, dass vor allem seit Mitte der 1980er Jahre die Differenzen zwischen den beiden Staaten zunahmen. Gleichzeitig wurden die besorgten Stimmen aus Politik, Wirtschaft und Medien immer mehr und immer lauter. Als im Sommer 1987 bekannt wurde, dass Toshiba entgegen der Bestimmungen des Coordinating Committee for Multilateral Export Controls computergesteuerte Maschinen an die UdSSR verkauft hatte, war das Wasser auf die Mühlen der Japan-Kritiker. Doch schon davor hatte sich der Ton auf beiden Seiten des Pazifiks verschärft, wie George Packard feststellte. In den USA konnte man beobachten, »[that] ›Japan-bashing‹ took on a new kind of respectabili-
137 Vgl. z.B. IIPO, 1985-1986, 601. 138 »A Mix of Admiration, Envy and Anger«, in: Time 13.04.1987. 139 »Fighting the Trade Tilt«, in: Time 06.04.1987.
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ty.«140 Die Sanktionen gegen Japan erschienen als schlichte Notwendigkeit, wenn man dem häufig vorgebrachten Argument folgte, dass sich die Vereinigten Staaten mitten in einem Handelskrieg befanden. So erklärte beispielsweise Pete Wilson, republikanischer Senator von Kalifornien: »The point is we are already at war with Japan. The problem is that we have not been fighting back.«141 Lee Iacocca, ehemaliger Präsident von Ford, hatte bereits in seiner 1984 erschienen Autobiographie diese Position vertreten und seine Landsleute eindringlich gewarnt: »Gerade jetzt befinden wir uns inmitten eines neuen Krieges mit Japan. Dieses Mal handelt es sich nicht um einen Krieg, in dem geschossen wird, und ich glaube, wir sollten dafür dankbar sein. Der gegenwärtige Konflikt ist ein Handelskrieg. Doch weil unsere Regierung sich wiegert, diesen Krieg so einzuschätzen, wie er tatsächlich ist, befinden wir uns auf dem besten Weg, besiegt zu werden. Täuschen Sie sich nicht: Unser Wirtschaftskonflikt mit den Japanern ist für unsere Zukunft ausschlaggebend. Wir stehen einem starken Gegner gegenüber, und bei gleichen Chancen können wir von Glück reden, wenn wir mit einem Unentschieden davonkommen. Aber die Chancen stehen nicht gleich. Das Spielfeld ist nicht eben. Es ist eher zugunsten der Japaner geneigt. Deshalb spielen wir mit einer Hand auf dem Rücken. Kein Wunder, daß wir 142 den Krieg verlieren!«
Vermutlich nicht zufällig griff die Formulierung mit der auf den Rücken gebundenen Hand ein im Vietnamdiskurs immer wieder benutztes Bild auf. Zu den japanischen Vorteilen, die der Wirtschaftsmagnat nannte und die in ähnlicher Form regelmäßig in der öffentlichen Debatte auftauchten, gehörten die Unterstützung der Industrie durch die Regierung, die niedrigen Steuern, die deshalb möglich seien, weil Japan dank des US-Engagements seine Verteidigungsausgaben gering halten könne, sowie die durch eine angebliche Verschwörung von Banken und Industrie künstlich erzeugte Schwäche des Yen. Charakteristischerweise versäumte auch Iacocca nicht, seiner Bewunderung für die japanischen Arbeiter und Manager Ausdruck zu verleihen. Dennoch brachte er für seine Leser die Natur der Bedrohung durch Japan auf eine ebenso einfache wie furchteinflößende Formel: »Die Japaner schicken uns Toyotas, aber in Wirklichkeit exportieren sie etwas viel Wichtigeres. Sie schicken uns Arbeitslosigkeit.«143 Diese Logik hatten offensichtlich auch jene zwei Arbeiter der Automobilindustrie verinnerlicht, die 1985 in Detroit Vincent Chin, einen Amerikaner chinesischer Abstammung, mit Baseballschlägern zu Tode prügelten. Sie hatten ihn für einen Japaner gehalten. Beide wurden lediglich zu drei Jahren auf Bewährung verurteilt, da sie nach Meinung des Richters keine Gefahr für die Gesellschaft darstellten.144 Dieser Vorfall ist ein trauriger Beleg dafür, dass es sich bei den Attacken auf Japan und dem Gerede 140 George R. Packard, »The Coming U.S.-Japan Crisis«, in: Foreign Affairs 66:2 (1987), 348-67, hier: 352. 141 Zitiert nach »Fighting the Trade Tilt«, in: Time 06.04.1987. 142 Lee Iacocca mit William Novak, Iacocca: Eine amerikanische Karriere, übers. von Brigitte Stein, Düsseldorf/Wien 1985, 386. Siehe zum Folgenden ebenda, 385-95. 143 Ebenda, 392. 144 Vgl. Lee, Orientals, 203; Patterson, Restless Giant, 172.
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von Krieg nicht nur um die überspitzte Rhetorik von Meinungsführern handelte, sondern dass die ständige Beschwörung von Gefahr in der Bevölkerung durchaus Wirkung zeitigte. Darüber hinaus legt dieses Beispiel die bereits angesprochene Verbindung zwischen der Furcht vor der wirtschaftlichen Herausforderung aus Japan und der Verstärkung rassistischer Ressentiments mit der daraus resultierenden Zunahme von antiasiatischen Gewaltakten offen. Bezeichnend ist, dass Chin, wie die Opfer diverser anderer Angriffe, gar nicht der Ethnie angehörte, die seine Mörder ihm unterstellten, aber als Asiate, als gook, als Repräsentant der ›gelben Gefahr‹ Zielscheibe ihres Hasses wurde.145 In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Japan mit seinem ökonomischen Erfolg in den 1980er Jahren keineswegs zum ersten Mal die westliche/weiße Überlegenheit in Frage stellte. Tatsächlich hatte der Aufstieg des Reichs der aufgehenden Sonne von einer rückständigen Feudalgesellschaft zu einer kapitalistischen Industrienation und Großmacht um die Jahrhundertwende den Mythos der white supremacy erstmals nachhaltig erschüttert. Japans Sieg über das zaristische Russland im Krieg von 1904/05 stellte den ersten Triumph eines farbigen Volkes über eine weiße Nation in einem modernen militärischen Konflikt dar – ein Ereignis mit weltweiter Signalwirkung, das wie kein zweites im Westen die Angst vor der ›gelben Gefahr‹ schürte, vor einem Asien, das seine Menschenmassen nun mit fortgeschrittener Technologie zu einer tödlichen Bedrohung verbinden konnte. Der Zweite Weltkrieg, in dem die Japaner zunächst Sieg um Sieg errangen und gegenüber den Völkern Ostasiens als Befreier von den Kolonialmächten auftraten, wurde dann zur zweiten großen Herausforderung und zu einer schweren Krise der white supremacy.146 Bei der Betrachtung des Zweiten Weltkrieges wird Rassismus oft nur mit der nationalsozialistischen Politik in Verbindung gebracht, mit dem Holocaust und den Plänen zur Eroberung von ›Lebensraum‹ im Osten. Vernachlässigt wird für gewöhnlich das Faktum, dass, wie vor allem John Dower gezeigt hat, die Kämpfe im Pazifik von beiden Seiten auch als Rassenkrieg verstanden und entsprechend geführt wurden.147 Das hängt sicherlich damit zusammen, dass durch den Zweiten Weltkrieg ein Widerspruch zwischen demokratischen Idealen und Rassismus offenbar wurde,148 der im Kalten Krieg gelöst werden musste, worin ja dann eine zentrale Funktion des model-minority-Mythos lag. Zugleich ermöglichte der Krieg gegen das Dritte Reich aber auch eine entlastende Projektion: »[T]he good war shifted the stigma of racialism from the United States to its enemies«, wie Michael Rogin bemerkt hat, denn so sehr ›rassisches‹ Denken auch die Geschichte der Vereinigten Staaten bestimmt haben mochte, neben den Untaten der Nazis verblassten die eigenen Verfehlungen, und
145 Dazu mit weiteren Beispielen Lee, Orientals, 217. 146 Vgl. dazu Gerald Horn, »Race from Power: U.S. Foreign Policy and the General Crisis of ›White Supremacy‹«, in: Michael J. Hogan (Hg.), The Ambiguous Legacy: U.S. Foreign Relations in the »American Century«, Cambridge u.a. 1999, 302-36, v.a. 308-12 u. 31825.; Mehnert, Deutschland, Amerika und die ›Gelbe Gefahr‹, 28 u. 56-9. 147 John W. Dower, War Without Mercy: Race and Power in the Pacific War, New York 1986. 148 Vgl. Slotkin, Gunfighter Nation, 320.
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so wurde rassistische Gewalt zu etwas Unamerikanischem, während die USA zum Retter der Welt vor der mörderischen Herrenmenschenideologie aufstiegen.149 Aber auch wenn die amerikanische Kultur die Nazis später zur Verkörperung des Bösen schlechthin stilisierte: Während des Krieges selbst waren die Japaner die primäre Zielscheibe amerikanischen Hasses, und dies war nicht nur eine Folge des Überfalls auf Pearl Harbor, sondern in erster Linie der davor und danach wirkenden rassistischen Vorstellungen. Im Gegensatz zu den zivilisierten Deutschen (und den weniger ernst genommenen Italienern) galten die Japaner den Amerikanern nicht als richtige Menschen. In der Kriegspropaganda, in Hollywoodfilmen und auf Plakaten, wurden sie bis ins Extrem dehumanisiert und mit Vorliebe als Affen dargestellt.150 Charakteristisch war die Aussage eines Marines während der Kämpfe um Guadalcanal 1942: »I wish we were fighting against Germans. They are human beings, like us… But the Japanese are like animals.«151 Als Konsequenz geriet der Krieg zum savage war: US-Soldaten töteten verwundete und gefangene Feinde und verstümmelten ihre Leichen. Goldzähne, Skalps, Ohren und Knochen wurden als Trophäen gesammelt, und die Japaner, denen man sie abnahm, waren keineswegs immer tot, wenn dies geschah. Diese Praktiken, die später in Vietnam wieder begegneten, die im Hinblick auf die europäischen Gegner aber undenkbar gewesen wären, waren in der Heimat durchaus bekannt und lösten keine Empörung aus. Die Zeitschrift Life veröffentlichte sogar das Foto einer jungen blonden Frau, die mit dem Schädel eines japanischen Soldaten posierte, den ihr Verlobter ihr per Post geschickt hatte.152 Offensichtlich rassistisch war auch die Entscheidung, mehr als 120.000 in den Vereinigten Staaten lebende Menschen japanischer Abstammung, von denen 70.000 US-Bürger waren, ab 1942 in sogenannten Relocation Camps zu internieren, während ihre Angehörigen zum Teil in der amerikanischen Armee in Europa kämpften. Wiederum wäre es unvorstellbar gewesen, so mit den – freilich auch deutlich zahlreicheren – Amerikanern mit italienischen oder deutschen Wurzeln zu verfahren. Erst in den 1980er Jahren kam es in den USA zu einer richtigen Auseinandersetzung mit 149 Rogin, »› Make My Day!‹ «, 513. Zum Rassismus im Pazifikkrieg siehe auch ebenda, 513-6. Beispielhaft für die retrospektive Interpretation des Krieges ist George Bush, »Remarks to the Pearl Harbor Survivors Association in Honolulu, Hawaii, December 7th, 1991«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=20314, (21.07.2007): »Americans did not wage war against nations or races. We fought for freedom and human dignity against the nightmare of totalitarianism. The world must never forget that the dictatorships we fought, the Hitler and Tojo regimes, committed war crimes and atrocities. Our servicemen struggled and sacrificed not only in the defense of our free way of life, but also in the hope that the blessings of liberty some day might extend to all peoples.« 150 Dazu Dower, War Without Mercy, v.a. 77-93; Ralph R. Donald, »Savages, Swines, and Buffoons: Hollywood’s Selected Stereotypical Characerizations of the Japanese, Germans, and Italians in Films Produced During World War II«, in: Images 8 (1999), http://www.imagesjournal.com/issue08/features/wwii/default-yes.htm (13.07.2006); Gianos, Politics and Politicians, 117-9. 151 Zitiert nach David M. Kennedy, »Culture Wars: The Sources and Uses of Enmity in American History«, in: Fiebig-von Hase/Lehmkuhl (Hg.), Enemy Images in American History, 339-56, hier: 354. 152 Vgl. Dower, War Without Mercy, 64-71.
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diesem speziellen Unrecht gegenüber einer ethnischen Minderheit, als eine neue Generation japanischer Amerikaner nach langem Schweigen Wiedergutmachung forderte. 1987 zeigte das National Museum of American History eine Ausstellung über die Internierungslager,153 und im Jahr darauf entschuldigte sich die Regierung offiziell bei den Überlebenden und ihren Nachkommen, denen im Japanese-American Redress Act eine Entschädigung von je 20.000 Dollar zugesprochen wurde.154 Filmisch aufgearbeitet wurde das Thema ebenfalls: Come See the Paradise (1989) stellt allerdings nach einem mittlerweile bekannten Muster wieder einen weißen Amerikaner (Dennis Quaid) und nicht etwa die eigentlichen Opfer in den Mittelpunkt – ein Vorwurf, den man im Prinzip auch der zehn Jahre später entstandenen Literaturverfilmung Snow Falling on Cedars (1999) machen könnte, die deutlich vielschichtiger die Diskriminierung der japanischen Amerikaner während und nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt.155 Die offizielle Anerkennung des historischen Unrechts führte freilich nicht zu einer einsichtsvollen Auseinandersetzung mit den antiasiatischen und speziell antijapanischen Ressentiments der Gegenwart, mit denen die Amerikaner darauf reagierten, dass Japan nun erneut – zum dritten Mal innerhalb eines Jahrhunderts – den Mythos der white supremacy und die Vormachtstellung der USA in Frage stellte. Interessant ist in diesem Kontext Die Hard (1988), in dem eine Gruppe von Gangstern, die sich als Terroristen ausgeben, am Weihnachtsabend das Bürohochhaus des japanischen Konzerns Nakatomi in Los Angeles besetzt und die feiernden Angestellten als Geiseln nimmt. Lediglich John McClane (Bruce Willis), ein Polizist aus New York, der seine von ihm getrennt lebende und für Nakatomi arbeitende Frau Holly (Bonnie Bedelia) besucht, kann entkommen und nimmt in dem abgeriegelten Gebäude allein den Kampf gegen die schwerbewaffneten Verbrecher auf, die es auf die Wertpapiere im Firmensafe abgesehen haben. Dessen Öffnung versuchen sie zunächst vom Chef der amerikanischen Niederlassung zu erzwingen, Joseph Takagi (James Shigeta), der, wie der Zuschauer erfährt, der Sohn japanischer Einwanderer ist und während des Krieges interniert war. Takagi wird außerdem als Vater von fünf Kindern vorgestellt, wirkt freundlich und intelligent und ist, kurzum, ein Sympathieträger. Umso schockierender ist seine kaltblütige Ermordung durch Gangsterboss Hans Gruber (Alan Rickman), die sich in ihrer Wirkung deutlich von dem späteren Mord an Hollys zutiefst unsympathischem Kollegen Ellis (Hart Bochner) unterscheidet, dem man sein Schicksal beinahe gönnt. Mit Takagi wird also ein japanischer Amerikaner, der für einen japanischen Konzern arbeitet, als positive Figur inszeniert, die zudem an die rassistische Vergangenheit der USA erinnert. Allerdings ist die In153 Vgl. Rogin, Independence Day, 20. 154 Vgl. Ronald Reagan, »Remarks on Signing the Bill Providing Restitution for the Wartime Internment of Japanese-American Civilians, August 10th, 1988«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=36240, (18.06.2008); Patterson, Restless Giant, 172. Siehe zu diesem Thema ausführlich Michael Hochgeschwender, »Rassismus in den USA: die Internierung der Nisei und Issei 1942-1945«, in: SOWI 29 (2000), 177-85. 155 Gestreift wird die Tragödie der japanischen Amerikaner beispielsweise auch in The Karate Kid (1984), in dem eine Szene den Hintergrund des weisen Kampfkunstmeisters Myagi (Pat Morita) beleuchtet: Er selbst ist ein dekorierter Veteran des Zweiten Weltkriegs, seine Familie allerdings starb in einem Lager.
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formation über seine Familiengeschichte für die Handlung völlig unwichtig und droht schon deshalb unterzugehen. Takagi, der es ja zum erfolgreichen Geschäftsmann gebracht hat und somit einen beispielhaften Vertreter der model minority abgibt, ist für den Film nicht als Opfer von amerikanischem Rassismus, sondern von europäischen Verbrechern von Bedeutung. Vor allem fällt trotz dieses einen Charakters auch in Die Hard ein antijapanischer Subtext auf, in dem die Furcht vor der ökonomischen Invasion aus Asien deutlich zutage tritt. Am explizitesten geschieht dies in einem Dialog zwischen Takagi und McClane, nachdem beide einander kennengelernt haben. McCLANE: »I didn’t know you celebrate Christmas in Japan.« TAKAGI: »We’re flexible. Pearl Harbor didn’t work, so we got you with tape decks.«
Der scherzhafte Ton kann dabei nicht über die durchaus ernsten Konnotationen hinwegtäuschen, denn tatsächlich greift der Film hier die gängige Sichtweise auf, den Wirtschaftskonflikt zwischen Japan und den USA als Fortschreibung oder Neuauflage des Zweiten Weltkrieges zu interpretieren. So bezeichnete etwa ein amerikanischer Senator eine japanische Entscheidung, mehr PKWs in die Vereinigten Staaten zu exportieren, als »an economic Pearl Harbor« – ein Kommentar, der – wenn man Autos durch Kassettenrecorder ersetzt – praktisch identisch mit Takagis ›Witz‹ ist.156 Dieselbe Idee wurde in diversen zeitgenössischen Karikaturen verarbeitet, die beispielsweise der Zeitungsmeldung »December 7, 1941: Japan Bombs Pearl Harbor« die Schlagzeile »December 7, 1989: Japan Buys Pearl Harbor« gegenüberstellten oder die USA ihre Kapitulation in den »trade wars« an Bord der USS Missouri unterzeichnen ließen.157 Der Aufstieg des besiegten Kriegsgegners zu einer (scheinbar) überlegenen Wirtschaftsmacht war aus der amerikanischen Perspektive mit bitterer Ironie behaftet und wurde mit einem erneuten Angriff oder gar mit einer verspäteten Niederlage gleichgesetzt. Ganz so wird auch in Takagis Äußerung der ökonomische Erfolg Japans zur Revanche, errungen lediglich mit einer neuen Strategie. Von großer Wichtigkeit ist dabei, dass Takagi, obwohl US-Bürger, in diesem Dialog nicht nur von McClane als Japaner angesprochen wird (»you […] in Japan«), sondern sich bemerkenswerterweise auch selbst so identifiziert (»we«) und sich im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten (»you«) sieht. Damit gerät sogar diese positive Figur ins Zwielicht, denn Takagi entpuppt sich hier als Verkörperung der model minority als gook: Die Loyalität des japanischen Amerikaners gehört nicht den USA, sondern dem asiatischen Herausforderer; er ist ein Agent einer fremden Macht. Damit landet Die Hard letztendlich bei derselben Logik, die hinter den Internierungen in den 1940er Jahren stand. Im übrigen Film wird die japanische Invasion durch das Nakatomi-Gebäude symbolisiert, gegen das McClane einen beinahe genauso intensiven Kampf führt wie 156 Zitiert nach Dower, War Without Mercy, 314. 157 Beide Karikaturen sind abgedruckt in Michael S. Sherry, In the Shadow of War: The United States Since the 1930s, New Haven/London 1995, Abb. 10 u. 11. An Bord des Schlachtschiffes Missouri war am 2. September 1945 die Kapitulation Japans offiziell vollzogen worden. Sherry verweist darauf, dass die Bezugnahme auf den Zweiten Weltkrieg auch die japanische Rhetorik in den Handelsstreitigkeiten prägte (ebenda, 446-9).
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gegen die Gangster, die wiederum nicht zufällig mehrere Merkmale mit dem Hightech-Wolkenkratzer teilen: »coldness, mechanicality, rigidity«.158 Tatsächlich werden konsequent immer wieder Verbindungen zwischen der japanischen Firma und den ›Terroristen‹ herausgestellt. Dass Takagi und Gruber ihre Anzüge vom selben Schneider beziehen, ist hierfür nur ein Beispiel. Der Film stellt die geldgierigen, skrupellosen Gangster als andere Ausformung einer mit dem Ausland identifizierten Geschäftswelt dar, die Amerika bedroht. Beachtenswert ist dabei, dass zu Grubers Bande fast nur Europäer, insbesondere Deutsche und Italiener, sowie ein Asiate gehören. McClanes Gegner erscheinen also als Wiedergänger der Achsenmächte, der amerikanische Held bekämpft in der Tat dieselben Feinde, die die USA schon im Zweiten Weltkrieg bedrohten. Deren Attacke richtet sich in Die Hard vor allem gegen zwei heilige amerikanische Institutionen: Weihnachten und die Familie. Mit Blick auf die Gangster ist dies – nicht nur wegen ihrer zynischen Kommentare – offensichtlich, wenn sie am Weihnachtsabend Menschen ermorden und zu Geiseln machen, wobei McClanes Familie stellvertretend für alle anderen zu sehen ist. Nakatomis Angriff ist subtiler und gewaltlos, aber deswegen nicht weniger bedrohlich – so wie die japanische Wirtschaftsinvasion insgesamt. Schon Takagis Äußerung zu McClane macht klar, dass die Japaner keinen echten Bezug zu Weihnachten haben und es nur deshalb feiern, weil das für ihre Pläne mit den Vereinigten Staaten opportun erscheint. Es wird Teil ihrer neuen, ›weichen‹ Strategie. Die Weihnachtsfeier der Firma erweist sich darüber hinaus aber als dem Geist des christlichen Festes völlig unangemessen, nicht nur, weil sie zugleich dem Abschluss eines wichtigen Geschäftes gilt, sondern vor allem wegen ihres familienfeindlichen Charakters.159 Dass Nakatomi seine Angestellten an Weihnachten von Kindern und Ehepartnern fernhält, ist freilich nur ein Ausdruck der Bedrohung der Familie. Noch wichtiger ist die Ehekrise von Holly und McClane, die direkt mit Hollys Karriere bei der japanischen Firma zusammenhängt, derentwegen sie nicht nur mit den Kindern nach L.A. gezogen ist, sondern auch ihren Mädchennamen Gennaro wieder angenommen hat. Denn die Japaner – so ihre Begründung – haben ein Problem mit verheirateten Frauen in der Arbeitswelt. Die Hard erweist sich, was die Genderordnung angeht, als komplexer als die meisten Action-Filme der 1980er Jahre, schon deshalb, weil Bruce Willis als McClane kein simpler hard body ist, sondern ein physisch wie psychisch verletzlicherer neuer Heldentyp mit weniger Muskeln und mehr selbstironischem Witz.160 Als solcher erkennt er an, dass er zum Teil selbst für seine Probleme mit Holly verantwortlich zeichnet, und akzeptiert am Schluss sogar ihre Namensänderung.161 Den158 Peter F. Parshall, »Die Hard and the American Mythos«, in: JPFT 18:4 (1991), 135-44, hier: 140. 159 Siehe dazu ausführlicher ebenda, 137f. 160 Dazu Elizabeth J. Abele, »› Happy Trails, Hans‹: Roy Rogers and the New Heroic Ideal«, in: Images 3 (1997), http://www.imagesjournal.com/issue03/features/diehard.htm (13.07. 2006); Yvonne Tasker, »Dumb Movies for Dumb People: Masculinity, the Body, and the Voice in Contemporary Action Cinema«, in: Cohan/Hark (Hg.), Screening the Male, 23044, hier: 239f. 161 Parshall, »Die Hard«, 143, weist auf die Verbindung zwischen McClanes Überwindung seiner Höhenangst und der Akzeptanz von Hollys Karriere (der Tatsache, dass sie eine höhere Stellung einnimmt als er) hin.
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noch präsentiert der Film auch die Wiederherstellung einer traditionellen Genderhierarchie: Der männliche Held rettet die Frau und befreit sie dabei nicht nur aus den Händen von Verbrechern, sondern auch aus den Fängen einer sinisteren Wirtschaft, die ihr eine inadäquate Rolle zugewiesen und sie ihrer Familie entfremdet hat. Das wird in der Bildsprache des Showdowns überdeutlich: Der schwer verwundete Gruber stürzt aus einem Fenster, hält aber Hollys Handgelenk gepackt und droht, sie mit sich zu reißen. Im letzten Moment gelingt es McClane, das Armband der teuren Uhr zu lösen, die Nakatomi Holly in Anerkennung ihrer Leistungen geschenkt hat. Gruber stürzt mit dem Symbol von Hollys Karriere in die Tiefe, und McClane kann seine Frau in die Arme schließen. Bis zuletzt ist sie also nicht nur durch die ›Terroristen‹, sondern auch durch ihre Verbindung zu einer japanischen Firma in Gefahr. Konsequenterweise geht die Rettung von Weihnachten, der Familie und Amerika deshalb auch mit der nahezu vollständigen Zerstörung des Nakatomi-Gebäudes einher. In anderer Form findet sich die Verbindung von japanischer Wirtschaftsmacht und Pervertierung der Familie in der von Blake Edwards inszenierten romantischen Komödie Blind Date (1987), in der wiederum Bruce Willis die männliche Hauptrolle spielt. Hier wird gerade nicht die ungesunde Emanzipation der Frau, sondern ihre Unterdrückung den bis ins Archaische traditionellen Japanern angelastet. Die USA erscheinen dagegen als befreiend, wenn die wie eine Sklavin behandelte Gemahlin eines japanischen Geschäftsmannes nach einem Scheidungsanwalt verlangt, sobald sie erfährt, dass sie nach kalifornischem Recht Anspruch auf die Hälfte des Vermögens ihres Mannes hat. Solche Filmszenen bestätigten für das Publikum die Überlegenheit der amerikanischen Kultur in einer Zeit, in der man sich dieser angesichts von Schlagzeilen wie »Japanese Design: The Golden Age« oder »Yen Power« nicht mehr sicher sein konnte.162 Verstärkt wurde die Beunruhigung dadurch, dass sich Ende der 1980er Jahre in den Vereinigten Staaten immer mehr das Gefühl ausbreitete, »that Japan is buying up America, from cattle ranches to skyscrapers.«163 Die aufsehenerregenden Käufe prominenter Landmarken wie des Rockefeller Centers in New York oder des ARCO Plaza in Los Angeles wurden als sichtbarer Ausdruck der schleichenden japanischen Invasion wahrgenommen, des Verlusts der nationalen Integrität. Dass Japan im Begriff war, die Kontrolle über die USA zu erlangen, wurde geradezu zu einem Gemeinplatz, der beispielsweise auch in Lethal Weapon 2 (1989) Eingang fand: Als dort Riggs und Murtaugh während der den Film eröffnenden Verfolgungsjagd den Funkverkehr der südafrikanischen Schurken abhören, rätseln sie, in welcher Sprache diese sich unterhalten. MURTAUGH: »Japanese?« RIGGS: »It’s a Japanese radio, maybe they bought the LAPD as well.« MURTAUGH: »They own everything else.«
Derartige Behauptungen waren natürlich maßlos übertrieben und ignorierten zudem, dass andere Nationen ebenfalls im großen Stil in Amerika investierten. Die sogar wesentlich höheren Investitionen von Briten und Niederländern erregten aber nicht das162 Titel von Time 21.09.1987 u. 08.08.1988. 163 »Getting Tough With Tokyo«, in: Time 05.06.1989.
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selbe Interesse, geschweige denn dieselbe Empörung wie diejenigen der Japaner, die von einer wachsenden Zahl von US-Bürgern abgelehnt wurden.164 Bei einer Umfrage im Dezember 1988 waren 75% der Befragten der Meinung, dass Japan, falls es noch stärker in den US-Markt eindränge, zu viel Einfluss auf die amerikanische Regierung gewinnen würde.165 Selbst die Bundesrepublik Deutschland, die zur selben Zeit von einer Reihe von Beobachtern als zweiter großer wirtschaftlicher Konkurrent der USA ausgemacht wurde, löste nicht annähernd ein derartiges Gefühl der Bedrohung aus.166 Daran wird wiederum offensichtlich, dass es sich bei der Sorge wegen der ›japanischen Herausforderung‹ im Wesentlichen um die Furcht vor der ›gelben Gefahr‹ in neuem Gewand handelte. Wie die bereits angeführten Beispiele zeigen, fand der ökonomische Angriff aus Asien Eingang in diverse Filme, wurde dabei aber oft nur am Rande behandelt oder in einzelnen Szenen gestreift. Ein wichtiger Grund hierfür war sicherlich die Schwierigkeit, wirtschaftliche Themen für die Leinwand zu dramatisieren und als Unterhaltungsmaterial für ein größeres Publikum attraktiv zu machen. Eine mögliche Lösung für dieses Problem bestand darin, die Auseinandersetzung mit Japan in eine actiongeladene Krimihandlung zu verpacken, so wie es in Black Rain (1989) der Fall war. Dieser waschechte Vertreter des populären buddy-cop-Genres spielt in Osaka, der zweitgrößten Stadt Japans. Hierhin müssen die beiden New Yorker Polizisten Nick Conklin (Michael Douglas) und Charlie Vincent (Andy Garcia) den japanischen Gangster Sato (Yusaku Matsuda) überführen, den sie verhaftet haben, nachdem er vor ihren Augen in einem Restaurant einen brutalen Mord begangen hat. In Japan angekommen, übergeben sie den Gefangenen jedoch dummerweise an Satos Männer, die sie in Polizeiuniformen und mit Formularen in japanischer Schrift erwarten. Für Conklin, gegen den in der Heimat bereits die Abteilung für interne Angelegenheiten wegen Korruptionsverdacht ermittelt, ist es nicht nur eine Frage seines Stolzes als guter Polizist, dass er den entkommenen Mörder wieder dingfest machen muss, und so versucht er in dem fremden Land, dessen Kultur er ebenso wenig versteht wie die Sprache, zu ermitteln. Die japanischen Behörden, die über die Einmischung des ungehobelten Amerikaners alles andere als glücklich sind, akzeptieren ihn und Charlie offiziell als ›Beobachter‹ und stellen ihnen Inspektor Matsumoto Masahiro (Ken Takakura) als Aufpasser zur Seite. Während sein junger Partner sich mit dem bedächtigen, korrekten Japaner anfreundet, hält Conklin ihn für einen »suit«, einen Bürokraten, der nur auf Vorschriften achtet und nichts von echter Verbrechensbekämpfung versteht – so wie die Ermittler der Internal Affairs in New York. Dann geraten die beiden Amerikaner allerdings in einen nächtlichen Hinterhalt, und Conklin muss hilflos mit ansehen, wie Charlie von Sato mit einem Samuraischwert enthauptet wird. Um den Tod seines Freundes zu rächen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich mit Matsumoto zu einem neuen Team zusammenzuraufen. Tatsächlich gelingt es ihnen gemeinsam, Sato zu fassen, und während der Zusammenarbeit entsteht eine auf gegenseitigem Respekt begründete Freundschaft. 164 Vgl. dazu »For Sale: America«, in: Time 14.09.1987; »Getting Tough With Tokyo«, in: Time 05.06.1989; außerdem die Umfragen in IIPO, 1987-1988, 567; IIPO, 1988-1989, 649; IIPO, 1990-1991, 630f; IIPO, 1991-1992, 214. 165 IIPO, 1988-1989, 650. 166 Vgl. Garten, Cold Peace, 17.
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Black Rain stellt also die Überbrückung persönlicher, aber auch ethnischer und kultureller Differenzen im Kampf gegen das Böse dar, ein Thema, das bereits aus anderen in dieser Arbeit besprochenen buddy-Filmen bekannt ist. Ähnlichkeiten bestehen darüber hinaus auch zu Produktionen wie Gung Ho oder Mr. Baseball (1992), die ebenfalls – wenn auch in Form der Komödie – den Zusammenprall zwischen amerikanischer und japanischer Kultur verhandeln. Wie in diesen Produktionen spielt in Black Rain das Lernen über und von einander als Voraussetzung für eine Annäherung eine wichtige Rolle. Am Beispiel von Gung Ho war aber schon zu sehen, dass der kulturelle Austausch bei näherer Betrachtung nicht zwangsläufig gleichmäßig verlaufen muss, und dies gilt auch für Black Rain, der tatsächlich ein Bild nahezu vollkommener Überlegenheit der USA zeichnet. Der einzige Aspekt der japanischen Kultur, dem der Film einige Bewunderung entgegenbringt, ist die Bedeutung von persönlicher Ehre als moralisch verpflichtendem Wert. Hierin besteht auch die Lektion, die Conklin auf seiner Mission lernt. Als er Matsumoto gegenüber zugibt, konfisziertes Drogengeld unterschlagen zu haben, belehrt ihn dieser darüber, dass sich diese Tat weder durch seine finanzielle Notsituation als geschiedener, unterhaltspflichtiger Polizist mit zwei Kindern rechtfertigen lässt noch durch die Argumentation, dass es sich um das Geld von Verbrechern handelt: »Theft is theft. There is no grey area.« Der japanische Polizist erklärt Conklin, dass er mit derartigem Verhalten auch das Andenken des toten Charlie beschmutzt: »He was a policeman. If you steal… you disgrace him. And yourself. And me.« Conklin akzeptiert diese Unterweisung ebenso bereitwillig wie zerknirscht und demonstriert am Ende des Films, dass er verstanden hat, wenn er Matsumoto die Druckplatten zur Herstellung von Falschgeld, mit deren Hilfe Sato ein Vermögen machen wollte, als Abschiedsgeschenk übergibt. Die Leichtigkeit, mit der Conklin einsieht, dass sein Verhalten falsch gewesen ist, macht allerdings deutlich, dass er sich dessen im Grunde schon zuvor bewusst gewesen ist. So versucht er auch gar nicht ernsthaft, Matsumoto zu widersprechen, sondern gesteht: »I’m not proud of it.« Insofern wird er durch die Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur zwar zurück auf den richtigen Weg geführt, er erlernt aber keineswegs ein neues Konzept, was ganz ähnlich ja bei den Arbeitern in Gung Ho zu beobachten war. Dass die Japaner ein gesünderes Ehrgefühl als die Amerikaner besitzen könnten, wird zudem im weiteren Verlauf des Films immer zweifelhafter. In einer späten Szene sucht Conklin den alten Gangsterboss Sugai (Tomisaburo Wakayama) auf, mit dem Sato sich – auch wegen der Druckplatten – im Krieg befindet, und schlägt ihm ein Geschäft vor: Sugai soll ihn nahe genug an Sato heranbringen, um ihn zu töten, womit ihrer beider Probleme gelöst wären. Der Japaner weigert sich zunächst, weil er den anderen Bossen versprochen hat, Frieden zu schließen. »I’m bound by duty and honor. If you had time I would explain what that means«, teilt er dem Amerikaner herablassend mit. Tatsächlich bedarf es dann aber nur geringer Überzeugungskunst von Conklin, damit er doch einwilligt – allzu weit kann es mit der japanischen Ehre also doch nicht her sein. Zumal bei dem darauf folgenden Treffen nicht nur Sugai ein doppeltes Spiel treibt, sondern auch Sato, der sich als – vorgetäuschtes! – Zeichen der Buße sogar zeremoniell einen Finger abschneidet. In dieser Szene wird aus der Bewunderung für Japans traditionalistisches Wertesystem die voyeuristische Faszination mit dem archaischen Charakter einer fremden (und rückständigen) Kultur.
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Kritik an den USA wird in Black Rain nur vereinzelt und am Rande formuliert, sodass sie nicht ins Gewicht fällt, zumal die Überlegenheit der Amerikaner permanent in den Vordergrund gestellt wird.167 Die erste Szene des Films gibt hier bereits den Ton vor, wenn Nick sich mit seiner Harley Davidson auf ein Rennen gegen den Fahrer einer Suzuki einlässt und triumphiert. In Japan erweisen er und Charlie sich dann fortwährend als die besseren Polizisten, die Hinweise entdecken, die ihren japanischen Kollegen entgehen, und diese auch richtig interpretieren können. Der Kreis zur ersten Szene schließt sich mit dem Showdown zwischen Conklin und Sato, bei dem auf eine Verfolgungsjagd auf Motorrädern ein Faustkampf folgt, in dem der Japaner trotz seiner Karatekünste unterliegt.168 Die Dominanz Amerikas tritt außerdem im Verhältnis zwischen Conklin und Matsumoto deutlich zutage. Der Japaner ist hier keineswegs gleichberechtigt, sondern bestenfalls eine Art Juniorpartner, was insofern folgerichtig ist, als er ja den Platz von Charlie einnimmt, der sich in puncto Kompetenz allerdings eher auf Augenhöhe mit Conklin befunden hat als Matsumoto, der außer Hintergrundinformationen so gut wie nichts beitragen kann, während der Amerikaner durch seine Schlussfolgerungen und seine Intuition die Ermittlungen vorantreibt und den Fall löst. Aufgrund der augenscheinlich überlegenen Fähigkeiten, die Conklin immer wieder demonstriert, kann Matsumoto auf Dauer keinen überzeugenden Gegenpol zu dessen amerikanischer Identität und den dazu gehörenden Ansichten und Vorgehensweisen bilden, obwohl dies zunächst in einigen Szenen angedeutet wird, wenn er etwa die Amerikaner demütigt, indem er seine Englischkenntnisse offenbart, als Conklin – im Glauben, nicht verstanden zu werden – mit rassistisch gefärbten Beleidigungen um sich wirft. In einer anderen Szene postuliert er sogar explizit die Überlegenheit Japans gegenüber den modernen USA: »Perhaps you should think less of yourself and more of your group. Try to work like a Japanese. Listen, I grew up with your soldiers. You were wise then. Now, music and movies are all America is good for, right? We make the machines. We build the future. We won the peace.« Conklin antwortet darauf mit dem klischeehaften Vorwurf, die Japaner seien lediglich Plagiatoren und obendrein verklemmt, eine an sich wenig überzeugende Entgegnung in einer Zeit, in der die Amerikaner sorgenvoll feststellten, dass Japan im Begriff war, ihnen auch im Bereich der Innovationen den Rang abzulaufen.169 Matsumotos Behauptung wird wesentlich effektiver dadurch widerlegt, dass er selbst diese kritische Position im Laufe des Films aufgibt, ja in ihr Gegenteil verkehrt. Empfiehlt er hier noch Conklin, sich mehr an den Japanern zu orientieren, so imitiert er später selbst zunehmend den Amerikaner. In der Zusammenarbeit mit Conklin gibt er seine Loyalität der Gruppe gegenüber auf und übernimmt die individualistische, draufgängerische Vorgehensweise des amerikanischen Polizisten, der 167 Das kritisiert auch Budd, Culture Meets Culture, 52f, der Black Rain als »the worst of serious modern films set in Japan« bezeichnet (ebenda, 52). 168 Bemerkenswert ist, dass Conklin Sato nicht tötet, wie sonst in US-Filmen dieser Art üblich, sondern ihn festnimmt und gemeinsam mit Matsumoto an die japanische Polizei übergibt. Die Erklärung hierfür liegt aber wohl weniger in einer abweichenden Haltung zur Bestrafung von Verbrechern in Black Rain als vielmehr darin, dass Conklin mit der Übergabe des lebenden Sato jene Mission erfüllt, bei der er zu Beginn gescheitert ist. 169 Dazu »Eyes on the Prize«, in: Time 21.03.1988.
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konsequent als Großstadtcowboy mit Motorrad statt Pferd gezeichnet wird. »I thought I could be like you. But I can‘t«, gesteht Matsumoto Conklin, nachdem ihr erster Versuch, Sato auf eigene Faust festzunehmen, fehlgeschlagen und er suspendiert worden ist. Entgegen der von ihm selbst ursprünglich aufgestellten Ordnung sind am Ende also doch die Vereinigten Staaten das nachahmenswerte Vorbild, und Conklin versichert ihm mit einem aufmunternden »You can«, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hat. Bei der Partnerschaft zwischen dem amerikanischen und dem japanischen Polizisten wird damit der Idee kultureller Ebenbürtigkeit eine Absage erteilt und stattdessen die Amerikanisierung des Japaners in den Mittelpunkt gestellt, als Voraussetzung für eine echte Freundschaft. Black Rain landet damit schlussendlich bei einer Logik, die stark an jene erinnert, mit der in Full Metal Jacket (1987) ein amerikanischer Colonel den Vietnamkrieg erklärt und dadurch die rassistisch-imperialistische Verirrung der US-Politik offenlegt: »We are here to help the Vietnamese because inside every gook there is an American trying to get out.« Wenn Conklin sich am Ende des Films von seinem neuen Freund mit der Aufforderung »You watch your tail, cowboy« verabschiedet, bringt er damit zum Ausdruck, dass der in Matsumoto eingeschlossene Amerikaner es – nicht zuletzt dank seiner Hilfe – nach draußen geschafft hat und die Metamorphose abgeschlossen ist. Trotz oberflächlicher Ähnlichkeit bis hin zum Austausch von Geschenken in der jeweiligen Abschiedsszene am Flughafen unterscheidet sich Black Rain damit deutlich von dem kurz zuvor entstandenen Red Heat (1988), in dem ja ebenfalls zwei Polizisten aus unterschiedlichen Kulturen und einander misstrauisch beäugenden Nationen zu Partnern und Freunden werden. In Walter Hills Film begegnen sich Danko und Ridzik allerdings auf Augenhöhe, beide tragen zur Lösung des Falls bei, und der sowjetische Polizist hat sogar den heroischeren Part. Zwar wird der nicht aus den USA stammende Teil des Duos auch hier amerikanisiert, aber dies geschieht auf einer rein motivischen Ebene und auch schon, bevor Danko in die Vereinigten Staaten reist. Weder der Charakter noch die Vorgehensweise des Sowjets ändern sich im Lauf des Films, und er hält bis zum Schluss an seiner Überzeugung von der Überlegenheit der UdSSR fest. Mit anderen Worten: Dankos kulturelle Eigenständigkeit wird anerkannt, während zugleich von Beginn an betont wird, dass sich Amerikaner und Sowjets im Grunde ähnlich sind und somit eine Basis für Zusammenarbeit und Freundschaft existiert. Matsumoto gibt dagegen wesentliche Teile seiner Persönlichkeit auf, passt sich an den Amerikaner an und erlangt dennoch keine Gleichwertigkeit. Er darf lediglich den Tonto zu Conklins Lone Ranger geben. Während Danko in Red Heat in seiner Kultur verwurzelt bleibt, wird Matsumoto in Black Rain erst dadurch akzeptabel, dass er weitgehend aus ihr herausgelöst wird. Folglich kann Conklins positive Haltung ihm gegenüber auch nicht auf diese übertragen werden. Conklin vertraut am Ende zwar seinem neuen amerikanisierten Partner, aber nicht Japan, das fremd und bedrohlich bleibt. Regisseur Ridley Scott inszeniert Osaka als eine ähnlich düstere Metropole wie das Los Angeles der Zukunft in seinem früheren Werk Blade Runner, was insofern nicht unpassend ist, als auch diese filmische Großstadt – wie schon erwähnt wurde – von asiatischen Einflüssen geprägt ist. Die zahlreichen japanischen Dialoge in Black Rain sind zudem nur in seltenen Fällen untertitelt, was ein starkes Gefühl der Fremdheit gerade auch für den Zuschauer ver-
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mittelt.170 Doch selbst die Beherrschung der Sprache und ein längerer Aufenthalt führen nicht zu einem echten Verständnis der enigmatischen Kultur Japans, wie deutlich wird, wenn die amerikanische Nachtclubbesitzerin Joyce (Kate Capshaw), die Conklin mehrfach hilft, diesem erklärt: »Look, I’ve been living in this country for seven years and I still can’t read the headlines. Yes means no, maybe means never…« Während eine echte Kenntnis Japans nahezu ausgeschlossen scheint, nimmt das Fremde zugleich die vertrauten, aber deswegen nicht weniger bedrohlichen Züge des Barbarischen an. Gerade Satos Männer werden als asiatische Wilde dargestellt: In einer Szene wird eine Gruppe von ihnen halbnackt präsentiert, sodass die charakteristischen Tätowierungen der Yakuza deutlich zu sehen sind, die ihnen eine geheimnisvoll-primitive Aura verleihen, nicht zuletzt weil dadurch Assoziationen mit der rituellen Bemalung gerade auch amerikanischer Ureinwohner geweckt werden. Dies gilt umso mehr, nachdem in einer Szene kurz zuvor die japanischen Gangster Conklin und Charlie auf ihren mit Standarten geschmückten Motorrädern umkreist und dabei ein bedrohliches Geheul ausgestoßen haben – ganz so wie die Indianer in alten Western beim Angriff auf die Wagenburg der Siedler. Dieses Bild ergänzt sich aufs Beste mit Conklins Porträt als Cowboy und Matsumotos Rolle als dessen eingeborener Helfer. Auf den wesentlichen Unterschied, der die so anders gearteten Darstellungen des Fremden in Red Heat und Black Rain erklärt, hat bereits Jeffrey Brown aufmerksam gemacht: »Red Heat was made when the Cold War was facing its final days, but Black Rain emerged at a time when American fears of Japan were gaining momentum.«171 Tatsächlich verweist schon der Vorspann von Ridley Scotts Film auf die Gefahr, die aus Asien droht: Die ersten Titel erscheinen über einem flirrenden roten Sonnenball, hinter dem dann durch eine Überblendung die Skulptur einer Weltkugel in New York City sichtbar wird, wobei die Seite mit dem amerikanischen Kontinent der Kamera zugewandt ist. So wird schon in den ersten Bildern die Überschattung der Welt und speziell der USA durch das Reich der aufgehenden Sonne in Szene gesetzt. Das zentrale Symbol für die wirtschaftliche Bedrohung aus Japan sind im weiteren Verlauf des Films die beiden Druckplatten zur Herstellung gefälschter Dollarscheine, um die Sato und Sugai sich streiten. In der Szene, in der Conklin Sugai aufsucht, klagt dieser, dass Sato ebenso gut ein Amerikaner sein könne, weil er nur an Geld interessiert sei. Auf Conklins ironische Nachfrage, ob es für ihn selbst etwa um Liebe gehe, antwortet der alte Yakuzaboss: »I was ten when the B-29 came. My family lived underground for three days. When we came up, the city was gone. Then the heat brought rain. Black rain. You made the rain black. And shoved your values down our throat. We forgot who we were. You created Sato and thousands like him. I’m paying you back.« 170 Budd, Culture Meets Culture, 49, gibt zu bedenken, dass für die häufige Entscheidung, japanische Dialoge in Filmen nicht zu untertiteln, verschiedene Gründe verantwortlich sein könnten, z.B. auch der Respekt vor der Schwierigkeit einer akkuraten Übersetzung. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde sich dadurch allerdings nichts am Effekt dieser Maßnahme ändern. 171 Jeffrey A. Brown, »Bullets, Buddies, and Bad Guys: The ›Action-Cop‹ Genre«, in: JPFT 21:2 (1993), 79-87, hier: 84.
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Es ist in dieser Szene wiederum charakteristisch, dass mit Sugais Vorwürfen ein kritisches Potential angedeutet wird, an dessen Einlösung der Film letztendlich aber nicht interessiert ist. Die Idee, dass der Einfluss der USA schädliche Auswirkungen auf die japanische Kultur gehabt haben könnte, wird ja schon durch Conklins Verhältnis zu Matsumoto widerlegt. Auch der Verweis auf den vernichtenden Bombenkrieg der Vereinigten Staaten entfaltet keine große Wirkung, obwohl er dem Film immerhin seinen Titel gibt, der interessanterweise bei einem japanischen Roman über Hiroshima entlehnt ist, dessen Verfilmung Kuroi ame (1989) im selben Jahr in die Kinos kam.172 In den Vereinigten Staaten gab es zu diesem Thema aber ohnehin eine klare Mehrheitsmeinung, die sich in einer Erhebung aus dem Oktober 1986 widerspiegelte, bei der 67% der Befragten die Atombombenabwürfe auf Japan als unvermeidbar bezeichnet hatten.173 Black Rain geht es denn auch nicht um Kritik an der US-Politik. Stattdessen wird hier wieder einmal ein wirtschaftlicher Angriff Japans auf Amerika als Revanche für den Zweiten Weltkrieg behauptet, wobei diese Sichtweise zugleich auf die Japaner projiziert wird, indem man sie Sugai in den Mund legt. Dieser betont auch selbst den symbolischen Charakter der Druckplatten und des damit hergestellten Geldes, wenn er einen der Scheine, die Conklin als gefälscht erkannt hat, mit den Worten kommentiert: »This is an old bill. A prototype. The new ones will be like everything we make: perfect.« Die eindrucksvollen Leistungen der Japaner erwecken hier wieder einmal Furcht und werden zugleich effektiv diskreditiert. Es zeigt sich, dass Conklin in seinem anfänglichen Streit mit Matsumoto doch recht hatte: Japans Erfolg beruht nicht auf der Überlegenheit seiner Kultur, sondern auf der Nachahmung, der Fälschung, des westlichen Könnens. Die japanische Wirtschaftsmacht und der Kapitalfluss in die Vereinigten Staaten werden kriminalisiert und in einem amerikanischen Albtraumszenario als Waffe zur Schädigung der USA dargestellt. Der Umstand, dass Red Heat und Black Rain zur selben Zeit entstanden, lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass der dramatische Anstieg der Furcht vor Japan parallel zur Entspannung mit der UdSSR und dem Ende des Ost-West-Konflikts verlief, was wiederum die Frage aufwirft, inwiefern diese beiden Entwicklungen miteinander zusammenhingen. Schon zeitgenössische Beobachter kamen nicht umhin, einen Konnex zwischen der Auflösung des einen Feindbildes und dem gleichzeitigen Bedeutungsgewinn des anderen zu sehen. »As fears of the Soviet Union diminish in the glow of glasnost, Japan is fast emerging as a new bogeyman«, kommentierte etwa das Time Magazine im Juni 1989.174 Die New York Times bemerkte ein Jahr später mit Blick auf eine wahre Schwemme von fiktionaler und nicht-fiktionaler Literatur zur japanischen Bedrohung: »Even as the cold war fades into history, American authors and publishers are discovering a new enemy: Japan.«175 Robert Reich, Dozent für politische Ökonomie in Harvard, konnte im Februar 1992 in derselben Zeitung auf mehr als 35 Bücher verweisen, die überwiegend als »calls to arms« zu lesen wa-
172 Siehe dazu auch »Police Chase a Gangster In a Bright, Menacing Japan«, in: NYT 22.09.1989. 173 Vgl. IIPO, 1986-1987, 631. 174 »Getting Tough With Tokyo«, in: Time 05.06.1989. 175 »After the Cold War, the Land of the Rising Threat«, in: NYT 18.06.1990.
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ren, als Aufrufe an alle Amerikaner zum Schulterschluss gegen die Bedrohung. Daraus erschloss sich nach Reichs Meinung die eigentliche Ursache des Phänomens: »The ostensible purpose of joining together is to meet the Japanese challenge. But I think that the real logic – the deep message of these books, hidden perhaps even from the purveyors of the warnings – is precisely the reverse. The purpose of having a Japanese challenge is to give us a reason to join together. That is, we seem to need Japan as we once needed the Soviet Union – as a means of defining ourselves, our interests, our obligations to one another. We should not be surprised that this wave of Japan-as-enemy books coincides exactly with the easing of 176 cold-war tensions.«
Diese Schlussfolgerung ist überzeugend, gerade auch wenn man die in dieser Arbeit ausführlich behandelte Bedeutung des Feindbildes Sowjetunion bedenkt sowie die nicht zuletzt aus dem Verlust dieses einigenden Feindbildes folgende krisenhafte Stimmung in den USA zu Beginn der 1990er Jahre, als die Einheit Amerikas mehr denn je durch multiculturalism und balkanization bedroht schien. Tatsächlich kann man wohl davon ausgehen, dass sich die Veränderungen im Bild der UdSSR einerseits und Japans andererseits wechselseitig beeinflussten. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die wachsende Aufmerksamkeit für die scheinbare Bedrohung aus Asien dazu beitrug, dass die Sowjetunion als weniger gefährlich wahrgenommen wurde. Vor allem aber hinterließ das Ende des Kalten Krieges eine Lücke, die geschlossen werden wollte, und bedingte eine Neubewertung der Welt und der Sicherheitslage der Vereinigten Staaten. Das Fortbestehen der Allianzen des Kalten Krieges, gerade auch derjenigen mit Japan, wurde durch den Verlust des gemeinsamen Feindes in Frage gestellt. Ein Bruch zwischen den zuvor zur Kooperation gezwungenen Verbündeten schien nun wahrscheinlich. So behaupteten beispielsweise George Friedman und Meredith Lebard in ihrem Buch mit dem prophetischen Titel The Coming War with Japan: »Without the binding element of the Soviet Union, the economic dispute between the United States and Japan will inevitably become political.«177 Japan galt zudem aufgrund seines Reichtums als eine kommende Supermacht178 – und als Nutznießer des Kalten Krieges. Geschützt durch den amerikanischen Verteidigungsapparat, so hatten viele den Eindruck, hatte es seine wirtschaftliche Macht auf- und ausgebaut, während die Vereinigten Staaten selbst durch den Konflikt mit der UdSSR von wichtigen Reformen abgehalten und von der aufkeimenden Gefahr abgelenkt worden waren.179 »The cold war is over, and Japan won«, lautete ein zu Beginn der 1990er Jahre in Amerika häufig zitierter Satz.180 Geradezu typisch für misstrauisches Feindbilddenken ist in diesem Zusammenhang, dass Japans Umgang mit seinen Mitteln in den USA in jedem Fall auf Kritik stieß: Während Aufrüstung 176 »Is Japan Out to Get Us?«, in: NYT 09.02.1992. 177 George Friedman/Meredith Lebard, The Coming War With Japan, New York 1991, 11. 178 Siehe dazu Time 04.07.1988 mit der Titelschlagzeile »Super Japan: Can an economic giant become a global power?« 179 Vgl. dazu etwa einige der zitierten Äußerungen in »Bush and Yeltsin Declare Formal End to Cold War«, in: NYT 02.02.1992. 180 »Japan in the Mind of America«, in: Time 10.02.1992.
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und ein stärkeres außenpolitisches Engagement zweifellos als besorgniserregend wahrgenommen worden wären, warf man Japan zugleich vor, Amerika auszunutzen, weil es sich etwa im Kuwaitkrieg von einer militärischen Beteiligung durch Übernahme eines beachtlichen Teils der amerikanischen Kosten ›freigekauft‹ hatte.181 Zugleich verbreitete sich die Überzeugung, dass wirtschaftlicher Einfluss nach dem Ende des Kalten Krieges eine zunehmend größere Rolle spielen und wichtiger als militärische Macht sein werde. Wirtschaftsprobleme wurden beispielsweise von mehreren Beiträgern des 1992 erschienen Sammelbandes Rethinking America’s Security als die wichtigsten Sicherheitsfragen der Gegenwart und der Zukunft betrachtet.182 In der Nationalen Sicherheitsstrategie des Jahres 1991 hieß es im Hinblick auf Spannungen mit Alliierten wie Japan und Deutschland aufgrund wirtschaftlicher Konkurrenz sogar, »[that] trade negotiations now share some of the strategic importance we have traditionally attached to arms talks with the Soviet Union.«183 Solche Überlegungen gewannen unter Bill Clinton noch weiter an Bedeutung. »There is no longer a clear division between what is foreign and what is domestic«, erklärte der erste Präsident der Ära nach dem Ost-West-Konflikt schon bei seiner Amtseinführung.184 Und seine erste Nationale Sicherheitsstrategie stellte fest, »[that] [o]ur economic and security interests are increasingly inseparable.«185 Die ClintonAdministration verfolgte dementsprechend im Handelsstreit mit Japan eine härtere Linie, was wiederum die Spannungen zwischen beiden Ländern bis zur Mitte der 1990er Jahre deutlich verschärfte.186 Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, weil die Sorge wegen Japan zu dieser Zeit eigentlich hätte abnehmen müssen, denn der fantastische Wirtschaftsboom des asiatischen Staates war vorbei. Tatsächlich erlebte Japan seit Beginn der 1990er Jahre eine dramatische Rezession, zu der sich noch eine politische Krise gesellte, in der die seit fast 40 Jahren regierende Liberal-Demokratische Partei zersplitterte und 1993 die Macht verlor. »The Japanese economy indeed looks sicker than
181 Vgl. z.B. IIPO, 1989-1990, 282; IIPO, 1990-1991, 230. 182 Peter G. Peterson mit James K. Sebenius, »The Primacy of the Domestic Agenda«, in: Allison/Treverton (Hg.), Rethinking America’s Security, 57-93; B.R. Inman/Daniel F. Burton Jr., »Technology and U.S. National Security«, in: ebenda, 117-35; Michael Borrus/John Zysman, »Industrial Competitiveness and National Security«, in: ebenda, 13675. 183 National Security Strategy [1991], 24. 184 William J. Clinton, »Inaugural Address, January 20th, 1993«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=46366 (12.05.2007). 185 Clinton, National Security Strategy 1994-1995, 61. Man kann also kaum mit Kinka Gerke-Unger, »Paradigmenwechsel: Die Außenwirtschaftspolitik der USA unter Clinton und Bush«, in: Puhle u.a. (Hg.), Supermacht im Wandel, 222-62, behaupten, dass nach dem Ende des Ost-West-Konflikts Handels- und Sicherheitspolitik entkoppelt worden seien. Die große Bedeutung, die wirtschaftlichen Themen zugemessen wurde, zeigen auch die Ergebnisse der Erhebung in Rielly (Hg.), American Public Opinion and U.S. Foreign Policy 1995, 14f. 186 Dazu ausführlich Hyland, Clinton’s World, 127-34.
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ever«, bemerkte Time im September jenes Jahres.187 Aber offensichtlich wurde das Bedrohungsgefühl weniger durch die realen Gegebenheiten japanischer Macht bestimmt. Vielmehr erzeugten die als krisenhaft erlebten ökonomischen und sozialen Entwicklungen in den USA mit dem Wegfall des einigenden Feindbildes UdSSR ein Klima, in dem alte Ängste vor der ›gelben Gefahr‹, zusätzlich befeuert durch Ressentiments gegenüber der wachsenden Zahl von Immigranten aus Asien, wiederbelebt wurden. Freilich blieb Japan in dieser Zeit stets ein Verbündeter der Vereinigten Staaten, und es könnte als übertrieben erscheinen, hier von einem Feindbild zu sprechen. Valerie Sulfaro und Mark Crislip haben in einer Studie zur Bedrohungswahrnehmung nach dem Kalten Krieg aufgrund ihrer Untersuchungsergebnisse argumentiert, dass wirtschaftliche Konkurrenz sich nicht als ein neues Bedrohungskonzept durchgesetzt habe.188 In der Tat wurde Japan von ihren Probanden 1993 relativ positiv bewertet und auch sonst in Erhebungen meist nur von einem geringen Anteil der Amerikaner als »enemy« charakterisiert – im Februar 1994 beispielsweise nur von 7%.189 Zugleich ist jedoch die Verschlechterung im Bild Japans nicht von der Hand zu weisen: Hatten laut Umfragen 1982 noch 35% der amerikanischen Bevölkerung Japan als »close ally« gesehen, so waren es 1993 nur noch 13%.190 Und wenn Sulfaro und Crislip aus ihrem geringen Datenmaterial schließen, »[that] economic competition cannot be a salient threat dimension«,191 so muss man auf die zahlreichen dem widersprechenden Quellen verweisen. Bei einer Umfrage im Juli 1989 etwa betrachteten 68% der Befragten die ökonomische Bedrohung durch Japan als »a more serious threat to the future of this country« als die militärische durch die Sowjetunion.192 Im November 1991 bejahten sogar 77% die Frage, ob sie Japan als »an economic threat« betrachteten.193 Und in einem anderen Fall landete es noch vor Vietnam unter den zehn unbeliebtesten Staaten.194 Vor allem aber belegen kulturelle Zeugnisse wie die bereits erwähnten Buchveröffentlichungen und die hier besprochenen Filme, dass ein Feindbild Japan in den USA existierte, auch wenn viele Amerikaner sich bei konkreten Befragungen daran erinnern mochten, dass der asiatische Staat eigentlich ein Bündnispartner oder zumindest kein erklärter Feind war. Gerade diese Quellen stützen auch die Schlussfolgerung, dass Japan in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren – trotz der mahnenden Stimmen einiger Politiker, Wissenschaftler und Journa187 »Try, Try Again«, in: Time 27.09.1993. Siehe dazu auch Hyland, Clinton’s World, 130f; Pohl, Geschichte Japans, 87-9; »Pop! Goes the Bubble«, in: Time 02.04.1990; Time 23.03.1992 mit der Titelschlagzeile »Japan’s Recession«; »Goodbye to the the Godzilla Myth«, in: Time 19.04.1993. Auf die Probleme der japanischen Wirtschaft verwiesen auch Friedman/Lebard, Coming War with Japan, 135-7, für die die Kriegsgefahr dadurch aber nicht verringert wurde. 188 Valerie A. Sulfaro/Mark N. Crislip, »How Americans Perceive Foreign Policy Threats: A Magnitude Scaling Analysis«, in: Political Psychology 18:1 (1997), 103-26, v.a. 119. 189 IIPO, 1993-1994, 216. 190 Ebenda, 217. 191 Sulfaro/Crislip, »How Americans Perceive Foreign Policy Threats«, 119. 192 IIPO, 1989-1990, 179. 193 IIPO, 1991-1992, 215. 194 IIPO, 1989-1990, 689.
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listen195 – in gewisser Weise tatsächlich an die Stelle der Sowjetunion rückte. Immer wieder klingt hier jene Logik an, die der sowjetische Agent Pjotr in Company Business (1991) vertritt: »We’re not the bad guys anymore. ›The Russians are coming, the Russians are coming!‹ The Japanese are here. They own your whole fucking country.«196 Es war kein Zufall, dass 1993 beim in den USA überaus populären Wrestling, zu dessen Inszenierung auch klar verteilte Schurken- und Heldenrollen gehören, ein böser Japaner gegen Hacksaw Jim Duggan kämpfte;197 ebenso wenig, dass Tom Clancy, der bei seinen Geschichten stets ein klares Bewusstsein für die Entwicklungen in der amerikanischen Dämonologie gezeigt hat, in seinem Roman Debt of Honor einen kombinierten wirtschaftlichen und militärischen Angriff Japans auf die Vereinigten Staaten zusammenfantasierte.198 Bis zu einem mit Waffen ausgetragenen Konflikt wie hier gingen die meisten Szenarien nicht. Aber dies änderte nicht viel an der Bedrohlichkeit des Feindes, zumal dessen ökonomisches Handeln – wie schon zu sehen war – lediglich als eine andere Art der Kriegführung dargestellt wurde. Nie geschah dies konsequenter als in Michael Crichtons 1992 erschienenem Bestseller Rising Sun, dessen unter der Regie von Philip Kaufman entstandene Verfilmung schon im Jahr darauf in die Kinos kam.199 Ähnlich wie in Black Rain wird die zu Grunde liegende Thematik der wirtschaftlichen Bedrohung auch in diesem Fall über eine den Zugang erleichternde Krimihandlung vermittelt. Die beiden Polizisten John Connor und Web Smith, die im Film von Sean Connery und Wesley Snipes gespielt werden, ermitteln hier in dem Mord an einer jungen Amerikanerin, der während der Einweihungsparty für den neuen Wolkenkratzer des japanischen Konzerns Nakamoto in Los Angeles begangen worden ist. Der Fall ist hochsensibel, da Nakamoto kurz davor steht, MicroCon zu übernehmen, einen amerikanischen Produzenten von Computertechnologie, die auch für Systeme der US-Armee relevant ist. Die Zustimmung des Senats steht wegen der Sorge um die Kontrolle derart wichtiger Technologien durch die Japaner auf der Kippe, und die beiden Ermittler stoßen auf ein Geflecht von Lügen und Intrigen, bei dessen Entwirrung immer deutlicher wird, wie groß die Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten durch die japanischen Investitionen bereits ist. Robert Reich betrachtete Crichtons Roman in seinem zuvor zitierten Artikel als Paradebeispiel für einen »call to arms« gegen die Bedrohung aus Asien. Und in der 195 Siehe z.B. Mike Mansfield, »The U.S. and Japan: Sharing Our Destinies«, in: Foreign Affairs 68:2 (1989), 3-15; Richard Holbrooke, »Japan and the United States: Ending the Unequal Partnership«, in: Foreign Affairs 70:5 (1991), 41-57; »No New Enemies For the U.S.«, in: Time 23.03.1992; Treverton/Bicksler, »Conclusion«, 429. 196 Pjotr spielt hier auf die in der Entspannungsphase nach der Kubakrise entstandene Komödie The Russians Are Coming! The Russians Are Coming! (1966) an. 197 Vgl. Michael Billig, Banal Nationalism, London u.a. 1995, 152. 198 Tom Clancy, Debt of Honor, New York 1994. Hierbei handelt es sich um jenen Roman, der nach dem 11. September 2001 noch einmal zu Berühmtheit gelangte, weil er damit endet, dass ein japanischer Pilot seine – unbesetzte – Passagiermaschine in das Kapitol lenkt und so nahezu die gesamte amerikanische Regierung auslöscht. 199 Michael Crichton, Rising Sun, New York 1993 [1992]. Falls nicht anders gekennzeichnet beziehe ich mich mit Rising Sun im Folgenden stets auf den Film.
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Tat erhob Crichtons Warnung, obwohl in Form einer fiktionalen Geschichte gegossen, ganz offensiv einen weit über Unterhaltung hinausgehenden Anspruch. In einem höchst ungewöhnlichen Schritt versah der Erfolgsautor sein Buch mit einem Nachwort, um die sehr realen Hintergründe zu betonen, und mit einer Bibliographie, um zu belegen, »[that] although this book is fiction, my approach to Japan’s economic behavior, and America’s inadequate response to it, follows a well-established body of expert opinion[.]«200 Crichton berief sich hier auf Leute wie den niederländischen Journalisten Karel van Wolferen und Peter Drucker, die seine Einschätzung teilten oder geprägt hatten, die im Kern darin bestand, dass Japan »a new kind of trade« erfunden habe: »adversarial trade, trade like war, trade intended to wipe out the competition«.201 Angesichts des unverhohlen antijapanischen Tons des Romans war es keine Überraschung, dass asiatische Gruppen zum Kinostart von Kaufmans Umsetzung Protestaktionen organisierten, zumal das Studio Twentieth Century Fox es abgelehnt hatte, dem Film einen Hinweis voranzustellen, dass keine Kränkung von Asiaten oder asiatischen Amerikanern beabsichtigt sei.202 Die Gegenargumente waren die üblichen: Es handle sich nicht um eine Dokumentation, sondern um ein Unterhaltungsprodukt. Außerdem würden die Japaner keineswegs nur negativ dargestellt. Dieser Meinung schlossen sich auch viele Rezensionen an, die darauf verwiesen, dass Kaufman das Material der Vorlage deutlich entschärft habe. Den besten Beleg für scheinbar erhebliche Änderungen lieferte die Tatsache, dass Crichton und CoAutor Michael Backes, die ursprünglich am Drehbuch mitgearbeitet hatten, sich deshalb frühzeitig aus dem Projekt zurückgezogen hatten.203 »In the movie […] volatility is tempered by a politically correct evenness«, urteilte die Washington Post,204 und Roger Ebert behauptete: »All the real villains in the film are Americans[.]«205 Die augenscheinlichste der »crucial alterations«206 betrifft in der Tat die Identität des Mörders, denn statt eines Japaners präsentiert der Film den amerikanischen Anwalt Bob Richmond (Kevin Anderson), der für Nakamoto arbeitet, als Täter. Auch wird am Ende betont, dass der japanische Jungmanager Ishihara (Stan Egi), der aus Richmonds Tat Kapital zu schlagen versucht hat, ohne das Wissen von Konzernchef Yoshida (Mako) gehandelt hat. »He has been too long in America. He has adopted 200 Ebenda, 397. 201 Ebenda, 393. Karel van Wolferen, The Enigma of Japanese Power: People and Politics in a Stateless Nation, London 1989; siehe auch seinen früheren Artikel »The Japan Problem«, in: Foreign Affairs 65:2 (1986), 288-303. Peter F. Drucker, The New Realities, New York 1989; Drucker hatte 1986 im Wall Street Journal den Begriff »adversarial trade« geprägt. 202 Siehe dazu »› Rising Sun‹ Protest: Asian Americans Object to Depictions«, in: WP 29.07.1993; »Rising Protest«, in: Time 09.08.1993. 203 Dazu v.a. »Is ›Rising Sun‹ a Detective Story or a Jeremiad?«, in: NYT 25.07.1993. 204 »The ›Sun‹ Rises Regardless«, in: WP30.07.1993. Als ausgeglichen betrachtet auch Robert W. Gregg, International Relations on Film, Boulder/London 1998, 159-61, die Darstellung. 205 »Rising Sun« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19930730/ REVIEWS/307300301/1023 (14.06.2007). 206 »Cross-Cultural Crime Story«, in: Newsweek 02.08.1993.
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many bad habits«, erklärt Yoshida – eine Äußerung die an Sugais Vorwurf erinnert, die USA hätten Sato geschaffen. Jedoch ist es wie in Black Rain auch in diesem Fall so, dass derartige amerikakritische Einsprengsel nicht wirklich ins Gewicht fallen, so wie die Tatsache, dass Smith sich einmal der Korruption schuldig gemacht hat, ihn ebenso wenig zu einem ambivalenten Charakter macht wie Conklin. Jene Kritiker, die es für entscheidend hielten, dass nun ein Amerikaner als Mörder entlarvt wird, übersahen nicht nur, dass der Film zum Schluss noch einmal Zweifel daran weckt, ob der Fall tatsächlich gelöst worden ist, und dass abgesehen davon Richmond immer noch mit dem japanischen Konzern in Verbindung gebracht und eher als Verräter denn als Repräsentant seines Heimatlandes dargestellt wird;207 vor allem übersahen sie, dass es in dem Film weniger darum geht, die Identität des Mörders zu klären, als vielmehr darum, den Zuschauer über Japan und sein wirtschaftliches Eindringen in die Vereinigten Staaten zu informieren. Damit bleibt der Kern von Crichtons Roman erhalten, und auch wenn Kaufmans filmische Version dessen allzu polemischen Ton mildert und etwas subtiler daherkommt, gestaltet sie sich dennoch als xenophobe Warnung vor einem Japan, das im Begriff ist, sensitive Bereiche der amerikanischen Wirtschaft zu kontrollieren, sofern es diese noch nicht zerstört hat, das bereits zu großen Einfluss auf Medien und Politik in den USA ausübt und das mithilfe der Yakuza eine eigene »shadow world« in den Vereinigten Staaten aufgebaut hat.208 Zentral für die belehrende Strategie ist – wie im Buch – John Connor, für den Michael Crichton sich schon beim Schreiben des Romans Sean Connery vorgestellt hatte, weshalb er den Charakter auch ähnlich benannt hatte.209 Der erfahrene Japankenner fungiert als Lehrmeister nicht nur für seinen jungen Kollegen Web Smith, sondern auch für den Zuschauer. Für beide erläutert er fortwährend die Kultur und das Denken der Japaner, interpretiert ihr Verhalten und antizipiert ihre Strategien bis zu einem Grad, dass er, wie Roger Ebert ironisch feststellte, den Eindruck erweckt, als könne er durch Wände sehen und die Zukunft vorhersagen.210 In einem Film, in dem der Industriellensohn und Playboy Eddie Sakamura (Cary-Hiroyuki Tagawa) die einzige etwas detailreicher gezeichnete japanische Figur bleibt,211 kontrolliert Connor das Wissen über Japan und damit auch dessen Bedeutung, die durch seinen Unterricht festgelegt wird. Der Held von Roman und Film ist »an archetype of Orientalist expertise«, wie Robert Lee treffend bemerkt, der auf die Ähnlichkeit zur Funktionsweise von Sax
207 Deshalb erscheint sein besonders grausamer Tod, das Versinken in flüssigem Zement, auch als angemessen. 208 Für eine Rezension, die darauf abhebt, siehe »› Rising Sun‹: A Tale of Zen and Xenophobia in Los Angeles«, in: NYT 30.07.1993. 209 Vgl. »› Rising Sun‹: Star Bright«, in: WP 30.07.1993; »The ›Sun‹ Rises Regardless«, in: WP 30.07.1993. 210 »Rising Sun« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19930730/ REVIEWS/307300301/1023 (14.06.2007). 211 Wenn Tagawa erklärte, dass Eddie ein wesentlich komplexerer Charakter sei als jene, die er bisher gespielt habe, sagt das mehr über die Art der Rollenangebote für asiatische Amerikaner aus als über die Qualität von Rising Sun; siehe dazu »Is ›Rising Sun‹ a Detective Story or a Jeremiad?«, in: NYT 25.07.1993.
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Rohmers Geschichten über den chinesischen Finsterling Fu Manchu verweist.212 Noch deutlicher lässt sich Connor in die ureigene amerikanische Tradition einordnen, als »the man who knows Indians«, wie Richard Slotkin diese Figur des frontierMythos bezeichnet hat.213 Connor weist zahlreiche typische Charakteristika auf, die ihn zu einer Art Waldläufer im modernen Dschungel der japanischen Geschäftswelt machen: Von großer Wichtigkeit ist zunächst natürlich seine Kenntnis von Sprache und Sitten der Japaner. Sein Verständnis von deren Kultur bedingt einen grundlegenden Respekt und geht sogar so weit, dass er sich jene Teile ihrer Denk- und Lebensweise angeeignet hat, die ihm der eigenen überlegen scheinen. Das macht ihn zu einem Grenzgänger, der von den Fremden respektiert, von anderen Amerikanern aber zumeist mit Misstrauen behandelt wird, weil seine Loyalität fraglich scheint – immerhin hat er sich teilweise von der ›Zivilisation‹ abgewandt und ist selbst zu einem halben ›Wilden‹ geworden. Dass er zeitweise in Japan (also quasi unter den Indianern) gelebt hat und seine Frau beziehungsweise Lebensgefährtin Jingo (Tia Carrere) eine Halbjapanerin ist, verstärkt diesen Eindruck, bürgt zugleich für die Fundiertheit seines Wissens und ist vor allem wiederum ein typisches Motiv, das an Trapper und ähnliche frontier-Helden erinnert. Auch die Idee, dass er Eddies Vater dadurch verbunden ist, dass ihm dieser einmal das Leben gerettet hat, könnte aus einem Western stammen. Als ›man who knows Japanese‹ ist Connor genau die Sorte Mann, die Amerika braucht, um in dem neuen savage war bestehen zu können. An seiner Loyalität kann es am Ende keinen Zweifel geben und sein enger Umgang mit den Japanern, der ihn manchen verdächtig erscheinen lässt, ist unentbehrlich, da er nur dadurch das Wissen und die Fähigkeiten erwerben konnte, um sie zu besiegen.214 In bester Tradition des Indianerkämpfers beherrscht Connor die Fertigkeiten des Feindes so perfekt, dass er nicht nur anderen Amerikanern, sondern auch den Japanern selbst dadurch überlegen ist und diese mit ihren eigenen Waffen schlagen kann. Das zeigt sich im Film auch in seiner Beherrschung asiatischer Martial-Arts-Techniken: Während man bei dem Kampf, den er und Smith am Ende des Films mit einigen Yakuza ausfechten, noch vermuten könnte, dass dieser eingebaut wurde, um dem Actionstar Wesley Snipes Gelegenheit zur Vorführung seiner Schwarzgurt-Künste zu geben, ist es äußerst auffällig, dass es schon davor mehrere Szenen gibt, in denen Connor sowohl amerikanische als auch japanische Gegner problemlos außer Gefecht setzt und sich dabei nahezu lautlos bewegt. Er wird also auch konkret als überlegener Kämpfer porträtiert. Seine ›Japanerkämpfer‹-Qualitäten befähigen ihn außerdem dazu, Spuren zu lesen oder diese sogar überhaupt erst sichtbar zu machen – wie im Fall der Umrisse einiger aus dem Zimmer des Opfers entfernter Fotos auf einem großen Spiegel. Hierin besteht vielleicht sogar seine wichtigste Fertigkeit, denn sie ermöglicht es ihm, ein 212 Lee, Orientals, 211; zu den Fu Manchu-Erzählungen ausführlich ebenda, 113-36. Erstaunlich ist, dass Budd, Culture Meets Culture dies offenbar nicht fragwürdig vorkommt und er den Film als »a veritable textbook for intercultural analysis« lobt (ebenda, 59). 213 Slotkin, Gunfighter Nation, 431. 214 Deshalb ist auch die Tatsache, dass er sich von Yoshida die Mitgliedschaft in einem teuren Golfclub schenken lässt, was natürlich als Korruption ausgelegt werden könnte, zu rechtfertigen: Wie Connor betont, ist dies wichtig für seine Arbeit, weil die Japaner beim Golfspielen ihre Geschäfte machen.
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Problem zu lösen, das aus den Vietnamfilmen bereits bekannt und hier wiederum bestimmend ist: die Krise des imperialen Blicks. Wie im Fall der Vietnamesen kommt auch die Gefährlichkeit der Japaner in Rising Sun vor allem darin zum Ausdruck, dass sie die Dominanz des amerikanischen Blicks brechen können, nur dass sie sich dazu modernster Technologie bedienen. So können sie mit den in ihren Geschäftsräumen installierten Kameras bei den Verhandlungen mit MicroCon die Amerikaner einer unfairen Überwachung unterziehen und durch Manipulationen einer Videodisc den Mörder schützen und den Verdacht auf Eddie lenken. Dementsprechend besteht Connors wichtigste Leistung darin, diese Manipulationen mithilfe von Jingo aufzudecken und rückgängig zu machen. Und bezeichnenderweise wird die verhängnisvolle Auswirkung der japanischen Wirtschaftsinvasion auf die USA gerade am Beispiel einer mit solchen Technologien arbeitenden, im Dienst der Japaner stehenden Firma und eines mit unzureichenden Mitteln ausgestatteten Universitätsinstituts, das sich mit Medienmanipulationen befasst, vor Augen geführt. »Business is war«, hatte Crichton seinem Roman als angeblich japanisches Motto vorangestellt, und dies ist auch im Film Connors wichtigste Lektion, auf den Punkt gebracht in einer Szene, in der die beiden Polizisten durch eine heruntergekommene Gegend des nächtlichen Los Angeles fahren. CONNOR: »You ever hear ›business is war‹? The war is never over. Maybe you heard ›all’s fair in love and war‹. No.« SMITH: »So where does that leave us?« CONNOR: »Us? We’re in the war zone.«
Auf diesen Dialog folgt eine Kamerafahrt über eine Gruppe von Obdachlosen, von der dann zu einem Blick auf den über der Stadt aufragenden Nakamoto Tower aus einem Büro in der Polizeistation geschnitten wird. Dialog und Montage stellen hier einen unzweideutigen Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Angriff der Japaner und den Problemen von Armut und Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten her. Die Amerikaner werden zu Opfern des von Japan geführten Krieges. Die einzige mögliche Reaktion kann logischerweise nur darin bestehen, sich zur Wehr zu setzen. Connor äußert sich im Laufe des Films dennoch immer wieder lobend oder gar bewundernd über die Japaner, zum Beispiel wenn er erklärt: »In Japan, criminals expect to be caught. Convictions run about 90 percent. Here it’s closer to 17 and a half percent. They think we’re stupid. They think we’re corrupt. And they’re not often wrong.« Dieser Respekt gehört zum Charakter des Indianerkämpfers, der um die Stärken des Gegners und die Schwächen seiner eigenen Leute weiß. Er ist zudem wichtig für die Glaubwürdigkeit von Connors Belehrungen. Im Wesentlichen laufen diese auf dieselbe Schlussfolgerung heraus wie die Kommentare des unverhohlen rassistisch auftretenden Detectives Tom Graham (Harvey Keitel): Zwischen Amerika und Japan findet ein Krieg statt, aber die USA handeln nicht entsprechend. »Shit. We’re giving this country away«, bemerkt Graham etwa einmal, worauf Connor erwidert: »Nobody forced us to do it.« Damit widerspricht er nicht der Aussage des anderen, er betont nur stärker als dieser, dass die Amerikaner ihren Fehler selbst korrigieren könnten. Wie der Roman verwendet der Film Graham, um dem Vorwurf des Rassismus und der plumpen Japanfeindlichkeit vorzubeugen. Dieser durchweg nega-
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tive Charakter, dessen völlige Amoralität darin zum Ausdruck kommt, dass er sich trotz seiner Hasstiraden von den Japanern für schmutzige Zwecke kaufen lässt, macht es möglich, seine lautstark geäußerte Geisteshaltung vordergründig zu verurteilen. Wenn Connor, dessen positives Verhältnis zu Japan außer Frage steht, dann von Krieg und Manipulation spricht, wird damit scheinbar der Beweis erbracht, dass dies keine rassistischen, paranoiden Verleumdungen, sondern nüchterne Feststellungen sind. Der Film bringt diese Logik sogar explizit zur Sprache: Als die Japaner, um weitere Nachforschungen zu unterbinden, ihre Medienkontakte spielen lassen und Connor in der Presse des »Japan-bashing« bezichtigt wird, wundert sich sein junger Partner: »Japan-bashing? You? What’ll they think of next?« Wie immer hat Connor die Antwort parat: »Next? Next they’ll call you a racist.« Der Zuschauer soll es als absurd abtun, dass Connors Aussagen und damit die durch ihn kanalisierten Meinungen über Japan unfair sein könnten. Entsprechende Kritik gerät dagegen zu einer perfiden Taktik der verschlagenen Japaner, die die Medien kontrollieren. Der Vergleich, der das untermauern soll, ist ebenso interessant wie verräterisch: Connor als Japanfeind zu denunzieren wird auf eine Stufe damit gestellt, einen Schwarzen als Rassisten zu bezeichnen, was – so die dahinterstehende Logik – offensichtlich eine realitätsferne Unterstellung sein muss. Das ist natürlich Unsinn. Selbstverständlich können auch Schwarze rassistisch denken und handeln, und wie bereits erwähnt wurde, waren gerade antiasiatische Ressentiments unter der schwarzen Bevölkerung weit verbreitet, was sich beispielsweise sehr deutlich während der Unruhen in Los Angeles 1992 zeigte. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als nur eine Möglichkeit, Smith zur Abwechslung die Führung übernehmen zu lassen, wenn dieser in einer Szene in einem Schwarzenviertel eine Straßengang auf die Yakuza hetzt, die ihn und Connor verfolgen, und erklärt: »Rough neighborhoods may be America’s last advantage.« Die Gewalt armer Schwarzer gegen Asiaten wird hier zu einem Element im amerikanischen Abwehrkampf gegen die Invasion. Rising Sun präsentiert eine Allianz von Schwarz und Weiß gegen die fremden Eindringlinge als eine Möglichkeit, ihre eigene Krise zu überwinden und nationale Einheit herzustellen.215 Während sich im Roman kein Hinweis darauf findet, dass Smith schwarz sein könnte, benutzt der Film diesen Charakter, der nun mit einem schwarzen Schauspieler besetzt wird, um Rassismusvorwürfe abzulenken. Diese werden stattdessen gegen die Japaner erhoben. Der Film ist auch in diesem Fall etwas subtiler als Crichtons Buch, in dem Connor die Japaner an einer Stelle als »the most racist people on the planet« bezeichnet und damit auch seine Rückkehr nach Amerika begründet: »I got tired of being a nigger.«216 Die Essenz bleibt in der filmischen Version aber wiederum erhalten, die vor allem in der Szene, in der Jingo Smith ihre Geschichte erzählt, deutlich macht, dass die Japaner selbst dessen schuldig sind, was sie anderen permanent unterstellen: Sie verachten alle Nicht-Japaner, insbesondere Schwarze, und diskriminieren darüber hinaus Behinderte, weil körperliche Missbildung, wie Jingos verkrüppelter Arm, ihnen als Grund für Scham gilt.
215 Vgl. auch Lee, Orientals, 215. 216 Crichton, Rising Sun, 370f.
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Nun soll nicht bestritten werden, dass Rassismus in Japan zu dieser Zeit ein reales Problem darstellte und noch immer darstellt. Tatsächlich bedienten sich in den 1980er Jahren sogar hochrangige japanische Politiker wie Premierminister Nakasone Yasuhiro öffentlich und erstaunlich offenherzig rassistischer Argumentationsmuster, um den Erfolg ihres Landes gegenüber den USA zu erklären, indem sie auf die Homogenität der japanischen Bevölkerung verwiesen.217 Was an der Darstellung von Rising Sun aber zu kritisieren ist, ist ihre Einseitigkeit, die nicht zuletzt wieder einmal das Ergebnis einer Projektion ist. So ist es bemerkenswert, dass derselbe Film, der es als Beleg für den Rassismus der Japaner anführt, dass diese die Beziehung zwischen Connor und Jingo nicht akzeptieren können, obsessiv um die Idee kreist, dass japanische Männer hinter weißen amerikanischen Frauen her sind, ein Motiv, das sich in immer neuen Szenen durch den Film zieht. Hieran zeigt sich der typische Doppelstandard eines selbst durch rassistische Vorstellungen geprägten Werkes der westlichen Kultur, in dem die Verbindung zwischen farbiger Frau und weißem Mann akzeptabel ist, aber nicht die zwischen farbigem Mann und weißer Frau. Der perverse Charakter eines solchen Verhältnisses wird darin zum Ausdruck gebracht, dass die Japaner sich weiße Frauen unter an Prostitution grenzenden Bedingungen als Mätressen halten, wobei – wie an Eddie gut zu sehen – nicht Liebe, sondern sexuelle Gier und Besitzerstolz entscheidend sind. Die Gefahr, die von der japanischen Wirtschaftsinvasion ausgeht, wird so gerade auch daran deutlich, dass die Reinheit der weißen Frau und damit der weißen ›Rasse‹ bedroht wird. Dies ergänzt sich aufs Beste mit dem Angriff auf die amerikanische Familie, auch wenn dieser im Film vor allem Smith betrifft, dessen Ex-Frau als Anwältin für die Japaner tätig ist.218 Ähnlich wie in Die Hard wird also der Kollaps der traditionellen Geschlechterordnung und Familienstruktur durch weibliches Karrierestreben mit japanischen Konzernen in Verbindung gebracht. Noch wesentlich konkreter wird die Bedrohung der Familie in einer späteren Szene, in der Ishiharas Schergen auf der Suche nach Eddie Smiths Wohnung attackieren, in der auch seine kleine Tochter und seine Mutter leben. Rising Sun porträtiert die Japaner so als einen Feind, der die amerikanische Nation auf allen Ebenen bedroht. Zugleich wird versucht, jede mögliche Gegenargumentation schon im Film zu entkräften. Dies betrifft sogar die Etablierung Japans als neues Feindbild anstelle der Sowjetunion. In einer Fernsehdiskussion in einer frühen Szene erklärt Senator Morton (Ray Wise), dass er gegen den Verkauf von MicroCon stimmen wird, und verweist auf die Gefahr für die Sicherheit der USA. »Isn’t this the case of America looking for a new enemy, now that the Cold War is over, an evil empire to replace the Russians?«, fragt der Moderator, worauf Morton lachend erwidert: »Talk about simplifying.« So wie an anderer Stelle der Vorwurf des Rassismus, wird auch diese Idee als lächerlich abgetan.219 217 Für Beispiele siehe »2 Papers Quote Japanese Leader on Abilities of Blacks in U.S.«, in: NYT 24.09.1986; »Tokyo Again Astir Over Racial Slight«, in: NYT 26.07.1988; außerdem Dower, War Without Mercy, 314f. 218 Vgl. dazu auch Lee, Orientals, 214. 219 Bezeichnend ist wohl auch, dass es sich bei Mortons Gegnern in dieser Debatte um einen Schwarzen und eine Frau handelt.
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Tatsächlich zeigt die Analyse nicht nur dieses Films aber, dass genau dies eine Funktion war, die das Feindbild Japan erfüllte. Die Reaktion auf eine echte Bedrohung der Vereinigten Staaten stellte die Furcht vor der neuen ›gelben Gefahr‹ jedenfalls nicht dar. Dass diese, obwohl im Diskurs der Zeit nahezu allgegenwärtig, nicht noch häufiger in den Mittelpunkt von Filmen gestellt wurde, hat wohl verschiedene Gründe. Einer könnte darin bestehen, dass japanische Investitionen zu Beginn der 1990er Jahre auch in Hollywood eine größere Rolle spielten. Mit Columbia Pictures und Universal wurden zwei große Studios sogar von japanischen Firmen übernommen. Dieses Engagement ließ die Dämonisierung japanischer Wirtschaftsmacht in vielen Produktionen einigermaßen unwahrscheinlich erscheinen.220 Wichtiger dürfte aber noch die bereits angesprochene Schwierigkeit gewesen sein, Wirtschaftsthemen für einen Spielfilm unterhaltsam zu verpacken. Dieser Stoff eignete sich zweifellos besser für die zahlreichen Sachbücher, die auf dem amerikanischen Markt erschienen. Dagegen, dass etwaiges geringes Publikumsinteresse ein Problem gewesen wäre, spricht jedenfalls auch die Tatsache, dass diejenigen Filme, denen es gelang, einen Zugang zu finden, an den Kinokassen durchweg ordentlich abschnitten.221 Mitte der 1990er Jahre begann sich die Situation dann wieder zu verändern: In den USA folgte auf die Rezession ein neuer Boom, während die Krise in Japan anhielt.222 Time sprach im April 1996 von einem »Failed Miracle«,223 und es war gegen Ende des Jahrzehnts plötzlich eher die Schwäche der japanischen Wirtschaft, die als problematisch erachtet wurde, während man nun Fortschritte bei der Öffnung des japanischen Marktes registrierte.224 Ähnlich wie zuvor bei der UdSSR war die Diskrepanz zwischen Realität und Wahrnehmung offenbar zu groß geworden und hatte zu einer Anpassung der Letzteren geführt. Da zugleich andere Bedrohungen wie Terrorismus und Proliferation zunehmend in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückten, verlor das Feindbild Japan an Bedeutung.225 Bis in die jüngste Zeit lässt sich in amerikanischen Filmen jedoch jene »love-hate relationship« ausmachen, von der Joyce in Black Rain spricht und die sich, wie David Budd bemerkt hat, vielleicht noch treffender als »respect/distrust or fascination/ disdain« charakterisieren lässt.226 Pearl Harbor (2001) und The Last Samurai (2003) sind zwei prominente Beispiele für die fortdauernde Ambivalenz im Porträt Japans, die von Bewunderung bis hin zu rassistischer Geringschätzung reichen und mitunter 220 Vgl. »Vanishing Villains: Hollywood Casts About for Replacement Rogues«, in: WP 15.04.1990. 221 Gung Ho spielte mehr als 36,6 Millionen Dollar ein (Quelle: http://www.the-numbers. com/movies/1986/0GUHO.php, 18.06.2007), Black Rain fast 46 Millionen (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1989/0BRAI.php; leicht abweichende Zahl auf http://www.imdb.com/title/tt0096933/business, 18.06.2007) und Rising Sun über 63 Millionen (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1993/0RSSN.php, 18.06.2007). 222 Vgl. dazu Hyland, Clinton’s World, 134. 223 »The Failed Miracle«, in: Time 22.04.1996. 224 Vgl. National Security Strategy [1998], 42 u. 46f; National Security Strategy [1999], 34f u. 38. 225 Dies belegen auch Umfrageergebnisse, vgl. z.B. IIPO, 1996-1997, 227; IIPO, 1997-1998, 214f; Rielly (Hg.), American Public Opinion and U.S. Foreign Policy 1995, 23. 226 Budd, Culture Meets Culture, 47.
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beide sogar miteinander vereinen kann. So verklärt Letzterer in geradezu absurder Weise das vorindustrielle Feudalsystem zu einem veritablen verlorenen Paradies,227 stellt aber zugleich einmal mehr einen weißen Amerikaner als Helden ins Zentrum, der sich die Lebensweise und Kampfkünste der Samurai innerhalb weniger Monate so perfekt anzueignen vermag, dass er am Ende selbst als den Einheimischen überlegener Bewahrer der japanischen Tradition auftreten kann. Während die Samurai dem Typus des nicht vom Fortschritt verdorbenen ›edlen Wilden‹ zugerechnet werden können, wird der Feind, die nach westlichem Vorbild organisierte moderne Armee des Kaisers, als uniformierte, seelenlose Militärmaschine deutlich in die Tradition des Kampfes gegen das totalitäre Böse gestellt. Dass auch Pearl Harbor diesen Aspekt betont, verdeutlicht, dass die Japaner in diesen Filmen, die zu einer Zeit entstanden, als mit dem Dschihadismus eine andere Bedrohung ins Zentrum des Interesses gerückt war, nicht so sehr wie vormals als Repräsentanten der ›gelben Gefahr‹ zu sehen sind, sondern in erster Linie als Verkörperungen des Totalitarismus.
3.3 »THE NEXT COLD WAR?«: DAS AUFSTREBENDE CHINA Das (erneute) Aufkommen des Feindbildes Japan in den 1980er Jahren war markantester Ausdruck und zugleich Verstärker der durch die genannten wirtschaftlichen und demographischen Umbrüche geschürten Ängste hinsichtlich einer asiatischen Bedrohung und Unterwanderung der Vereinigten Staaten. Derartige Befürchtungen und antiasiatischer Rassismus richteten sich aber nicht nur gegen Japaner, sondern – wie schon erwähnt wurde und wie die oftmals eher willkürlich gegen Angehörige unterschiedlicher Ethnien verübten hate crimes belegen – gerade innerhalb der USA gegen die Angehörigen der aus Asien stammenden Minderheit insgesamt. Das wohl beste Beispiel für das Bild der model minority als gooks ist denn auch kein Film über die angebliche japanische Invasion, sondern Michael Ciminos Year of the Dragon (1985), an dem deutlich wird, dass chinesische Amerikaner nicht nur, wenn sie wie der unglückselige Vincent Chin in Detroit mit Japanern verwechselt wurden, als Repräsentanten der ›gelben Gefahr‹ wahrgenommen werden konnten.228 In der Verfilmung eines Drehbuchs von Oliver Stone macht Captain Stanley White (Mickey Rourke), der höchstdekorierte Polizist New Yorks, es zu seiner persönlichen Mission, mit dem organisierten Verbrechen in Chinatown aufzuräumen und den jungen Triadenboss Joey Tai (John Lone) zur Strecke zu bringen – nicht zuletzt, weil der unverhohlen rassistische Vietnamveteran White (!) in dieser Auseinandersetzung die Gefahr einer Wiederholung der Niederlage in Südostasien und zugleich die Möglichkeit zur Revanche sieht. Geradezu paradigmatisch spielen im Konflikt des aus dem polnischen Arbeitermilieu stammenden, extrem machohaften Polizisten mit dem nach Mehrung seiner Macht und seines Reichtums strebenden feminisierten chinesi-
227 Vgl. hierzu Leon Saunders Calvert, »Ideology and the Modern Historical Epic: How the Political Concerns in the Genre Have Changed Since 11th September 2001«, in: The Film Journal 13 (2006), http://www.thefilmjournal.com/issue13/epics.html (13.07.2006). 228 Ausführliche Interpretationen dieses Films liefern Lee, Orientals, 180 u. 196-203, und Marchetti, Romance and the »Yellow Peril«, 202-14.
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schen Gangster die Kategorien ›Rasse‹, Klasse und Gender ineinander. Dadurch werden auf der einen Seite unterschiedliche Lesarten für den Zuschauer möglich,229 auf der anderen Seite wird hier der Zusammenhang zwischen den durch weltwirtschaftliche und soziale Veränderungen ausgelösten Befürchtungen und den Ressentiments gegenüber der scheinbar so erfolgreichen asiatischen Minderheit in den Vereinigten Staaten überdeutlich. Diese Minderheit erscheint hier als die Ordnung Amerikas und speziell die Stellung der europäischen Ethnien unterminierende Macht, die sich maßgeblich auf ihre Verbindungen nach Asien stützt. Zugleich wird die Gefahr einer Allianz mit anderen farbigen Minoritäten, repräsentiert durch Joeys schwarzen Leibwächter und den korrupten Polizisten Perez, beschworen. Nur durch entschlossenes Handeln kann der weiße Held angesichts dieser Bedrohung seine Dominanz behaupten, wobei Whites Beziehung zu der chinesisch-japanischen Fernsehreporterin Tracy Tzu (Ariane) zum Spiegelbild seines Kampfes gegen Joey Tai gerät. Seine Eroberung der asiatischen Karrierefrau durch eine Vergewaltigung, in die sie sich nach kurzer Gegenwehr genussvoll ergibt, nimmt den Sieg über den Triadenboss vorweg und legt deutlicher als jedes andere Element des Films seine rassistische Grundstruktur bloß. Diese wurde von den Machern selbstverständlich entschieden bestritten, als asiatische Amerikaner den Kinostart von Year of the Dragon mit massiven Protesten begleiteten, die dazu führten, dass dem Film nach fünf Tagen ein Hinweis vorangestellt wurde, demzufolge keine Beleidigung intendiert war. »The Asians who worked on it loved it and support it – and the fact of the matter is it’s a film about racism«, behauptete Mickey Rourke.230 Zwei Jahre später räumte Oliver Stone jedoch in einem Interview ein, dass die Vorwürfe berechtigt gewesen seien.231 Chinatown ist auch der Schauplatz von John Carpenters Actionkomödie Big Trouble in Little China (1986), in der es nicht nur als Tummelplatz von Gangstern und Geheimbünden, sondern auch von Magiern und Monstern in Erscheinung tritt. Diese Produktion vermeidet derart drastische rassistische Entgleisungen wie Tracys Unterwerfung durch White, wartet mit einer Reihe positiver chinesischamerikanischer Charaktere auf und etabliert zudem durch ihren selbstironischen Ton eine gewisse Distanz zu den Rückgriffen auf orientalistische Fantasien wie den FuManchu-artigen Bösewicht und die Rettung der chinesischen Gemeinde durch den weißen Helden. Dennoch lebt auch Carpenters Film zwangsläufig von der Year of the Dragon bestimmenden Idee, dass Chinatown eine von finsteren Mächten beherrschte Parallelwelt darstellt, mit der selbst die ›guten‹ Chinesen untrennbar verbunden sind. Als nach dem Ende des Ost-West-Konflikts die transnationale organisierte Kriminalität als eine Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten stärker in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte, waren davon nicht zuletzt die Triaden betroffen, die in einer Studie zu diesem Thema aus dem Jahr 1993 neben den kolumbianischen Drogenkartellen als die wichtigsten Gruppen mit wahrhaft globaler
229 Siehe dazu vor allem Gina Marchetti, »Ethnicity, the Cinema and Cultural Studies«, in: Friedman (Hg.), Unspeakable Images, 277-307. 230 Zitiert nach Lyons, New Censors, 100; zu den Protesten und den Reaktionen siehe ausführlich ebenda, 91-106. 231 Zitiert bei Hong, »Asian Americans«, 229.
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Reichweite identifiziert wurden.232 »From Hong Kong and the Golden Triangle to Chinatowns in the West, savvy Chinese gangsters are the new Scarfaces of a multinational underworld«, berichtete Time in einer Titelstory desselben Jahres.233 Es war daher nur folgerichtig, dass das organisierte Verbrechen chinesischer Provenienz auch häufiger auf der Leinwand zu sehen war, etwa in Lethal Weapon 4 (1998), The Art of War (2000) oder Lara Croft Tomb Raider: The Cradle of Life (2003). Noch interessanter ist aber die Frage, wie der chinesische Staat seit Beginn der 1990er Jahre gesehen und dargestellt wurde. Die Überlegung liegt nahe, dass die Volksrepublik China als weiterhin von einer kommunistischen Partei beherrschte Diktatur nach dem Wandel in Osteuropa den Platz der Sowjetunion als Feindbild einnahm. Wie schon zu sehen war, wurde eine so geartete Verschiebung beispielsweise in dem das Ende des Ost-West-Konflikts kommentierenden sechsten StarTrek-Film The Undiscovered Country (1991) angedeutet, indem man den wichtigsten Schurken, General Chang, mit deutlich asiatischen Merkmalen versah. In der Tat verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den USA und China zu jener Zeit, nachdem es zuvor bis zum Ende der Reagan-Administration eine weitgehende Normalisierung erlebt hatte.234 Diese war im Wesentlichen eine Folge des seit den 1970er Jahren bestehenden Zweckbündnisses zwischen den beiden höchst unterschiedlichen Feinden der UdSSR gewesen. Mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums verschwand also der bis dahin wichtigste Grund für Annäherung, Kooperation und Kompromissbereitschaft.235 Während sich in Osteuropa eine fast durchweg friedliche Revolution vollzog, hielt das Regime in Peking zudem an seiner repressiven Einparteienherrschaft fest: Die chinesische Demokratiebewegung wurde im Juni 1989 brutal unterdrückt. Das von Fernsehkameras eingefangene Massaker an friedlichen Demonstranten in den Straßen zum Tiananmen-Platz empörte gerade auch die amerikanische Öffentlichkeit, die angesichts der Proteste der Überzeugung war, »that the Chinese people yearned to be more like Americans«.236 Die US-Regierung übte denn auch entschiedene Kritik am Einsatz der Volksbefreiungsarmee und verhängte eine Reihe von Sanktionen. Allerdings erklärte Präsident George Bush, der von 1974 bis 1975 Botschafter in der Volksrepublik gewesen war, in einer Pressekonferenz umgehend: »This is not the time for an emotional response, but for a reasoned, careful action that takes into account both our long-term interests and recognition of a complex internal situation in China.« In einer abwägend-zurückhaltenden Rhetorik, die sich deutlich von den scharfen Attacken der Reagan-Administration auf die Sowjetunion bei verschiedenen Gelegenheiten – etwa nach dem Abschuss des koreanischen Verkehrsflugzeugs 1983 – unterschied, betonte 232 Godson/Olson, International Organized Crime, 14. 233 »The Triads Go Global«, in: Time 01.02.1993; die Titelschlagzeile lautete »Global Gangsters«. 234 Vgl. Robert G. Sutter, »Normalization with China«, in: Nelson/Weisbrode (Hg.), Reversing Relations, 44-65, hier: 62. 235 Vgl. dazu auch Nancy Bernkopf Tucker, »China and America: 1941-1991«, in: Foreign Affairs 70:5 (1991), 75-92, hier v.a. 90. 236 Ebenda, 89. Zu dem Massaker, bei dem etwa 2.600 Menschen getötet wurden, siehe Klemens Ludwig, »Politik der Panzer«, in: Damals 46:6 (2014), 10-3. Ludwig weist darauf hin, dass das Massaker nicht auf dem Platz selbst stattfand (ebenda, 13).
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Bush, »[that] it’s important at this time to act in a way that will encourage the further development and deepening of the positive elements of [our] relationship and the process of democratization. It would be a tragedy for all if China were to pull back to its pre-1972 era of isolation and repression.« Der Präsident machte deutlich, dass er trotz der jüngsten Geschehnisse keinen Bruch im Verhältnis zu China wollte.237 Dementsprechend bemühte er sich auch bald darum, auf diplomatischem Wege die Wogen zu glätten, und blockierte Sanktionsmaßnahmen, die ihm als zu hart erschienen, vor allem Vorstöße aus dem Kongress, China den Handelsstatus als meistbegünstigte Nation zu entziehen.238 Damit setzte er sich dem Vorwurf aus, zu rücksichtsvoll mit der chinesischen Regierung umzugehen. Bill Clinton attackierte ihn im Wahlkampf wegen seines ›Schmusekurses‹ gegenüber einer Diktatur und bemerkte beispielsweise in einer Rede an der Georgetown University im Dezember 1991 mit Blick auf die veränderte geopolitische Lage: »[I]t makes no sense to play the China card now, when our opponents have thrown in their hand.«239 Diese Kritik ließ einen konfrontativeren Kurs gegenüber Peking unter Clinton erwarten, einmal im Amt zeigte sich der neue Präsident aber bald von einer deutlich pragmatischeren Seite, auch was die Frage der Menschenrechte anging.240 So hob er die zu Beginn seiner Administration getroffene Entscheidung, die jeweilige Verlängerung des MFN-Status’ für China um ein weiteres Jahr an Fortschritte bei der Menschenrechtslage zu koppeln, bereits 1994 wieder auf. Bei seiner Begründung dieses Schrittes erinnerte er durchaus an seinen von ihm kritisierten Amtsvorgänger. Er verwies nicht nur auf die große Bedeutung Chinas für globale Stabilität und als Absatzmarkt, der »over 150,000 American jobs« stütze; vor allem verlieh er der Überzeugung Ausdruck, dass eine Vertiefung von Kontakten den Zielen der USA besser dienen werde als eine mögliche Isolation Chinas, gerade auch im Hinblick auf Menschenrechte und Demokratisierung. »I believe the question […] is not whether we continue to support human rights in China but how we can best support human rights in China and advance our other very significant issues and interests. I believe we can do it by engaging the Chinese.«241 Engagement, nicht containment, war also das Schlagwort, unter das Clinton seine China-Politik fortan stellte, wobei der Grundgedanke der war, dass die wirtschaftliche und kulturelle Öffnung Chinas auf lange Sicht zwangsläufig die politische Transformation nach sich ziehen 237 George Bush, »The President’s News Conference, June 5th, 1989«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=17103 (06.05.2008). 238 Vgl. Hyland, Clinton’s World, 110; Bernkopf Tucker, »China and America«, 89. 239 Zitiert nach Hyland, Clinton’s World, 111. 240 Zu Clintons Menschenrechtspolitik siehe David P. Forsythe, »Human Rights Policy: Change and Continuity«, in: Ripley/Lindsay (Hg.), U.S. Foreign Policy After the Cold War, 257-82. 241 William J. Clinton, »The President’s News Conference, May 26th, 1994«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=50241, (29.11.2007). Zbigniew Brzezinski berichtet in seinem Buch Second Chance: Three Presidents and the Crisis of American Superpower, New York 2007, 110, dass Clinton die Entscheidung über die Entkoppelung von Menschenrechten und MFN-Status schwer zu schaffen gemacht und er deswegen auch bei verschiedenen Experten außerhalb der Administration – unter anderem eben bei Brzezinski – Rat gesucht habe.
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werde. Der Idee eines neuen Kalten Krieges wurde damit eine Absage erteilt, ganz explizit etwa in einer Rede im Oktober 1997: »We have severe disagreements over human rights, political rights, religious rights. But the best way to advance those issues, in my view, is to work with China and try to make a partner out of China in the 21st century, not create a new cold war with a different country on the other side.«242 Ein Effekt dieses Kurses war, dass Clinton sich teils noch heftigeren Vorwürfen ausgesetzt sah als jenen, die er vormals selbst erhoben hatte. So kam 1997 sogar die Behauptung auf, seine Wiederwahl im Vorjahr sei in erheblichem Maße von China mitfinanziert worden – mit anderen Worten, ihm wurde unterstellt, von einer ausländischen Macht gekauft zu sein.243 Nicht nur das Image des Präsidenten erlitt dadurch Schaden: »Despite Chinese denials – and the obvious fact that other countries, from Israel to France to Taiwan itself, do their best to influence American politics with money and espionage – the scandal has helped to convince many Americans that China is an enemy«, berichtete die New York Times im April jenes Jahres in einem Artikel, in dem darauf verwiesen wurde, »[that] [i]n the last few months, a number of members of Congress, leading and following the opinion magazines and the thinktank symposia, have been working to invent a new enemy, China.«244 Tatsächlich warnten vor allem Konservative nun eindringlicher vor einer nicht zu unterschätzenden Gefahr, die von China drohe, und einem sich abzeichnenden Konflikt, der sich beispielsweise über das immer wieder aus Peking bedrohte Taiwan leicht zu einem Krieg entwickeln könne.245 Dies passte durchaus in die generelle Entwicklung des Meinungsbildes in den Vereinigten Staaten, wo das als kommende Supermacht geltende China246 als immer wichtiger, aber zugleich auch zunehmend als bedrohlich wahrgenommen wurde. In einer Umfrage im September 1995 wurde es beispielsweise von 45% der Befragten als »not friendly« und von 24% sogar als »enemy« betrachtet.247 Einen deutlichen Anstieg seit 1990 bei der Einstufung Chinas als »critical threat«, sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den Meinungsführern, hatte zuvor schon die regelmäßig durchgeführte Erhebung des Chicago Council on Foreign Relations verzeichnet.248 Gerade 1997 machte sich diese negativere Einschätzung auch im Kino bemerkbar: »China – wealthy, populous, armed and communist – has become the latest foreign boogeyman to flicker across the American silver screen«, vermerkte die Washington Post im Oktober angesichts einer Reihe von Produktionen, in denen der chi-
242 William J. Clinton, »Remarks and a Question-and-Answer Session at a Democratic National Committee Luncheon in Palm Beach, Florida, October 31st, 1997«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=53488 (27.07.2007). 243 Vgl. Hyland, Clinton’s World, 120. 244 »Searching for an Enemy and Finding China«, in: NYT 06.04.1997. 245 Vgl. Hyland, Clinton’s World, 118; beispielhaft Richard Bernstein/Ross H. Munro, »The Coming Conflict with America«, in: Foreign Affairs 76:2 (1997), 18-32. 246 Siehe z.B. »China: Waking Up to the Next Superpower«, in: Time 25.03.1996. 247 IIPO, 1995-1996, 199. Siehe außerdem IIPO, 1997-1998, 609, 612 u. 617. 248 Rielly (Hg.), American Public Opinion and U.S. Foreign Policy 1995, 23-5.
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nesische Staat als Feindbild eine wichtige Rolle spielte.249 Gleich zwei dieser Filme thematisierten die Invasion und Besetzung des zuvor autonomen Tibet durch chinesische Truppen im Jahr 1950 und die Unterdrückung der tibetischen Bevölkerung: In Kundun (1997) erzählte Martin Scorsese das Leben des 14. Dalai Lama nach,250 dessen Freundschaft mit dem österreichischen Bergsteiger Heinrich Harrer im Mittelpunkt von Seven Years in Tibet (1997) steht. Hier erscheinen die rücksichtslosen Chinesen nicht zuletzt deshalb als totalitäre Barbaren, weil Harrers Erfahrungen sie in Verbindung zu den Nazis setzen. Einen indirekten Bezug zum Tibetproblem wies auch Red Corner (1997) auf, nämlich über die Person seines Hauptdarstellers Richard Gere, der als praktizierender Buddhist und lautstarker Aktivist für die Rechte der Tibeter bekannt war. Im Film verkörpert er den amerikanischen Anwalt Jack Moore, der in Peking mit der chinesischen Regierung über den Kauf eines Satellitenfernsehprogramms verhandelt und dabei das Opfer einer Intrige wird: Als das Geschäft schon unter Dach und Fach zu sein scheint, lernt er auf einer Party die junge Chinesin Hong Ling (Jessey Meng) kennen und erwacht am nächsten Morgen neben deren Leiche. Unter Mordanklage gestellt, droht ihm eine baldige Hinrichtung, der er nur durch seinen eigenen Spürsinn und die Hilfe der couragierten Verteidigerin Shen Yuelin (Bai Ling) entgeht. Gemeinsam gelingt es ihnen während des Prozesses, Jacks Unschuld zu beweisen und die wahren Schuldigen zu entlarven. Der Kinostart von Red Corner fiel zu allem Überfluss mit dem Staatsbesuch von Präsident Jiang Zemin zusammen, der Deng Xiaoping nach dessen Tod im Februar desselben Jahres als führender Mann in der chinesischen Politik beerbt hatte. Die Produktionsfirma beteuerte zwar, dass »competitive market factors« und nicht »political considerations« für die Wahl des Starttermins ausschlaggebend gewesen seien,251 aber schon die Mitwirkung von Gere, der auch während Jiangs Aufenthalt Protestaktionen organisierte, sorgte dafür, dass der Film nicht nur als Unterhaltungsprodukt, sondern auch als politisches Statement aufgefasst wurde. So schrieb etwa Roger Ebert in seiner Rezension, Red Corner sei »designed to showcase Richard Gere’s unhappiness with Red China«,252 Desson Howe sprach in der Washington Post von einem »gloves-off bash at Chinese intractability and totalitarianism« und von »radicalchic agitprop«,253 und die New York Times attestierte dem Film »an earnest, committed interest in criticizing Chinese totalitarianism«.254 Tatsächlich war für manche,
249 »Hollywood’s New Heavy: Portraits of China Muddy Foreign Relations Effort«, in: WP 29.10.1997. Siehe dazu auch »For Hollywood Villains, It’s Cold War II«, in: NYT 06.08.1997. 250 Der produzierende Disney-Konzern wurde noch vor der Fertigstellung von Kundun von der chinesischen Regierung gewarnt, dass seine geschäftlichen Unternehmungen in China durch die Veröffentlichung dieses Films gefährdet würden. 251 Zitiert nach »Hollywood’s New Heavy: Portraits of China Muddy Foreign Relations Effort«, in: WP 29.10.1997. 252 »Red Corner« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19971031/ REVIEWS/710310302/1023 (14.06.2007). 253 »Gere: Painted Into a ›Corner‹ «, in: WP 31.10.1997. 254 »Lady Killer? Beijing Is Not Charmed«, in: NYT 31.10.1997.
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wenn auch nicht für alle Kritiker diese klare Haltung noch das überzeugendste an dem ansonsten eher als misslungen eingestuften Werk. Die Darstellung des chinesischen Staates als repressiv, ja totalitär, wird schon in der ersten Szene von Red Corner deutlich, in der Jack vom Rücksitz eines Wagens aus den Tiananmen-Platz betrachtet. Sein Blick fällt zuerst auf eine Gruppe Fußball spielender Kinder in Uniformen, dann auf eine Abteilung im Stechschritt paradierender Soldaten und zuletzt auf eine Überwachungskamera, deren Objektiv sich bedrohlich auf ihn richtet, woraufhin er mit einer Miene, die sein Unbehagen verrät, die Scheibe wieder hochlässt. China wird damit von Beginn an als Überwachungsstaat etabliert, dessen militaristisch-diktatorischer Charakter an der Omnipräsenz uniformierter Gestalten abzulesen ist. Zudem ist es natürlich kein Zufall, dass die Begegnung Jacks und des Zuschauers mit dem Reich der Mitte gerade hier ihren Anfang nimmt, steht der Platz des Himmlischen Friedens – der durch eine entsprechende Einblendung für das Publikum identifiziert wird – seit dem Massaker im Juni 1989 doch wie kein zweiter Ort für die brutale Missachtung von Demokratie und Menschenrechten durch die Kommunistische Partei Chinas. Der sich Jack bietende Anblick einer scheinbar harmonischen Ruhe, die durch staatliche Kontrolle überschattet wird, lädt, ohne dass dies ausgesprochen werden müsste, zum Vergleich mit den der breiten Öffentlichkeit bekannten Fernsehbildern von gegen Demonstranten auffahrenden Panzern ein. Der weniger bekannte, aber in einigen Besprechungen des Films erwähnte Umstand, dass Bai Ling, die Darstellerin von Jacks Anwältin Yuelin, damals an den Demonstrationen teilgenommen hatte, kann für den informierten Zuschauer darüber hinaus noch als eine zusätzliche Mahnung an die realen Untaten des Regimes in Peking fungieren. Dass der persönliche Hintergrund einer Akteurin die kritische Haltung des Films untermauert, erinnert an die Auftritte von Joanna Pacula in Gorky Park (1983) oder Mikhail Baryschnikow in White Nights (1985). Aber auch sonst sind die Parallelen zu Filmen über die Zustände hinter dem Eisernen Vorhang offenkundig, wird doch hier wie dort ein totalitärer Polizeistaat präsentiert, in dem die Rechte des Individuums missachtet werden. Die Kritik von Red Corner konzentriert sich dabei auf das chinesische Rechtssystem, das auf die Bestimmung eines Schuldigen und dessen »moral education« abzielt. »In China, we hold the welfare of the state above that of the individual«, erklärt Yuelin Jack bei ihrer ersten Besprechung, als er darauf besteht, auf ›nicht schuldig‹ zu plädieren. »We have six times the population of your country, Mr. Moore, and one tenth the crime rate. Tell me, who is right?« Diese Frage wird im Laufe des Films unzweideutig beantwortet, indem gezeigt wird, dass es der chinesischen Justiz nicht um Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit, sondern um eine zufriedenstellende Abhandlung ihrer Fälle zu tun ist; dass das Beharren eines Angeklagten auf seiner Unschuld als Widerspenstigkeit drakonisch bestraft wird; und dass das gesamte System von Angst und Korruption beherrscht wird, wodurch eine unvoreingenommene und umfassende Untersuchung unmöglich wird. In seinem Audiokommentar zur DVD-Ausgabe des Films255 betont Regisseur Jon Avnet den Realismus der Darstellung des Gerichtsverfahrens wie auch der Haftbedingungen, der unter anderem auf Informationen von echten chinesischen Anwälten und Richtern beruhe und von Dissidenten bestätigt worden sei. Zugleich stellt er fest, 255 MGM Home Entertainment 2004.
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dass Jacks Behandlung trotz hässlicher Details – wie Schlägen und des Auswaschens seines Essnapfes in der Toilette – »very charitable« sei, »compared to what would happen to a Chinese national.« Damit macht er freilich auch auf ein Problem des Films aufmerksam, welches in vergleichbarer Weise etwa aus den Antiapartheidproduktionen bekannt ist, dass nämlich die Wahl eines weißen amerikanischen Helden die Kritik beeinträchtigt. Dies ist zum einen deshalb der Fall, weil die Konzentration auf das Schicksal eines Ausländers die Aufmerksamkeit von der chinesischen Bevölkerung als den eigentlichen Opfern des Repressionsapparates ablenkt.256 Der Film handelt eben nicht vom Leben in China, sondern von den dramatischen Erlebnissen eines geschäftsreisenden Amerikaners, womit allem Realismus zum Trotz statt des Alltags in einem diktatorischen System eine hypothetische Situation auf die Leinwand gebracht wird.257 Schon deshalb hat die Feststellung von Roger Ebert, dass originär chinesische Filme die Missstände in ihrem Herkunftsland wirkungsvoller kritisierten, ihre Berechtigung.258 Nun könnte man argumentieren, dass eine amerikanische Hauptfigur vonnöten sei, um das Interesse des US-Publikums zu wecken und eine bessere Identifikationsmöglichkeit zu schaffen. Genau darin liegt aber ein weiterer Teil des Problems, denn durch die Identifikation mit einem westlichen Helden wird der Konflikt zwangsläufig auch entlang nationaler und ›rassischer‹ Trennlinien strukturiert. Obwohl Jacks amerikanische Herkunft ihm eine bessere Behandlung garantiert als einem chinesischen Angeklagten – was der Film selbst nicht weiter thematisiert –, wird er doch gerade auch als US-Bürger Opfer einer fremden Justiz. Die Dramatik entsteht in entscheidender Weise daraus, dass seine Verteidigung durch das ihm unbekannte Verfahren erschwert wird und dass ihm als Angehörigem einer westlichen Demokratie Rechte verwehrt werden, die er als selbstverständlich zu betrachten gewohnt ist. Empathie wird nicht für die weitgehende Rechtlosigkeit der chinesischen Bevölkerung erzeugt, sondern für die Entrechtung eines Amerikaners. Der Eindruck, dass die Fremdheit der chinesischen Kultur ein wesentliches Element von Jacks Martyrium ist, wird zum Beispiel durch die der Sprachbarriere zugemessene Bedeutung verstärkt. Gerade zu Beginn lassen die nicht untertitelten Befehle, Fragen und Kommentare auf Chinesisch den Zuschauer Jacks Verwirrung und Hilflosigkeit teilen und erheben seinen Status als Nicht-Chinese zu einem wesentlichen Element seiner Geschichte.259 Damit gerät Red Corner in erheblichem Maße zu einem Drama über das Schicksal eines zivilisierten Weißen in den Fängen eines rückständigen orientalischen Staates, wodurch er an Filme wie Midnight Express (1978) erinnert, in dem ein junger Amerikaner als Drogenschmuggler in einem türkischen Gefängnis landet, in dem unmenschliche Bedingungen herrschen. Jon Avnets Film erhält so einen wohl nicht beabsichtigten rassistischen Unterton. 256 Dies kritisierte z.B. auch Stephen Hunter in seiner Rezension » › Red Corner‹: Ego Trip to China«, in: WP 31.10.1997. 257 Avnet stellt in seinem Audiokommentar fest, dass bis dahin kein Amerikaner in China eines Schwerverbrechens angeklagt worden sei. 258 »Red Corner« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19971031/ REVIEWS/710310302/1023 (14.06.2007). 259 »In America he would know his rights. But here justice doesn’t translate«, verkündete bezeichnenderweise der Kinotrailer.
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Dieser macht sich insbesondere wieder einmal bei der Behandlung von Sexualität und Beziehungen bemerkbar. Auf der einen Seite werden in einer frühen Szene einige alte Parteibonzen gezeigt, die bei einer Vorführung von Ausschnitten aus dem zum Kauf angebotenen Programm gierig auf die amerikanischen Strandschönheiten einer offenbar an Baywatch (1989-2001) angelehnten Fernsehserie starren. Auf der anderen Seite macht Jack innerhalb einer Nacht Hong Ling ihrem Freund Lin Dan (Byron Mann), dem Sohn des Ministers für Radio, Film und Fernsehen, abspenstig, der sie benutzen wollte, um den Amerikaner zu kompromittieren. Ihre Ermordung entpuppt sich als Folge ihrer Absicht, aus dem Komplott auszusteigen. Dass die chinesische Frau dem weißen Mann innerhalb kürzester Zeit verfällt, steht ebenso im Einklang mit den grundlegenden rassistischen Mythen über die Begegnung des Westens mit dem Orient, wie die nicht zu verheimlichende Erregung der Parteibonzen angesichts von weißen Frauen im Bikini. Jacks Beziehung zu Yuelin, die ebenfalls schnell romantisiert wird, kann als Fortschreibung dieses Motivs gesehen werden. Hinzu kommt in diesem Fall noch ein weiteres Klischee, nämlich das des Mannes aus dem Westen, der der chinesischen Frau hinsichtlich der Gesellschaft, in der sie lebt, die Augen öffnet beziehungsweise es ihr unmöglich macht, länger wegzusehen. Nicht er lernt von ihr, sondern sie von ihm etwas über die Natur Chinas. Dazu gehört auch, dass sie die Überlegenheit der USA, die sie anfangs immer wieder in Frage stellt, mit der Zeit anerkennt, so wie sie akzeptieren muss, dass ihr Mandant wirklich unschuldig ist. »I never questioned. I was blind«, gesteht sie schließlich, nachdem sie von der Misshandlung ihres Vaters während der Kulturrevolution erzählt hat. Und als Begründung, warum sie sich trotz des persönlichen Risikos für Jack einsetzt, erklärt sie: »I’m doing this because… I do not wish to be silent anymore.« Selbst eine intelligente, selbstbewusste Frau wie Yuelin ist in Red Corner auf den Amerikaner als Heilsbringer oder zumindest als Vorbild angewiesen. Die von ihr vereinzelt geäußerte Kritik an den USA verblasst gegenüber dem offensichtlichen Unrecht in China, unterstreicht ihre durch Jack angestoßene Entwicklung und wirkt damit letztendlich eher affirmativ. Zwar wird die US-Regierung über die Botschaftsangehörigen in einem recht negativen Licht gezeigt, dies jedoch vor allem wegen des aus politischem Kalkül geringen Engagements für Jack und damit auch wegen des zu vorsichtigen Verhaltens gegenüber dem chinesischen Staat. Abgesehen von der amerikanischen Tradition generellen Misstrauens gegenüber Bürokratien kann dies deshalb auch als Einforderung einer härteren Linie in der Auseinandersetzung mit China verstanden werden.260 Dennoch muss man dem Film eine gewisse Ambivalenz attestieren. So wird der chinesische Staat einerseits als repressiv und korrupt gebrandmarkt, andererseits werden verschiedene Vertreter dieses Staates als positive – oder zumindest nicht negative – Charaktere gezeichnet. Dies gilt insbesondere für den Vater des Opfers, General Hong (Li Chi Yu), und Minister Lin Shou (James Hong), aber auch für den Generalstaatsanwalt (Henry O.), der sich am Ende von Yuelin überzeugen lässt, heikles, also die Parteiführung betreffendes, Beweismaterial freizugeben, und damit erst die 260 Im Audiokommentar bemerkt Avnet dazu: »In a film that has been accused of taking shots at the Chinese government, taking a few shots at the American government isn’t gonna hurt.«
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glückliche Auflösung des Falles ermöglicht. Mit Lin Dan wird dabei ausgerechnet der am prowestlichsten eingestellte Chinese als Verantwortlicher für den Mord und Jacks fälschliche Belastung entlarvt, und als Motiv stellt sich statt ideologischer Überzeugung simple Habgier heraus: Der Sohn des Ministers wollte den Abschluss des Geschäfts mit Jacks Firma verhindern, weil deren deutsche Konkurrenz ihm einen bedeutenden Posten zugesichert hatte. Vor allem ist aber bemerkenswert, dass der chinesische Staat bei aller gegen ihn vorgebrachten Kritik als veränderbar dargestellt wird, wie gerade in dieser Schlusssequenz deutlich wird, wenn Yuelins leidenschaftlicher Appell an den Generalstaatsanwalt Wirkung zeigt: »We have lived in silence too long, with courtrooms within courtrooms. Why can we not conduct our affairs in daylight? Why can we not trust the people to witness them? Why can we not allow their voices to be heard rather than crushing them into muteness? I am willing to pay the price if I am wrong. Are you willing to pay the price if I am right?« Dass der hochrangige Repräsentant der Partei und des Staates auf diese Herausforderung nicht etwa mit einem Wutausbruch reagiert, sondern sie annimmt und damit ein echtes Interesse an der Wahrheit bekundet, verheißt die Möglichkeit eines Wandels. Tatsächlich ist dies ein Thema, das den gesamten Film durchzieht: Mehrfach wird auf Auseinandersetzungen innerhalb der chinesischen Führung um die Frage der Öffnung des Landes verwiesen; die Verhandlungen über das Satellitenfernsehen sind ein alles andere als beliebig gewählter Hintergrund; und in dem Club, in dem er Hong Ling trifft, kann Jack sich davon überzeugen, dass zumindest die westliche Populärkultur bereits in China angekommen ist. Vorläufige Grenzen des Wandels werden zwar ebenfalls sichtbar, wenn die Enthüllung von Lin Dans Verantwortung für den Mord zum sofortigen Abbruch der Verhandlung führt und offensichtlich wird, dass er wohl trotz allem straffrei ausgehen würde, weshalb General Hong gar keine andere Wahl bleibt, als ihn selbst zu erschießen. Dennoch stellt Red Corner am Ende die Veränderung Chinas in Aussicht. »I’m needed to make it better«, erklärt Yuelin Jack zum Abschied. Obwohl China als totalitärer Staat porträtiert wird, der in vielem durchaus an die UdSSR erinnert, markiert allein die Tatsache, dass es für möglich erachtet wird, das System von innen heraus ›besser‹ zu machen, und dass Yuelin hierin ihre Zukunft sieht, einen signifikanten Unterschied zu ansonsten vergleichbaren Produktionen aus dem Kalten Krieg. Dort erschienen die sozialistischen Staaten Osteuropas nie als reformierbar, und das Leben hinter dem Eisernen Vorhang wurde als so menschenunwürdig dargestellt, dass nur die Flucht in den Westen Hoffnung auf Erlösung bot. Wer sich wie Arkady Renko in Gorky Park nicht von seiner Heimat trennen konnte, dem blieb einzig eine Art innere Emigration. Im Gegensatz zu einer derartigen kompletten Dämonisierung wartet Red Corner mit einem ambivalenten Bild auf, in dem harsche, teils mit rassistischen Untertönen versehene Kritik und Hoffnung auf Besserung nebeneinanderstehen. Diese zwiespältige Haltung war absolut charakteristisch für die Auseinandersetzung der USA mit Peking. Dass China sich durch Vertiefung der Kontakte mit der Zeit zum Besseren wandeln werde, war die Prämisse der Politik des comprehensive engagement, die die amerikanische Regierung verfolgte. Die Validität dieser Grundannahme war jedoch umstritten. »China is changing rapidly«, konstatierte etwa Au-
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ßenministerin Madeleine Albright 1998,261 und in einer Umfrage desselben Jahres vertraten auch 30% der befragten Bürger die Meinung, China sei »changing for the better«, während nur 8% eine Verschlechterung sahen. Nicht jeder teilte allerdings diese positive Einschätzung, wie sich schon daran zeigt, dass über die Hälfte der Befragten überhaupt keine nennenswerte Veränderung erkannte.262 Immer wieder wurden auch Gründe geltend gemacht, das Aufgehen der engagement-Politik in Frage zu stellen, die – wie verschiedentlich angemerkt wurde – von der chinesischen Regierung ohnehin nur als eine subtile Variante von containment aufgefasst werde.263 Doch selbst die Feststellung, »that China is a one-party authoritarian state resistant to political change«, musste nicht zwangsläufig mit der Forderung eines konfrontativen Kurses einhergehen.264 So bemerkte David Shambaugh Anfang 2001 in Foreign Affairs: »[E]ngagement with China is a fact of life, not a policy preference that can be turned up, down, or off at the whim of an administration. The United States and China are linked by an extensive web of cultural, societal, scientific, and commercial ties that bind the two nations together through countless daily human interactions. Unlike during the Cold War with the former Soviet Union, during which the two adversaries had minimal exchanges in these areas, today Ameri265 cans and Chinese share a dense network of professional and personal bonds.«
Dass Shambaugh auf die Bildung eines parteiübergreifenden Konsenses im Kongress drängte, macht deutlich, dass auch zu Beginn des neuen Jahrtausends immer noch galt, was Barber Conable, Jr. und David Lampton schon 1992 geschrieben hatten: »Within the United States there has been little consensus on an appropriate China policy.«266 Idealistische Tendenzen wie das Eintreten für Menschenrechte standen beispielsweise pragmatischen Erwägungen hinsichtlich Chinas Bedeutung für die amerikanische Wirtschaft gegenüber, innerhalb derer wiederum widerstreitende Interessen herrschten: Während die Exportwirtschaft China als Absatzmarkt umwarb, fürchteten Gewerkschaften und protektionistische Elemente die boomende chinesische Ökonomie als Konkurrenz, die amerikanische Arbeitsplätze vernichte. Die politische Linke fand sich daher bei der China-Politik gelegentlich in einem ungewohnten Bündnis mit der christlichen Rechten, die gegen Zwangsabtreibungen und die Unterdrückung religiöser Aktivitäten agitierte.
261 Madeleine K. Albright, »The Testing of American Foreign Policy«, in: Foreign Affairs 77:6 (1998), 50-64, hier: 57. 262 IIPO, 1998-1999, 201. 263 Vgl. dazu »China: Waking Up to the Next Superpower«, in: Time 25.03.1996; Edward Friedman, »Lone Eagle, Lone Dragon? How the Cold War Did Not End for China«, in: Lieber (Hg.), Eagle Rules?, 194-213. 264 David Shambaugh, »Facing Reality in China Policy«, in: Foreign Affairs 80:1 (2001), 50-64, hier: 58. 265 Ebenda, 55. 266 Barber B. Conable, Jr./David M. Lampton, »China: The Coming Power«, in: Foreign Affairs 71:5 (1992), 133-49, hier: 133.
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Einerseits gelang in manchen Fragen eine Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik, etwa bei den Verhandlungen um das nordkoreanische Atomprogramm, andererseits kam es immer wieder zu ernsten Spannungen. Die Bandbreite der Probleme reichte von Produktpiraterie über die Menschenrechtsfrage bis hin zu Spionage, Waffenverkäufen und der Bedrohung Taiwans durch eine mögliche chinesische Militäraktion. Die Annäherung Pekings an Moskau seit Mitte der 1990er Jahre, die durch die gemeinsame Ablehnung einer US-Hegemonie getragen wurde, belastete das Verhältnis ebenso wie das (versehentliche) Bombardement der chinesischen Botschaft in Belgrad während des Kosovokrieges. Die Frage »How Bad Is China?«, der sich beispielsweise Time im Juni 1998 widmete,267 beschäftigte die USA fortwährend; und gerade Ende der 1990er Jahre stellte sich die Frage, die das Magazin ein Jahr später auf dem Titel formulierte – mit Bezug auf den Bericht eines Kongressausschusses, der in düstersten Farben den legalen und illegalen Erwerb amerikanischer Hochtechnologie durch China schilderte: »The Next Cold War?«268 Die meisten Politiker und Experten gaben hierauf eine verneinende Antwort. Man verwies auf die von Shambaugh erwähnten Verbindungen zwischen beiden Staaten und darauf, dass, wie zum Beispiel die Nationale Sicherheitsstrategie des Jahres 1998 269 feststellte, eine internationale Isolation Chinas unmöglich zu bewerkstelligen sei. Zudem wurde China nicht als eine mit der Sowjetunion vergleichbare Bedrohung wahrgenommen: Die Volksrepublik, die sich in den Augen der meisten Beobachter von einer sozialistischen zu einer eher traditionell autoritären Diktatur entwickelte, galt nicht als ideologischer Herausforderer; und militärisch konnte sie trotz Aufrüstung nicht mit den Vereinigten Staaten konkurrieren. Der Aufstieg zur Supermacht wurde zwar für die Zukunft für möglich oder gar wahrscheinlich erachtet, vorläufig stellte China aber nur eine regionale Großmacht dar. Der Anlass für einen Kalten Krieg schien daher nicht gegeben, auch wenn man das Regime in Peking nicht schätzte. Feindseligkeit wurde vielmehr als kontraproduktiv erachtet.270 Für einige Politstrategen stellte sich die Situation jedoch anders dar. Die entgegenkommende Haltung der USA erschien ihnen als schwerer Fehler und wurde vor allem auf das Wirken einer von eigenen finanziellen Interessen angeleiteten, höchst einflussreichen prochinesischen Lobby zurückgeführt, der etliche hochrangige ehe-
267 »How Bad Is China?«, in: Time 29.06.1998. 268 Time 07.06.1999. Zu den Spannungen zwischen China und den USA in den 1990er Jahren siehe Friedman, »Lone Eagle, Lone Dragon?«; Kay Möller, »Hegemoniale Herausforderung und wirtschaftliche Zusammen-arbeit: Die USA und China«, in: Rudolf/Wilzewski (Hg.), Weltmacht ohne Gegner, 65-86. 269 National Security Strategy [1998], 43. Auch alle vorangehenden Sicherheitsstrategien hatten sich für Kooperation mit China ausgesprochen. 270 Siehe hierzu Nicholas D. Kristof, »The Rise of China«, in: Foreign Affairs 72:5 (1993), 59-74; Kenneth Lieberthal, »A New China Strategy«, in: Foreign Affairs 74:6 (1995), 3549; Robert S. Ross, »Beijing as a Conservative Power«, in: Foreign Affairs 76:2 (1997), 33-44; Brzezinski, Geostrategic Triad, 1-27; Edward Friedman, »The Challenge of a Rising China: Another Germany?«, in: Lieber (Hg.), Eagle Adrift, 215-45; Robert J. Lieber, »Foreign Policy and American Primacy«, in: ders. (Hg.), Eagle Rules?, 1-15, hier: 4.
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malige Regierungsmitglieder zugerechnet wurden.271 Wie bei den Vorwürfen bezüglich der Finanzierung von Clintons Wahlkampf wurde also eine Unterwanderung der amerikanischen Politik konstatiert – eine Idee, die nicht zufällig an entsprechende Befürchtungen hinsichtlich des japanischen Einflusses zu Beginn der 1990er Jahre sowie an die Paranoia der McCarthy-Ära erinnert. Tatsächlich wurde China von diesen dem (neo-)konservativen Lager zuzuordnenden Vordenkern als gefährlichster Feind der Vereinigten Staaten betrachtet. Dies kam etwa in dem von Robert Kagan und William Kristol während des Präsidentschaftswahlkampfes 2000 herausgegebenen Sammelband Present Dangers zum Ausdruck: Die beiden Herausgeber ordneten Peking in ihrem einleitenden Artikel bei den »evil regimes« ein, deren Beseitigung die USA anstreben müssten,272 und bezeichneten die bisherige »American response to China’s aggressive behavior at home and abroad« als »appeasement«.273 Detaillierter ausgeführt wurde dies noch in einem Beitrag von Ross Munro.274 Mit dem Amtsantritt von George W. Bush schien sich dann tatsächlich ein von dieser Sichtweise beeinflusster Politikwechsel abzuzeichnen. In ihrem das außenpolitische Programm der neuen Administration formulierenden Aufsatz in Foreign Affairs hatte Condoleezza Rice zwar keinen kompletten Bruch mit China in Aussicht gestellt und das Festhalten an den Wirtschaftsbeziehungen betont, die Volksrepublik aber auch eindeutig als »strategic competitor« definiert und dem Partnerschaftsgedanken der Clinton-Regierung eine Absage erteilt.275 Das stand im Einklang mit dem Gesamtkonzept, eine wieder stärker an eng definierten nationalen Interessen ausgerichtete Außenpolitik zu betreiben und sich auf die Beziehungen zu mächtigen, strategisch bedeutsamen Staaten zu konzentrieren. Im April 2001 berichtete Time, »[that] George W. [Bush] has plenty of advisers who see China as the looming enemy«,276 und die sich noch im selben Monat abspielende Krise um die Kollision einer chinesischen Jagdmaschine mit einem US-Aufklärungsflugzeug, dessen Crew nach der Notlandung einige Tage von den Chinesen festgehalten wurde, schien die Entwicklung hin zu einem feindseligeren Verhältnis zu bestätigen.277 Wie im Fall von Russland, das von der neuen Administration ebenfalls zunächst wieder als Rivale eingestuft worden war, vollzog die amerikanische Regierung jedoch bald einen Wechsel hin zu einer pragmatischeren Rhetorik und Politik gegenüber China, insbesondere nachdem die Terroranschläge vom 11. September 2001 neue Prioritäten in den Vordergrund treten ließen und eine neue Bedrohungsanalyse bedingten. Im nun ausgerufenen ›Krieg gegen den Terror‹ wurde nicht die Konfrontation, sondern die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik gesucht, die unter anderem 271 Dazu Richard Bernstein/Ross H. Munro, »The New China Lobby«, in: Eugene R. Wittkopf/James M. McCormick (Hg.), The Domestic Sources of American Foreign Policy: Insights and Evidence, Lanham u.a. 31999, 71-83. 272 Kristol/Kagan, »Introduction«, 7 u. 17. 273 Ebenda, 7. 274 Ross H. Munro, »China: The Challenge of a Rising Power«, in: Kagan/Kristol (Hg.), Present Dangers, 47-73. 275 Rice, »Promoting the National Interest«, 56. 276 »Dubya Talks the Talk«, in: Time 02.04.2001. 277 Siehe dazu Time 16.04.2001 mit dem Titel »Getting Colder» und dem Artikel »Saving Face« sowie »Safe Landing«, in: Time 23.04.2001.
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eine Amerikas Recht auf Selbstverteidigung bestätigende UN-Resolution unterstützte. In seiner Rede zur Lage der Nation am 29. Januar 2002 sprach der Präsident dementsprechend von der Auslöschung alter Rivalitäten durch eine gemeinsame Bedrohung.278 Wie auch die in diesem Jahr veröffentlichte neue Nationale Sicherheitsstrategie erkennen ließ, war ein Kalter Krieg gegen China wieder in weite Ferne gerückt.279 Passend zum politischen Diskurs in den Vereinigten Staaten trat China in der Filmproduktion nach 1990 nur vereinzelt als Feind oder gar als Nachfolger der UdSSR auf. Von den bereits erwähnten Filmen aus dem Jahr 1997 abgesehen, ist Tony Scotts Agententhriller Spy Game (2001) wohl das beste Beispiel für ein solches Porträt. Dem CIA-Agenten Tom Bishop (Brad Pitt) droht hier die Hinrichtung innerhalb von 24 Stunden, nachdem er bei dem Versuch festgenommen worden ist, auf eigene Faust seine britische Ex-Freundin aus einem chinesischen Gefängnis zu befreien. Die amerikanische Regierung lehnt es ab, den eigenmächtig handelnden Bishop offiziell als Agenten zu deklarieren und dadurch zu retten, weil dies die Beziehungen zu China belasten würde. Sein alter Mentor Nathan Muir (Robert Redford), mit dem er sich einst wegen der bewussten Frau überworfen hat, muss deshalb an seinem letzten Tag im Dienst eine Rettungsaktion initiieren, ohne dass seine misstrauischen Vorgesetzten dies mitbekommen, während er gleichzeitig für diese noch einmal Bishops Karriere Revue passieren lässt. Die Schilderung ihrer gemeinsamen Operationen gestaltet sich dabei auch als eine Abfolge von Konflikten mit verschiedenen Feinden beziehungsweise Feindbildern: Vietnam, der Kalte Krieg, Beirut. China wird damit zum letzten, aktuellen Glied in der Kette. Gemäß der Logik des Films, der das moralisch oft bedenkliche Handeln der Geheimdienstleute als notwendiges Übel im Kampf gegen die bösen Feinde rechtfertigt, wird die Befreiung des in der Zwischenzeit brutal gefolterten Bishop und seiner Freundin durch eine Spezialeinheit am Schluss als heroisch-triumphale Aktion in Szene gesetzt. Auf eine Problematisierung der Tatsache, dass hier nichts anderes als eine nicht provozierte Militäraktion innerhalb Chinas dargestellt wird, wird bezeichnenderweise verzichtet. Indem der Film die Geschichte im April 1991 verortet und das Ende von Muirs Karriere ostentativ mit dem Ende des Ost-West-Konflikts zusammenfallen lässt, verdeutlicht er noch, dass die Chinesen hier tatsächlich die Sowjets als Feinde ablösen. Genau dies wurde auch von Pierce Brosnan in einem Interview mit der Zeitschrift Cinema zum Kinostart von GoldenEye (1996) als eine Möglichkeit für die Weiterentwicklung der James-Bond-Reihe nach dem Kalten Krieg genannt.280 Tatsächlich übernahm China bereits im nächsten Bond-Film Tomorrow Never Dies (1997) als Widerpart zum Westen quasi die Rolle der UdSSR. Obwohl die Leichtigkeit, mit der sich in diesem Film eine auf einen Krieg zusteuernde Krise zwischen der Volksrepublik und Großbritannien herbeiführen lässt, auf ein dem Kalten Krieg entsprechendes Verhältnis hindeutet und obwohl die Stärke Chinas in deutlichem Kontrast zu der im Prolog thematisierten Schwäche des postsowjetischen Russland steht, wird hier 278 George W. Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 29th, 2002«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=29644 (13.05.2007). 279 Vgl. National Security Strategy [2002], 27f. Zu Bushs China-Politik siehe auch Schild, Bedrohte Supermacht, 42 u. 92-4. 280 »Machos sind in den 90ern ein Witz«, in: Cinema Januar 1996.
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jedoch ein ambivalentes Bild entworfen. Das Szenario, in dem Bond sich schließlich mit einer chinesischen Agentin (Michelle Yeoh) zusammentut, um die Pläne des größenwahnsinnigen britischen Medienmoguls Elliot Carver (Jonathan Price) zu vereiteln und den drohenden Krieg abzuwenden, erinnert nämlich vor allem an vom Geist der Entspannung geprägte Produktionen, insbesondere an The Spy Who Loved Me (1977), dessen Handlung weitgehend kopiert wird. Dass Carver mit einem chinesischen General gemeinsame Sache macht, rückt China ebenfalls nur begrenzt in ein negatives Licht, handelt es sich dabei doch um das aus der Endphase des Ost-WestKonflikts bekannte Motiv des Renegaten, durch das die jeweilige Regierung entlastet wird. Zudem ist dieser Verräter nur für die Hintergrundgeschichte, nicht aber für das eigentliche Geschehen wichtig und im gesamten Film nicht zu sehen. Wenn man also konstatiert, dass die Volksrepublik China in Tomorrow Never Dies den Platz der Sowjetunion einnimmt, so muss man auch feststellen, dass dies nicht im konfrontativen Geist des Kalten Krieges, sondern eher dem versöhnlichen der Entspannung geschieht. Ähnlich verhält es sich auch in Die Another Day (2002), in dem Bond wiederum – diesmal allerdings nur am Rande – auf chinesische Agenten trifft, die, wenn schon nicht Freunde, so doch zumindest auch keine Feinde darstellen. Vielmehr kommt es auch in diesem Fall zu einer vorsichtigen, beiden Seiten nutzenden Kooperation gegen die eigentlichen Schurken aus Nordkorea, die im Gegensatz zu den Chinesen auf Krieg aus sind. Die beiden James-Bond-Filme spiegeln somit das zwiespältige Chinabild wider, das im amerikanischen Diskurs vorherrschte und das geradezu paradigmatisch auch in dem Actionfilm The Art of War zutage tritt. Bezeichnend ist schon, dass wie in Red Corner auch hier ein für die Öffnung Chinas wichtiger Vertragsabschluss und damit die Möglichkeit eines Wandels Teil der Story sind. Sabotieren wollen das Abkommen in The Art of War ein chinesischer Wirtschaftstycoon, der seine monopolistische Stellung sichern will, und vor allem einige ideologisch motivierte Amerikaner, die sich selbst als Hüter der Demokratie sehen und China als einen Virus betrachten, der die USA vergiftet. »For a woman obsessed with Chinese conspiracies you sound frighteningly similar to the government you are trying to stop«, kommentiert die weibliche Hauptperson, eine chinesische Übersetzerin bei der UNO, derartige Erläuterungen einer der Verschwörerinnen. Dieser Satz fasst die Haltung des Films zusammen, der China durchaus als bedrohlich präsentiert, obsessive Chinahasser jedoch zu seinen primären Schurken macht. Das Ergebnis, sollten deren Vorhaben gelingen, wird eindeutig benannt: »Back to the Cold War.« Ebenso eindeutig wird ein neuer Kalter Krieg hier als unnötig dargestellt, als mögliche Ausgeburt einer Paranoia, die mindestens ebenso gefährlich daherkommt wie das diktatorische Regime in Peking. Entgegen dem, was man zunächst vermuten könnte, zeigt sich also, dass China in den Vereinigten Staaten vor allem ambivalent wahrgenommen wurde und wird. Als Feindbild spielt es bei weitem nicht die Rolle, die seine Größe und der Umstand, dass es nach wie vor von einer – zumindest dem Namen nach – kommunistischen Partei regiert wird, annehmen lassen würden. Wie zu sehen war, spielen dabei verschiedene Faktoren eine Rolle, von denen ein sicherlich bedeutender der ist, dass andere Feindbilder, wie vor allem der Terrorismus, größere Aufmerksamkeit beanspruchen. Als potentieller Feind ist China freilich durchaus präsent, zumal die rassistischen Muster
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der ›gelben Gefahr‹ auch hier greifen, wie etwa an Red Corner zu sehen war. Wenn es in dem Mafiathriller The Departed (2006) heißt, »we’ll probably be at war with the Chinese in 20-odd years«, dann gibt das einen wichtigen Bestandteil des seit 1989 kaum veränderten China-Bildes wieder und verweist darauf, dass die Volksrepublik ihrerseits eines Tages andere Feindbilder überschatten könnte. Bislang ist dies jedoch nicht der Fall.
3.4 »THE WEST WILL SHAKE WITH FEAR«: DER ›SCHURKENSTAAT‹ NORDKOREA In der Reihe der in diesem Kapitel behandelten Feindbilder muss zum Schluss natürlich noch auf Nordkorea eingegangen werden, gegen das die USA von 1950 bis 1953 Krieg führten und das seit den 1990er Jahren als paradigmatischer ›Schurkenstaat‹ wieder einen wichtigen Platz in der amerikanischen Dämonologie einnimmt. Da sich im letzten Teil der Arbeit ein eigenes Kapitel ausführlich mit dem Konzept des ›Schurkenstaates‹ und den darunter subsumierten Feindbildern beschäftigt, sollen an dieser Stelle einige knappe Erläuterungen zu Nordkorea als Repräsentanten der ›gelben Gefahr‹ genügen. Als solcher war es zunächst natürlich durch den Koreakrieg erschienen. In den 1950er und 1960er Jahren hatten die Nordkoreaner – gemeinsam mit ihren chinesischen Verbündeten – in Filmen wie Pork Chop Hill (1959) oder The Manchurian Candidate (1962) die Japaner als Verkörperung des asiatischen Feindes abgelöst, bis der Vietnamkrieg dann zu einer erneuten Verschiebung führte. Zum Ende des Jahrtausends rückte die zunehmende Betonung der Bedrohung durch ›Schurkenstaaten‹ Nordkorea als Feindbild dann wieder in den Fokus des Interesses. Auch in den in diesem Zusammenhang entstandenen Produktionen spielen rassistische Stereotypen und Handlungsmuster, die auf Nordkoreas asiatischen Charakter abheben, immer wieder eine Rolle. Besonders auffällig ist dies in Die Another Day (2002), in dem, wie oben schon erwähnt wurde, zwar nicht die Chinesen, wohl aber die Nordkoreaner als Gefahr dargestellt werden. Mittels einer im All stationierten Superwaffe wollen sie die amerikanische Verteidigungslinie durchbrechen und den Süden des geteilten Landes erobern. Die Perfidie der Bedrohung besteht aber weniger in der Erlangung waffentechnischer Überlegenheit, als vielmehr in dem Akt der Unterwanderung, der diese überhaupt erst ermöglicht: Der Oberschurke des Films, der junge nordkoreanische Oberst Moon (Will Yun Lee), verwandelt sich nach einem missglückten Versuch Bonds, ihn auszuschalten, mittels einer futuristischen GenBehandlung in den blonden Gustav Graves (Toby Stephens). Er verbirgt also seine wahre asiatische Identität hinter einer perfektionierten Variante von whiteface, die es ihm zusammen mit seiner in Oxford und Harvard erworbenen Erziehung erlaubt, tatsächlich als Weißer durchzugehen und selbst Bond zu täuschen. Dieser Akt des passing greift prägnant die Ängste vor dem Überschreiten von ›Rassengrenzen‹ und speziell vor dem subversiven Charakter der ›gelben Gefahr‹ auf. Gegen den asiatischen Feind wird, ähnlich wie in Rising Sun (1993), ein Bündnis von Schwarzen und Weißen in Szene gesetzt, indem man Bond in diesem Film die schwarze NSA-Agentin Jinx (Halle Berry) zur Seite stellt. Zugleich hat diese Figur natürlich die Funktion, kritische Aufmerksamkeit von den rassistischen Elementen abzulenken.
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Zu diesen muss man auch die Titelsequenz zählen, in der 007, nachdem er am Ende des Prologs vom nordkoreanischen Militär gefangen genommen worden ist, brutal gefoltert wird. Seine 14 Monate dauernde Haft stellt ein in der Serie ungewöhnliches Motiv dar, passt als captivity narrative aber bestens in das Muster der Auseinandersetzung mit nichtweißen, gerade auch asiatischen Feinden. Dass seine Folterung von einer jungen Frau geleitet wird, steht mit den sexistischen bis misogynen Untertönen der Bond-Filme im Einklang sowie mit den Ansprüchen an die stilisierte Erotik der jeweils aufwendig gestalteten Titelsequenzen in dieser Reihe. Die erotisch aufgeladene Quälerei eines weißen Mannes durch eine Asiatin evoziert dabei aber vor allem durch den westlichen Orientalismus geprägte sadomasochistische Fantasien bezüglich des verlockend-gefährlichen Fremden. Bonds persönliche Krise, die stellvertretend für die des bedrohten Westens steht, wird in der Folter durch die Hand einer asiatischen Frau prägnant als Krise weißer Männlichkeit definiert. Dieser Eindruck verfestigt sich weiter, wenn sich später seine homosexuell konnotierte Kollegin Miranda Frost (Rosamund Pike) als die für Moon/Graves arbeitende Verräterin entpuppt, die Bonds Tarnung hat auffliegen lassen. Wieder einmal wird so die kombinierte Bedrohung von politischer, ›rassischer‹ und Gender-Ordnung durch die ›gelbe Gefahr‹ betont, und nicht anders als in Year of the Dragon (1985) ist ein glückliches Ende gleichbedeutend mit der Tötung des aufstrebenden Asiaten und der Wiederherstellung männlicher Dominanz.281 Die rassistische Prägung der Titelsequenz wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass Folter oft geradezu als orientalische Spezialität dargestellt wird, beispielsweise in Lethal Weapon (1987), in dem die Schurken Riggs von einem asiatischen Experten foltern lassen. »Endo here has forgotten more about dispensing pain than you and I will ever know«, erklärt der Albino-Bösewicht Mr. Joshua (Gary Busey) dazu. Der Rückgriff auf dieses Motiv ist wenig überraschend in einem Film, der mit Bezügen zum Vietnamkrieg gespickt ist, ist das Schreckensbild von asiatischer Gefangenschaft und Folter über die POW-Thematik doch noch einmal zu besonderer Wichtigkeit gelangt und quasi als moderne Version der Marterung durch die Indianer festgeschrieben worden. Eine Verbindungslinie von Vietnam zu Nordkorea wird denn auch in Behind Enemy Lines: Axis of Evil (2006) gezogen, wenn die Folterung eines gefangenen Soldaten der Elitetruppe Navy SEALs durch Nordkoreaner mit Flashbacks zusammengeschnitten wird, in denen sein Ausbilder von eigenen Erfahrungen berichtet: »Viet Cong did their thing on me for three days. They did things… truly unimaginable. Unhuman.« Hier deutet sich eine Traditionslinie verschiedener Generationen von amerikanischen Soldaten auf der einen und austauschbarer asiatischer Feinde auf der anderen Seite an. Gerade diese Austauschbarkeit verweist einmal mehr auf die rassistische Idee der ›gelben Gefahr‹ und darauf, dass die unterschiedlichen Feinde aus Asien auf einer grundlegenden Ebene als bloße Verkörperungen einer im Wesentlichen immer gleichen Bedrohung wahrgenommen werden. Auch deshalb ist es nicht nötig, in Filmen wie Con Express (2002) oder I Spy (2002) die asiatischen Schurken, die gefährliche 281 Vordergründig wird die Geschlechterordnung natürlich auch durch Jinx in Frage gestellt, tatsächlich erweist sie sich aber als traditionelle Gefährtin 007s, die mehrfach gerettet werden muss und seinem Charme nicht widerstehen kann – anders als Miranda, die nur aus manipulativen Gründen mit ihm schläft.
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Waffen kaufen wollen, mit einer genauen Nationalität zu identifizieren: Ihre ›rassische‹ Identität ist Merkmal genug. Zugleich bleiben sie dadurch für verschiedene Zuschreibungen zu jeweils aktuellen Feindbildern offen. Und irgendein asiatischer Staat ist von den USA in den letzten 100 Jahren immer als zumindest potentieller Feind betrachtet worden: Auf die Japaner folgten Nordkoreaner und Chinesen, auf diese die Vietnamesen, auf diese wiederum die Japaner und zuletzt erneut Nordkoreaner und – mit Abstrichen – Chinesen. Insofern ist – trotz aller Fortschritte, die Asiaten während der letzten Jahrzehnte in den Vereinigten Staaten und speziell in der Filmindustrie erreicht haben282 – auch wenig überraschend, was Norman K. Denzin 2002 festgestellt hat: »Unlike Hispanic or black cinema, there is no extended positive revisionist period for the Asian American community, no golden moment when Hollywood seems to see the light[.]«283
282 Siehe dazu Hong, »Asian Americans«, 229-33. 283 Denzin, Reading Race, 34.
4
Der ›Krieg gegen die Drogen‹
4.1 »THE EVIL EMPIRE OF RECREATIONAL DRUGS«: VOM KALTEN KRIEG ZUM DROGENKRIEG Mit dem Drogenhändler soll nun ein Feindbild in den Blick genommen werden, das nicht nur deshalb spezielle Aufmerksamkeit verdient, weil es mit dem Ende des OstWest-Konflikts enorm an Bedeutung gewann, sondern auch, weil es im Gegensatz zu anderen Feindbildern, für die sich dies ebenfalls beobachten lässt – wie das südafrikanische Apartheidregime oder Japan –, nicht über einen bestimmten Staat definiert werden kann. Der Drogenhandel wird vielmehr den transnationalen Bedrohungen zugeordnet, die für die Welt nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums als bestimmend wahrgenommen wurden und werden. Dieses Feindbild steht daher auch in enger Beziehung zu dem des Terrorismus. Tatsächlich wurden im war on drugs in vielfacher Weise die Grundlagen ausgebildet, auf denen der war on terror aufbaut, etwa bei der Internationalisierung der Verbrechensbekämpfung und der Verwischung der Grenzen zwischen äußerer und innerer Sicherheit.1 Wenn Amerikas ›Krieg gegen die Drogen‹ heute weitgehend hinter dem Kampf gegen den Terrorismus zurücktritt beziehungsweise von diesem absorbiert wurde, sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass er selbst die Kultur und die Politik der Vereinigten Staaten entscheidend geprägt hat und noch bis heute prägt. Bei der Betrachtung dieses Feindbildes und seiner Auswirkungen muss dieser Vorreiterrolle daher die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden, während zugleich zu beachten ist, wie stark es an die vertrauten Muster und Traditionen der amerikanischen Dämonologie anknüpft. »[I]nternational crime control is one of the most important – and one of the most overlooked – dimensions of U.S. hegemony in world politics«, stellen Ethan Nadelmann und Peter Andreas fest,2 und der Kampf gegen illegale Drogen war eine entscheidende Triebkraft bei der Entwicklung hin zu dieser Situation.3 Seit Beginn des 20. Jahrhunderts, als viele vormals legale und in mannigfaltiger Form verbreitete Rausch- und Betäubungsmittel wie Kokain und Heroin kriminalisiert wurden, übernahmen die USA die Führungsrolle bei der Befürwortung strenger internationaler Regelungen zur Kontrolle dieser verbotenen Substanzen. Von Isolationismus, der den 1 2 3
Siehe dazu Peter Andreas/Ethan Nadelmann, Policing the Globe: Criminalization and Crime Control in International Relations, Oxford 2006, v.a. 157-88. Ebenda, 10. Dazu auch Ethan A. Nadelmann, Cops Across Borders: The Internationalization of U.S. Criminal Law Enforcement, University Park 1993.
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Vereinigten Staaten ansonsten für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg häufig attestiert wird, konnte auf diesem Gebiet keine Rede sein. Während der Versuch scheiterte, innerhalb der Vereinigten Staaten ein landesweites Verbot von Alkohol durchzusetzen, und die seit 1919 geltende, im 18. Zusatzartikel zur Verfassung festgeschriebene Prohibition durch die Verabschiedung des 21. Zusatzartikels 1933 wieder aufgehoben wurde, verschärfte sich die Bekämpfung von in der westlichen Kultur weniger verwurzelten Drogen zur selben Zeit. Harry J. Anslinger suchte als Direktor des 1930 gegründeten Federal Bureau of Narcotics den Einfluss seiner Behörde zu stärken und agitierte nicht zuletzt deshalb für die Kriminalisierung von Marihuana. Von großer Wichtigkeit war dabei, dass in diesem Kontext die Behauptung eines direkten Zusammenhangs zwischen Drogenkonsum und Verbrechen quasi als gesichertes Wissen etabliert wurde.4 Hier knüpfte Richard Nixon an, der sich im Präsidentschaftswahlkampf 1968 als Kandidat für Recht und Ordnung präsentierte und dabei den Ausdruck war on drugs prägte. Im Juni 1971, als Drogen auch im Zusammenhang mit dem Konsum der in Vietnam kämpfenden Soldaten wachsende Besorgnis erregten, erklärte er entsprechend: »America’s public enemy number one in the United States is drug abuse. In order to fight and defeat this enemy, it is necessary to wage a new, all-out offensive.«5 Zwar betrieb er ungeachtet der martialischen Rhetorik eine Politik, die deutlich ausgewogener war als die späterer Präsidenten und einen Schwerpunkt auf Aufklärung und Therapie setzte; gleichwohl wurden hier in vielfacher Weise die Wiechen für die weitere Entwicklung des ›Krieges gegen die Drogen‹ gestellt, insbesondere indem ausländische Drogenschmuggler nun offiziell zu Feinden Amerikas erhoben wurden. Die Aufmerksamkeit konzentrierte sich dabei auf die sogenannte French Connection6 und den Opiumschmuggel aus der Türkei. Folgerichtig wurde das internationale Engagement in dieser Zeit weiter verstärkt und die Zahl der im Ausland stationierten Beamten zur Bekämpfung des Drogenhandels aufgestockt. Mit der Drug Enforcement Administration (DEA) wurde 1973 außerdem eine neue mit dem Drogenproblem befasste zentrale Justizbehörde gegründet, in der die verschiedenen kleineren, bis dahin nebeneinander operierenden Ämter wie das Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs oder das Office of Drug Abuse Law Enforcement aufgingen. Dieser Ausbau der Bürokratie trug in nicht unerheblichem Maße dazu bei, den Drogenkrieg zu perpetuieren, auch wenn Nixon selbst nach seiner Wiederwahl 1972 bereits den Sieg im Kampf gegen die Drogen beanspruchte und das Thema von der politischen Agenda nahm.7 4 5 6 7
Siehe dazu ausführlich Eva Bertram u.a., Drug War Politics: The Price of Denial, Berkeley u.a. 1996, 78-84. Richard Nixon, »Remarks About an Intensified Program for Drug Abuse Prevention and Control, June 17, 1971«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=3047 (19.08.2008). Diese gab 1971 auch dem Krimi-Klassiker von William Friedkin um die Jagd auf einen französischen Drogenboss den Namen. Zur Drogenpolitik Nixons vgl. ausführlich Bertram u.a., Drug War Politics, 105-9; Tad Galen Carpenter, Bad Neighbor Policy: Washington’s Futile War on Drugs in Latin America, New York/Basingstoke 2003, 11-5; Cornelius Friesendorf, US Foreign Policy and the War on Drugs: Displacing the Cocaine and Heroin Industry, London/New York 2007, 3778.
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Unter Gerald Ford und Jimmy Carter spielte es in der Folge ebenfalls keine prominente Rolle. Die Expansion des bürokratischen Apparates ging allerdings weiter, während die Bemühungen um eine Reform der Drogenpolitik scheiterten. Die auch von einigen Konservativen, die auf persönliche Freiheitsrechte pochten, unterstützte Bewegung für die Legalisierung von Marihuana erzielte zwar kurzfristige, lokale Erfolge, als während der 1970er Jahre immerhin elf Bundesstaaten den privaten Gebrauch der Droge entkriminalisierten, letztendlich stieß sie aber auf unüberwindlichen Widerstand, vor dem auch Carter mit seiner Unterstützung entsprechender Maßnahmen kapitulierte. Das »punitive paradigm«8, das vor allem auf dem Zusammendenken von Drogen und Verbrechen gründete, war in maßgeblichen Teilen der Gesellschaft offensichtlich fest verankert. Dass zu dieser Zeit viele Amerikaner im Drogenkonsum einen Auslöser für die ›unpatriotische‹ Haltung von Jugendlichen sahen, tat ein Übriges.9 Konsequenterweise ging die konservative Reaktion der Reagan-Ära denn auch mit einer Erneuerung und Eskalation des war on drugs einher. »This administration hereby declares an all-out war on big-time organized crime and the drug racketeers who are poisoning our young people«, verkündete Reagan in seiner Rede zur Lage der Nation am 25. Januar 1983.10 Schon zuvor hatte sich der Präsident dem Thema bei mehreren Gelegenheiten gewidmet und dabei die Kriegsmetapher ausgeschlachtet: »[W]e’ve taken down the surrender flag and run up the battle flag. And we’re going to win the war on drugs«, hatte er etwa im Oktober 1982 erklärt.11 Dieses vollmundige Siegesversprechen ließ sich zwar nicht halten – trotz scharfer neuer Gesetze, der Einbeziehung von Militär und Geheimdiensten und einer landesweiten Kampagne unter Schirmherrschaft der First Lady –, dennoch konnten die Anstrengungen im Hinblick auf andere Ziele der Administration durchaus als Erfolg gewertet werden, spielten sie doch für die Diskreditierung der 1960er Jahre und die Stärkung des konservativen Klimas eine nicht unwichtige Rolle. In diesem Kontext ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass bei der Bekämpfung von Drogen in der Geschichte der USA von jeher eine Absicht mitschwang, die Diana Gordon als die Kontrolle von »dangerous classes« beschrieben hat, also von Gruppen, die im Zusammenhang mit sozialen und ökonomischen Veränderungen als Bedrohung wahrgenommen wurden, weil sie die bestehende Ordnung herausforderten.12 So erwuchs das Vorgehen gegen Opium Ende des 19. Jahrhunderts aus der Befürchtung, die eingewanderten chinesischen Arbeiter stellten eine Konkurrenz für die europäischen Ethnien dar; die Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitete Behauptung, Kokainkonsum mache schwarze Männer zu rasenden Bestien mit übermenschlichen Kräften und sta8 Bertram u.a., Drug War Politics. 9 Vgl. hierzu ebenda, 93-100 u. 109f; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 15-8. 10 Ronald Reagan, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 25th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=41698 (12.05.2007). 11 Ronald Reagan, »Radio Address to the Nation on Federal Drug Policy, October 2nd, 1982«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=43085 (27.07.2007). Vgl. auch Ronald Reagan, »Remarks on Signing Executive Order 12368, Concerning Federal Drug Abuse Policy Functions, June 24th, 1982«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=42671 (20.11.2007). 12 Diana R. Gordon, The Return of the Dangerous Classes: Drug Prohibition and Policy Politics, New York/London 1994.
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chele sie zur Vergewaltigung weißer Frauen an, verriet mehr über die Ängste der weißen Gesellschaft angesichts der Emanzipation der Schwarzen (insbesondere im Süden) als über die Wirkung von Drogen, geschweige denn ihre Verbreitung unter bestimmten Bevölkerungsgruppen; und die Kampagne gegen Marihuana in den 1930er Jahren richtete sich primär gegen mexikanische Wanderarbeiter, die zur Zeit der Großen Depression als unliebsame Eindringlinge erschienen.13 Bei Betrachtung dieser länger zurückliegenden drug scares in den Vereinigten Staaten fällt die deutliche Prägung durch rassistische beziehungsweise nativistische Denkmuster auf. Insofern kann es nicht überraschen, dass auch der ›Krieg gegen die Drogen‹ seit den 1980er Jahren massiv Minderheiten zur Zielscheibe machte, in diesem Fall Schwarze und Latinos, die nun mit jener Kultur von Drogen und Kriminalität identifiziert wurden, die es zu bekämpfen galt. Bezeichnend ist etwa, dass rauchbares Kokain, als freebase schon seit längerem bekannt und vor allem unter der weißen Mittelschicht verbreitet, erst in dem Moment hysterische Beschwörungen einer nationalen Krise auslöste, als es in Form des billigen Crack in den Ghettos auftauchte und mit ohnehin als gefährlich wahrgenommenen Gruppen in Verbindung gebracht werden konnte.14 In der Forschung ist zudem drauf hingewiesen worden, dass ein gegen die Versorgung mit Drogen einerseits und die Konsumenten andererseits geführter ›Krieg‹ in Verbindung mit den sozialen Verhältnissen in den amerikanischen Innenstädten unweigerlich zu einem ›Krieg‹ gegen Arme und gegen ethnische Minderheiten wird, auch wenn dies nicht von vornherein intendiert sein sollte. Mehrere Faktoren kommen hier zusammen: dass Drogenkonsumenten mit niedrigem Einkommen zur Befriedigung ihrer Sucht auf Beschaffungskriminalität angewiesen sind; die Tatsache, dass die Drogenindustrie in armen Vierteln Jobs bietet; der Umstand, dass Schwarze vor allem im Straßenhandel aktiv sind, aber nicht auf den einträglicheren und risikoloseren höheren Ebenen; und zu guter Letzt die simple Logik, dass die armen Innenstädte aus allen diesen Gründen schneller in das Visier einer eifrigen und unter Erfolgsdruck stehenden Polizei geraten.15 Obwohl Schwarze einen deutlich geringeren Anteil als Weiße an den Konsumenten illegaler Drogen ausmachen – 1990 waren es beispielsweise 15% gegenüber 77% – und obwohl sie auch im Handel keine dominante Stellung einnehmen, ist die Wahrscheinlichkeit als Schwarzer wegen eines Drogendeliktes verhaftet zu werden, deutlich größer, als dies bei einem Weißen der Fall ist. 1991 etwa lag sie viermal so hoch.16 Dies trug erheblich zu einem dramatischen Ungleichgewicht bei: 2003 waren nur 12,3% der amerikanischen Bevölkerung schwarz, aber 46% aller Häftlinge in den USA.17 Der unter Reagan begonnene war on drugs führte deshalb – im Zusammenspiel mit der Beschneidung des Wohlfahrtsstaates – nicht nur zu einer Verschlimmerung jener Verhältnisse, die Drogenprobleme befördern, er vertiefte auch die Spaltung 13 Siehe dazu ebenda, 24f; außerdem Bertram u.a., Drug War Politics, 64f u. 78-84. 14 Dazu ausführlich Craig Reinarman/Harry G. Levine, »The Construction of America’s Crack Crisis«, in: Lorenz Böllinger (Hg.), De-Americanizing Drug Policy: The Search for Alternatives for Failed Repression, Frankfurt a.M. 1994, 49-87. 15 Siehe Bertram u.a., Drug War Politics, 36-42. 16 Zahlen ebenda, 38. 17 Zahlen aus Patterson, Restless Giant, 274.
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zwischen den ›Rassen‹. Während die Angst der Weißen vor den Minderheiten durch die Fokussierung auf Schwarze und Latinos noch gesteigert wurde, fühlten diese sich – wie gezeigt wurde nicht zu Unrecht – als Zielscheiben einer rassistischen Politik.18 Die »dangerous classes« innerhalb Amerikas, die im ›Krieg gegen die Drogen‹ im Zaum gehalten werden sollten, waren allerdings keineswegs nur ›rassisch‹ definiert. Zu ihnen gehörten vielmehr auch Jugendliche und allzu liberal eingestellte Geister, denn die neuerliche Offensive war eine umfassende Reaktion auf die Umbrüche der vorangegangenen Jahrzehnte, die nun als Zeit des moralischen Verfalls und damit als Ursprung des Drogenproblems dargestellt wurden. »Back in the 1960’s and 1970’s, America crossed a deadly line«, behauptete beispielsweise Reagan in einer Rede im Jahr 1988: »The use of illegal drugs became not just condoned but even celebrated by a permissive cultural establishment whose slogan was ›Just Say Yes.‹ It was a time when all restrictions on personal behavior were under attack.«19 In dieselbe Kerbe hieben William J. Bennett und einige konservative Gesinnungsgenossen noch in ihrem 1996 erschienenen Buch Body Count: »The illegal drug problem of the United States today began as part of the radical political and moral criticism of American culture and the related youthful rebelliousness of the late 1960s and the 1970s[.]«20 Jugendliche und Liberale wurden so zu den Verantwortlichen für ein Drogenproblem erklärt, das man als moralische Schwäche definierte und dem man vermeintlich durch die Rückkehr zu der fälschlicherweise in Frage gestellten strengen Ordnung früherer Zeiten begegnen musste. »Just Say No« als Slogan von Nancy Reagans Anti-Drogen-Kampagne versinnbildlichte diese simple Sichtweise, die etwa dazu führte, dass eine renommierte, für die Bürgerrechte eintretende Gruppe wie die ACLU von den Drogenkriegern zum Teil offen als ›der Feind‹ bezeichnet wurde.21 Dass der war on drugs in erheblichem Maß ein Projekt der Neuen Rechten darstellte, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er alsbald von einem breiten überparteilichen Konsens getragen wurde. Hierbei spielten die Mechanismen des politischen Prozesses eine entscheidende Rolle. Im Kampf um die Wählergunst stiegen die Demokraten auf das Thema Drogen ein und forderten die Republikaner mit ihrer eigenen harten Haltung auf einem Politikfeld heraus, das diese traditionell für sich beanspruchten: Recht und Ordnung. Dadurch sahen sich die republikanischen Politiker genötigt, ihrerseits noch extremere Positionen zu beziehen, sodass sich insbesondere in den Wahljahren der 1980er ein regelrechter »out-toughing contest«22 entwickelte, der damit endete, dass sich beide Parteien auf eine derart harte Linie festlegten, dass gegenseitiges Übertrumpfen praktisch nicht mehr möglich war. Dies führte zur Verabschiedung immer schärferer Gesetze, über deren Angemessenheit und Um18 Vgl. Bertram u.a., Drug War Politics, 42-5. 19 Ronald Reagan, »Remarks at a White House Ceremony Honoring Law Enforcement Officers Slain in the War on Drugs, April 19th, 1988«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=35698 (27.07.2007). 20 William J. Bennett u.a., Body Count: Moral Poverty… and How to Win America’s War Against Crime and Drugs, New York 1996, 146f. Vgl. z.B. auch Nixons Ausführungen in seinem 1992 veröffentlichten Buch Seize the Moment, 294. 21 Vgl. Gordon, Dangerous Classes, 136; zu Jugendlichen und Liberalen als »dangerous classes« siehe ebenda, 127-34 u. 135-7. 22 Bertram u.a., Drug War Politics, 138.
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setzbarkeit eine sinnvolle Debatte kaum noch möglich war, weil jede Kritik die Gefahr barg, als »soft on drugs« beziehungsweise als Saboteur der Kriegsanstrengungen gebrandmarkt zu werden.23 Das ›strafende Paradigma‹ wurde auf diese Weise noch fester als zuvor in der amerikanischen Kultur und Gesellschaft verankert. Die Zahl der Gefängnisinsassen in den Vereinigten Staaten verfünffachte sich zwischen 1970 und 2000 auf 2,1 Millionen24 – nicht zuletzt wegen hoher Mindesthaftstrafen schon für geringfügige Drogenvergehen. Natürlich wird man nicht allen Politikern – in beiden Parteien – absprechen können, dass hinter ihrem Eintreten für scharfe Anti-Drogen-Maßnahmen auch echte Überzeugung stand; und überhaupt drängt sich die Frage auf, ob sie nicht nur den Bedürfnissen und Wünschen der Wähler folgten. »The public is outraged; opinion polls show that drug abuse has surpassed economic woes and the threat of real war as the nation’s No. 1 concern«, berichtete etwa Time im September 1986.25 War es also die Bevölkerung, die die Agenda vorgab? Und war diese die logische Konsequenz realer Probleme? Dass solche existierten, ist unbestreitbar. Die Vereinigten Staaten waren der größte Absatzmarkt für illegale Drogen. Zwischen 1983 und 1987 stieg zudem die Zahl von kokainbedingten Notfällen in Krankenhäusern ebenso wie die von Todesfällen deutlich an. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Drogenkonsum war beträchtlich.26 Dennoch stellte die geradezu hysterische Stimmung, die in den USA vor allem im Hinblick auf Crack um sich griff, eine Überreaktion auf eine Krise dar, die zu einem guten Teil konstruiert war. Die offiziellen Daten gaben keineswegs Anlass zu derartiger Panik, von einer ›Epidemie‹, wie sie oft behauptet wurde, konnte keine Rede sein.27 Bezeichnenderweise betrachtete zwar ein Großteil der Amerikaner Drogen als das wichtigste Problem des Landes, gleichzeitig gaben in Umfragen aber nur sehr wenige an, Drogenkonsumenten zu kennen.28 Von großer Bedeutung für die nationale Stimmung waren zweifellos prominente Fälle wie der Tod des 22-jährigen Baseballstars Les Bias, der am 19. Juni 1986 an Herzversagen starb, nachdem er auf einer Party Kokain genommen hatte. Besorgnis erregte auch die ausufernde Gewalt in Kolumbien, wo während der 1980er Jahre Hunderte von Journalisten, Polizisten, Staatsanwälten, Richtern und Politikern von Drogenhändlern ermordet wurden. Dass der Andenstaat um sein Überleben kämpfte, wie das Time Magazine im September 1989 auf dem Titel verkündete,29 musste als eindringliche Warnung vor dem bedrohlichen Potential des internationalen Drogenhandels aufgefasst werden. Allerdings übersah man aus amerikanischer Perspektive zumeist, dass die Terrorkampagne der kolumbianischen Drogenbosse nur ein 23 Siehe zu diesem Aspekt ausführlicher ebenda, 137-46; Reinarman/Levine, »Crack Crisis«, 71-3. 24 Zahlen aus Patterson, Restless Giant, 273. 25 »America’s Crusade«, in: Time 15.09.1986. Vgl. auch »Crack Down«, in: Time 18.08. 1986. 26 Vgl. dazu Friesendorf, War on Drugs, 82. 27 Vgl. Reinarman/Levine, »Crack Crisis«, 58-64. 28 Vgl. Gordon, Dangerous Classes, 102. 29 Time 04.09.1989 mit der Titelschlagzeile: »Violent Colombia: A Country Fights For Its Life«.
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einziges Ziel verfolgte: den Schutz vor Strafverfolgung und insbesondere die Aufkündigung des Auslieferungsabkommens mit den USA.30 Ohne die brutalen Morde in Kolumbien in irgendeiner Weise rechtfertigen zu wollen, ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass sie nicht zuletzt eine Folge der Bekämpfung des Drogenhandels durch die Vereinigten Staaten beziehungsweise auf deren Druck hin waren. Entsprechendes muss auch für die Gewalt in den amerikanischen Städten festgestellt werden, die in den 1980er und 1990er Jahren gleichfalls neue Dimensionen erreichte. Die bereits als Allgemeinwissen etablierte Überzeugung, dass Drogen Verbrechen bedingten, schien sich damit einmal mehr zu bestätigen und lieferte eines der wichtigsten Argumente für die Notwendigkeit eines entschiedenen Vorgehens. Immer wieder wurden Statistiken angeführt, denen zufolge ein überragender Anteil der in den USA verübten Gewaltverbrechen mit Drogen zu tun hatte. Die grobe Kategorisierung von sogenannten drug-related crimes beinhaltete jedoch einen entscheidenden Fehler: Die direkten Auswirkungen von Drogenhandel und -konsum wurden mit den Folgen ihrer Kriminalisierung vermischt und verwechselt. Tatsächlich ließen und lassen sich bis heute Beschaffungskriminalität ebenso wie die blutigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Banden von Drogenhändlern oder deren ebenfalls oft gewalttätige Zusammenstöße mit der Polizei darauf zurückführen, dass das Geschäft mit Drogen auf einem illegalen und gerade deshalb höchst lukrativen Markt abgewickelt wird. Es war also vor allem die Definition von Drogen als Problem der Verbrechensbekämpfung selbst, die es zu einem solchen machte.31 Die Erkenntnis, dass das Drogenproblem der USA übertrieben dargestellt und zudem durch die Maßnahmen zu seiner Bekämpfung erheblich verschlimmert wurde, lässt noch die Frage offen, ob die Politik den Wünschen der Bevölkerung folgte. Hierzu ist zu bemerken, dass die öffentliche Meinung bei der Perpetuierung des neuen ›Krieges gegen die Drogen‹ sicherlich eine bedeutende Rolle spielte, dass sie zunächst aber durch Politiker und Medien geformt wurde, die ihrerseits die nationale Krise so lange beschworen, bis eine Mehrheit der Amerikaner sie als Fakt akzeptiert und verinnerlicht hatte. So war die Öffentlichkeit aufgrund des täglichen Bombardements mit Medienberichten in den späten 1980er Jahren überzeugt, dass das Kokainproblem immer schlimmer werde, obwohl die Zahl der gelegentlichen Nutzer sogar zurückging.32 Charakteristisch war auch George Bushs Fernsehansprache am 5. September 1989, in der er Drogen als »the gravest domestic threat facing our nation today« identifizierte. Um zu illustrieren, wie groß die Gefahr war, hielt der Präsident während der Rede ein Tütchen mit Crack in die Kamera, das kurz zuvor in einem Park »just across the street from the White House« konfisziert worden war.33 Die Botschaft lautete, dass Drogen die Vereinigten Staaten bereits so weit unterwandert hatten, dass sie buchstäblich überall zu finden waren. Wenige Tage später enthüllten Presseberichte allerdings, dass dem nicht so war. Tatsächlich hatte die DEA erst einen Dealer 30 Dazu Bruce M. Bagley, »Colombia and the War on Drugs«, in: Foreign Affairs 67:1 (1988), 70-92, v.a. 73-8. 31 Vgl. hierzu Bertram u.a., Drug War Politics, 33f; Gordon, Dangerous Classes, 5f. 32 Vgl. Friesendorf, War on Drugs, 82f. 33 George Bush, »Address to the Nation on the National Drug Control Strategy, September 5th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=17472 (20.07.2007).
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in den Park locken müssen, damit der Präsident seine Rede wie geplant halten und die entsprechenden Behauptungen aufstellen konnte. Wie so oft im war on drugs wurde nicht die Rhetorik der Realität angepasst, sondern die Realität der Rhetorik.34 Wie effektiv Drogen (und Verbrechen) als eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Problem der USA im Bewusstsein der Gesellschaft verankert wurden, belegen zahlreiche Umfragen, in denen die Bevölkerung auch während der 1990er Jahre immer wieder entsprechenden Überzeugungen Ausdruck verlieh.35 Nach einer Erhebung des Chicago Council on Foreign Relations im Jahr 1995 sahen ›nur‹ 57% der Meinungsführer, aber 85% der Öffentlichkeit es als ein ›sehr wichtiges‹ Ziel der USAußenpolitik an, den Zustrom illegaler Drogen zu unterbinden. Diesem Punkt wurde damit von der Bevölkerung noch vor dem Schutz von amerikanischen Arbeitsplätzen und der Prävention nuklearer Proliferation die größte Bedeutung zugesprochen.36 Dass der war on drugs auch im Hinblick auf die Außenpolitik als so zentral angesehen wurde, verweist auf ein Phänomen, das nun genauer in den Blick genommen werden soll: die Ablösung des Kalten Krieges durch den ›Krieg gegen die Drogen‹. Bis zum Ende des Ost-West-Konflikts waren diese beiden Kämpfe für manche Amerikaner direkt miteinander verknüpft, denn hinter dem internationalen Drogenhandel wurde immer wieder eine kommunistische Verschwörung gewittert. So hieß es nach dem Zweiten Weltkrieg, die Chinesen wollten die Vereinigten Staaten abhängig machen und auf diese Weise unterwandern. Später wurden vergleichbare Anschuldigungen gegen Nordvietnam, Kuba, Nicaragua und – selbstverständlich – die UdSSR erhoben.37 Eine wichtige Rolle spielte in diesem Kontext außerdem die Narcoguerilla-Theorie, der zufolge der Drogenhandel zur Finanzierung kommunistischer Terroristen und Rebellen, insbesondere in Lateinamerika, diente, wobei auf Gruppen wie die FARC in Kolumbien und Sendero Luminoso in Peru verwiesen wurde. Wie diese überdauerte das Konzept der Narcoguerilla beziehungsweise des Narcoterrorismus das Ende des Kalten Krieges und gelangte im war on terror zu neuer Prominenz. Darauf werde ich in Kapitel III.1.3 noch ausführlich eingehen. Hier ist zunächst wichtig, dass die Narcoguerilla-Theorie ebenso wie die Behauptung, der Drogenhandel werde von bestimmten Staaten unterstützt, auch einen zentralen Platz in der National Security Decision Directive 221 einnahm, mit der Ronald Reagan im April 1986 den Drogenhandel offiziell zu einer Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten erhob.38 Dies war ein entscheidender Schritt
34 Zu Bushs Rede und zum Verhältnis von öffentlicher Meinung und Politik siehe auch Reinarman/Levine, »Crack Crisis«, v.a. 50-2 u. 73; Gordon, Dangerous Classes, 97-111. 35 Vgl. z.B. IIPO, 1992-1993, 680; IIPO, 1994-1995, 619; IIPO, 1995-1996, 654; IIPO, 1997-1998, 607. 36 Rielly (Hg.), American Public Opinion and U.S. Foreign Policy 1995, 15. 37 Siehe beispielhaft »Drugs Termed Funds Source For Terrorists: Nicaragua and Cuba Implicated at Hearing«, in: NYT 03.08.1984. Vgl. außerdem Bertram u.a., Drug War Politics, 84; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 48; Friesendorf, War on Drugs, 87f; William O. Walker III, »Drug Control and National Security«, in: Diplomatic History 12:2 (1988), 187-99, hier: 192. 38 National Security Decision Directive Number 221: Narcotics and National Security, 08.04. 1986, http://www.fas.org/irp/offdocs/nsdd/nsdd-221.htm (20.11.2007). Die Namen der als
Der ›Krieg gegen die Drogen‹ | 387
bei der Aufwertung und Eskalation des ›Krieges gegen die Drogen‹ auch auf außenpolitischer Ebene. Auffällig ist, dass diese Entwicklung in Reagans zweiter Amtszeit parallel zur Entspannung mit der Sowjetunion stattfand. Während der Ost-WestKonflikt ab Mitte der 1980er Jahre seinem Ende entgegenging, wurde die amerikanische Regierung im Kampf gegen Rauschgifte immer aktiver. Nur wenige Monate nach der Unterzeichnung von NSDD-221 unterstützte das US-Militär die Sicherheitskräfte Boliviens in der Operation Blast Furnace mit 160 Soldaten und sechs BlackHawk-Helikoptern bei der Zerstörung von Drogenlaboren und Kokaplantagen sowie bei der Verhaftung von Drogenhändlern. Im Jahr darauf lief in zwölf lateinamerikanischen Ländern die von der DEA organisierte Operation Snowcap an. Der Kongress – befeuert durch die bereits erwähnte Konkurrenz der Parteien – drängte unterdessen auf ein immer stärkeres Engagement und verabschiedete in den Wahljahren 1986 und 1988 entsprechende Gesetze. Der Anti-Drug Abuse Act von 1986 schrieb nicht nur höhere Mindeststrafen für Drogenvergehen vor und stellte zusätzliche Mittel für die Verbrechensbekämpfung und den Bau neuer Gefängnisse bereit, er verpflichtete den Präsidenten darüber hinaus, von nun an jährlich die Kooperation anderer Staaten bei der Bekämpfung des Drogenhandels zu ›zertifizieren‹. Auf diejenigen Länder, die bei diesem Prozess durchfielen, warteten Sanktionen wie die Streichung von Hilfsleistungen.39 Während Reagan trotz der frühen Ausrufung eines »all-out war« das Feld im Kampf gegen die Drogen lange Zeit vor allem seiner Frau Nancy mit ihrer »Just Say No«-Kampagne überließ und erst in seiner zweiten Amtszeit aktiver wurde, machte sein Nachfolger George Bush, der schon als Vizepräsident als »th[e] administration’s point man on drugs« präsentiert worden war,40 den war on drugs von Beginn an zu einem zentralen Thema seiner Regierung. Tatsächlich lieferte das Drogenproblem so etwas wie den dramatischen Höhepunkt seiner Inaugurationsrede am 20. Januar 1989, als er dem amerikanischen Volk zurief: »[T]ake my word for it: This scourge will stop!« Dieses Versprechen ließ gerade im Kontrast zu der »new closeness with the Soviet Union« den Wandel erahnen, der im Gange war.41 Als er vor dem Kongress wenige Wochen später die Ziele seiner Administration darlegte, kündigte Bush dementsprechend an, den Drogenkrieg auf eine neue Stufe zu heben: »Let this be recorded as the time when America rose up and said no to drugs. The scourge of drugs Unterstützer des Drogenhandels beschuldigten Staaten sind in der deklassifizierten Version des Dokuments leider geschwärzt. 39 Dazu Friesendorf, War on Drugs, 81; Christopher Daase, »Drogenkrieg oder Droge Krieg? Der US-amerikanische Kampf gegen das Rauschgift«, in: Hanne-Margret Birckenbach u.a. (Hg.), Jahrbuch Frieden 1991: Ereignisse, Entwicklungen, Analysen, München 1990, 70-8, hier: 75f; Kathryn Ledebur, »Bolivia: Clear Consequences«, in: Coletta A. Youngers/ Eileen Rosin (Hg.), Drugs and Democracy in Latin America: The Impact of U.S. Policy, Boulder/London 2005, 143-84, hier: 149-51; Peter Zirnite, Reluctant Recruits: The U.S. Military and the War on Drugs, Washington D.C. 1997, http://www.wola.org/media/Reluc tant%20Recruits.pdf (25.07.2008), 9f. 40 Ronald Reagan, »Radio Address to the Nation on Economic Growth and the War on Drugs, October 8th, 1988«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=34997 (27.07.2007). 41 George Bush, »Inaugural Address, January 20th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ ws/?pid=16610 (12.05.2007).
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must be stopped. And I am asking tonight for an increase of almost a billion dollars in budget outlays to escalate the war against drugs. The war must be waged on all fronts.«42 Es blieb nicht bei Rhetorik. Das Budget für die Bekämpfung des Drogenproblems wuchs zwischen 1988 und 1992 von 4,7 auf 12 Milliarden Dollar an.43 Bush ernannte William J. Bennett, der unter Reagan Secretary of Education gewesen war, zum ersten Direktor des noch 1988 gegründeten Office of National Drug Control Policy – beziehungsweise zum Drogenzar, wie dieses Amt gemeinhin kurz bezeichnet wurde, – und schuf damit zumindest scheinbar die Voraussetzungen für eine zentral gelenkte staatliche Offensive. Zu dieser gehörte nicht zuletzt eine deutlich größere Rolle für das Pentagon und die Geheimdienste, die diese umso bereitwilliger annahmen, als das Ende des Kalten Krieges eine Neuorientierung ihrerseits nötig machte. Dies galt in gewisser Weise selbstverständlich für die ganze Nation, die angesichts des Verschwindens des ›Reichs des Bösen‹ auf der Suche nach einer neuen Mission war. Dass der ›Krieg gegen die Drogen‹ als eine solche betrachtet wurde, zeigt sich an der Bedeutung, die ihm für die Definition Amerikas zugesprochen wurde. So erklärte Reagan im April 1988: »The battle is ultimately over what America is and what America will be.« Und: »[D]rugs are the negation of the type of country we were meant to be.«44 Der neue Feind wurde wie vormals die UdSSR zum negativen Spiegelbild der zum Guten erwählten USA und bot damit die Möglichkeit zur klaren Abgrenzung des ›Amerikanischen‹ gegen das ›Unamerikanische‹, zur Unterscheidung zwischen ›uns‹ und ›ihnen‹. Die Drogenkonsumenten wurden dabei – nicht anders als die Fünften Kolonnen früherer Tage – zu den Agenten des Bösen im Innern. Insbesondere ihre Mitschuld an der Gewalt, die mit dem Drogenhandel einherging, wurde immer wieder betont: »If you are a casual drug user, you are an accomplice to murder«, behauptete Nancy Reagan,45 und noch etwas drastischer stellte George Bush fest, »[that] cocaine users can no longer claim noncombatant status. There is blood on their hands.«46 Der ›Krieg gegen die Drogen‹ richtete sich also explizit auch gegen jene Amerikaner, die illegale Drogen nahmen. Eine immerhin mehrere Millionen Menschen umfassende
42 George Bush, »Address on Administration Goals Before a Joint Session of Congress, February 9th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=16660 (12.05.2007). 43 Zahlen aus Peter H. Smith, Talons of the Eagle: Dynamics of U.S.-Latin American Relations, New York/Oxford 22000, 289. 44 Ronald Reagan, »Remarks at a White House Ceremony Honoring Law Enforcement Officers Slain in the War on Drugs, April 19th, 1988«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid =35698 (27.7.2007). 45 Zitiert nach »Tears of Rage«, in: Time 14.03.1988. 46 George Bush, »Remarks at the International Drug Enforcement Conference in Miami, Florida, April 27th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=16974 (20.07.2007). Für ein weiteres Beispiel siehe Drugs, Law Enforcement and Foreign Policy: Hearings before the Subcommittee on Terrorism, Narcotics and International Operations of the Committee on Foreign Relations, United States Senate, One Hundred First Congress, First Session, August 29, 30, 31 and September 1, 1989, Washington D.C. 1989, 101.
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Gruppe47 wurde so rhetorisch aus der Nation ausgegrenzt und zum Feind erklärt, während zugleich fortwährend die nationale Geschlossenheit beschworen wurde.48 Ein Musterbeispiel hierfür lieferte die bereits erwähnte Rede George Bushs zur Anti-Drogen-Strategie seiner Regierung am 5. September 1989, während der er das bewusste Päckchen Crack präsentierte: Nachdem er gleich zu Beginn die Verantwortlichen für das Drogenproblem identifiziert hatte – »everyone who uses drugs, everyone who sells drugs, and everyone who looks the other way« –, kam er zum Abschluss auf die wichtigste Voraussetzung für den Sieg zu sprechen: »If we fight this war as a divided nation, then the war is lost. But if we face this evil as a nation united, this will be nothing but a handful of useless chemicals. Victory – victory over drugs – is our cause, a just cause. And with your help, we are going to win.« Noch interessanter ist allerdings eine Formulierung wenige Absätze zuvor: »Our outrage against drugs unites us, brings us together behind this one plan of action – an assault on every front.«49 Hier wird unmissverständlich deutlich, dass Einheit nicht nur eingefordert wurde, um den Kampf gewinnen zu können, sondern dass tatsächlich der ›Krieg gegen die Drogen‹ selbst dazu diente, Einheit herzustellen. Die beachtliche Unterstützung, die der war on drugs zu mobilisieren in der Lage war, deutet darauf hin, dass Drogen diese klassische Feindbildfunktion hervorragend erfüllten – vielleicht sogar noch besser als die Sowjetunion. Auch im Film wurden die Sowjets nun von dem neuen Feind abgelöst. Seit Beginn der 1980er Jahre und der Erneuerung des ›Krieges gegen die Drogen‹ durch Ronald Reagan waren Rauschgifthändler vermehrt als Schurken präsent, nicht zuletzt in der populären Fernsehserie Miami Vice (1984-1989), aber zum Ende des Jahrzehnts und zu Beginn der 1990er Jahre tauchten sie in einer wahren Flut von Produktionen auf: Lethal Weapon (1987), Lethal Weapon 2 (1989), Delta Force 2: The Colombian Connection (1990), The Hitman (1991), Sniper (1993), Gunmen (1993), The Specialist (1994), Drop Zone (1994) oder Clear and Present Danger (1994) sind nur einige Beispiele hierfür.50 »For those of us wondering – in light of the radical changes in the global body politic – who our enemies are now, ›Fire Birds‹ steps in with a few answers«, vermerkte Hal Hinson im Mai 1990 in seiner Rezension zu einem Film, in dem das amerikanische Militär in die Schlacht gegen ein südamerikanisches Drogenkartell zieht. Ironisch stellte er angesichts des Porträts ebenso schwer bewaffneter wie amoralischer Schurken fest: »[T]hey’ve got everything a first-class enemy needs
47 Das National Institute on Drug Abuse schätzte, dass im Laufe des Jahres 1991 ca. 26 Millionen Amerikaner wenigstens einmal eine illegale Droge konsumiert hatten; vgl. Gordon, Dangerous Classes, 238 Anm. 8. 48 Siehe dazu auch ebenda, 203-6. 49 George Bush, »Address to the Nation on the National Drug Control Strategy, September 5th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=17472 (20.07.2007). Dass Bush dieses Thema für seine erste Fernsehansprache an die Nation wählte, unterstreicht wiederum die Bedeutung des war on drugs für seine Administration. 50 Tatsächlich waren sogar schon 1990 Klagen von Drehbuchautoren und Produzenten zu hören, »that the market has become saturated with [drug dealers]«, wie die Washington Post berichtete; »Vanishing Villains: Hollywood Casts About For Replacement Rogues«, 15.04. 1990.
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[…]. Forget the Nazis, forget the Commies, these guys are great.«51 In einer Kritik zu Aces: Iron Eagle III (1992) bezeichnete sein Kollege Richard Harrington »the Colombian drug cartel« zwei Jahre später sogar als »the only enemy left in the age of detente«.52 Das war zwar übertrieben, denn wie schon zu sehen war, spielten andere Feindbilder wie die Wirtschaftsmacht Japan oder der internationale Terrorismus zur selben Zeit ebenfalls eine wichtige Rolle, dennoch kann es keinen Zweifel an der enormen Bedeutung des war on drugs gerade in den ersten Jahren nach dem Ende des Kalten Krieges geben. Ein perfektes Dokument des Wandels stellt der in Kapitel I.2.2 bereits ausführlich analysierte Actionkrimi Red Heat (1988) dar, in dem die früheren Feinde zu Verbündeten im Kampf gegen die neue Bedrohung werden: »Communism and capitalism partnered to crush the evil empire of recreational drugs«, wie Time das Szenario treffend zusammenfasste.53 Der Film gibt den Geist des ›Krieges gegen die Drogen‹ in vielerlei Hinsicht prägnant wieder, etwa im Hinblick auf die »dangerous classes«: Die Bösewichter sind Ausländer und furchteinflößende Schwarze, für die der Drogenhandel nicht nur eine Einnahmequelle darstellt, sondern auch eine Methode, um die weiße Gesellschaft zu zerstören.54 Zu deren Verteidigung sind extremste Mittel legitim, wenn schon nicht legal, weshalb dem rücksichtslosen Vorgehen des sowjetischen Helden erhebliche Bewunderung entgegengebracht werden kann. Selbst die von diesem propagierte ›chinesische Lösung‹ des Drogenproblems – »line up all drug dealers, all drug addicts, take them to public square and shoot them in back of head« – wird keineswegs als absurd oder unmoralisch abgetan. Tatsächlich wurden solche Ideen nicht nur im Kino formuliert. So verlieh beispielsweise der Polizeichef von Los Angeles, Daryl Gates, 1990 in der Anhörung vor einem Senatsausschuss seiner Meinung Ausdruck, dass casual users von Marihuana erschossen werden sollten.55 Einen weiteren Beleg für die Ablösung des Kalten Krieges durch den ›Krieg gegen die Drogen‹ liefert die James-Bond-Reihe: Auch der Geheimagent ihrer Majestät wandte sich 1989 in Licence to Kill dem Kampf gegen lateinamerikanische Drogenschmuggler zu. Interessant ist dies nicht zuletzt, wenn man sich vor Augen hält, dass das bereits vom Klima der Entspannung geprägte vorangegangene Bond-Abenteuer The Living Daylights (1987) nur zwei Jahre zuvor noch die Verwicklung der afghanischen Mudschaheddin in den Opiumhandel mit der Notwendigkeit des Widerstandes » › Fire Birds‹: Army Action On the Fly«, in: WP 25.05.1990. » › Aces‹: Iron Eagle Lays An Egg«, in: WP 15.06.1992. »Arnold Wry«, in: Time 20.06.1988. Interessanterweise war unter der schwarzen Bevölkerung die umgekehrte Sichtweise relativ verbreitet: Laut einer 1990 in New York City durchgeführten Umfrage waren 25% der befragten Schwarzen der Überzeugung, dass die Regierung absichtlich dafür sorge, dass Drogen in armen Schwarzenvierteln so leicht erhältlich waren. Weitere 35% hielten dies zumindest für möglich. »For Some Blacks, Social Ills Seem to Follow White Plans«, in: NYT 11.08.1991. 55 Vgl. Gordon, Dangerous Classes, 104. Die Todesstrafe für sogenannte kingpins des Drogenhandels wurde von Bush vehement gefordert, zudem von einer breiten Öffentlichkeit und 1990 auch von beiden Häusern des Kongresses unterstützt. Ein entsprechendes Gesetz scheiterte lediglich aus nicht damit zusammenhängenden Gründen. Siehe dazu ausführlich ebenda, 45-54. 51 52 53 54
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gegen die Sowjets gerechtfertigt hatte. Hier spiegelte sich ein auch bei vielen Politikern stattfindendes Umdenken wider, das die Setzung neuer Prioritäten und damit verbunden auch eine Neubewertung der bisherigen Politik bedingte. Vielfach wurde es nun als Fehler kritisiert, dass die Bekämpfung des Drogenhandels allzu oft anderen außenpolitischen Interessen, vor allem den angeblichen Erfordernissen des Kalten Krieges, untergeordnet worden war.56 In der Tat hatten die USA das Geschäft mit illegalen Drogen im wichtiger erscheinenden Kampf gegen den Kommunismus vielfach geduldet und ausgenutzt, um scheinbar unentbehrliche Verbündete zu stärken oder zumindest nicht zu verprellen, was angesichts der erwähnten wiederkehrenden Behauptungen über eine kommunistische Verschwörung umso bemerkenswerter ist. Der Heroinhandel im sogenannten Goldenen Dreieck in Südostasien etwa wurde entscheidend durch die geheime Kriegführung der CIA und deren Zusammenarbeit mit antikommunistischen Gruppen wie den Überresten der Kuomintang befördert.57 Ende der 1980er Jahre aber waren es vor allem Enthüllungen über die Drogen- und Waffengeschäfte von Panamas Diktator Manuel Noriega und den von Reagan so gepriesenen Contras sowie die Rolle der CIA dabei, die für Empörung in den Vereinigten Staaten sorgten.58 Diese Verstrickungen wurden nun auch in Filmen aufs Korn genommen, beispielsweise in Die Hard 2 (1990) oder in Company Business (1991), in dem die CIA für eine Operation in Berlin Geld von einem Mr. Gonzales erhält, der als »a very special friend of the company« vorgestellt wird: »Mr Gonzales is in Colombian pharmaceuticals.« Dass die Prioritäten der amerikanischen Sicherheitspolitik neu gesetzt werden müssten, wurde vor allem damit begründet, dass die Bedrohung durch Rausch- und Betäubungsmittel akuter und realer sei als die durch den Kommunismus. New Yorks Bürgermeister Edward Koch etwa stellte fest: »The Communists aren’t crossing our borders. The drugs are. The political aim of the drug traffickers is to make addicts of all of us.«59 Identisch argumentierte sein Kollege in New Bedford, John K. Bullard: »We are not being invaded by Russians. […] We are daily, in New Bedford, being invaded by foreign people […] carrying foreign drugs.«60 Und er wurde noch deutlicher, was den Wandel der Zeit anging: »Every day we are invaded by foreigners from the south. And yet we are still spending about $300 billion a year to fight off a perceived threat from the Soviet Union and China. That was appropriate 10 or 20 years ago, but today that is not where the threat is. The threat is from drug merchants in South America and Central America.«61 Die neue Verortung der Bedrohung bedingte allerdings nicht zwangsläufig ein völliges Umdenken; grundlegende Vorstellungen ließen sich durchaus vom Kalten Krieg auf den ›Krieg gegen die Drogen‹ übertragen, wie besonders eindrücklich der demokratische Kongressabgeordnete 56 Siehe dazu z.B. »Fighting Narcotics: U.S. Is Urged to Shift Tactics«, in: NYT 10.04.1988. 57 Vgl. Friesendorf, War on Drugs, 48-51. 58 Siehe dazu LeoGrande, Our Own Backyard, 311 u. 464; James Der Derian/Kiaran Honderich, »Jekyll and Hyde: The Political and Cultural Economy of Narcoterror«, in: Frederick M. Dolan/Thomas L. Dumm (Hg.), Rhetorical Republic: Governing Representations in American Politics, Amherst 1993, 83-95, hier: 86-8. 59 Zitiert nach »Tears of Rage«, in: Time 14.03.1988. 60 Drugs, Law Enforcement and Foreign Policy, 8. 61 Ebenda, 21.
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Charles B. Rangel bewies, indem er die Dominotheorie – ein Kernelement der Furcht vor dem Kommunismus – in einem Artikel für die Washington Post in neuer Form präsentierte: »If Colombia falls, the other, smaller, less stable nations in this region would become targets. It is conceivable that we could one day find ourselves an island of democracy in a sea of narco-politico rule, a prospect as bad as being surrounded by communist regimes.«62 Es ist wichtig festzuhalten, dass nicht der Drogenhandel allein, sondern das organisierte Verbrechen insgesamt nach dem Ende des Ost-West-Konflikts als neue, die UdSSR ablösende Bedrohung identifiziert wurde, als das New Empire of Evil, wie der Titel einer Fachtagung in Washington im September 1994 lautete.63 Hiervon war im Zusammenhang mit dem Russlandbild in den 1990er Jahren schon kurz die Rede. Ähnlich wie Kolumbien wurde die ehemalige UdSSR in dieser Zeit als weitgehend von Kriminellen beherrscht angesehen. Diese Staaten wurden, wie in Rangels Artikel, als mahnende Beispiele für die Macht und die Ambitionen mafiöser Organisationen angeführt, denen man vielfach ein die gesamte Welt umspannendes und gegen Recht, Ordnung und Freiheit gerichtetes Bündnis andichtete. Nicht nur die Journalistin Claire Sterling, die ganz ähnliche Behauptungen früher schon über den angeblich von Moskau aus gesteuerten internationalen Terrorismus aufgestellt hatte, konstruierte so eine globale Herausforderung, die den Kommunismus ersetzte;64 auch Senator John Kerry, Vorsitzender des Subcommittee on Terrorism, Narcotics and International Operations bezeichnete das transnationale Verbrechen als »the new communism, the new monolithic threat«65 und veröffentlichte 1997 ein Buch mit dem aussagekräftigen Titel The New War: The Web of Crime That Threatens America’s Security. Hier war von einer »global criminal axis« zu lesen, »composed of five principal powers in league with a host of lesser ones, much as the Axis we faced in World War II […]. Today the Big Five are the Italian Mafia, the Russian mobs, the Japanese yakuza, the Chinese triads, and the Colombian cartels.«66 Auch wenn nicht jeder ein derart extremes Bild akzeptieren mochte,67 wurde organisierte, grenzüberschreitende Kriminalität doch allgemein als herausragende Gefahr in einer enger zusammenwachsenden Welt angesehen. Dass Drogen hierbei einen so wichtigen Platz einnahmen, hat sicherlich verschiedene Gründe: Drogenschmuggel stellt ein tatsächlich globales Geschäft dar, in dem gewaltige Summen 62 »Yes We Can Do Something for Colombia«, in: WP 24.08.1989. 63 Linnea P. Raine/Frank J. Cilluffo (Hg.), Global Organized Crime: The New Empire of Evil, Center for Strategic and International Studies, Washington D.C. 1994. 64 Sterling, Thieves’ World. Zur angeblichen terroristischen Verschwörung: Claire Sterling, The Terror Network: The Secret War of International Terrorism, New York 1981. Siehe dazu Kap. III.1.1. 65 Zitiert nach Andreas/Nadelmann, Policing the Globe, v. 66 John Kerry, The New War: The Web of Crime That Threatens America’s Security, New York 1997, 21. 67 Zurückhaltender äußern sich etwa Godson/Olson, International Organized Crime. Für eine Kritik an der Umdeutung einer kriminologischen Herausforderung zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit (und speziell an Sterling) siehe R.T. Naylor, »From Cold War to Crime War: The Search for a New ›National Security‹ Threat«, in: Transnational Organized Crime 1:4 (1995), 37-56.
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umgesetzt werden und von dem sich außerdem – vor allem wegen der Verbindung von Drogen mit Gewalt – viele Menschen stärker betroffen und bedroht fühlen als von anderen kriminellen Aktivitäten. Der Transport von verbotenen Substanzen – Rauschgiften! – über die Grenzen von Staaten hinweg versinnbildlicht darüber hinaus beispielhaft die Essenz der transnationalen Bedrohung, das Eindringen beziehungsweise Einschleppen des zerstörerischen Fremden. Der häufige Rückgriff auf Krankheitsmetaphern, die Bezeichnung von Drogen als »virus« oder »bacteria«, die Rede von einer Epidemie68 und die Darstellung von Händlern und Konsumenten als »parasites«69, ist überaus bezeichnend, wenn man sich den in Kapitel II.1.2 erläuterten symbolischen Gehalt von Krankheiten vor Augen hält. Dass in den USA selbst produzierte Drogen, namentlich Marihuana, für weniger wichtig erklärt wurden als aus dem Ausland importiertes Heroin und Kokain,70 unterstreicht die Definition des Kampfes gegen transnationale Bedrohungen als Abwehr des Fremden, als Verteidigung gegen eine vor allem von der Dritten Welt ausgehende Invasion, wie sie beispielsweise in den oben zitierten Aussagen von Koch und Bullard beschrieben wurde.71 Besonders eindringlich ist dies in Filmen umgesetzt, in denen eine Verbindung zwischen außerirdischen Invasoren und dem Drogenhandel hergestellt wird, so zum Beispiel in Dark Angel (1990), in dem ein extraterrestrischer Drogendealer Menschen irdische Drogen injiziert, um dann deren Endorphine als Rauschmittel für den interstellaren Markt abzuzapfen. Dass er als blonder Hüne dargestellt wird und zudem auch ein außerirdischer Drogenfahnder vorkommt, kaschiert dabei an der Oberfläche den xenophob-rassistischen Gehalt der Inszenierung von aliens als Verkörperung des amerikanischen Drogenproblems. Offensichtlicher mit dem Rassendiskurs um Gewalt und Drogen verknüpft ist Predator 2 (1990).72 In dieser Fortsetzung des Actionfilms mit Arnold Schwarzenegger aus dem Jahr 1987 kommt ein Außerirdischer, der von Hitze und Gewalt angezogen wird, zur Trophäenjagd nach Los Angeles. Die von ihm verübten Massaker werden von der Polizei zunächst einem blutigen Bandenkrieg zwischen kolumbianischen und jamaikanischen Drogenhändlern zugerechnet, der in den Straßen der Stadt tobt. Gleich in der allerersten Szene wird ein regelrechtes Gefecht zwischen Polizisten und Kolumbianern inszeniert, bei dem auch schwere automatische Waffen zum Einsatz kommen. So wird von Beginn an ein Bild der amerikanischen Großstadt als »war zone« entworfen. Hierbei handelt es sich um eines der zentralen Motive im Hinblick auf die Sorgen und Ängste der Amerikaner in den 1980er und 1990er Jah68 Vgl. z.B. Ronald Reagan, »Radio Address to the Nation on Federal Drug Policy«, http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=43085 (27.07.2007); George Bush, »Inaugural Address, January 20th, 1989«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=16610 (12.05.2007). 69 Ronald Reagan, »Radio Address to the Nation on Economic Growth and the War on Drugs«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=34997 (27.07.2007). 70 So z.B. übereinstimmend von Kerry, Bullard, Joseph Paolino und Carlton Viveiros in Drugs, Law Enforce-ment and Foreign Policy, 20. 71 Siehe auch John Kerry, Drugs in Massachusetts: The Domestic Impact of a Foreign Invasion. A Report to the Committee on Foreign Relations, United States Senate, January 1990 (Senate Print 101-76), Washington D.C. 1990, v.a. 1 u. 6. 72 Siehe dazu auch Tasker, Spectacular Bodies, 47-53.
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ren, für das L.A. mit seiner stark durch farbige Minderheiten geprägten Bevölkerung und seinem durchaus realen Bandenproblem wie keine andere Stadt stand: die Bedrohung der inneren Sicherheit durch eine mit Schwarzen und Latinos verbundene Kultur von Gangs, Drogen, Verbrechen und Gewalt, gegen die eine heroische, aber überforderte Polizei zunehmend auf verlorenem Posten steht.73 Dieses Bild transportierten beispielsweise auch die Werbeslogans für den Film Colors (1988), der die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Gangs Bloods und Crips zum Thema machte: »70.000 gang members. One million guns. Two cops.« Oder auch: »Two cops. Two gangs. One hell of a war.«74 Mit der Schreckensvision eines völlig von Gewalt zerrissenen Los Angeles des Jahres 1996, in dem Polizeihubschrauber aus Flugabwehrkanonen beschossen werden, wurde das Motiv wenige Jahre später in Demolition Man (1993) noch zugespitzt. Dieser durchaus ironische Film porträtiert in der Folge zwar die nur scheinbar utopischen Zustände in einer gewaltfreien, streng reglementierten Zukunftsgesellschaft als kaum weniger beängstigend, doch mit dem Kampf zwischen dem weißen Polizisten John Spartan (Sylvester Stallone) und dem schwarzen Schurken Simon Phoenix (Wesley Snipes) verankert er sich eindeutig in dem beschriebenen Diskurs mitsamt dessen rassistischen Elementen.75 Demgegenüber hebt sich Predator 2 zunächst positiv ab, denn er macht– für einen Actionfilm dieser Zeit höchst ungewöhnlich – mit Lieutenant Harrigan (Danny Glover) einen schwarzen Polizisten zu seinem Helden. Noch dazu stellt er diesem zwei Latino-Partner zur Seite und inszeniert Harrigans multikulturelle Polizeitruppe eindeutig als positives Gegenbild zu einer zwielichtigen Einheit des Militärgeheimdienstes, die sich nur aus Weißen zusammensetzt und von dem blonden Keys (Gary Busey) angeführt wird. Der schwarze Held und seine Verbündeten stehen also nicht nur in Opposition zu den Gangs und dem Außerirdischen, sondern auch zu einer nicht vertrauenswürdigen weißen Autorität, die keine gemeinnützigen Ziele verfolgt. Gleichzeitig dominieren rassistische Stereotype allerdings das Porträt der Kolumbianer und insbesondere der Jamaikaner. Diese werden als grausame schwarze Barbaren gezeichnet, die Voodoo-Praktiken anhängen, die ihnen auch (aber nicht nur) zur Einschüchterung ihrer Feinde dienen.76 Anführer und Voodoo-Priester King Willy ›spürt‹ zudem die Präsenz des Außerirdischen. Das ist nur eine von mehreren Verbindungen, die zwischen den Jamaikanern und dem Alien konstruiert werden; zumal der extraterrestrische Jäger zwar über hochentwickelte Waffen verfügt, deren primi73 Vgl. z.B. Godson/Olson, International Organized Crime, 35: »Some areas of major cities have become combat zones in which law-abiding citizens are prisoners to the violent gangs and individuals around them.« Siehe dazu auch Denzin, Reading Race, 7. 74 Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0094894/taglines (21.08.2008). 75 Beachtenswert ist etwa, dass an einer Stelle erklärt wird, Phoenix habe in den 1990er Jahren in South Central L.A. sein eigenes Königreich errichtet; ebenso, dass die auf Gewalttätigkeit nicht vorbereitete und unbewaffnete Polizei der Zukunft dem Verbrecher nichts entgegenzusetzen hat und Spartan nahezu allein gegen ihn und seine später um ihn versammelten Kumpanen antreten muss. Die Dystopie kann insgesamt als Kritik an political correctness verstanden werden. 76 Ein ähnliches Porträt jamaikanischer Drogendealer findet sich in Marked for Death (1990), in dem zwei schwarze Helfer des weißen Helden (Steven Seagal) offensichtlich auch dazu dienen, dem Rassismusvorwurf vorzubeugen.
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tiv anmutendes Design ihn aber zusammen mit seinem monströsen Äußeren ebenfalls als Wilden konnotiert. Durch die an die Dreadlocks der Schwarzen erinnernde Haarpracht des Außerirdischen besteht sogar eine auffällige äußerliche Ähnlichkeit. »The Predator then is partly constructed as threatening through codes of blackness-asprimitve-as-other«, wie Yvonne Tasker bemerkt.77 Harrigan bekämpft also als heroischer, für Recht und Ordnung stehender Schwarzer eine stereotype, primitiv-bedrohliche Schwarzheit. Bemerkenswerterweise ist er nach dem Showdown, in dem es ihm schließlich gelingt, den Außerirdischen zu töten, komplett mit weißem Staub bedeckt. Auf einer symbolischen Ebene verwandelt sich der schwarze Held also durch seinen Sieg über das schwarze Barbarische in einen Weißen! Bei genauerer Betrachtung erweist sich somit auch Predator 2 als den xenophob-rassistischen Strukturen des war on drugs verpflichtet. In diesem Zusammenhang muss auch das Genre des Ghetto-Actionfilms kurz erwähnt werden, das zu Beginn der 1990er Jahre mit Produktionen wie New Jack City (1991), Boyz n the Hood (1991) und Menace II Society (1993) zu einiger Popularität gelangte. Diese kostengünstig produzierten und von schwarzen Regisseuren inszenierten Filme waren zum Teil außerordentlich profitabel, was nicht nur einen wichtigen Erfolg für das schwarze Kino darstellte, sondern auch den wachsenden Einfluss schwarzer Jugendkultur in der gesamten Gesellschaft belegte. Im Hinblick auf den Diskurs um die Situation der Minderheiten und die Ursachen für Kriminalität spielten sie jedoch eine zwiespältige Rolle: Auf der einen Seite eröffneten sie neue Perspektiven auf das Leben im Ghetto und kritisierten vielfach eine repressive Gesellschaftsordnung. Auf der anderen Seite bedienten sie jedoch auch die Erwartungshaltung ichres oftmals weißen Publikums mit dem Porträt einer Kultur von Drogen und Kriminalität und stärkten das konservative Bild durch die Herausstellung der Eigenverantwortung des Individuums.78 Darauf kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Stattdessen soll – gemäß dem Fokus dieser Arbeit – der Blick im Folgenden stärker auf die Vorstellung von der Invasion und Unterwanderung Amerikas durch das Fremde und damit auch auf die außenpolitischen Dimensionen des Feindbildes gerichtet werden. Dabei fällt zunächst die große Bandbreite von Nationalitäten auf, denen die Schurken in Filmen zum ›Krieg gegen die Drogen‹ zugeordnet werden können: In Year of the Dragon (1985) sind es zum Beispiel Chinesen; in The Hitman Iraner, Frankokanadier und Italo-Amerikaner; in Air Strike (2002) Osteuropäer; und in Bad Boys (1995) und S.W.A.T. (2003) Franzosen. Dies verweist auf ein wichtiges Charakteristikum der transnationalen Bedrohung, nämlich dass der Feind zumindest potentiell global aktiv und damit oft nicht mehr eindeutig zu verorten ist. Er kann buchstäblich überall sein. Das ist allerdings nicht nur problematisch, es bietet im Hinblick auf die Feindbildkonstruktion auch einen enormen Vorteil: Ohne die Bindung an einen bestimmten Staat ist das Feindbild Drogenhändler mit allen anderen Feindbildern kompatibel, 77 Tasker, Spectacular Bodies, 51. 78 Zu diesen Filmen siehe ausführlich S. Craig Watkins, »Ghetto Reelness: Hollywood Film Production, Black Popular Culture and the Ghetto Action Film Cycle«, in: Neale (Hg.), Genre, 236-50; Kenneth Chan, »The Construction of Black Male Identity in Black Action Films of the Nineties«, in: Cinema Journal 37:2 (1998), 35-48; Denzin, Reading Race, 111-32.
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kann problemlos aktualisiert, von einem Feind auf einen anderen übertragen oder erneuert werden – so wie in Lethal Weapon 2 etwa die zu dieser Zeit geächteten Afrikaaner plötzlich als Drogenschmuggler porträtiert werden konnten. Gerade durch diese Verknüpfung entstanden hier besonders wirkungsvolle Bösewichter. Richard Greniers kritischer Einwand, »[that] whatever reproach you make against South Africa, it doesn’t traffic in narcotics«,79 ließ die Einsicht in eine simple Logik des war on drugs vermissen: Wenn die Bedrohung als global angesehen wird, kann jeder Teil von ihr sein.80 Eine besondere Rolle kam im Drogenkrieg seit den 1980er Jahren – im Film wie in der Realität – jedoch Lateinamerika zu. Dies war eine Folge der besonderen Aufmerksamkeit für das in den Andenländern produzierte Kokain als scheinbaren Kern des amerikanischen Drogenproblems. Dessen Definition als Angriff von Außen bedingte zwangsläufig eine zunehmende Konzentration auf die Ursprungsländer der Drogen. George Bush sprach sich noch als Vizepräsident für einen Strategiewechsel hin zu einer offensiven Bekämpfung des Drogenschmuggels an der Quelle aus: »The logic is simple«, erklärte er. »The cheapest and safest way to eradicate narcotics is to destroy them at their source. […] We need to wipe out crops wherever they are grown and take out labs wherever they exist.«81 Dementsprechend änderte sich die Politik unter seiner Regierung. In der Nationalen Sicherheitsstrategie des Jahres 1991 hieß es: »Renewed assaults on the U.S. market by increasingly sophisticated traffickers remind us of the need to also attack the drug trade at the source – its home country base of operations.«82
4.2 »IT’S A WAR«: DIE FANTASIE VOM MILITÄRISCHEN SIEG IN LATEINAMERIKA Die stärkere Konzentration auf die Quellenländer begünstigte eine zweite wesentliche Entwicklung: die Militarisierung des Drogenproblems. Diese war natürlich von vornherein in der Logik der Kriegsmetapher angelegt, und angesichts des permanent beschworenen Bildes einer Invasion konnte es kaum überraschen, dass der Kampf gegen Rausch- und Betäubungsmittel immer mehr zu einem echten Krieg wurde, wie das Time Magazine im Januar 1990 berichtete.83 Tatsächlich hatte George Bush bereits im April 1989 explizit erklärt: »The war on drugs is no metaphor.«84 Ein nicht nur metaphorischer beziehungsweise rhetorischer Krieg aber verlangte geradezu
79 Grenier, Capturing the Culture, 324. 80 Ein weiteres Beispiel für die Verbindung eines aktuellen Feindbildes mit dem ›Krieg gegen die Drogen‹ ist Showdown in Little Tokyo (1991), in dem zwei amerikanische Polizisten, von denen der eine japanischer Abstammung, der andere ein in Japan aufgewachsener Weißer ist, gegen die Drogen schmuggelnde Yakuza kämpfen. 81 Zitiert nach »Halt Drugs at the Source, Bush Suggests«, in: WP 27.05.1988. 82 National Security Strategy of the United States: 1991-1992, Washington D.C. u.a. o.J., 69. Vgl. auch National Security Strategy 1990-1991, 112. 83 »More and More, a Real War«, in: Time 22.01.1990. 84 George Bush, »Remarks at the International Drug Enforcement Conference in Miami, Florida, April 27th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=16974 (20.07.2007).
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zwangsläufig nach dem Einsatz militärischer Mittel, zu dem der neue Präsident auch bereit war. Und so verkündete er in seiner Fernsehansprache am 5. September 1989: »[O]ur message to the drug cartels is this: The rules have changed. We will help any government that wants our help. When requested, we will for the first time make available the appropriate resources of America’s Armed Forces.«85 Bush traf mit solchen Erklärungen die Stimmung großer Teile des politischen Apparates wie der Bevölkerung, denn der ›Krieg gegen die Drogen‹ war zu diesem Zeitpunkt in einer Hinsicht definitiv schon mehr als nur eine Floskel: Er erzeugte eine durchaus reale Kriegsmentalität innerhalb der USA. Diese kam in einer von ABC News und der Washington Post durchgeführten Umfrage nach Bushs Rede deutlich zum Ausdruck, die nicht nur eine breite Unterstützung für seine Pläne zeigte, sondern sogar den Willen, noch weit über diese hinauszugehen. So erklärten 62% der Befragten ihre Bereitschaft, »a few of the freedoms we have in this country« aufzugeben, um den Drogenkonsum zu reduzieren. Verpflichtende Drogentests für alle Amerikaner wurden ebenso von einer Mehrheit befürwortet wie Hausdurchsuchungen ohne Gerichtsbeschluss bei des Drogenhandels verdächtigen Personen. Und volle 82% sprachen sich für den Einsatz des Militärs in den Vereinigten Staaten selbst aus. Dies alles, bemerkenswerterweise, obwohl acht von zehn Befragten nicht daran glaubten, dass sich der Missbrauch von Drogen eliminieren lasse.86 Gerade die Aussichtslosigkeit eines Sieges aber war es, die das Denken in Kategorien des Krieges so gefährlich machte, wie Tom Wicker von der New York Times feststellte: »What will happen to public and Congressional attitudes if a supposed war – like the real one in Vietnam – drags on endlessly with marginal achievements and no apparent hope of victory? Some will give up, no doubt; but many, perhaps more, will call for escalation, new weapons, more troops, tougher tactics – victory at any price.«87 Wie berechtigt diese Sorge war, lässt sich etwa daran ablesen, dass John Kerry, immerhin ehemaliger Sprecher der Vietnam Veterans Against the War, während einer kurz zuvor abgehaltenen Reihe von Anhörungen seines Senatsunterausschusses den war on drugs mehrfach mit dem Vietnamkrieg verglich, weil es seiner Meinung nach erneut nicht nur an einer Strategie, sondern auch an Unterstützung für die Truppen und am Willen zum Sieg mangelte.88 Die Beschwörung Vietnams wurde so zum Argument für die Eskalation des ›Krieges gegen die Drogen‹. Und wie stets in Kriegszeiten, da nationale Geschlossenheit das Gebot der Stunde war, wurde es überaus schwierig, eine abweichende Position zu beziehen und Kritik zu üben. Dies zeigte sich gerade auch in den Kongressdebatten zur Einbeziehung des Militärs in den Kampf gegen Drogenschmuggel: »This is such an emotional issue – I mean, we’re at war here – that voting against it would be too difficult to explain«, gestand der republikanische Senator John McCain. »By voting against it, you’d be voting against the war on drugs. Nobody wants to do that.«89
85 George Bush, »Address to the Nation on the National Drug Control Strategy, September 5th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=17472 (20.07.2007). 86 »Many in Poll Say Bush Plan Is Not Stringent Enough«, in: WP 08.09.1989. 87 »The Wartime Spirit«, in: NYT 03.10.1989. 88 Drugs, Law Enforcement and Foreign Policy, 3 u. 97. 89 Zitiert nach »Second Thoughts on the Military as Narcs«, in: WP 15.06.1988.
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Die Forderungen und Bemühungen des Kongresses, das Pentagon stärker am ›Krieg gegen die Drogen‹ zu beteiligen, begannen bereits in den frühen 1980er Jahren, stießen allerdings während Reagans Präsidentschaft auf heftigen Widerstand bei den Streitkräften selbst. Auch Verteidigungsminister Caspar Weinberger und sein Nachfolger Frank Carlucci waren entschiedene Gegner der Idee, ihre Truppen für die Verbrechensbekämpfung einzuspannen. Noch im Mai 1988 veröffentlichte Weinberger einen Artikel in der Washington Post, in dem er unverblümt feststellte: »Calling for the use of the government’s full military resources to put a stop to the drug trade makes for hot and exciting rhetoric. But responding to those calls, as Congress is on the verge of doing, would make for terrible national-security policy, poor politics and guaranteed failure in the campaign against drugs.«90 Beim Militär fürchtete man, dass der Einsatz im Drogenkrieg zu einer Vernachlässigung der eigentlichen, wichtigeren Aufgaben der US-Armee führen werde, dass den Streitkräften als Sündenbock die Verantwortung für ein unlösbares Problem aufgebürdet werden sollte und dass das Engagement in Lateinamerika in einem neuen Vietnam enden könnte. Zudem drohe das Übergreifen der mit dem Drogenhandel verknüpften Korruption auf die Truppen. Darüber hinaus wurden schwerwiegende Bedenken hinsichtlich der rechtlichen, gesellschaftlichen und politischen Implikationen angemeldet, falls die Armee mit Polizeiaufgaben betraut werden sollte. So verwies man auf den Posse Comitatus Act von 1878, der den Einsatz des Militärs zur Verbrechensbekämpfung oder als Ordnungshüter im Inneren – außer in Notsituationen – ausdrücklich untersagte. Der Armee war es demnach verboten, Verhaftungen, Durchsuchungen oder Beschlagnahmungen durchzuführen.91 Der Kongress zeigte sich von solchen Einwänden jedoch unbeeindruckt und wurde in den 1980er Jahren immer wieder gesetzgeberisch tätig, um einen Einsatz der Streitkräfte im ›Krieg gegen die Drogen‹ über ihren als gering erachteten Beitrag zur Grenzüberwachung hinaus zu ermöglichen, ja zu erzwingen. Dies nahm teilweise nur noch als absurd zu bezeichnende Züge an, etwa als das Repräsentantenhaus im Mai 1988 für ein Gesetz stimmte, das die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Vereinigten Staaten innerhalb von 45 Tagen forderte.92 Realistischer und folgenreicher waren mehrere Erweiterungen des Posse Comitatus Act, der 1989 dann weitgehend ausgehebelt wurde, als das Justizministerium offiziell erklärte, das Gesetz habe außerhalb der amerikanischen Grenzen keine Gültigkeit und der Armee sei es somit im Ausland erlaubt, Verhaftungen und andere Polizeimaßnahmen durchzuführen – und zwar auch ohne das Einverständnis des jeweils betroffenen Landes.93 Der Natio90 »Our Troops Shouldn’t Be Drug Cops«, in: WP 22.05.1988. 91 Siehe dazu »Pentagon Balking at Joining Drug War«, in: NYT 04.07.1981; »Letting the Military In On the Drug War«, in: NYT 30.06.1985; »Fighting Narcotics«, in: NYT 10.04. 1988; »Pentagon Says Drug War Will Cost $2 Billion«, in: NYT 17.05.1988; Zirnite, Reluctant Recruits, 3f u. 8f. Eine kurze Erläuterung des Posse Comitatus Act findet sich auch im Anhang zu Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy, 372f. 92 Vgl. »Senate Votes 83-6 to Give Military Anti-Drug Powers«, in: NYT 14.05.1988; »A New Mission Impossible: Seal the Border in 45 Days«, in: Time 30.05.1988. 93 Vgl. Friesendorf, War on Drugs, 11. Andreas/Nadelmann, Policing the Globe, 163; »U.S. Military Given Foreign Arrest Powers«, in: WP 16.12.1989. Wenige Monate zuvor hatte das Justizministerium schon dem FBI und anderen Bundesbehörden die Befugnis zuge-
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nal Defense Authorization Act desselben Jahres schrieb die zentrale Rolle des Militärs im war on drugs fest, indem er das Verteidigungsministerium unzweideutig zur »single lead agency of the Federal Government for the detection and monitoring of aerial and maritime transit of illegal drugs into the United States« bestimmte.94 Zu diesem Zeitpunkt begann der Widerstand des Pentagons deutlich nachzulassen. Verantwortlich hierfür war einmal der Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums nach dem Amtsantritt von George Bush, da Richard Cheney sich als Nachfolger von Frank Carlucci nach anfänglichen Vorbehalten rasch zu einem erklärten Befürworter des militärischen Engagements im ›Krieg gegen die Drogen‹ entwickelte.95 Als entscheidend erwies sich neben dem wachsenden Druck von Regierung, Kongress und Öffentlichkeit aber vor allem das Ende des Kalten Krieges und die daraus entstehende Notwendigkeit für das US-Militär, neue Missionen zu finden, mit denen sein enormes Budget gerechtfertigt werden konnte. General Maxwell Thurman, Befehlshaber des für Lateinamerika zuständigen Southern Command (SOUTHCOM), brachte die Situation prägnant auf den Punkt, als er den war on drugs 1990 als »the only war we’ve got« bezeichnete.96 Das Pentagon akzeptierte unter diesen Umständen wesentlich bereitwilliger die ihm zugedachte Rolle insbesondere bei der Luft- und Seeüberwachung, in deren Zuge im und für den Kalten Krieg entwickelte Technologien nun verstärkt gegen Drogenschmuggler zum Einsatz gebracht wurden. So verwandte das Hauptquartier der nordamerikanischen Luftverteidigung, NORAD, in der Folge einen Großteil seiner Aufmerksamkeit darauf, statt sowjetischer Raketen und Bomber verdächtige Kleinflugzeuge auszumachen.97 Das direkt für die Bekämpfung des Drogenhandels eingeplante Budget machte zwar auch zukünftig stets nur einen geringen Teil (unter einem halben Prozent) des gewaltigen Verteidigungshaushaltes aus, aber die Entwicklung neuer Waffensysteme wurde regelmäßig mit deren möglicher Verwendbarkeit im war on drugs gerechtfertigt.98 Auch die allzu oft selbst mit Drogenschmugglern in Verbindung gebrachte CIA erkannte die Zeichen der Zeit und wandte sich auf der Suche nach neuen Aufgaben und sicheren Geldern dem ›Krieg gegen die Drogen‹ zu. 1989 gründete sie ein eigenes Counternarcotics Center, und ein Sprecher erklärte im Jahr darauf, »[that] narcotics is a new priority.«99
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sprochen, im Ausland Verhaftungen ohne Einverständnis eines anderen Staates vorzunehmen. National Defense Authorization Act for Fiscal Years 1990 and 1991 (H.R. 2461); http:// thomas.loc.gov/cgi-bin/query/D?c101:13:./temp/~mdbsoNXof7:: (20.08.2008). Vgl. »Military Assumes Wider Role in Anti-Drug Effort«, in: NYT 27.08.1989; Zirnite, Reluctant Recruits, 12. Zitiert nach Friesendorf, War on Drugs, 83. Vgl. auch Zirnite, Reluctant Recruits, 11; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 42-6. Vgl. »Built for Cold War, Bunker Shifts Its Weaponry to Drug Battle«, in: NYT 18.07. 1993. Vgl. Zirnite, Reluctant Recruits, 6 u. 11. Zitiert nach »The C.I.A. and the Drug War: A Special Report. C.I.A. Shedding Its Reluctance to Aid in Fight Against Drugs«, in: NYT 25.03.1990. Siehe außerdem »Panel Said to Seek New Military Role in Fight on Drugs«, in: NYT 02.07.1989; Adam Isacson, »The
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Am eifrigsten nahmen schon früh die Militärs von SOUTHCOM die neue Mission an, nicht zuletzt weil sie – gestützt auf die Narcoguerilla-Theorie – eine direkte Verbindung zu ihrer bisherigen Hauptaufgabe sahen, der Bekämpfung kommunistischer Rebellengruppen. Der neue Drogenkrieg bot für sie die Möglichkeit, ihre counterinsurgency-Strategien weiterzuverfolgen und ihre Verbindungen zu den Streitkräften der Region weiter auszubauen.100 SOUTHCOM behielt so nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eine Schlüsselrolle für die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Lateinamerika,101 die nun vom war on drugs ebenso dominiert wurde wie vormals vom Kalten Krieg. Der Kampf gegen den Drogenschmuggel lieferte den USA einen neuen Anlass für die Ausübung ihrer Hegemonie in der Region, durch Interventionen und vor allem durch ökonomischen und politischen Druck, dem die lateinamerikanischen Staaten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Supermacht im Norden nur wenig entgegenzusetzen hatten.102 Insbesondere der bereits erwähnte alljährliche Zertifizierungsprozess erwies sich für die USA als wirkungsvolles Mittel, um ihren Forderungen gegenüber den Lateinamerikanern Nachdruck zu verleihen.103 Indem die Vereinigten Staaten den Kalten Krieg in Lateinamerika durch den ›Krieg gegen die Drogen‹ ersetzten, richteten sie ihre Politik gegenüber der Region erneut an einem einzigen Problem aus, dessen Lösung unter Vernachlässigung sozialer Aspekte vor allem auf militärischem Wege angestrebt wurde. Die Stärkung von Demokratie und Menschenrechten wurde dem Erfolg bei der Bekämpfung von Drogenanbau und -schmuggel untergeordnet. Die USA setzten so eine verhängnisvolle Entwicklung fort und verstärkten sie sogar noch – mit in vielen Fällen fatalen Konsequenzen für die lateinamerikanischen Staaten und ihre Bevölkerung.104
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U.S. Military in the War on Drugs«, in: Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy, 15-60, hier: 42. Dazu Zirnite, Relcutant Recruits, 12f. Siehe dazu auch Isacson, »U.S. Military«, 19f. Vgl. Smith, Talons of the Eagle, 236-42; Pastor, Whirlpool, 138f; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 49. Zum Verhältnis zwischen den USA und Lateinamerika und der Rolle der Drogenbekämpfung siehe auch Robert A. Pastor, »The United States and the Americas: Unfilled Promises at the Century’s Turn«, in: Lieber (Hg.), Eagle Rules?, 133-51. Der Präsident besitzt die Möglichkeit, Sanktionen gegen dezertifizierte Staaten auszusetzen, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit liegt, und in der Praxis werden für gewöhnlich nur solche Länder dezertifiziert, zu denen die USA ohnehin keine engeren Beziehungen unterhalten, z.B. Afghanistan unter den Taliban. Die Ausnahme stellt Kolumbien dar, das während der Präsidentschaft von Ernesto Samper, dem Verbindungen zum Cali-Kartell vorgeworfen wurden, 1996 und 1997 dezertifiziert wurde. Schon die mit dem Prozess verbundene Öffentlichkeit macht ihn zudem zu einem effizienten Druckmittel. Gleichzeitig bietet er amerikanischen Politikern die Möglichkeit, sich »tough on drugs« zu zeigen und das Problem zu externalisieren. Siehe dazu ausführlich Laurie Freeman/Jorge Luis Sierra, »Mexico: The Militarization Trap«, in: Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy, 263-302, hier: 284-7; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 124-34. Mit den negativen Auswirkungen des war on drugs in Lateinamerika befassen sich ausführlich die Aufsätze in Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy; außerdem Carpenter, Bad Neighbor Policy, 153-67.
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Trotz der Militarisierung des Drogenproblems scheute die US-Regierung davor zurück, ihre eigenen Streitkräfte in den Kampf zu schicken und agierte stattdessen lieber indirekt über Militärhilfe, wie im Zuge der 1989 von George Bush auf den Weg gebrachten Anden-Initiative.105 Die Ausnahme von dieser Regel stellte natürlich die programmatisch als Operation Just Cause bezeichnete Invasion Panamas zur Gefangennahme des in Miami wegen Drogenhandels angeklagten Manuel Noriega dar. Diese wurde allerdings in allererster Linie deshalb durchgeführt, weil das öffentliche Bekanntwerden der Verstrickungen des Diktators in das Drogengeschäft einerseits und seine langjährigen engen Beziehungen zu den USA andererseits ihn Ende der 1980er Jahre zu einem unerträglichen PR-Problem werden ließen. Die Invasion, die keine nennenswerten Auswirkungen auf den Drogenfluss in die Vereinigten Staaten hatte, zu einem Erfolg im war on drugs zu erklären, hieß, aus der Not eine Tugend zu machen.106 Von diesem Fall abgesehen, sahen die Bush-Administration und ihre Nachfolger von einem massiven Eingreifen mit eigenen Truppen ab. Die lateinamerikanischen ›Frontstaaten‹ wurden dafür großzügig mit Geld, Waffen, Training und Militärberatern für den Drogenkrieg versorgt. Auch oft im offiziellen Auftrag von US-Behörden agierende private Militärdienstleister spielten eine bedeutende und von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Rolle im ›Krieg gegen die Drogen‹.107 Die Kriegsstimmung in Bevölkerung und Kongress und George Bushs Erklärung, der war on drugs sei keine Metapher, fanden Anfang der 1990er Jahre auch in der Filmproduktion deutlichen Widerhall. Gestützt auf die Militarisierung von Politik und Rhetorik im Hinblick auf das Drogenproblem, wurden auf der Leinwand diverse Fantasien einer militärischen Lösung in Lateinamerika umgesetzt. Ein Paradebeispiel hierfür ist Fire Birds (1990), der mit einer Texttafel beginnt, die George Bushs »message to the drug cartels« aus der Fernsehansprache vom 5. September 1989 zitiert.108 Danach beginnt die Handlung an einem Schauplatz, der über eine Einblendung als »Catamarca Desert, South America« identifiziert wird: Ein Team aus US-amerikanischen und einheimischen Hubschrauberpiloten und DEA-Agenten wird während einer »search-and-destroy mission on cocaine labs« von einem Kampfhelikopter des örtlichen Drogenkartells angegriffen und aufgerieben. Jake Preston (Nicolas Cage), der mit seiner Maschine entkommen kann, erstattet kurz darauf in Washington vor einer Reihe hochrangiger Militärs und ziviler Amtsträger Bericht. Er lobt den Einsatz der lokalen Kräfte, lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass diese ohne Hilfe auf verlorenem Posten stehen: »The cartel has them outpaid, outmanned, and outgunned. 105 Siehe dazu ausführlich Isacson, »U.S. Military«, 22-5; Robert Lessmann, »Amerikanisierung und Militarisierung: Die auswärtige Drogenpolitik der USA«, in: Rudolf/Wilzewski (Hg.), Weltmacht ohne Gegner, 335-62, hier: 342-4. 106 Vgl. ausführlich Carothers, In the Name of Democracy, 166-82; Smith, Talons of the Eagle, 293-300. 107 Siehe dazu Isacson, »U.S. Military«, 43; Zirnite, Reluctant Recruits, 17; Singer, KriegsAGs, 38 u. 331-6. 108 Vincent Canby vermerkte dazu in seiner Rezension »Choppers vs. Pushers«, in: NYT 25.05.1990: »For what it’s worth, the public preview audience with which I saw the film booed when the film quoted President Bush’s statement about taking the war against the drug lords to their own territories.« Angesichts der bereits beschriebenen öffentlichen Meinung muss man die Repräsentativität dieser Reaktion allerdings in Frage stellen.
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But knowing that, they still went out. They didn’t stand a chance. They’re heroes, and they should be avenged.« Den Einwand, die Sachlage sei komplizierter, wischt er beiseite: »I think it’s very simple. They kill our people, and they kill our friends. Their drugs kill Americans every day. It’s a war. And it’s our duty to fight.« Die entscheidenden Personen schließen sich dieser Logik an, und es wird beschlossen, eine Staffel Apache-Kampfhelikopter zur Unterstützung der lateinamerikanischen Verbündeten zu entsenden. In der Folge gestaltet sich der vom Pentagon großzügig geförderte Film weitgehend als ein offensichtlich an Top Gun (1986) angelehntes Werbevideo für die US-Armee und ihren Apache, die am Ende in einer regelrechten Schlacht den Sieg erringen und so die Verhaftung der gesamten Kartellführung ermöglichen. Konsequent wird hier der Drogenhandel nicht als ein von ökonomischen Faktoren bestimmtes Geschäft, sondern als ein Angriff auf die USA und ihre Alliierten dargestellt. Zwei Aspekte sind dabei besonders wichtig: Erstens liegt dieser Sichtweise eine klare Unterscheidung zwischen Drogen produzierenden und Drogen konsumierenden Ländern zugrunde. Nur durch die Verortung der Produktion jenseits der Grenzen der Vereinigten Staaten kann der Drogenschmuggel als eine Bedrohung von außen definiert werden, als Invasion, die eine militärische Reaktion erforderlich macht. Dadurch wird die Verlagerung der Drogenkontrolle ins Ausland zur logischen Konsequenz, und es wird »auch eine Externalisierung der ›Schuld‹ am Drogenproblem« möglich,109 die in Jakes Feststellung »Their drugs kill Americans every day« beispielhaft zum Ausdruck kommt. Die US-Amerikaner werden so zu den von jeglicher Verantwortung freigesprochenen Opfern einer heimtückischen Attacke. Wie bereits kurz erwähnt wurde, war die klare Trennung von produzierenden und konsumierenden Ländern zum Zeitpunkt der Entstehung von Fire Birds jedoch schon nur noch durch die Vernachlässigung von Marihuana, das in erheblichem Umfang in den USA selbst angebaut wurde, und durch die Konzentration auf Kokain und Heroin möglich. Seither sind die Grenzen noch weiter verwischt: Viele traditionelle Herkunftsländer haben mittlerweile selbst ein bedeutendes Suchtproblem, während die Vereinigten Staaten zu einem der führenden Produzenten von Designerdrogen geworden sind.110 Der zweite wichtige Aspekt ist das Porträt des Feindes, also der Drogenhändler, als nicht nur außerordentlich gut ausgerüstet, sondern als darüber hinaus auch politisch motiviert, denn nur so kann die Behauptung eines Angriffs überzeugend erscheinen. In Fire Birds ist mehrfach von einer ›Offensive‹ die Rede, die das Kartell vorbereite, und die Apache-Staffel greift am Schluss gerade noch rechtzeitig ein, bevor eine geplante »attack on a friendly government« durchgeführt werden kann. Die Drogenhändler expandieren hier also nicht in einem wirtschaftlichen, sondern in einem streng militärischen Sinn, sie streben nach der Eroberung weiteren Territoriums. Dass sie dabei von Kuba mit Waffen und Beratern unterstützt werden, verstärkt die-
109 Lessmann, »Amerikanisierung und Militarisierung«, 362. 110 Vgl. Coletta A. Youngers/Eileen Rosin, »The U.S. ›War on Drugs‹: Its Impact in Latin America and the Carribean«, in: dies. (Hg.), Drugs and Democracy, 1-13, hier: 4f; Smith, Talons of the Eagle, 287; Lessmann, »Amerikanisierung und Militarisierung«, 335.
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sen Eindruck noch, indem die aus dem Kalten Krieg stammende Vorstellung einer von feindlichen, kommunistischen Staaten gelenkten Bedrohung aufgegriffen wird.111 Drogen erscheinen so weniger als Rauschmittel – und damit als soziales und gesundheitspolitisches Problem – denn als Waffe, und zwar als ein spezieller Typ von Waffe, wie SOUTHCOM-Kommandeur General Charles Wilhelm vor einem Senatsausschuss im Juli 1999 deutlich machte: »By my definition, illegal drugs are a weapon of mass destruction, and should be treated as such.«112 Bereits zehn Jahre früher sprach George Bush von »chemical warfare, poisoning our streets, as deadly as mustard gas«.113 Tatsächlich hatte der kolumbianische Drogenhändler Carlos Lehder Rivas in einem Fernsehinterview im März 1985 Kokain als »the Latin American Atom Bomb« bezeichnet,114 worauf zum Beispiel John Kerry verwies.115 Dieser zitierte in seinem Buch The New War einen weiteren kolumbianischen Kriminellen, der als Zeuge vor seinem Senatsunterausschuss Folgendes ausgesagt hatte: »The drug business is not just money – it is also political. The head of Cali, Gilberto Rodríguez Orejula, thinks of it as a war in which he is producing a chemical weapon against the United States and its people. Since the U.S. is the only threat to him, he will do all he can to weaken the country.«116 So unwahrscheinlich es bei realistischer Betrachtung auch erscheinen mag, dass derartige – unter besonderen Bedingungen abgegebene – Statements die tatsächlichen Ansichten und Motivationen der Drogenschmuggler adäquat wiedergaben,117 so lieferten sie natürlich perfekte Belege für jene, die die Vereinigten Staaten in der Verteidigung gegen einen potentiell vernichtenden Angriff sahen. Daraus ließ sich die nicht unwichtige Feststellung ableiten, dass in Wirklichkeit nicht die amerikanische Regierung den Drogen, sondern die Drogenhändler den USA den Krieg erklärt hatten.118 Dies alles erinnert nicht zufällig an die Erläuterungen von Abdul Elijah in Red Heat (1988): Wurden Drogen dort als Mittel der 111 Der Film setzt dabei im Grunde die Übertragung der Dominotheorie auf den war on drugs in Szene, deren Formulierung durch den Kongressabgeordneten Rangel im vorangegangenen Teilkapitel zitiert wurde. 112 Zitiert nach Lessmann, »Amerikanisierung und Militarisierung«, 358. 113 George Bush, »Remarks at the International Drug Enforcement Conference in Miami, Florida, April 27th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=16974 (20.07.2007). 114 »Document 1: Interview with Carlos Lehder Rivas, Reputed Colombian Drug Trafficker«, in Uri Ra’anan u.a. (Hg.), Hydra of Carnage: The International Linkages of Terrorism and Other Low-Intensity Operations. The Witnesses Speak, Lexington/Toronto 1986, 433-5, hier: 435; Lehder Rivas spricht in diesem Interview auch von einem revolutionären Kampf gegen den Imperialismus. 115 Drugs, Law Enforcement, and Foreign Policy, 3. Vgl. beispielhaft auch die Aussage von David Westrate von der DEA in International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking: Present Trends in Terrorist Activity. Joint Hearings Before the Committee on Foreign Relations and the Committee on the Judiciary, United States Senate, Ninety-Ninth Congress, First Session, May 13, 14 and 15, 1985, Washington D.C. 1986, 140. 116 Kerry, New War, 27. 117 Sinn ergeben derartige Aussagen als Versuch – unter Instrumentalisierung eines Feindbildes USA – die eigenen kriminellen Geschäfte durch eine angebliche politische Agenda in den Augen des lateinamerikanischen Publikums aufzuwerten und zu legitimieren. 118 Vgl. beispielhaft Kerry, New War, 27; Drugs, Law Enforcement, and Foreign Policy, 66.
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Schwarzen zur Bekämpfung der Weißen dargestellt, so gerieten sie in diesen Beispielen zur lateinamerikanischen Massenvernichtungswaffe. Wichtig für das Kriegsszenario von Fire Birds ist zudem die Betonung der Stärke des Gegners. Der Einsatz des Militärs im war on drugs wird nicht mit der Idee des Angriffs von außen allein gerechtfertigt, sondern auch damit, dass die DEA dem Feind nicht gewachsen ist. »The DEA is fighting a war with its hands tied, and we’re losing«, heißt es in der Besprechung zu Beginn unter Rückgriff auf ein mittlerweile wohlbekanntes Bild. Später wird ein DEA-Team bei dem Versuch, den für das Kartell fliegenden Hubschrauberpiloten Stoller festzunehmen, durch eine Sprengfalle getötet. Auch in Delta Force 2: The Colombian Connection (1990) läuft die DEA gleich zu Beginn in eine Falle, als sie Ramon Cota (Billy Drago), »the world’s wealthiest drug dealer«, während eines Maskenballs in Rio de Janeiro festnehmen will. Die Operation endet in einem Massaker an den überrumpelten Agenten, und der Drogenboss verhöhnt und bedroht den Einsatzleiter (Richard Jaeckel) in einer Videobotschaft, die die Machtlosigkeit der redlich bemühten, aber überforderten Behörde offenlegt. Der Chef der DEA wendet sich deshalb an die Spezialkräfte des Militärs um Hilfe: »Gentlemen, as you probably know, the flow of cocaine coming into the United States is becoming a war. I mean that damn drug has this country in a stranglehold. That’s why we need you and the Delta Force.« Die Schwierigkeit bei der Verhaftung Cotas liegt vor allem darin, dass er in seinem von dem korrupten Generalstabschef Olmedo (Mark Margolis) kontrollierten Heimatland, dem Fantasiestaat San Carlos, praktisch unantastbar ist, und auch kein Auslieferungsabkommen besteht.119 Colonel Scott McCoy (Chuck Norris) und Major Bobby Chavez (Paul Perri) gelingt es aber, den Drogenbaron auf spektakuläre Weise während einer Flugreise in ihre Gewalt zu bringen und an die Justizbehörden auszuliefern. Delta Force 2 glorifiziert hier vorbehaltlos die keineswegs unproblematische, im ›Krieg gegen die Drogen‹ und dann im war on terror zunehmend von den USA eingesetzte Praxis der sogenannten extraordinary renditions, bei denen gesuchte Verbrecher (beziehungsweise Verdächtige) oftmals gewaltsam aus anderen Ländern entführt und in die Vereinigten Staaten gebracht werden, um ihnen dort den Prozess zu machen. »Both Congress and the courts have afforded the executive branch extensive latitude in bringing criminal fugitives before American courts«, stellt Ethan Nadelmann dazu fest.120 Dies bestätigt sich auch im Film, als der Richter eine entsprechen119 Dass San Carlos in diesem Film für Kolumbien steht, wäre für das Publikum wohl auch ohne den Hinweis im Titel unschwer zu entschlüsseln gewesen. Schon 1988 hatte Bruce M. Bagley in einem Artikel in Foreign Affairs (»Colombia and the War on Drugs«, 70) bemerkt: »Indeed, in the minds of most Americans, Colombia is now essentially synonymous with drug trafficking.« 120 Nadelmann, Cops Across Borders, 457. Siehe zu dieser Thematik ausführlich ebenda, 436-57. Aufsehenerregend und die Problematik verdeutlichend war der Fall des mexikanischen Arztes Humberto Álvarez Machain, der 1990 auf Geheiß der DEA gekidnappt wurde, weil er im Verdacht stand, an der Entführung, Folterung und Ermordung des DEA-Agenten Enrique Camarena Salazar 1985 beteiligt gewesen zu sein. Die Verhandlung in den USA endete mit einem Freispruch. Vgl. Carpenter, Bad Neighbor Policy, 146f.
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de Beschwerde von Cotas Verteidiger zurückweist.121 Die Schwäche des demokratischen Rechtsstaats in der Auseinandersetzung mit dem Bösen, das der Drogenboss verkörpert, zeigt sich allerdings gleich darauf, als Cota gegen eine Kaution von 10 Millionen Dollar freigelassen wird. »Isn’t democracy great?«, kommentiert er diese verhängnisvolle – und wenig realistisch erscheinende – Entscheidung verächtlich. Dass der Drogenhändler in der Tat das fleischgewordene Böse darstellt – die New York Times sprach in ihrer Rezension treffend von »The purity of Cota’s evil«122 –, ist dem Zuschauer zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich vor Augen geführt worden: Als sich die junge Indio-Kokabäuerin Quiquina (Begonia Plaza) aus Sorge um ihr kleines Kind weigert, in der stechenden Sonne zu arbeiten, ermordet Cota ihren Mann und ihr Baby und vergewaltigt sie. Später erfährt man noch, dass er die Leiche des Kindes zum Drogenschmuggeln missbraucht hat. Diese Episode verrät alles, was man nach der Logik des Films über Cota wissen muss, der selbst keine persönlichen Bindungen zu anderen Menschen besitzt – mit Ausnahme vielleicht seines engsten Mitarbeiters, den er allerdings, ohne zu zögern, umbringt, sobald sich dieser als Informant der DEA entpuppt. Cota erweist sich hier auch als exzellentes Beispiel für die Bedeutung mit Gewalt verbundener sexueller Gier, die häufig zum markanten Ausdruck der Verderbtheit des Schurken wird.123 Selbstverständlich nutzt Cota nach seiner Freilassung die Chance, zurück in das sichere San Carlos zu fliehen, allerdings erst nachdem er in einem weiteren Akt des Bösen Chavez’ schwangere Frau und jüngeren Bruder ermordet hat. Der Elitesoldat sinnt daraufhin auf Rache und verfolgt Cota auf eigene Faust, fällt dem Drogenbaron aber wenig später zusammen mit einer Gruppe von DEA-Agenten in die Hände. Nun begeht Cota seinerseits einen schweren Fehler: Indem er den US-Behörden als Warnung ein Videoband übersendet, auf dem Chavez’ grausamer Tod zu sehen ist, provoziert er den gerechten Zorn der Vereinigten Staaten zu stark. Der aufgebrachte amerikanische Präsident übt nun Druck auf die Regierung von San Carlos aus, indem er ein Ende der Wirtschaftshilfe ankündigt, und erzwingt so die Erlaubnis für eine eintägige Operation des US-Militärs. Zuvor hat der Staatschef von San Carlos, Präsident Alcazar (Subas Herrero), auf die Kritik aus den USA noch kämpferisch-abweisend reagiert und in einer öffentlichen Rede erklärt: »Certainly, we have a narcotics problem in our country. And we are struggling against it. But if America accuses us of being a nation of drug pushers, then we accuse America of being a nation of drug addicts!« Diese Szene verdient auch wegen der darin stattfindenden nonverbalen Kommunikation Beachtung: Nachdem er diese Erklärung unter dem Beifall seiner Zuhörer abgegeben hat, schaut Alcazar zu General Olmedo, der zustimmend nickt. Offensichtlich handelt der Präsident – »a well-intentioned man«, wie der DEA-Chef zu Beginn des Films bemerkt hat – hier 121 Der Anwalt protestiert mit der Begründung, der DEA sei es verboten, Verhaftungen außerhalb der USA durchzuführen. Wie bereits zu sehen war, entspricht dies nicht den Tatsachen. Die vom Richter vertretene Argumentation, dass Cota erst in den Vereinigten Staaten an die DEA übergeben worden sei, wäre also überflüssig. 122 »The Invincible Hero Who Hardly Growls«, in: NYT 25.08.1990. 123 Vgl. dazu auch Gibson, Warrior Dreams, 67: »Bad men also lust for women. […] For bad men, additional sexual pleasure can readily be obtained through rape, torture, and killing.«
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auf Geheiß des korrupten Generalstabschefs, der mit Cota zusammenarbeitet. Delta Force 2 zieht also nicht nur wie Fire Birds eine klare Trennlinie zwischen Drogen produzierenden und Drogen konsumierenden Ländern, auch das von Kritikern (und selbst Verfechtern) des war on drugs häufig vorgebrachte Argument, dass die Nachfrage in den Vereinigten Staaten das eigentliche Problem sei, wird hier diskreditiert, indem es als Propaganda der Drogenhändler selbst präsentiert wird. Die Externalisierung der Schuld wird dadurch noch konsequenter vollzogen. Die korrupte beziehungsweise eingeschüchterte Regierung von San Carlos versucht bis zuletzt, den Einsatz der US-Armee zu sabotieren, durch Zuweisung eines Operationsgebiets jenseits der wichtigen Kokaproduktionsstätten und durch die Behauptung, ihre eigenen Kräfte hätten die Plantagen bereits zerstört. Die Amerikaner lassen sich jedoch nicht beirren. Ihre moderne Aufklärungstechnologie ermöglicht es ihnen, alle wichtigen Einrichtungen zu identifizieren und ohne jeden Zweifel zwischen Kokafeldern und für legitime Zwecke genutzten Anbauflächen, etwa für Wiezen, zu unterscheiden. Der überlegene imperiale Blick entlarvt hier die plumpen Täuschungsversuche der Gegenspieler aus der Dritten Welt und liefert diese dem an Effizienz nicht zu überbietenden Gegenangriff der Vereinigten Staaten aus: Eine kleine Einheit der Delta Force und ein einzelner Helikopter genügen, um innerhalb eines Tages alle Kokaplantagen und -labors zu zerstören, die gefangenen DEA-Agenten zu befreien, Cotas Organisation zu zerschlagen und den Drogenbaron selbst dingfest zu machen. Dabei ist der Schluss so konstruiert, dass Cota durch seinen Widerstand gegen die Verhaftung seinen eigenen Tod verursacht und somit seine gerechte Strafe findet: Er stürzt von einem an dem Hubschrauber hängenden Gurt in die Tiefe. Eine ähnlich simple militärische Lösung des Drogenproblems präsentiert auch Aces: Iron Eagle III (1992). Hier attackieren die Piloten einer Flugshow um den aus den ersten beiden Teilen der Reihe bekannten Haudegen Chappy Sinclair (Louis Gossett Jr.) in mit Raketen aufgerüsteten historischen Flugzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg ein von Peru aus operierendes Drogenkartell, das einen Freund und Kameraden Chappys, den Air-Force-Piloten Ramon Morales, auf dem Gewissen hat und auch dessen in Peru lebende Familie bedroht. Im Unterschied zu Fire Birds und Delta Force 2 handelt es sich in diesem Fall also nicht um eine Operation des US-Militärs. Tatsächlich sind sogar Angehörige der Armee, einschließlich eines Generals, in den Drogenschmuggel verwickelt. Am Ergebnis ändert dies allerdings nichts, zumal das Eingreifen eines schwer bewaffneten DEA-Teams dem Unternehmen zu guter Letzt doch noch einen offiziellen Anstrich verleiht. Auch hier reicht eine entschlossene Aktion mit verhältnismäßig geringen militärischen Mitteln aus, um die Feinde der USA, zu denen nun eben auch einige Verräter zählen, zur Strecke zu bringen. Auffällig im Hinblick auf das Feindbild ist an diesem Film vor allem, dass der Chef des Drogenkartells ein Alt-Nazi namens Kleiss (Paul Freeman) ist. In Kapitel II.2.3 bin ich bereits darauf eingegangen, dass Kleiss und seine rechte Hand Escovez (Juan Fernandez), ein Latino in einem an die SS gemahnenden Reiteroutfit, auf der einen Seite und Kleiss’ heroischer Bruder (Horst Buchholz), der zu Chappys Truppe gehört, auf der anderen Seite die Entwicklung des Nationalsozialismus zu einer weitgehend von Deutschland abgelösten Chiffre für das Böse verdeutlichen. Hier ist nun zu beachten, dass die Gleichsetzung des Bösen mit dem Totalitarismus dazu führt, dass auch die transnationale Bedrohung Drogenhandel dementsprechend dargestellt
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wird und dass der ›Krieg gegen die Drogen‹ somit als weiterer Kampf gegen einen totalitären Feind erscheint. Ein anderes Beispiel hierfür ist der ebenfalls schon besprochene Film Lethal Weapon 2 (1989), in dem die afrikaanischen Schurken als Drogenhändler und als Nazis porträtiert werden. Nicht anders als in Iron Eagle III, wo Kleiss seine Gewinne nutzt, um »hate groups all over the world« zu finanzieren, dient der Schmuggel von Rauschgift auch hier den unheiligen Zwecken einer totalitären Ideologie. Die spielt im Fall von Cota in Delta Force 2 zunächst keine Rolle, sein Motiv scheint vielmehr schlicht und einfach Geld zu sein. Doch wie zu sehen war, präsentiert sich auch dieser Drogenbaron als Verkörperung des Bösen, als jemand, der aus dem Quälen und Töten von Menschen direkt sexuelle Befriedigung gewinnt. Er ist zudem ein prägnantes Beispiel dafür, dass in der amerikanischen Populärkultur auch die Anführer von kriminellen Organisationen häufig als totalitäre Herrscher dargestellt werden. »[T]here is only the will and desire of the leader. To him, everyone is expandable, especially those who fail to carry out his orders immediately and with success«, wie James William Gibson die ›Ordnung‹ beschrieben hat, die Terroristen, Drogenhändler oder die Mafia in zahllosen Filmen und Romanen ebenso charakterisiert wie Kommunisten und Nazis.124 Delta Force 2 wartet zudem mit einem Motiv auf, das überdeutlich auf den Nationalsozialismus verweist, wenn Cota Chavez ausgerechnet in einer privaten Gaskammer, die in seine Villa eingebaut ist, ermordet. Einschlägige Assoziationen sind hier zweifellos nicht weniger gewollt als in Iron Eagle III, wo Kleiss seine überflüssig gewordenen Arbeiter in einer als Todesfalle präparierten Kirche umzubringen plant. In Fire Birds fehlen solche Bezüge, dafür wird durch die Verweise auf die Unterstützung des Kartells durch Kuba eine Verbindung zum Kommunismus hergestellt.125 »[Y]ou know that a country that refused to allow totalitarians of the right and of the left to enslave the world will never allow the evil purveyors of drugs to enslave America«, stellte George Bush in einer Rede im Juni 1992 fest, in der er die Beamten der DEA und der anderen Polizeibehörden als »the greatest freedom fighters any nation could have« pries.126 Der Präsident beschwor damit jenes Bild, das in den Filmen zum war on drugs immer wieder begegnet: Drogen als eine dem Nationalsozialismus oder Kommunismus vergleichbare beziehungsweise damit verbundene Bedrohung, gegen die die Amerikaner ihre Freiheit (und die der Welt) verteidigen müssen.127 Dies korrespondiert natürlich mit der Vorstellung vom Drogenhandel als einem Angriff auf die USA. Und es unterstreicht noch einmal die Ablösung des Kalten Krieges durch den Drogenkrieg. 124 Gibson, Warrior Dreams, 70. 125 Beachtenswert sind hier außerdem die ohne jede Ironie in die Dialoge eingebauten Verweise auf ein Heldentum im Stile von Zweiter-Weltkrieg-Filmen. 126 George Bush, »Remarks at the Dedication Ceremony for the Drug Enforcement Administration’s New York Field Division Office in New York City, June 29th, 1992«, http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=21162 (21.07.2007). 127 Bezeichnend sind in dieser Hinsicht z.B. auch Äußerungen von U.S. Customs Commissioner William Von Raab, der etwa im Mai 1988 forderte, im ›Krieg gegen die Drogen‹ eine andere Haltung an den Tag zu legen als gegenüber Hitler vor dem Münchner Abkommen; siehe dazu »› War Footing‹ Urged for Drug Fight«, in: WP 25.05.1988.
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Die Darstellung der Amerikaner als Freiheitskämpfer gegen einen weiteren totalitären Feind geht damit einher, dass die Filme sie stets als scheinbar unterlegen, aber am Ende doch siegreich zeigen, als »overwhelming underdogs«, wie George Bush »the good guys in the fight against drugs« bezeichnete.128 Dieses Muster ist uns aus zahlreichen Kalter-Krieg-Produktionen vertraut, anhand derer zu sehen war, dass es nicht nur aus dramaturgischen Gründen wichtig ist, sondern auch weil es zusammen mit der Darstellung der USA als Opfer eine besondere moralische Gewissheit bedingt. Das Porträt als Underdog sorgt zudem dafür, dass die Vereinigten Staaten nicht als eine imperialistische Supermacht wahrgenommen werden, was im Hinblick auf das Eingreifen in Lateinamerika, das ansonsten allzu problematisch wirken könnte, von großer Bedeutung ist. Auch deshalb sind es in den Filmen stets nur kleine amerikanische Trupps, die in die Schlacht gegen die Drogendealer ziehen. Während die USA ihr militärisches Potential hier nie auch nur annähernd ausschöpfen, werden die Kartelle als überaus mächtige Organisationen gezeichnet, die über eigene, schwer bewaffnete Armeen verfügen und in Delta Force 2 und Iron Eagle III außerdem auf die korrupten Streitkräfte des jeweiligen Landes zurückgreifen können. Selbst wenn man berücksichtigt, dass einige Drogenkartelle tatsächlich erstaunliche Fähigkeiten und Waffenarsenale erworben haben – nicht zuletzt mithilfe von privaten Militärdienstleistern wie der israelischen Firma Spearhead Ltd., die offensichtlich geringe Skrupel bei der Auswahl ihrer Kunden haben –,129 so ist doch offensichtlich, dass es aufgrund einer bestimmten Wirkungsintention im Interesse der Filme liegt, den Feind möglichst stark erscheinen zu lassen. Stets ist er den amerikanischen Helden an Zahl und Ausrüstung deutlich überlegen. Dieses Bild der Drogenkartelle ist repräsentativ für das der internationalen Kriminalität insgesamt, der nach dem Kalten Krieg ein Grad an Organisation und Vernetzung zugeschrieben wurde, den sie in der Realität nicht besaß. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Fachleute verschiedentlich darauf hingewiesen haben, dass schon der Begriff ›Kartell‹ irreführend ist, denn tatsächlich haben diese Gruppen das eigentliche Ziel eines Kartells – die Kontrolle des Preises – nie erreicht.130 Ein weiterer Aspekt, der in enger Verbindung zur Zeichnung eines totalitären Feindes steht, ist die Darstellung der Kokabauern als mit Gewalt zur Arbeit für die Drogenhändler gepressten Sklaven, die durch das militärische Eingreifen der USAmerikaner befreit werden. Dieses Thema spielt eine prominente Rolle in Delta Force 2 und vor allem in Iron Eagle III. Das Verhältnis zwischen den Kartellen und der Landbevölkerung wird hier als eine Terrorherrschaft der Schurken charakterisiert, die auf der Androhung und skrupellosen Ausübung von Gewalt basiert. Die Repräsentanten der Vereinigten Staaten erscheinen dagegen als die Retter der unterdrückten Bauern, die von diesen freudig willkommen geheißen werden. Als McCoy in Delta Force 2 das Dorf der Indios betritt, hat er schon nach wenigen Sekunden einen kleinen Jungen an der Hand. Dieses Bild entwirft freilich nicht nur das freundliche 128 George Bush, »Remarks at the International Drug Enforcement Conference in Miami, Florida, April 27th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=16974 (20.07.2007). 129 Siehe dazu Singer, Kriegs-AGs, 96, 295 u. 351f. 130 Vgl. Bagley, »Colombia and the War on Drugs«, 77; Naylor, »From Cold War to Crime War«, 40f.
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Auftreten des Amerikaners als Kontrast zu Cotas unmenschlichem Verhalten, es verweist – vermutlich unbewusst – auch auf den paternalistischen Subtext dieser Szenarien, die die USA in der Dritten Welt als Beschützer der Schwachen gegen die Tyrannei zeigen. Hierzu gehört auch die Feminisierung der Bauern, deren wichtigste Vertreter mit Quiquina in Delta Force 2 und Anna (Rachel McLish) in Iron Eagle III Frauen sind. Beide Figuren erfüllen zwei zentrale symbolische Funktionen als Verkörperung der lateinamerikanischen Bevölkerung: Durch ihre aktive Unterstützung der US-Amerikaner wird ein Bündnis zwischen beiden Gruppen in Szene gesetzt, während sie zugleich trotz ihres Engagements dazu dienen, zu verdeutlichen, dass die Bauern auf Rettung durch die Vereinigten Staaten angewiesen sind. Dass beide Frauen von den Drogenhändlern vergewaltigt oder mit Vergewaltigung bedroht werden, ist auf einer höheren Ebene als kennzeichnend für die Situation ihrer gesamten Gesellschaft zu verstehen und liefert neben dem Übel des Drogenschmuggels einen weiteren moralischen Grund für das militärische Eingreifen.131 Die Inszenierung der USA als Befreier einer dankbaren lateinamerikanischen Bevölkerung aus der Sklaverei der Drogenkartelle steht in scharfem Kontrast zu den tatsächlichen Gegebenheiten und der Wahrnehmung des war on drugs in den betroffenen Staaten. Dies ist schon deshalb der Fall, weil der Anbau von Koka ebenso wie dessen Gebrauch in weniger konzentrierter Form als Kokain, etwa zum Kauen oder als Tee, in Peru und Bolivien Bestandteil einer alten und voll akzeptierten Kultur ist. Für die Bauern handelt es sich dabei also keineswegs um eine illegitime Tätigkeit, zu der sie mit Gewalt gezwungen werden müssten. Koka stellt für die Landbevölkerung in diesen von Armut geplagten Staaten vielmehr eine natürliche Wahl für den Anbau auf ihren Feldern dar, da die Pflanze an die klimatischen Bedingungen der Region angepasst ist und beim Verkauf höhere Einnahmen garantiert als jede zur Verfügung stehende Alternative. Im wirtschaftlichen Leben der Andenländer spielt das auch für zahlreiche legale Zwecke verwendbare Koka eine entscheidende Rolle. In Bolivien etwa, wo der Anbau, aber nicht der Verkauf der Pflanze bis 1988 uneingeschränkt erlaubt war, war Ende der 1980er Jahre ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung in der Kokawirtschaft beschäftigt.132 Dass diese Länder zugleich von den Vereinigten Staaten abhängig sind, bringt ihre Regierungen in eine äußerst schwierige Situation, denn die auf US-Druck verfolgte Kriminalisierung des Kokaanbaus und die gewaltsame Vernichtung von Feldern muss als Paradebeispiel für ein Phänomen angesehen werden, das von Experten als overcriminalization bezeichnet wird:
131 Dass die von der Bodybuilderin Rachel McLish gespielte Anna in Iron Eagle III einen vergleichsweise aktiven Part übernimmt, sich mehrfach selbst aus gefährlichen Situationen befreit und dabei männliche Schurken sogar mit den bloßen Händen tötet, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film mehrere Szenen beinhaltet, in denen sie auf Rettung durch männliche US-Amerikaner angewiesen ist. Ohne die Hilfe von Chappy und seinen Freunden wäre sie zudem nicht in der Lage, ihr Dorf vor der Auslöschung durch Kleiss zu bewahren – so wie auch Quiquinas Widerstand gegen Cotas Tyrannei in Delta Force 2, der ihre Familie und schließlich sie selbst das Leben kostet, sich als zu schwach erweist. 132 Vgl. Friesendorf, War on Drugs, 87; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 91f. Zu Bolivien als Beispiel siehe außerdem ausführlich Ledebur, »Bolivia«.
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»Overcriminalization occurs when laws punish activities […] that a large percentage of the population does not consider to be crimes. It is a particular problem when significant numbers of people are regularly engaged in these activities or depend on them for their livelihood, as in parts of Bolivia, Peru, and Colombia. Implementing such laws places the police and other offi133 cials charged with eradication into confrontation with local population.«
Die Entwicklung wirtschaftlicher Alternativen für die vom Kokaanbau lebende Bevölkerung könnte zur Entschärfung dieser Problematik beitragen, entsprechende Programme sind jedoch notorisch unterfinanziert und erhalten weit weniger Aufmerksamkeit als die Strategie der forced eradication, obwohl diese nicht zu nennenswerten Erfolgen führt.134 Die Kokabauern in diesen Staaten fühlen sich also weniger von den Drogenhändlern unterdrückt, als vielmehr von dem ›Krieg gegen die Drogen‹ in ihrer Existenz bedroht, zumal dieser mit einem hohen Maß an Gewalt einhergeht und Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitsorgane dabei an der Tagesordnung sind. Die Vereinigten Staaten vernachlässigen dieses Problem und arbeiten immer wieder eng mit Militär- und Polizeikräften zusammen, denen zahlreiche Vergehen zur Last gelegt werden. Agenten der DEA wurden in einigen Fällen auch direkt mit der Misshandlung von Gefangenen bei Verhören in Verbindung gebracht.135 Die Auswirkungen des war on drugs im Hinblick auf die Bevölkerung der Andenländer sind deshalb oftmals das genaue Gegenteil dessen, was die Filme zeigen: Die Bauern leiden massiv gerade unter den von den USA initiierten Anti-Drogenkampagnen, die nicht als Befreiung, sondern als Imperialismus empfunden werden und Konflikte zwischen der Bevölkerung und den mit den Vereinigten Staaten kooperierenden Regierungen erzeugen oder verschärfen. Der Drogenkrieg schürt so den
133 Rachel Neild, »U.S. Police Assistance and Drug Control Policies«, in: Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy, 61-97, hier: 76. Siehe dazu auch Nadelmann, Cops Across Borders, 257f. 134 Vgl. für das Beispiel Peru Isaías Rojas, »Peru: Drug Control Policy, Human Rights, and Democracy«, in: Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy, 185-230, hier: 211-3. Carpenter, Bad Neighbor Policy, 106-14, argumentiert, dass alternative Entwicklungsprogramme aufgrund der vergleichsweise hohen Gewinne im Kokahandel zum Scheitern verurteilt seien. Zum Misserfolg der Ausrottungskampagnen siehe ebenda, 95-106; Maria Clemencia Ramírez Lemus u.a., »Colombia: A Vicious Circle of Drugs and War«, in: Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy, 99-142, hier: 112-6; Smith, Talons of the Eagle, 287 u. 381; Friesendorf, War on Drugs. 135 Siehe dazu beispielhaft den Auszug aus einem Bericht von Human Rights Watch aus dem Jahr 1995, »Drugs and Democracy in Bolivia«, in: Robert H. Holden/Eric Zolov (Hg.), Latin America and the United States: A Documentary History, New York/Oxford 2000, 340-2. Vgl. außerdem die Aufsätze in Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy. Gesetzliche Bestimmungen verbieten zwar theoretisch die Unterstützung von belasteten Einheiten, erweisen sich in der Praxis aber oft als wirkungslos, da sie nicht konsequent angewandt und auf verschiedene Weise umgangen werden; siehe dazu Friesendorf, War on Drugs, 125; Ledebur, »Bolivia«, 171-4; Isacson, »U.S. Military«, 27f u. 38.
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Antiamerikanismus in Lateinamerika und schafft eine Plattform für populistische Politiker und bereits totgesagte linke Ideologien.136 Mangelndes Verständnis für die Komplexität des Drogenproblems beziehungsweise fehlende Bereitschaft, sich mit dieser auseinanderzusetzen, demonstriert auch die Behandlung des Themas Korruption in den angesprochenen Filmen. Dass Korruption in den lateinamerikanischen Staaten weit verbreitet ist und die Effizienz von Regierungsbehörden und insbesondere Sicherheitsorganen bei der Bekämpfung des Drogenschmuggels erheblich beeinträchtigt, ist unbestreitbar. Allerdings sind für diese Situation keineswegs nur Habgier und moralische Verderbtheit verantwortlich, wie die Konzentration auf Charaktere wie Olmedo suggeriert. Vielmehr müssen verschiedene Ursachen berücksichtigt werden. Hierzu gehören selbstverständlich die enormen Summen, mit denen im Drogengeschäft operiert wird und die mit den Bestechungsgeldern im Zusammenhang mit anderen kriminellen Aktivitäten kaum vergleichbar sind. Gepaart mit der schlechten Bezahlung von Polizisten in den betroffenen Ländern ergibt dies einen Anreiz, dem nur schwer zu widerstehen ist – zumal die Verlockung zumeist mit der Androhung von Gewalt einhergeht: Die berüchtigte Formel plomo o plato (Blei oder Teller) bezeichnet die Wahl, vor die sich Staatsdiener in Lateinamerika oft gestellt sehen und die vielen – nicht unverständlicherweise – eher leicht fällt. Hinzu kommt aber auch das bereits angesprochene Problem der overcriminalization, das Korruption entscheidend befördert, weil Polizei und Militär angesichts der undurchführbaren Aufgabe, gegen das Rechtsverständnis der eigenen Gesellschaft agieren zu müssen, dazu neigen, die Rolle von Regulatoren des offiziell illegalen Marktes einzunehmen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Korruption im Widerstreit zwischen zwei von den USA ausgehenden Bedürfnissen wurzelt, nämlich der hohen Nachfrage nach Drogen auf der einen und der Forderung nach Kriminalisierung des Drogenhandels auf der anderen Seite.137 Diese Erkenntnis läuft freilich der von den Filmen verfolgten Strategie der Externalisierung der Schuld am Drogenproblem zuwider und könnte schon deshalb nicht zur Sprache gebracht werden, selbst wenn die Konzentration auf Action dafür Platz ließe. Wichtig ist nicht, warum, sondern dass die lateinamerikanischen Staaten korrupt sind. Viele Szenarien gehen dabei so weit, dass die Drogenbosse als die eigentlichen Machthaber dargestellt werden. Cota wird von einem Regierungsvertreter von San Carlos als »the most powerful man in this country« bezeichnet, eine offenbar zutreffende Beschreibung, da er über Olmedo auch die Armee kontrolliert. Ganz ähnlich herrscht der Drogenbaron Franz Sanchez (Robert Davi) über einen Fantasiestaat in Licence to Kill (1989). Und auch in Iron Eagle III folgt die peruanische Luftwaffe den Befehlen von Kleiss. Das ist nicht zuletzt deshalb bedeutsam, weil dieses Ausmaß an Korruption, das jegliche effektive Bekämpfung des Drogenhandels durch die lateinamerikanischen Staaten selbst unmöglich macht, als Rechtfertigung für das Eingreifen der USA dient: »You know how much corruption there is down there? These are poor countrys, surviving on narco bucks. They don’t wanna hear from DEA.« Diese Aussage des DEA-Agenten Crawford (Tom Bower) in Iron Eagle III liefert einen der wenigen Hinweise auf die wirtschaftlichen Hintergründe der Korrup136 Der 2005 zum Präsidenten Boliviens gewählte Sozialist Evo Morales etwa stieg als Führer der Kokabauern in dieses Amt auf. 137 Vgl. Nadelmann, Cops Across Borders, 255-9; Bertram u.a., Drug War Politics, 17.
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tion, ist aber vor allem bezeichnend für die Haltung der Filme, die Korruptheit Lateinamerikas als Vorwand für die Missachtung der Souveränität der betroffenen Staaten zu benutzen. Die Ausübung von Druck und nicht genehmigte Militäraktionen erscheinen so als pure Notwendigkeit. Fälle von Korruption auf US-amerikanischer Seite werden zwar zugestanden, fallen aber nicht in einem vergleichbaren Maße ins Gewicht: In Delta Force 2 wird lediglich angedeutet, dass Cota einen Informanten bei der DEA hat, dies beeinträchtigt aber nicht das insgesamt positive Porträt der Behörde. Entsprechendes gilt für Licence to Kill, wo das Auftreten eines Verräters, den James Bond als gerechte Strafe an die Haie verfüttert, ebenfalls nicht als repräsentativ für die Institutionen der USA dargestellt wird. Iron Eagle III wartet mit der vergleichsweise dramatischsten Darstellung von Korruption in den USA auf, wenn mehrere hochrangige Militärs Flugzeuge und einen Stützpunkt der Air Force zum Drogenschmuggeln missbrauchen; allerdings fungiert die DEA hier als positives Gegengewicht, das sozusagen die Ehre der staatlichen Organisationen rettet. Aus Geldgier handelnde Verräter werden somit im Gegensatz zu den von Korruption zerfressenen Sicherheitsorganen in Lateinamerika als Einzelfälle präsentiert. Und vor allem sind es stets US-Amerikaner – oder im Fall von James Bond ein Brite –, die dafür verantwortlich zeichnen, dass sowohl die Drogenhändler als auch die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen zur Strecke gebracht werden. Die Regierungen der lateinamerikanischen Staaten leisten dazu keinerlei Hilfe. Das gilt letztendlich sogar für Fire Birds: Hier ist zwar von Korruption keine Rede, und die Verbündeten aus dem Süden werden im Dialog als Helden gelobt, gezeigt werden nach der Eröffnungssequenz aber trotzdem nur noch die heroischen Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Solche Leinwandszenarien spiegelten nicht nur den Diskurs um Drogen und Lateinamerika in den USA wider, sie beeinflussten auch ihrerseits wiederum das Bild der Öffentlichkeit – umso mehr, als man von einem geringen Grad an Informiertheit bei einem großen Teil der US-amerikanischen Bevölkerung ausgehen muss, die nach dem Kalten Krieg nur an Mexiko als direktem Nachbarn ein breiteres Interesse zeigte und ihr Wissen über die Länder im Süden zudem oft einer oberflächlichen Berichterstattung in den Nachrichten und schlechten Unterrichtsmaterialien verdankte.138 Seit den 1980er Jahren wuchs mit der aus Lateinamerika stammenden Minderheit in den Vereinigten Staaten zwar auch deren Einfluss, nicht zuletzt im Filmgeschäft, das die Latinos nun zunehmend als Markt ernst nahm,139 aber nur wenige Filme behandelten das Nord-Süd-Verhältnis, zumal auf reflektierte Weise.140 Der Rückgriff auf rassistische Stereotype prägte zudem nach wie vor das Bild der Latinos. Hollywood konnte hierbei aus einer bis in die Anfänge des Kinos zurückreichenden Tradition schöpfen, die sich ihrerseits aus verschiedenen Quellen wie der Schwarzen Legende,141 der manifest-destiny-Idee und dem mexikanisch-amerikanischen Krieg speiste. 138 Vgl. Smith, Talons of the Eagle, 244f; Budd, Culture Meets Culture, 15f. 139 Vgl. Gary D. Keller, Hispanics and United States Film: An Overview and Handbook, Tempe 1994, 150f; Frank Javier Garcia Berumen, The Chicano/Hispanic Image in American Film, New York 1995, 190f. 140 Vgl. Budd, Culture Meets Culture, 17. 141 »Promulgated by Spain’s religious and economic rivals in the sixteenth and seventeenth century […] the Black Legend or la leyenda negra elaborated a story or legend about the
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Wie für Schwarze bildete sich für Latinos schnell ein Reservoir an Rollenstereotypen heraus, die über die Jahrzehnte hinweg in leicht modernisierter oder variierter Form immer wieder aufs Neue auf die Leinwand gebracht wurden. Die schmierigen Verbrecher, vertrottelten Polizeioffiziere, brutalen Mörder und amerikafeindlichen Revolutionäre in Produktionen der 1980er Jahre wie Scarface (1983), Best Defense (1984), Romancing the Stone (1984) oder Bulletproof (1988) ließen dieses Erbe unschwer erkennen.142 Zu den ältesten und am häufigsten verwendeten Stereotypen gehört der bandido (oder greaser), den Charles Ramírez Berg folgendermaßen beschrieben hat: »El bandido is dirty and unkempt, usually displaying an unshaven face, missing teeth, and disleveled, oily hair. Scars and scowls complete the easily recognizable image. Behaviorally, he is vicious, cruel, treacherous, shifty, and dishonest; psychologically, he is irrational, overly emotional, and quick to resort to violence.«143 Drogenschmuggler und Gangmitglieder entpuppen sich als nichts anderes als die moderne Variante dieser Figur. Cota in Delta Force 2, Escovez in Iron Eagle III oder Sanchez in Licence to Kill kommen zwar eleganter daher – schließlich sind sie reich –, weisen aber dennoch charakteristische Merkmale wie das ölige Haar oder das Vergnügen an Gewalt auf, von vielen ihrer Untergebenen ganz zu schweigen.144 Dass diese Schurkenrollen nach einem bestimmten Muster besetzt wurden, ist allzu offensichtlich, zumal Billy Drago und Juan Fernandez zuvor schon in Invasion U.S.A. (1985) beziehungsweise in Bullteproof ähnliche Charaktere verkörpert hatten. Ein an der Oberfläche durch einzelne positive Latino-Figuren kaschierter Rassismus wird somit nicht nur im paternalistischen Gestus der Filme offenbar, sondern auch bei der Darstellung des Feindes. Dazu passt die Beobachtung von Richard Slotkin, »[that] the Bush administration’s ›War on Drugs‹ has invoked the traditional myths of the savage war to rationalize a policy in which various applications of force and violence have a central role.«145 Das wird überdeutlich, wenn ein Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei beschworen wird,146 muss aber auch mitgedacht werden, wenn demokratische,
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essential character of Spain around the historical facts of Spain’s imperial sway, Inquisition, and treatment of indigenous peoples of the Americas. In this legend, ›the Spaniard‹ became a typological emblem of religious and political intolerance, tyranny, misrule, conspiracy, cruelty, barbarity, bloodthirstiness, backwardness, slothfulness, and degeneracy.« María DeGuzmán, Spain’s Long Shadow: The Black Legend, Off-Whiteness, and Anglo-American Empire, Minneapolis/London 2005, 4f. Siehe dazu ausführlich Keller, Hispanics and United States Film; Garcia Berumen, Chicano/Hispanic Image; Ramìrez Berg, Latino Images; Benshoff and Griffin, America on Film, 135-54. Ramírez Berg, Latino Images, 68. Den greaser charakterisieren Benshoff/Griffin, America on Film, 137, entsprechend als »an oily, dark-skinned, and mustachioed bandit.« Sogar das Motiv der Rettung von lateinamerikanischen Bauern vor den Banditen kann auf Western-Vorbilder wie The Magnificent Seven (1960) zurückgeführt werden. Slotkin, Gunfighter Nation, 650. Vgl. z.B. John Kerrys Behauptung in Drugs, Law Enforcement and Foreign Policy, 3: »[T]hese people who run these cartels have declared war against civilized society and we have to get engaged in it.«
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rechtsstaatliche Verfahren als Schwäche erscheinen (wie in Delta Force 2) und extreme Maßnahmen befürwortet werden, wie zum Beispiel als Drogenzar William J. Bennett die Enthauptung von Drogendealern für moralisch vertretbar erklärte.147 In den Filmen werden die Bezüge zum savage war darüber hinaus vor allem an zwei Punkten deutlich: erstens am Motiv des Dschungelkrieges, das in Delta Force 2 und Iron Eagle III anklingt, aber vor allem in Sniper (1993) zentral ist, einem Film, der die Narcoguerilla-Theorie ausschlachtet; und zweitens an der Bedeutung von captivity narratives. Diese beiden Elemente finden sich auch in Clear and Present Danger (1994), der Verfilmung eines Romans von Bestsellerautor Tom Clancy, der sich nach dem Ende des Kalten Krieges ebenfalls dem war on drugs als neuem Thema zugewandt hatte.148 Wie schon zwei Jahre zuvor bei Patriot Games (1992) führte Phillip Noyce Regie und Harrison Ford übernahm die Rolle des ewigen Clancy-Helden Jack Ryan, der hier bereits so weit in der Hierarchie der CIA aufgestiegen ist, dass er seinen Mentor Admiral Greer (James Earl Jones) in der Funktion als Deputy Director Intelligence vertritt, als dieser an Krebs erkrankt. Dabei bekommt er es nicht nur mit dem kolumbianischen Cali-Kartell zu tun, sondern auch mit illegalen Aktivitäten der eigenen Regierung. Als ein enger Freund des amerikanischen Präsidenten (Donald Moffat) samt seiner Familie von Killern des Kartells auf brutale Weise ermordet wird, ist der mächtigste Mann der Welt außer sich vor Wut. In einem Vieraugengespräch mit dem Nationalen Sicherheitsberater James Cutter (Harris Yulin) macht er seinem Unmut Luft: PRÄSIDENT: »I promised the American people that I would do something about the drugs pouring into this country.« CUTTER: »You are. You support the Colombians’ efforts against the cartels with, uh, equipment…« PRÄSIDENT: »And accomplish nothing! What do these drug dealers think? We’re powerless, is that what they think? They think they can keep doing this kind of things and there’s no response, ever?« CUTTER: »Are you suggesting a course of action, sir?« PRÄSIDENT: »The course of action I’d suggest is a course of action I can’t suggest.« CUTTER: »I’m, uh, not sure where that leaves us.« PRÄSIDENT: »These drug cartels represent a clear and present danger to the national security of the United States.«
Cutter versteht die unausgesprochene Anweisung. Zusammen mit dem stellvertretenden CIA-Direktor für Operationen, Robert Ritter (Henry Czerny), initiiert er ein verdecktes militärisches Vorgehen gegen das Cali-Kartell, das auch weitergeführt wird, als sich herausstellt, dass der ehrenwerte Freund des Präsidenten als Geldwäscher für
147 Siehe dazu »Off With Their Heads? Thoughts from the Drug Czar«, in: WP 20.06.1989. 148 Tom Clancy, Clear and Present Danger, New York 1989. Drogenhändler lieferten auch das Feindbild für seinen vielsagend betitelten Roman Without Remorse, New York 1993, der in den 1970er Jahren spielt und die Vorgeschichte von John Clarke, einem der zentralen Charaktere von Clear and Present Danger (und späteren Clancy-Büchern), erzählt.
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Kartellchef Escobedo (Miguel Sandoval)149 tätig gewesen und ermordet worden ist, weil er seine Partner bestohlen hat. Der moralische Ryan, von Ritter als »boyscout« tituliert, wird über die Vorgänge im Dunkeln gelassen, aber dafür missbraucht, vom Kongress zusätzliche Gelder zur Unterstützung der Kolumbianer zu erbitten. Nichtsahnend gibt er dem misstrauischen Kontrollausschuss des Senats sein Ehrenwort, dass damit kein Einsatz von US-Truppen finanziert werden soll, obwohl genau das der Fall ist. Schon wenig später wird eine zwölfköpfige Einheit von handverlesenen Elitesoldaten lateinamerikanischer Abstammung im Dschungel von Kolumbien abgesetzt, wo sie einen Feldzug gegen die Einrichtungen des Kartells beginnt. Anders als in den zuvor besprochenen Beispielen missachtet die Militäroperation hier also nicht nur die Souveränität eines anderen Staates, sondern auch die Gesetze und die Verfassung der USA selbst. Der Film, der von der Kritik überwiegend positiv aufgenommen wurde und auch an den Kinokassen erfolgreich war,150 stellt das Verhalten der Regierung, das nicht zuletzt an historische Geschehnisse wie die IranContra-Affäre erinnert, äußerst kritisch dar. Schon bald wird deutlich, dass die Politiker sich weder über die Konsequenzen ihres Vorgehens im Klaren gewesen noch dazu bereit sind, diese zu tragen, als sie offensichtlich werden. Denn die Situation eskaliert rapide, unter anderem weil Escobedos »Intelligence Officer« Cortez (Joaquim de Almeida), ein ehemaliger Oberst des kubanischen Geheimdienstes, selbst die Führung des Kartells übernehmen will und aus diesem Grund darauf aus ist, den Druck auf seinen Boss zu erhöhen. So lässt er ohne dessen Wissen den Direktor des FBI ermorden, als dieser Bogotá besucht. Damit provoziert er jedoch eine amerikanische Reaktion, mit der er nicht gerechnet hat: Als Vergeltung wird ein Treffen der Kartellführung bombardiert und diese fast komplett ausgelöscht. Nur der verspätet eintreffende Escobedo entgeht dem Angriff, dem dafür auch Frauen und Kinder der Drogenbosse zum Opfer fallen. Sowohl Ryan als auch Cortez finden bei ihren Nachforschungen zu der offiziell internen Rivalitäten zugeschriebenen Explosion Hinweise auf die illegale Militäroperation. Als der Kubaner Cutter damit konfrontiert, wird diesem die Sache zu heiß und er lässt sich auf eine Abmachung ein: Cortez verspricht, Escobedo zu beseitigen und als neuer Chef des Kartells die Drogenlieferungen in die USA drastisch zu reduzieren sowie regelmäßige Verhaftungen und Beschlagnahmungen zu garantieren, sodass die US-Regierung ihren Sieg im ›Krieg ge149 Die Figur Escobedo soll offensichtlich schon durch den Namen an den berüchtigten Pablo Escobar erinnern, der als eine der Schlüsselfiguren des Medellín-Kartells auch in den USA bekannt war. Escobar wurde im Dezember 1993 von kolumbianischen Sicherheitskräften nach einer von den Vereinigten Staaten unterstützten Fahndung getötet. 150 Vgl. z.B. »Ryan Spies Again, This Time as C.I.A. Battles Drug Lords«, in: NYT 03.08. 1994; »› Present Danger‹: Frank Capra Meets the CIA«, in: WP 03.08.1994; »Fun, but Formulaic ›Danger‹ «, in: WP 05.08.1994; »Clear and Present Thriller«, in: Time 05.09. 1994; »Ford Vs. the Cynics in ›Danger‹ «, in: SFC 03.02.1995. Der Film spielte in den USA mehr als 122 Millionen Dollar ein (Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/ 1994/0CAPD.php, 19.06.2007, u. http://www.imdb.com/title/tt0109444/business, 18.06. 2007). Fire Birds und die B-Produktionen Delta Force 2 und Iron Eagle III erzielten nicht annähernd derartige Ergebnisse. Allerdings muss noch einmal betont werden, dass die Breitenwirkung solcher Filme durch Videoverleih und Fernsehausstrahlungen nicht unterschätzt werden darf.
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gen die Drogen‹ beanspruchen kann. Zuvor müssen jedoch die amerikanischen Soldaten ans Messer geliefert werden. Die Verantwortlichen lassen ihre Truppen, ohne zu zögern, im Stich, und die verratene Einheit wird von Cortez’ Männern aufgerieben. Zwei Soldaten geraten lebend in Gefangenschaft, nur einer kann in den Dschungel flüchten. Um den empörten Ryan davon abzuhalten, den Skandal an die Öffentlichkeit zu bringen, wird ihm der CIA-Agent Clarke (Willem Dafoe), der den Einsatz geleitet hat, auf den Hals gehetzt, indem man ihn als den Verantwortlichen für den katastrophalen Abbruch hinstellt. Intendiert ist nichts anderes, als dass Clarke Ryan umbringt. Mitglieder der Regierung wenden sich also gleich zweifach gegen diejenigen, die nur getreulich ihre Pflicht gegenüber den Vereinigten Staaten erfüllen. Der skrupellose Plan, die eigenen Fehler zu vertuschen, scheitert jedoch: Ryan und Clarke verbünden sich und befreien in einer waghalsigen Aktion die überlebenden Soldaten, wobei Escobedo und Cortez getötet werden. Zurück in Washington stellt der aufrechte Held den Präsidenten persönlich zur Rede und weigert sich, diesen aus der Verantwortung für den Tod von »American soldiers and innocent civilians« zu entlassen. Der Film endet damit, dass er erneut vor den Kontrollausschuss tritt. Gegenüber den anderen Produktionen, die ein militärisches Eingreifen in Lateinamerika behandeln, zeichnet sich Clear and Present Danger zweifellos durch seine Komplexität aus, die auch ein wesentlich ambivalenteres Bild bedingt. So liefert der war on drugs hier in gewisser Weise nur die Kulisse, vor der einer der grundlegenden amerikanischen Mythen über das Wesen des Staates durchgespielt wird: Der moralisch integere Einzelne kämpft gegen das korrupt gewordene System und bringt es durch seinen Einsatz wieder in Ordnung. Damit stehen die Verfehlungen von USAmerikanern im Mittelpunkt, die als Gegenspieler Ryans sogar wichtiger sind als die Drogenhändler. Allerdings – und das ist wichtig – stellt der Film nicht den Einsatz der US-Armee im Drogenkrieg für sich genommen als problematisch dar, sondern die politischen Hintergründe. Falsch ist hier die Motivation des Präsidenten, diesen Schritt anzuordnen, weil nicht die Sorge um das Wohl der USA, sondern Zorn und persönliche Betroffenheit den Ausschlag geben. Falsch ist auch die Umgehung des Kongresses. Und falsch ist vor allem der Verrat an der kämpfenden Truppe, die die ihr zugeteilte Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt und dann aus politischen Gründen verkauft wird. Das war das Thema, das Clancy am Herzen lag,151 und es steht auch in der Leinwandadaption eindeutig im Mittelpunkt. Eine tiefergehende Analyse der Drogenproblematik findet dagegen nicht statt, was angesichts der Aussage des Romanautors, weniger als eine Woche für die Recherche benötigt zu haben, kaum überrascht.152 In grundlegenden Punkten ähnelt Clear and Present Danger durchaus den anderen hier besprochenen Produktionen, wenn auch auf deutlich höherem inszenatorischen Niveau. So kann man dem Film zwar zugute halten, dass er anhand des ermordeten Präsidentenfreundes vorführt, dass auch US-Amerikaner aus den höchsten gesellschaftlichen Kreisen in das Drogengeschäft verwickelt sind und dass Escobedo menschlicher gezeichnet wird als Cota oder Sanchez, vor allem indem er mehrfach im Kreis seiner Familie gezeigt 151 Siehe dazu »Of Arms and the Man«, in: Time 21.08.1989. 152 Vgl. ebenda.
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wird. Von einer Aufhebung der Dichotomie zwischen den Vereinigten Staaten und Lateinamerika kann dennoch keine Rede sein. Die Latino-Bösewichte entsprechen auch in diesem Fall im Wesentlichen dem Stereotyp des bandido, das im Fall von Cortez, der die Sekretärin des FBI-Direktors verführt, benutzt und ermordet, noch mit dem des latin lover kombiniert wird.153 Insofern ist es auch nur folgerichtig, dass die Motive des savage war – wie schon erwähnt – eine wichtige Rolle spielen: Die captivity narrative um die gefangenen Soldaten ist hier genauso Anlass für den Showdown zwischen den guten US-Amerikanern und den bösen Latinos wie die entsprechenden Handlungskonstruktionen in Delta Force 2 und Iron Eagle III. Obwohl das konkrete Vorgehen kritisiert wird, rechtfertigt auch Clear and Present Danger das direkte militärische Eingreifen der USA in Kolumbien. So wird die wütende Einschätzung des US-Präsidenten, dass die Drogenbarone offenbar keine Konsequenzen ihrer Handlungen fürchten, weil sie sich sicher fühlen, kurz darauf bestätigt, wenn Cortez Escobedo über die Verbindungen des ermordeten Geldwäschers zur amerikanischen Regierung aufklärt, worauf dieser unbeeindruckt erwidert: »What are they going to do? Come after me? Arrest me? You’re scaring me.« Wie in den anderen Filmen wird deutlich gemacht, dass Furcht und Korruption das Kartell für die lokalen Sicherheitsbehörden unantastbar machen, und deshalb erscheint auch hier eine Militäroperation als durchaus logische Konsequenz. Zudem wird keineswegs die Schlussfolgerung nahegelegt, »that the effort to end drug trafficking is unlikely to be successsful«, wie Robert Gregg meint.154 Nur in einer Szene des Films findet sich ein entsprechender Hinweis, nämlich als Cortez in seinem Gespräch mit Cutter die Frage stellt: »Can we agree that as long as Americans demand drugs, someone will supply them?« Der Nationale Sicherheitsberater vermeidet jedoch – wie der Film insgesamt – eine Bestätigung dieses unwiderlegbaren Arguments. Seine Einwilligung in die Abmachung, die Cortez vorschlägt, kann zwar als Einverständnis interpretiert werden, lässt sich aber doch vor allem darauf zurückführen, dass sie ihm persönlich vorteilhaft erscheint. In jedem Fall können Cortez, der Drogendealer und Mörder, und Cutter, der verräterische Politiker, kaum als besonders glaubwürdig gelten. Die Nachfrage in den USA als zentral anzuerkennen, war zudem im Diskurs um das Drogenproblem durchaus üblich, ohne dass dies zwangsläufig als Argument gegen eine entschiedene Bekämpfung des Drogenhandels an der Quelle, auch mit militärischen Mitteln, angesehen worden wäre.155 Und nicht 153 Vgl. dazu auch Budd, Culture Meets Culture, 42; Ramírez Berg, Latino Images, 68. Man kann in diesem Zusammenhang auch anmerken, dass die Darstellung des Gangsterbosses als Patriarch selbst ein durch Mafiafilme etabliertes Klischee darstellt. 154 Gregg, International Relations, 37. 155 Vgl. beispielhaft George Bush, »Remarks at the International Drug Enforcement Conference in Miami, Florida, April 27th, 1989«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=16974 (20.07.2007): »Americans cannot blame the Andean nations for our voracious appetite for drugs. Ultimately, the solution to the United States [sic!] drug problem lies within our own borders – stepped-up enforcement, but education and treatment as well. And our Latin American cousins cannot blame the United States for the voracious greed of the drug traffickers who control small empires at home. Ultimately, the solution to that problem lies within your borders.« Vgl. außerdem zahlreiche Aussagen in Drugs, Law Enforcement and Foreign Policy, z.B. John Kerrys Forderung, 50% statt nur 30% der natio-
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anders als in Delta Force 2 agiert die US-Armee in Clear and Present Danger äußerst professionell und effektiv. Alles andere wäre angesichts von Clancys Bewunderung für die Streitkräfte, der Mitwirkung von John Milius am Drehbuch und der umfangreichen Unterstützung durch das Pentagon freilich auch eine enorme Überraschung. Bis zum Verrat durch die Politiker fügen die nur zwölf Mann im kolumbianischen Dschungel dem Kartell schweren Schaden zu. »Drug shipments are down, price on the streets is rising«, resümiert Cutter den Erfolg, als der Abbruch der Operation entschieden wird. Es wird also durchaus der Eindruck vermittelt, als ob das amerikanische Militär in der Lage wäre, den Drogenschmuggel entscheidend zu reduzieren, wenn man es denn ließe. Der Vietnamvergleich einer Senatorin bei Ryans erstem Auftritt vor dem Kontrollausschuss wird letztendlich eher im Hinblick auf die Dolchstoßlegende bestätigt. Tatsächlich kann man die Aussage des Films trotz aller kritischen Elemente auch so verstehen wie Peter C. Rollins: »[T]he unstated implication is disturbing: that our executive branch must circumvent the constitution to defeat drug lords and terrorists.«156 Im Laufe der 1990er Jahre, als die Clinton-Administration weniger martialische Töne im Hinblick auf das Drogenproblem anschlug und andere außenpolitische Probleme die Diskussion stärker beherrschten, wandten sich auch Militärfilme wieder anderen Feindbildern zu. Die Idee einer Lösung durch den Einsatz der US-Armee verschwand allerdings nicht völlig. Noch in der 1999 auf den Videomarkt gebrachten billigen Actionproduktion Operation Delta Force 3: Clear Target bekämpft zum Beispiel eine Eliteeinheit einen kolumbianischen Drogenbaron in einem Szenario, das viele der bekannten Motive beinhaltet. Ein neues Satelliten-System zum Aufspüren von Drogen wird hier als Wunderwaffe präsentiert, dank derer der US-Präsident am Ende vor den Vereinten Nationen verkünden kann: »Victory in the war against drugs is ours.«
4.3 »I DON’T KNOW HOW YOU WAGE WAR ON YOUR OWN FAMILY«: TRAFFIC UND DIE KRITIK AM ›KRIEG GEGEN DIE DROGEN‹ Bill Clintons Einzug ins Weiße Haus 1993 schien zunächst einen Wendepunkt in der Drogenpolitik zu markieren. Der neue Präsident schickte sich an, den Drogenkrieg zu deeskalieren und die mittlerweile gewaltig angewachsene Bürokratie, die mit ihm befasst war, zurückzuschneiden. Das Office of National Drug Control Policy erlebte zu Beginn von Clintons Amtszeit einen massiven Stellenabbau.157 Gleichzeitig wurde die Anti-Drogen-Hilfe für die lateinamerikanischen Staaten gekürzt. Die New York Times berichtete im März 1993:
nalen Mittel für Aufklärung und Behandlung aufzuwenden (ebenda, 142); außerdem Kerry, Drugs in Massachusetts, 35. 156 Peter C. Rollins, »The Presidency After World War II«, in: ders. (Hg.), American History on Film, 402-8, hier: 405. 157 Vgl. Bertram u.a., Drug War Politics, 120.
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»Officials involved in the review of the $3 billion international drug-fighting budget said it was the first step of a Clinton Administration plan to shift anti-drug resources from foreign intervention to domestic programs – education, treatment, and local and state law enforcement – 158 intended to reduce the demand for drugs in the United States.«
Der neue Ansatz der Regierung zeichnete sich dadurch aus, dass zwar die Bedeutung der Verbrechensbekämpfung nicht angezweifelt, dafür aber die Reduzierung der Nachfrage in den USA selbst in den Vordergrund gestellt wurde. »Our administration’s budget, with all its cuts, contains a large increase in funding for drug treatment and drug education«, erklärte Clinton dementsprechend in seiner Rede zur Lage der Nation im Januar 1994, in der er kein einziges Wort über die Quellenländer verlor. Diese Verschiebung der Prioritäten machte sich tatsächlich auch in konkreten Zahlen bemerkbar: Im Anti-Drogen-Budget für das Jahr 1995, für das die Rekordsumme von 13,5 Milliarden Dollar veranschlagt wurde, waren erstmals 41% der Mittel für die Reduzierung der Nachfrage vorgesehen und ›nur noch‹ 59% für die Eindämmung der Versorgung – immerhin ein deutlicher Unterschied zu der bis dahin üblichen Aufteilung von ungefähr einem Drittel zu zwei Dritteln.159 Bemerkenswert war zudem, dass die Clinton-Administration Drogenkonsum nicht als moralisches Versagen definierte, sondern stattdessen die sozialen Hintergründe wie Armut und Perspektivlosigkeit betonte. Verkörpert wurde diese Sichtweise vor allem durch den neuen Drogenzar Lee Brown, einen Schwarzen, der zuvor Polizeichef von New York City gewesen war. »You won’t hear us using the metaphor ›drug war‹«, kündigte er an und erläuterte: »We should help those who need help and arrest those who are trafficking in drugs. But I don’t think we should declare war against our own people.«160 Dieser Versuch einer Reform forderte das ›strafende Paradigma‹ heraus und stieß folgerichtig auf erbitterten Widerstand. Das Weiße Haus sah sich alsbald mit heftigen Angriffen aus den Reihen der Konservativen konfrontiert, etwa vom Sprecher des Repräsentantenhauses Newt Gingrich oder dem früheren Drogenzar William J. Bennett.161 Im Präsidentschaftswahlkampf 1996 versuchte der republikanische Herausforderer Bob Dole das Thema zu seinen Gunsten auszuschlachten: »We were winning, but then the Clinton administration surrendered«, behauptete er: »They raised the white flag in the war on drugs.« Im Gegensatz dazu versprach er wieder einmal Eskalation und insbesondere eine noch größere Rolle für das Militär, sollte er gewählt werden.162 Solche Attacken verfehlten ihre Wirkung nicht. Als Clinton seinerseits Bush wegen dessen kurzsichtiger Drogenpolitik kritisiert hatte, hatte er noch beansprucht, dass ein Präsident an einem richtigen Standpunkt – wie dem Fokus auf Behandlung statt Strafe – auch dann festhalten müsse, wenn dieser unpopulär sei: »If he sticks to »U.S. Is Cutting Aid to Latin Drug War«, in: NYT 25.03.1993. Vgl. Smith, Talons of the Eagle, 289. Zitiert nach Bertram u.a., Drug War Politics, 118. Siehe z.B. »Gingrich on Drug Dealers«, in: NYT 15.07.1995; Bennett u.a., Body Count, 152f. 162 Zitiert nach »Dole Calls Clinton Soft on Drugs«, in: WT 26.08.1996. Siehe auch »Dole Promises Wider Role For Military in Drug War«, in: NYT 26.08.1996.
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his guns, the results will prove the wisdom of his policy.«163 Einmal im Amt war die Furcht, »soft on drugs« zu erscheinen, dann aber offensichtlich doch zu groß. Clinton war nicht bereit, sich für die Durchsetzung der Reform auf eine intensive und möglicherweise riskante politische Auseinandersetzung einzulassen. Konfrontiert mit institutionellen Widerständen einerseits und dem Druck des seit 1994 von den Republikanern dominierten Kongresses andererseits, rückte die Administration deshalb von ihrer reformorientierten Linie wieder ab.164 Als bezeichnend für dieses Umschwenken wurde es empfunden, dass Brown als Drogenzar im Januar 1996 von Barry McCaffrey abgelöst wurde, einem General a. D. und ehemaligen Kommandeur von SOUTHCOM.165 Dazu muss man einschränkend bemerken, dass McCaffrey seinem Amtsvorgänger im Hinblick auf die unkriegerische Rhetorik durchaus folgte. So erklärte er in seiner Antrittsrede vor dem Kongress: »At the end of the day, I would suggest that this actually isn’t a war and it’s not to be won by anybody’s army.«166 In der National Drug Control Strategy des Jahres 1997 wurde Drogenmissbrauch mit ebenso deutlichen Worten als eine bleibende Herausforderung beschrieben, die man in den Griff bekommen müsse, gegen die es aber keinen endgültigen Sieg geben könne: »The metaphor of a ›war on drugs‹ is misleading. Wars are expected to end. Addressing drug abuse is a continuous challenge; the moment we believe ourselves to be victorious and free to relax our resolve, drug abuse will rise again. Furthermore, the United States does not wage war on its citizens, many of whom are the victims of drug abuse. These individuals must be helped, 167 not defeated.«
Rhetorisch hob sich die Clinton-Administration mit solchen Feststellungen auch weiterhin von der Politik unter Reagan und Bush ab.168 Tatsächlich ging der ›Krieg gegen die Drogen‹ jedoch nicht nur unvermindert weiter, er eskalierte sogar noch. Das Budget zur Drogenbekämpfung wuchs beständig und erreichte 1999 die Höhe von 17,1 Milliarden Dollar, während das alte Verhältnis bei der Aufteilung zwischen Nachfragereduzierung und Eindämmung der Versorgung wieder hergestellt wurde.169 In Lateinamerika konzentrierte sich die Politik Clintons sogar noch stärker auf die Bekämpfung der Drogen an der Quelle als dies unter Bush der Fall gewesen war, denn der Fokus wurde weiter von interdiction hin zu crop eradication verschoben.170 Dementsprechend schritt auch die Militarisierung des Drogenkrieges mit all ihren negativen Begleiterscheinungen und Folgen weiter voran. So wurde ab Mitte der 163 Zitiert nach »Clinton’s Drug Policy Is a Bust«, in: Time 20.12.1993. 164 Zum Scheitern der Reformbestrebungen siehe ausführlicher Bertram u.a., Drug War Politics, 116-25. 165 Vgl. Friesendorf, War on Drugs, 99; Smith, Talons of the Eagle, 289. 166 Zitiert nach Lessmann, »Amerikanisierung und Militarisierung«, 352. 167 The National Drug Control Strategy, 1997, Washington D.C. 1997, 5. 168 Auch Bill Clinton selbst bezeichnete den Ausdruck war on drugs im Februar 1997 als »misleading«; William J. Clinton, »Remarks to the Coast Guard in Miami, Florida, February 14th, 1997«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=53692 (27.07.2007). 169 Vgl. Smith, Talons of the Eagle, 289f; Friesendorf, War on Drugs, 122f. 170 Vgl. Isacson, »U.S. Military«, 26f; Zirnite, Reluctant Recruits, 24-6.
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1990er Jahre das sogenannte Air Bridge Denial Program intensiviert, das durch verschärfte Überwachung und den Einsatz von Abfangjägern den Lufttransport von Koka aus Bolivien und Peru nach Kolumbien unterbinden sollte, wo die Pflanze weiterverarbeitet wurde. Wie die vorigen Versuche, des Drogenschmuggels auf militärischem Wege Herr zu werden, brachte auch dieser keine bleibenden Erfolge. Ausgesetzt wurde das Programm aber erst, nachdem die peruanische Luftwaffe am 20. April 2001 ein Flugzeug abgeschossen hatte, in dem eine amerikanische Missionarsfamilie unterwegs war, wobei eine Frau und ein sieben Monate altes Kind getötet wurden.171 Gegen Ende von Clintons Amtszeit war seine Administration außerdem die treibende Kraft hinter der Initiierung des im September 1999 von dem kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana präsentierten ›Plan Colombia‹, der unter anderem vorsah, durch eine neue Offensive gegen den Drogenhandel die als Narcoguerilla titulierten Rebellengruppen des von Gewalt geplagten Landes zu schwächen und so die Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Während das Europäische Parlament eine Unterstützung dieses überaus problematischen Projekts mit der überwältigenden Mehrheit von 474:1 Stimmen ablehnte, stieß es in den USA auf parteiübergreifende Unterstützung. Neue kolumbianische Eliteeinheiten wurden mit amerikanischer Hilfe für den Einsatz ausgerüstet und trainiert. Die Grenze zwischen Drogen- und Aufstandsbekämpfung verwischte damit zusehends.172 In diesem Zusammenhang sollte man darauf hinweisen, dass die Fortführung des war on drugs zwar in vielerlei Hinsicht aus den Widerständen gegen eine Reform folgte, dass internationale Drogenhändler als Feindbild aber durchaus in das Denken Clintons passten. Denn gerade unter seiner Präsidentschaft rückten transnationale Phänomene und Akteure ja immer stärker in den Mittelpunkt der Bedrohungswahrnehmung. Dabei spielte der Terrorismus zwar die zentrale Rolle – wovon im nächsten Teil noch zu sprechen sein wird –, die organisierte Kriminalität und der Drogenhandel wurden aber oft mit diesem in einem Atemzug genannt und sogar, wie schon zu sehen war, zu einer »unholy axis« zusammengefasst. Auch unter diesem Gesichtspunkt war es also eigentlich nur folgerichtig, dass der Drogenkrieg nicht deeskaliert, sondern weiter verschärft wurde. Angesichts der bemerkenswerten Beständigkeit und Reformresistenz, die sich für die Politik des ›Krieges gegen die Drogen‹ beobachten lässt, ist es wohl wenig überraschend, dass auch im Film nur selten Kritik daran geübt wurde. Die herausragende Ausnahme von dieser Regel stellt Steven Soderberghs Traffic (2000) dar. Diese Produktion ist eine amerikanische Version der britischen Fernsehserie Traffik (1989) und 171 Die Aufklärungsmaschine, die die Jäger instruiert hatte, das Flugzeug abzufangen, war von Angestellten einer privaten Militärfirma im Auftrag der CIA betrieben worden. Bereits im Juli 1991 hatte der Abschuss eines Zivilflugzeugs durch die peruanische Luftwaffe 17 Menschen das Leben gekostet und die Risiken des Programms bloßgelegt. Im Dezember 1994 hatte Clinton deshalb ein Gesetz unterzeichnet, das amerikanisches Personal von jeglicher Verantwortung für derartige Zwischenfälle entband. Hierzu und für weitere Details zum Air Bridge Denial Program siehe Isacson, »U.S. Military«, 30-2; Friesendorf, War on Drugs, 89-104; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 1-3 u. 54f; Zirnite, Reluctant Recruits, 28-30. 172 Vgl. hierzu ausführlich Friesendorf, War on Drugs, 123-36; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 59-89.
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bemüht sich nach deren Vorbild, das Drogenproblem möglichst umfassend und aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen. Dazu werden drei Geschichten parallel erzählt, die über verschiedene Anknüpfungspunkte miteinander verwoben sind, sodass aus ihrer Vielzahl von Handlungssträngen ein komplexes Gesamtbild entsteht, das hier nur in groben Zügen wiedergegeben werden kann. In der ersten Geschichte wird Richter Robert Wakefield (Michael Douglas) vom US-Präsidenten zum neuen Drogenzar berufen. In dem Monat bis zu seiner ersten Pressekonferenz, auf der er die Strategie der Regierung präsentieren soll, versucht er, einen Überblick über den war on drugs zu gewinnen und einen Weg zum Sieg zu finden, wobei sein Hauptaugenmerk schnell auf Mexiko gelenkt wird. Während Wakefield sich mit Politikern trifft und mit seinem Stab verschiedene Behörden und Einrichtungen besucht, rutscht seine eigene minderjährige Tochter Caroline (Erika Christensen), eine exzellente Schülerin voller zielloser Wut, immer tiefer in die Drogensucht ab. Nachdem sie aus einer Therapieeinrichtung geflohen ist, lässt ihr Vater seine Amtsgeschäfte stehen und liegen und macht sich in den Straßen von Cincinnati auf die Suche. Er findet sie schließlich in einem Stundenhotel, in dem sie sich prostituiert, um an Geld für Stoff zu kommen. Unter dem Eindruck dieser Erfahrungen sieht sich Wakefield bei seiner Pressekonferenz dann außerstande, seine vorbereitete Rede über die Notwendigkeit des ›Krieges gegen die Drogen‹ und die Erreichbarkeit des Sieges zu halten. Nach wenigen Sätzen bricht er ab und erklärt: »I can’t do this. If there is a war on drugs, then many of our family members are the enemy. And I don’t know how you wage war on your own family.« Nach diesen Worten geht er einfach. Am Ende des Films sieht man ihn mit seiner Frau Barbara (Amy Irving) bei einem Besuch von Carolines Therapiegruppe, in der sich ihr Zustand offensichtlich deutlich verbessert hat. »We’re here to learn«, teilt der ehemalige Drogenzar den anderen Anwesenden bescheiden mit. Die zweite Geschichte beginnt, als die DEA-Agenten Montel Gordon (Don Cheadle) und Ray Castro (Luis Guzman) in San Diego den Drogenhändler Eduardo Ruiz (Miguel Ferrer) verhaften. Im Austausch gegen Immunität für sich selbst erklärt sich Ruiz bereit, gegen seinen Boss Carlos Ayala (Steven Bauer) auszusagen. Carlos’ hochschwangere Frau Helena (Catherine Zeta-Jones), die ihren Mann für einen ehrenwerten Geschäftsmann gehalten hat, ist entsetzt, als er in Handschellen aus dem Haus geführt und kurz darauf angeklagt wird. Um für sich und ihre Kinder ein Leben im Wohlstand zu garantieren, ist sie allerdings bereit, zum Äußersten zu gehen: Sie engagiert einen Killer, der Ruiz vor seiner Aussage zum Schweigen bringen soll. Das Attentat misslingt, kostet jedoch Castro das Leben. Helena nimmt nun Kontakt mit Carlos’ Geschäftspartnern in Mexiko auf, den Obregón-Brüdern, die das TijuanaKartell lenken, und handelt mit diesen eine Abmachung aus, die zu einem zweiten, diesmal erfolgreichen Mordanschlag auf Ruiz führt. Ohne den Hauptbelastungszeugen muss der Prozess gegen Carlos daraufhin eingestellt werden. Dieser Erzählstrang endet damit, dass Gordon während einer Party in das Haus der Ayalas platzt und in dem anschließenden Gerangel eine Wanze platziert. Er startet also einen neuen Anlauf, um Carlos zu überführen. Im Mittelpunkt der dritten Geschichte, mit der der Film beginnt und endet, stehen die Bemühungen des mexikanischen Polizisten Javier Rodríguez (Benicio Del Toro), das Richtige zu tun und dabei am Leben zu bleiben. Javier fällt durch seine erfolgreiche Arbeit gegen die Schmuggler General Salazar (Tomas Milian) auf, Mexikos
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wichtigstem Mann im Kampf gegen die Drogen, und wird von diesem für höhere Aufgaben rekrutiert. Schon bald wird allerdings klar, das Salazar nur deshalb eine rücksichtslose Kampagne zur Vernichtung des Tijuana-Kartells verfolgt, weil er selbst in Diensten des konkurrierenden Juarez-Kartells steht. Javiers Partner Manolo (Jacob Vargas) versucht, diese Information an die DEA zu verkaufen, und wird dafür von Salazars Männern getötet. Javier, der seinen Freund wegen der Idee gewarnt hat, tritt daraufhin selbst in Kontakt mit den Amerikanern. Anders als Manolo verlangt er allerdings kein Geld für sich selbst, sondern die Finanzierung einer Flutlichtanlage für einen Baseballpark in Tijuana, damit die Kinder dort auch abends spielen können. Seine Informationen führen zu Salazars Festnahme und einer erfolgreichen Razzia gegen das Juarez-Kartell. In der letzten Szene des Films sitzt Javier als Zuschauer bei einem Baseballspiel, das im Licht der neuen Scheinwerfer stattfindet. Die Orientierung zwischen den in permanentem Wechsel präsentierten Hauptgeschichten und ihren Schauplätzen wird für den Zuschauer durch eine farbliche Codierung erleichtert: Die Szenen um Wakefield und seine Familie sind durch einen Blaustich geprägt, der sie kalt wirken lässt, was durchaus eine Kommentarfunktion im Hinblick auf die Familienverhältnisse, das großstädtische Amerika und nicht zuletzt die Schaltstellen der Macht in Washington hat. Mexiko wird im Kontrast dazu immer in einem Sepiaton gezeigt, der Assoziationen mit Hitze, Ländlichkeit und auch Armut verstärkt. Die Passagen in Kalifornien schließlich weisen das konventionellste Aussehen auf, das an den Stil von Fernsehwerbung aus den 1970er Jahren angelehnt ist und damit den Reichtum, aber auch die Scheinhaftigkeit von Helenas Leben betont.173 Von diesem offensichtlichen Kunstgriff abgesehen, zeichnet sich die Inszenierung aber vor allem durch einen dokumentarisch wirkenden Stil aus. Kameraführung und Schnitt suggerieren oftmals eine im Kino eher ungewöhnliche, beobachtende Perspektive, die den Anspruch des Films, eine nüchterne Aufzeichnung der Realität zu leisten, unterstreicht. Dies gilt besonders stark für jene Szenen, in denen Wakefield in seiner Funktion als Drogenzar unterwegs ist und die die Politik und die Fakten des Drogenkrieges erforschen. Bemerkenswert ist hier zum Beispiel eine Party, bei der mehrere bekannte Politiker wie die Senatoren Donald Lee Nickles, Harry Reid, Barbara Boxer und Orrin Hatch als sie selbst im Gespräch mit Wakefield zu sehen sind und einige griffige Aussagen zum Thema Drogen abgeben. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Filmhandlung und Wirklichkeit. Zur authentischen Wirkung des Porträts von Mexiko trägt dagegen maßgeblich bei, dass die Unterhaltungen der mexikanischen Charaktere untereinander über die gesamte Laufzeit hinweg auf Spanisch stattfinden und lediglich untertitelt werden. Damit hebt sich Traffic deutlich von anderen Produktionen ab, in denen Lateinamerikaner nahezu immer Englisch sprechen, dies aber mit Akzent, sodass Bequemlichkeit und negative Stereotypisierung Hand in Hand gehen. Die völlige Missachtung der lateinamerikanischen Perspektive, die damit verbunden ist, kommt besonders prägnant zum Ausdruck, wenn US-Amerikaner dann als »Americans« oder »Americanos« be173 Siehe dazu auch (mit technischen Details) Deborah Shaw, »› You Are Alright, But…‹: Individual and Collective Representations of Mexicans, Latinos, Anglo-Americans and African-Americans in Steven Soderbergh’s Traffic«, in: QRFV 22:3 (2005), 211-23, hier: 218.
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zeichnet werden.174 Soderberghs Film lässt den Mexikanern dagegen ihre eigene Sprache und damit einen wichtigen Bestandteil ihrer Identität, die auf diese Weise respektiert wird. Dass das Streben nach Realismus – trotz einiger Abstriche – insgesamt ausgesprochen erfolgreich war, wurde dem Film nach seiner Veröffentlichung von Experten und von Betroffenen wie DEA-Beamten, verurteilten Dealern und ehemaligen Abhängigen bescheinigt. »In fact, one can argue that ›Traffic‹ is the most realistic depiction of the drug ›issue‹ ever put on film«, stellte Jeff Leen von der Washington Post fest und fügte hinzu: »The movie […] can be seen as an almost by-the-numbers attempt to get in as many drug policy arguments, drug trade archetypes and obscure drug world references as possible.«175 Man muss darauf hinweisen, dass einige Aspekte des ›Krieges gegen die Drogen‹ trotz der Fülle an Informationen und Perspektiven außen vor bleiben. Insbesondere die Verhältnisse in den Quellenländern, die Militarisierung dort und die Situation der Kokabauern wären ein wichtiger Baustein für das Verständnis des Drogengeschäftes, der in dem ansonsten so sehr um Vollständigkeit bemühten Bild von Traffic fehlt. Allerdings ist offensichtlich, dass es den Rahmen eines ohnehin schon komplizierten und durch Überfrachtung gefährdeten Kinofilms gesprengt hätte, noch eine vierte Geschichte in einem der Andenstaaten in die Handlung zu integrieren. Und auch mit dieser Einschränkung leistet der Film noch eine erstaunliche Darstellung zahlreicher Facetten des Drogenproblems. Besonderes Augenmerk wird nicht zuletzt auf den Konsum von Rauschmitteln gelegt, wobei sich Traffic nicht nur auf den tragischen Absturz von Caroline konzentriert und so dem simplen Klischee der gefährdeten Teenager folgt. Stattdessen wird der Genuss von gefährlichen Substanzen als ein weitverbreitetes Phänomen gezeigt, das nicht nur in der Gesellschaft, sondern geradezu in der menschlichen Natur verwurzelt zu sein scheint. So erklärt Barbara Wakefield in einer Szene, nachdem Carolines Probleme offenbar geworden sind, dass sie früher selbst jede Art von Drogen ausprobiert habe. Den Einwand ihres Mannes, sie habe im College nur experimentiert, lässt sie nicht gelten: »Shall we take the quotes off experiment and call it what it was?« Während dies für sich genommen als Bestätigung konservativer Ansichten über die verhängnisvollen Auswirkungen des permissiven Geists der 1960er und 1970er verstanden werden könnte, weitet der Film den Blick unaufdringlich, aber unübersehbar auf legale Drogen aus. So wird in einem späteren Streit zwischen Carolines Eltern deutlich, dass der moralische Richter, der oberste Repräsentant des Landes im Kampf gegen die Drogen, selbst nicht ohne Suchtmittel auskommt. WAKEFIELD: »Well, she [Caroline] has a way of self-medicating that I’m sure is very familiar to you.«
174 ›Amerikaner‹ als Synonym für US-Bürger zu benutzen, ist im Rest der Welt natürlich völlig üblich, ergibt aber für Lateinamerikaner keinen Sinn, die stattdessen von »yankees« oder »gringos« sprechen würden. Für die Bestätigung dieser Überlegung danke ich Ixel Quesada Vargas. 175 »The Straight Dope On ›Traffic‹: Film Gets Drug War (Mostly) Right«, in: WP 06.01.2001. Siehe dazu außerdem »Dealing in Reality: A Film’s Depiction of Drugs«, in: NYT 18.01.2001.
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BARBARA: »I’m not the one who has to have three Scotches just to walk in the house and say hello.« WAKEFIELD: »I have one drink before dinner to take the edge off, it’s different.« BARBARA: »Oh, is it?« WAKEFIELD: »Because otherwise I would be dying of boredom.«
In dieser Szene wird im Grunde nur ausgesprochen, was der aufmerksame Zuschauer schon vorher bemerken konnte, denn tatsächlich ist Wakefield von Beginn des Films an immer wieder mit einem Drink in der Hand zu sehen. Sein Beharren, dass dies etwas anderes sei als der Konsum illegaler Drogen, wird schon durch die Begründung, warum er Alkohol braucht, in Frage gestellt, entspricht aber natürlich den gesellschaftlichen Konventionen. Diese werden auch in der Handlung um Helena Ayala thematisiert: In ihrer allerersten Szene isst sie mit mehreren Freundinnen in einen vornehmen Golfclub zu Mittag, und in dem Gespräch geht es um gutes und schlechtes Cholesterin und vor allem darum, dass ein Glas Wein doch nicht schädlich, sondern eher gut sei, worauf Helena großen Wert legt, weil sie auch in schwangerem Zustand nicht auf den Genuss verzichten will. Als Obregón aber später von ihr verlangt, Kokain zu probieren, weigert sie sich mit Verweis auf ihre Schwangerschaft. Dass Alkohol aber alles andere als ein harmloses Rauschmittel ist, wird klargestellt, wenn ein Abhängiger in Carolines Therapiegruppe von seinen Erfahrungen berichtet. Hier wird die Unterscheidung zwischen der Gefährlichkeit von legalen und illegalen Drogen aufgehoben, die noch dazu eine absurde Qualität erhält, wenn Caroline berichtet: »For someone my age it’s a lot easier to get drugs than it is to get alcohol.« Traffic lässt keinen Zweifel daran, dass legale Drogen zwar vom größten Teil der Gesellschaft anders betrachtet werden, tatsächlich aber Teil des Problems sind und sogar konsumiert werden, obwohl man sich ihrer Schädlichkeit bewusst ist. Dies ist etwa bei dem rauchenden DEA-Agenten Castro der Fall, der in einer Szene wenig überzeugt den Ausführungen seines Partners Gordon zum Nikotinpflaster lauscht. Immer wieder verweisen Kritiker des war on drugs darauf, dass legale Drogen, die in den USA produziert werden, insbesondere Alkohol, mindestens ebenso dramatische Kosten und Gesundheitsschäden verursachen wie kriminalisierte Substanzen, die importiert werden.176 Im Gegensatz zu Produktionen, die die Kappung der Versorgung aus dem Ausland als Lösung propagieren, verschließt sich Soderberghs Film dieser Erkenntnis nicht und vermeidet schon dadurch eine simple Externalisierung der Schuld. Hier wird stattdessen die Nachfrage in den USA, das offensichtlich weit verbreitete Bedürfnis nach dem Genuss von Suchtmitteln, als entscheidende Triebkraft für den Drogenhandel identifiziert. Gleichzeitig führt Traffic dem Zuschauer die Hoffnungslosigkeit der Versuche vor Augen, den Drogenschmuggel zu unterbinden. Ruiz erläutert während seiner Befragung, dass Grenzkontrollen kein echtes Hindernis darstellen: »We hire drivers with nothing to lose and throw a lot of product at the problem. Some get stopped. Enough get through. It’s not difficult.« Aufnahmen von Autoschlangen an den Grenzübergängen zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko sowie die Informa176 Vgl. Ethan A. Nadelmann, »Commonsense Drug Policy«, in: Foreign Affairs 77:1 (1998), 111-26, hier: 113; Daase, »Drogenkrieg«, 72; Gordon, Dangerous Classes, 5 u. 106-11.
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tionen, die Wakefield vorgetragen werden, untermauern diese Einschätzung. Angesichts des ständigen Flusses von Gütern und Personen in die USA, kann es keine völlige Kontrolle geben. Beschlagnahmungen finden zwar regelmäßig statt, betreffen aber einen zu kleinen Teil der geschmuggelten Ware, als dass sie ernsthaft ins Gewicht fallen würden. Dass das hier entworfene Bild in der Tat realistisch ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass der Jahresbedarf des amerikanischen Marktes an Kokain in 13 Lastkraftzügen transportiert werden könnte und dass Drogenhändler es sich leisten können, einen sehr großen Teil ihrer Ware zu verlieren, und trotzdem noch Gewinn machen, ohne dass der Straßenpreis steigen müsste, da der überragende Anteil am Wert der Drogen erst in den USA generiert wird. 177 Traffic thematisiert außerdem jenes kaum zu lösende Problem, das in der Forschung als Ballon-Effekt beschrieben wird: Selbst wenn Erfolge gegen ein Anbaugebiet, eine Schmuggelroute oder eine Organisation von Drogenhändlern erzielt werden, führt dieser Druck nach kurzer Zeit lediglich zu einer Verlagerung beziehungsweise dazu, dass andere das Geschäft der ausgeschalteten Konkurrenz übernehmen.178 Dies wird im Film durch die Auseinandersetzung zwischen dem Tijuana- und dem Juarez-Kartell illustriert, die sich immer wieder als der eigentliche Katalysator der Ereignisse entpuppt. So führt nicht nur Salazar in Mexiko seine Kampagne auf Geheiß des Juarez-Kartells, auch Ruiz erklärt Gordon kurz vor seinem Tod, dass seine Verhaftung auf einen Tipp der Konkurrenz zurückgeht und die DEA-Agenten somit ebenfalls Drogendealern in die Hände spielen. Die USA arbeiten also nicht nur mit zwielichtigen Gestalten wie Salazar zusammen und nehmen deren zweifelhafte Methoden – wie die Folterung von Gefangenen – in Kauf, sie schwächen damit auch lediglich eine Organisation zugunsten einer anderen, ohne die Lage wirklich zu verbessern. Dafür gibt es wiederum zahlreiche Beispiele aus der Realität: Beispielsweise half das Cali-Kartell in Kolumbien Anfang der 1990er Jahre tatkräftig bei der Ausschaltung der Konkurrenten aus Medellín, um dann deren Platz einzunehmen.179 Als Vorbild für Salazar scheint außerdem General Jesús Gutiérrez Rebollo gedient zu haben, der in Mexiko eine nahezu identische Rolle spielte wie die Figur im Film.180 Wie festgefahren die Politik der Vereinigten Staaten ist, wird deutlich, als Wakefield seinen Stab während einer Flugreise auffordert, ihm Ideen »outside the box« zu präsentieren und ohne Zurückhaltung zu sagen, was ihrer Meinung nach nötig wäre, um echte Erfolge zu erzielen. »Right now, on this flight only, the dam is open for new ideas«, ermutigt er die Vertreter der verschiedenen Bundesbehörden. Aber die Antwort ist Schweigen. Offensichtlich gibt es keine neuen Ideen. Zugleich muss Wakefield feststellen, dass zu seiner Entourage niemand gehört, der mit der Behandlung von Drogensüchtigen befasst wäre. Amerikas ›Krieg gegen die Drogen‹ wird so
177 Vgl. Bertram u.a., Drug War Politics, 20-2; Zirnite, Reluctant Recruits, 24. Zur Erfolglosigkeit von interdiction siehe auch Carpenter, Bad Neighbor Policy, 92-5. 178 Alternativ ist auch vom Hydra- oder vom push-down-pop-up-Effekt die Rede. Vgl. Friesendorf, War on Drugs, 20; Youngers/Rosin, »Impact«, 5-8; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 114-8; Bertram u.a., Drug War Politics, 13; Zirnite, Reluctant Recruits, 36. 179 Vgl. Neild, »Police Assistance«, 86f. 180 Siehe dazu Freeman/Sierra, »Mexico«, 269. Ein ähnlich zwielichtiger Verbündeter der USA war Vladimiro Montesinos in Peru; dazu Rojas, »Peru«, 197-205.
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treffend durch das Scheitern der Zwangsmaßnahmen und die Vernachlässigung des medizinischen Aspekts charakterisiert. Wakefield, der im Umgang mit Caroline zunächst selbst auf Härte setzt und Kriegsmetaphern wie »unified front« verwendet, erkennt im Lauf des Films, wie fatal es ist, dass die Konsumenten im Drogenkrieg bekämpft und damit zu doppelten Opfern gemacht werden. Am Ende ist es ihm unmöglich, sich weiter mit dem war on drugs zu identifizieren, nicht nur weil ihm bewusst geworden ist, dass ein Sieg nicht zu erreichen ist, sondern auch weil er begriffen hat, dass in diesem Krieg, wenn er konsequent verfolgt wird, die Familie (und damit Amerika) sich selbst bekämpft und zerstört. Sein entsprechendes Statement auf der Pressekonferenz erinnert auffallend an die zuvor zitierten Äußerungen aus der Clinton-Administration zur Unbrauchbarkeit der Kriegsmetapher. Traffic gelangt zu demselben Schluss, den die Regierung theoretisch, aber nicht praktisch vertreten hatte: dass man zwar Drogen nicht legalisieren sollte, sie aber primär als ein Problem der Gesundheitsfürsorge und nicht der Verbrechensbekämpfung zu behandeln seien. »Everyone in law enforcement will tell you, education and treatment work. Money and resources put into them have a concrete effect. That would be a good thing. It’s not a very sexy approach, but it works«, erklärte Soderbergh in einem Interview.181 Dies bedeutet natürlich, dass zwar die Drogenkonsumenten nicht als Kriminelle behandelt werden sollten, wohl aber die Drogenhändler. Dazu passt, dass die Polizisten und DEA-Agenten in Traffic durchaus positiv und sogar am ehesten von allen Figuren als Helden dargestellt werden, obwohl immer wieder betont wird, dass sie das Drogenproblem unmöglich lösen können und quasi eine Sisyphosarbeit leisten. Es werden auch keinerlei Polizeieinsätze gegen Konsumenten oder Kleindealer gezeigt, stattdessen konzentriert sich der Film auf die Darstellung des Vorgehens gegen die oberen Ebenen der kriminellen Organisationen. Damit wird in gewisser Weise das idealisierte (Wunsch-)Bild einer Polizeiarbeit entworfen, die nicht die Abhängigen bekämpft, sondern jene, die von deren Sucht profitieren. Bemerkenswert ist nicht zuletzt, dass Traffic dabei die gängigen ›rassischen‹ Muster des ›Krieges gegen die Drogen‹ zumindest teilweise auf den Kopf stellt. Mit Gordon und Castro werden hier ein Schwarzer und Latino einmal nicht als Dealer, sondern als DEA-Agenten präsentiert, die unter Einsatz ihres Lebens versuchen, den Drogenhandel einzudämmen und die Drahtzieher dingfest zu machen. Als die beiden in einer Szene versuchen, ein Gespräch zwischen Helena und Carlos’ Partner Arnie Metzger (Dennis Quaid) abzuhören, bekennt Castro: »I have actually dreamed about this. About busting the top people, the rich people…« Und Gordon beendet den Satz mit ihm zusammen: »White people!« Der Film verdeutlicht an dieser Stelle, dass sich die »top people« des Drogenhandels meist eben nicht aus den als Gefahr identifizierten Minderheiten rekrutieren und dass eine Konzentration der Bekämpfung auf diese 181 Zitiert nach Shaw, »Representations«, 219 Anm. 27. Als Bestätigung hierfür kann man etwa zahlreiche der Aussagen in Drugs, Law Enforcement and Foreign Policy heranziehen. Für eine Verfolgung dieses Ansatzes spricht sich auch die überwiegende Zahl der Kritiker am war on drugs aus, die eine Legalisierung wegen der Gesundheitsrisiken zumeist gleichfalls ablehnen. Von den in dieser Arbeit zitierten Forschern kommt einzig Carpenter, Bad Neighbor Policy, 229, zu dem Schluss, dass Legalisierung »[t]he only realistic way out of this policy morass« sei.
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Gruppe nahezu zwangsläufig eine Verlagerung aus den Innenstädten in die reichen Vororte und ein Ende der rassistischen Benachteiligung im Rahmen des war on drugs bedeuten würde. Die Umkehr der üblichen Rollenverteilung kommt auch in den Porträts von Wakefield und Javier zum Ausdruck. Der weiße Mann erweist sich in diesem Fall überraschend als diejenige Figur, die über weite Strecken des Films zur Ohnmacht verdammt ist. Zwar schafft Wakefield es am Ende anscheinend, seine Tochter zu retten, dies geschieht aber weder auf eine besonders souveräne Weise, noch auf eine, die – wie sonst üblich – die gewaltsame Vernichtung der Bedrohung einschließt. Bei der Bekämpfung des Drogenschmuggels erreicht er überhaupt nichts, was umso frappierender ist, als er von seinem Platz in der Hierarchie her die mächtigste der in die Handlung involvierten Personen ist. Dass Traffic dem in der Realität weitgehend auf repräsentative Funktionen beschränkten Amt des Drogenzars umfangreiche operative Kompetenzen und sogar ein Vetorecht über die Budgets zahlreicher Behörden andichtet,182 kann man wohl damit erklären, dass der Gegensatz zwischen Wakefields theoretischer Macht und seiner tatsächlichen Hilflosigkeit betont werden soll. Während der weiße Mann auf diese Weise (und durch die Parallelisierung mehrerer Geschichten) seiner traditionellen Rolle als Zentrum der Handlung und entscheidende Kraft für das Gute beraubt wird, erweist sich zugleich der mexikanische Polizist Javier, der in der sozialen und politischen Hierarchie sehr weit unten angesiedelt ist, als diejenige Figur, die einem Helden im herkömmlichen Sinn am nächsten kommt: Er bleibt nicht nur durchgängig moralisch integer und ein Sympathieträger, sondern erzielt auch den größten Erfolg gegen die kriminellen Gegenspieler, indem er Salazar zu Fall bringt. Anders als in den Filmen über Militärinterventionen werden die Lateinamerikaner hier nicht zu Objekten und Anhängseln US-amerikanischer Aktionen degradiert, vielmehr sind in diesem Fall die Vereinigten Staaten auf die Hilfe eines heroischen Mexikaners angewiesen. Allerdings kommt man nicht umhin, festzustellen, dass Traffic auch einige problematische Elemente enthält, die das kritische Potential abschwächen und selbst zur Kritik einladen. Deborah Shaw hat in einem Aufsatz darauf hingewiesen, dass der Film zwar durch einzelne Figuren Stereotype herausfordere, an anderer Stelle aber dennoch darauf zurückgreife und sie bestätige. Sie erkennt trotz allem »an unacknowledged neo-colonialist and racist discourse in Traffic, which follows in a Hollywood tradition of representing Mexico and Mexicans as a country and a people who are in need of moral, political and institutional guidance from the United States, and which portrays Lati183 nos and African-Americans en masse as dangerous criminals.«
Shaw kritisiert unter anderem, dass die mexikanischen Charaktere zwar von Latinos gespielt werden, dass diese aber – mit der Ausnahme von Jacob Vargas – keine mexikanischen Wurzeln haben; dass ein Gespräch zwischen Wakefield und Salazar fälschlicherweise suggeriert, dass es in Mexiko keine Behandlung von Drogensüchtigen 182 Dies vermerkt z.B. »The Straight Dope On ›Traffic‹: Film Gets Drug War (Mostly) Right«, in: WP 06.01.2001, als einen Fehler des Films. 183 Shaw, »Representations«, 213. Vgl. ähnlich auch Henry A. Giroux, Breaking in to the Movies: Film and the Culture of Politics, Malden/Oxford 2002, 237.
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gibt; dass die erwähnte farbliche Codierung Mexiko als rückständig kennzeichnet; und dass Korruption und Drogenhandel als verantwortlich für die sozialen Verhältnisse dargestellt werden, während die Rolle der US-amerikanischen Wirtschaft mit ihrer Ausbeutung billiger Arbeitskraft nicht thematisiert wird.184 Diese Punkte erscheinen für sich genommen weniger bedeutsam und können teilweise auch angefochten werden.185 Sie verdienen allerdings Aufmerksamkeit, weil sie zwei Aspekte von schwerwiegender Problematik ergänzen. Hierbei handelt es sich zunächst um das Porträt Mexikos als eines völlig korrupten Landes, in dem Javier als eine Ausnahme erscheint, was den Wert dieser Stereotype unterlaufenden Figur beeinträchtigt. Zu kritisieren ist dabei nicht, dass Korruption in den mexikanischen Sicherheitsorganen thematisiert wird, denn dies ist unbestreitbar Teil der Realität. Problematisch ist aber, dass Korruption nur in Mexiko gezeigt wird, obwohl sie, wenn auch in geringerem Ausmaß, selbstverständlich in den USA ebenfalls existiert.186 Die Ursachen für die korrupten Strukturen werden zudem nur oberflächlich gestreift. So entsteht in der Tat wieder das Bild eines Lateinamerikas, das von Kriminellen beherrscht wird, weshalb effektive Verbrechensbekämpfung den Einsatz USamerikanischer Behörden auch außerhalb der Vereinigten Staaten erforderlich macht. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass Javier zwar unentbehrlich für Salazars Sturz ist, seinerseits aber mit seinen Informationen zur DEA gehen muss, um etwas zu bewirken. Traffic gerät so doch wieder in die Nähe der zuvor besprochenen Produktionen über Militärinterventionen, da das Eingreifen der USA an den Organen souveräner Staaten vorbei als Notwendigkeit erscheint.187 Die schwersten Vorwürfe gegen den Film muss man jedoch erheben, weil er – trotz anderer Ansätze wie in der oben zitierten Szene mit Gordon und Castro – an einigen Stellen den Eindruck erweckt, als ob der Drogenhandel Weiße zu Opfern von Schwarzen und Latinos machen würde. Dass nur Weiße als Konsumenten gezeigt werden, könnte dabei zunächst als lobenswerter Versuch interpretiert werden, die stereotype Darstellung einer schwarzen Drogenkultur zu vermeiden und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es tatsächlich zu einem großen Teil Weiße auch aus gehobenen gesellschaftlichen Schichten sind, die Drogen nehmen. Höchst problematisch ist jedoch, dass Carolines Absturz dadurch dramatisiert wird, dass sie sich im Austausch gegen Stoff von ihrem schwarzen Dealer sexuell missbrauchen lässt. Die Bilder des hübschen weißen Mädchens, das halb weggetreten unter den Stößen eines muskulösen Schwarzen erzittert, auf dessen nackter Haut der Schweiß glänzt, beuten schonungslos die alten und nach wie vor wirkmächtigen rassistischen Ängste hinsichtlich der Bedrohung der weißen ›Rasse‹ durch den schwarzen Vergewaltiger aus, 184 Shaw, »Representations«, 216-9. 185 So ist der Hinweis auf die Wirkung der Farbcodierung zwar richtig, andererseits fördert aber auch der Blaustich der Handlung um Wakefield negative Assoziationen. Wie an anderer Stelle zu sehen war, wurde etwa Russland zum Teil mit demselben filmischen Mittel behandelt. Was die wirtschaftliche Situation angeht, so könnte man einwenden, dass dies – wie eine Darstellung der Drogenproduktion – ein zu großes Thema wäre, um es noch in den bereits sehr komplexen Film einzubauen. 186 Zu Korruption in US-Polizeibehörden siehe Nadelmann, Cops Across Borders, 264-6; Kerry, Drugs in Massachusetts, 15f. 187 Vgl. dazu Shaw, »Representations«, 216 u. 221.
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die nun auch mit Drogen in Verbindung gebracht werden. Wenn der Dealer Caroline danach einen Schuss setzt, löst eine Form von Penetration und Verseuchung des unschuldigen weißen Mädchens durch den bösen Schwarzen die andere ab.188 Andere Szenen des Films sind wiederum bemüht, die hier bedienten Vorurteile zu hinterfragen, insbesondere jene, in der Wakefield sich von Carolines Freund Seth (Topher Grace) zu ihrem Dealer führen lässt. Als der entsetzte Vater angesichts des heruntergekommenen Schwarzenviertels schockiert ausstößt: »I can’t believe you brought my daughter to this place«, reagiert Seth seinerseits mit einem empörten Ausbruch: »Whoho! Why don’t you just back the fuck up, man! To this place? What is that shit? Okay, right now, all over this great nation of ours, 100,000 white people from the suburbs are cruisin’ around downtown, asking every black person they see: ›You got any drugs? You know where I can score some drugs?‹ Think about the effect that has on the psyche of a black person, on their possibilities! I… God, I guarantee you, bring 100,000 black people into your neighborhood, into fuckin’ Indian Hill, and they’re asking every white person they see: ›You got any drugs? You know where I can score some drugs?‹ Within a day, everyone will be selling. Your friends, their kids, here’s why: It’s an unbeatable market force, man.«
Obwohl dies eine bemerkenswerte Analyse ist, ist sie kaum geeignet, die Szene mit Caroline und dem Dealer in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Dies liegt zum einen in der Natur des Mediums Film, wo Bilder, noch dazu derart starke, einen tieferen Eindruck hinterlassen als Worte. Zum anderen wird diese Belehrung noch dadurch entwertet, dass sie von Seth kommt, der alles andere als ein Sympathieträger ist, nicht zuletzt weil er derjenige ist, der Caroline zu Beginn mit Crack bekanntgemacht hat und so als mitverantwortlich für ihren Absturz erscheint. Trotz dieser Vorbehalte muss man Traffic aber insgesamt eine vielschichtige Darstellung des Drogenproblems attestieren, die manche Stereotype hinterfragt und den ›Krieg gegen die Drogen‹ in vielerlei Hinsicht kritisiert. Damit hebt Soderberghs Film sich von der überwältigenden Masse an Produktionen ab, die den Drogenkrieg nur als eine griffige Variante des Kampfes zwischen Gut und Böse behandeln. Selten findet sich bei diesem Thema eine vom Mainstream abweichende Perspektive, und selbst dann muss diese nicht zwangsläufig mit einer Kritik am war on drugs einhergehen. Die amerikanisch-kolumbianische Co-Produktion Maria Full of Grace (2004) zum Beispiel beleuchtet zwar eindringlich einen selten beachteten Aspekt des Drogenhandels, indem die Geschichte eines sogenannten ›Maultiers‹ erzählt wird, einer jungen Frau, die mit 62 Päckchen Heroin im Magen als Kurier in die Vereinigten 188 Es ist bemerkenswert, dass sich in Darren Aronofskys Süchtigen-Drama Requiem for a Dream (2000) sehr ähnliche Sequenzen finden: Auch hier erreicht der durch Drogensucht ausgelöste Fall einer attraktiven jungen Frau aus der weißen Oberschicht (Jennifer Connelly) seinen Tiefpunkt, als sie sich im Austausch gegen Heroin einem riesigen schwarzen Dealer hingibt, der auch noch über seine Vorliebe für weiße Frauen spricht und sie später zu vollends pervers wirkenden sexuellen Handlungen wie Analverkehr mit einer anderen Frau vor Publikum zwingt. Zur Kritik an der Szene in Traffic vgl. auch Shaw, »Representations«, 216f; Giroux, Breaking in to the Movies, 238; Bogle, Coons, Mulattoes, Mammies and Bucks, 429f.
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Staaten reist, letztendlich geht es hier aber weniger um Drogen und um amerikanische Politik als um ein besonderes Immigrantenschicksal. Tatsächlich werden fragwürdige Prozeduren wie stichprobenartige Röntgenkontrollen von Einreisenden aus bestimmten Ländern hier eher zu notwendigen Maßnahmen erklärt. Die Ausnahmestellung von Traffic wird auch durch seine Wirkung untermauert. Der Film wurde nicht nur von den Kritikern gelobt,189 sondern erzielte auch an den Kinokassen einen angesichts seiner Komplexität und ungewöhnlichen Struktur erstaunlichen Erfolg. Allein in den USA spielte er mehr als 124 Millionen Dollar ein.190 Die Washington Post berichtete im März 2001 sogar, dass Traffic die Haltung von Politikern im Kongress beeinflusse und dazu beitrage, die Unterstützung für Aufklärung und Behandlung zu stärken. Von einem echten Politikwechsel konnte allerdings auch weiterhin keine Rede sein. Viele Abgeordnete fühlten sich, ebenso wie Barry McCaffrey, eigentlich auch nur in ihren Ansichten bestätigt, was sich sicher nicht zuletzt dadurch erklären lässt, dass der Film in vielem die Rhetorik der Clinton-Administration widerspiegelte. Scheinbar wurde eine entsprechende Politik also schon betrieben. Und die Wichtigkeit der »vigilant defense of our borders and our streets«, wie Senator Orrin Hatch es formulierte, stand weiterhin außer Frage.191 Der ›Krieg gegen die Drogen‹ wurde also fortgesetzt, obwohl eine erdrückende und auch durch offizielle Quellen bestätigte Beweislast sein Scheitern dokumentierte. Dies ist umso erstaunlicher, als er sich nicht nur als erfolglos, sondern sogar als überaus schädlich und kontraproduktiv erwiesen hat. Amerikas Drogenkrieg hat nachweislich dazu beigetragen, das eigentlich bekämpfte Geschäft global zu verbreiten, mitsamt der damit verbundenen Probleme.192 Insbesondere in Lateinamerika beschädigt er demokratische Strukturen beziehungsweise behindert deren Entstehung. Er untergräbt die Souveränität von Staaten, fördert eine bedenkliche Rolle des Militärs, schürt gewalttätige Konflikte und geht mit eklatanten Menschenrechtsverletzungen einher. Dies alles führt wiederum auch dazu, dass sich eine feindselige Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten in Lateinamerika ausbreitet.193 Die USA selbst zahlen einen hohen Preis für den war on drugs, nicht nur in finanzieller Hinsicht. Dass die Zahl von AIDS-Erkrankungen im Vergleich zu Europa immer noch erschreckend hoch ist, liegt beispielsweise nicht zuletzt daran, dass Nadelaustauschprogramme abgelehnt werden, weil sie mit der harten Linie des ›Krieges gegen die Drogen‹ unvereinbar scheinen. Von deren rassistischen Auswirkungen war 189 Siehe etwa »Teeming Mural of a War Fought and Lost«, in: NYT 27.12.2000; »The Enemy Within: ›Traffic‹ Dissects a Losing Battle«, in: WP 05.01.2001; »Traffic« auf http:// rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/20010101/REVIEWS/101010301/1 023 (14.06.2007); »Moving ›Traffic‹: Soderbergh’s Riveting Thriller Lays Open America’s Anti-Drug Campaign«, in: SFC 05.01.2001. 190 Das Budget betrug 48 Millionen Dollar. Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/ 2000/TRAFC.php und http://www.imdb.com/title/tt0181865/business (beide 19.06.2007). 191 Zitiert nach »In Senate Debate on Drugs, ›Traffic‹ Moves Minds«, in: WP 15.03.2001. 192 Dazu v.a. Friesendorf, War on Drugs. 193 Siehe zu diesen Punkten ausführlich ebenda; Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy; Carpenter, Bad Neighbor Policy; Zirnite, Reluctant Recruits; Smith, Talons of the Eagle, 284-317; Daase, »Drogenkrieg«; Lessmann, »Amerikanisierung und Militarisierung«.
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bereits ausführlich die Rede, etwa im Hinblick auf die Häftlingszahlen, die durch konsequente Anwendung des ›strafenden Paradigmas‹ explodiert sind. 2006 stellten die Vereinigten Staaten nur ungefähr 5% der Weltbevölkerung, aber 25% der globalen Gefängnispopulation.194 Der war on drugs hat zudem – auch hierin auf den war on terror vorausweisend – zu einer Schwächung der Bürgerrechte geführt, begründet mit der angeblichen Notwendigkeit neuer, außerordentlicher Maßnahmen. Insbesondere der vierte Zusatzartikel zur Verfassung, der den Schutz vor »unreasonable searches and seizures« garantiert,195 ist systematisch unterminiert worden.196 Die Erklärung für das Festhalten an einer derart verfehlten Politik liegt zum einen zweifellos in der Kriegsmentalität, die jede Kritik, die in anderer Form als in der Forderung nach weiterer Eskalation daherkommt, sehr schwierig und politisch riskant macht. Vor allem aber sind mit dem Drogenkrieg eine Reihe von Interessen, Wünschen und Ängsten verbunden, die über das eigentliche, explizit formulierte Ziel – ein Ende des Drogenproblems – hinausgehen. Diana Gordon hat in diesem Zusammenhang von der »shadow agenda« gesprochen, die keineswegs konspirativen Charakter hat, die aber Ziele verfolgt, die nicht allgemein als legitim anerkannt werden oder nur indirekt mit der Politik zu tun haben, der sie angeheftet werden, und die deshalb nicht offen genannt werden, zum Teil aber auch nicht einmal explizit intendiert sind.197 Hierzu gehört etwa die Kontrolle der »dangerous classes«. Für Politiker bietet der ›Krieg gegen die Drogen‹ außerdem eine recht einfache Möglichkeit, sich zu profilieren, ihren Einfluss zu vergrößern oder sich zumindest im Einklang mit der Wählerschaft zu zeigen.198 Auch wirtschaftliche Interessen sind nicht zu unterschätzen. So setzten sich beispielsweise die Rüstungs- und die Ölindustrie 1999/2000 für ein verstärktes Engagement in Kolumbien ein.199 Hinzu kommt die institutionelle Dynamik der seit den 1970er Jahren beständig angewachsenen Bürokratie, die von einigen Forschern als »Narco-Enforcement Complex« bezeichnet worden ist:200 Behörden tendieren zum einen dazu, Gelder dort zu requirieren, wo sie zu bekommen sind und schließen sich daher dem Drogenkrieg an; zum anderen verteidigen sie ihre Budgets und ihre Einflussbereiche und bekämpfen daher Reformen, durch die sie diese bedroht sehen. Gerade im Hinblick auf solche wirtschaftlichen und bürokratischen Bedürfnisse muss es sogar als vorteilhaft betrachtet werden, dass im war on drugs kein Ende absehbar ist.201 194 Zahlen aus Andreas/Nadelmann, Policing the Globe, 251. 195 »Text der Verfassung (englisch)«, in: Sautter, Die Vereinigten Staaten, 167-84, hier: 177. 196 Zu den negativen Auswirkungen innerhalb der USA siehe ausführlich Carpenter, Bad Neighbor Policy, 195-222; Bertram u.a., Drug War Politics, 32-54; Gordon, Dangerous Classes, 30-40. 197 Gordon, Dangerous Classes, 112-8. Ebenda, 8, betont sie, dass das »a normal aspect of policy politics« sei. 198 Siehe dazu ebenda, 160-72. 199 Vgl. Friesendorf, War on Drugs,128. 200 Bertram u.a., Drug War Politics, 125. 201 Vgl. auch Carpenter, Bad Neighbor Policy, 49. Zu den materiellen Interessen siehe ausführlich Bertram u.a., Drug War Politics, 125-33; Gordon, Dangerous Classes, 173-82. Gordon verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Einnahmen durch Beschlagnahmungen etc. Diesen Punkt sollte man nicht unterschätzen. Carpenter, Bad Neighbor
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Von entscheidender Bedeutung ist nicht zuletzt der symbolische Gehalt des ›Krieges gegen die Drogen‹, seine Funktion als Ritual, das die amerikanischen Werte bestätigt, Grenzen festlegt, Sündenböcke bestimmt und Einheit herstellt. Der war on drugs und seine Feindbilder erfüllen eine wichtige Rolle für die nationale Kultur und werden – trotz zunehmender Desillusionierung hinsichtlich der Möglichkeit eines Sieges – von großen Teilen der Bevölkerung akzeptiert. »This essentially nonutilitarian process of identity construction is a formidable barrier to policy reform«, wie Cornelius Friesendorf festgestellt hat: »After all, criticism of US drug policies can easily be perceived and portrayed as criticism of the American way of life.«202 Filme trugen und tragen mit ihren Porträts des Kampfes gegen den Drogenhandel dazu bei, die entsprechenden Feindbilder festzuschreiben, das ›strafende Paradigma‹ immer tiefer zu verankern und den ›Krieg gegen die Drogen‹ als identitätsstiftendes Ritual zu perpetuieren, so zum Beispiel nach der Jahrtausendwende auch Bad Boys II (2003), The Punisher (2004) oder Miami Vice (2006). Trotz der enormen Fortschritte von Schwarzen und Latinos in Gesellschaft und Filmindustrie wird die Bedrohung dabei bis heute oft genug über rassistische Stereotype definiert. Vor allem seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist der war on drugs aber mit einem noch wichtigeren, ebenfalls potentiell endlosen ›Krieg‹ verschmolzen worden: dem war on terror.
Policy, 29, erwähnt, dass die Einnahmen der DEA durch Beschlagnahmungen 1989 höher waren als ihr eigentliches Budget. 202 Friesendorf, War on Drugs, 188. Zur symbolisch-kulturellen Bedeutung des Drogenkrieges vgl. auch Bertram u.a., Drug War Politics, 56; Der Derian/Honderich, »Jekyll and Hyde«, 88f.
Teil III: Der ›Krieg gegen den Terror‹
1
Terrorismus als Bedrohung der USA
1.1 »COMMUNIST INSPIRED GUERILLA TERRORISTS«: DIE URSPRÜNGE DES WAR ON TERROR IM KALTEN KRIEG Es wird häufig übersehen, dass Amerikas ›Krieg gegen den Terror‹ nicht mit den Anschlägen vom 11. September 2001 begann, sondern gut 20 Jahre zuvor. Der Terrorismus, insbesondere in seiner internationalen Dimension, wurde bereits während der Präsidentschaft Ronald Reagans zu einem zentralen Feindbild für die Vereinigten Staaten. Ursprünglich eng mit der Auseinandersetzung mit der UdSSR verknüpft, überdauerte dieses Feindbild das Ende des Ost-West-Konfliktes und gewann weiter an Bedeutung, bis es schließlich eine ebenso dominante Stellung einnahm wie vormals der Kommunismus. Um diese Entwicklung nachzuvollziehen und die Grundlagen des war on terror zu erfassen, ist also zunächst ein erneuter Blick auf die letzte Hochphase des Kalten Krieges vonnöten, als der Terrorismus in den Mittelpunkt der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit rückte. Was aber meint der Begriff ›Terrorismus‹ eigentlich? Diese Frage gilt es vorab zu diskutieren, auch wenn – oder gerade weil – sie sich nicht völlig befriedigend beantworten lässt. Die überreiche Forschungsliteratur, die mit dem Phänomen des Terrorismus in all seinen Schattierungen befasst ist, kommt immer wieder zu dem Schluss, dass sich ihr Untersuchungsgegenstand trotz aller Bemühungen nicht mit endgültiger und unangreifbarer Präzision definieren lässt.1 Wie groß das definitorische Problem 1
Für eine ausführliche Erörterung der Definitionsproblematik siehe insbesondere Adrian Guelke, The Age of Terrorism and the International Political System, London/New York 1995, 3-34; Jenny Teichman, »How to Define Terrorism«, in: Conor Gearty (Hg.), Terrorism, Aldershot u.a. 1996, 3-15; David Tucker, Skirmishes at the Edge of Empire: The United States and International Terrorism, Westport/London 1997, 51-69; Harvey W. Kushner, Terrorism in America: A Structured Approach to Understanding the Terrorist Threat, Springfield 1998, 3-10, und (mit Verweisen auf weitere Literatur neueren Datums) Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 31-43. Siehe dazu außerdem Walter Laqueur, »Reflections on Terrorism«, in: Foreign Affairs 65:1 (1986), 86-100, hier: 88f; James Adams, The Financing of Terror: Behind the PLO, IRA, Red Brigades and M-19 Stand the Paymasters. How the Groups that Are Terrorizing the World Get the Money to Do It, New York 1986, 6-10; Jochen Hippler/Andrea Lueg, Gewalt als Politik: Terrorismus und Intervention im Nahen Osten. Darstellung und Dokumente, Köln 1987, 12-25; Martha Crenshaw, »Thoughts on Relating Terrorism to Historical Context«, in: dies. (Hg.), Terrorism in Context, University Park 1995, 3-24, hier: 4-12; Paul R. Pillar, Terrorism and U.S. Foreign
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tatsächlich ist, zeigt sich signifikant nicht zuletzt daran, dass selbst innerhalb des amerikanischen Staatsapparates kein Einvernehmen über die genaue Bedeutung des Terminus besteht. Stattdessen haben verschiedene US-Gesetzestexte und einzelne Behörden auf unterschiedliche Weise festgeschrieben, was Terrorismus sei.2 Etymologisch lässt sich der Ausdruck auf die Französische Revolution und die Entstehung der terreur zurückführen, also auf Terror des Staates gegen die eigene Bevölkerung. Heute wird unter Terrorismus jedoch gemeinhin eine Form von Gewalt verstanden, die oftmals von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und eher gegen einen Staat gerichtet ist. Hierin besteht bereits ein erster potentieller Streitpunkt, denn die Ausklammerung der von Regierungen verübten Verbrechen an ihrem Volk kann gerade dann als problematisch erscheinen, wenn man die wesentlich dramatischeren Dimensionen – vor allem im Hinblick auf die Zahl der Opfer – bei dieser Art des Terrors berücksichtigt.3 Als schwierig erweist sich aber auch die Abgrenzung von Terrorismus gegen andere Formen von Gewalt, die unterhalb der Ebene einer Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten angesiedelt sind. Dies gilt umso mehr, als sich in der Praxis oftmals verschiedene Spielarten politischer Aktion und gewalttätigen Handelns vermischen.4 So können etwa Personen oder Gruppen, die von Terroristen unterschieden werden sollen, wie Guerillas oder kriminelle Organisationen, auch auf Methoden zurückgreifen, die als terroristisch eingestuft werden. Offensichtlich wird diese terminologische Problematik bei hybriden Wortschöpfungen wie ›Terrormiliz‹ zur Bezeichnung des selbsternannten ›Islamischen Staates‹ und ähnlicher Gruppierungen. Durch seine inflationäre Verwendung seit den 1980er Jahren hat der Begriff Terrorismus zudem so weit an semantischer Schärfe verloren, dass nicht nur Amokläufer und Serienmörder zum Teil als Terroristen betrachtet werden,5 sondern selbst Alltagsphänomene, die Schrecken oder auch nur Unannehmlichkeiten verursachen, im öffentlichen Diskurs mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden können.6 Die Nützlichkeit des Terminus muss daher heute mehr denn je in Frage gestellt werden. »The term terrorism has come to encompass such wide varieties of violent activities that it should be replaced by another term«, hat dementsprechend auch Walter Laqueur bereits 2002 im Vorwort zu einer Neuauflage seiner History of Terrorism festgestellt, aber gleichwohl hinzugefügt: »If this has not happened yet, the only reason is that no one so far has provided a better term, or terms, to replace it.«7 Mangels ei-
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Policy, Washington D.C. 2001, 12-8; Grenville Byford, »The Wrong War«, in: Foreign Affairs 81:4 (2002), 34-43, hier: 34-40. Einen Überblick über mehrere dieser Definitionen bietet Tucker, Skirmishes, 52. Dazu Guelke, Age of Terrorism, 4 u. 11f; Hippler/Lueg, Gewalt als Politik, 26f; Harvey W. Kushner, Encyclopedia of Terrorism, Thousand Oaks u.a. 2003, s.v. »State Terrorism«. Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 35f, plädiert für eine Unterscheidung von »Terror« von oben und »Terrorismus« von unten. Vgl. Crenshaw, »Thoughts«, 12. So z.B. bei Jay Robert Nash, Terrorism in the 20th Century: A Narrative Encyclopedia from the Anarchists, through the Weathermen, to the Unabomber, New York 1998. Vgl. mit Beispielen Guelke, Age of Terrorism, 1; Tucker, Skirmishes, 56. Walter Laqueur, A History of Terrorism, mit einer neuen Einleitung des Autors, New Brunswick/London 22002, xiii.
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ner sinnvoller erscheinenden Alternative arbeitet sich die Forschung daher weiterhin an dem Begriff ab, der aufgrund seiner Verbreitung wohl ohnehin nur schwer durch eine akademische Neuschöpfung zu ersetzen sein dürfte. Ein denkbarer Umgang mit dem Problem der Unmöglichkeit einer präzisen Definition besteht darin, sie schlichtweg für unnötig zu erklären. Selbst manche seriösen Studien haben diesen Weg des geringsten Widerstandes gewählt und etwa darauf verwiesen, dass für Terrorismus letztendlich dasselbe gelte, was Potter Stewart als Mitglied des Supreme Court einst für Pornographie befunden hatte, nämlich dass es nicht erforderlich sei, sie umständlich zu definieren, weil man sie erkenne, wenn man sie sehe.8 In der Tat würden die meisten Menschen wohl spontan zustimmen, dass sie durchaus in der Lage seien, einen terroristischen Akt als solchen zu identifizieren. Gerade in der subjektiven Einschätzung dessen, was Terrorismus ist, besteht aber das eigentliche Problem, das prägnant in der immer wieder zitierten Weisheit zum Ausdruck kommt, dass des einen Terrorist des anderen Freiheitskämpfer sei. Denn Terrorismus ist eben kein neutraler, sondern ein pejorativer Begriff, mit dem nur solche Gewalt bezeichnet wird, die als illegitim wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung ist aber von ideologischen Einstellungen und nicht zuletzt von der eigenen Perspektive abhängig. Beispielhaft wird dies deutlich, wenn einige US-Forscher bei ihrer Suche nach einer Definition von vornherein davon ausgehen, dass Aktionen der Vereinigten Staaten nicht darunter fallen dürfen, womit jeglicher Anspruch auf Allgemeingültigkeit ad absurdum geführt wird.9 Ein prinzipiell sinnvoller Ansatz fragt nach den Übereinstimmungen beziehungsweise den am häufigsten begegnenden Elementen verschiedener Definitionen, um auf diese Weise eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner zu identifizieren, ein einigermaßen konsensfähiges Kernverständnis dessen, was Terrorismus ausmacht.10 In der Tat lassen sich einige Punkte benennen, die den meisten Beschreibungen gemeinsam sind. Dazu gehört die grundlegende Feststellung, dass Terrorismus eine Form von Gewaltanwendung ist.11 Als wesentlich erscheint zudem die Verknüpfung mit einer politischen Absicht. Darüber hinaus wird oft bemerkt, dass terroristische Anschläge dazu dienen, ein größeres Publikum als nur die unmittelbar von der Gewalt betroffenen Menschen zu beeinflussen. Der häufig angebrachte Verweis auf das Erzeugen von Furcht kommt in diesem Zusammenhang etwas banal daher, aber es ist zweifellos wichtig, dass die Opfer eines Anschlags eher zufällig ausgewählt sein können und oftmals nicht deren Entführung, Verletzung oder Tötung im Mittelpunkt des Interesses der Terroristen steht, sondern die Wirkung dieser Aktionen auf andere, beispielsweise auf eine Regierung, die zu bestimmten Maßnahmen gezwungen werden soll. Der Blick auf die Opfer terroristischer Gewalt bietet auch einen Ansatzpunkt, um die unumgängliche moralisch-ideologische Wertung auf einen weniger subjektiven Boden zu stellen: Terroristen zeichnen sich dann gegenüber legitimen Widerstands8 So z.B. Pillar, Terrorism, 17; Laqueur, »Reflections«, 88f. 9 So Tucker, Skirmishes, 51-69; Pillar, Terrorism, 15. 10 Vgl. z.B. Tucker, Skirmishes, 52f, und Kushner, Terrorism in America, 9f, bei denen wiederum die offiziellen US-Definitionen eine wichtige Rolle spielen. 11 Englischsprachige Definitionen verwenden dabei häufiger das negativ behaftete violence als das neutralere force und verweisen damit von vornherein auf die mangelnde Legitimität dieser Gewalt; dazu Guelke, Age of Terrorism, 20.
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bewegungen dadurch aus, dass sie ihre Angriffe nicht auf militärische Ziele beschränken und sich dabei um eine Minimierung ziviler Opfer bemühen, sondern dass sie im Gegenteil sogar gezielt Zivilisten, Unbeteiligte und Unschuldige attackieren. Dies ist beispielsweise auch ein wichtiges Element jener Definition, die das amerikanische Außenministerium für die statistischen Daten und die Analysen in seinem jährlich veröffentlichten Bericht Patterns of Global Terrorism verwendet und die auch sonst mit dem hier herausgearbeiteten Grundverständnis übereinstimmt: »Terrorism is premeditated, politically motivated violence perpetrated against noncombatant targets by subnational groups or clandestine state agents, usually intended to influence an audience.«12 Zwei weitere Punkte werden gelegentlich herangezogen, um Terrorismus durch seinen Mangel an Legitimation zu definieren, nämlich zum einen das Fehlen einer breiten Unterstützung innerhalb der Gruppe, die die Terroristen zu repräsentieren beanspruchen, und zum anderen die Anwendung von Gewalt innerhalb von Systemen, die andere, friedliche Wege zu politischer Veränderung bereitstellen13 – oder wie David Tucker dieses Argument prägnant formuliert hat: »If you can vote, yet throw a bomb, you are a terrorist.«14 Eine Eingrenzung der Kernelemente von Terrorismus in der hier erläuterten Art und Weise lässt den Terminus zumindest etwas schärfer erscheinen und vermeidet auch einen völligen moralischen Relativismus bei der Einordnung von Gewalt, wie er nicht akzeptabel sein kann. Gleichwohl bleibt immer noch genügend Unklarheit, um eine Vielzahl von Streitfällen zu ermöglichen. Als Beispiel sei hier der Angriff auf das Quartier der amerikanischen Marines in Beirut am 23. Oktober 1983 genannt, bei dem 241 US-Soldaten getötet wurden.15 Aus Sicht der Vereinigten Staaten war dies ein ebenso heimtückischer wie verheerender Terroranschlag. Doch lässt sich dies nur behaupten, wenn man die Marines als Nichtkombattanten im Sinne des State Departments einstuft, das hierzu auch alle Militärangehörigen rechnet, »who at the time of the incident are unarmed and/or not on duty«16 – eine bestenfalls fragwürdige, der Praxis bewaffneter Auseinandersetzungen sicherlich zuwiderlaufende Einordnung. Da die amerikanischen Soldaten im Libanon zu diesem Zeitpunkt längst auf Seiten der libanesischen Regierung in die Kämpfe eingegriffen hatten und infolgedessen 12 Patterns of Global Terrorism: 1984, ohne Seitenzahl. Im Folgenden werden diese Berichte kurz als PGT zitiert. In dem Bericht für das Vorjahr fehlte noch der Hinweis auf die Beeinflussung eines Publikums. Die Vorgängerveröffentlichung Patterns of International Terrorism (im Folgenden PIT) verwendete eine etwas andere Definition, in der von der Einschüchterung einer »target group wider than the immediate victims« die Rede war, aber der spezielle Status der Opfer nicht hervorgehoben wurde (PIT: 1980, ii). 13 Vgl. z.B. Hippler/Lueg, Gewalt als Politik, 25; Adams, Financing of Terror, 10. 14 Tucker, Skirmishes, 58. Wer nicht den eigenen Staat attackiert, in dem er wählen kann, wird sich von diesem Vorwurf allerdings nicht getroffen fühlen. 15 Es handelte sich hierbei um einen Selbstmordangriff mittels eines mit Sprengstoff beladenen Lastwagens. Auf dieselbe Weise wurde fast zeitgleich auch das Hauptquartier der französischen Fallschirmjäger in Beirut zerstört, die 58 Tote zu beklagen hatten. Siehe dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »U.S. Marine Barracks Bombing, Beirut«. 16 Diese erklärende Anmerkung findet sich erstmals explizit in PGT: 1990, iv, besaß aber offensichtlich auch davor schon Gültigkeit. Der Angriff auf die Marines in Beirut wurde in PGT: 1983, 1, 11 u. 25, als terroristischer Anschlag angeführt.
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nicht mehr als neutrale Friedenstruppe, sondern als Kriegspartei wahrgenommen werden mussten,17 stellt sich die Frage, ob es in diesem Fall nicht angemessener wäre, von einem – wenn auch mit unkonventionellen Mitteln durchgeführten – Angriff auf ein militärisches Ziel zu sprechen. Dies gilt umso mehr, als bereits ein Jahr zuvor das Hauptquartier der israelischen Invasionstruppen in Tyros mit derselben Methode attackiert worden war, »[i]n what came to be regarded as the first use of suicide truck bombing«.18 Es bleibt festzuhalten, dass Terrorismus letztendlich nicht eine präzise definierbare Art von Gewalt bezeichnet, sondern vielmehr eine bestimmte Wahrnehmung und Deutung von Gewaltakten, die als nicht legitimierbar empfunden werden beziehungsweise so dargestellt werden sollen. Das bedeutet, dass die Einstufung einer Aktion als terroristisch oder nicht allzu oft maßgeblich davon abhängt, ob jemand seine eigenen Interessen durch den bewussten Vorfall beschädigt oder gefördert sieht. Für eine mit Feindbildern befasste Arbeit stellt diese Erkenntnis freilich kein wirkliches Problem dar, denn hier liegt der Fokus grundsätzlich auf der Perzeption. Die wirklich relevante Frage, der ich mich nun zuwenden möchte, lautet daher ohnehin, wie Terrorismus in den USA gesehen und in amerikanischen Filmen dargestellt wurde. Einer weitverbreiteten Überzeugung zufolge begann das Zeitalter des Terrorismus Ende der 1960er Jahre.19 Terroristische Gewalt stellte dabei keineswegs ein neues Phänomen dar. Wie bereits erwähnt wurde, liegen die Ursprünge des Begriffs in der Französischen Revolution, doch historische Darstellungen verweisen zum Teil bis zurück zu den sicarii im römisch besetzten Judäa und den Assassinen im Nahen Osten des 11. bis 13. Jahrhunderts. Als prototypische Terroristen der Neuzeit gelten die antizaristischen Narodnaya Volya in Russland und die anarchistischen Attentäter, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert unter anderem Kaiserin Elisabeth von Österreich und US-Präsident William McKinley ermordeten. Terrorismus blieb auch in den folgenden Jahrzehnten präsent, vor allem in Verbindung mit den antikolonialen Befreiungskämpfen nach dem Zweiten Weltkrieg.20 Seit den späten 1960er Jahren wurde ihm jedoch eine neue Dimension und Qualität attestiert, und er erregte immer stärker das Interesse von Politik, Medien und Öffentlichkeit. Die Zunahme als terroristisch eingestufter Gewalt und die wachsende Aufmerksamkeit hierfür wurden von mehreren Faktoren und Schlüsselereignissen beeinflusst: 17 Vgl. dazu David C. Martin/John Walcott, Best Laid Plans: The Inside Story of America’s War Against Terrorism, Cambridge u.a. 1988, 117-24. 18 Michael Burleigh, Blood and Rage: A Cultural History of Terrorism, London 2008, 348. 19 Vgl. z.B. Adams, Financing of Terror, 1. Siehe dazu außerdem ausführlich Guelke, Age of Terrorism, der unter anderem vermerkt, dass 99% der akademischen Literatur zu Terrorismus ab 1968 erschienen seien (ebenda, 3). 20 Siehe hierzu ausführlicher Kushner, Encyclopedia, s.v. »Terrorism, Definition and History of«; Guelke, Age of Terrorism, 3-5; Laqueur, History of Terrorism, 7-11. Einen kompakten Überblick bietet auch Peter R. Neumann, Die neuen Dschihadisten: IS, Europa und die nächste Welle des Terrorismus, Berlin 2016, 17-70, der nach David Rapoport vier Wellen des modernen Terrorismus (Anarchismus, Antikolonialismus, Neue Linke und religiöse Welle) unterscheidet, die aber, wie Neumann selbst bemerkt, »keine vollständige Abbildung aller Facetten und Spielarten des modernen Terrorismus« darstellen (ebenda, 44), da z.B. Terrorismus von rechts in diesem Modell keine Berücksichtigung findet.
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Die Einschätzung des urbanen Terrorismus als praktikable Alternative zum Guerillakrieg auf dem Land wurde beispielsweise dadurch befördert, dass der Tod Ernesto ›Che‹ Guevaras in Bolivien im Juni 1967 das Scheitern des traditionellen Guerillakampfes zu signalisieren schien. Im selben Jahr erlitten die arabischen Staaten im Sechs-Tage-Krieg eine demütigende Niederlage gegen Israel, was zu größerer Selbstständigkeit und zur Radikalisierung der Palästinenser in ihren Bemühungen um die Rückeroberung ihrer Heimat führte. Neugegründete Gruppen wie die PFLP griffen nun verstärkt auf Flugzeugentführungen und andere unkonventionelle Methoden zurück, die ihren Aktionen eine internationale Dimension verliehen. In den Augen der westlichen Welt wurden die Palästinenser damit immer mehr zu Terroristen. Zur selben Zeit entstanden im Umfeld der Neuen Linken im Zusammenhang mit der Studentenrevolte und dem Protest gegen den Vietnamkrieg Organisationen wie der Weather Underground in den USA21 oder die RAF in der Bundesrepublik, deren Mitglieder der Überzeugung waren, politische Veränderungen mit Gewalt erzwingen zu müssen. Terrorismus stellt sich somit nicht zuletzt als eine Reaktion auf das Scheitern politischer Massenbewegungen dar. Begünstigt wurde er zudem durch die anhaltende Modernisierung und Urbanisierung einer Welt, in der Flugreisen zur Normalität wurden und wirkungsvolle Waffen und Sprengstoffe leicht verfügbar waren. Die Entwicklung der Medien, insbesondere des stetig wichtiger werdenden Fernsehens, garantierte die Aufmerksamkeit einer immer größeren Öffentlichkeit für solche Vorfälle, die als nachrichtenwürdig betrachtet wurden. Gerade dieser letzte Punkt sollte in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden, denn wenn Terrorismus in entscheidendem Maße eine Frage der Wahrnehmung ist, so gilt dies natürlich auch für die Vorstellung, in einem besonderen ›Zeitalter des Terrorismus‹ zu leben.22 Jedenfalls begann auch die amerikanische Regierung in den 1970er Jahren, Terrorismus als ein ernst zu nehmendes Problem zu betrachten. 1972 richtete Richard Nixon mit dem Cabinet Committee on Terrorism die erste mit seiner Bekämpfung befasste Regierungsorganisation ein. Unter Jimmy Carter wurde daraus bereits eine Vielzahl von Ausschüssen, und das Arsenal der amerikanischen Antiterrorpolitik wurde um zwei wichtige Instrumente erweitert: Zum einen wurden Sanktionen als ein Mittel entdeckt, um gegen die staatlichen Förderer des Terrorismus vorzugehen. Von großer Bedeutung war in diesem Zusammenhang die Verabschiedung des Fenwick Amendments zum Export Administration Act 1979, das den Außenminister seither verpflichtet, jedes Jahr eine Liste der Staaten vorzulegen, die Terror unterstützen. Diese werden damit automatisch zum Ziel einer Reihe von Sanktionen. Zum anderen initiierte Carter – beeindruckt von den Erfolgen israelischer und deutscher Spezialeinheiten in Entebbe und Mogadischu – die Entwicklung der Geiselbefreiung als militärische Option.23 Zu diesem Zweck wurde 1977 die Delta Force gegründet. Ihr erster Einsatz sollte nicht lange auf sich warten lassen. Am 4. November 1979 besetzten militante Studenten die US-Botschaft in Teheran und nahmen die Belegschaft als Geiseln, unter anderem um gegen die Aufnahme 21 Zu dieser bis in die späten 1970er Jahre aktiven Gruppe siehe Kushner, Encyclopedia, s.v. »Weatherman«. 22 Vgl. zu diesem Abschnitt ausführlich Guelke, Age of Terrorism, 1-70. 23 Zum amerikanischen Umgang mit Terrorismus in den 1970er Jahren siehe Tucker, Skirmishes, 7-20.
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des Schahs in den Vereinigten Staaten zur Behandlung seines Krebsleidens zu protestieren.24 Es entwickelte sich eine scheinbar endlose Krise, die nicht zuletzt durch die permanente Berichterstattung der amerikanischen Medien als eine Art nationales Martyrium erlebt wurde: America Held Hostage, wie der Fernsehsender ABC seinen allabendlichen Report betitelte. Die Geiselhaft der 53 Amerikaner in Teheran wurde so zu einer einschneidenden, traumatischen Erfahrung für die USA insgesamt und hatte einen schwer zu überschätzenden Einfluss auf die Wahrnehmung von Terrorismus als Bedrohung. Wie zentral sie für den nationalen Diskurs blieb, zeigte sich etwa, als Ronald Reagan die Invasion Grenadas im Oktober 1983 unter anderem mit der Gefährdung der amerikanischen Medizinstudenten dort begründete und dazu erklärte: »The nightmare of our hostages in Iran must never be repeated.«25 Zum Albtraum war die Krise um die Geiseln in Teheran für die Amerikaner spätestens im April 1980 geworden, als der Versuch einer Befreiung durch das Militär in einem Debakel geendet hatte. Carter hatte die Operation Eagle Claw, die David Martin und James Walcott als »the first mission in America’s war against terrorism« bezeichnet haben,26 schließlich angeordnet, nachdem diplomatische Bemühungen nicht zum Erfolg geführt hatten. Die Soldaten der Delta Force erreichten jedoch nicht einmal Teheran, denn das allzu kompliziert geplante Unternehmen scheiterte bereits in der iranischen Wüste an der schlechten Abstimmung zwischen den verschiedenen involvierten Teilen der amerikanischen Streitkräfte, an technischen Mängeln und an einem Sandsturm. Zu allem Überfluss kollidierten noch nach dem Abbruch der Operation ein Helikopter und ein Transportflugzeug, wobei acht Soldaten getötet wurden.27 Die Wracks und zahlreiche zurückgelassene Ausrüstungsgegenstände lieferten perfektes Propagandamaterial für die triumphierenden Iraner, und Desert One – so der Codename des Wüstenfleckens – wurde wenige Jahre nach dem unrühmlichen Ende des Vietnamkrieges zu einem weiteren Symbol für die scheinbare Ohnmacht der einst so stolzen Supermacht USA. Außenminister Cyrus Vance, der sich gegen eine militärische Lösung ausgesprochen hatte, trat zurück. Eine Mehrheit der Amerikaner hielt den Versuch zwar auch rückblickend für richtig,28 aber der katastrophale Ausgang beschädigte dennoch das Image des Präsidenten schwer. Carter hatte seine Person von Beginn an eng mit der Krise verknüpft und wurde infolgedessen umso direkter mit ihrem unbefriedigenden Verlauf identifiziert,29 was möglicherweise entscheidend zu seiner Niederlage bei der Wahl im November 1980 beitrug. In jedem Fall schien es symbolträchtigen Charakter zu haben, dass die Geiseln 444 Tage nach ihrer 24 Dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Iranian Hostage Crisis«; Martin/Walcott, Best Laid Plans, 6-42. 25 Ronald Reagan, »Address to the Nation on Events in Lebanon and Grenada, October 27th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=40696 (08.07.2007). 26 Martin/Walcott, Best Laid Plans, 1. 27 Für eine detailliertere Darstellung siehe ebenda, 6-42; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Operation Eagle Claw«. 28 Vgl. z.B. eine Umfrage aus dem Dezember 1980 in IIPO, 1980-1981, 197. 29 Carol Winkler, »Presidents Held Hostage: The Rhetoric of Jimmy Carter and Ronald Reagan«, in: Terrorism 12:1 (1989), 21-30, kommt zu dem Schluss, dass Carters eigene Rhetorik ihm im Hinblick auf die öffentliche Meinung zu seiner Handhabung der Geiselkrise geschadet habe, u.a. weil sie die kritische Aufmerksamkeit für die Geschehnisse erhöhte.
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Gefangennahme ausgerechnet zur Amtseinsetzung von Ronald Reagan freigelassen wurden. Es war sicherlich nicht zuletzt eine Reaktion auf Carters Probleme, dass die neue Administration Terrorismus von Beginn an als ein wichtiges Thema auch im Hinblick auf das Image des Präsidenten und seine Aussichten auf eine Wiederwahl einstufte.30 Reagan nutzte gleich die Willkommensfeier für die heimgekehrten Geiseln, um eine harte Haltung zu beziehen, und zweifellos war es auch als Gegenentwurf zu der als schwach empfundenen Leistung seines Amtsvorgängers auf diesem Gebiet gedacht, als er verkündete: »Let terrorists be aware that when the rules of international behavior are violated, our policy will be one of swift and effective retribution. We hear it said that we live in an era of limit to our powers. Well, let it also be understood, there are limits to our patience.«31 Diese Ankündigung wahrzumachen, sollte sich in der Zukunft als deutlich schwieriger erweisen, als solch markige Rhetorik vermuten ließ. Aber in jedem Fall zeichnete sich so von Beginn an ab, dass Terrorismus eine wichtige Rolle in Reagans Präsidentschaft spielen würde. Tatsächlich wurde es während seiner Amtszeit zu einem beständig wiederholten Mantra, dass Terrorismus »[a] growing threat to our way of life« sei.32 Zu dem Eindruck, in einer gefährlichen Welt zu leben, trug innerhalb der Administration das nur knapp fehlgeschlagene Attentat auf Reagan am 30. März 1981 bei, auch wenn der Täter in diesem Fall nicht politisch motiviert, sondern psychisch gestört war.33 Noch im selben Jahr sorgte die Meldung für Aufsehen, der libysche Diktator Gaddafi habe terroristische Kommandos entsandt, um hochrangige Mitglieder der US-Regierung ermorden zu lassen. Obwohl nie verifiziert, hatte diese Episode einen nicht unerheblichen Einfluss auf die amerikanische Politik, wähnten sich ihre wichtigsten Vertreter nun doch selbst als Zielscheibe des Terrorismus und der finsteren Pläne eines seiner staatlichen Förderer.34 Der dramatische Befund einer zunehmenden Bedrohung konnte sich außerdem auf statistisches Datenmaterial stützen, wie es das State Department in seinen jährlichen Berichten zum internationalen Terrorismus veröffentlichte, die in der ersten Hälfte der 1980er Jahre und vor allem nach der israelischen Invasion im Libanon regelmäßig eine steigende Zahl von Opfern, gerade auch amerikanischen Opfern, verzeichneten.35 »Our citizens’ concern is justified«, kommentierte dementsprechend 1986 auch Vizepräsident Bush im Bericht einer von ihm geleite30 Vgl. Michael M. Gunter, »Dealing with Terrorism: The Reagan Record«, in: Schmertz u.a. (Hg.), Reagan and the World, 167-80, hier: 168. 31 Ronald Reagan, »Remarks at the Welcoming Ceremony for the Freed American Hostages, January 27, 1981«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=43879 (30.10.2008). 32 Ronald Reagan, »Message to the Congress Transmitting Proposed Legislation To Combat International Terrorism, April 26th, 1984«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=39829 (27.07.2007). 33 John Hinckley wollte mit der Ermordung des Präsidenten die Schauspielerin Jodie Foster beeindrucken, offensichtlich inspiriert durch ihren Film Taxi Driver (1976) – ein auf erschreckende Weise zu der häufigen Vermischung von Film und Realität in Reagans eigener Rhetorik passendes Motiv. Siehe zu dem Attentat und seiner Wirkung Gibson, Warrior Dreams, 231-3 u. 273; Woodward, Veil, 124. 34 Vgl. Martin/Walcott, Best Laid Plans, 79f. 35 PIT: 1980, iii; PIT: 1982, 1 u. 3; PGT: 1983, 1; PGT: 1984, 1; PGT: 1985, 1.
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ten Task Force die Feststellung, dass die Amerikaner Terrorismus als eines der wichtigsten Probleme überhaupt betrachteten.36 Allerdings gilt es, sich zu vergegenwärtigen, dass die Opferzahlen, wenn sie auch höher sein mochten als in früheren Jahren, letztendlich immer noch niedrig waren, und dass – verglichen mit anderen Möglichkeiten, zu Schaden zu kommen – nur eine verschwindend geringe Zahl von Amerikanern tatsächlich von Terroristen verletzt oder getötet wurde. Darüber hinaus war die Beobachtung einer wachsenden Bedrohung durch Terrorismus – gemäß der ausführlich erläuterten Problematik des Begriffs – untrennbar mit dessen Definition verbunden; mit anderen Worten: Die USA schienen nicht zuletzt deshalb zunehmend zur Zielscheibe von Terroristen zu werden, weil Gewalt gegen Amerikaner schnell als terroristisch eingestuft wurde. So ließ sich etwa die für das Jahr 1983 vermeldete Rekordzahl an Opfern auf den Angriff auf die Marines in Beirut zurückführen, dessen Einordnung als Terrorismus, wie bereits dargelegt wurde, zumindest diskussionswürdig ist.37 Des Weiteren ist festzuhalten, dass das enorme Aufsehen, das Terrorakte gegen eine verhältnismäßig geringe Zahl westlicher Bürger erregten, sich maßgeblich durch die weitgehende Abwesenheit anderer Formen von politischer Gewalt in den Demokratien des Westens erklären lässt. Paradoxerweise war es also gerade die relative Sicherheit, die die Menschen in diesen Staaten genossen, die den Eindruck vermittelte, sie seien durch diese eine Art von Gewalt besonders bedroht. Da die alltäglicheren und wesentlich blutigeren Gewalttätigkeiten in der Dritten Welt in aller Regel nicht als Terrorismus betrachtet wurden, solange keine Bürger der Ersten oder wenigstens der Zweiten Welt davon betroffen waren, schien es sich um eine Phänomen zu handeln, von dem nahezu ausschließlich der Westen betroffen war:38 »[T]errorism is increasingly directed against the Western democracies. […] Americans are specifically targeted«, wie Bushs Task Force konstatierte.39 Manche politisch motivierten Gewaltakte qualifizierten sich nach Einschätzung der Reagan-Administration interessanterweise nicht, um als Teil der terroristischen Bedrohung betrachtet zu werden, obwohl sie gegen US-Bürger gerichtet waren und durchaus bedenkliche Ausmaße annahmen. So eskalierte in dieser Zeit die seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Roe v. Wade 1973 schwelende Gewalt militanter Abtreibungsgegner, die unter Selbstbezeichnungen wie Army of God auch für Entführungen, Brandstiftungen und zahlreiche Bombenanschläge verantwortlich waren. Reagan, der sich der Unterstützung der christlichen Rechten nicht zuletzt wegen seiner Verurteilung von Schwangerschaftsabbrüchen sicher sein konnte, lehnte es jedoch ab, solche Vorfälle als Terrorismus einzustufen, und das FBI vertrat dieselbe
36 Public Report of the Vice President’s Task Force on Combatting Terrorism, Washington D.C. February 1986, Vorwort ohne Seitenzahlen. 37 Vgl. PGT: 1983, 1: »The bombings in Beirut of the US Embassy in April and of the headquarters of the US and French Multinational Forces in October together accounted for almost 30 percent of total international terrorist casualties and 95 percent of US victims.« 38 Vgl. Guelke, Age of Terrorism, 6-11. 39 Combatting Terrorism, 4.
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Ansicht. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass hier keine koordinierten Gruppen am Werk seien.40 Es ist offensichtlich, dass der Fokus des offiziellen Interesses auf einer ganz bestimmten Art von Terrorismus lag, die zwei wesentliche Charakteristika aufwies: eine internationale Dimension und staatliche Unterstützung. Dies mag zunächst einigermaßen erstaunen, da das US-Außenministerium, das internationalen Terrorismus als »terrorism involving citizens or territory of more than one country«41 definierte, in seinem Bericht zum Jahr 1983 vermerkte, »[that] [i]nternational terrorism accounts for much less than 10 percent and probably less than 1 percent of all the terrorism around the world each year.«42 Im Gegensatz zu anderen Varianten schien aber gerade internationaler Terrorismus einer dezidiert antiwestlichen Agenda zu folgen, da seine Opfer fast ausschließlich aus den Demokratien des Westens stammten. Dieser Eindruck erklärt sich freilich wiederum aus den vorweg getroffenen definitorischen Einschränkungen, aus der größeren Aufmerksamkeit der Medien für Europa und Nordamerika, sowie aus dem Umstand, dass die Bürger dieser Staaten aufgrund ihrer konkurrenzlosen Mobilität ungleich häufiger in fremden Ländern mit Gewalt konfrontiert wurden als Menschen aus der Zweiten oder gar Dritten Welt.43 Die Betonung staatlicher Unterstützung ist gleichfalls eng mit der Perzeption eines terroristischen Angriffs auf den Westen verknüpft: Das Phänomen des Terrorismus wird hier nicht durch ein Bündel komplexer und je nach Kontext unterschiedlicher Faktoren erklärt,44 sondern extrem simplifizierend durch die antiwestliche Politik von Staaten, die als Feinde von Freiheit und Demokratie betrachtet werden. Im erneuerten Kalten Krieg mündete dieses Konzept geradezu zwangsläufig in eine Verschwörungstheorie, die die maßgebliche Verantwortung für den internationalen Terrorismus der UdSSR zuwies. Innerhalb von Reagans Regierungsmannschaft wurde diese Sichtweise von Beginn an von Außenminister Alexander Haig vertreten, für den das Thema Terrorismus ganz persönlich von größter Wichtigkeit war: Als NATO-Oberbefehlshaber hatte er 1978 nur mit Glück einen Anschlag der RAF überlebt – eine verständlicherweise prägende Erfahrung.45 Bereits in der ersten Kabinettssitzung am 26. Januar 1981 setzte er die terroristische Bedrohung dementsprechend auf die Tagesordnung, und tags darauf machte er in seiner ersten Pressekonferenz auch für die Öffentlichkeit deutlich, dass es sich hierbei um eine neue Priorität handelte: »International terrorism will take the place of human rights in our concern because it is the ultimate abuse of human rights. And it’s time that it be addressed with better clarity and greater effectiveness by Western nations and the United States as well.« Das war offensichtlich als eine Akzentverschiebung gegenüber Carters Politik gedacht, und Haig ließ keinen Zweifel daran, wem die Schuld an dem globalen Problem zu geben sei: Zwar 40 Siehe dazu David A. Blanchard/Terry J. Prewitt, Religious Violence and Abortion: The Gideon Project, Gainesville u.a. 1993, v.a. 211-4; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Antiabortion Movement«. 41 PGT: 1983, ohne Seitenzahl. 42 Ebenda, 2. 43 Vgl. dazu auch Guelke, Age of Terrorism, 11. 44 Zu den Ursachen von Terrorismus siehe Crenshaw, »Thoughts«, 12-24. 45 Vgl. Martin/Walcott, Best Laid Plans, 49f.
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erwähnte er, dass auch die Sowjets gelegentlich Opfer von Terrorismus seien, »[b]ut be that as it may, they today are involved in conscious policy, in programs, if you will, which foster, support and expand this activity which is hemorrhaging in many respects throughout the world today.«46 Haig stützte sich bei diesen Vorwürfen entscheidend auf das noch nicht erschienene Buch The Terror Network von Claire Sterling, dessen Druckfahnen er bereits vor der Veröffentlichung gelesen hatte. In einem nicht wenig verräterischen Zirkelschluss berief sich die Journalistin ihrerseits anschließend in einem Artikel auf die Aussagen des Außenministers, um ihre Thesen zu untermauern.47 Sterlings Buch wurde das wohl bekannteste Werk, das den internationalen Terrorismus als eine kommunistische Verschwörung gegen die westlichen Demokratien porträtierte, aber es blieb keineswegs das einzige. Zahlreiche Wissenschaftler, Journalisten, Geheimdienstvertreter und Politiker hingen derselben Idee an, produzierten Literatur dazu oder gaben zumindest entsprechende Statements ab.48 Kern der Verschwörungstheorie war zunächst die Behauptung, dass die verschiedenen Terrorgruppen nicht unabhängig voneinander operierten, sondern ein mehr oder weniger eng geknüpftes Netzwerk bildeten, »a kind of terrorist international.«49 In Sterlings Beschreibung verschmolzen beispielhaft die unterschiedlichsten Kräfte zu einer einzigen dunklen Macht: »They made an incredible assortment by the end of the 1970s: ethnic and religious nationalists and separatists, anti-colonial patriots and anti-racists, Sardinian bandits and Mafia thugs, anarchists, Trotskyites, Maoists, unregenerate Stalinists and otherwise unclassified Marxist-Leninists. No single label could be pinned on them; but they had all come to see themselves as elite 50 battalions in a worldwide Army of Communist Combat.«
Hinter dieser furchteinflößenden Ansammlung kommunistischer Stoßtruppen wurde selbstverständlich die UdSSR gesehen. Dabei unterstellten nur die wenigsten eine direkte, operative Kontrolle der Sowjetunion beziehungsweise des KGB über die einzelnen Gruppen. Dergleichen wurde nur in einigen besonders extremen Fällen be46 »Excerpts from Haig’s Remarks at First News Conference as Secretary of State«, in: NYT 29.01.1981. 47 Vgl. Gibson, Warrior Dreams, 270f; Woodward, Veil, 93. 48 Siehe z.B. Roberta Goren, The Soviet Union and Terrorism, hg. von Jillian Becker mit einer Einleitung von Robert Conquest, London u.a. 1984; Ray S. Cline/Yonah Alexander, Terrorism: The Soviet Connection, New York 1984; Samuel T. Francis, The Soviet Strategy of Terror, überarb. u. aktual., Heritage Foundation, Washington D.C. 1985; State-Sponsored Terrorism: Report for the Subcommittee on Security and Terrorism for the Use of the Committee on the Judiciary, United States Senate, June 1985 (Senate Print 99-56), Washington D.C. 1985; International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking; Benjamin Netanyahu (Hg.), Terrorism: How the West Can Win, New York 1986; Ra’anan u.a. (Hg.), Hydra of Carnage; Roger W. Fontaine, Terrorism: The Cuban Connection, New York u.a. 1988. 49 Benjamin Netanyahu, »Defining Terrorism«, in: ders. (Hg.), Terrorism, 7-15, hier: 11. 50 Sterling, Terror Network, 16. Bezeichnend ist nicht zuletzt die absurde Einbeziehung von sardischen Banditen und Mafiosi in diese Aufzählung.
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hauptet, etwa für den ANC in Südafrika.51 Ansonsten lag der eigentliche Sinn der Förderung des Terrors, wie Sterling feststellte, ja gerade darin, die schmutzige Arbeit nicht selbst verrichten zu müssen: Die UdSSR habe einfach eine geladene Waffe auf den Tisch gelegt und es anderen überlassen, sie zu benutzen.52 Um die sowjetische Rolle zu verschleiern, erfolgten Ausrüstung, Training und andere Hilfestellungen über die Satellitenstaaten in Osteuropa und über Vasallen wie Kuba, Nicaragua, Nordkorea, Syrien und Libyen sowie insbesondere über die PLO, die man als den vielleicht wichtigsten Knoten des Netzwerks betrachtete, weil sie nicht nur von Moskau mit Waffen und Ausbildung versorgt wurde, sondern darüber hinaus in ihren eigenen Lagern scheinbar das Training von Terroristen aus der ganzen Welt übernahm und somit die sowjetische Hilfe multiplizierte.53 »Few terrorist bands mentioned in this book can be shown to have had direct links with the Soviet Union; but not one could have gotten started or kept going without help from Havana, or the Palestine Resistance, or both«, vermerkte Sterling,54 und da Kuba und die PLO als Handlanger der Sowjetunion gesehen wurden, bedeutet dies, dass das Fehlen einer direkten Kontrolle durch Moskau nichts an seiner Verantwortung dafür änderte, dass Terrorismus eine ernste Bedrohung geworden war. Diese Überlegung wurde immer wieder herausgestellt. »Soviet support is virtually essential for the scale and intensity of terrorist operations«, behauptete etwa auch Samuel Francis.55 Auf diese Feststellung gestützt, ließ sich die Zunahme des internationalen Terrorismus seit Ende der 1960er Jahre ganz einfach erklären: Das ›Zeitalter des Terrorismus‹ war eine Folge der sowjetischen Politik, eingeleitet durch den Amtsantritt von Juri Andropow als Direktor des KGB 1967 und den darauffolgenden Beginn der Unterstützung für die PLO.56 Darüber hinaus betonte man, dass die UdSSR in jedem Fall der hauptsächliche Nutznießer antiwestlichen Terrors sei und auch dann von Terrorismus profitiere, wenn sie nichts damit zu tun habe. In einem für die Konstruktion von Verschwörungstheorien typischen Denkmuster wurde also schlicht gefragt, wem die Attacken auf die USA und ihre Verbündeten nutzten, um den eigentlichen Schuldigen zu iden-
51 Vgl. dazu beispielsweise Francis, Soviet Strategy of Terror, 48; außerdem den von Jillian Becker erstellten »Appendix C: How the ANC became a Communist Front« in Goren, Soviet Union and Terrorism, 206-8. 52 Sterling, Terror Network, 292f. 53 Zur zentralen Rolle der PLO vgl. z.B. Jillian Becker, »The Centrality of the PLO«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 98-102; Goren, Soviet Union and Terrorism, 106-42; Cline/Alexander, Terrorism, 31-54. Als typisch für die Vorstellung vom indirekten Handeln der Sowjetunion kann die angebliche Verschwörung hinter dem Attentat auf Papst Johannes Paul II. gelten, bei der davon ausgegangen wurde, dass das KGB den ihm hörigen bulgarischen Geheimdienst beauftragt habe, der sich wiederum der von ihm kontrollierten türkischen Mafia bedient habe, um den Attentäter anzuheuern. Siehe dazu Claire Sterling, »Unraveling the Riddle«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 103-5. 54 Sterling, Terror Network, 247. 55 Francis, Soviet Strategy of Terror, 50. 56 Vgl. z.B. State-Sponsored Terrorism, xi.
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tifizieren.57 Und im Nullsummendenken des Kalten Krieges, demzufolge der eigene Schaden immer der Vorteil des Feindes sein musste und umgekehrt, lag die Antwort auf diese Frage auf der Hand. Die Grundannahme, dass Terrorismus »against us, the democracies«, gerichtet sei,58 hatte so letztlich zur logischen Konsequenz, dass er als ein sowjetischer Angriff verstanden wurde, als Teil einer verdeckten, umso heimtückischeren Kriegsführung. »This book is about war: the war which the Soviet Union is waging on the West – indirectly. In practical terms, international terrorism is power projection«, schrieb beispielsweise Roberta Goren in der Einleitung ihres Buches zum Thema,59 und in einem Vorwort dazu versuchte Jillian Becker es vollends unmöglich zu machen, die Erkenntnis zu überlesen, »that World War Three IS BEING WAGED«.60 Wie Haig war auch CIA-Direktor William Casey tief beeindruckt von Claire Sterlings ›Erkenntnissen‹, die allzu gut in sein Weltbild passten. Als eine Überprüfung der Sachlage durch die Experten des Geheimdienstes zu einem gänzlich anderen Ergebnis kam, reagierte er verärgert und glaubte lieber der Journalistin als seinen eigenen Analysten. »Read Claire Sterling’s book and forget this mush«, herrschte er sie an und fügte hinzu: »I paid $ 13.95 for this and it told me more than you bastards whom I pay $ 50,000 a year.«61 In der Folge wurde ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben, dass das genaue Gegenteil des ersten erbrachte, und dann noch ein drittes durch den unabhängigen Akademiker Lincoln Gordon. Dieser kam zu dem Schluss, dass zwar ein gewisses Maß an sowjetischer Unterstützung für revolutionäre Bewegungen existierte, dass die weitreichenden Behauptungen von Haig und Sterling aber als unbeweisbar zurückgewiesen werden mussten. Unter anderem stellte er fest, dass die Journalistin Fehlinformationen aus der italienischen Presse aufgesessen war, die die CIA selbst im Zuge einer Desinformationskampagne gestreut hatte.62 Gordons Ergebnisse wurden allerdings nie veröffentlicht. Terrorismus und Kommunismus wurden von der US-Regierung auch weiterhin durcheinandergeworfen und die Anschuldigungen gegen die UdSSR blieben, wenn auch »gelegentlich diplomatisch verklausuliert«,63 wichtig und wurden weitgehend als Fakt behandelt.64 So war noch 1987 in der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie zu lesen:
57 Zu den Charakteristika von Verschwörungstheorien siehe Michael Butter, Plots, Designs, and Schemes: American Conspiracy Theories from the Puritans to the Present (lingua & litterae, Bd. 33), Berlin/Boston 2014, 11-27, hier speziell 13. 58 George Shultz, »The Challenge to the Democracies«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 1624, hier: 18. 59 Goren, Soviet Union and Terrorism, 1. 60 Ebenda, x; Hervorhebung im Original. 61 Zitiert nach: Woodward, Veil, 126. 62 Siehe hierzu ausführlich ebenda, 124-9; Gibson, Warrior Dreams, 269-72; Martin/Walcott, Best Laid Plans, 51-5. 63 Hippler/Lueg, Gewalt als Politik, 60. 64 Dass Casey selbst daran festhielt, belegt etwa William J. Casey, »The International Linkages – What Do We Know?«, in: Ra’anan u.a. (Hg.), Hydra of Carnage, 5-15, hier: 8f. Ebenda, 14, wiederholt er auch Haigs Formulierung von Terrorismus als »the ultimate abuse of human rights.«
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»The evidence of the relationship between the Soviet Union and the growth of worldwide terrorism is now conclusive. Even though the Soviet Union does not have direct control over most of the terrorist groups, it supplies massive amounts of arms, money, and advisory assistance to revolutionary forces engaged in terrorist activities. The Soviets attempt to disguise such support by using middle men – radical governments such as Cuba, North Korea, Nicaragua, Syria, and Libya, which deal directly with radical terrorists and insurgents. Whether Moscow is providing support directly or indirectly, the ultimate targets of radical terrorism are the United States, 65 Western Europe, Japan, and other moderate, pro-Western governments.«
An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die Sowjetunion natürlich von ihr als Befreiungsbewegungen eingestufte Organisationen, zu denen die PLO gehörte, propagandistisch unterstützte und mit Waffen belieferte und dass es auch durchaus Beispiele für eine reale Zusammenarbeit zwischen Terrorgruppen gab: Besonderes Aufsehen erregte etwa der von Mitgliedern der Japanischen Roten Armee für die PFLP verübte Anschlag auf den Flughafen Lod bei Tel Aviv 1972.66 Auf der anderen Seite wurde die Lufthansamaschine Landshut 1977 von einem palästinensischen Kommando entführt, um die RAF bei dem Versuch zu unterstützen, ihre im Gefängnis sitzende Führung freizupressen. Bestätigt fühlten sich die Anhänger der Verschwörungstheorie außerdem durch ein in den 1980er Jahren von der RAF und der französischen Action Directe erklärtes Bündnis gegen die NATO.67 Beweise für ein den strategischen Interessen Moskaus dienendes Netzwerk waren diese Kooperationen jedoch noch lange nicht, ebenso wenig wie es die nach dem Ende des OstWest-Konfliktes gewonnenen Erkenntnisse über Kontakte zwischen östlichen Geheimdiensten und westlichen Terrorgruppen sind.68 Noch weniger lässt sich daraus eine entscheidende Bedeutung sowjetischer Unterstützung für die Entstehung und Verbreitung von Terrorismus ableiten.69 Dass es sich als unmöglich erwies, den Sowjets ihre angebliche Verantwortung nachzuweisen, stellte aber kein echtes argumentatives Problem dar, was wiederum typisch für eine Verschwörungstheorie ist: Man erklärte das Fehlen von eindeutigen Beweisen einfach durch den konspirativen Charakter der Angelegenheit und machte es damit quasi selbst zum Beleg für die Existenz einer Verschwörung, wodurch das Konstrukt unangreifbar wurde.70 Ansonsten verwies man auf Indizien. Besonders viel Aufheben wurde um die von Israel nach der Invasion des Libanon erbeuteten Doku65 National Security Strategy [1987], 6. 66 Dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Japanese Red Army«; Burleigh, Blood and Rage, 1602. 67 Vgl. Casey, »International Linkages«, 7f; Claire Sterling, »State of the Art«, in: Ra’anan u.a. (Hg.), Hydra of Carnage, 49-56, hier: 50. 68 Vgl. Guelke, Age of Terrorism, 40. Tucker, Skirmishes, 24-7, sieht dagegen durch die neuen Beweise, die u.a. von Boris Jelzin veröffentlicht wurden, um die Kommunistische Partei zu diskreditieren, die Anschuldigungen gegen die UdSSR weitgehend bestätigt. 69 Interessant ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von Guelke, Age of Terrorism, 38f, dass Einzelstudien zu bestimmten Terrorgruppen Verbindungen zur UdSSR bezeichnenderweise keine besondere Bedeutung beimaßen. 70 Vgl. dazu die Argumentation von Ray Cline in International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 37f.
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mente und Waffen gemacht, die die Unterstützung der PLO, insbesondere auch die Ausbildung von PLO-Kämpfern in sowjetischen Einrichtungen, sowie das Training ausländischer Terroristen in PLO-Lagern bewiesen.71 Bei unvoreingenommener Betrachtung ist daran allerdings wenig Geheimnisvolles. Selbst die Israelis, denen aus offensichtlichen Gründen daran gelegen war, die PLO in den Augen der Welt zu diskreditieren und in den Kontext des Kalten Krieges einzuordnen, hielten es für normal, dass ein Staat die Abnehmer seiner Rüstungsgüter in deren Gebrauch unterwies. Und ein von den Verschwörungstheoretikern ignorierter Fakt war, dass sich die Sowjetunion jede Lieferung an die Palästinenser bezahlen ließ, die – wie die anderen erfolgreichen Gruppen – bei ihrer Finanzierung keineswegs auf staatliche ›Mäzene‹ angewiesen waren. Tatsächlich war die Ausrüstung von revolutionären Bewegungen und Terroristen für die notorisch unterfinanzierten kommunistischen Regime nicht zuletzt ein einträgliches Geschäft. Die Sowjetunion drängte die PLO darüber hinaus zur Mäßigung und ließ ihr, auch nachdem sie durch den Wechsel Ägyptens in das westliche Lager als Verbündeter an Bedeutung gewonnen hatte, nie bedingungslose Unterstützung angedeihen, worüber sich die Palästinenser regelmäßig beklagten.72 Dass diese wiederum mit der Sowjetunion und diversen Terrororganisationen kooperierten, kann gleichfalls nicht überraschen. Gerade nationalistisch motivierte Gruppen haben stets dazu geneigt, sich Unterstützung zu holen, wo immer sie zu bekommen ist. Ein prägnantes Beispiel ist die auch als ›Stern-Bande‹ bekannte zionistische Terrorgruppe Lehi, die in den 1940er Jahren eine blutige Kampagne gegen Araber und die britische Protektoratsverwaltung in Palästina führte: Während des Zweiten Weltkrieges nahm sie sogar Kontakt zu Hitler und Mussolini auf, offensichtlich dem Motto folgend, dass der Feind des Feindes ein Freund sei. Niemand würde deswegen aber wohl behaupten, dass diese jüdischen Terroristen Vorkämpfer für die totalitäre und antisemitische Ideologie der Nazis waren.73 Bemerkenswerterweise unterhielten auch die USA Kontakte zu palästinensischen Terroristen: Ali Hassan Salameh etwa, ein führendes Mitglied der Gruppe Schwarzer September, arbeitete in den 1970er Jahren mit der CIA zusammen. Während dieser Zeit half die PLO unter anderem dabei, amerikanische Diplomaten, einschließlich des Außenministers Henry Kissinger, bei Besuchen in Beirut zu beschützen.74 Gerade 71 Vgl. Becker, »Centrality of the PLO«, 99f; Goren, Soviet Union and Terrorism, 196f; Cline/Alexander, Terrorism, 81-139. 72 Siehe dazu ausführlich Adams, Financing of Terror, v.a. 14 u. 43-9. In inoffiziellen Äußerungen räumten israelische Geheimdienstoffiziere denn auch unumwunden ein, dass die Bedeutung der Sowjetunion für den Terrorismus völlig übertrieben dargestellt werde (ebenda, 47). 73 Vgl. dazu Laqueur, History of Terrorism, 114f; Burleigh, Blood and Rage, 99f; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Stern Gang«. Beachtenswert ist auch der Hinweis von Adams, Financing of Terror, 51, dass die PLO aufgrund ihrer vergleichsweise vorteilhaften Position im Libanon eine logische Anlaufstelle für andere Gruppen war. 74 Vgl. Burleigh, Blood and Rage, 177; Tucker, Skirmishes, 11; Adams, Financing of Terror, 91f. Aufgegriffen wird diese Verbindung in Steven Spielbergs Film Munich (2005), in dem es eine Szene gibt, in der CIA-Agenten das israelische Killerkommando daran hindern, Salameh als Vergeltung für das Massaker in München zu ermorden.
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unter Reagan unterstützten die Vereinigten Staaten dann im Zuge des Kalten Krieges diverse antikommunistische Gruppen wie die UNITA in Angola, die Contras in Nicaragua und die Mudschaheddin in Afghanistan. Zwar betonte die amerikanische Regierung stets, dass diese »freedom fighters« das genaue Gegenteil der Terroristen seien, von denen man sich selbst bedroht sah.75 Das war jedoch eine nicht wirklich durch die angewandten Methoden, sondern durch die eigene Ideologie und Perspektive bedingte Unterscheidung. »According to the CIA’s own definition of terrorism […], the US government has been guilty of financing, training and, to a large extent, controlling terrorists«, stellte James Adams 1986 fest.76 Er verwies in diesem Zusammenhang auf die 1984 für Empörung sorgende Entdeckung eines von der CIA verfassten Handbuchs für den Guerillakrieg, das an die Contras verteilt worden war und das unter anderem einen Abschnitt über die ›Neutralisierung‹ von Personen beinhaltete.77 Auf solche Verbindungen stützte sich eine – weniger einflussreiche – linke Version der Verschwörungstheorie, die nicht die UdSSR, sondern die USA als Zentrale des internationalen Terrorismus betrachtete, was freilich nicht weniger unsinnig war.78 Faktisch unterstützten beide Supermächte, verhaftet in dem von ihrem jeweiligen Feindbild diktierten Nullsummendenken, Gruppen, die als den eigenen Interessen nützlich angesehen wurden – eine oft kurzsichtige Einschätzung, wie das Beispiel Afghanistan zeigt. Von Erschaffung und Kontrolle des Terrorismus konnte jedoch auf beiden Seiten keine Rede sein. Die Behauptung, dass Terrorismus grundsätzlich gegen die westlichen Demokratien gerichtet sei, wurde oft auch damit begründet, dass es in den sozialistischen Staaten Osteuropas oder auf Kuba kaum vergleichbare Vorfälle gab. Man argumentierte, dass gerade die Freiheit im Westen diesen verwundbar für eine Form von Gewalt mache, die in den totalitären Überwachungsstaaten mit ihrer kontrollierten Presse so gar nicht möglich sei.79 Obwohl es sicherlich richtig ist, dass die sozialistischen Diktaturen innerhalb ihres Staatsgebietes mehr Möglichkeiten hatten, Terrorismus zu unterdrücken, stimmt es nicht, dass sie keine Zielscheiben terroristischer Aktionen gewesen wären. In den USA operierte in den 1970er und 1980er Jahren beispielsweise die exilkubanische Gruppe Omega 7, die zahlreiche Anschläge auf sowjetische und lateinamerikanische Einrichtungen und Personen zu verantworten hatte, bei denen zwei Menschen getötet wurden.80 Wegen der Diskriminierung ihrer jüdischen Bürger wurde die UdSSR in den Vereinigten Staaten auch von der Jewish Defense League attackiert, die der radikale Rabbi Meir Kahane 1968 in Brooklyn gegründet hatte.81 75 Vgl. z.B. Ronald Reagan, »Radio Address to the Nation on Central America, February 16th, 1985«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=38231 (27.07.2007); Ronald Reagan, »Radio Address to the Nation on Terrorism, May 31st, 1986«, http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=37376 (08.07.2007); Shultz, »Challenge«, 19f. 76 Adams, Financing of Terror, 20. 77 Ebenda, 20-2. 78 Vgl. Guelke, Age of Terrorism, 35. 79 Vgl. z.B. Laqueur, History of Terrorism, 80. 80 Dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Omega 7«; Louis R. Mizell, Jr., Target USA: The Inside Story of the New Terrorist War, New York 1998, 99-116. 81 Zur JDL siehe Kushner, Encyclopedia, s.v. »Jewish Terrorist Groups in the United States«; außerdem Mizell, Target USA, 29-46.
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Und für das Jahr 1980 vermerkte der Bericht des State Departments Patterns of International Terrorism, dass die gestiegene Zahl von Todesopfern unter anderem auf eine Kampagne der Muslimbruderschaft gegen sowjetische Militärs in Syrien zurückzuführen sei.82 Im Westen und gerade in der Reagan-Administration wurden solche Fakten jedoch zumeist ignoriert oder heruntergespielt. »If freedom and democracy are the targets of terrorism, it is clear that totalitarianism is its ally. The number of terrorist incidents in or against totalitarian states is negligible«, erklärte etwa George Shultz, der Haig 1982 als Außenminister abgelöst hatte.83 Für Jeane Kirkpatrick lag die Verbindung zwischen Terrorismus und Totalitarismus auf der Hand, schließlich sei »the most powerful totalitarian state of our time« zugleich »the principal sponsor of international terrorism.« Außerdem würden Terroristen generell eine totalitäre Gesellschaft anstreben.84 Dies behauptete auch Senator Daniel Patrick Moynihan: »More or less uniformly, terrorism when successful, ends in totalitarianism. The totalitarian state is terrorism come to power.«85 Es war exakt dieses Denken, dass es beispielsweise ermöglichte, dass Reagan den Abschuss einer südkoreanischen Passagiermaschine durch die sowjetische Luftwaffe als »terrorist act« bezeichnete.86 Die beiden ›Ismen‹ Terrorismus und Totalitarismus schienen untrennbar miteinander verbunden zu sein. Ich habe die Sichtweise, dass Terrorismus ein verdeckter Krieg totalitärer Staaten gegen die westlichen Demokratien sei, hier deshalb in so großer Ausführlichkeit dargestellt und erläutert, weil sie entscheidend dafür war, dass Terrorismus in den 1980er Jahren zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten erklärt wurde.87 Denn der tatsächlich durch terroristische Anschläge verursachte Schaden und Verlust an Menschenleben, so tragisch und grauenvoll er im Einzelnen auch war, rechtfertigte diese Einschätzung nicht. Dennoch erhob Reagan sie endgültig zur offiziellen Politik, indem er am 3. April 1984 die National Security Decision Directive 138 unterzeichnete, in der es hieß: »The U. S [sic!] Government considers the practice of terrorism by any person or group in any cause a threat to our national
82 PIT: 1980, 1. 83 Shultz, »Challenge«, 20. 84 Jeane Kirkpatrick, »The Totalitarian Confusion«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 56-9, hier: 57. 85 Daniel Patrick Moynihan, »Terrorists, Totalitarians, and the Rule of Law«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 41-3, hier: 41. 86 Ronald Reagan, »Remarks to Reporters on the Soviet Attack on a Korean Civilian Airliner, September 2nd, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=41783 (07.07.2007). Im Rückblick entbehrt die damalige amerikanische Haltung, ein unbewaffnetes Flugzeug könne von niemandem und unter keinen Umständen als Bedrohung empfunden werden, und der Abschuss sei Terrorismus, nicht einer tragischen Ironie. 87 Dies wird auch von Vanhala, Depiction of Terrorists nicht richtig herausgearbeitet, die als einzige der einschlägigen Untersuchungen zu Terrorismus im Film ausführlicher auf den Kalten Krieg eingeht. Ein Problem dieser Arbeit ist, dass sie sich durchgehend sehr stark auf die PGT und andere offizielle Dokumente stützt, ohne z.B. Aussagen zu staatlicher Unterstützung angemessen kritisch einzuordnen.
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security[.]«88 Es war nur konsequent, dass Reagan wenig später in einer Botschaft an den Kongress anlässlich der Übermittlung mehrerer Gesetzesvorlagen zur Bekämpfung des Terrorismus als erster amerikanischer Präsident vom »war against terrorism« sprach.89 Seine vielleicht wichtigste Rede zu diesem Thema hielt er im Juli 1985 vor der American Bar Association. Sie enthielt alle wesentlichen, mittlerweile bekannten Punkte: Reagan betonte, dass die wachsende Gefahr des Terrorismus keineswegs »the erratic work of a small group of fanatics« sei, sondern eine strategische Dimension habe. Als Urheber identifizierte er eine »confederation of terrorist states«, bestehend aus dem Iran, Libyen, Nordkorea, Kuba und Nicaragua, geeint durch ihren totalitären Charakter und »their fanatical hatred of the United States, our people, our way of life, our international stature.« Der Präsident verwies auf die Verbindungen dieser Staaten zur Sowjetunion und darauf, dass Shultz und vor ihm Haig deshalb offen »the question of Soviet support for terrorist organizations« zur Sprache gebracht hätten. Interessant ist darüber hinaus aber vor allem, dass Reagan wieder einmal von Krieg sprach und daraus einen ebenso logischen wie bedeutungsvollen Schluss zog: »[W]e can be clear on one point: these terrorist states are now engaged in acts of war against the Government and the people of the United States. And under international law, any state which is the victim of acts of war has the right to defend itself.«90 Welche Maßnahmen die Vereinigten Staaten zu ihrer Verteidigung gegen Terroristen und deren Unterstützer ergreifen sollten, war allerdings umstrittener als diese klare Feststellung eines Kriegszustandes vermuten lässt. Stimmen, die forderten, dass die USA nicht nur reagieren dürften, sondern aktiv und auch präemptiv handeln müssten, wobei mitunter die israelische Invasion des Libanon als Vorbild angeführt wurde,91 gab es zu Genüge. »We cannot and will not abstain from forcible action to prevent, preempt or respond to terrorist acts where conditions merit the use of force«, erklärte beispielsweise Casey im April 1985.92 Der einflussreichste und in seinen öffentlichen Äußerungen unverblümteste Vertreter dieser Linie war zweifellos Shultz: Er forderte von der amerikanischen Bevölkerung, zu akzeptieren, dass bei entsprechenden Aktionen US-Soldaten und auch »some innocent people« getötet werden könnten. Vor allem aber erklärte er sie selbst dann für richtig und notwendig, wenn die Regierung nicht mit der Art von Beweisen aufwarten könne, die vor einem amerikanischen Gericht Bestand haben würden.93 Damit traf er allerdings auf den Wider88 Extract of NSDD 138, http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB55/nsdd138.pdf (04.12.2008). Große Teile des Dokuments unterliegen bis heute der Geheimhaltung. Siehe dazu auch Walcott/Martin, Best Laid Plans, 156f, die ebenda, 157, ebenfalls kommentieren: »The Reagan administration had built terrorism into something it was not.« 89 Ronald Reagan, »Message to the Congress Transmitting Proposed Legislation To Combat International Terrorism, April 26th, 1984«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=39829 (27.07.2007). 90 Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the American Bar Association, July 8th, 1985«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=38854 (27.07.2007). 91 Vgl. z.B. Eugene Rostow, »Overcoming Denial«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 146-8, hier: 147. 92 Zitiert nach Woodward, Veil, 402. Siehe dazu auch Casey, »International Linkages«, 14. 93 Zitiert nach »The Dilemma of Retaliation«, in: Time 24.06.1985.
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stand von Verteidigungsminister Caspar Weinberger, der militärische Maßnahmen nur als letzte Option gegen eindeutig identifizierbare Übeltäter befürwortete. Reagan war nicht fähig oder nicht willens, eine Entscheidung in dieser Kontroverse herbeizuführen, und so blieb die amerikanische Politik hinsichtlich des Einsatzes von Gewalt einigermaßen unklar.94 Wesentlich klarer waren die Verhältnisse in der Regel in den Filmen der 1980er Jahre, in denen sich die überragende Bedeutung der Terrorismus-Thematik widerspiegelte und die zugleich den öffentlichen Diskurs darüber mitgestalteten. James William Gibson hat den Kampf gegen Terroristen als einen der drei grundlegenden Typen von Geschichten über den New War nach Vietnam beschrieben,95 und laut William Palmer wurde Terrorismus sogar »the most prominent political concern and plot device of the decade’s dramatic films.«96 Unzweifelhaft entwickelte sich der Terrorist als »the new villain of the eighties«97 zu einer zentralen Figur nicht nur der politischen Debatte, sondern auch der Populärkultur. Ein früher Film, der die Bedrohung durch die ›terroristische Internationale‹ auf die Leinwand brachte, ist der düstere Thriller Nighthawks (1981), der zwar kein großer Kassenerfolg war,98 aber in jedem Fall Beachtung verdient, weil seine Darstellung der terroristischen Gefahr in vieler Hinsicht als prototypisch gelten kann. Im Mittelpunkt steht dabei die Auseinandersetzung zwischen dem New Yorker Polizisten Deke DaSilva (Sylvester Stallone) und dem deutschen Terroristen Wulfgar (Rutger Hauer), der, wie Palmer bemerkt hat, eine der ersten Kinoversionen eines »international terrorist superstar« ist.99 Solche aus der Masse von Terroristen herausragenden, berühmt-berüchtigten Charaktere befriedigen das Bedürfnis der Filme nach starken Antagonisten, sind aber nicht zuletzt deshalb glaubwürdig, weil sie als Wiedergänger realer Persönlichkeiten erscheinen, die für die Berichterstattung der Nachrichtenmedien eine kaum weniger wichtige Rolle spielen – man denke nur an Andreas Baader oder natürlich Osama Bin Laden. Tatsächlich ist Wulfgar deutlich an ein reales Vorbild angelehnt, den zu seiner Zeit wohl größten ›Star‹ des internationalen Terrorismus: Ilich Ramírez Sánchez, besser bekannt als Carlos der Schakal.100 Der von seinem Vater nach Lenin benannte Venezolaner galt in den 1970er und 1980er Jahren als der gefährlichste Terrorist der Welt, verantwortlich für den Tod von Hunderten von Menschen. Carlos ist ein gutes Beispiel dafür, wie Populärkultur und Presseberichte sich gegenseitig unterfütterten und im Zusammenspiel das öffentliche Bild von Terrorismus und Terroristen formten: ›Schakal‹ nannten ihn die Medien nach dem Profikiller in Frederick Forsyths Roman Day of the Jackal, die Berichterstattung über seine auf solche Weise bereits mythisch aufgeladene Person inspirierte dann wiedeVgl. Martin/Walcott, Best Laid Plans, 160; Gunter, »Reagan Record«, 170f. Gibson, Warrior Dreams, 30f. Palmer, Films of the Eighties, xiv. Ebenda, 114. In den USA spielte der Film keine 15 Millionen Dollar ein; Quelle: http://www.imdb. com/title/tt0082817/business (18.06.2007); http://www.the-numbers.com/movies/1981/ 0NGHW.php (19.06.2007). 99 Palmer, Films of the Eighties, 121. 100 Zu Carlos siehe Kushner, Encyclopedia, s.v. »Sánchez, Ilich Ramírez (Carlos the Jackal)«; Burleigh, Blood and Rage, 179-82.
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rum den Autor Robert Ludlum zu dem Thriller The Bourne Identity, der 1988 erstmals für das Fernsehen verfilmt wurde.101 Im Gegensatz zu Carlos ist Wulfgar kein Lateinamerikaner, sondern ein Deutscher, als dessen richtiger Name »Heymar Reinhardt« genannt wird. Ansonsten ist er aber offensichtlich nach Carlos’ Vorbild modelliert. Schon sein Pseudonym assoziiert ihn wie diesen mit einem traditionell das Böse verkörpernden Tier, was seine Gefährlichkeit und Unmenschlichkeit unterstreicht. Zugleich wird er als dem schönen Leben zugeneigt porträtiert, mit »a liking for fancy foods, expensive clothes and the nightlife.« Seine persönliche Eitelkeit kommt eindrucksvoll zum Ausdruck, als er gezwungen ist, sein mittlerweile bekanntes Gesicht verändern zu lassen, und den Schönheitschirurgen vor der Operation bedroht, um seine Vorstellungen unmissverständlich deutlich zu machen: »Je veux être beau.« Sein gutes Aussehen gehört allerdings auch zu seinen operativen Ressourcen, benutzt er es doch, um Frauen zu verführen, deren Wohnungen ihm dann als sicherer Unterschlupf dienen. In einer Szene bezeichnet er sich gegenüber einem seiner Opfer selbst zweideutig als »lady-killer«. Von Carlos wusste man, dass er die Patrice Lumumba Universität in Moskau angeblich hatte verlassen müssen, weil er seine Studien zugunsten von Partys und Frauengeschichten vernachlässigt hatte. Auch sonst entspricht die Zeichnung Wulfgars als terroristischer Playboy genau dem Bild, das man gemeinhin von dem Venezolaner hatte und das so zum Beispiel auch in Claire Sterlings Buch zu finden war, dessen Porträts einzelner Terroristen insgesamt denen in pulp novels ähnelten, wie James William Gibson festgestellt hat.102 Der Film referiert des Weiteren auf die aufsehenerregendste Operation von Carlos, den Anschlag auf die Konferenz der OPEC in Wien 1975, der hier eben Wulfgar zugeschrieben wird. Der britische Counterterrorismusexperte Hartman (Nigel Davenport), der die amerikanischen Polizisten – und mit diesen den Zuschauer – über Terrorismus im Allgemeinen und Wulfgar im Besonderen informiert, erwähnt darüber hinaus auch dessen Studium an der Patrice Lumumba Universität. Das ist natürlich mehr als nur eine biographische Notiz, wird damit doch die Verbindung zwischen Terrorismus und UdSSR zur Sprache gebracht. Carlos galt Anhängern der Verschwörungstheorie denn auch als »an orthodox Communist operative under KGB control.«103 So explizit ist Nighthawks nicht, von Kontakten Wulfgars zum sowjetischen Geheimdienst ist hier nie die Rede.104 Die Nennung Moskaus und seiner Hochschule für die Ausbildung zukünftiger Revolutionäre aus der Dritten Welt ist
101 Robert Ludlum, The Bourne Identity, New York 1980. Carlos taucht auch im dritten Teil dieser Reihe, The Bourne Ultimatum, New York 1990, wieder auf. In den modernisierten Verfilmungen aus den Jahren 2002 und 2007, die nur noch sehr lose auf Ludlums Vorlagen basieren, spielt er keine Rolle. 102 Gibson, Warrior Dreams, 272f. 103 Sterling, Terror Network, 133. Vgl. auch Goren, Soviet Union and Terrorism, 149-52; Francis, Soviet Strategy of Terror, 22f. Dass Carlos Moskau hatte verlassen müssen, wurde meist als Teil seiner Tarnung betrachtet. 104 In The Assignment (1997), einem nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes entstandenen Thriller um eine fiktive Jagd auf Carlos, spielen seine KGB-Kontakte dagegen eine wichtige Rolle.
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jedoch ein deutlicher Hinweis auf die Rolle der Sowjetunion als Ausbildungsstätte für Terroristen. In jedem Fall ist das Bild von Terrorismus als internationaler Verschwörung zentral für den Film.105 »International terrorism«, so erläutert Hartman, »is a worldwide organisation. And the man who runs like a thread through the majority of all of it is one alias Wulfgar.« Der Deutsche wird, wiederum wie sein reales Vorbild, als eine wichtige Figur im Netzwerk der Terroristen dargestellt und als eine Art professioneller Revolutionär, dessen Dienste gemietet werden können. Zu Beginn von Nighthawks verübt er in London ein Bombenattentat für eine irische Gruppe, die sich allerdings unzufrieden zeigt: »Mercer says it was overdone. Several children were killed. It hurt the movement«, teilt Wulfgars irischer Verbindungsmann ihm mit. Dann stellt sich heraus, dass der Ire von der englischen Polizei verhaftet worden war und diese ihm zu Wulfgars Versteck gefolgt ist. Der Terrorist erschießt daraufhin kaltblütig drei Beamte, die ihn verhaften wollen, und den unglückseligen Kurier. Diese Szene ist eine leicht abgewandelte Version einer Episode, die maßgeblich zu Carlos’ Ruf beitrug: 1975 verriet ihn ein Kampfgefährte an den französischen Geheimdienst und führte drei Agenten zu seiner Wohnung. Nach einem kurzen Wortwechsel eröffnete Carlos das Feuer, tötete zwei der Franzosen sowie den Verräter und entkam. Wie im Film fand in der Wohnung gerade eine Party statt, und der Terrorist öffnete die Tür mit einer Gitarre in der Hand. Nach diesem Vorfall ist Wulfgars Stellung innerhalb der ›terroristischen Internationalen‹ erschüttert. Die Iren verübeln ihm, dass er einen von ihnen getötet hat, auch andere Gruppen gehen auf Distanz. Wulfgar macht sich daraufhin nach Amerika auf, um durch spektakuläre Anschläge zu demonstrieren, dass er nach wie vor sein Geld wert ist. Hilfe erhält er dabei von der aus Marokko stammenden Terroristin Shakka (Persis Khambatta), die seine wichtigste Mitstreiterin ist und einerseits offenbar mit den Iren in Verbindung steht, andererseits aber vor allem die Organisation eines Arabers namens Hammad repräsentiert. Wie bei Carlos, der lange Zeit für die PFLP tätig war, sind also auch Wulfgars wichtigste Verbündete Araber. In den USA hilft ihm außerdem ein puertoricanischer Ladenbesitzer, mit dem er Kontakt aufnimmt, indem er eine »special Cuban melon« bestellt. Damit referiert der Film auf die Existenz von Terrorgruppen in den Vereinigten Staaten, die mit Gewalt die Unabhängigkeit Puerto Ricos erzwingen wollten.106 Der Verweis auf Kuba ist in diesem Zusammenhang natürlich nicht zufällig, denn gerade diesen Gruppen wurde kubanische Unterstützung unterstellt, und einmal mehr wird so gleichsam nebenbei eine Verbindung zwischen kommunistischen Staaten und dem Netzwerk des internationalen Terrorismus gezogen. In einer späteren Szene fordert Wulfgar die Freilassung mehrerer »comrades«, deren Namen auf arabische, lateinamerikanische, osteuropäische und asiatische Herkunft hindeuten. Damit wird noch einmal verdeutlicht, dass die auf sämtlichen Kon-
105 Prince, Firestorm, 31, übersieht dies, wenn er urteilt: »[Nighthawks’] conception of terrorism in terms of the lone operator, Wulfgar, ultimately means that the threat isn’t too severe«. Prince vernachlässigt in seiner stark durch den 11. September 2001 geprägten Studie generell die Bedeutung des Kalten Krieges sträflich. 106 Dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Puerto Rican Nationalist Terrorism«; Mizell, Target USA, 81-97; Fontaine, Cuban Connection, 131-42.
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tinenten aktiven Terroristen alle miteinander kooperieren und dass die ihnen gemeinsame revolutionäre Ideologie des Kommunismus der Grund dafür ist. Wulfgar ist denn auch nicht nur ein angeheuerter Söldner und Lebemann, sondern zugleich ein überzeugter Kämpfer für die revolutionäre Sache. »I represent… oppressed victims who have nothing. I speak only for them. I’m their voice. I’m a liberator«, erklärt er DaSilva, als er auf dem Höhepunkt des Films etliche UN-Mitarbeiter in einer Seilbahn als Geiseln genommen hat. Seine skrupellosen Aktionen und sein offenkundiger Sadismus entlarven diese hehren Ansprüche freilich als Propaganda; und dass er ein Deutscher mit dem Äußeren eines stereotypen Nazibösewichts ist, macht den totalitären Hintergrund dieses Charakters schon auf der visuellen Ebene sichtbar. Passend dazu evoziert sein richtiger Name Heymar Reinhardt die Erinnerung an Reinhard Heydrich. Dennoch ist das in dieser Szene zur Schau gestellte Selbstverständnis keine Lüge, was daran deutlich wird, dass Wulfgar ebenso wie Shakka bereit ist, für die ›Sache‹ zu sterben. »We may not make it this time«, eröffnet er ihr während der Geiselnahme, worauf sie ebenso ruhig erwidert: »It does not matter.« Shakka ist als Figur nicht weniger interessant als Wulfgar selbst und scheint ebenfalls durch reale Vorbilder inspiriert zu sein. Zu denken wäre hier etwa an die PFLP-Terroristin Leila Khaled, die mit ihrer Beteiligung an zwei Flugzeugentführungen 1969 und 1970 für erhebliches Aufsehen sorgte und von der Presse als »girl terrorist« und »deadly beauty« tituliert wurde107 – zwei Beschreibungen, die auch auf Shakka zutreffen und die bereits jene Mischung aus Faszination und Verunsicherung angesichts solcher kämpfender Frauen verraten, die für deren Darstellung im Film entscheidend ist. Hier geraten sie fast durchweg zur Verkörperung männlicher Ängste vor selbstbestimmten, sexuell aggressiven und durch diese Usurpation maskuliner Merkmale die Geschlechterordnung verletzenden Frauen. Die bloße Existenz solcher ›Flintenweiber‹ und ›Schwarzen Witwen‹ bedroht die männlichen Helden mit dem Verlust ihrer eigenen Männlichkeit, also mit Kastration auf einer mindestens symbolischen Ebene. Verführung und Gewalt sind dabei gleichermaßen gefährlich und in vielen Fällen direkt miteinander verbunden, denn meist sind die betreffenden Frauen auffallend attraktiv. Die äußerliche Femininität steht dann in scharfem Kontrast zu dem ›entarteten‹ Inneren und kann unvorsichtige Charaktere täuschen.108 Ähnlich wie viele männliche Schurken, aber auf deutlich verstörendere Weise vereinen diese mörderischen Schönheiten sexuelle Lust mit einem pathologischen Sadismus und der Freude am Foltern und Töten.109 Als positives Gegenbild zu diesen Figuren fungieren in aller Regel passive, hilfsbedürftige Frauen, die die männlichen Helden bewundern und sich ihnen unterordnen. In Nighthawks ist dies in erster Linie DaSilvas Ehefrau, die sich zwar von ihm getrennt hat, einer typischen Handlungskonstruktion folgend aber zurückerobert und gerettet wird. Daneben sind auch Wulfgars zahlreiche weibliche Opfer zu nennen. Es 107 Zitiert nach Kushner, Encyclopedia, s.v. »TWA Flight 840 Hijacking«; siehe außerdem ebenda, s.v. »Khaled, Leila«. 108 Siehe z.B. auch Mizell, Target USA, 68, der als Counterterrorismusveteran eindringlich vor der Gefahr durch Terroristinnen warnt: »Female terrorists are powerful weapons of deception.« 109 Vgl. hierzu ausführlich Gibson, Warrior Dreams, 51-64.
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ist auffällig, dass der Terrorist immer wieder Frauen bedroht und ermordet. Dadurch wird natürlich seine besondere Niederträchtigkeit zum Ausdruck gebracht, denn während die ›Schwarzen Witwen‹ ein legitimes Ziel für die reinigende Gewalt des Helden sind, ist jeder Angriff auf die guten, ›normalen‹ Frauen ein Zeichen für Feigheit und moralische Verkommenheit. Wie an anderen Stellen bereits gezeigt wurde, ist dies außerdem eine Metapher für die Bedrohung der Nation, die vor der Vergewaltigung durch den Feind bewahrt werden muss. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass DaSilva sich gelegentlich als Frau verkleidet, um Verbrecher in die Falle zu locken, und auf diese Weise am Ende auch Wulfgar zur Strecke bringt. Er nutzt damit in gewisser Weise dieselbe Täuschung, die Shakka und ihresgleichen so gefährlich macht, und wendet sie gegen die Schurken. Allerdings funktioniert dies nur im Dunkeln, von Weitem oder von Hinten, denn DaSilva bleibt stets ein verkleideter Mann, der letztendlich leicht als solcher zu erkennen ist, mit Merkmalen wie seinem Bart, die sich nicht verstecken lassen. Das unterscheidet seine Maskerade wesentlich von der innerlichen ›Entartung‹ Shakkas. Diese wird von Wulfgar auf den Punkt gebracht, wenn er den Geiseln erklärt: »This is Shakka. Do not underestimate her because she’s a woman. She has no maternal instincts.« Damit fehlt der Terroristin offensichtlich das wichtigste Merkmal für Weiblichkeit. Shakkas kastrierende Gewalt wird bereits zuvor demonstriert, als sie den scheinbar souveränen Hartman während eines Balls für das UN-Personal überrascht und ermordet. Bis dahin das Objekt seiner Lektionen, zur Schau gestellt auf Fotos, dreht sie damit die Machtverhältnisse um. Diese Tat wird später aber in einer Szene gerächt, die die männliche Dominanz – und gerade auch Hartmanns Dominanz – über sie wieder herstellt, indem DaSilva eine Tonbandaufnahme von Hartmans Vortrag über Shakka benutzt, um sie aus ihrer Deckung zu locken, sodass sein Partner Fox (Billy Dee Williams) sie mit einem Kopfschuss töten kann. Die sexuell aufgeladene verbale Herabsetzung – Hartman beschreibt Shakka als »a spoiled bitch who kills without provocation« – fließt hier auf vielsagende Weise mit physischer Gewalt ineinander. Beide werden als angemessene, ja einzig richtige Reaktion auf die Monstrosität einer solchen Frau dargestellt. Durchaus charakteristisch ist auch, dass Shakka als ›Schwarze Witwe‹ durch ihre Herkunft und ihr Äußeres deutlich als fremdländisch gekennzeichnet ist, während es sich bei den weiblichen Opfern der Terroristen durchweg um weiße Frauen aus Westeuropa und den USA handelt. Der Gegensatz zwischen guter und böser Weiblichkeit wird hier, wie in vielen anderen Filmen, auch als einer zwischen dem Westen und dem Rest der Welt entworfen, indem die als bedrohlich wahrgenommenen Aspekte auf ›Andere‹ projiziert werden, die die heile Ordnung der eigenen Welt von außen bedrohen. Eine wichtige Rolle spielen bei den terroristischen Angriffen die Medien, wie Hartman den Polizisten erklärt: »What [Wulfgar] wants most is press coverage. The media is their voice.« Die Bedeutung dieser Feststellung wird unterstrichen, indem darauf ein harter Schnitt zu dem Terroristen folgt, der sich gerade von seiner ahnungslosen neuen Freundin die Standorte von verschiedenen Fernsehsendern und Presseagenturen zeigen lässt. Seine Instrumentalisierung der Nachrichten wird von Beginn an herausgestellt: Bei seinem ersten Anschlag im Film deponiert er eine Bombe in einem Kaufhaus und ruft dann unmittelbar nach der Explosion von einer
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Telefonzelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus die Agentur United Press an, um seine Botschaft durchzugeben: »The Wulfgar Command has just struck a deadly blow against British colonialism. Be warned that I have a long arm and I’m prepared to fight my enemies wherever they may be. Don’t forget: There’s no security.« Entsprechend verfährt er, nachdem er mehrere Bomben in der Wall Street zur Explosion gebracht hat. Diese Szenen verdeutlichen, dass die Berichterstattung Teil der terroristischen Strategie ist, die darauf abzielt, durch einzelne Aktionen alle Menschen in Furcht zu versetzen. Wulfgars Motto »There’s no security« bringt dies prägnant auf den Punkt, und die Medien fungieren als Sprachrohr seiner Drohungen. Wie sehr der Terrorist auf sein Image bedacht ist, zeigt sich während der Geiselnahme in der Seilbahn, als er einen Säugling in Sicherheit bringen lässt. »I don’t want the press to write that I’m a man without a conscience«, erklärt er offenherzig, und der Film lässt keinen Zweifel daran, dass es ihm wirklich nur um die Wirkung in den Medien und nicht um die Sicherheit des Kindes geht. Als er das Baby DaSilva übergibt, der mit einem Kabel in die Kabine gezogen worden ist, überreicht Wulfgar diesem auch einen zusammengefalteten Zettel und erläutert lächelnd: »This is for the press. Now, you may drop the child… Don’t drop this!« Indem Nighthawks seinen »terrorist superstar« als einen geschickten Manipulator der Medien zeigt, der deren Berichterstattung über seine Aktionen für seine eigenen Zwecke instrumentalisiert, greift er ein weiteres wichtiges Thema im Diskurs um das Phänomen des Terrorismus auf. Bis heute wird immer wieder aufs Neue festgestellt, dass Terroristen und Medien in einer geradezu symbiotischen Beziehung zueinander stehen: Terroristen brauchen Öffentlichkeit, um ihren Anliegen Gehör zu verschaffen und um die Wirkung ihrer Taten zu potenzieren; die Medien stellen diese Öffentlichkeit her und profitieren dabei ihrerseits von dem Interesse, das ein aufregendes Thema wie Terrorismus bei ihrem Publikum weckt.110 Gerade in den 1980er Jahren rief dieser Mechanismus zahlreiche Kritiker auf den Plan, die der Presse vorwarfen, aus Profitgier verantwortungslos zu handeln und sich instrumentalisieren zu lassen, wenn sie ausführlich über terroristische Anschläge berichtete. Es wurde moniert, dass den Tätern dadurch Raum für ihre Propaganda gegeben würde, dass man ihnen erlaube, aus Geiselnahmen eine Show zu machen, und dass durch Berichte über die Forderungen und Motive von Terroristen Sympathien für diese geweckt würden. Charles Krauthammer beispielsweise sah die Medien und die Terroristen deshalb als »partners in crime«.111 Als Konsequenz wurde häufig eine Art Selbstzensur für notwendig 110 Vgl. z.B. die Ausführungen von ABC-Anchorman Ted Koppel in »Terrorism and the Media: A Symposium. From the Jonathan Institute’s Conference on International Terrorism, Washington, D.C., June 26, 1984«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 229-39, hier: 229, wo er u.a. bemerkt, »[that] television without terrorism, while not deprived of all the interesting things in the world, is nonetheless deprived of one of the most interesting.« Siehe zu diesem Thema außerdem Russell F. Farnen, »Terrorism and the Mass Media: A Systemic Analysis of a Symbiotic Process«, in: Gearty (Hg.), Terrorism, 239-83. 111 Charles Krauthammer, »Partners in Crime«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 111-3; siehe auch »Looking Evil Dead in the Eye«, in: Time 15.07.1985. Für weitere Kritik siehe Daniel Schorr, »The Encouragement of Violence«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 114-6; Arnaud de Borchgrave, »Censorship by Omission«, in: ebenda, 117-9; John O’Sullivan, »Deny Them Publicity«, in: ebenda, 120-5.
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erklärt. So forderte Krauthammer: »In covering terrorist events, reporters […] should leave the question of why to the historians and the psychiatrists.«112 Abgesehen davon, dass eine unabhängige Presse für eine freie Gesellschaft unabdingbar ist und dass eine sinnvolle Berichterstattung sich gerade mit den Hintergründen eines Vorfalls befassen muss, ist die Rolle der Medien im Hinblick auf Terrorismus wesentlich komplexer, als solche Kritik erahnen lässt. Denn die erzeugte Publicity muss keineswegs zwangsläufig positiv für die jeweilige Sache der Terroristen sein. Tatsächlich helfen die Medien nämlich auch dabei, Terrorismus als fremd, undurchschaubar und böse zu brandmarken, als »an abnormality that has no social context and that is irrational by Western standards.«113 Die Berichterstattung in der Presse fördert in aller Regel nicht Sympathien für die Täter, sondern Empathie mit den Opfern. Sie trägt zur Dämonisierung der Terroristen und zur Legitimation staatlicher Gegengewalt bei und spielt eine entscheidende Rolle bei der Bildung eines entsprechenden Konsenses in der Öffentlichkeit.114 Die Anschläge vom 11. September 2001 sind zweifellos das beste Beispiel dafür, dass Terrorismus sich als Medienereignis inszenieren lässt, dass dadurch neben Furcht aber vor allem Zorn und Hass auf die Terroristen geschürt wird. Darüber hinaus haben David Martin und John Walcott darauf aufmerksam gemacht, dass sich im Fall von Geiselnahmen diejenigen Krisen am längsten ohne Lösung hinzogen, über die am wenigsten berichtet wurde, nämlich die Entführungen einzelner Personen im Libanon.115 Von dieser Komplexität ist in Nighthawks nichts zu sehen, der seinerseits eindrucksvoll belegt, dass das Kino in jedem Fall einen wichtigen Beitrag zu der Wahrnehmung von Terrorismus als Bedrohung für die USA leistete. Die europäischen und arabischen Terroristen beschränken ihre Aktivitäten hier nicht auf ihre Heimatregionen oder die Dritte Welt, sondern greifen Amerikaner innerhalb der Vereinigten Staaten selbst an. Diese präsentieren sich zunächst als erschreckend verwundbar und schlecht vorbereitet. Die New Yorker Polizei und die US-Behörden insgesamt scheinen über keine Einheiten für Terrorismusbekämpfung zu verfügen, sodass mit Hartman ein britischer Experte von Interpol die Ausbildung und Leitung des »Anti Terrorist Action Command« übernehmen muss. Seine wichtigste Lektion für die Amerikaner besteht darin, ihnen die Notwendigkeit rücksichtsloser Gewaltanwendung gegen die Terroristen einzubläuen. Er belehrt sie darüber, dass normales Polizeiverhalten wie »reluctance to fire« und die Rücksichtnahme auf »civil rights« und »human rights« zwar im Umgang mit Zivilisten angebracht sei, aber »catastrophic when dealing with terrorists«. Von Beginn an macht er deutlich, dass die einzige Möglichkeit, jemanden wie Wulfgar zur Strecke zu bringen, darin besteht, ihn zu töten, auch wenn dadurch das Leben von Geiseln riskiert wird. DaSilva widerstrebt dieses Denken zunächst und er protestiert dagegen:
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»Terrorism and the Media«, 236. Farnen, »Mass Media«, 241. Vgl. ebenda, 268; Carruthers, Media at War, 193f. Martin/Walcott, Best Laid Plans, 191. Zur zwiespältigen Rolle der Medien siehe auch ebenda, 188-92; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Media and Terrorism«; ausführlich Vanhala, Depiction of Terrorists, 34-51.
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DaSILVA: »The only difference between him and us will be the badge. […] I didn’t join the force to kill people.« HARTMAN: »Oh, for Christ’s sake, man! To combat violence you need greater violence!«
Solche extremen Ansichten existierten keineswegs nur in der Fantasie von Filmemachern. Es war bereits zu sehen, dass es auch in höchsten politischen Kreisen zahlreiche Befürworter von massiver Gegengewalt als Antwort auf die Herausforderung durch den Terrorismus gab. Bemerkenswert ist zudem das 1986 veröffentlichte Buch eines australischstämmigen Antiterrorspezialisten, der nach eigener Darstellung für die USA und diverse Alliierte verdeckte Operationen durchgeführt hatte. Hier wird die Tötung von Terroristen ebenfalls als einzige Lösung propagiert, und der Autor schildert unter anderem an einer Stelle, wie er ein Mitglied der baskischen ETA erschoss, obwohl sich der Mann offenbar ergeben wollte.116 Der Film erspart seinem Publikum eine derart drastische Handlung seines Helden, aber er lässt keinen Zweifel daran, dass Hartmans Logik DaSilvas Einwänden überlegen ist. Nachdem Fox bei einer ersten Konfrontation mit Wulfgar verletzt worden ist, weil DaSilva im entscheidenden Moment gezögert hat, und Hartman von Shakka ermordet worden ist, verinnerlicht der New Yorker Polizist die Lehren seines Mentors und bringt sie im Finale gegen die Terroristen zur Anwendung. So wird zunächst Shakka, wie bereits beschrieben, ausgeschaltet und schließlich Wulfgar gestellt, als er aus Rache DaSilvas Frau ermorden will und auf dessen Verkleidung hereinfällt. DaSilva schießt in dieser Szene erst, als Wulfgar ihn wütend mit einem Messer attackiert. Der Bösewicht verschuldet seinen Tod also selbst, indem er den Helden zur Selbstverteidigung zwingt. Dieses Prinzip ist uns auch schon in anderen Produktionen begegnet und kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Tod des Schurken als die einzig richtige und moralisch befriedigende Lösung erscheint. Nachdem der Film zuvor das Vergnügen der Terroristen am Morden herausgestellt hat, zelebriert er selbst in dieser Schlussszene die Tötung Wulfgars als einen triumphalen Akt brutaler, aber reinigender Gewalt, bei dem er schreiend und aus mehreren Schusswunden blutend durch die Wohnung taumelt und durch die Haustür bricht, was nicht weniger als 20 Sekunden dauert. Eine nicht minder eindrucksvolle Darstellung solcher reinigender Gewalt findet sich am Schluss von Invasion U.S.A. (1985): Hier feuert der Held Hunter (Chuck Norris) aus kurzer Distanz eine Bazooka auf seinen Widersacher ab, und der sowjetische Agent Rostov (Richard Lynch), wie Wulfgar ein Terrorist und Sadist, wird durch die Explosion buchstäblich ausgelöscht. Auch Hunter drückt erst ab, als Rostov angreift, wobei noch deutlicher als in Nighthawks wird, auf welche Tradition dieses Motiv zurückgeht. Denn Hunter ist schon durch seinen Namen als ein Charakter im Geist der frontier gekennzeichnet,117 und der Showdown ist nichts anderes als ein Westernduell, bei dem die Kontrahenten mit Bazookas statt mit Revolvern bewaffnet sind. Zu den festen Regeln einer solchen Auseinandersetzung gehört, dass der Held 116 Gayle Rivers, The War Against the Terrorists: How to Win It, New York 1986, 32. Der Name des Autors ist ein Pseudonym. 117 Diese Charakterisierung wird dadurch, dass er als zurückgezogener Einzelgänger in den Sümpfen lebt, noch verstärkt. Zu allem Überfluss nennt ihn eine Reporterin mehrfach »Cowboy«.
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erst zieht, wenn der Bösewicht nach seiner Waffe greift. Dies hat letztlich mehr mit der Demonstration seiner Überlegenheit zu tun als mit irgendetwas anderem, denn am tödlichen Ausgang einer solchen Konfrontation besteht von vornherein kein Zweifel. Im Gegensatz zu DaSilva zeigt Hunter denn auch zu keinem Zeitpunkt Skrupel bei der Anwendung brutaler Gewalt und ist sich von Beginn an im Klaren darüber, dass die terroristischen Eindringlinge getötet werden müssen. »It’s time to die«, lautet seine beständig wiederholte Botschaft für Rostov und dessen Spießgesellen. In Entsprechung zu Nighthawks betont auch Invasion U.S.A., dass Amerika insgesamt die Notwendigkeit von Hunters kompromissloser Haltung erst begreifen muss. Eine Rückblende verrät, dass der Held Rostov bereits bei einem früheren Aufeinandertreffen in Afrika hätte töten können, damals aber offenbar den Befehl hatte, ihn am Leben zu lassen. Dies erweist sich nun als fataler Fehler, wenn der Schurke eine mörderische Kampagne in den Vereinigten Staaten leitet – eine unmissverständliche Lektion im Umgang mit Terroristen. Dass mit Rostov hier ein sowjetischer Agent als Organisator und Anführer des terroristischen Angriffs gezeigt wird, macht die in Nighthawks eher im Subtext angedeutete Verbindung zwischen der UdSSR und dem internationalen Terrorismus explizit. Der Film folgt quasi der extremsten Ausformung der Verschwörungstheorie, indem er ein Szenario entwirft, in dem die Sowjets Terroristen nicht nur unterstützen, sondern direkt kontrollieren und befehligen. Die ›terroristische Internationale‹ erscheint in Invasion U.S.A. auch nicht als ein Netzwerk, sondern als eine regelrechte Armee, zusammengesetzt aus Arabern, Latinos, Asiaten und Europäern. Der Titel ist in dieser Hinsicht Programm: Das Gros der Terroristen reist nicht auf normalem Weg ein, sondern erreicht die amerikanische Küste mitten in der Nacht in alten Landungsbooten aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Klappen am Bug gehen auf, und Hunderte von bewaffneten Kämpfern stürmen einen idyllischen Sandstrand, während zum Teil auf Deutsch gebellte Kommandos zu hören sind. Diese Szene ist selbstverständlich hochgradig absurd, zugleich aber eine konsequente Umsetzung der Vorstellung von Terrorismus als Krieg feindlicher Staaten gegen die USA. Die Verschmelzung von kommunistischer und terroristischer Bedrohung im Denken des Kalten Krieges wird selten offensichtlicher als in diesen Bildern. Nicht zuletzt mischt sich hier auch die Furcht vor einer sowjetischen Invasion mit der Angst vor den wilden Horden aus der Dritten Welt, die durch äußere Merkmale wie die kaffiyeh der Araber deutlich gekennzeichnet sind. Nach der Landung besteigen Rostovs Männer eine bereitstehende Flotte von Lastkraftwagen und verteilen sich über das ganze Land, das sie dann mit brutalen Angriffen terrorisieren. Ihre Ziele könnten dabei kaum symbolträchtiger gewählt sein: ein Vorortidyll in der Weihnachtszeit, ein Einkaufszentrum, eine Kirche während des Gottesdienstes und ein Schulbus. Amerikas ureigenstes, unschuldiges Wesen und seine heiligsten Institutionen werden hier attackiert, und wie in Nighthawks werden vor allem Frauen und Kinder als Opfer der Terroristen prominent in Szene gesetzt. Etwas aus dem Rahmen fällt lediglich der Anschlag auf eine Gruppe feiernder Latinos in einem Ghettoclub. Dieser ergibt jedoch Sinn als Lippenbekenntnis zu einem multikulturellen Amerika, das als positives Gegenbild zu der kommunisti-
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schen Verschwörung gedacht ist.118 Die Terroristen versuchen diese Gemeinschaft zu zerstören, indem sie als Polizisten und Soldaten verkleidet Anschläge durchführen, die die einzelnen Bevölkerungsgruppen gegeneinander und gegen die Regierung aufbringen sollen. In einer weiteren Parallele zu Nighthawks sind die Vereinigten Staaten auf diesen Angriff nicht vorbereitet. Invasion U.S.A. kritisiert – typisch für die Reagan-Ära – ein Amerika, das als liberal, verweichlicht und sorglos erscheint, und fordert die Rückbesinnung auf die durch Hunter verkörperten Werte der frontier, die – nicht anders als in Red Dawn (1984) oder Rambo (1985) – das Überleben und den Sieg über die finsteren Mächte garantieren. Schon die Werbung für den Film brachte dieses Programm auf den Punkt: »America wasn’t ready… but HE was.«119 Der einzig auf Gewalt setzende Hunter wird zum übermenschlichen Erlöser stilisiert, der mehrere Anschläge in letzter Sekunde vereitelt und Rostov schließlich zur Strecke bringt, während die US-Truppen dessen Armee in einer regelrechten Schlacht aufreiben. Ein ähnlicher Superheld ist der Polizist und Ex-Agent McBain (Gary Busey) in Bulletproof (1988): Sein Talent, Schusswunden zu überleben, hat ihm den Ruf eingebracht, kugelsicher zu sein. Solche ans Übernatürliche grenzenden Fähigkeiten machen ihn zum idealen Kandidaten für eine geheime Mission, bei der es darum geht, in Mexiko »Communist inspired guerilla terrorists« auszuschalten. Die USA handeln hier also präemptiv und greifen selbst an, bevor die Gefahr die Grenze überschreitet. Die zitierte Bezeichnung des Feindes kann als verbales Gegenstück zur Bildsprache der Landungssequenz in Invasion U.S.A. gesehen werden – auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen verschiedenen Bedrohungen, zwischen Krieg und Terrorismus. Und auch hier steht hinter den Latinos der »People’s Liberation Army« und ihren libyschen Verbündeten die Sowjetunion, die in diesem Fall sogar innerhalb Mexikos mit regulären Truppen operiert. Angesichts der Entspannung zwischen Ost und West, die zu dieser Zeit stattfand, stellt Bulletproof eines der letzten filmischen Beispiele für eine derartige Umsetzung der Bedrohungsperzeption des Kalten Krieges im Allgemeinen und der Terrorismus-Verschwörungstheorie im Besonderen dar.120 Dass in allen hier ausführlicher besprochenen Filmen Araber als Teil des terroristischen Netzwerks hervorgehoben werden, ist nicht überraschend, da der Nahe Osten schon vor den 1980er Jahren als ein Brennpunkt des Terrorismus wahrgenommen wurde und sich dieser Eindruck im Laufe des Jahrzehnts weiter verstärkte, wobei für die USA vor allem die Ereignisse im Libanon von erheblicher Bedeutung waren.121 Im Kontext des Kalten Krieges blieb die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion jedoch bestimmend für die Bewertung der Geschehnisse gerade auch in dieser Regi118 In diesem Zusammenhang ist auch die Eröffnungsszene zu sehen, in der Rostov und seine Männer auf hoher See kubanische Flüchtlinge massakrieren, auf deren Boot Drogen versteckt sind, die zur Finanzierung des Terrorangriffs dienen sollen. Die Verheißung der USA steht hier der Unterdrückung und menschenverachtenden Brutalität des Kommunismus gegenüber. 119 Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0089348/taglines (19.08.2009). 120 Weitere Filme, die die UdSSR als Initiator oder Förderer von Terrorismus zeigen, sind Avalanche Express (1979), The Amateur (1982) und Search and Destroy (1988). Siehe zu diesen Cettl, Terrorism in American Cinema, 20-2, 35f u. 232. 121 Vgl. z.B. PGT: 1983; PGT: 1985; PGT: 1986; Combatting Terrorism.
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on, und damit nicht zuletzt für die Einordnung von arabischem und iranischem Terrorismus. Beispielhaft ist etwa folgende Behauptung Reagans, als er sich wegen des Angriffs auf die Marines in Beirut und wegen der Invasion in Grenada an die Nation wandte: »The events in Lebanon and Grenada, though oceans apart, are closely related. Not only has Moscow assisted and encouraged the violence in both countries, but it provides direct support through a network of surrogates and terrorists.« Beide Vorfälle wurden so als Teil der Auseinandersetzung mit der UdSSR dargestellt, was selbstverständlich dem Eindruck förderlich war, die ›Befreiung‹ Grenadas sei mehr als nur ein Ausgleich für die Verluste in Beirut. Indem die USA die »Soviet-Cuban colony« in der Karibik beseitigten, hatten sie scheinbar eine ähnliche Bedrohung ausgeschaltet wie die, der die amerikanischen Soldaten im Nahen Osten zum Opfer gefallen waren. Reagan argumentierte auf der Grundlage dieser Logik auch gegen den Abzug aus dem Libanon – der wenig später freilich trotzdem stattfinden sollte. Er sprach über die Rolle Syriens, betonte dessen Beziehungen zur Sowjetunion und stellte die rhetorische Frage: »Can the United States, or the free world, for that matter, stand by and see the Middle East incorporated into the Soviet bloc?«122 Wie an diesem Beispiel zu sehen ist, war es von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung der terroristischen Gefahr, dass jene Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, die als Unterstützer des Terrorismus galten, zugleich als Vasallen und Verbündete oder zumindest als indirekte Helfer der Sowjets angesehen wurden. Libyen und insbesondere dem Iran wurde zwar prinzipiell mehr Unabhängigkeit zugesprochen als Syrien, doch zugleich schien festzustehen, dass auch die Unternehmungen dieser »wild cards«, indem sie dem Westen schadeten, letztlich der UdSSR zum Vorteil gereichten.123 Selbst das beiden Supermächten offen feindselig gegenüberstehende Regime Khomeinis geriet in der amerikanischen Wahrnehmung zuweilen zum Handlanger Moskaus. In einer Veröffentlichung der Heritage Foundation war beispielsweise zu lesen, »[that] [t]he Soviets themselves played a significant role in the Iranian revolution, and some reports from reliable sources allege that the terrorists holding the U.S. Embassy and its personnel in Tehran received training from the Soviets.«124 Nicht nur in politischen oder akademischen Kreisen wurde eine Verbindung zwischen den beiden Erzfeinden der Vereinigten Staaten hergestellt. Beim überaus populären Wrestling bildeten in den 1980er Jahren Nikolai Volkoff und The Iron Sheik ein Team der Bösewichte: »Volkoff insists on singing the Soviet national anthem before each bout, while the Iranian Sheik waves Khomeini’s flag and shouts, ›America – hack, pfui!‹«, berichtete Time im April 1985 über das Rollenspiel der damaligen »tag-team champs« der World Wrestling Federation.125 Der nahöstliche Terrorismus wurde also ursprünglich weniger um seiner selbst willen als ernste Gefahr für die USA betrachtet, sondern weil er als Element des Kalten Krieges verstanden wurde. Hinter Arabern und Iranern sah man – wie hinter an122 Ronald Reagan, »Address to the Nation on Events in Lebanon and Grenada, October 27th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=40696 (08.07.2007). 123 Vgl. z.B. State-Sponsored Terrorism, xi u. 15-9; International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 13. 124 Francis, Soviet Strategy of Terror, 14f. 125 »Hype! Hell Raising! Hulk Hogan!«, in: Time 22.04.1985. Hervorhebung im Original.
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deren Terroristen auch – die UdSSR als die wirkliche Bedrohung stehen. Wenn etwa das KGB in The Ambassador (1984) die Bemühungen des US-Botschafters in Israel um eine Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern zu sabotieren versucht oder in The Soldier (1982)126 sogar Nuklearterrorismus im Mittleren Osten unterstützt, sind das überdeutliche filmische Umsetzungen der verbreiteten Sichtweise, dass die Sowjetunion für den Terror gerade auch in dieser Region in entscheidender Weise verantwortlich und ihr Ziel eine Ausweitung des kommunistischen Machtbereichs war. Ab Mitte der 1980er Jahre begann sich dieses Bild zu wandeln, und es erschienen immer mehr Filme über arabische und iranische Terroristen, in denen diese als eine eigenständige Bedrohung dargestellt wurden, wobei der Kommunismus als ideologischer Hintergrund zunehmend durch den Islam abgelöst wurde. Das dem Kalten Krieg untergeordnete Feindbild des nahöstlichen Terroristen gewann an Eigenständigkeit. Darauf und auf die entsprechenden Produktionen werde ich im letzten Kapitel dieser Arbeit ausführlich eingehen. An dieser Stelle ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Entwicklung parallel zu der Verbesserung der Ost-West-Beziehungen nach dem Amtsantritt Gorbatschows verlief, die auch die amerikanische Perspektive auf das Problem des Terrorismus veränderte. Zwar wurde, wie bereits zu sehen war, in der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie 1987 die sowjetische Rolle im internationalen Terrorismus noch herausgestellt; aber in den späten 1980er Jahren nahm nicht nur die Furcht vor den Sowjets ab, es wurde auch ein Wandel in deren Umgang mit terroristischen Aktivitäten und Gruppen konstatiert, als die Sowjetunion unter Gorbatschow selbst mit einer Counterterrorismus-Politik begann, in deren Rahmen sie mit den USA kooperierte.127 So berichtete das State Department 1989: »In the past year, the Soviet Union has taken a more constructive approach to condemning terrorism than in previous years, but there is still room for improvement.«128 Dass noch eine gewisse Unsicherheit darüber herrschte, ob die Veränderung wirklich substantieller Natur war, kam auch in der Filmparodie The Naked Gun (1988) zum Ausdruck: In der Eröffnungssequenz der Komödie sprengt der Held, der trottelige Detective Frank Drebin (Leslie Nielsen), in Beirut eine Versammlung von antiamerikanischen Schurken, zu der Yasser Arafat, Gaddafi, Khomeini, Idi Amin und Gorbatschow gehören. Der Amerikaner verprügelt nicht nur die Bösewichte, er rubbelt dem sowjetischen Generalsekretär auch sein berühmtes Muttermal von der Glatze und erklärt dazu triumphierend: »I knew it.« Gorbatschow wird also als Blender entlarvt, dessen Auftreten nur PR-Zwecken dient, während er heimlich weiterhin der internationalen Verschwörung gegen die USA angehört. Selbstverständlich darf man diese Szene nicht einfach auf ihren Inhalt reduzieren, vielmehr ist dieser ja Gegenstand der Parodie. Die Verschwörungstheorie wird also nicht nur dargestellt, sondern zugleich der Lächerlichkeit preisgegeben. Gleichwohl signalisiert ein parodistisches Aufgreifen solcher Vorstellungen natürlich nicht zuletzt deren hohen Verbreitungsgrad. Insofern verweist die Szene auf durchaus reale Zweifel an Gorbatschows ›Echtheit‹.
126 Siehe zu diesem Film Cettl, Terrorism in American Cinema, 240f. 127 Vgl. Kushner, Terrorism in America, 16. 128 PGT: 1988, 47. Siehe ähnlich auch PGT: 1987, 40.
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Dennoch ist der Kontrast zu früheren Einschätzungen der Sowjetunion unübersehbar, auch in dem zitierten Bericht des Außenministeriums. Tatsächlich wurde die UdSSR in der folgenden Ausgabe der Patterns of Global Terrorism nicht mehr im Zusammenhang mit staatlicher Unterstützung für Terrorismus erwähnt.129 Wenig später machte ihre Auflösung das Thema hinfällig. Terroranschläge gegen die Vereinigten Staaten oder ihre Alliierten konnten fürderhin nicht mehr auf die finsteren Pläne des Kremls zurückgeführt werden. Ronald Reagans persönliche Bilanz in dem von ihm erklärten »war against terrorism« war durchwachsen und wurde damals wie später unterschiedlich bewertet.130 Das primäre Problem war zweifellos, dass seine Rhetorik Erwartungen weckte, die unmöglich zu erfüllen waren, allen voran das Versprechen von »swift and effective retribution«. Der Präsident erklärte Jahre nach dessen Verkündigung auf Nachfrage eines Reporters, dies sei nur auf solche Fälle bezogen gewesen, in denen eine andere Regierung verantwortlich gemacht werden könne. Das Problem sei, die Täter und Komplizen bei terroristischen Anschlägen zu identifizieren, »because retaliation in some peoples’ minds might just entail striking a blow in a general direction, and the result would be a terrorist act in itself and the killing and victimizing of innocent people.«131 Gelegenheit zur Vergeltung bot sich dementsprechend selten. Ein spektakulärer Erfolg gelang der US-Regierung im Oktober 1985 gegen die Entführer des Kreuzfahrtschiffs Achille Lauro, als amerikanische Kampfflugzeuge über dem Mittelmeer die Maschine abfingen, die die Terroristen von Ägypten nach Tunesien bringen sollte, und sie zur Landung auf einem italienischen Stützpunkt zwangen. »Turning the Tables: The U.S. Strikes Back at Terrorism«, titelte Time triumphierend,132 und der republikanische Kongressabgeordnete Robert K. Dornan sprach von einem »glorious day in American history«.133 Ähnlich große Unterstützung durch die amerikanische Bevölkerung genoss die Bombardierung von Tripolis und Bengasi im April 1986. Diese wurde als direkte Reaktion auf einen Anschlag in Berlin durchgeführt, aber Libyen war bereits davor als Ziel für einen demonstrativen Schlag gegen den Terrorismus ausgewählt worden.134 Während die Aktion von der großen Mehrzahl der Amerikaner befürwortet wurde,135 führte sie aber – wie das Abfangen der ägyptischen Maschine – zu Unstimmigkeiten mit wichtigen Alliierten, denen das Vorgehen der USA nicht behagte. 129 PGT: 1989; in den vorangehenden Jahren war der UdSSR und ihren osteuropäischen Verbündeten stets ein eigener, hervorgehobener Block im Kapitel über »State-Sponsored Terrorism« gewidmet gewesen. 130 Siehe dazu Robert Oakley, »International Terrorism«, in: Foreign Affairs 65:3 (1987), 611-29; Yonah Alexander, »Some Perspectives on International Terrorism and the Reagan Presidency: Threats and Responses«, in: Schmertz u.a. (Hg.), Reagan and the World, 159-66; Gunter, »Reagan Record«. 131 Ronald Reagan, »The President’s News Conference, June 18, 1985«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=38789 (30.10.2008). 132 Time 21.10.1985. 133 Zitiert nach »The U.S. Sends a Message«, in: Time 21.10.1985. 134 Siehe dazu Adams, Financing of Terror, 25-7. 135 Dazu Ronald H. Hinckley, »American Opinion toward Terrorism: The Reagan Years«, in: Terrorism 12:6 (1989), 387-99, hier: 391.
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Im Hinblick auf Abschreckung beziehungsweise eine Reduzierung des Terrorismus erwies sich der Angriff auf Libyen zudem als Misserfolg, und die zahlreichen Opfer unter der Zivilbevölkerung verdeutlichten die Problematik solcher Vergeltungsmaßnahmen. Wie schnell die Bekämpfung von Terroristen selbst zu Terrorismus werden konnte, zeigte sich, als Reagan auf Drängen von CIA-Chef Casey die Aufstellung und Ausbildung von aus Nichtamerikanern bestehenden Teams für Operationen zur Terrorismusbekämpfung genehmigte: Wenig später, am 8. März 1985, verübten von der CIA trainierte Libanesen in Beirut ein Bombenattentat auf das geistliche Oberhaupt der Hisbollah, Scheich Fadlallah. Er selbst entging dem Anschlag, aber 80 Menschen wurden getötet und mehr als 200 verletzt. Der amerikanische Geheimdienst hatte die Aktion nicht angeordnet, aber seine Verwicklung wurde publik und führte die Risiken einer derartigen Politik vor Augen.136 Als schwierig erwies sich über das Problem der Vergeltung hinaus auch die Aufrechterhaltung des »no concessions«-Grundsatzes, der in öffentlichen Verlautbarungen immer wieder als eine der tragenden Säulen der amerikanischen Antiterrorismuspolitik präsentiert wurde. Man warnte vor den scheinbar fatalen Konsequenzen, falls die Forderungen von Terroristen erfüllt würden, indem man es als sicher hinstellte, dass diese dadurch nur ermutigt und somit weitere Menschen in Gefahr gebracht würden.137 Die ständige Betonung dieses Prinzips musste zwangsläufig zu Empörung führen, als bekannt wurde, dass die amerikanische Regierung in der Praxis selbst dagegen verstieß, insbesondere in der Iran-Contra-Affäre. Dass die Administration Waffen an den Iran geliefert hatte, um die Freilassung von Geiseln im Libanon zu erreichen, wurde nicht zuletzt deshalb zum größten Skandal von Reagans Präsidentschaft, weil die USA dadurch heuchlerisch wirkten.138 Hatte Reagan noch im November 1986 darauf beharrt, dass es keinen Handel und keinen Verstoß gegen das entsprechende Prinzip gegeben habe,139 so musste er sich vier Monate später öffentlich korrigieren: »A few months ago I told the American people I did not trade arms for hostages. My heart and my best intentions still tell me that’s true, but the facts and the evidence tell me it is not.«140 Tatsächlich hatte die Reagan-Administra136 Siehe dazu z.B. die kritischen Fragen der Senatoren Biden und Eagleton in International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 279-86. Zu dem Anschlag und der Rolle der CIA vgl. Woodward, Veil, 393-7; Adams, Financing of Terror, 23; Martin/Walcott, Best Laid Plans, 219f. Rivers, War, 125, behauptet, eine Vergeltungsaktion für den Angriff auf die Marines angeführt zu haben, bei der drei syrische Offiziere getötet worden seien. Eine derartige Operation wird aber in keiner seriösen Darstellung erwähnt. 137 Vgl. z.B. »Terrorism and the Rule of Law. Address by L. Paul Bremer, III, Ambassador at Large for Counter-Terrorism, before the Commonwealth Club in San Francisco, April 23, 1987«, in: Robert A. Vitas/John Allen Williams (Hg.), U.S. National Security Policy and Strategy, 1987-1994: Documents and Policy Proposals, Westport/London 1996, 1926, hier: 19; Combatting Terrorism, 7; Ronald Reagan, »The President’s News Conference, June 18, 1985«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=38789 (30.10.2008). 138 Siehe dazu auch Winkler, »Presidents Held Hostage«, 25 u. 28. 139 Ronald Reagan, »Address to the Nation on the Iran Arms and Contra Aid Controversy, November 13th, 1986«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=36728 (27.07.2007). 140 Ronald Reagan, »Address to the Nation on the Iran Arms and Contra Aid Controversy, March 4th, 1987«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=33938, rev. 27.07.2007.
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tion schon 1985 im Fall des entführten TWA-Fluges 847 gegen ihren angeblich ehernen Grundsatz, Forderungen nicht nachzugeben, verstoßen, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen. Der äußere Schein war hier lediglich durch einen »no-deal deal«141 gewahrt worden, bei dem die Vereinigten Staaten zwar nicht direkt ausgetauscht, aber Druck auf Israel ausgeübt hatten. Wie Russell Buhite gezeigt hat, stand Reagan mit einem solch pragmatischen Vorgehen in der Tradition seiner Amtsvorgänger im 20. Jahrhundert, die – anders als die oft auf brutale Gewalt setzenden US-Präsidenten früherer Zeiten – bei Geiselnahmen in aller Regel verhandelten.142 Überhaupt stellte sich die Politik Reagans gegenüber Terrorismus insgesamt als weniger martialisch dar als seine Rhetorik. David Tucker hat sie sogar als »the exact opposite« charakterisiert.143 Zu den wichtigsten Maßnahmen von Reagans Präsidentschaft gehörte vor allem die Verabschiedung neuer Gesetze wie des Act for the Prevention and Punishment of Hostage Taking von 1984 und des Omnibus Diplomatic Security and Antiterrorism Act von 1986, die die amerikanische Jurisdiktion konsequent über terroristische Anschläge im Ausland ausweiteten. Dies zog eine Internationalisierung der Operationen des FBI nach sich, das zur wichtigsten Behörde im Kampf gegen den Terrorismus wurde.144 Trotz der vereinzelten aufsehenerregenden Militäraktionen setzte die amerikanische Regierung also in erster Linie auf die Mittel der Strafverfolgung, was nur folgerichtig war, da Terroristen als »criminals« und nicht etwa als »warriors« betrachtet wurden.145 Doch auch wenn Reagans Kriegserklärung weitgehend Rhetorik blieb, war sie essentieller Bestandteil jener Entwicklung, die während der 1980er Jahre aus Terrorismus eines der beherrschenden Themen des öffentlichen und politischen Diskurses in den USA machte. Am Ende dieses Jahrzehnts hatte sich bei einer Vielzahl von Amerikanern die Überzeugung durchgesetzt, dass Terrorismus eine sehr ernste Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellte. Laut Ronald Hinckley vertraten in den Jahren 1987 und 1988 in sechs verschiedenen Umfragen jeweils 68 bis 80% der Befragten diese Meinung.146 Russell Farnen beobachtete zur selben Zeit, »that the words enemy and terrorist have virtually become so synonymous and interchangeable that the resultant need to declare war on international terrorism becomes self-evident.«147 Die Vorstellung eines ›Krieges gegen den Terrorismus‹ war ein bleibendes Vermächtnis von Reagans Präsidentschaft. Geboren aus dem Geist des Kalten Krieges überdauerte sie seine Amtszeit ebenso wie den Zusammenbruch der UdSSR, um in den folgenden Jahrzehnten noch weiter an Bedeutung zu gewinnen.
141 Martin/Walcott, Best Laid Plans, 198. Auf diese Episode gehe ich ausführlicher in Kap. III.3.1 ein. 142 Russell D. Buhite, Lives at Risk: Hostages and Victims in American Foreign Policy, Wilmington 1995, v.a. 194f. 143 Tucker, Skirmishes, 46. 144 Siehe dazu ebenda, 43; Nadelmann, Cops Across Borders, 157-9; Andreas/Nadelmann, Policing the Globe, 133f. 145 »Terrorism and the Rule of Law«, 20f u. 25f. 146 Hinckley, »American Opinion«, 388. 147 Farnen, »Mass Media«, 246.
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1.2 »WE ARE AT WAR WITH TERROR«: VOM RHETORISCHEN ZUM ECHTEN KRIEG Wie sehr die Auseinandersetzung mit Terrorismus in den späten 1980er Jahren bereits zu einem Teil des amerikanischen Lebens geworden war, demonstriert Die Hard (1988). Der unter der Regie von John McTiernan entstandene Film über eine Gruppe von Terroristen, die am Heiligen Abend den Wolkenkratzer einer japanischen Firma in Los Angeles besetzt, war ein großer kommerzieller Erfolg und wurde zu einem Klassiker der Action-Genres.148 Was ihn besonders macht, ist nicht nur die handwerklich perfekte Inszenierung, sondern auch der oft ironische Unterton. Dieser ergibt sich zum einen daraus, dass Die Hard einen Wandel des Genres und insbesondere seines Heldenbildes signalisiert, das Ende des hard body, der die vorangegangenen Jahre dominiert hatte. Insofern kann man den Film als liebevolle Parodie auf die entsprechenden Produktionen sehen.149 Zum andern ist aber auch sein Blick auf den Umgang der Gesellschaft mit dem Phänomen des Terrorismus von Ironie geprägt. Vor allem die Medienberichterstattung wird geradezu satirisch dargestellt:150 In Die Hard ist Terrorismus in entscheidendem Maße ein inszeniertes Spektakel, das von sensationsgeilen Fernsehjournalisten für Einschaltquoten und persönlichen Ruhm aufgeblasen und ausgebeutet wird. Der schmierige Reporter Thornburg (William Atherton) bringt mit seiner gedankenlosen Jagd nach der besten Story sogar den Helden und dessen Familie in Gefahr. Die Reaktion der Medien erscheint als ritualisierte und weitgehend sinnentleerte Show, zu der auch das obligatorische Experteninterview gehört, das ein eitler, aber offensichtlich geistig unterbelichteter Anchorman mit dem Autor des Buches Hostage Terrorist, Terrorist Hostage: A Study in Duality führt. Der Film verweist hier überdeutlich darauf, dass der Bedeutungsgewinn von Terrorismus in den 1980er Jahren eine regelrechte Industrie von mehr oder weniger akademischen Fachkräften hervorbrachte und beschäftigte. Deren öffentliche Analysen erscheinen in einem ausgesprochen schlechten Licht, wenn der Experte das »Helsinki Syndrome«, eine Verballhornung des Stockholm-Syndroms,151 erläutert: Seine theoretischen Ausführungen über
148 Der Film spielte allein in den US-Kinos mehr als 81 Millionen Dollar ein; Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1988/0DHRD.php (19.08.2009). 149 So z.B. Gibson, Warrior Dreams, 54. 150 Vgl. dazu auch Palmer, Films of the Eighties, 131f. 151 Das Stockholm-Syndrom ist nach einem fehlgeschlagenen Bankraub 1973 benannt, bei dem zwei Männer vier Angestellte sechs Tage lang festhielten. Während dieser Gefangenschaft ging eine weibliche Geisel eine Beziehung mit einem der Männer ein, die auch nach dessen Verurteilung fortbestand. Die Knüpfung eines für Außenstehende schwer begreifbaren Bandes zwischen Geiseln und Geiselnehmern wurde danach immer wieder beobachtet. Der berühmteste Fall ist wohl der von Patty Hearst, der Enkelin des legendären Verlegers William Randolph Hearst: 1974 von der Symbionese Liberation Army, einer kleinen linksradikalen Terrorgruppe, entführt, schloss sie sich nach mehreren Monaten in Gefangenschaft selbst der Gruppe an und wurde nach ihrer Verhaftung unter anderem wegen Bankraubes verurteilt. Jimmy Carter begnadigte sie 1979. Psychologen erklären das Stockholm-Syndrom durch das Zusammenspiel des Überlebensinstinkts der Gei-
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die Annäherung zwischen Geiseln und Geiselnehmern werden in der Montage durch klare Bilder konterkariert, die zeigen, wie die Leiche eines gerade Ermordeten weggeschleift wird. Die mediale Aufbereitung wird so als der brutalen Realität völlig entrückt präsentiert. Nicht weniger ritualisiert und realitätsfremd ist allerdings auch der Umgang des FBI mit der Geiselnahme. Nachdem dessen arrogante Vertreter von der schlecht vorbereiteten und wenig kompetent wirkenden Polizei von Los Angeles das Kommando über die Situation übernommen haben, handeln sie streng nach den für terroristische Vorfälle festgeschriebenen Regeln ihrer Behörde. Auch damit wird gezeigt, wie sehr Terrorismus Ende der 1980er Jahre bereits zu einem Klischee geworden war. Statt sich mit dem konkreten Fall auseinanderzusetzen, gehen die FBI-Agenten »the universal terrorist playbook« durch. Damit spielen sie, ohne es zu ahnen, den Terroristen in die Hände. Tatsächlich hängt deren Plan entscheidend von der Berechenbarkeit der staatlichen Gegenmaßnahmen ab, denn nur die Unterbrechung der Stromzufuhr zu dem besetzten Gebäude ermöglicht ihnen den Zugang zu dem gut gesicherten Tresor der japanischen Firma. So entpuppt sich schlussendlich der Terrorismus der Geiselnehmer als eine Illusion, als Show, die für die Behörden inszeniert wird, denn in Wirklichkeit geht es nicht um Politik, sondern um Geld. Bandenchef Hans Gruber hat zwar eine terroristische Vergangenheit in der »German Volksfrei movement«, über die die Medien berichten können, aber eigentlich ist er ein Gangster im maßgeschneiderten Anzug, der es auf mehrere hundert Millionen Dollar abgesehen hat. Seine antiimperialistische Rhetorik und die Forderung nach Freilassung von »comrades in arms« in anderen Teilen der Welt im Austausch gegen die Geiseln sind lediglich Fassade und Teil seiner ausgefeilten Inszenierung. Die obskure Gruppe Asian Dawn kennt er selbst nur aus dem Time Magazine, wie er einem seiner Männer erklärt, und es ist für seine Zwecke völlig unerheblich, ob die Regierung sich bemüht, seine Forderungen zu erfüllen. Tatsächlich gehört auch der Versuch des FBI, die Geiselnahme mit Gewalt zu beenden, zu seinem Plan. Die Terroristen in Die Hard sind also gar keine richtigen Terroristen – zumindest sind sie es nicht mehr. Statt von Ideologie werden sie von Habgier angetrieben. Gruber unterscheidet sich dadurch grundlegend von einer Figur wie Wulfgar, mit der ihn sonst einiges verbindet. Vor dem Hintergrund der Zeit lässt sich dies leicht nachvollziehen: Der Film verweist darauf, dass das sich abzeichnende Ende des Ost-WestKonfliktes einen Einschnitt auch für die terroristische Bedrohung bedeutet. Die bisherige Basis des Feindbildes bröckelt weg, den europäischen Terroristen fehlt eine politische Motivation. Der linksideologische Terrorismus ist nach dem Kalten Krieg nicht mehr glaubwürdig und für die Terroristen selbst nur noch ein Witz und eine Maskerade für ihre höchst kapitalistischen Bereicherungsabsichten. Lediglich die amerikanischen Medien und Behörden scheinen die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben; für sie ist Terrorismus immer noch ein bekanntes Phänomen, das sie zu verstehen glauben. Mit der Realität haben ihre Vorstellungen jedoch so gut wie nichts zu tun.
seln einerseits und ihrer Abhängigkeit von den Geiselnehmern andererseits. Dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Hearst, Patty« und »Stockholm Syndrome«.
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Die Hard stellt sich so betrachtet als eine Art Abgesang auf das Zeitalter des Terrorismus dar. Und tatsächlich schien das Thema in den folgenden Jahren an Bedeutung zu verlieren, wenn man die politische Ebene betrachtet. Für die Präsidentschaft von George H.W. Bush spielten der Terrorismus und seine Bekämpfung bei weitem nicht die Rolle, die sie unter Reagan gehabt hatten.152 In den Nationalen Sicherheitsstrategien wurde das Problem beispielsweise nur am Rande behandelt, in deutlichem Kontrast zu dem von Bush intensivierten war on drugs.153 Dies spiegelte die scheinbare Verbesserung der Lage zu Beginn der 1990er Jahre wider, als selbst die langwierige Krise um im Libanon entführte Amerikaner ein glückliches Ende fand: Am 4. Dezember 1991 wurde Terry Anderson als letzte der dort festgehaltenen Geiseln nach beinahe sieben Jahren Gefangenschaft freigelassen.154 Sorge bereitete Terrorismus der Bush-Administration vor allem im Umfeld des Kuwaitkrieges, als man erwartete, dass Saddam Hussein und die ihn unterstützenden palästinensischen Gruppen eine Terrorkampagne initiieren würden. Diese Befürchtungen wurden jedoch nicht Wirklichkeit, und so schien die Bedrohung weiter abzunehmen.155 Das State Department vermeldete für das Jahr 1992 die niedrigsten Zahlen für den internationalen Terrorismus seit 1975.156 Die Filme dieser Zeit zeigen jedoch ein völlig anderes Bild. Hier war die terroristische Gefahr präsenter denn je: Ministry of Vengeance (1989), Rapid Fire (1989), Rescue Force (1989), Navy Seals (1990), American Ninja 4: The Annihilation (1990), Cover-Up (1991), Delta Force 3: The Killing Game (1991), CIA Code Name: Alexa (1992), Passenger 57 (1992) und Under Siege (1992) sind nur einige Beispiele hierfür. Der Trend ging also in eine andere Richtung, als Die Hard zunächst vermuten ließ.157 Gänzlich überraschend ist dies allerdings nicht, denn auch dieser Film beutet die Thematik ja gekonnt zur Erzeugung von Spannung und Action aus, und die Ironisierung der Geschehnisse ist nie vollständig. Die Hard ist trotz allem auch ein Thriller, der auf die glaubwürdige Vermittlung von Bedrohung angewiesen ist. Dass er hierfür ein Szenario mit Geiseln und (vermeintlichen) Terroristen wählt, ist somit auch ein Signal anderer Art: McTiernans Film illustriert eindrucksvoll die Verankerung des entsprechenden Feindbildes in der amerikanischen Kultur und sein Potential auf der Leinwand. In der Tat war Die Hard eine der ersten großen Produktionen mit Blockbusterqualität, die das bis dahin eher in B-Filmen zu findende Thema bearbeiteten. Letztendlich weist der Film somit doch auf die weitere Entwicklung voraus. Bezeichnenderweise inspirierte er nicht nur zahlreiche Nachahmer, sondern fand bis heute auch vier Fortsetzungen, in denen sich der Held John McClane jeweils Vgl. Tucker, Skirmishes, 47. National Security Strategy [1990]; National Security Strategy [1991]. Dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Anderson, Terry«. Vgl. George Bush, »The President’s News Conference, January 12th, 1991«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19213 (21.07.2007); PGT: 1990, 1 u. 34; PGT: 1991, 1. 156 PGT: 1992, iii. 157 Man kann daher nicht wirklich, wie Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 248, feststellen, dass Die Hard von einer mit der Entideologisierung »korrespondierenden Ermüdung des Terrorismusthemas nicht zuletzt innerhalb des Genres selbst« kündet. Überhaupt nicht überzeugend ist es, den Film als Beleg für »Ermüdungserscheinungen« gerade des »Terroristen-›Evil-Arab‹ « zu nehmen (ebenda, 245). 152 153 154 155
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neuen Bedrohungen stellen muss, die mehr oder weniger ausgeprägt terroristische Aktionen und Habgier kombinieren: Die Hard 2 (1990), Die Hard With a Vengeance (1995), Live Free or Die Hard (2007) und A Good Day to Die Hard (2013).158 Der mit linker Ideologie unterfütterte Terrorismus in Europa und den USA ebbte nach dem Kalten Krieg spürbar ab. Allerdings hatte der Niedergang dieser Gruppen oft schon vorher begonnen, nicht zuletzt durch erfolgreiche Polizeiarbeit, und war somit nicht allein auf das Ende des Ost-West-Konfliktes zurückzuführen.159 In einigen Ländern, etwa in Griechenland oder Kolumbien, war ein entsprechender Umbruch denn auch nicht zu beobachten. Wie bereits erwähnt wurde, bedingte die Auflösung des Feindbildes Sowjetunion aber ohnehin nicht das Verschwinden des – bis dahin weitgehend davon abhängigen – Feindbildes Terrorismus, sondern vielmehr dessen Abkoppelung und Verselbstständigung. Im Gegensatz zu der in den 1980er Jahren so wirkmächtigen Verschwörungstheorie wurden die Pläne und die Unterstützung der UdSSR und ihrer Verbündeten jetzt nicht mehr als die eigentliche Ursache für terroristische Gewalt dargestellt, stattdessen wurden zuvor vernachlässigte nationalistische, ethnische und religiöse Beweggründe in den Vordergrund gerückt. Terrorismen dieser Ausprägung wurden durch den Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa nicht beeinträchtigt und in vielen Fällen sogar befeuert, da nun lange unterdrückte Konflikte aufbrachen. Dass Terrorismus ab Ende der 1980er Jahre immer weniger als Teil eines kommunistischen Angriffs und immer mehr als eigenständige Bedrohung gesehen wurde, bedeutete, dass er die Lücke schließen konnte, die durch den Verlust des alten Feindbildes entstand. Diese Entwicklung ist offensichtlich, wenn man das Spionagegenre betrachtet, das wie kein anderes durch den Konflikt der Supermächte geprägt war und somit durch dessen Ende vor ein erhebliches Problem gestellt wurde – nicht anders als die echten Geheimdienste. Auf der Leinwand wie im richtigen Leben bedurften die Agenten neuer Aufgaben, um ihre Existenz zu rechtfertigen, und die Bekämpfung des Terrorismus bot sich hier wie dort an. Statt mit sowjetischen Schurken bekam es etwa Tom Clancys Romanheld Jack Ryan nun in The Sum of All Fears und Patriot Games mit terroristischen Anschlägen zu tun. In den Rezensionen zur Verfilmung von Patriot Games (1992) wurden allerdings zum Teil noch Zweifel laut, ob die neuen Bösewichte wirklich ein adäquater Ersatz seien: »The Menace Is Missing«, lautete beispielsweise die Überschrift der Kritik in Time, in der es hieß, die irischen Terroristen des Films seien »a bad lot, to be sure, but not exactly a threat to Civilization As We Know It.«160 Doch solche Skepsis hinsichtlich des Bedrohungspotentials der terroristischen Gefahr war nicht von langer Dauer. Tatsächlich wurde Terrorismus in Verbindung mit den sogenannten ›Schurkenstaaten‹ zum zentralen Feindbild der 1990er Jahre. In der Populärkultur war er allgegenwärtig, und auch für die Politik wurde er unter Bill Clinton wieder zu einem Thema von größter Wichtigkeit. 158 Die ersten drei Teile analysiert Vanhala, Depiction of Terrorists, 187-204, ausführlicher; sie stellt fest, dass streng genommen nur die Schurken des zweiten Teils richtige Terroristen sind (ebenda, 194-7). 159 Vgl. Pillar, Terrorism, 42. 160 »The Menace Is Missing«, in: Time 15.06.1992. Vgl. auch »Patriot Games: Fear and Loathing on the Trail of Evil in the New World Order«, in: NYT 05.06.1992.
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David Tucker sieht das erneuerte Interesse der Regierung erst ab dem Jahr 1995, als diverse Anschläge sowie die Gefährdung des Friedensprozesses im Nahen Osten dafür sorgten, dass man Terrorismus mehr Aufmerksamkeit schenkte.161 Als von kaum zu überschätzender Bedeutung für die amerikanische Wahrnehmung ist aber schon der erste Angriff auf das World Trade Center am 26. Februar 1993, also einen knappen Monat nach Clintons Amtseinführung, zu sehen. Der Versuch einer Gruppe von Dschihadisten, das damals zweithöchste Gebäude der Welt mittels einer gewaltigen Autobombe zu zerstören, kostete sechs Menschen das Leben; mehr als 1.000 weitere wurden verletzt.162 Dieser Vorfall und die darauf folgende Aufdeckung von Plänen für weitere Anschläge in New York City markierten einen entscheidenden Einschnitt: »Americans were not accustomed to what so much of the world had already grown weary of«, bemerkte Time. »Terrorism seemed like something that happened somewhere else – and somewhere else a safe distance over the horizon.«163 Diese Beschreibung steht natürlich in scharfem Kontrast zu dem Bild, das zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in Filmen oder Romanen entworfen wurde. Sie ignoriert zudem, dass in den 1970er und 1980er Jahren durchaus terroristische Anschläge auf amerikanischem Boden verübt worden waren, etwa durch den Weather Underground, von Puerto Ricanern, Exilkubanern oder militanten Abtreibungsgegnern. Diese hatten jedoch, wenn überhaupt, nur wenige Opfer gefordert und waren nie als eine Gefahr für die Vereinigten Staaten angesehen worden. Der Angriff auf das World Trade Center hatte durch seine Dimension, seinen Symbolwert und die ausländische Herkunft der Täter scheinbar eine andere Qualität. Noch 2004 berichtete Richard Clarke – unter Clinton und zunächst auch unter George W. Bush der wichtigste Koordinator der Terrorismusbekämpfung – in seinem Buch Against All Enemies mit Blick auf den Februar 1993: »The notion that terrorism might occur in the United States was completely new to us then.«164 Diese Ereignisse waren somit prägend, auch für die gerade ihre Arbeit aufnehmende Administration. In einer Rede vor der UN-Vollversammlung im September desselben Jahres veranlassten sie Clinton zu der Feststellung, »[that] terrorism […] assumes a horrifying immediacy for us here[.]«165 In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu aufsehenerregenden Terroranschlägen in den USA oder auf amerikanische Ziele im Ausland. Am 19. April 1995 zerstörte eine Autobombe das Alfred P. Murrah Bundesgebäude in Oklahoma City und tötete 168 Menschen, darunter 19 Kinder. Im November desselben Jahres starben fünf US-Bürger bei einem Sprengstoffangriff auf die Unterkunft amerikanischer Militärausbilder in Saudi-Arabien, wo sieben Monate später bei einer ähnlichen Attacke auf die Khobar Towers, in denen Angehörige der US-Luftwaffe untergebracht waren, 19 amerikanische Soldaten getötet und 500 Menschen verletzt wurden. Im April 1996 wurde der sogenannte Unabomber, Theodore Kaczynski, festgenommen, der 161 162 163 164 165
Tucker, Skirmishes, 48. Dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »World Trade Center Bombing (1993)«. »Tower Terror«, in: Time 08.03.1993. Clarke, Against All Enemies, 74. William J. Clinton, »Remarks to the 48th Session of the United Nations General Assembly in New York City, September 27th, 1993«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 47119 (27.07.2007).
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die Vereinigten Staaten 18 Jahre lang mit einer Serie von Briefbomben in Atem gehalten hatte.166 Im selben Jahr zündete Eric Robert Rudolph einen Sprengsatz bei den Olympischen Spielen in Atlanta, der drei Menschen tötete und 150 verletzte. 1998 waren die US-Botschaften in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania) das Ziel simultaner Anschläge, die 224 Tote, darunter zwölf Amerikaner, und Tausende von Verletzten forderten. Zwei Jahre später starben 17 Besatzungsmitglieder des Zerstörers USS Cole im Hafen von Aden, als Selbstmordattentäter sich mit einem sprengstoffbeladenen Boot neben dem Kriegsschiff in die Luft sprengten.167 Diese und weitere Vorfälle sorgten dafür, dass Terrorismus in den 1990er Jahren fortwährend in den Medien und damit im öffentlichen Bewusstsein präsent war. Der Titel von Time etwa wartete regelmäßig mit Schlagzeilen wie »Nuclear Terror For Sale«, »Toxic Terror« oder »The Face of Terror« auf.168 Auch der Präsident brachte das Thema und die Notwendigkeit neuer Gesetze und besserer Abwehrmaßnahmen regelmäßig zur Sprache. Terrorismus bildete für Clinton zusammen mit organisierter Kriminalität, Drogenhandel, Proliferation und ›Schurkenstaaten‹ das Netz eng miteinander verbundener Gefahren, dem sich die USA »at the end of the cold war« stellen mussten: »Defeating these organized forces of destruction is one of the most important challenges our country faces at the end of this century and the beginning of the next«, erklärte er etwa nach dem Anschlag auf die Khobar Towers.169 Schon im Oktober 1995 hatte er vor den Vereinten Nationen einen »counterterrorism pact« gefordert,170 und im Jahr darauf erneuerte er seine Forderung nach »zero tolerance for aggression, terrorism, and lawless behavior.«171 Noch gegen Ende seiner Präsidentschaft betonte er, »[that] [w]e have to do more to fight terrorism around the world.«172 In den Nationalen Sicherheitsstrategien seiner Administration spielte die terroristische Bedrohung dementsprechend eine prominente Rolle.173 166 Das FBI bezeichnete den Gesuchten als Unabomber, weil sich seine ersten Attacken gegen Universitäten und Fluggesellschaften (also airlines) gerichtet hatten. Zwei Menschen wurden durch Kaczynskis Bomben getötet. 167 Für Details zu diesen Fällen siehe Kushner, Encyclopedia, s.v. »Oklahoma City Bombing«, »Riyadh, Saudi Arabia, Bombing«, »Khobar Towers Bombing«, »Unabomber«, »Centennial Park Bombing«, »East African Embassy Bombings« und »U.S.S. Cole Bombing«. Siehe außerdem die entsprechenden Jahrgänge der PGT sowie zu Rudolph Mark Juergensmeyer, Global Rebellion: Religious Challenges to the Secular State, from Christian Militias to al Qaeda, Berkeley u.a. 2008, 191. 168 Time 29.08.1994, 03.04.1995 u. 01.05.1995. 169 William J. Clinton, »Remarks on the Departure for the Group of Seven Summit and an Exchange With Reporters, June 26th, 1996«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 52993 (27.07.2007). 170 William J. Clinton, »Remarks to the United Nations General Assembly in New York City, October 22nd, 1995«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=50683 (27.07.2007). 171 William J. Clinton, »Remarks to the 51st Session of the United Nations General Assembly in New York City, September 24th, 1996«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 51976 (27.07.2007). 172 William J. Clinton, »Remarks at Georgetown University, November 8th, 1999«, http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=56892 (27.07.2007). Für weitere Äußerungen Clintons siehe z.B. »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Un-
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Umfragen zeigen, dass die Sorge nicht auf die Regierung beschränkt war. Nach einer Erhebung des Chicago Council on Foreign Relations stuften 1995 69% der Bevölkerung und 33% der Meinungsführer den internationalen Terrorismus als »critical threat« ein. Drei Jahre später waren diese Werte noch weiter gestiegen, auf überwältigende 84% beziehungsweise 61%. Keine andere Bedrohung wurde nun von der Öffentlichkeit häufiger genannt.174 Der Behauptung von James Patterson, dass die meisten Amerikaner, einschließlich der Medien, Terrorismus in den späten 1990er Jahren nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt und in einem falschen Gefühl der Sicherheit gelebt hätten,175 muss entschieden widersprochen werden. Tatsächlich sahen Regierung und Bevölkerung Terroristen schon lange vor dem 11. September 2001 als eine sehr ernste Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten. Dieser Eindruck wurde dadurch verstärkt, dass man in den 1990er Jahren besorgniserregende Veränderungen bei den Grundmustern des Phänomens Terrorismus registrierte. So ging zwar die Zahl der Anschläge gegenüber früheren Jahrzehnten zurück, die der Opfer stieg aber gleichzeitig. Die einzelnen Attacken zeichneten sich durch größere Rücksichtslosigkeit aus und waren dementsprechend tödlicher. Dies wurde insbesondere darauf zurückgeführt, dass die Täter nach dem Kalten Krieg meist Fanatiker waren, die durch nationalistischen, ethnischen, ›rassischen‹ oder religiösen Hass motiviert waren. Ihre Angriffe waren darauf ausgelegt, nicht nur Repräsentanten eines Staates oder eines relativ eng definierten Systems, sondern möglichst viele Menschen einer als Feind betrachteten Gruppe zu ermorden. Parallel dazu beobachtete man, dass an die Stelle straff geführter Organisationen zunehmend lose geknüpfte, transnationale Netzwerke ohne zentrale Kontrolle traten. Auch Einzeltäter ohne klar erkennbare Zugehörigkeit zu einer bestimmten Terrorgruppe verübten nun häufiger tödliche Anschläge. Die Bedeutung staatlicher Unterstützung nahm dagegen nach allgemeiner Ansicht ab. Der neue Terrorismus war unabhängiger und hatte fluide Strukturen. Seine Hintergründe waren schwerer zu durchschauen, zumal seine Aktionen oft nicht mehr von ausführlichen Kommuniqués, politischen Botschaften und Forderungen begleitet wurden. In einigen Fällen übernahm für die blutigen Anschläge niemand die Verantwortung. Diese Verweigerung einer Sinngebung über den Akt der Zerstörung und des Tötens hinaus ließ das Geschehen noch furchteinflößender wirken: »Above all, the anonymous blasts from the blue are terror for terror’s sake, intended to sow fear and make Americans tremble«, wie Time nach den Angriffen auf die Botschaften in Afrika feststellte.176
173 174 175 176
ion, January 24th, 1995«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51634 (12.05.2007); »Remarks to the Nixon Center for Peace and Freedom Policy Conference, March 1st, 1995«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51049 (27.07.2007); »Remarks at the Michigan State University Commencement Ceremony in East Lansing, Michigan, May 5th, 1995«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51317 (27.07.2007). National Security Strategy [1995], 32-4; National Security Strategy [1998], 15f; National Security Strategy [1999], 14f. Vgl. Rielly (Hg.), American Public Opinion and U.S. Foreign Policy 1995, 21; Holsti, »Public Opinion«, 21. Patterson, Restless Giant, 384f. »Terror in Africa«, in: Time 17.08.1998. Zur Veränderung von Terrorismus in den 1990er Jahren vgl. PGT: 1994, iii; PGT: 1995, iii; PGT: 1996, iii; PGT: 1998, iii u. 1; Ian O.
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Transnational und irrational, tödlicher, unberechenbarer und somit unkontrollierbarer als je zuvor stellte Terrorismus die paradigmatische Bedrohung der »new world disorder« dar. Die Gefahr ließ sich nicht länger eindeutig verorten, indem man den Kreml dafür verantwortlich machte, stattdessen kam sie jetzt von überall. Typisch für dieses neue Bild ist zum Beispiel eine Szene in dem Film Bad Company (2002), in der man bei der CIA darüber rätselt, wer die Leute sind, die versuchen, in Prag eine Atombombe auf dem Schwarzmarkt zu erwerben. Die Liste der Verdächtigen ist schlicht zu lang. »Well, the Cold War is over. These guys don’t wave flags anymore, and terrorism, fanaticism is global«, ist die einzige Antwort, die der erfahrene Agent Oakes (Anthony Hopkins) auf die Frage »Who do you think it is?« geben kann. Dieser globale Charakter des Terrorismus wird eindrücklich auch in The President’s Man (2000) dargestellt, wenn der Held zu Beginn des Films die First Lady aus der Hand von Terroristen in Brasilien befreit, später die Tochter eines Senators aus den Fängen einer rechtsgerichteten Sekte in den USA rettet und zum Schluss, in der Haupthandlung des Films, Narcoterroristen in Kolumbien zur Strecke bringt. Wie ich am Beispiel des war on drugs bereits gezeigt habe, ist die Charakterisierung der Bedrohung als allgegenwärtig jedoch nicht nur problematisch. Vielmehr erleichtert dies auch die Feindbildkonstruktion, da nun jedermann mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden kann. Das ist die Steigerung der bereits für die ReaganJahre zu beobachtenden Tendenz, Terrorist und Feind zu weitgehend austauschbaren Kategorien zu machen, wobei der pejorative Gehalt des Begriffs Terrorismus eine solche Entwicklung nur konsequent erscheinen lässt. Nach dem Bedeutungsverlust von Kommunismus, dem vormals verbindenden Element, wird Terrorismus nicht mehr nur als ein Mittel der kommunistischen Kriegführung, sondern stärker als ein ›Ismus‹ für sich selbst begriffen, als eine weitere Ausformung des Totalitarismus, unter der dann wiederum verschiedene Feindbilder subsumiert werden können.177 Terrorismus ist so nicht nur Ausdruck der beunruhigenden Komplexität der Welt, seine Betrachtung als globale Ideologie des Mordens entpuppt sich zugleich auch als ein Weg, um die Verwirrung nach dem Kalten Krieg zu reduzieren und das eigene Weltbild einfach zu halten: So wie alle Bedrohungen zu einer »unholy axis« zusammengeführt werden, werden alle Bösen zu Terroristen. Auf diese Weise kann Terrorismus dazu dienen, neue Feindbilder aufzubauen und einzuordnen oder alte für die Gegenwart zu aktualisieren. Ersteres war bereits am Beispiel von Serbien zu sehen, Letzteres bei der Analyse des Russlandbildes nach dem Ost-West-Konflikt. Gerade die regelmäßige Darstellung russischer Terroristen in den Filmen der 1990er Jahre ist überaus bezeichnend, da sie nicht auf reale Vorfälle zurückgeführt werden kann. Terrorismus erweist sich hier als ein Mittel, um die aus alten Abneigungen und neuen Sorgen gespeiste Furcht vor Russland in eine griffige Form zu bringen. Lesser u.a., Countering the New Terrorism, vorb. für die United States Air Force, RAND Project Air Force, Washington D.C. 1999; Pillar, Terrorism, 20f u. 42-5; Kushner, Terrorism in America, v.a. 86-98. Siehe dazu auch Kap. II.1.2. 177 Vgl. zu Terrorismus als ›Ismus‹ auch Guelke, Age of Terrorism, 16: »The ›ism‹ of terrorism clearly implies the existence of an underlying philosophy of violence or mentality that all terrorists share whatever their differences of political ideology. The difficulty is that the explanations of terrorism […] provide scant empirical evidence of such a coherent basis for terrorism.«
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Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Behandlung amerikanischer Terroristen. In einigen Produktionen stammen die terroristischen Bösewichte tatsächlich aus den USA selbst, zum Beispiel in Die Hard 2, Broken Arrow (1995) und Face/Off (1997). Im Unterschied zu anderen Filmterroristen sind diese Figuren jedoch oft Söldnernaturen, die von – teils ausländischen – Auftraggebern angeheuert werden und primär auf Geld aus sind. Zwar verbindet sie mit anderen Terroristen die Lust an Gewalt, sie teilen aber selten deren Fanatismus.178 Vielfach sind sie eher Gangster oder gekaufte Verräter denn ›richtige‹ Terroristen, die aus Überzeugung handeln. Eine Ausnahme stellt General Hummel (Ed Harris) in The Rock (1996) dar, dem es nicht um persönliche Bereicherung, sondern um die Wiedergutmachung von Unrecht geht, als er auf der stillgelegten Gefängnisinsel Alcatraz Touristen als Geiseln nimmt und mit einem Giftgasangriff auf die Region San Francisco droht. Seine hehren Motive unterscheiden ihn freilich wiederum von anderen Terroristen, denn der Film lässt keinen Zweifel daran, dass Hummels Klagen berechtigt und nur die von ihm gewählten Mittel zu verurteilen sind. Tatsächlich sind seine Drohungen nur ein Bluff, und er ist nicht bereit, zur Durchsetzung seiner Forderungen unschuldige Menschen zu töten. Anders als der typische Terrorist erweist sich dieser überwiegend positive Charakter nicht als Fanatiker, der zum Massenmord bereit ist.179 Vielmehr stirbt er am Schluss sogar bei einer Auseinandersetzung mit einigen seiner Männer, die auf der Durchführung des Angriffs beharren. Diese negativen Gegenbilder zu Hummel entsprechen wieder dem beschriebenen Muster, denn ihr Motiv ist das Geld, das ihnen als Entschädigung für ihren Verrat versprochen worden war. »The day we took hostages we became mercenaries. And mercenaries get paid. I want my fucking money!«, erklärt einer dem General, als sie sich gegen ihn wenden. Amerikanische Terroristen sind in diesem Film also fehlgeleitete Patrioten, die keine echte Bedrohung darstellen, oder Söldner ohne eigenen politischen Hintergrund.180 Beispielhaft für letztere Kategorie sind auch die Schurken in Face/Off. So ähnelt der Charakter von Castor Troy (Nicolas Cage) zwar in vielerlei Hinsicht dem von Wulfgar in Nighthawks (1981): Beide betreiben »terrorism for hire«, wie Castor sein Metier beschreibt, beide genießen den Status eines Superstars auf diesem Gebiet, beide sind Soziopathen, denen es Spaß macht, zu töten, und sie teilen die Vorliebe für einen kostspieligen Lebensstil. Im Gegensatz zu Wulfgar ist Castor jedoch nicht im Dienst einer speziellen ›Sache‹ tätig, an die er glaubt. Überdeutlich wird dies, als sein Bruder Pollux nach ihrer beider Festnahme zu Beginn des Films beklagt, dass eine Bombe, die sie in Los Angeles platziert haben, ihr Zerstörungswerk nun verrichten wird, ohne dass sie dafür entlohnt würden: »Ten million dollar design, and now those militia nutjobs get to keep their cash.« Die Abqualifizierung der Auftraggeber
178 Von den drei genannten Beispielen fällt Die Hard 2 mit seinen unverbesserlichen Kalten Kriegern am ehesten aus dem Rahmen, aber auch hier erscheint die Bezahlung durch den lateinamerikanischen Drogenbaron als mindestens ebenso wichtig. 179 Hummel unterscheidet sich damit überdeutlich von Timothy McVeigh, dem Verantwortlichen für den Anschlag in Oklahoma City, mit dem Prince, Firestorm, 38, ihn beständig vergleicht. Eine solche Parallelisierung ist offenkundig gerade nicht im Sinne des Films. 180 So z.B. auch der Verräter beim Secret Service in Air Force One (1997); vgl. Kap. I.3.
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als Verrückte unterstreicht, dass die Terrorbrüder sich offensichtlich nicht mit deren Ideologie oder politischen Zielen identifizieren. Zugleich ist dies ein seltener Verweis auf die im amerikanischen Film eher vernachlässigte terroristische Bedrohung durch Rechtsradikale aus dem eigenen Land. Auf diese kann hier nicht ausführlich eingegangen werden, es ist jedoch unverzichtbar, sich bewusst zu machen, dass die USA gerade in den 1990er Jahren nicht nur von Terroristen aus dem Ausland attackiert wurden, sondern auch von Amerikanern selbst.181 Tatsächlich war der bis zum 11. September 2001 mit Abstand verheerendste Anschlag auf amerikanischem Boden, das Bombenattentat von Oklahoma City 1995, das Werk einheimischer Regierungsgegner aus der großen rechtsextremen Szene der Vereinigten Staaten. Diese hat viele verschiedene Gesichter, gemeinsam ist zahlreichen Gruppen aber eine ideologische Basis, die die Ablehnung staatlicher Institutionen oberhalb der kommunalen Ebene mit Rassenhass und militanten religiösen Vorstellungen verbindet: Die Christian-Identity-Lehre geht auf ursprünglich aus Großbritannien stammende Vorstellungen von den Angelsachsen als dem eigentlichen auserwählten Volk zurück und erklärt weiße christliche Männer zu den einzigen vollwertigen Bürgern, während andere Rassen als mud people betrachtet werden. Juden gelten sogar als Nachkommen Satans – eine Vorstellung, die von besonderer Bedeutung ist, wenn die Regierung in Washington als Zionist Occupation Government, kurz ZOG, bezeichnet wird, also als Instrument des Bösen zur Unterdrückung der rechtschaffenen Amerikaner, das bekämpft und vernichtet werden muss. Diese Vorstellungen finden sich beispielhaft in dem Roman The Turner Diaries des Neonazis William Pierce, den er 1978 unter dem Pseudonym Andrew Macdonald veröffentlichte.182 Diese fiktive Geschichte eines positiven terroristischen Widerstandes gegen die Regierung und eines erlösenden Rassenkrieges ist für viele Rechtsextreme ein maßgebliches Werk, wurde in den USA bis heute mehrere Hundertausendmal verkauft und war eine Inspirationsquelle für die in den 1980er Jahren aktive Terrorgruppe The Order, die sich sogar nach der Organisation aus Pierces Roman benannte, sowie für Timothy McVeigh, der als Hauptverantwortlicher des Bombenattentats von Oklahoma City verurteilt und im Juni 2001 hingerichtet wurde.183 Bemerkenswert ist, dass viele Elemente von Pierces Werk, etwa die Notwendigkeit für den Helden, sich dem schädlichen Einfluss des Weiblichen zu entziehen, aber auch die Darstellung der Regierungsbürokratie als Feind, gängige Motive der amerikanischen Kultur aufgreifen, die uns in zahlreichen populären Filmen begegnet sind und hier in einer extrem übersteigerten Form erscheinen. Daran zeigt sich, dass die rechtsradikale Ideologie nicht völlig vom gesamtgesellschaftlichen Diskurs separiert werden kann, und das antidemokratische Potential der amerikanischen Mythologie 181 Siehe zu diesem Thema und zu den folgenden Bemerkungen ausführlicher Douglas Kellner, Guys and Guns Amok: Domestic Terrorism and School Shootings from the Oklahoma City Bombing to the Virginia Tech Massacre, Boulder/London 2008, 95-106; Gibson, Warrior Dreams, 195-230; Kushner, Terrorism in America, 56-85; Juergensmeyer, Global Rebellion, 182-92, der auch die Reconstruction Theology als eine weitere ideologische Basis erläutert; außerdem zahlreiche Einträge in Kushner, Encyclopedia. 182 Andrew Macdonald, The Turner Diaries, Hillsboro 21980. 183 Dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »The Turner Diaries«; Juergensmeyer, Global Rebellion, 187f.
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um gewalttätige Erlöserfiguren wird deutlich. Bezeichnenderweise zählten zu den medialen Vorbildern McVeighs auch Mainstream-Produktionen wie Star Wars (1977), Red Dawn (1984), Rambo (1985) und Unforgiven (1992).184 Dass sich die meisten dieser Filme in den Kontext des Kalten Krieges einordnen lassen, liefert einen wichtigen Hinweis darauf, dass zwischen der Zunahme von Rechtsterrorismus in den USA seit den späten 1980er Jahren und dem Ende des OstWest-Konfliktes ein mehr als nur zeitlicher Zusammenhang besteht. Dies erscheint umso logischer, wenn man sich die bereits angestellten Beobachtungen zur Verschärfung der culture wars und der Zunahme von white male paranoia in dieser Zeit vor Augen hält.185 Die Radikalisierung des rechten Lagers in den Vereinigten Staaten während der frühen 1990er Jahre stellt sich nicht zuletzt als eine Reaktion auf den Verlust des Feindbildes Kommunismus dar, bei der die eigene Regierung verstärkt zur Zielscheibe des zuvor nach außen gerichteten Hasses auf das ›unamerikanische Andere‹ wurde. Eine Reihe weiterer Faktoren begünstigte diese Entwicklung: die Wahl Bill Clintons zum Präsidenten, das Abkommen über eine nordamerikanische Freihandelszone mit Mexiko (NAFTA), die Verabschiedung neuer Waffenkontrollgesetze, die Unruhen in Los Angeles 1992 und die blutigen Zusammenstöße zwischen Bundespolizisten und Regierungsgegnern in Ruby Ridge (1992) und Waco (1993). Die große Bedeutung des Verschwindens des äußeren Feindes ist aber offensichtlich, schon weil die Angst vor der »new world order« zu einem zentralen Bestandteil der rechtsextremen Ideologie wurde. Die Mitglieder der Milizen und anderer Gruppierungen fürchteten, dass in der Welt nach dem Zusammenbruch der UdSSR die Machtübernahme durch eine sinistere globale Regierung drohe, die die Amerikaner mithilfe der Verräter in Washington ihrer Freiheit berauben werde, insbesondere ihrer religiösen Freiheit und des Rechts auf Waffenbesitzes.186 Solche Vorstellungen spielen auffälligerweise in den apokalyptischen Szenarien, die von evangelikalen Gruppen in Form von selbstproduzierten Filmen und Romanen verbreitet werden, ebenfalls eine wichtige Rolle: In Produktionen wie Megiddo: The Omega Code 2 (2001) oder der erfolgreichen Left-Behind-Reihe dienen internationale Organisationen wie die Europäische Union und die Vereinten Nationen immer wieder zur Errichtung der Herrschaft des Antichristen.187 Eine weniger extreme, aber gleichwohl oft negative Sicht auf die UNO und vergleichbare Körperschaften begegnet wiederum auch in einigen Mainstream-Filmen, in denen Verbündete und internationale Organisationen, wenn sie nicht bedingungslos dem Kurs der USA folgen, oft
184 Dazu ausführlich Lawrence/Jewett, Myth of the American Superhero, 151-69; zu McVeighs Vorbildern auch Kellner, Guys and Guns Amok, 102f. 185 Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang z.B. auch die Feststellung von Alan Wolfe nach dem 11. September 2001: »It takes a real war to make Americans realize how insignificant our culture war has been.« (»The Home Front: American Society Responds to the New War«, in: James F. Hoge, Jr./Gideon Rose (Hg.), How Did This Happen? Terrorism and the New War, New York 2001, 283-93, hier: 283). 186 Vgl. Kellner, Guys and Guns Amok, 95 u. 106; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Patriot Movement«; Juergensmeyer, Global Rebellion, 152. 187 Zu den Left Behind-Romanen und -Filmen siehe Kellner, Guys and Guns Amok, 98f; Lawrence/Jewett, Myth of the American Superhero, 328-33.
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als eher hinderlich für deren heilsbringende Rolle in der Welt dargestellt werden, etwa in Behind Enemy Lines (2001) und Black Hawk Down (2001). Dass der Rechtsterrorismus in den Vereinigten Staaten nach der Jahrtausendwende wieder zurückging, lässt sich angesichts der hier beschriebenen Umstände seines Anwachsens zumindest zum Teil damit erklären, dass nach dem 11. September 2001 wieder ein äußerer Feind als Projektionsfläche für den patriotischen Zorn und die Kampfbereitschaft der Rechten bereitstand188 und dass der nationale Eigenständigkeit betonende Kurs der Administration von George W. Bush die Ängste vor einer Machtübernahme durch internationale Organisationen verringern musste.189 In den 1990er Jahren allerdings war ein bedeutender Teil des Terrorismus, der die USA heimsuchte, ›hausgemacht‹. Die Sperrung eines Abschnitts der Pennsylvania Avenue, in der das Weiße Haus liegt, für den motorisierten Verkehr war denn auch nicht die Reaktion auf eine Attacke von außen, sondern auf den blutigen Anschlag von Oklahoma City.190 Umso erstaunlicher ist es, dass die terroristische Bedrohung von innen und die Milizen vergleichsweise selten in Spielfilmen behandelt wurden und wenn, dann meist in B- und Fernsehproduktionen wie In the Line of Duty: Ambush in Waco (1993), Red Scorpion 2 (1994), The Patriot (1998) und ATF (1999). Von Referenzen wie der erwähnten in Face/Off oder der Eröffnungsszene von Mercury Rising (1998) abgesehen, brachten nur Arlington Road (1999) sowie – noch in den 1980ern – Betrayed (1988) von Costa-Gavras und Dead Bang (1989) das Thema auf die Kinoleinwand, die vorwiegend von ausländischen Terroristen bevölkert wurde.191 Der Fokus lag im Film und im gesamten Diskurs der 1990er Jahre, nicht anders als im vorangegangenen Jahrzehnt, auf der internationalen Dimension des Terrorismus. Die größte Aufmerksamkeit wurde dabei religiös motivierten muslimischen Attentätern gewidmet. Dies mag insofern als folgerichtig erscheinen, als in der Tat zahlreiche Anschläge gegen amerikanische Ziele von solchen Dschihadisten192 verübt 188 Vgl. auch Kellner, Guys and Guns Amok, 109. 189 Dass Juergensmeyer, Global Rebellion, 259f, die abnehmende Rolle der militanten Christen auch darin begründet sieht, dass sie weitgehend ignoriert wurden, erscheint weniger überzeugend und in den Implikationen nicht unproblematisch, auch wenn man ihm so weit folgen kann, wie er darin einen Unterschied zum Dschihadismus sieht, der von der übersteigerten Aufmerksamkeit profitiert hat. 190 Siehe dazu William J. Clinton, »The President’s Radio Address, May 20th, 1995«, http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51392 (27.07.2007). 191 Vgl. hierzu auch Michael J. Riley, »Militias and Extremist Political Movements«, in: Rollins (Hg.), American History on Film, 392-7, der ebenfalls nur wenige relevante Filme nennt. 192 Ich verwende diesen Begriff anstelle von gebräuchlicheren, aber unpräziseren Bezeichnungen wie Islamisten oder Fundamentalisten. Gemeint sind damit Muslime, die die Errichtung islamischer Staaten oder eines großen Kalifats durch Gewalt anstreben. Die meisten Dschihadisten sind Salafisten, eifern also dem Vorbild einer idealen Gemeinschaft der ersten Muslime nach. Da die Salafisten aber ebensowenig wie andere islamische Fundamentalisten in ihrer Gesamtheit auf Gewalt setzen, ist hier eine Unterscheidung zu treffen, der der Begriff Dschihadisten dienen soll. An dieser Stelle muss jedoch ausdrücklich vermerkt werden, dass auch diese Lösung alles andere als perfekt ist, da das
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wurden, die außerdem repräsentativ für die oben beschriebenen Veränderungen des Terrorismus waren, die Trends zu Fanatismus, zum Abzielen auf möglichst viele Opfer und zu fluiden Netzwerkstrukturen. All dies lässt sich gleichwohl auch für die einheimischen Rechtsterroristen feststellen. ›Objektive Faktoren‹ genügen also offensichtlich nicht als Erklärung für die überragende Bedeutung, die Dschihadisten und ›Schurkenstaaten‹ als Gefahr für die Vereinigten Staaten beigemessen wurde. Wenn man sich dementsprechend fragt, warum der amerikanische Terrorismus so viel weniger Aufmerksamkeit erhielt, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass er als Feindbild nicht so befriedigend war, was insofern logisch ist, als die Abgrenzung von ›uns‹ gegen ›sie‹ hier deutlich schwerer fallen musste. Gerade die erwähnten Verknüpfungen zwischen der Ideologie der Rechtsterroristen und den nationalen Mythen musste diesbezüglich ein schwerwiegendes Problem darstellen. Die Konfrontation der Amerikaner mit negativen Aspekten der eigenen Identität, mit der Möglichkeit, selbst Terroristen zu sein oder werden zu können, stellte im Grunde das Gegenteil der positiven Selbstvergewisserung dar, die ein Feindbild ermöglichen soll. Das letztlich wenig überraschende Ausweichen vor dieser Problematik kann man denn auch daran erkennen, dass der Diskurs in den Vereinigten Staaten rasch dazu tendierte, Timothy McVeigh und Terry Nichols, nachdem sie als Verantwortliche für den Anschlag in Oklahoma City identifiziert worden waren, aus einem größeren Kontext herauszulösen und als undurchschaubare, irrationale Individuen zu porträtieren.193 Als solche erschienen sie repräsentativ für die Unberechenbarkeit der terroristischen Bedrohung, nicht aber für Charakteristika der Vereinigten Staaten – so wie die Bösewichte in Filmen wie Face/Off. Ein zentrales Element sowohl der filmischen als auch der sicherheitspolitischen Auseinandersetzung mit der Terrorismus-Thematik war die Furcht vor Angriffen mit Massenvernichtungswaffen. Wie ich in Kapitel II.1.2 bereits ausführlich dargestellt habe, wurde die Perspektive, dass nukleare, chemische oder biologische Waffen von feindlich gesinnten Staaten oder Terroristen gegen die USA und ihre Verbündeten eingesetzt werden könnten, schnell zum Kernstück der Bedrohungsperzeption in den 1990er Jahren. Dies war in mehrfacher Hinsicht eine Folge des Endes des Ost-WestKonfliktes. So war die Gefahr von Nuklearterrorismus auch in den 1970er und 1980er Jahren bereits diskutiert und in Filmen wie Supermann II (1980) aufgegriffen worden; angesichts der Möglichkeit eines apokalyptischen Krieges zwischen den Supermächten hatte sie jedoch nicht die Bedeutung einer existentiellen Herausforderung islamische Konzept des Dschihad die Bemühung um den Glauben insgesamt meint und keineswegs auf gewalttätige Auseinandersetzungen beschränkt ist. Die Rede von Dschihadisten soll deshalb nicht einem im Westen allzu verbreiteten, auf Krieg verkürzten Verständnis von Dschihad Vorschub leisten. Sie erscheint mir aber insofern angemessen, als das Konzept des Dschihad in seiner konfrontativen Variante eine bedeutende Rolle in der Rhetorik der radikalen, zu terroristischen Methoden greifenden Muslime spielt. Für genauere Erläuterungen der Begrifflichkeiten siehe Kleines Islam-Lexikon: Geschichte, Alltag, Kultur, hg. von Ralf Elger unter Mitarbeit von Friederike Stolleis, 4., aktual. u. erw. Auflage, München 2006, s.v. »Jihâd« u. »Salafîya«. 193 Dazu Joseba Zulaika/William A. Douglass, Terror and Taboo: The Follies, Fables, and Faces of Terrorism, New York/London 1996, 216f; Juergensmeyer, Global Rebellion, 151. Zu McVeighs klaren Motiven siehe auch Prince, Firestorm, 37.
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erlangt, zumal sie vielen Fachleuten noch eher theoretischer Natur zu sein schien. So stellte etwa Brian Jenkins auf einer Konferenz im Juni 1985 fest: »[G]oing nuclear still represents a quantum jump for terrorists, one that it is not impossible but by no means imminent or inevitable.«194 In der »new world disorder« stellte sich die Lage aber plötzlich ganz anders dar: Die Proliferation von Massenvernichtungswaffen wurde nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Ausbreitung chaotischer Zustände als kaum noch kontrollierbar angesehen. Gleichzeitig agierten Terroristen immer brutaler, und es galt als sicher, dass viele von ihnen auch vor dem Einsatz äußerster Mittel nicht zurückschrecken würden. Das nukleare Damoklesschwert des Kalten Krieges wurde so, kaum dass es verschwunden war, durch eine scheinbar noch ernstere und akutere Bedrohung ersetzt. Der Defense Against Weapons of Mass Destruction Act, den der amerikanische Kongress 1996 verabschiedete, brachte diese Sorgen deutlich zum Ausdruck und stellte einen Versuch dar, der Gefahr durch umfangreiche Planungen und verbesserte Schutzmaßnahmen Herr zu werden.195 Er war ein Markstein in einer ganzen Reihe von Verordnungen und Beschlüssen, die sich vor allem in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre dem Problem des Terrorismus widmeten. Der Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act etwa erweiterte im selben Jahr noch einmal die Kompetenzen des FBI und vereinfachte zudem die Deportation von Terrorverdächtigen.196 Bereits am 21. Juni 1995 hatte Clinton die Presidential Decision Directive 39 zur Terrorismusbekämpfungspolitik der USA unterzeichnet.197 1998 schuf er mit PDD-62 ein neues »Office of the National Coordinator for Security, Infrastructure Protection and Counter-Terrorism« innerhalb des Nationalen Sicherheitsrates.198 Auch das Budget zur Terrorabwehr wurde mehrfach erhöht und stieg allein zwischen 1998 und 2001 um schätzungsweise 50%.199 Im Jahr 1999 waren 1.400 FBI-Agenten mit Terrorismus befasst (1993 waren es noch 550 gewesen) und die Bundespolizei richtete eine eigene Counter-Terrorism-Abteilung unter einem stellvertretenden Direktor ein.200 Bei einem NATO-Gipfel in Washington im März 1999 setzte die Clinton-Administration außerdem durch, »dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus
194 Brian Jenkins in Paul Leventhal/Yonah Alexander (Hg.), Nuclear Terrorism: Defining the Threat. Proceedings of the Conference on International Terrorism: The Nuclear Dimension, June 24-25, 1985, Washington, D.C., Washington D.C. u.a. 1986, 25-33, hier: 33. Für Warnungen aus den 1980er Jahren siehe z.B. auch Neil C. Livingstone, »The Impact of Technological Innovation«, in: Ra’anan u.a. (Hg.), Hydra of Carnage, 137-53, hier: 141-4; Rivers, War, 105-19. Zu den 1970er Jahren siehe Tucker, Skirmishes, 15. 195 Online: http://www.fas.org./spp/starwars/congress/1996/pl104-201-xiv.htm (26.04.2008). 196 Vgl. Kushner, Encyclopedia, s.v. »Federal Bureau of Investigation«. 197 Eine Zusammenfassung des Dokuments, das der Geheimhaltung unterliegt, bietet das Justizministerium online unter http://www.ojp.usdoj.gov/odp/docs/pdd39.htm (25.01. 2009). 198 Auch dieses Dokument unterliegt in weiten Teilen der Geheimhaltung. Zusammenfassung online unter http://fas.org/irp/offdocs/pdd-62.htm (25.01.2009). Siehe zu Clintons Presidential Decision Directives auch Clarke, Against All Enemies, 93 u.166-70. 199 Patterson, Restless Giant, 381. 200 Pillar, Terrorism, 80.
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ganz nach vorn auf die Agenda [des Bündnisses] rückte.«201 Gerade an dieser neuen Aufgabenstellung für die im Kalten Krieg gegründete Allianz zeigt sich überdeutlich, dass Terroristen immer stärker den Platz beanspruchten, den früher die Sowjetunion innegehabt hatte. Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang eine Rede, die Clinton im Juni 1996, also kurz nach dem Anschlag auf die Khobar Towers, an der George Washington University hielt und in der er den Kampf gegen den Terror folgendermaßen beschrieb: »This will be a long, hard struggle. There will be setbacks along the way. But just as no enemy could drive us from the fight to meet our challenges and protect our values in World War II and the cold war, we will not be driven from the tough fight against terrorism today. Terrorism is the enemy of our generation, and we must prevail.«202 Es ist bemerkenswert, wie stark in solchen Äußerungen bereits zentrale Bestandteile der war-on-terror-Rhetorik der Administration von George W. Bush vorweggenommen wurden, insbesondere die Anknüpfung an den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg und – damit verbunden – die Beschwörung einer langen, letztlich aber siegreichen Auseinandersetzung. Weitere Parallelen lassen sich entdecken, wenn man beispielsweise eine Pressekonferenz betrachtet, die Außenministerin Madeleine Albright und der Nationale Sicherheitsberater Sandy Berger am 20. August 1998 gaben, nachdem die USA als Antwort auf die Attacken gegen ihre beiden Botschaften in Afrika afghanische Lager des al-Qaida-Netzwerkes und eine vermeintliche Giftgasfabrik im Sudan mit Marschflugkörpern angegriffen hatten. »As today’s strikes illustrate, there will be no sanctuary or safe haven for terrorists«, erläuterte Albright die Botschaft der Aktion.203 Sie konstatierte, »[that] the terrorists […] have, in fact, declared war on us«, und antwortete auf die Frage, wann die Alliierten informiert worden seien: »They were told after. Let me make very clear here – this was a threat to U.S. national interests. The United States will act unilaterally when we are doing something in the defense of our national interests. And this was done in selfdefense.«204 Der Marschflugkörperangriff illustrierte die Entschlossenheit der Regierung Clinton, gegen Terroristen im Allgemeinen und den als besonders gefährlich eingestuften Osama Bin Laden im Besonderen vorzugehen, auch mit Mitteln jenseits der Beschränkungen traditioneller Verbrechensbekämpfung. Richard Clarke berichtet in seinem Insiderbuch Against All Enemies, dass der Präsident alle während seiner Amtszeit gestellten Anträge auf extraordinary renditions, also Entführungen, von Terrorverdächtigen genehmigt habe.205 Er autorisierte die CIA sogar, Bin Laden zu töten.206 Zudem wurde gegen Ende seiner Amtszeit ein Plan für eine aggressive Kampagne 201 Bierling, Geschichte der amerikanischen Außenpolitik, 231. 202 William J. Clinton, »Remarks on American Security in a Changing World at George Washington University, August 5th, 1996«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid= 53161 (27.07.2007). 203 Vgl. dazu auch National Security Strategy [1998], 16. 204 William, J. Clinton, »Press Briefing by Secretary of State Madeleine Albright and National Security Adviser Sandy Berger, August 20th, 1998«, http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=48285 (27.07.2007). 205 Clarke, Against All Enemies, 145. 206 Ebenda, 204; Burleigh, Blood and Rage, 432.
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gegen al-Qaida ausgearbeitet, der viele Elemente wie die Unterstützung der Nordallianz in Afghanistan und den Einsatz von bewaffneten Predator-Drohnen enthielt, die nach dem 11. September 2001 aufgegriffen werden sollten. Der anstehende Machtwechsel im Weißen Haus verhinderte jedoch zunächst die Umsetzung des Vorhabens. Mitglieder von Clintons Regierungsmannschaft beklagten später, mit ihren entschiedenen Warnungen vor al-Qaida und mit dem Drängen auf rasches Handeln bei Besprechungen mit der neuen Administration nicht durchgedrungen zu sein.207 Ohne Zweifel war Terrorismus für Bush und seine Berater anfangs nicht von höchster Priorität. Im Wahlkampf hatten sie die vielen Interventionen von Clintons Amtszeit kritisiert und sich für eine zurückhaltendere Außenpolitik ausgesprochen,208 die sich wieder auf Amerikas eigentliche nationale Interessen konzentrieren sollte. Auf der Agenda standen als wichtigste Themen die geplante Raketenabwehr und die Beziehungen zu den großen Mächten Russland und China.209 Terrorismus schien demgegenüber weniger bedeutsam zu sein. Dies änderte sich freilich mit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon, die auch ohne den Einsatz von Massenvernichtungswaffen Tausende Opfer forderten und die Ankündigungen einer Reihe von Experten wahr werden ließen, die 1998 in der Zeitschrift Foreign Affairs prophezeit hatten, »[that] an act of catastrophic terrorism would be a watershed event in American history. […] Like Pearl Harbor, this event would divide our past and future into before and after.«210 In der Tat diktierte Präsident Bush am Abend des 11. September 2001 für sein Tagebuch: »The Pearl Harbor of the 21st century took place today.«211 Auch andere machten sich schnell den Vergleich mit dem japanischen Angriff auf die Pazifikflotte 1941 zu eigen,212 der gleich mehrere Aussagen kommunizierte: Zunächst wurde damit natürlich betont, dass die Vereinigten Staaten im Frieden von einem heimtückischen Feind überfallen worden waren, zugleich wurde der Angriff damit aber auch als etwas anderes als ein gewöhnlicher Terroranschlag charakterisiert, nämlich als eine Kriegshandlung. Beides definierte 9/11, wie das Ereignis bald kurz genannt wurde, als Wendepunkt der Geschichte, so wie von den Autoren des Foreign-Affairs-Artikels vorhergesagt. In diesem Sinne eines radikalen Umbruchs bemerkte beispielsweise Condoleezza Rice in einer Rede vor dem Chicago Council on Foreign Relations im Oktober 2003: »No less than December 7th, 1941, September 11th, 2001 forever changed the lives of every American and the strategic perspective of the United States.«213 Darüber hinaus implizierte die Analogie zum Zweiten Weltkrieg nicht zuletzt dessen klare Rollenverteilung zwischen Gut und Böse – gerade auch im Hin207 Siehe dazu ausführlich Clarke, Against All Enemies; außerdem »They Had a Plan«, in: Time 12.08.2002. 208 Vgl. »Watch Out for an October Surprise«, in: Time 23.10.2000; Patterson, Restless Giant, 406. 209 Rice, »Promoting the National Interest«. 210 Carter u.a., »Catastrophic Terrorism«, 81. 211 Zitiert nach Bob Woodward, Bush at War, New York u.a. 2002, 37. 212 Vgl. »The Case for Rage and Retribution«, in: Time 24.09.2001; »For Washington, a Modern Pearl Harbor«, in: IHT 12.09.2001. 213 »Dr. Condoleezza Rice Discusses Iraq in Chicago«, http://www.whitehouse.gov/news/ releases/2003/10/20031008-4.html (05.08.2007).
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blick auf die Reaktion der USA – sowie die Aussicht auf Vergeltung und einen triumphalen Sieg, wie er am Ende der Auseinandersetzung mit Japan und den anderen Achsenmächten erreicht worden war. Der letzte Punkt wird besonders deutlich, wenn man sich die Aufbereitung der Geschichte in dem Film Pearl Harbor ansieht, der passenderweise im Mai 2001 in den amerikanischen Kinos angelaufen war. Diese Produktion aus der Firma von Jerry Bruckheimer beschwört nicht nur penetrant amerikanischen Heroismus, sondern verwendet ein gutes Drittel ihrer Laufzeit von fast 180 Minuten darauf, den von Colonel James Doolittle (Alec Baldwin) angeführten Vergeltungsangriff auf Tokyo am 18. April 1942 darzustellen, mit dem die USA ihre Fähigkeit demonstrierten, den Feind ebenfalls in seiner Heimat zu treffen. Die Bedeutung dieses waghalsigen Unternehmens, bei dem einer der Helden ums Leben kommt, macht der aus dem Off gesprochene Schlussmonolog der weiblichen Hauptfigur Evelyn (Kate Beckinsale) auch für den begriffsstutzigsten Zuschauer deutlich: »When the action is over and we look back, we understand both more and less. This much is certain: Before the Doolittle raid, America knew nothing but defeat. After it, nothing but victory. […] America realized that she would win and surged forward. It was a war that changed America. […] World War II, for us, began at Pearl Harbor, and 1177 men still lie entombed in the battleship Arizona. America suffered, but America grew stronger. It was not inevitable. The times tried our souls, and through the trial, we overcame.«
Während der letzten Sätze werden zeitgenössische Unterwasseraufnahmen vom Wrack der Arizona gezeigt, das als ground zero des japanischen Überfalls inszeniert wird, im Gesamtkontext aber nicht nur ein Symbol des Leides, sondern auch des Triumphes ist. Die Erinnerung daran, dass der Zweite Weltkrieg die Vereinigten Staaten letztlich stärker und besser gemacht habe, beinhaltet eine frohe Botschaft für die Amerikaner der Gegenwart, gerade nach dem 11. September 2001: Der Terroranschlag kann wie Pearl Harbor zum Signal für den rächenden Gegenangriff und damit letztlich zum Beginn eines siegreichen Feldzugs gegen das Böse werden. Dass tatsächlich schon der für die Japaner scheinbar so erfolgreiche Überraschungsangriff ihre Niederlage einläutet, verdeutlicht auch der angeblich historische Ausspruch von Admiral Yamamoto (Mako), als er die Glückwünsche eines Untergebenen entgegennimmt: »I fear all we have done is to awaken a sleeping giant.« Nach dem exakt selben Muster behandelte drei Jahre später The Alamo (2004) ein noch weiter zurückliegendes und noch stärker mythisiertes Ereignis aus der amerikanischen Geschichte, nämlich die Zerstörung des im Titel genannten texanischen Forts durch mexikanische Truppen im Unabhängigkeitskrieg der Texaner gegen Mexiko 1836. Auch dieser Film endet nicht etwa mit der Einnahme Alamos, sondern erst mit dem kriegsentscheidenden Sieg der texanischen Truppen in der Schlacht am San Jacinto mehrere Wochen später. Beide Kämpfe werden nicht zuletzt durch die Montage der letzten Bilder sinnfällig miteinander verknüpft, wenn auf die Aufnahmen des mit gefallenen Mexikanern bedeckten Schlachtfeldes eine Rückblende zu dem auf den Mauern von Alamo Geige spielenden Volkshelden Davy Crockett (Billy Bob Thornton) folgt. Die von der Übermacht überwältigten und bis auf den letzten Mann getöteten Verteidiger des Forts sind nicht umsonst den Heldentod gestorben. Ihr Beispiel stachelt die Amerikaner an, und am Ende triumphieren die Opfer der Aggression so
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doch noch über den Feind. Es ist in unserem Zusammenhang von besonderem Interesse, dass dieser Film bereits vor dem 11. September 2001 in Vorbereitung war, danach jedoch erheblichen Veränderungen unterworfen wurde, wie Stanley Corkin in einer Besprechung im Journal of American History erläutert hat: Aus dem ursprünglich als komplexe Behandlung des Mythos konzipierten Projekt, das auch die Verbindungen der Geschehnisse zu Themen wie Sklaverei und Expansion thematisieren sollte, wurde ein letztlich auf schlichte Weise affirmatives Heldenepos.214 Der Film spiegelt so deutlich die Einstimmung der Vereinigten Staaten auf Krieg nach dem 11. September 2001 wider. Grundlage hierfür war die auch in dem Vergleich mit Pearl Harbor zum Ausdruck gebrachte, weit verbreitete Sichtweise, dass man keinen ›gewöhnlichen‹ Anschlag erlebt hatte. »The deliberate and deadly attacks which were carried out yesterday against our country were more than acts of terror. They were acts of war«, wie Präsident Bush am Tag danach feststellte.215 Diese Einschätzung, die auch von einem großen Teil der internationalen Medien geteilt wurde,216 wiederholten die Vertreter der amerikanischen Regierung in der Folge immer wieder.217 Mit Blick auf die vorangegangenen Jahrzehnte ist es jedoch erstaunlich, dass die Angriffe auf New York und Washington von Bush als »the first battle of war« charakterisiert wurden.218 Denn wie zu sehen war, befanden sich die USA nach eigenem Bekunden bereits seit den 1980er Jahren im ›Krieg gegen den Terrorismus‹. Immer wieder war davon in politischen Äußerungen, in Meldungen der Presse und nicht zuletzt in den Erzeugnissen der Populärkultur die Rede gewesen. Ob nun der demokratische Kongressabgeordnete Richard A. Gephardt 1985 behauptete: »Make no mistake about it: we are a nation at war«,219 oder Time und die Washington Post den Kampf gegen Terroristen in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zum »new worldwide war«220 beziehungsweise noch etwas prägnanter zum »New World War«221 erklärten; ob CIA-Chef George Tenet vor einem Senatsausschuss erklärte, »[that] we 214 Stanley Corkin, »The Alamo«, in: JAH 92:3 (2005), 1086-8. 215 George W. Bush, »Remarks Following a Meeting With the National Security Team, September 12th, 2001«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=58058 (27.07.2007). 216 Siehe dazu Christian Schicha, »› War on America‹ – Medienberichterstattung und symbolische Politikinszenierung nach den Terroranschlägen in den USA«, in: Ulrich Albrecht/Jörg Becker (Hg.), Medien zwischen Krieg und Frieden (Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V., Bd. 29), Baden-Baden 2002, 123-33, hier v.a. 126f. 217 Vgl. z.B. die Ansprache von UN-Botschafter John D. Negroponte am 1. Oktober 2001, »Measures to Eliminate International Terrorism«, http://www.state.gov/p/io/rls/rm/2001/ 5127.htm (05.08.2007), oder die »Introduction by Ambassador Francis X. Taylor«, in: PGT: 2001, v-xiv, hier: xi, wo der entsprechende Satz noch hervorgehoben ist. 218 George W. Bush, »Remarks in a Meeting With the National Security Team and an Exchange With Reporters at Camp David, Maryland, September 15th, 2001«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=63199 (27.07.2007). 219 Richard A. Gephardt, »The New Nightmare: Nuclear Terrorism«, in: Leventhal/Alexander (Hg.), Nuclear Terrorism, 144-50, hier: 144. Hervorhebung im Original. 220 »The Terror Trap«, in: Time 12.08.1996. 221 »Where the CIA Wages Its New World War«, in: WP 09.09.1998.
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have been on a war footing for a number of years now«,222 oder der Präsident in dem Actionfilm The Rock wie selbstverständlich feststellte, »[that] we are at war with terror« – der Krieg war in jedem Fall schon lange vor dem 11. September 2001 in aller Munde. Zudem war es bereits in den 1980er und 1990er Jahren nicht nur bei Rhetorik geblieben. Insbesondere die Administrationen von Ronald Reagan und Bill Clinton hatten die Bereitschaft demonstriert, Terrorismus gegebenenfalls auch mit Mitteln außerhalb des internationalen Rechts zu bekämpfen, indem sie etwa die Entführung von Verdächtigen genehmigten oder Militärschläge gegen Staaten durchführten, die als Unterstützer von Terroristen galten. Die Konzentration auf das al-Qaida-Netzwerk Osama Bin Ladens war in diesem Zusammenhang ebenfalls keine neue Entwicklung, wie schon der unter Clinton entworfene Plan für dessen Zerschlagung belegt. Offensichtlich war (und ist) die von vielen vertretene Meinung, dass sich mit dem Einsturz der Zwillingstürme des World Trade Centers »alles geändert hatte«,223 falsch. Der Vergleich mit Pearl Harbor ist dennoch nicht gänzlich unangemessen, wenn man sich – was in der Regel freilich unterbleibt, wenn dieses Ereignis angesprochen wird – bewusst macht, dass Amerikas Weg in den Zweiten Weltkrieg gleichfalls lange vor dem Angriff der Japaner auf die US-Pazifikflotte begonnen hatte. Pearl Harbor machte den sofortigen Kriegseintritt der USA unausweichlich, einen radikalen Bruch oder eine Kehrtwende in der amerikanischen Politik bedeutete das jedoch nicht. In diesem Sinne sollte auch der 11. September 2001 weniger als »a turning point in America’s history«224 verstanden werden, wie er bis heute gerne hingestellt wird, sondern eher als Katalysator, der seit längerem im Gang befindliche Prozesse beschleunigte und bereits bestehende Tendenzen – zum Teil massiv – verstärkte.225 Eindrücklich zeigt sich dies im Vergleich zweier Umfragen: Bei einer im September 2001 noch vor den Anschlägen durchgeführten Erhebung nannten 80% der Befragten den Schutz der USA vor terroristischen Angriffen als eine »Top Priority« der Außenpolitik; einen Monat später waren es 93%. Dieser sprunghafte Anstieg um 13 Prozentpunkte ist zweifellos signifikant und muss als Reaktion auf 9/11 interpretiert werden. Gleichwohl ist dies eine Veränderung auf sehr hohem Niveau, die keinen Meinungsumschwung signalisiert. Schließlich hatten schon in der Septemberumfrage vier von fünf Amerikanern der Terrorabwehr die größte Bedeutung zugemessen und sie damit bereits zu dem am häufigsten genannten Politikziel gemacht. Was man also konstatieren muss, ist, dass sich nach dem 11. September 2001 noch einmal ein
222 Zitiert nach ebenda. 223 John Lewis Gaddis, »Lehren aus der alten Ära für die neue«, in: Strobe Talbott/Nayan Chanda (Hg.), Das Zeitalter des Terrors: Amerika und die Welt nach dem 11. September, übers. von Joachim Kalka u.a., München/Berlin 2002, 18-35, hier: 18. 224 John Ashcroft, »Testimony before the Senate Committee on the Judiciary, September 25, 2001«, http://www.usdoj.gov/archive/ag/testimony/2001/0925AttorneyGeneralJohnAshcr oftTestimonybeforetheSenateCommitteeontheJudiciary.htm (26.04.2008). 225 Siehe hierzu auch Michael Butter u.a. (Hg.), 9/11: Kein Tag, der die Welt veränderte, Paderborn u.a. 2011.
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beachtlicher Teil der Bevölkerung einer Haltung anschloss, die die überwältigende Mehrheit schon zuvor vertreten hatte.226 Ein weiteres Beispiel ist die Furcht vor Massenvernichtungswaffen: Diese erreichte gleichfalls einen neuen Höhepunkt, insbesondere nachdem im Gefolge der Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon einige mit Anthrax präparierte Briefe aufgetaucht waren, deren Herkunft bis heute nicht eindeutig geklärt werden konnte. Auch diese Ängste waren jedoch, wie ich ausführlich dargelegt habe, nichts Neues: Die »Nuke Pipeline« aus der ehemaligen UdSSR, über die Time im Dezember 2001 berichtete,227 hatte bereits in den 1990er Jahren im Fokus zahlreicher Bedrohungsanalysen gestanden, und auch Schreckensszenarien wie die von der Reporterin Judith Miller oder den neokonservativen Vordenkern David Frum und Richard Perle beschworene Vision von mit tödlichen Krankheiten infizierten Selbstmordattentätern, die durch die Straßen amerikanischer Großstädte ziehen könnten, griffen auf wohlbekannte Bilder zurück.228 Wie stark der war on terror der Bush-Administration in seiner praktischen Umsetzung auf bereits Bestehendem aufbaute, haben Peter Andreas und Ethan Nadelmann in ihrer Studie zur Internationalisierung und Amerikanisierung der Verbrechensbekämpfung gezeigt und damit ebenfalls das Klischee widerlegt, es habe sich durch den 11. September 2001 alles geändert: »The terrorist attacks provided the catalyst, but the mobilization of an unprecedented global antiterrorism campaign has very much been shaped by and built on previous policies and an international policing infrastructure already in place.«229 Die zunehmende Konzentration auf transnationale Bedrohungen seit den späten 1980er Jahren und vor allem der ›Krieg gegen die Drogen‹ entpuppen sich als Wegbereiter der scheinbar revolutionären Entwicklungen. Die Ursprünge vieler angeblich neuer Initiativen, die als Reaktion auf die Anschläge verkauft wurden, lassen sich in die Zeit vor 9/11 zurückverfolgen, so zum Beispiel bei dem Grenzkontrollsystem US VISIT (United States Visitor and Immigrant Status Indicator Technology).230 Zugleich wurden die neuen Vollmachten, die etwa im PATRIOT Act vom Kongress genehmigt wurden, von den amerikanischen Behörden keineswegs nur im Kampf gegen den Terrorismus eingesetzt, sondern auch zur Verfolgung anderer krimineller Aktivitäten. In vielen Fällen bekamen die Ermittler nun einfach die Mittel in die Hand, die sie sich schon lange gewünscht hatten.231 Der war on terror bot somit vor allem eine Gelegenheit, Forderungen nach bestimmten Maßnahmen mit Verweis 226 Zahlen aus Shoon Kathleen Murray/Christopher Spinosa, »The Post-9/11 Shift in Public Opinion: How Long Will It Last?«, in: Eugene R. Wittkopf/James M. McCormick (Hg.), The Domestic Sources of American Foreign Policy, Lanham u.a. 42004, 97-115, hier: 105. 227 »The Nuke Pipeline«, in: Time 17.12.2001. 228 »From Botox to Botulism«, in: NYT 26.09.2001; David Frum/Richard Perle, An End to Evil: How to Win the War on Terror, New York 2003, 61f. Mit einer literarischen Umsetzung dieser Idee wartet Alex Berenson, The Faithful Spy, New York 2006, auf. Zur Furcht vor Bioterrorismus vor und nach 9/11 siehe ausführlich Sarasin, »Anthrax«. 229 Andreas/Nadelmann, Policing the Globe, 189. 230 Dazu ebenda, 206. 231 Vgl. ebenda, 191f.
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auf eine angeblich radikal veränderte Sicherheitslage durchzusetzen. Die BushAdministration machte von dieser Möglichkeit reichlich Gebrauch, um ihr Programm zu verwirklichen – auch in Punkten, deren Verbindung zum ›Krieg gegen den Terror‹ nicht gerade offensichtlich war, wie zum Beispiel bei der Ausweitung der präsidialen Befugnisse beim Abschluss von Handelsabkommen.232 Auf diese Weise wurde die in den 1990er Jahren gegenüber dem Kongress geschwächte Stellung des Präsidenten wieder erheblich gestärkt.233 Entscheidende Entwicklungen, die nach dem 11. September 2001 stattfanden, bauten also auf längst gelegten Fundamenten auf. Das wird besonders deutlich, wenn man die reichhaltige filmische Auseinandersetzung mit dem Thema Terrorismus seit den 1980er Jahren betrachtet. Eindrücklich illustriert wird die Kontinuität etwa durch Swordfish, der Anfang Juni 2001 in den amerikanischen Kinos startete, drei Monate vor den Terrorangriffen aber bereits eine bemerkenswerte Kriegsmentalität transportierte. Im Mittelpunkt der Handlung steht der vorbestrafte Computerhacker Stan (Hugh Jackman), der von dem mysteriösen Gangster Gabriel (John Travolta) angeheuert wird, um einen Wurm zu programmieren, den dieser für den Diebstahl von 9,5 Milliarden Dollar braucht, die auf schwarzen Konten der US-Regierung liegen. Da Stan dringend Geld benötigt, um das Sorgerecht für seine kleine Tochter Holly zu erstreiten, lässt er sich trotz seiner Bedenken auf das Unternehmen ein, das sich schnell als noch deutlich gefährlicher entpuppt als befürchtet. Denn sein Auftraggeber ist kein gewöhnlicher Verbrecher, sondern ein Geheimagent außerhalb jeder konstitutionellen Kontrolle, der seine Berufung darin sieht, mit äußersten Mitteln die Freiheit Amerikas zu verteidigen, und die Milliarden zur Finanzierung dieses Krieges will. STAN: »Who are we at war with?« GABRIEL: »Anyone who impinges on America’s freedom. Terrorist states, Stanley. Someone must bring their war to them. They bomb a church, we bomb ten. They hijack a plane, we take out an airport. They execute American tourists, we tactically nuke an entire city. Our job is to make terrorism so horrific that it becomes unthinkable to attack Americans.«
Gabriel präsentiert sich in mehreren solcher Ansprachen als Vertreter einer kompromisslosen Counter-Terrorism-Strategie, die auf massive Gegengewalt jenseits jeglicher völkerrechtlicher Beschränkungen setzt. Der Tod von unschuldigen Menschen, selbst von einigen Amerikanern, wird von ihm dabei als notwendiges Übel in Kauf genommen.
232 Vgl. dazu »Inside the War Room«, in: Time 31.12.2001-07.01.2002. 233 Dazu ausführlich Jürgen Wilzewski, »Back to Acquiescence? Präsident und Kongress nach den Terrorangriffen auf Amerika«, in: Werner Kremp/Jürgen Wilzewski (Hg.), Weltmacht vor neuer Bedrohung: Die Bush-Administration und die US-Außenpolitik nach dem Angriff auf Amerika (Atlantische Texte, Bd. 20), Trier 2003, 63-91; Bernd Greiner, 9/11: Der Tag, die Angst, die Folgen, München 2011, 131-71.
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STAN: »How can you justify all this?« GABRIEL: »Not looking at the big picture, Stan. Here’s a scenario: You have the power to cure all the world’s diseases but the prize for all this is that you must kill a single innocent child. Could you kill that child, Stanley?« STAN: »No.« GABRIEL: »You disappoint me. It’s the greatest good.« STAN: »How about ten innocents?« GABRIEL: »Now you’re getting’ it. How about 100? How about 1,000? Not to save the world but to preserve our way of life.« STAN: »No man has the right to make that decision. You’re no different from any other terrorist.« GABRIEL: »You’re wrong, Stanley. Thousands die every day for no reason at all. Where’s your bleeding heart for them? You give 20 dollars to Greenpeace every year thinking you’re changing the world? What countries will harbor terrorists when they realize the consequences of what I’ll do?«
Da Stan als Held des Films und positive Identifikationsfigur für das Publikum Gabriels Logik widerspricht, scheint Swordfish diese auf den ersten Blick verwerfen zu wollen. Stans Urteil, dass das Vorgehen des selbsternannten Patrioten unmoralisch und er nicht anders als andere Terroristen sei, kommt zunächst als eine klare Aussage daher. Zudem versucht Stan auch aktiv, Gabriels Pläne zu vereiteln, wird also von dessen Helfer zu seinem Gegenspieler, was den anderen wiederum in die Rolle des Antagonisten und damit scheinbar auch des Bösewichts drängt. Wie auch selbstreflexive Erörterungen über das Funktionieren von Hollywoodfilmen in der allerersten Szene andeuten, wäre in dieser Konstellation zu erwarten, dass Stan Gabriel am Ende zur Strecke bringt und damit die moralische Ordnung wiederherstellt. Dies scheint in der Tat zu geschehen, als der Held einen Raketenwerfer ergreift und damit den Helikopter abschießt, in dem der andere sich nach seinem geglückten Coup absetzen will. Diese Auflösung ist jedoch eine Illusion, wie gleich darauf klar wird. Tatsächlich erkennt Stan, als das FBI ihm Gabriels angeblichen Leichnam präsentiert, dass dieser ihn bis zum Schluss an der Nase herumgeführt und dazu benutzt hat, seinen eigenen Tod vorzutäuschen. Stans Heldentat war also Teil von Gabriels genialem Plan, in Wirklichkeit ist er auf anderem Wege entkommen. Bemerkenswerterweise behält der moralisch integere Held diese Erkenntnis, die dem Zuschauer durch eine Montage von Schlüsselmomenten verdeutlicht wird, jedoch für sich. Er schweigt, als der FBIAgent Roberts (Don Cheadle) mit Blick auf den falschen Leichnam erklärt: »This is a bad guy, Stanley. Nobody’s gonna miss him.« Daraus kann man nur den Schluss ziehen, dass Stan mit dieser Analyse nicht übereinstimmt, denn würde er Gabriel als Schurken betrachten, der den Tod oder zumindest Gefängnis verdient hätte, müsste er die Behörden ja über das Täuschungsmanöver aufklären. Stattdessen deckt er mit seinem Schweigen Gabriels Entkommen und wird so am Schluss doch wieder zu dessen Komplizen, diesmal wohlgemerkt nicht gezwungenermaßen, sondern freiwillig. Das ist allerdings nur bedingt überraschend, denn tatsächlich wird Gabriel kaum als typischer Bösewicht präsentiert. So zeichnet er nicht direkt für den Tod von Unschuldigen verantwortlich. Die verheerende Explosion, die während seines Bankraubes mehrere Menschen tötet, wird ausgelöst, weil die Polizei entgegen seiner Anwei-
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sung versucht, eine mit Sprengstoff präparierte Geisel in Sicherheit zu bringen. Wichtig ist auch, dass ihn die Ermordung von Stanleys Ex-Frau und ihrem neuen Mann keinerlei Sympathien kostet, handelt es sich hier doch um eine alkoholabhängige Pornodarstellerin und ihren Produzenten, die zuvor als gänzlich ungeeignetes Umfeld für die kleine Tochter des Helden porträtiert wurden. Dass Gabriel keine richtige Negativfigur ist, wird auch in seinem Konflikt mit dem von Sam Shepard gespielten Senator deutlich, der diese Rolle viel eher ausfüllt: Während Gabriel offensichtlich aus Überzeugung handelt, wird der Senator, der anscheinend als eine Art Vorgesetzter des Agenten fungierte, vor allem von persönlichen Interessen geleitet. Dass er beschließt, Gabriel umbringen zu lassen, als die Entdeckung ihrer gemeinsamen illegalen Operationen droht, gibt diesem zum einen Gelegenheit, sich als eine Art Supermann zu zeigen, der im Alleingang ein ganzes Killerkommando ausschaltet. Zum andern bringt ihm diese Episode, in der er der Verratene ist und von dem kalten Drahtzieher der Macht mit einem bösartig gewordenen Hund verglichen wird, Sympathien ein. Die Erschießung des Senators erscheint denn auch als eine legitime Hinrichtung, bei der Gabriel überzeugend und moralisch überlegen wirkt, wenn er dem Politiker vorwirft: »You’ve sold out America. Patriotism doesn’t have a fouryear shelf life.« Gabriel erscheint also über den gesamten Film hinweg nicht als völliges Gegenbild zum Helden, sondern als ein zumindest zwiespältiger Charakter. In den letzten Szenen wandelt sich dies aber sogar zu einem gänzlich positiven Bild: Nachdem Stan, wie oben beschrieben, darauf verzichtet hat, das FBI über Gabriels Entkommen aufzuklären, sehen wir ihn zusammen mit seiner Tochter auf einer Reise durch die USA mit dem Wohnwagen – ein idyllisches Szenario des Familienglücks, das uns vor der in warmen Erdtönen gefilmten Kulisse des ländlichen amerikanischen Kernlandes präsentiert wird. Als das Auto der beiden sich entfernt, ist aus dem Off noch ein beruhigender Dialogausschnitt zu hören: »Don’t worry, Dad. It’s gonna be okay. We’re gonna be fine«, erklärt Holly ihrem Vater, worauf dieser nur erwidert: »I know, honey.« Darauf folgen eine Schwarzblende und dann ein Übergang nach Monte Carlo, wo noch einmal verdeutlicht wird, dass Gabriel und seine Freundin Ginger nun über das Geld verfügen können. Die beiden fahren ihrerseits auf einem Motorboot davon, und die Kamera fliegt über das Wasser auf eine Jacht zu, während aus dem Off die Stimme einer Nachrichtensprecherin zu hören ist: »In international news, suspected terrorist Allal bin-Hasad was believed to be among the victims killed today in an unexplained explosion onboard a yacht in the Mediterranean. The elusive bin-Hasad, long sought by authorities, was considered responsible for the American embassy bombing in Istanbul earlier this month. This is the third killing of a major terrorist leader in as many weeks.«
Die Jacht explodiert in einem gewaltigen Feuerball, dann beginnt der Abspann. Der Schluss des Films gehört damit der Erkenntnis, dass Gabriels Feldzug gegen den Terrorismus begonnen hat und dass er erfolgreich ist. Es ist nicht unerheblich, dass die Nachrichtenmeldung auf offensichtlich gezielte Tötungen verweist und nicht etwa auf solch maßlose Vergeltungsmaßnahmen, wie sie zuvor gelegentlich im Dialog in Aussicht gestellt worden waren. Dadurch wirken die Aktionen akzeptabler, zumal anscheinend die richtigen Leute getroffen werden.
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Entscheidend ist aber vor allem, dass die Aneinanderreihung der Szenen hier einen unmissverständlichen Zusammenhang zwischen Gabriels brutalem, im Ausland geführtem ›Krieg gegen den Terror‹ und dem Glück des Helden in Amerika herstellt. Stans Gewissheit, dass es ihm und seiner Tochter gutgehen wird, scheint direkt auf dem im Anschluss Gezeigten zu gründen, gerade so, als habe er nun akzeptiert, was Gabriel zuvor einmal zu ihm gesagt hatte: »You don’t understand what it takes to protect these freedoms. That’s my job, Stanley. To protect your way of life.« Von den zuvor geäußerten moralischen Zweifeln bleibt in diesen letzten Minuten des Films nichts übrig. Stattdessen wird Gabriel tatsächlich als der patriotische Verteidiger der Vereinigten Staaten präsentiert. Sympathische Familien können ein friedliches Leben führen und die Schönheit des Landes genießen, weil der entschlossene Terroristenjäger in der Fremde die Bösen tötet.234 Dies ist interessanterweise nicht das ursprünglich im Drehbuch vorgesehene Ende, das ebenfalls gefilmt wurde und beim Bonusmaterial der DVD zu finden ist.235 Hier sind nicht nur die beiden letzten Szenen vertauscht, die Handlung wird auch anders aufgelöst, nämlich so, dass Stan es mittels seiner Computerkenntnisse geschafft hat, das Geld wieder von Gabriels Konten zu stehlen und diversen wohltätigen Organisationen zu spenden. In dieser Version triumphiert der Held also zum Schluss doch noch, und Gabriel bleibt ein Gegenspieler, der bezwungen werden muss. Seine Pläne zur Terrorismusbekämpfung erscheinen somit in einem negativen Licht, und das Happy End der glücklichen Familie wird hier mit dem Scheitern seiner Absichten verknüpft. Dies wäre nahezu das genaue Gegenteil der in der endgültigen Filmfassung verwendeten Version. Regisseur Domic Sena erklärt die Entscheidung gegen diese Auflösung in seinem Audiokommentar damit, dass er kein derart konventionelles Ende haben wollte und dass es ihm angesichts von Gabriels Überlegenheit zuvor unglaubwürdig erschienen wäre, wenn Stan diesen zum Schluss überlistet hätte. Darüber hinaus betont Sena aber auch, dass es ihm wichtig gewesen sei, Gabriel als Patriot zu zeigen: »I hoped that, uh, some people’s interpretation of the character isn’t that he is the badest bad guy. I mean, my take was that he was someone between. Certainly the people he was after, the bin Ladins and the Husseins, they were the villains.« Eine derart präzise Identifikation der »terrorist states« und ihrer Repräsentanten, auf die Gabriel es abgesehen hat, findet im Film selbst nicht statt, ist aber auch nicht nötig. Der Nachrichtentext vor dem Abspann verweist mit dem arabischen Namen des getöteten Terroristen und der Erwähnung von Istanbul zudem deutlich genug auf einen nahöstlich-muslimischen Hintergrund der Feinde der USA. Diese sind also die eigentlichen Schurken, nicht der amerikanische Counterterrorist, so skrupellos dessen Methoden auch sein mögen. Es ist noch einmal daran zu erinnern, dass Swordfish vor dem 11. September 2001 produziert wurde und in den amerikanischen Kinos lief, wo er fast 70 Millionen Dollar einspielte.236 Es bedurfte also offensichtlich nicht erst der Terrorangriffe auf New York und Washington mit ihren Tausenden von Opfern, um die Bekämpfung 234 Vgl. auch Prince, Firestorm, 41: »The film ends here, switching gears to make [Gabriel] Shear a hero[.]« 235 Bei der Ausgabe von Warner Home Video aus dem Jahr 2002. 236 Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/2001/SFISH.php (14.11.2008).
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des Terrorismus mit allen Mitteln, außerhalb der Legalität und unbeschränkt durch kleinliche moralische Erwägungen, als patriotische Pflicht und einzig richtige Antwort auf die Bedrohung der Vereinigten Staaten darstellen zu können. In diesem Zusammenhang sind auch die Reaktionen der Kritiker nicht uninteressant. So sprach die New York Times in ihrer Rezension von einem »morally repugnant scenario«237 und die Washington Times urteilte, »[that] [Gabriel]’s notions of honorable terrorism have no discernible justification«,238 aber es gab auch andere Stimmen. Die New York Post etwa bezeichnete Gabriels Kampagne in ihrer ansonsten äußerst negativen Besprechung als »commendably aggressive«,239 und selbst Roger Ebert fand die Ausführungen von Travoltas Figur »weirdly persuasive«.240 Hinter der Logik von Swordfish aber, die selbst Nuklearschläge zur Option erhebt, steht ein klares Denken in Mustern des Krieges: töten oder getötet werden. Der Film ist damit ein prägnantes und in seiner expliziten Haltung besonders radikales Beispiel für die filmische Umsetzung der Idee des war on terror vor 9/11, für die sich zahllose weitere Belege finden lassen – von True Lies (1994) über Executive Decision (1996) und Air Force One (1997) bis zu Produktionen wie The Sum of All Fears (2002) und Collateral Damage (2002), die vor den Anschlägen fertiggestellt, aber erst danach veröffentlicht wurden. Aus der in diesem Kapitel angestellten Beobachtung, dass der ›Krieg gegen den Terror‹ schon seit den 1980er Jahren eine zentrale Rolle im politischen und populärkulturellen Diskurs der USA spielte, ergeben sich für die Beurteilung des 11. Septembers 2001 und seiner Folgen zwei wesentliche Schlussfolgerungen. Zum einen erscheint es mehr als fragwürdig, den Erfolg des terroristischen Unternehmens auf einen »failure of imagination« seitens der amerikanischen Behörden beziehungsweise der amerikanischen Bevölkerung insgesamt zurückzuführen, wie dies der Abschlussbericht der 9/11-Untersuchungskommission und – unter Berufung darauf – James T. Patterson getan haben.241 Tatsächlich ist es schwer, sich eine Nation vorzustellen, die mehr Zeit, Geld und Energie darauf verwendet hätte, terroristische Angriffe auf ihre Bürger zu imaginieren, als die Vereinigten Staaten in den zwei Jahrzehnten vor den Angriffen auf das World Trade Center und das Pentagon. Nicht von ungefähr wurde in deren Gefolge gemutmaßt, Hollywood habe womöglich die Inspiration für die Tat geliefert. Wer allerdings vermutete, das Publikum werde angesichts der realen Ereignisse kritischer auf die Darstellung terroristischer Gewalt reagieren, irrte sich. Warnhinweise auf potentiell verstörende Szenen, mit denen diverse Filme in amerikanischen Videotheken versehen wurden, hatten keinen erkennbaren Effekt. Vielmehr wurde schon kurz nach den Anschlägen eine gestiegene Nachfrage nach Filmen mit
»A Feverish Thriller That Leaves No Car Unturned«, in: NYT 08.06.2001. »Give Hook to ›Swordfish‹«, in: WT 08.06.2001. » › Swordfish‹ Gets the Hook«, in: NYP 08.06.2001. »Swordfish« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/20010608/ REVIEWS/106080305/1023 (17.11.2008). 241 Patterson, Restless Giant, 385; The 9/11 Commission Report: Final Report of the National Commission on Terrorist Attacks Upon the United States, New York/London 2004, 339-48.
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Terrorismus-Thematik vermeldet – vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil viele Leute amerikanische Helden gegen das Böse siegen sehen wollten.242 Des Weiteren zeigt sich sehr klar, dass es sich bei dem war on terror keineswegs um eine originäre Schöpfung von George W. Bush handelt, gleich ob man dies positiv oder negativ bewerten wollen würde. »Was Terminologie, Themen und Risikoabschätzungen betrifft, so hat die Bush-Administration die Bedrohungsanalyse der Clinton-Administration im Wesentlichen übernommen«, wie Martin Kahl sehr richtig festgestellt hat.243 Anhand des Konzepts der ›Schurkenstaaten‹ wird dies in einem späteren Kapitel noch deutlicher werden. Und wie zu sehen war, reichen die Wurzeln des ›Krieges gegen den Terror‹ sogar über die 1990er Jahre hinaus in der Ära des Kalten Krieges zurück. Nach 9/11 wurde er jedoch von George W. Bush und seiner Regierungsmannschaft auf eine neue Stufe erhoben, als Herz der amerikanischen Außenpolitik, wie insbesondere die neue Nationale Sicherheitsstrategie des Jahres 2002 deutlich machte. Der Unterschied zwischen Präsident Bush und seinen Amtsvorgängern bestand letztlich weniger in der Rhetorik, auch wenn diese noch einmal erheblich verschärft wurde, als vielmehr in deren Umsetzung in politische Maßnahmen, in der Aufhebung der zuvor bereits verschwommenen, aber noch existenten Grenze zwischen metaphorischem und wirklichem Krieg. Der war on terror wurde damit endgültig als eine Tatsache akzeptiert, obwohl Experten immer wieder darauf hingewiesen haben, dass es höchst problematisch und kontraproduktiv ist, die Bekämpfung von Terrorismus als Krieg zu definieren.244 So beanspruchen Terroristen selbst für gewöhnlich, sich im Krieg zu befinden, weil sie ihre Aktionen durch diese Einordnung legitimieren wollen, da Kriegshandlungen moralisch anders bewertet werden als kriminelle Mordanschläge.245 Das bedeutet, dass die Einstufung von Terrorismus als Krieg der Legitimation derer dient, die ihn verüben, was kaum im Interesse der USA und anderer betroffener Staaten sein kann. »Democratic nations must treat terrorists as criminals, for to do otherwise legitimizes terrorists not only in their own eyes but in the eyes of others«, hatte Paul Bremer noch 1987 in seiner Funktion als Ambassador at Large for Counter-Terrorism betont.246 Dass sich im Diskurs innerhalb der Vereinigten Staaten damals jedoch bereits das Kriegsparadigma durchzusetzen begann, lief dieser wichtigen Einsicht zuwider. Eine massive, auf Gegengewalt setzende Reaktion, wie sie geradezu zwangsläufig aus der Vorstellung von Krieg folgt, spielt den Terroristen noch auf andere Weise in die Hände. Tatsächlich zielen terroristische Angriffe in aller Regel nicht zuletzt 242 Siehe dazu Suzanne McCorkle, »American Hero Meets Terrorist: True Lies and Patriot Games After September 11, 2001«, in: Matelski/Lynch Street (Hg.), War and Film in America, 159-74, hier: 171; außerdem »A Terror Alert On News Stickers«, in: NYT 05.10.2001. 243 Martin Kahl, »New Grand Strategy? Die Bush-Administration und die Bekämpfung des internationalen Terrorismus«, in: Kremp/Wilzewski (Hg.), Weltmacht vor neuer Bedrohung, 23-62, hier: 32. 244 Siehe z.B. Tucker, Skirmishes, 65-7; John Arquilla u.a., »Networks, Netwar, and Information-Age Terrorism«, in: Lesser u.a., Countering the New Terrorism, 39-84, hier: 78; Pillar, Terrorism, 5f u. 217f; Byford, »Wrong War«, 34; Burleigh, Blood and Rage, 449. 245 Vgl. Crenshaw, »Thoughts«, 11. 246 »Terrorism and the Rule of Law«, 20.
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darauf ab, Vergeltungsschläge und Repressionsmaßnahmen zu provozieren, die die bekämpfte Regierung als brutalen Unterdrücker oder Aggressor erscheinen lassen und den terroristischen Gruppen selbst somit Sympathien und neue Rekruten einbringen.247 Terroristen versuchen also, durch Provokation ein Klima zu schaffen, in dem ihr Kampf wiederum legitimiert erscheint und deshalb die für einen Erfolg zwingend notwendige breitere Unterstützung gewinnt, sei es von Angehörigen der Gruppe, die sie zu repräsentieren beanspruchen, oder auch von Dritten. Als markantes Beispiel für das Gelingen einer solchen Strategie kann die Unabhängigkeit des Kosovo gelten: Die UÇK lieferte mit ihren Angriffen den Anlass für eine so brutale Kampagne der serbischen Regierung, dass die NATO sich unter Verweis auf humanitäre Gründe zum Eingreifen gezwungen sah. In dem daraus resultierenden Krieg wurde die Herrschaft Serbiens über die Provinz gebrochen und der Weg für die 2008 schließlich erfolgte Ausrufung eines souveränen Staates Kosovo geebnet. Auch 9/11 war als Akt der Provokation ein voller Erfolg. Indem die Regierung der Vereinigten Staaten sich bei der Terrorismusbekämpfung offen über nationales und internationales Recht hinwegsetzte, Verdächtige ohne Prozess festhalten und foltern ließ und aus fadenscheinigen Gründen eine Invasion des Irak unternahm, setzte sie sich in den Augen eines großen Teils der Weltöffentlichkeit ins Unrecht. Vor allem aber sahen viele Muslime durch den rücksichtslos geführten war on terror die Behauptungen der Dschihadisten bestätigt, dass die USA sich im Krieg gegen den Islam befänden. Gerade die Tatsache, dass Amerika nach den verheerenden Anschlägen weltweit zunächst eine Welle der Sympathie entgegengeschlagen war, macht deutlich, wie desaströs sich die aus dem Kriegsparadigma abgeleitete Reaktion der Bush-Administration auswirkte. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Definition von Terrorismusbekämpfung als Krieg schon deshalb unangemessen ist, weil sie auf einer fragwürdigen Einschätzung der von Terroristen ausgehenden Gefahr für die nationale Sicherheit beruht. Terrorismus wird dabei als eine existentielle Bedrohung für den Staat, die Gesellschaft und die Demokratie betrachtet. Die Geschichte liefert dafür jedoch wenige Belege – im Gegenteil: »As a serious, direct threat to modern society, terrorism in general has been remarkably unsuccessful«, stellte James Adams 1986 fest.248 Walter Laqueur hat diese Beobachtung 16 Jahre später noch einmal bestätigt: »[T]errorism, throughout history, has seldom been politically effective[.]«249 Mehr als das: Die von den westlichen Demokratien als Terrorismus eingestufte Gewalt hat auch wesentlich weniger Opfer gefordert, als die ihr gewidmete Aufmerksamkeit vermuten lassen würde. Vor dem 11. September 2001 kamen jährlich mehr Amerikaner durch Bienenstiche, Ertrinken in der Badewanne oder Blitzschläge ums Leben als durch terroristische Aktionen – von Autounfällen oder ›normalen‹ Gewaltverbrechen, die Zehntausende von Menschenleben forderten, ganz zu schweigen.250 Ohne die zweifellos bedauernswerten Opfer verunglimpfen zu 247 248 249 250
Vgl. auch Adams, Financing of Terror, 10. Ebenda, 237. Laqueur, History of Terrorism, viii. Siehe dazu Zulaika/Douglass, Terror and Taboo, 6; Pillar, Terrorism, 19; James H. Lebovic, Deterring International Terrorism and Rogue States: US National Security Policy After 9/11, London/New York 2007, 181.
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wollen, stellt sich also durchaus die Frage, warum Terrorismus eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellen soll, nicht aber Grippe oder Trunkenheit am Steuer. Diese Argumentation sollte nicht als Zynismus abgetan werden, sie macht lediglich auf das an anderer Stelle bereits erläuterte Problem der Wahrnehmung im Zusammenhang mit dem dem Terrorismus zugeschriebenen Bedrohungspotential aufmerksam. Man mag nun anführen, dass der vor den Augen der Weltöffentlichkeit begangenen Massenmord von 9/11 hier eine neue Dimension eröffnet und frühere Warnungen quasi nachträglich bestätigt habe. Aber so tragisch der Verlust von Menschenleben an diesem Tag auch war, kann man daraus wohl kaum eine Gefahr für das Fortbestehen der Vereinigten Staaten ableiten – zumal selbst diese Opferzahlen gegenüber der alltäglichen Kriminalität verblassen, die somit objektiv als wesentlich ernsteres Problem betrachtet werden müsste. Vor allem aber ist festzuhalten, dass ein ›Krieg gegen den Terror‹ von vornherein ein sinnloses Unterfangen ist. Selbst Michael Burleigh, der die Angriffe vom 11. September 2001 ausdrücklich als »a terrorist strike […] so major that it resembled an act of war« beschrieben hat,251 hat die Idee des war on terror als »meaningless« bezeichnet, »as one cannot declare war on a tactic.«252 Terrorismus ist kein klar umrissener Gegner im Sinne einer identifizierbaren Gruppe von Staaten oder Personen, ja – wie zu sehen war – nicht einmal ein eindeutig definierbares Phänomen. George W. Bushs Versprechen, »[that] this administration […] will do what it takes to rout terrorism out of the world«,253 ist schon deshalb nicht einlösbar, weil es nicht den Feind gibt, der bezwungen werden kann, und damit auch keine Aussicht auf einen endgültigen Sieg. Der ehemals für die CIA tätige Counterterrorism-Experte Paul Pillar hat dies in einer wenige Monate vor 9/11 veröffentlichten Studie in aller Deutlichkeit formuliert: »If there is a ›war‹ against terrorism, it is a war that cannot be won. […] Analogies aside, a central lesson of counterterrorism is that terrorism cannot be ›defeated‹ – only reduced, attenuated, and to some degree controlled. Individual terrorists or terrorist groups sometimes are defeated; terrorism as a whole never will be.«254 Um das Problem des Terrorismus loszuwerden, müsste die westliche Öffentlichkeit ihre eigene Entdeckung rückgängig machen, dass sie durch politische Gewalt verwundbar ist. Das aber ist, wie Adrian Guelke bemerkt hat, unmöglich.255 Mit dem war on terror haben sich die USA also wie schon mit dem war on drugs einen endlosen Krieg aufgebürdet, der ähnlich problematisch, aber auch ähnlich nützlich ist. Beide liefern Behörden und Politikern die Möglichkeit, sich zu profilieren, Einflussbereiche auszubauen und selbst unpopuläre Maßnahmen zu rechtfertigen. Die bereits angesprochene Wiederbegründung der imperialen Präsidentschaft durch die Bush-Administration unter ständigem Verweis auf die Erfordernisse der Kriegführung ist hierfür zweifellos das augenfälligste Beispiel.
251 Burleigh, Blood and Rage, 447. 252 Ebenda, 449. 253 George W. Bush, »Remarks on Arrival at the White House and an Exchange With Reporters, September 16th, 2001«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=63346 (27.07. 2007). 254 Pillar, Terrorism, 217f; Hervorhebungen im Original. 255 Guelke, Age of Terrorism, 192.
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Von größtem Nutzen ist der ›Krieg gegen den Terror‹ – wie der ›Krieg gegen die Drogen‹ – aber vor allem als Ritual der Selbstvergewisserung und Abgrenzung. »This will be a monumental struggle of good versus evil, but good will prevail«, erklärte George W. Bush der amerikanischen Nation am 12. September 2001256 – und danach immer wieder. Diese Formulierung lässt klar die Funktion des war on terror als neue Mission für God’s Own Country im Kampf gegen die Mächte des Antichristen erkennen. Die Zeit der Orientierungslosigkeit nach dem Kalten Krieg war damit zu Ende, die Feindbildlücke geschlossen. Der Kampf zwischen Licht und Finsternis ging in eine neue Runde. Von zentraler Bedeutung für das neue Feindbild waren (und sind) Vorstellungen von der islamischen Welt und den sogenannten ›Schurkenstaaten‹. Diese sollen abschließend in eigenen Kapiteln genauer betrachtet werden. Zuvor möchte ich allerdings noch kurz auf zwei andere interessante Aspekte des ›Krieges gegen den Terror‹ eingehen: seine Verschmelzung mit dem war on drugs im Konstrukt des Narcoterrorismus und die spezielle Darstellung irischer Terroristen.
1.3 »WE WILL BRING THE WAR HOME TO YOU«: DROGENHÄNDLER UND GUERILLAS ALS NARCOTERRORISTEN Das Konzept des Narcoterrorismus verdient an dieser Stelle aus zwei Gründen besondere Aufmerksamkeit: Erstens verbindet es die beiden wichtigsten Feindbilder der Zeit nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes miteinander; und zweitens lässt es noch einmal deren Verwurzelung in den 1980er Jahren und die nachhaltigen Auswirkungen der Vorstellungen des Kalten Krieges deutlich werden. Geprägt wurde der Begriff Narcoterrorismus Harvey Kushner zufolge 1983 von Perus Präsident Belaunde Terry, der damit die Angriffe auf die Drogenpolizei seines Landes beschrieb.257 In der Folge entfaltete dieses Schlagwort gerade im politischen Diskurs der Vereinigten Staaten große Wirkung, obwohl oder vielleicht eher gerade weil sich seine Bedeutung nicht präzise fassen lässt. So hat zwar Douglas J. Davids in einer 2002 veröffentlichten Studie betont, dass es sich um »a real and definable phenomenon« handle,258 die Kurzsichtigkeit einer solchen Behauptung ist aber leicht ersichtlich, da sich ja schon Terrorismus für sich allein genommen einer eindeutigen Definition entzieht und somit zwangsläufig jeder darauf aufbauende Begriff unscharf bleiben muss. Doch selbst wenn man diesen wichtigen Punkt außer Acht lässt, erweist sich die Kategorie Narcoterrorismus als schwammig, da sie lediglich eine Verbindung der beiden kriminellen Aktivitäten impliziert, den Charakter dieses Zusammenspiels jedoch nicht genauer bestimmt. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass sämtliche Schnittstellen zwischen Drogenhandel, Gewalt und – im weitesten Sinne – politischen Motiven unter dem Begriff Narcoterrorismus subsumiert werden können.
256 George W. Bush, »Remarks Following a Meeting With the National Security Team, September 12th, 2001«, http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=58058 (27.07.2007). 257 Kushner, Encyclopedia, s.v. »Narcoterrorism«. 258 Douglas J. Davids, Narco-Terrorism: A Unified Strategy to Fight a Growing Terrorist Menace, Ardsley 2002, 11.
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Grob unterscheiden lassen sich dabei zwei zentrale Anwendungsbereiche, nämlich Terrorismus im Dienste des Drogenhandels auf der einen Seite und Drogenhandel im Dienste des Terrorismus auf der anderen Seite.259 Als Narcoterroristen können also nicht nur solche Gruppen und Individuen betrachtet werden, die man ohnehin üblicherweise als Terroristen einstuft, sondern auch kriminelle Organisationen und Gangs, die zum Schutz oder zur Ausweitung ihrer Drogengeschäfte auf terroristisch anmutende Gewalt zurückgreifen, etwa in der Auseinandersetzung mit Konkurrenten, vor allem aber zur Einschüchterung oder Ausschaltung jener Staatsorgane und gesellschaftlichen Gruppen, die ihren Umtrieben einen Riegel vorzuschieben versuchen. Das eindrücklichste Beispiel für diese Variante stellt ohne Zweifel die blutige Kampagne der kolumbianischen Kartelle gegen die Verfolgung ihrer Straftaten dar. Diese fand daher auch schon 1986 Erwähnung im jährlichen Terrorismus-Bericht des US-Außenministeriums, der den Drogenschiebern »terrorist-like tactics« attestierte.260 Gerechtfertigt kann eine solche Einordnung in diesem Fall nicht nur aufgrund der Dimensionen erscheinen, sondern darüber hinaus vor allem deshalb, weil das Ziel, eine Aufkündigung des Auslieferungsabkommens mit den Vereinigten Staaten zu erreichen, den Attentaten der kolumbianischen Kartelle jene eindeutig politische Dimension verlieh, die gemäß der gängigen Definitionen zu den charakteristischen Merkmalen von Terrorismus gehört. Gleichwohl wird Narcoterrorismus, wenn man darunter die von Drogenhändlern verübte Gewalt versteht, aber nicht primär durch ein politisches Programm und ein auf die gesamte Gesellschaft ausgerichtetes Sendungsbewusstsein motiviert, sondern durch die Absicht, individuelle Profite und persönliche Sicherheit für die Verbrecher zu erreichen. »These groups use violence for economic gain – to protect illegal drug profits – rather than for the political purposes we usually associate with terrorism«, stellte entsprechend im Juli 1997 Senator Paul Coverdell während einer Anhörung seines Unterausschusses des Committee on Foreign Relations zur Bedrohung durch die Drogenkartelle fest. Diese Einsicht bedingte für den Senator aber bezeichnenderweise keine Kritik an der Kategorie Narcoterrorismus, sondern vielmehr die Notwendigkeit, diese endlich auch in Gesetzesform zu fixieren: Die rechtliche Definition von Terrorismus dürfe nicht länger auf politische Beweggründe beschränkt bleiben, sondern müsse auch »these economically motivated terrorist activities« einschließen: »It is acts of terror in and of themselves that matter, not the motivation behind these acts.«261 Eine solche Forderung nach Verzicht auf eines der wenigen mehrheitlich akzeptierten Kriterien für die Bestimmung von Terrorismus lenkt die Aufmerksamkeit wieder einmal auf die Problematik der subjektiven Wahrnehmung, die es – unabhängig von bestimmten Charakteristika – eindeutig erscheinen lässt, wann ein terroristischer Akt vorliegt. In diesem Kontext ist aber auch von Bedeutung, dass bei der Un259 Vgl. dazu ebenda, 5, und Kushner, Encyclopedia, s.v. »Narcoterrorism«. Siehe auch die Definitionen des US-Verteidigungsministeriums und der DEA, die Davids, Narco-Terrorism, 4, bzw. Youngers/Rosin (Hg.), Drugs and Democracy, 379, zitieren. 260 PGT: 1986, 26. 261 The Drug Cartels and Narco-Violence: The Threat to the United States. Hearing Before the Subcommittee on Western Hemisphere, Peace Corps, Narcotics and Terrorism of the Committee on Foreign Relations, United States Senate, One Hundred Fifth Congress, First Session, July 16, 1997, Washington D.C. 1997, 49-67, hier: 66.
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tersuchung der Filme zum war on drugs bereits zu sehen war, dass den Drogenhändlern doch immer wieder explizit politische Motive zugeschrieben und das Geschäft mit Rauschgift als ein Angriff auf die USA dargestellt wurde. Insofern war die mit dem Drogenschmuggel verbundene Gewalt in den Augen vieler Amerikaner von vornherein politisch und die Rede von Narcoterrorismus somit nur konsequent. Offensichtlicher sind diese Zusammenhänge freilich noch, wenn der Begriff angewendet wird, um die direkte Verwicklung von Terrorgruppen in den Handel mit illegalen Rausch- und Betäubungsmitteln zu beschreiben. Gerade diese Variante war es denn auch, die das Narcoterrorismus-Konzept in den 1980er Jahren für die Vereinigten Staaten so rasch so wichtig werden ließ. Dies ist wiederum nur vor dem Hintergrund der ständigen Beschwörung einer allgegenwärtigen kommunistischen Bedrohung während dieser Zeit zu verstehen. Wie ich an anderer Stelle schon erwähnt habe, war bereits im frühen Kalten Krieg eine Verbindung zwischen den perfiden Plänen der Kommunisten und dem Drogenkonsum der Amerikaner konstruiert worden, indem man der Volksrepublik China unterstellte, Opium gezielt zur Schwächung und Unterwanderung der USA einzusetzen. Prominenter Vertreter dieser These war der Direktor des Federal Bureau of Narcotics, Harry J. Anslinger.262 Die Idee eines kommunistischen Komplotts, in dem Drogen eine zentrale Rolle spielten, war also nicht neu. Sie erlebte in den 1980er Jahren aber ein eindrucksvolles Comeback, weil sie nun mit der hochaktuellen Terrorismus-Verschwörungstheorie gekoppelt werden konnte: Wenn hinter Terroristen und Drogenschmugglern die finsteren Absichten sozialistischer Regime standen, dann bedeutete eine Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Gruppen nicht nur einfach kriminelle Machenschaften, ein Zweckbündnis, das die jeweiligen Möglichkeiten vergrößerte, sondern eine auf mehreren Ebenen ablaufende Offensive gegen die westlichen Demokratien – eben Narcoterrorismus. »Drugs have become the natural ally of those that would choose to destroy democratic societies in our hemisphere through violent means«, erklärte in diesem Sinne William Von Raab, der Chef der Zollbehörde, im August 1984 vor einem Senatsausschuss und nannte Bulgarien, Nicaragua und Kuba als Mitglieder einer »class of nations which foster drug trafficking, terrorism or both as part of their national policy and which support these activities with their national resources, including financing, organization, and use of sovereign territory.«263 Die hier formulierten Anschuldigungen waren der Kern des sich rasch entwickelnden Narcoterrorismus-Konstrukts. Wie der Terrorismus wurde auch der Drogenhandel als ein Mittel der verdeckten Kriegführung durch die UdSSR und ihre Vasallenstaaten und Verbündeten angesehen, als »an important element of low intensity conflict«, wie der Akademiker und Terrorismusexperte Yonah Alexander es in einer Senatsanhörung auf den Punkt brachte: »It is a calculated political-military struggle short of conventional warfare undertaken by states and their sub-state proxies in order to achieve ideological and political objectives.«264 Im selben Gestus behauptete die in den USA lehrende israelische Forsche262 Vgl. Bertram u.a., Drug War Politics, 84; Walker, »Drug Control«, 192; Nicholas A. Damask, The Use of Political Myth and the Case of Narco-Terrorism (Diss. Cincinnati 1996), 242f. 263 Zitiert nach »Drugs Termed Funds Source For Terrorists«, in: WP 03.08.1984. 264 International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 179.
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rin Rachel Ehrenfeld noch 1990 in ihrem einflussreichen Buch Narco-Terrorism: »Marxist-Leninist regimes and organizations have used and probably continue to use [the drug business] as a political weapon in their war against the West.«265 Drogen seien zu einem machtvollen strategischen Waffensystem gemacht worden.266 Dieses Denken erlaubte es, die Schuld am Drogenproblem weitestgehend zu externalisieren, indem man bestritt, dass es sich bei dessen Verschlimmerung um »a simple natural evolutionary process or a process dominated by ›user demand‹« handle: »Rather, there are strong sub-rosa forces at work stimulating and extending the consumption.«267 Den Kommunisten wurde also nicht nur unterstellt, Drogenabhängigkeit für ihre Zwecke auszunutzen, sondern sie überhaupt erst zu erzeugen. Hier lässt sich wieder einmal beispielhaft die zentrale Funktion von Feindbildern erkennen, eine Projektionsfläche für die als unvereinbar mit dem positiven Selbstbild empfundenen eigenen Mängel zu bieten. Zudem wird noch einmal deutlich, wie konsequent das sowjetische Imperium – von manchen Hardlinern bis zu seinem unmittelbaren Zusammenbruch – für jegliches Übel verantwortlich gemacht wurde, das die Welt und speziell die Vereinigten Staaten heimsuchte. So besagte eine vergleichbare Theorie, dass AIDS von der kubanischen Regierung gezielt in die USA eingeschleust worden sei: Kubanische Soldaten hätten sich in Angola mit dem HI-Virus infiziert und damit in der Heimat andere Menschen angesteckt, die dann als Teil des Flüchtlings-Exodus des Jahres 1980 nach Florida geschickt worden seien, um die Krankheit zu verbreiten. Auch diese krude Verschwörungsfantasie wurde selbst von einigen Wissenschaftlern mit dem Anspruch auf Seriosität vorgebracht. »Whether true or not, it is certainly possible, and the United States would be extremely vulnerable to a plot of this kind«, befand etwa Neil C. Livingstone, Präsident eines Institute on Terrorism and Subnational Conflict, in einem 1986 veröffentlichten Sammelband.268 Diese Theorie nimmt in ihren Grundzügen bereits spätere Horrorvisionen über muslimische Selbstmordattentäter als Überträger tödlicher Krankheiten vorweg, was einmal mehr augenscheinlich macht, welche Rolle bestimmte archetypische Ängste bei der Konstruktion von Feindbildern spielen, in diesem Fall die Vorstellung, durch das Eindringen des Fremden vergiftet zu werden. Dass diese auch für die Darstellung des oft als Epidemie beschriebenen Drogenproblems von großer Wichtigkeit war, habe ich an anderer Stelle bereits dargelegt. In diesem Kontext ist daher auch die Idee des Narcoterrorismus als kommunistische Verschwörung zu sehen, als Infektion des gesunden amerikanischen Körpers durch den Seuchen verbreitenden Feind. »Terrorists are able to use illegal drugs to attack this country in two ways«, erläuterte Senator Strom Thurmond während einer Anhörung im Mai 1985 beispielhaft die besondere Gefahr, die von der Verbindung von Terrorismus und Drogenschmuggel ausging: »First, these drugs flow into our country where they erode our health, morals, and economy. Then the proceeds from the sale of these drugs are used to finance the terrorist activities that are directed at this country and our citizens.«269 Die Feinde 265 266 267 268 269
Rachel Ehrenfeld, Narco-Terrorism, New York 1990, xvii. Ebenda, 42. Joseph D. Douglass, Jr., Red Cocaine: The Drugging of America, Atlanta 1990, 3. Livingstone, »Technological Innovation«, 144. International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 1f.
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der amerikanischen Demokratie würden also gleich in doppelter Weise von dem schmutzigen Geschäft mit Rauschgift profitieren.270 Dass die Einnahmen verwendet werden konnten, um die Operationen von Terrorgruppen und kommunistischen Rebellen zu finanzieren, war der eine wichtige Punkt dieser Argumentation. Das für ihre Wirkung noch wesentlich bedeutsamere, weil furchteinflößendere Element der Narcoterrorismus-Theorie war aber eben die an archetypische Muster anknüpfende Vorstellung, dass Drogengeld nicht nur zum Kauf von Waffen diene, sondern dass Drogen vielmehr selbst eine Waffe seien, die von Staaten wie Kuba und Nicaragua gezielt gegen die USA eingesetzt werde, »[to] destroy our American youth and to cripple American society«, wie etwa die Senatorin Paula Hawkins behauptete, die eine Reihe aufsehenerregender Anhörungen zu diesem Thema leitete.271 Auch Präsident Reagan höchstpersönlich warf den Sandinisten in einer Radioansprache an die Nation vor, Drogen zu exportieren, »to poison our youth«.272 Im Konzept des Narcoterrorismus wurde die Unterscheidung zwischen den »Siamese twins of death and destruction«, wie Von Raab internationalen Terrorismus und Drogenhandel nannte,273 konsequent verwischt, bis sie praktisch komplett aufgehoben war. Wenn Drogen eine Waffe waren, die von Terroristen benutzt wurde, dann war Drogenschmuggel nicht mehr nur ein Hilfsmittel, dessen sich Terroristen bedienen konnten, um an Geld zu kommen. Drogenschmuggel war vielmehr selbst eine Form von Terrorismus und eine besonders heimtückische noch dazu, wie Rachel Ehrenfeld ihren Lesern erläuterte: »Narco-terrorism is a particularly sinister manifestation of the international terrorist phenomenon because its effects are insidious, persistent, and more difficult to identify than the sporadic, violent outbursts of the armed assailant.«274 Die Grundlage für all diese Anschuldigungen war freilich äußerst dünn. So stellte beispielsweise ein Experte des zum US-Außenministerium gehörenden Bureau of International Narcotics Matters in der oben zitierten Anhörung fest, dass es keine Beweise für eine »Communist conspiracy« gebe.275 Schon im Jahr zuvor hatte DEAChef Francis McMullen Jr. betont, keine Kenntnis davon zu haben, dass irgendeine Regierung zur Destabilisierung anderer Staaten oder zur Finanzierung von Terroristen im Drogengeschäft aktiv sei.276 Nicht anders als bei der Terrorismus-Verschwörungstheorie im Allgemeinen beeindruckte der Mangel an harten Fakten zur Untermauerung ihrer Thesen die Verfechter der Narcoterrorismus-Idee allerdings wenig. Hier wie dort machte man in einem charakteristischen Zirkelschluss den konspirativen Charakter und das komplexe Geflecht der kommunistischen Umtriebe dafür verantwortlich, keine wasserdichte Beweisführung erbringen zu können.277 270 Vgl. entsprechend z.B. auch Francis, Soviet Strategy of Terror, 45. 271 International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 102. Auszüge aus den von ihr geleiteten Anhörungen sind abgedruckt in Ra’anan u.a. (Hg.), Hydra of Carnage, 436-69. 272 Ronald Reagan, »Radio Address to the Nation on Central America, February 16th, 1985«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=38231 (27.07.2007). 273 Zitiert nach »Drugs Termed Funds Source For Terrorists«, in: WP 03.08.1984. 274 Ehrenfeld, Narco-Terrorism, xviii. 275 International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 114. 276 Zitiert in Adams, Financing of Terror, 221. 277 Siehe dazu beispielhaft Ehrenfeld, Narco-Terrorism, xviii.
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Umso größere Bedeutung wurde den vereinzelten Indizien zugesprochen, mit denen man aufwarten konnte. Dazu gehörten nicht zuletzt die Aussagen einiger Überläufer aus den sozialistischen Staaten. Als wichtigstes ›Beweisstück‹ diente jedoch eine Episode, die im Jahr 1982 zu der spektakulären Anklageerhebung der USRegierung gegen vier hochrangige Vertreter des kubanischen Staates, darunter zwei ZK-Mitglieder, sowie neun kubanische Amerikaner und einen kolumbianischen Drogenhändler namens Jaime Guillot-Lara führte: Die Kubaner hatten die sichere Passage von Drogenlieferungen durch ihre Hoheitsgewässer garantiert, im Gegenzug hatte der Kolumbianer ihnen 800.000 Dollar gezahlt und sich bereiterklärt, Waffen an seine Landsleute von der Guerillagruppe M-19 zu liefern. Die Guillot-Lara-Affäre wurde – ähnlich wie in anderem Zusammenhang die von den Israelis erbeuteten Dokumente aus dem Libanon – fortan beständig als Beleg für die Existenz eines kommunistischen Narcoterrorismus-Komplotts angeführt.278 Tatsächlich hat Nicholas A. Damask in seiner Dissertation aus dem Jahr 1996 aber gezeigt, dass die Fakten selbst dieser aufsehenerregenden Episode bei genauer Betrachtung in keiner Weise derartige Schlussfolgerungen rechtfertigten. Eine langfristige Zusammenarbeit war hier genauso wenig nachzuweisen wie eine Beteiligung der kubanischen Regierung als solcher. In den USA bestritt man jedoch – nicht nur in diesem Fall – die Möglichkeit, es mit simpler Korruption innerhalb eines sozialistischen Staates zu tun zu haben. Bezeichnenderweise bemühte man sich deshalb auch nicht um eine Auslieferung der angeklagten kubanischen Regierungsmitglieder, die uneingeschränkt als Vertreter ihres Staates betrachtet wurden. Die Ausschlachtung der Guillot-Lara-Affäre unterstreicht daher nur, dass das Konzept des Narcoterrorismus von Fakten weitestgehend unabhängig war. Damask spricht deshalb von einem ›politischen Mythos‹, dessen Anziehungskraft und Wirksamkeit auf seiner Funktion innerhalb des Diskurses in den USA beruhten: Mit seiner Hilfe ließen sich durch die Konstruktion eines Angriffs auf die westliche Zivilisation und speziell die amerikanische Demokratie bestimmte politische Ideen wie die Besinnung auf althergebrachte Werte, die Betonung von Ordnung und Sicherheit und vor allem ein strikter Antikommunismus verkaufen.279 Wie ich im ersten Teil dieser Arbeit erläutert habe, war die Erneuerung des Kalten Krieges allerdings kein Selbstzweck, sondern diente maßgeblich dazu, das beschädigte Selbstbild der amerikanischen Nation zu reparieren, indem man ihm ein negatives Spiegelbild gegenüberstellte. Präziser noch als mit dem Ausdruck Mythos lässt sich der Narcoterrorismus deshalb als Feindbild bestimmen, das sich zunächst als Teil des umfassenden Feindbildes Kommunismus herausbildete. Gelegentlich wurde darauf hingewiesen, dass auch antikommunistische Verbündete der Vereinigen Staaten wie die Contras und die afghanischen Mudschaheddin 278 Siehe z.B. den Verweis von Senator Denton auf den Prozess in International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 169; Ehrenfeld, Narco-Terrorismus, 29-36; Douglass, Red Cocaine, 95f; Fontaine, Terrorism, 99f. 279 Damask, Political Myth; zur Guillot-Lara-Affäre siehe ebenda, 218-28. Damask verweist zu Recht darauf, dass die gelegentlich von der politischen Linken vorgebrachte, abgewandelte Theorie der narco-right oder narco-dictatorship grundsätzlich ebenso problematisch war wie das antikommunistische Konstrukt der Rechten (ebenda, 248-50). Allerdings erwies sie sich als wesentlich weniger einflussreich.
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als Narcoterroristen gelten müssten, da sie ebenfalls tief in den Drogenhandel verstrickt waren.280 Eine solche Argumentation, die konsequenterweise dazu hätte führen müssen, die USA selbst dessen schuldig zu sprechen, was man den sozialistischen Staaten vorwarf, wurde aber von den meisten Anhängern des Narcoterrorismus-Konzepts entschieden zurückgewiesen, und Afghanistan etwa wurde während der 1980er Jahre in offiziellen Verlautbarungen der DEA und des Außenministeriums zu durch Drogen finanziertem Terrorismus einfach ausgespart. Das war, wie Charles C. Frost in einem zeitgenössischen Aufsatz korrekt feststellte, »a matter of convenient definition, since the Afghan mujaheddin are officially regarded as antiSoviet ›freedom-fighters‹ rather than as insurgents or terrorists.«281 Die Festschreibung von Terrorismus als Element einer gegen die westlichen Demokratien gerichteten verdeckten Kriegführung der UdSSR bedingte konsequenterweise, dass auch Narcoterroristen nur jene Gruppen sein konnten, die sich in diesen Kontext einordnen ließen.282 Im Fall der sogenannten Freiheitskämpfer dagegen, die man selbst aktiv unterstützte, konnte die Verwicklung in das Geschäft mit Drogen ignoriert oder sogar – wie schon am Beispiel des James-Bond-Films The Living Daylights (1987) zu sehen war – als notwendiges Übel gerechtfertigt werden. Dagegen wurde die zu dieser Zeit so oft beschworene terroristische Bedrohung gerade in der Form des Narcoterrorismus für die Amerikaner spürbar. Dadurch erklärt sich wohl auch in entscheidender Weise die Bedeutung, die das Konzept in den USA erlangte: Während US-Bürger während der 1980er Jahre üblicherweise nur im Ausland zu Opfern des ›herkömmlichen‹ internationalen Terrorismus wurden, waren Drogenhandel und die damit in Verbindung stehende Gewalt innerhalb der Vereinigten Staaten selbst präsent, insbesondere in den Großstädten. Insofern hatten diese Phänomene etwas viel Unmittelbareres als irgendwelche Bombenattentate im Nahen Osten. Indem man Drogenkriminalität ebenfalls zu Terrorismus erklärte, erweckte man den Eindruck, dass dessen Überschreiten der amerikanischen Grenzen nicht nur eine hypothetische Möglichkeit war, sondern blutige Realität.283 Vor dem Hintergrund der Aufregung um Narcoterrorismus ist es daher auch durchaus möglich, diverse Filme der 1980er Jahre, die sich mit der brutalen Gewalt im Drogenhandel beschäftigten, in einem weiteren Sinne der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus zuzuordnen. So verfährt William J. Palmer, der diese Variante als ›kommerziellen Text‹ definiert und von Produktionen wie Nighthawks (1981) als ›politischem Text‹ trennt.284 Eine solche Differenzierung erscheint am Ende jedoch 280 Siehe im Hinblick auf die Contras z.B. Der Derian/Honderich, »Jekyll and Hyde«, 86, oder die entsprechende Feststellung von Senator Pell in International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 174. 281 Charles C. Frost, »Drug Trafficking, Organized Crime, and Terrorism: The International Cash Connection«, in: Ra’anan u.a. (Hg.), Hydra of Carnage, 189-98, hier: 194. 282 Entsprechend machte denn auch Senator Denton seinen Kollegen Pell darauf aufmerksam, dass die Contras keine Terroristen seien (International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 174). 283 Ähnlich kommt Palmer, Films of the Eighties, 155, zu dem Schluss, Narcoterrorismus sei »alarming to American society […] [because] it is a form of terrorism that for the first time actively invaded American borders.« 284 Siehe ebenda, 121-32 bzw. 155-64.
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wenig sinnvoll, da Palmer selbst die Besonderheit der »new narco-terrorism gangsters« in Produktionen wie Scarface (1984) oder Colors (1984) gegenüber den filmischen Verbrechern früherer Dekaden darin erkennt, dass sie keine »homegrown businessmen protecting their territories« seien, sondern »either participants in or supporters of a foreign invasion generated by the drug import industry that espouses all of the techniques of intentional political terrorism.«285 In der Tat wurde das Drogengeschäft ja nur dann zu Narcoterrorismus, wenn man ihm eine politische Dimension zuschrieb. Eine strikte Trennung zwischen ›politisch‹ und ›kommerziell‹ ist in diesem Kontext also gerade nicht möglich. Es ist aber sicherlich wichtig, auf die Unterschiede hinzuweisen zwischen solchen Filmen, die explizit Terrorismus behandelten, und solchen, die kriminelle Machenschaften als Eindringen des Fremden darstellten, das vor dem Hintergrund der Zeit als eine Form von terroristischer Gewalt verstanden werden konnte.286 Eine direkte Umsetzung der Idee des Narcoterrorismus bietet Invasion U.S.A. (1985), wo der Einfall der Terroristen-Armee in die Vereinigten Staaten durch Drogenschmuggel vorbereitet und finanziert wird. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil sich daran noch einmal zeigt, dass das gerade im Rückblick hochgradig absurd wirkende Invasionsszenario des Films an äußerst reale Bedrohungsvorstellungen anknüpfte. Nicht nur Hauptdarsteller Chuck Norris, der sich in einem Interview entsprechend äußerte, hielt das KGB für den Drahtzieher des internationalen Rauschgifthandels,287 sondern diese Unterstellung galt, wie zu sehen war, bis in höchste politische Kreise hinein als Fakt. Dass der Einbruch des Bösen in die US-amerikanische Idylle in dieser B-Produktion damit beginnt, dass auf einem kubanischen Flüchtlingsboot versteckte Drogen in die USA geschmuggelt werden, um damit Waffen für den dann erfolgenden terroristischen Angriff zu kaufen, kann deshalb nicht als Spinnerei der Verantwortlichen oder bewusste comichafte Überzeichnung abgetan werden. Vielmehr verankerte sich der Film gerade mit dieser Ausgangssituation im zeitgenössischen politischen Diskurs und in einer für viele Amerikaner spürbaren Realität, nämlich der des nationalen Drogenproblems. Ein Indiz dafür, wie wirkmächtig das Narcoterrorismus-Konzept war, ist vielleicht auch die Tatsache, dass noch 1990, als sich das Bild der Sowjetunion bereits deutlich gewandelt hatte, einschlägige Bücher auf den Markt kamen, die hinter dem Handel mit illegalen Rausch- und Betäubungsmitteln ein Komplott sozialistischer Staaten ausmachten.288 Das Ende des Ost-West-Konflikts und das Verschwinden der kommunistischen Bedrohung bedeuteten hier natürlich einen Einschnitt, entzogen sie der Idee des Narcoterrorismus doch seine ursprüngliche Grundlage. Dennoch blieb sie weiterhin wichtig, was insofern nicht überraschend ist, als das Feindbild Terro285 Ebenda, 158. 286 Die Problematik von Palmers Einteilung verschiedener Terrorismus-Texte zeigt sich noch deutlicher, wenn man seine dritte Variante, den »Control Text«, einbezieht, der er Filme über Staatsterrorismus zuordnet (ebenda, 132-54). Wieso dieser nicht politisch sein sollte, wie Palmers Terminologie suggeriert, bleibt gänzlich unklar. Wie auch in anderen Kapiteln des Buches erweist sich Palmers Typologie von unterschiedlichen Texten hier einmal mehr als unausgegoren. 287 Vgl. Garcia Berumen, Chicano/Hispanic Image, 194. 288 Ehrenfeld, Narco-Terrorism; Douglass, Red Cocaine.
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rismus insgesamt nach dem Kalten Krieg an die veränderten politischen Gegebenheiten angepasst wurde und dabei sogar noch an Bedeutung gewann, während gleichzeitig der ›Krieg gegen die Drogen› unter George H.W. Bush zur neuen nationalen Mission ausgerufen wurde. Die »twin scourges of international terrorism and narcotics trafficking«289 beschäftigten die US-Regierung weiterhin, und 1991 tauchte der Begriff »narco-terrorists« sogar erstmals in der Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten auf: Narcoterroristen wurden neben »guerilla forces« als Bedrohung von lateinamerikanischen Staaten wie Peru, El Salvador und Kolumbien genannt, denen die Bush-Administration »appropriate support from the United States« zusagte.290 Als der Präsident im Wahlkampf 1992 auf die vielfältigen Gefahren der postsowjetischen Welt hinwies, fehlte denn auch nicht der Hinweis auf »narco-terrorists trying to take over whole countries«.291 Das Narcoterrorismus-Konzept ließ sich aus mehreren Gründen denkbar leicht auf die neue Zeit übertragen: Erstens bezeichnete es im Kern eine besondere Art der Kriegführung, die natürlich nicht nur von sozialistischen Staaten eingesetzt werden konnte, sondern sich auch anderen Feinden der amerikanischen Demokratie zuschreiben ließ – so wie Terrorismus in seiner Gesamtheit. Zweitens brauchte man frühere Behauptungen über die Verantwortung der UdSSR und ihrer Verbündeten für die Entstehung und Ausbreitung des Phänomens auch nicht zwangsläufig zu revidieren, schon gar nicht in aller Vollständigkeit. Wegbrechende Unterstützung für Guerilla- und Terrorgruppen nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums ließ sich zu guter Letzt sogar als Begründung dafür anführen, warum das Narcoterrorismus-Problem sich noch verschlimmert habe, indem man argumentierte, dass die Suche der zuvor von Moskau oder seinen Vasallen geförderten Organisationen nach alternativen Geldquellen zu ihrem verstärkten Engagement im Drogenhandel geführt habe.292 Wie stark die im Kalten Krieg entwickelten Vorstellungen von Narcoterrorismus den war on drugs prägten, lässt sich gerade anhand der seit den späten 1980er Jahren zu diesem Thema entstandenen Filme aufzeigen. Da ich viele dieser Produktionen an anderer Stelle bereits ausführlich analysiert habe, sollen hier einige knappe Hinweise genügen. So finden sich zunächst zahlreiche Beispiele dafür, dass Drogenhändler Terrorismus einsetzen, um ihre Geschäfte abzusichern: Cota lässt in Delta Force 2 (1990) mehrere DEA-Agenten ermorden und übersendet der US-Regierung eine Videoaufzeichnung von Chavez’ grausamem Giftgastod, um diese von einem weiteren Vorgehen gegen ihn abzuschrecken, während Sanchez in Licence to Kill (1989) zum gleichen Zweck damit droht, Passagierflugzeuge mit Stinger-Raketen abzuschießen. In Clear and Present Danger (1994) fällt sogar der FBI-Direktor einem gut geplanten Anschlag zum Opfer. Die Festnahme eines Drogenbosses beantworten dessen Handlanger in dem Fernsehfilm Assault on Devil’s Island (1997) mit der Entführung 289 National Security Strategy [1990], 115. 290 National Security Strategy [1991], 34. 291 George Bush, »Remarks to the National Guard Association in Salt Lake City, Utah, September 15th, 1992«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=21454 (21.07.2007). 292 Diese Argumentation findet sich z.B. bei Kushner, Encyclopedia, s.v. »Narcoterrorism«, und bei Davids, Narco-Terrorism, xiii. Letzterer bezieht sich in seinem Kapitel über die Anfänge des Narcoterrorismus bezeichnenderweise stark auf Ehrenfeld (ebenda, 13-9).
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einer (weiblichen) amerikanischen Sportmannschaft, und in Die Hard 2 (1990) nehmen verräterische amerikanische Elitesoldaten gleich einen kompletten Flughafen inklusive der darüber kreisenden Maschinen in Geiselhaft, um einen mit Rauschgift handelnden lateinamerikanischen Diktator freizupressen.293 Die südafrikanischen Schurken von Lethal Weapon 2 (1989) wiederum überziehen die Polizei von Los Angeles mit einer Welle terroristischer Gewalt, als diese ichnen zu nahe kommt. Zudem verkörpern sie, zumal als offizielle Repräsentanten ihres Staates und Anhänger einer totalitären Ideologie, prägnant jene Invasion fremder Mächte, die für das Bild des Narcoterrorismus gleichfalls charakteristisch ist. Letzteres gilt auch für die Gangster in The Hitman (1991), insbesondere die rassistisch porträtierten Iraner, auch wenn sich deren Terror nicht gegen Zivilisten oder staatliche Organe, sondern ›nur‹ gegen konkurrierende Verbrecherorganisationen richtet. Ideologisch motivierten Narcoterrorismus in Reinform zeigt vor allem Aces: Iron Eagle III (1992), wo der Alt-Nazi Kleiss die Profite aus seinen Drogengeschäften nutzt, um rechtsradikale Gruppen auf der ganzen Welt zu unterstützen. Was ursprünglich im Kalten Krieg den Kommunisten vorgeworfen wurde, die Finanzierung von totalitärem Terror durch den Handel mit Rauschgift, wird nun also einfach auf einen nach Peru verpflanzten Nazi übertragen. Diese Aufzählung von Beispielen ließe sich noch fortsetzen, aber es sollte bereits offensichtlich geworden sein, dass das grundlegende Prinzip, den Drogenhandel und die mit ihm verbundene Gewalt einer Invasion der Vereinigten Staaten durch ausländische Feinde gleichzusetzen, auch in den Produktionen nach dem Kalten Krieg bestimmend bleibt. Rauschgift erscheint weiterhin als eine Waffe, die den Tod amerikanischer Bürger verursacht. Die Feinde sind zwar oftmals Gangster, denen es primär um ihre persönliche Bereicherung geht, sie werden aber auch als totalitäre Schurken in der Tradition der amerikanischen Dämonologie seit dem Zweiten Weltkrieg gezeichnet. Ihre schmutzigen Geschäfte stellen einen Angriff auf die USA dar, der nicht nur von pekuniären Interessen bestimmt wird, sondern durchaus politische Dimensionen hat, zuweilen sogar ideologisch motiviert ist. Dies ist auch im ›Krieg gegen die Drogen‹ ein unverzichtbares Element des Feindbildes, denn nur so lässt es sich als ernst zu nehmende Bedrohung der nationalen Sicherheit zeichnen, die einen nicht nur rhetorischen Krieg überhaupt erst rechtfertigt. Aus demselben Grund ist es auch wichtig, dass die narcoterroristischen Bösewichte als eine glaubwürdige militärische Herausforderung porträtiert werden, der mit den herkömmlichen Instrumenten der Verbrechensbekämpfung in der Regel nicht beizukommen ist. In den Filmen nutzen die Drogenbosse ihre enormen Geldmittel immer wieder, um sich militärische Stärke zu kaufen, mit deren Hilfe die politische Macht erkämpft oder verteidigt werden kann, die sie benötigen, um ihre finsteren Pläne zu verwirklichen. So finanziert in Sniper (1993) das kolumbianische Drogenkartell eine Rebellengruppe in Panama, um nach deren Sieg den Kanal als sichere 293 Die antikommunistischen Bösewichte dieses Films sind einerseits natürlich eine Verkörperung der konkurrierenden Theorie der narco-right und verweisen auf die Verstrickungen der USA in die Rauschgiftgeschäfte der Contras und Noriegas. Andererseits ist ihr Vorgehen ein klarer Fall von Narcoterrorismus gegen die Vereinigten Staaten. Dies illustriert die Wandlung des Konzepts im Zusammenhang mit dem Umdenken nach dem Kalten Krieg.
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Route für den Rauschgifttransport nutzen zu können. Beispielhaft verschmelzen in diesem Szenario die Gefahr eines gegen US-Interessen gerichteten politischen Umsturzes in Lateinamerika und die Bedrohung der Vereinigten Staaten durch den Drogenschmuggel. Unschwer lassen sich hier die lediglich modifizierten Ängste des Kalten Krieges hinsichtlich der Unterminierung der westlichen Demokratien durch Narcoterrorismus beziehungsweise durch mithilfe von Drogengeld finanzierte kommunistische Aufständische, die Narcoguerilla, erkennen. Der ursprüngliche Hintergrund der Bedrohung ist zwar nahezu vollständig verschwunden – die politischen Vorstellungen der Rebellen werden nicht weiter thematisiert – und statt der Weltrevolutionspläne Moskaus erscheint nun die Profitgier des Drogenkartells als Triebfeder, ansonsten ist das Schema der Bedrohung jedoch nahezu unverändert: Noch immer geht die Verseuchung der USA mit aus dem Ausland importierten Drogen mit der Machtübernahme durch feindlich gesinnte Gruppen in ihrem lateinamerikanischen ›Hinterhof‹ einher. Ein entsprechendes Bild entwirft beispielsweise auch Fire Birds (1990), wo das Drogenkartell allerdings nicht einmal auf Rebellen zurückgreifen muss, sondern selbst über eine schlagkräftige Privatarmee verfügt. Der Verweis auf kubanische Berater und Waffen macht den Bezug zu den Vorstellungen des Kalten Krieges in diesem Fall sogar ganz explizit. Es droht hier nicht weniger als eine von den Drogenhändlern selbst mit kubanischer Unterstützung betriebene militärische Expansion auch in andere Staaten, deren Streitkräfte ihnen in jeder Hinsicht unterlegen sind. Dies kann wiederum nur durch das Eingreifen US-amerikanischer Truppen verhindert werden, dessen Legitimation dementsprechend völlig außer Frage steht. Wohin Pläne wie die in Sniper und Fire Birds vereitelten führen würden, wenn sie erfolgreich wären, hatte der Kongressabgeordnete Charles B. Rangel ja mit seiner an anderer Stelle bereits zitierten Abwandlung der Dominotheorie für den war on drugs deutlich gemacht: Die Vereinigten Staaten könnten sich am Ende als »an island of democracy in a sea of narco-politico rule« wiederfinden, »a prospect as bad as being surrounded by communist regimes.«294 Wie man sich dieses die kommunistische Bedrohung ersetzende ›narcopolitische‹ Regime vorzustellen hat, illustrieren Filme wie Licence to Kill und Delta Force 2, in denen Staaten porträtiert werden, die bereits völlig unter der Kontrolle der Drogenhändler und ihrer korrupten Handlanger stehen. Der Albtraum des Narcoterrorismus hat hier quasi seine letzte Stufe erreicht. Die größte Gefahr einer narcoterroristischen Machtübernahme sah man seit den 1980er Jahren in Kolumbien, wo neben den gefürchteten Drogenkartellen auch mehrere Guerillagruppen beheimatet waren, für die der Rauschgifthandel mit der Zeit zu einer überaus einträglichen Einnahmequelle wurde. Die größte dieser Gruppen war die 1964 gegründete FARC. Ihre Ursprünge lassen sich in die Zeit des als La Violenca bezeichneten Bürgerkrieges zwischen Konservativen und Liberalen (1948-1958) zurückverfolgen, als die Kommunistische Partei Kolumbiens Bauernmilizen zum Schutz der Landbevölkerung organisierte. Diese wurden von der nach Beendigung des Konfliktes gebildeten Koalitionsregierung als Bedrohung angesehen und bekämpft, was dann eben zur Bildung der FARC durch die Bauern führte.295 294 »Yes We Can Do Something for Colombia«, in: WP 24.08.1989. 295 Siehe dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Revolutionary Armed Forces of Colombia«; Ramírez Lemus u.a., »Colombia«, 102.
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Die Verwicklung der Guerillas in das Drogengeschäft begann mit der Besteuerung des Kokaanbaus in den von ihnen kontrollierten Gebieten. Hinzu kamen alsbald wohl Vereinbarungen mit den Händlern, die dafür bezahlten, ungestört beziehungsweise unter dem Schutz der FARC agieren zu können. Die hohen Einnahmen aus diesen Geschäften ermöglichten eine enorme Expansion der Rebellenbewegung: Zwischen 1985 und 1999 verfünffachte sich die Zahl ihrer Kämpfer von 3.000 auf 15.000 Mann,296 die am Ende der 1990er Jahre bis zu 40% des kolumbianischen Staatsgebietes beherrschten.297 Gleichzeitig schien sich der Drogenhandel von einem Mittel zur Finanzierung des Kampfes zunehmend zum Selbstzweck zu entwickeln und die eigentlichen politischideologischen Motive der Guerillas in den Hintergrund zu drängen. Nach Einschätzung diverser Beobachter wurde die FARC durch die Gewinne aus dem Drogenhandel massiv korrumpiert und war zuletzt weniger eine revolutionäre Bewegung als eine schwerbewaffnete Verbrecherorganisation – ein Bild, das auch Filme wie Proof of Life (2000) transportieren, dessen fiktiver Andenstaat sich unschwer als Platzhalter für Kolumbien identifizieren lässt. Wegen dieser Entwicklung gilt die FARC jedenfalls als »a premier example of the unique dangers of narcoterrorism: the potential for drug profits to turn a rebellion into a self-perpetuating criminal enterprise.«298 Als ähnlich gefährdet durch mit Drogengeld finanzierte Aufständische wie Kolumbien, wo neben der FARC noch die kleinere, aber ebenfalls mehrere Tausend Bewaffnete umfassende ELN operierte, galt in den 1980er und frühen 1990er Jahren Peru, dessen maoistische Guerillagruppe Sendero Luminoso (›Der leuchtende Pfad‹) mit ihrer Kampagne der Gewalt zeitweilig höchst erfolgreich zu sein schien und sich dabei ebenfalls auf die Besteuerung des Kokaanbaus und die Schutzgelder von Rauschgifthändlern als Einnahmequellen stützen konnte.299 Am Beispiel dieser Organisation lässt sich allerdings auch zeigen, dass das Phänomen der in den Drogenhandel verstrickten Guerillas wesentlich vielschichtiger war und ist, als das simple Konstrukt des Narcoterrorismus glauben macht. So ist es eine Tatsache, dass gerade die Bekämpfung des Kokaanbaus Sendero Luminoso in die Hände spielte, da diese es den Rebellen ermöglichte, sich als Schutzmacht der Bauern gegen die deren Existenzgrundlage bedrohende Regierung zu gerieren und dadurch größere Unterstützung 296 Zahlen aus Friesendorf, War on Drugs, 124. 297 Kushner, Encyclopedia, s.v. »Revolutionary Armed Forces of Colombia«; Kushner gibt die Zahl der FARC-Kämpfer mit schätzungsweise 18.000 an. Zum Kokaanbau und Drogenhandel als Einnahmequelle für die FARC siehe auch Adams, Financing of Terror, 217f; Ramírez Lemus u.a., »Colombia«, 103; Stefan Leader/David Wiencek, »Drug Money: The Fuel for Global Terrorism«, in: Jane‘s Intelligence Review (February 2000), 4954, hier: 50. 298 Kushner, Encyclopedia, s.v. »Narcoterrorism«. Vgl. dazu außerdem ebenda, s.v. »Revolutionary Armed Forces of Colombia«; Davids, Narco-Terrorism, 9f u. 24f. Adams, Financing of Terror, 218, sieht die FARC als gutes Beispiel für die unausweichliche Korrumpierung von Terrorgruppen durch finanziellen Erfolg, weil die Abhängigkeit vom Drogenhandel eine Abhängigkeit vom Fortbestehen des korrupten Systems bedinge, dessen Umsturz deshalb keinen Sinn mehr ergebe. 299 Siehe dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Shining Path«, laut dem die Gruppe Peru 1992 »to the brink of anarchy« brachte.
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in der Bevölkerung zu gewinnen.300 Gleichzeitig spielte bei dem massiven Anwachsen der Gruppe in den 1980er Jahren eine Vielzahl von Faktoren ineinander, von denen die Profite aus dem Drogengeschäft nur einer waren. Daneben waren zum Beispiel auch die Bildungs- und Wirtschaftssituation in Peru von Bedeutung, die Existenz von zum Teil legalen Frontorganisationen und die Attraktivität der Bewegung für Frauen, deren Unterdrückung in der peruanischen Gesellschaft hier eine weitgehende Gleichberechtigung gegenüberstand.301 Sowohl für Peru als auch für Kolumbien lässt sich darüber hinaus feststellen, dass die Guerillas das Drogenproblem keineswegs kreierten, sondern lediglich ausnutzten, wobei Koka zunächst einfach wie jedes andere Produkt der in ihren Territorien ansässigen Bauern besteuert wurde, aber natürlich höhere Profite abwarf, was ja überhaupt der primäre Grund für seinen Anbau durch die Landbevölkerung war. Dass die Gewinnspannen im Drogenhandel so hoch sind, ist – wie ich in Kapitel II.4 ausführlich dargelegt habe – wiederum eine direkte Folge seiner Kriminalisierung. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Guerillagruppen zumeist nur in die unteren Ebenen des Drogengeschäftes, insbesondere eben den Anbau der Pflanzen, involviert sind. Cornelius Friesendorf hat deshalb darauf hingewiesen, dass es falsch wäre, etwa die FARC als »drug cartel« zu bezeichnen.302 Tatsächlich waren Kolumbiens rechte Paramilitärs deutlich tiefer in den Rauschgiftschmuggel verstrickt und unterhielten engere Beziehungen zu den Händlern.303 Das ist nur logisch, da diese zwar kriminell, politisch aber ebenfalls dem konservativen Lager zuzuordnen sind, schon weil die Perpetuierung ihrer einträglichen Geschäfte von der Aufrechterhaltung der gegenwärtigen politischen Zustände abhängt. An einem revolutionären Umsturz, Bodenreformen oder der Errichtung eines sozialistischen Systems können diese höchst kapitalistisch orientierten ›Unternehmer‹ kein Interesse haben. Schon deshalb ist es eigentlich auch offensichtlich, dass es sich bei der Kooperation von Guerillas und Drogenschmugglern um von taktischen Notwendigkeiten diktierte Zweckbündnisse handelte, die auf gemeinsamen Problemen – vor allem eben dem der Illegalität – fußten, nicht aber auf gemeinsamen langfristigen Zielen.304 Hinter den Verschwörungsfantasien der Narcoterrorismus-Theorie entspinnt sich somit ein komplexes Geflecht von Wechselwirkungen, in dem die Drogenpolitik der Vereinigten Staaten eine wichtige, meist verkannte und allzu oft kontraproduktive Rolle spielt. So führte beispielsweise die Zerschlagung der kolumbianischen Kartelle in den 1990er Jahren nicht nur zu deren Ablösung durch diverse kleinere Organisationen, sondern auch zu einer stärkeren Position der Guerillas im Drogengeschäft.305 300 Dazu International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 139; Davids, NarcoTerrorism, 20f; Rojas, »Peru«, 189. 301 Eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Faktoren sowie der Entwicklung von Sendero Luminoso insgesamt bietet David Scott Palmer, »The Revolutionary Terrorism of Peru’s Shining Path«, in: Crenshaw (Hg.), Terrorism, 249-308. 302 Friesendorf, War on Drugs, 110. 303 Dazu ebenda, 111. 304 Vgl. dazu Damask, Political Myth, 234f; Adams, Financing of Terror, 217; Friesendorf, War on Drugs, 126. 305 Dazu Davids, Narco-Terrorism, 24.
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Die peruanische Regierung dagegen war in ihrem Kampf gegen Sendero Luminoso immer dann erfolgreich, wenn sie von der aus Washington geforderten Politik der Kokaausrottung abrückte.306 Nach der Gefangennahme ihres Gründers und Anführers Abimael Guzmán im September 1992 brach die Rebellenorganisation schließlich weitgehend zusammen, ohne jedoch völlig ausgelöscht werden zu können. Schlichtweg Unsinn ist es, wenn Douglas J. Davids behauptet, Lima hätte durch die Bekämpfung von Guerillas und Rauschgifthändlern als narcoterroristische Einheit auch das Drogenproblem des Landes nahezu komplett zu beseitigt,307 denn davon kann und konnte keine Rede sein.308 Die zunehmende Konzentration auf transnationale Bedrohungen und deren Vernetzung untereinander während der Präsidentschaft von Bill Clinton bedingte quasi zwangsläufig, dass die Idee des Narcoterrorismus auch weiterhin wichtig für die amerikanische Dämonologie und Sicherheitspolitik blieb. Das sowjetische ›Reich des Bösen‹ mochte untergegangen sein, aber in der dadurch unübersichtlicher gewordenen Welt der 1990er Jahre war das Bedürfnis umso größer, die verschiedenen Herausforderungen des Staates als ein Ganzes zu betrachten und so Klarheit in das Chaos der ›neuen Weltunordnung‹ zu bringen.309 »It is no accident that my subcommittee investigated crime and terrorism as parts of a single sinister assault on society«, versicherte dementsprechend etwa Senator John Kerry den Lesern seines programmatischen Buches über den ›neuen Krieg‹.310 Am eindrücklichsten zeigt aber die von Clinton selbst mehrfach verwendete Formulierung von der »unholy axis of terrorists, drug traffickers, and international criminals« die Konstruktion eines umfassenden Feindbildes. Auch wenn der Präsident den Ausdruck Narcoterrorismus nicht verwendete, ist doch offensichtlich, dass es sich hierbei im Grunde um dasselbe Konzept handelt. Die Überzeugung, dass das Drogengeschäft entscheidenden Anteil am Problem des internationalen Terrorismus hatte, führte angesichts der stetig wachsenden Bedeutung des ›Krieges gegen den Terror‹ unweigerlich dazu, dass Drogenbekämpfung gegen Ende von Clintons zweiter Amtszeit verstärkt als Kampf gegen den Terrorismus definiert wurde. Deutlichster Ausdruck dieser mit einer weiteren Eskalation und Militarisierung des Drogenkrieges einhergehenden Entwicklung war die Initiierung und Umsetzung des 1999 präsentierten ›Plan Colombia‹, der massive Militärhilfe für die Regierung in Bogotá vorsah und sich gegen die FARC und die ELN richtete. »If we could cut off their drug financing, the activities of these groups would fall to 1% of what they are now«, erläuterte Drogenzar Barry McCaffrey die Logik hinter der hochproblematischen Initiative.311 Trotz aller vor allem aus dem Ausland geäußerten Kritik betonte 306 Siehe dazu Palmer, »Revolutionary Terrorism«, 295 u. 298f. 307 Davids, Narco-Terrorism, 23. 308 Schon angesichts des in Kap. II.3.3 beschriebenen Ballon-Effekts der Drogenbekämpfung wäre dies auch mehr als erstaunlich beziehungsweise würde lediglich zu einer Verlagerung in andere Länder führen. 309 Vgl. dazu Kap. II.1. 310 Kerry, New War, 25. An dieser Stelle verwendet er bezeichnenderweise auch das mittlerweile wohlbekannte Bild von Terrorismus als »fraternal twin« des Verbrechens. 311 Zitiert nach »A Carpet of Cocaine«, in: Time 09.08.1999. Nach Leader/Wiencek, »Drug Money«, 54, hatte McCaffrey schon im Monat davor seiner Überzeugung Ausdruck ver-
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McCaffrey auch bei der Präsentation des letzten Berichts zur Anti-Drogenstrategie der Clinton-Administration noch einmal die Bedeutung des Engagements in Kolumbien und verwies dabei auf »26,000 or more heavily armed FARC, ELN and AUC narcoterrorists« und deren verheerende Wirkung auf die Demokratie in Kolumbien.312 Im Zeichen des Narcoterrorismus-Konzepts wandelte sich die Drogenbekämpfung in Kolumbien so immer stärker zur Aufstandsbekämpfung.313 Bereits vor dem 11. September 2001 verschoben sich also die Gewichte in einer Weise, die den war on drugs zunehmend zu einem Teil des war on terror werden ließ. Dies spiegelt sich auch in den Filmen aus dieser Zeit wider, in denen nun nicht mehr – wie noch in den oben angeführten Produktionen aus den späten 1980er und frühen 1990er Jahren – der Drogenhandel selbst als Bedrohung im Mittelpunkt stand, sondern eindeutig der Terrorismus. Ein markantes Beispiel hierfür ist der Fernsehfilm The President’s Man (2000), in dem Chuck Norris den Universitätsprofessor Joshua McCord verkörpert, der ein Doppelleben als nur dem amerikanischen Staatschef bekannter und auf dessen persönliche Anweisungen hin handelnder Geheimagent führt. In dieser Funktion bekämpft er im Lauf des Films verschiedene Erscheinungsformen von Terrorismus: zunächst eine brasilianische Gruppe, die die First Lady in ihre Gewalt gebracht, später eine rechtsgerichtete Sekte in den USA selbst, vor allem aber, im eigentlichen Haupthandlungsstrang, ein kolumbianisches Drogenkartell. Die kolumbianischen Schurken werden dabei zunächst kaum anders dargestellt als die Drogenschmuggler in älteren Filmen. So wird dem Zuschauer ihre Niederträchtigkeit zu Beginn dadurch vor Augen geführt, dass sie neben einem ihrer Drogenlabore eine Grundschule eingerichtet haben, um die Kinder und ihre Lehrerin als menschliche Schutzschilde gegen etwaige Luftangriffe zu missbrauchen. Dieses Motiv der infantilisierten lateinamerikanischen Bevölkerung, die von den Rauschgifthändlern unterdrückt und terrorisiert wird und auf Rettung durch die USA angewiesen ist, ist aus diversen anderen Produktionen wie Delta Force 2 oder Iron Eagle III liehen, »[that] there is no longer any dividing line between counter-terrorism and counternarcotics.« 312 »Press Briefing by Director of the Office of National Drug Control Policy General Barry McCaffrey; Deputy Director of the Office of National Drug Control Policy, Dr. Donald Vereen; and Chief of Staff of the Office of Drug Control Policy Janet Crist, January 4, 2001«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=47890 (03.06.2009). Bei der AUC handelt es sich um die Organisation der Paramilitärs. Dazu ist allerdings anzumerken, dass einer der Kritikpunkte an der von den Vereinigten Staaten unterstützten Offensive in Kolumbien war, dass die für ihre Menschenrechtsverletzungen berüchtigten Paramilitärs, die nicht nur gute Verbindungen zu den Drogenhändlern, sondern auch zur kolumbianischen Regierung und dem Militär unterhielten, davon nicht betroffen waren beziehungsweise sogar davon profitierten. Im Gegensatz zu FARC und ELN wurde die AUC – trotz McCaffreys Aussage hier – vom State Department auch erst am 10. September 2001 auf die offizielle Liste terroristischer Organisationen gesetzt. Siehe hierzu Kushner, Encyclopedia, s.v. »United Self-Defense Forces of Colombia«. 313 Zu ›Plan Colombia‹ und seinen Auswirkungen ausführlich Friesendorf, War on Drugs, 123-36; Carpenter, Bad Neighbor Policy, 59-89; Ramírez Lemus u.a., »Colombia«, 10536.
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bereits vertraut. Ebenso charakteristisch ist der Hinweis, dass das Kartell für nicht weniger als 40% der Drogenlieferungen in die Vereinigten Staaten verantwortlich sei, womit seiner Zerschlagung wieder einmal eine überwältigende, sozusagen kriegsentscheidende Bedeutung zugewiesen wird. Im weiteren Verlauf der Handlung steigert The President’s Man die Gefährlichkeit seiner Bösewichte aber noch über das übliche Maß hinaus, indem er sie als Narcoterroristen reinsten Wassers porträtiert: Nachdem ein Kommando der Delta Force das Drogenlabor zerstört (und in diesem Zuge auch die Schulkinder und ihre Lehrerin befreit) hat, plant der Chef des Kartells als Vergeltung und zur Abschreckung weiterer US-amerikanischer Aktionen nicht weniger als die Zündung einer Atombombe in New York. Zu diesem Zweck lässt er einen US-Wissenschaftler samt Frau und Kindern entführen, um ihn zur Herstellung von sechs taktischen Nuklearsprengköpfen zu zwingen. Das dafür benötigte Plutonium liefert ein vietnamesischer ExGeneral,314 dem der Kolumbianer erklärt: »Americans call it a war on drugs. But now, it is a war on us. […] Americans think they can fight us with impunity. There is nothing we can do to strike back. Well, General Tran, thanks to you and your plutonium they’re about to find out how wrong they are.« Dieses Szenario knüpft natürlich an die gängigen Muster der Filme zum war on drugs an, die Dimension der Bedrohung ist aber doch neu. Während Bösewichte wie Cota sich noch mit der gezielten Ermordung Einzelner zufriedengaben und die Vereinigten Staaten vor allem durch die Einfuhr ihres Rauschgifts schädigten, wird hier die gewaltsame Auslöschung kompletter US-Großstädte durch die Narcoterroristen in Aussicht gestellt. Tatsächlich gehört zu den größten, auch von Experten geäußerten Ängsten hinsichtlich der Verbindungen zwischen Drogenhändlern und Terroristen die Befürchtung, dass die enormen Profite aus dem Rauschgiftschmuggel von Terrorgruppen dazu benutzt werden könnten, um Massenvernichtungswaffen für Anschläge zu erwerben.315 Das Narcoterrorismus-Konzept knüpft damit an die seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes ständig präsente Sorge um Gefahren der Proliferation an. Dass es in The President’s Man keine genuin politisch motivierte Gruppe ist, die zu solchen Mitteln greift, sondern die Drogenhändler selbst dies tun, spricht für die fortschreitende Verschmelzung der Feindbilder. Die Narcoterroristen rücken dadurch auf eine Ebene mit den ideologischen und religiösen Fanatikern in Filmen wie True Lies (1994) oder Bad Company (2002), die gleichfalls nuklearen Terrorismus planen. Die Kontextualisierung der Geschehnisse in Kolumbien durch die übrigen Episoden macht zudem unzweifelhaft deutlich, dass sie als ein Teil des globalen Kampfes gegen den Terrorismus zu betrachten sind. Damit leistet The President’s Man Ansichten wie der 1997 von Senator Paul Coverdell geäußerten Vorschub, »[that] we should designate drug cartels as foreign terrorist organizations under the 1996 Anti-Terrorism Act.«316 Keine Kartelle, sondern Guerillas als kolumbianische Narcoterroristen stehen im Mittelpunkt von Collateral Damage (2002). Dieser Film erregte schon vor seiner 314 Zu allem Überfluss entpuppt sich dieser Charakter auch noch als der Verräter, der während des Vietnamkrieges McCords vietnamesische Ehefrau ermordet hat, wofür er am Ende selbstverständlich seine gerechte Strafe – also den Tod – erhält. 315 Vgl. z.B. Leader/Wiencek, »Drug Money«, 54. 316 Drug Cartels and Narco-Violence, 66.
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Veröffentlichung beträchtliches Aufsehen, weil der ursprünglich für den 5. Oktober 2001 angesetzte Kinostart nach 9/11 auf den 4. Februar 2002 verschoben wurde, da man direkt nach den realen Angriffen auf New York und Washington offenbar fürchtete, dem Publikum fiktive terroristische Anschläge in den USA nicht als Unterhaltung zumuten zu können. Diese Entscheidung erscheint verständlich, gleichwohl war bereits zu sehen, dass zur selben Zeit in den Videotheken die Nachfrage nach Filmen über Terrorismus sogar stieg. Collateral Damage wurde denn auch nicht etwa in den Giftschrank verbannt, sondern lediglich mit einer Verzögerung von wenigen Monaten auf die Leinwand gebracht – ein deutliches Zeichen dafür, dass sich auch in Hollywood nach dem 11. September 2001 keineswegs alles änderte, wie zunächst einige Beobachter mit Blick auf das scheinbar von der Realität überholte Action- und Katastrophenkino gemutmaßt hatten. »There will not be any more action stories like this for a long time. We’re at the end of the tunnel, the light is out, the genre is closed«, behauptete Roger Ebert noch mit einiger Nostalgie in seiner Besprechung des Films, doch dies war offensichtlich ein Irrtum. Nicht weniger daneben lag der Kritikerpapst mit seiner Feststellung, Collateral Damage sei »a relic from an earlier (if not kinder and gentler) time, a movie about terrorism made before terrorists became the subject of our national discourse.«317 Tatsächlich belegen Produktionen wie diese ja gerade, dass Terrorismus eben nicht erst durch 9/11 in den Fokus des amerikanischen Interesses rückte.318 Arnold Schwarzenegger spielt in Collateral Damage den Feuerwehrmann Gordy Brewer, der mit ansehen muss, wie seine Frau und sein kleiner Sohn bei einem Bombenanschlag auf das kolumbianische Konsulat in Los Angeles ums Leben kommen. In einer im Fernsehen ausgestrahlten Videobotschaft erklärt kurz darauf ein als El Lobo bekannter Vermummter, der für die »Army of Colombian Liberation«, das filmische Pendant zu FARC und ELN, spricht: »The bombing was an act of selfdefense against American war criminals. As long as America continues its aggression in Colombia we will bring the war home to you. And you will not feel safe in your own beds. Colombia is not your country. Get out now! Sangre o libertad.«319 Brewer, dessen Zorn noch dadurch befeuert wird, dass der Vertreter eines »Latin American Solidarity Committee« in einem Interview die Guerillas als Freiheitskämpfer verteidigt und seine ermordete Familie dabei mitleidlos als »collateral damage« bezeichnet, muss bald erkennen, dass es unwahrscheinlich ist, dass der als El Lobo identifizierte Guerillaführer Claudio Perrini (Cliff Curtis) von den amerikanischen Behörden zur Rechenschaft gezogen werden kann. In Kolumbien stehen Friedensverhandlungen an, und das zur Ergreifung des Terroristen notwendige Vorgehen seitens der USA erscheint aus politischen Gründen unmöglich. Der enttäuschte Staatsbürger
317 »Collateral Damage« auf: http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/200 20208/REVIEWS/202080302/1023 (14.06.2007). 318 Ebert selbst vermerkt ebenda sogar, dass »terrorism plots« früher »standard in the movies« gewesen seien. Das lässt eigentlich nur den einigermaßen erstaunlichen Schluss zu, dass Filme für ihn nichts mit dem nationalen Diskurs zu tun haben. 319 Prince, Firestorm, 46, erinnert diese Rhetorik an Osama Bin Laden. Das Thema Narcoterrorismus als solches spielt in seiner Studie keine Rolle. Dadurch erklärt sich auch sein Urteil, der Film sei »out-of-synch with the period in which it was released« (ebenda, 45).
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beschließt daher, selbst für Vergeltung zu sorgen, und reist auf eigene Faust nach Kolumbien. Dort gelingt es ihm auch, in das Gebiet der Guerillas einzudringen und Perrini aufzuspüren. Der Versuch, den Mörder seiner Familie ebenfalls durch eine Explosion zu töten, schlägt jedoch fehl, weil Brewer seinerseits nicht bereit ist, den Tod einer Frau und eines kleinen Jungen in Kauf zu nehmen, die er kurz zuvor auf einem Markt kenngelernt hat. Als die beiden nichtsahnend in die Gefahrenzone laufen, warnt er sie, was zur Rettung des Terroristen und zu Brewers Gefangennahme führt. Selena (Francesca Neri) entpuppt sich als die Ehefrau Perrinis, die Brewer erzählt, dass ihr Mann früher Lehrer in Guatemala gewesen sei. Ihre kleine Tochter sei dort bei einem Militärangriff auf die Guerillas unter Beteiligung amerikanischer Berater ums Leben gekommen. Der Junge, Mauro, sei in derselben Nacht zur Waise geworden, weshalb sie ihn aufgenommen hätten. »Claudio joined the guerillas. And now he’s a man consumed by hate and driven by rage. Just like you.« Selena scheint sich von dem gewalttätigen Kurs ihres Mannes abzuwenden. Während eines Angriffs auf das Guerilla-Lager flieht sie mit Brewer und ihrem Pflegesohn, und sie erklärt sich bereit, bei der Vereitelung des nächsten geplanten Anschlags zu helfen. Auf dem Höhepunkt des Films erweist sich dies jedoch als eine perfide Täuschung: Im letzten Moment erkennt Brewer, dass Selena selbst die maskierte Gestalt aus dem Bekennervideo ist und ihn nur benutzt hat, um sich und eine in einem Spielzeug Mauros versteckte Bombe in ein streng gesichertes Regierungsgebäude zu schmuggeln. Der betrogene Held kann die Explosion zwar nicht mehr verhindern, rettet aber zahlreichen Menschen, einschließlich des Jungen, durch seine Warnung das Leben. Abschließend vereitelt er die Flucht des mörderischen Terroristenpaares und tötet beide in einem dramatischen Showdown. Der Film endet damit, dass Brewer den erneut verwaisten Mauro bei sich aufnimmt und somit eine neue Familie gründet. Stephen Hunter beschrieb Collateral Damage in seiner Rezension in der Washington Post als »telegram from a dead world« und verwies in diesem Zusammenhang unter anderem auf die »moral equivalence and promiscuous empathy« der Zeit vor 9/11, »[when] it was possible to equate a terrorist bombing in Los Angeles with a helicopter gunship attack on a terrorist base in Colombia and hold the authors of each equally guilty.«320 Tatsächlich nimmt der Film derartige Gleichsetzungen aber zu keinem Zeitpunkt vor. Zwar werden deutliche Parallelen zwischen Brewer und seinen terroristischen Gegenspielern inszeniert – Rache für den Tod des eigenen Kindes als Motiv –, dies dient am Ende aber nur dazu, ihre viel grundlegendere charakterliche Gegensätzlichkeit noch augenscheinlicher zu machen. Zu negieren versuchen diese nur die Terroristen. Selena behauptet gegenüber Brewer, ihr Mann sei so wie er, und auch Perrini selbst äußert sich entsprechend: »Well, it seems we’re both willing to, uh, kill for a cause. So what’s the difference between you and I?« Der moralisch integere Held kann den entscheidenden Unterschied jedoch ohne zu Zögern benennen: »The difference is: I’m just gonna kill you.« Damit wird eine gerecht anmutende, alttestamentarische Vergeltung mit dem wahllosen Ermorden Unschuldiger kontrastiert, oder anders ausgedrückt: legitime mit illegitimer Gewalt, die eben Terrorismus und nichts anderes ist. Dass dies nicht 320 »›Collateral Damage‹ Overshoots Its Mark«, in: WP 08.02.2002.
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nur ein Lippenbekenntnis ist, hat der Film zuvor bereits demonstriert, denn Brewer – als Repräsentant der von Terroristen bedrohten USA – setzt im entscheidenden Moment den Erfolg seines Rachefeldzuges aufs Spiel, um Selena und Mauro zu retten, und verhält sich damit eben ganz anders als seine Gegenspieler. Er riskiert lieber sein eigenes Leben als ›Kollateralschäden‹ zu verursachen. Die Terroristen verspüren dagegen offensichtlich keinerlei Reue oder Skrupel. Wenn Selenas Figur zeitweilig eine Humanisierung zu bedingen scheint, so verkehrt sich dieser Effekt in sein Gegenteil, sobald ihre heimtückische Täuschung offenbar wird. Nach ihrer Enttarnung als kaltblütige Mörderin ist das terroristische Ehepaar vollends diskreditiert. Besonders schwer wiegt dabei, dass Perrini und seine Frau den eigenen Pflegesohn für ihre finsteren Zwecke instrumentalisieren und sogar zu opfern bereit sind: Als Mauro sich auf dem Höhepunkt des Films weigert, Selena zu folgen, als sie fliehen will, lässt sie ihn zurück, in dem Wissen, dass die Explosion ihn töten wird. Ihre mörderischen Pläne und ihr eigenes Entkommen sind ihr also wichtiger als das Leben des Kindes, das sie großzieht. Kaum wird in der Handlung enthüllt, dass Selena ein falsches Spiel getrieben hat und selbst eine Bombenlegerin ist, scheint es mit ihren Mutterinstinkten nicht mehr weit her zu sein. Sie entpuppt sich somit am Ende als eine der für das Genre so typischen ›entarteten‹ Frauenfiguren und als völliges Gegenbild zu Brewers ermordeter Gattin. Das ist umso bedeutsamer, als der Schmerz über den Verlust der Tochter als angebliche Motivation der Terroristen angeführt worden ist, diese aber offensichtlich keine normalen elterlichen Gefühle hegen. Dass es sich bei Mauro nicht um ihr leibliches Kind handelt, kann dabei nicht als Erklärung dienen, vielmehr zeichnet Collateral Damage seine terroristischen Bösewichte als bar jeglichen gesunden Gefühls. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch eine frühere Szene, in der Perrini seinen Männern erklärt: »Americans hide behind family values. False ideals.« Diese geringschätzige Äußerung offenbart die perversen Ansichten der Terroristen und ihre diametrale Positionierung zu denen der US-Amerikaner. Wichtig ist dabei, dass der Film nicht nur Brewer scharf von den Terroristen unterscheidet, sondern auch – anders als dies von Hunter und einigen anderen Kritikern dargestellt wurde – die US-Behörden und deren Kampf gegen den Narcoterrorismus auf einer anderen moralischen Ebene ansiedelt als die kolumbianischen Guerillas. Die CIA ist in Collateral Damage bei genauerer Betrachtung keineswegs »Enemy No. 2«, wie etwa der Cincinnati Enquirer behauptete.321 Zwar ist es richtig, dass der CIA-Agent Brandt (Elias Koteas) deutlich ambivalenter gezeichnet wird als der Held und bei der Verfolgung seiner Ziele teilweise erschreckend skrupellos agiert. So macht er deutlich, dass Brewers etwaiger Tod in Kolumbien sich als nützlich erweisen würde, weil dadurch in den Vereinigten Staaten Stimmung gegen die Guerillas erzeugt würde, und seine Männer schießen an einer Straßensperre ohne zu Zögern auf unbewaffnete Zivilisten, Frauen und Kinder eingeschlossen. Anders als Brewer zeigt er sich also durchaus willig, ›Kollateralschäden‹ in Kauf zu nehmen. Entspre-
321 »Arnold’s Pointless ›Damage‹ «, in: CE 08.02.2002 (http://www.cincinnati.com/freetime/ movies/mcgurk/020802_collateraldamage.html, 14.06.2007). Vgl. ähnlich auch »Collateral Damage«, in: LAT 08.02.2002 (http://www.calendarlive.com/movies/reviews/cl-mov ie000009724feb08,0,6839815.story, 14.06.2007).
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chend befiehlt er auch bei der Attacke auf das Lager der ALC: »Keep firing! Kill them all!« Brewer stellt ihn deshalb nach Beendigung des Blutvergießens zur Rede. BREWER: »God damn you, Brandt! I was your excuse to kill all these people, huh?« BRANDT: »You’re here to murder a man, right, Mr. Brewer? Well, I’m trying to save a country. Keep its poison off our streets.« BREWER: »By killing innocent women and children?« BRANDT: »I fight terrorists with terror.« BREWER: »What terrorists? The Wolf isn’t even here anymore.«
In diesem Dialog wird tatsächlich das Vorgehen des offiziellen Vertreters der USRegierung kritisiert und eine mögliche Gleichsetzung mit den Aktionen der Terroristen zur Sprache gebracht. Für den Zuschauer muss das zu diesem Zeitpunkt umso einleuchtender erscheinen, als sich ein Vergleich mit Selenas Geschichte aufdrängt. Die von Brandt postulierte Bekämpfung von Feuer mit Feuer scheint unter diesen Umständen eher geeignet, neue Terroristen hervorzubringen. Allerdings verzichten die Macher des Films auffälligerweise darauf, diese kritische Position durch eine entsprechende Visualisierung zu untermauern. Stattdessen wurden aus der endgültigen Schnittfassung etwa anderthalb Minuten Material entfernt, die die Auswirkungen des Angriffs, insbesondere die zahlreichen Todesopfer auch unter den unbewaffneten Bewohnern des Camps, und Brewers Erschütterung angesichts dieses Vernichtungswerks zeigen.322 Erklären lässt sich dies im Grunde nur damit, dass der Regisseur und die übrigen Verantwortlichen nicht zu viel Aufmerksamkeit auf das Leid lenken wollten, das aus dem Vorgehen von Brandt im Namen der Vereinigten Staaten erwächst. Daraus lässt sich bereits ableiten, dass eine völlige Parallelisierung von Terrorismus und Counterterrorismus nicht intendiert ist und Brandt nicht zu einem mit den Kolumbianern vergleichbaren Schurken gestempelt werden soll. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang die weitere Entwicklung der Geschichte und der Figuren wiederum von entscheidender Bedeutung, denn während Selenas perfide Täuschung die Terroristen wirkungsvoll diskreditiert, wird Brandt hierdurch zumindest teilweise entlastet, weil sich zeigt, dass die Identifizierung der Bedrohung, die Unterscheidung zwischen Opfern und Mördern, zwischen Zivilisten und Kombattanten bei den Kolumbianern wesentlich schwieriger ist, als von Brewer und dem Publikum zunächst angenommen. Gerade die Verschlagenheit der Terroristen, die sich im Film immer wieder erfolgreich als US-Bürger tarnen, als Polizisten, Geschäftsleute oder Arbeiter, als harmlose Zeitgenossen und sogar als Freunde, macht ihre Gefährlichkeit aus. Es ist diese Verstellung, die Aufhebung zwischen klaren Unterscheidungen, die das Eindringen der Gewalt aus dem Ausland in die friedlichen Vereinigten Staaten, die Penetration der Grenzen durch zerstörerische Kräfte, überhaupt erst möglich macht. Brandts Methoden erscheinen so rückblickend in einem vorteilhafteren Licht, zumal kein Zweifel daran besteht, dass er sie für eine gute Sache einsetzt, nämlich den Schutz der USA. Wenn er am Ende von Selena erschossen wird, als er versucht, 322 Die Szene ist enthalten beim Bonusmaterial der DVD-Ausgabe von Universum Film aus dem Jahr 2002.
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sie aufzuhalten, wird aus der scheinbaren Ähnlichkeit von Terrorist und Terroristenjäger eine eindeutige und auf Zwischentöne verzichtende Gegenüberstellung einer brutalen Mörderin und eines heldenhaften Agenten, der in Erfüllung seiner Pflicht den Tod findet. »You cannot negotiate with terrorists. Now these guerillas, they don’t want any peace. All they wanna do is sell cocaine«, ereifert sich Brandt zu Beginn vor einem Senatsausschuss, als auf die anstehenden Friedensverhandlungen in Kolumbien verwiesen wird. Im weiteren Verlauf des Films spielt der Rauschgifthandel lediglich eine untergeordnete Rolle. An einer Stelle wird sogar auf den zweifelhaften Wert der Bekämpfung der Drogen in den Quellenländern aufgrund des Balloneffekts verwiesen, und der Kokainschmuggler Felix (John Leguizamo) ist eine eher sympathische Figur, die selbst der Gewalt der Guerillas zum Opfer fällt. Dennoch tragen deren Verstrickungen in das schmutzige Geschäft mit der Sucht zu ihrer negativen Darstellung bei. Obwohl der Fokus des Interesses eindeutig auf dem Phänomen des Terrorismus liegt, sind die Bösewichte zu allem Überfluss eben auch noch Narcoterroristen. Das ist auch deshalb wichtig, weil ein Ende des US-amerikanischen Engagements in Kolumbien – abgesehen von persönlicher Rache – ihr einziges im Film klar formuliertes Ziel darstellt. Da diese Unterstützung aber nicht von der Bekämpfung des Drogenhandels getrennt werden kann, scheint dies Brandts Ansichten zu stützen, die sich auf jeden Fall als scharfsinniger als die der leichtgläubigen Politiker erweisen, denn dass an eine friedliche Aussöhnung mit Perrini und seinesgleichen nicht zu denken ist, kann am Ende des Films nicht mehr bezweifelt werden. Tatsächlich wird deutlich, dass ›Freiheit‹ und ›Unabhängigkeit‹, für die die Guerillas vorgeblich kämpfen, nichts weiter als Worthülsen sind, hinter denen sich einmal mehr ein totalitäres Regime verbirgt, wie es die Narcoterroristen bereits in dem von ihnen kontrollierten Gebiet errichtet haben. Charakteristisch für die Konstruktion des entsprechenden Feindbildes ist vor allem jene Szene, in der Perrini einen Untergebenen, der ihn enttäuscht hat, mit einem besonders grausamen Tod bestraft, indem er eine Giftschlange in den gewaltsam aufgestemmten Mund des Mannes gleiten lässt. »In the struggle for liberation, there is no room for mistakes«, erklärt er dazu, und: »Discipline is everything. Discipline and punishment.« Perrini offenbart hier jene Unmenschlichkeit, die der Beiname El Lobo erwarten lässt. Wie Wulfgar oder Carlos der Schakal ist er ein Raubtier, das offensichtliches Vergnügen am Quälen und Töten hat. Im direkten Vergleich mit der Darstellung Brandts ist es überaus aufschlussreich, dass die Filmemacher dieser Szene den Vorzug vor einer ebenfalls gedrehten Alternative gegeben haben, in der Perrini dem ›Versager‹ nur einen leichten Schlag mit einem zusammengerollten Magazin versetzt.323 Während die kritische Komponente im Fall des CIA-Agenten also entschärft wurde, hat man sich im anderen Fall dafür entschieden, den Terroristen überdeutlich als sadistisches Monster zu zeichnen. Von »moral equivalence« kann wahrlich keine Rede sein. Folgerichtig ist in Collateral Damage die Auslöschung der Bösen einmal mehr die einzige Lösung. Statt auf die verhängnisvollen Mechanismen einer Spirale der Gewalt aufmerksam zu machen, feiert der Film am Ende die gerechte Vergeltung und die reinigende Gewalt des Helden, die das Terroristenpaar durch Stromschlag und
323 Diese Szene ist ebenfalls beim Bonusmaterial der DVD enthalten.
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Feueraxt ins Jenseits befördert. Nur so kann offenbar die Sicherheit der von tödlichen Feinden bedrohten USA garantiert werden. Damit reihte sich Collateral Damage in eine lange Tradition von Filmen über Terrorismus ein und war zugleich nach dem 11. September 2001 auf der Höhe der Zeit. Zu einem großen Erfolg wurde der Film im Kino zwar trotzdem nicht,324 Regisseur und Hauptdarsteller zeigten sich jedoch überzeugt, dass er nun bedeutsamer sei als er es vor 9/11 gewesen wäre.325 Arnold Schwarzenegger berichtete zudem in einem Interview, dass auch die Bewertungen bei den Testvorführungen nach den Anschlägen positiver ausgefallen seien als davor.326 Symbolträchtig erschien vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse nicht zuletzt, dass ausgerechnet ein Feuerwehrmann in dieser Produktion zum Rächer wurde, wobei dies auch Kritiker auf den Plan rief, die dadurch das Andenken der Helden von New York verunglimpft sahen.327 Nicht minder symbolträchtig – und überdies nicht zufällig – war die Entscheidung, die Europapremiere des Films auf einem Stützpunkt der US-Truppen in Bosnien zu feiern. Die Kriegsmentalität des Films verschmolz mit der Kriegsmentalität jenseits der Leinwand. Entsprechendes lässt sich auch für die – in vielem wie ein Abklatsch von Fire Birds wirkende – Direct-to-Video-Produktion Air Strike (2002) bemerken, die erst nach den Terroranschlägen von New York und Washington gedreht wurde und sich direkt auf diese bezieht. »After the September 11 attack on America, the President sent a small squadron of elite helicopter pilots and U.S. Rangers to Eastern Europe as a deterrent to terrorists«, führt eine Einblendung zu Beginn des Films in die Handlung ein, die die amerikanischen Truppen mit einem mächtigen Drogenbaron und »narco-terrorist« nebst eigener Armee in dem Fantasiestaat Petrovia konfrontiert. Der Film präsentiert sich als ein ultrapatriotischer Beitrag zum war on terror: Schon im Vorspann werden die Schriftzüge über dem auch sonst häufig ins Bild gerückten Sternenbanner eingeblendet, und zum Schluss feiern die Soldaten ihren Sieg über den Feind mit einem Chor von »U.S.A., U.S.A.«-Rufen. In einem Making-of versäumen die Darsteller zudem nicht, ihrem Stolz auf die eigene Nation und deren Militär Ausdruck zu verleihen.328 Air Strike demonstriert wiederum die schon in den älteren Produktionen zu beobachtende Verwischung der Unterschiede zwischen dem ›Krieg gegen die Drogen‹ und dem ›Krieg gegen den Terror‹, die nach 9/11 noch einmal verstärkt wurde. »Terrorism and drugs go together like rats and the bubonic plague. They thrive in the same conditions, support each other and feed off each other«, erklärte Justizminister John Ashcroft und machte damit deutlich, warum eine Trennung beider Problemfel324 In den US-Kinos spielte der Film knapp über 40 Millionen Dollar (bei einem Budget von 85 Millionen); Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/2002/CDMGE.php, 19.06. 2007. 325 Vergleiche die Aussagen von Schwarzenegger und Andrew Davis in »The Hero in a New Era: Reflections on Collateral Damage«, enthalten beim Bonusmaterial der DVD. 326 Das Interview findet sich ebenda. 327 Siehe dazu »Collateral Damage« auf: http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article ?AID=/20020208/REVIEWS/202080302/1023 (14.06.2007). 328 »Air Strike: A Look Behind the Scenes«, enthalten beim Bonusmaterial der DVD-Ausgabe von Star Media Home Entertainment aus dem Jahr 2003.
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der von der Bush-Administration als realitätsfremd betrachtet wurde.329 Nicht nur alQaida, auch die FARC galt folgerichtig als terroristische Bedrohung für die USA.330 Im März 2002 hob der Kongress die Restriktionen hinsichtlich der Verwendung von Hilfsgeldern für die Aufstandsbekämpfung in Kolumbien auf. Noch im selben Jahr verabschiedte er ein weiteres Gesetz, »allowing the use of lethal assistance to Colombian anti-terrorist operations«.331 Das Air Bridge Denial Program wurde im August 2003 wieder aufgenommen.332 Gleichzeitig finanzierte das ONDCP eine Kampagne von Fernsehspots, um die Bevölkerung auf die Verbindung zwischen Drogenhandel und Terrorismus aufmerksam zu machen. Auch die DEA orientierte sich neu: Hatten vormals andere Behörden ihren Anteil am war on drugs betont, um sich Anerkennung und Budgets zu sichern, so waren die Bekämpfer des Drogenhandels nun bemüht, ihr Vorgehen gegen Narcoterroristen als wichtiges Element des war on terror herauszustellen.333 »By working to keep drug money from financing terror, you’re playing an important part in this world – in this war«, bestätigte Präsident Bush ihnen in einer Rede im Juli 2005.334 Die narcoterroristische Gefahr wurde nicht nur in Kolumbien gesehen, sondern auch in Peru, wo Sendero Luminoso angeblich wieder erstarkte.335 Zudem behaupteten die Bush-Administration und die bolivianische Regierung, dass Evo Morales, der oppositionelle Führer der Kokabauern, Verbindungen zu Terroristen hätte, obwohl es in Bolivien weder Terrorgruppen noch Guerillas gab.336 Allerdings erhielt Lateinamerika, wo sich die USA nicht mit einem großen Aufgebot regulärer Truppen engagierten, im ›Krieg gegen den Terror‹ wesentlich weniger öffentliche Aufmerksamkeit als der Nahe und Mittlere Osten. Die weitere Verquickung von Drogen- und Aufstandsbekämpfung sowie deren zunehmende Eskalation und Militarisierung im ›Hinterhof‹ der Vereinigten Staaten blieben so weitgehend unbemerkt. Narcoterrorismus rückte nun eher in den Fokus im Hinblick auf die Taliban und al-Qaida in Afghanistan, dem Land mit der größten Opiumproduktion der Welt. Allerdings wurde gerade dort alsbald die Drogenbekämpfung dem war on terror untergeordnet, da man die Konfrontation mit den afghanischen Verbündeten und weiten Teilen der Bevölkerung vermeiden wollte, die gleichfalls vom Rauschgiftexport profitierten.337 Die Muster des Kalten Krieges wiederholten sich.
329 Zitiert nach Neild, »Police Assistance«, 77. Siehe dazu auch Isacson, »U.S. Military«, 4750. 330 Dazu auch National Security Strategy [2002], 10. 331 Friesendorf, War on Drugs, 137. 332 PGT: 2003, 76. 333 Andreas/Nadelmann, Policing the Globe, 197. 334 George W. Bush, »Remarks at the FBI National Academy in Quantico, Virginia, July 11th, 2005«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73894 (27.07.2007). 335 Rojas, »Peru«, 185-7; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Shining Path«. 336 Ledebur, »Bolivia«, 176f. 337 Dazu Andreas/Nadelmann, Policing the Globe, 198f.
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1.4 »I UNDERSTAND WHY HE’S DOING WHAT HE’S DOING«: DIE BESONDERE BEHANDLUNG DER IRA Wenn man die Darstellung von Terrorismus im amerikanischen Spielfilm betrachtet, stellt man fest, dass das simple Gut-Böse-Schema des Feindbildes nur selten in Frage gestellt oder gar durchbrochen wird. Umso auffälliger ist deshalb die Behandlung des Nordirlandkonfliktes: Obwohl sich ihr Kampf für ein vereinigtes Irland gegen Großbritannien richtete und damit gegen eine westliche Demokratie und einen der engsten Verbündeten der USA, wurde die IRA nicht wie vergleichbare Gruppen als totalitäre Mörderbande und als Bedrohung von Freiheit und Zivilisation porträtiert, sondern wesentlich differenzierter und verständnisvoller338 – und dies gerade in den Filmen der 1990er Jahre, als Terroristen als Feindbild immer wichtiger wurden. Das lässt sich primär dadurch erklären, dass die Vereinigten Staaten aufgrund ihrer großen irischstämmigen Bevölkerungsgruppe eine historisch begründete besondere Beziehung zum Freiheitskampf der Iren haben. Im 19. Jahrhundert, insbesondere im Gefolge der großen Hungersnöte Ende der 1840er Jahre, verließen mehrere Millionen Menschen die grüne Insel in Richtung Amerika.339 Von dort unterstützten viele die Bestrebungen in der alten Heimat, die britische Herrschaft abzuschütteln und eine irische Republik zu errichten. Schon beim gescheiterten Aufstand der als Fenians bekannten Irish Republican Brotherhood in den 1860er Jahren spielten die finanzielle Unterstützung und vor allem auch das im amerikanischen Bürgerkrieg erworbene militärische Knowhow der irischen Gemeinde in den USA eine nicht zu unterschätzende Rolle.340 Die Geschichte des Ringens um ein unabhängiges und vereintes Irland nachzuzeichnen, ist an dieser Stelle weder möglich noch erforderlich. Es genügt in unserem Zusammenhang, sich einige wichtige Eckpunkte zu vergegenwärtigen: Der erfolgreiche Kampf der 1919 gegründeten IRA, die sich selbst in der Tradition der Fenier sah, führte 1921 zur Teilung des Landes: 26 Counties bildeten fortan die Republik Irland, die den Status eines Dominions erhielt, die sechs protestantisch geprägten Counties Ulsters verblieben als Provinz Nordirland im Vereinigten Königreich. Für zahlreiche Iren, die die Einheit der gesamten Insel forderten, war eine solche Regelung allerdings inakzeptabel. Es kam zu einem Bürgerkrieg, in dem die Gegner des Friedensvertrages unterlagen. Die Vereinigung Nordirlands mit dem Süden blieb in den folgenden Jahrzehnten die Hoffnung der katholischen Nationalisten und die Schreckensvision der protestantischen Loyalisten in Ulster. Der schwelende Konflikt eskalierte Ende der 1960er Jahre, als der zunächst friedliche Protest der Katholiken gegen ihre weitreichende Diskriminierung seitens der Protestanten zu blutigen Auseinandersetzungen führte. In diesem Klima erstarkte die IRA wieder, da viele Katholiken den Eindruck gewannen, dass die überwiegend protestantische Polizei nicht in der Lage oder nicht willens sei,
338 Vgl. auch die jeweiligen Kapitel in Vanhala, Depiction of Terrorists und Zywietz, Terrorismus im Spielfilm. 339 Für genaue Zahlen zur irischen Einwanderung in die USA siehe Sautter, Die Vereinigten Staaten, 117. 340 Siehe dazu ausführlich Burleigh, Blood and Rage, 1-26.
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sie zu beschützen. 1969 spaltete sie sich in zwei Flügel: Die marxistisch orientierte Official IRA setzte auf die Gewinnung der politischen Macht auf legalem Wege über Wahlen und erklärte 1972 einen Waffenstillstand; die Provisional IRA (PIRA) dagegen erklärte den militärischen Kampf gegen das britische ›Besatzungsregime‹ zur einzigen erfolgversprechenden Strategie. Es ist dieser Flügel der Provos, der heute gemeinhin mit dem Kürzel IRA assoziiert wird, insbesondere wenn es um modernen Terrorismus geht. Das ist wenig verwunderlich, denn auch wenn die PIRA das Erbe der IRA als legitime Streitmacht der Republik Irland beanspruchte, gehörten zu ihren Taktiken zahlreiche der üblicherweise als terroristisch eingestuften Methoden. 1974 etwa führte sie auf englischem Boden eine Serie von Bombenanschlägen durch, bei der eindeutig zivile Ziele wie Pubs attackiert wurden. Den Operationen der PIRA fielen denn auch mehr Zivilisten als Angehörige der britischen und nordirischen Sicherheitskräfte zum Opfer.341 Dennoch konnte die IRA weiterhin auf Unterstützung aus den Vereinigten Staaten zählen, wo 1980 40,7 Millionen Menschen irischer Abstammung lebten, was etwa 18% der Gesamtbevölkerung entsprach. 1990 waren es immerhin noch 13,5%.342 Damit war ein beachtliches Potential vorhanden, zum einen an Wählerstimmen, auf die amerikanische Politiker – von denen selbst nicht wenige irische Wurzeln hatten – Rücksicht nehmen mussten, und zum andern zur Beschaffung von Finanzmitteln und Waffen. Eine prominente Rolle spielte hierbei die 1969 in New York zur Requirierung von Geldern für die Provos gegründete Organisation NORAID, deren Zuwendungen James Adams zufolge Anfang der 1970er Jahre mehr als 50% des Budgets der IRA ausmachten.343 Die Bedeutung der finanziellen Hilfe aus den USA nahm mit der Zeit zwar stark ab, da die IRA andere, ergiebigere Einnahmequellen wie Schutzgelderpressung, Geldwäsche und andere kriminelle Aktivitäten auftat. Selbst dem ursprünglich scharf bekämpften Drogenhandel wandte sie sich zu und lenkte schließlich laut Michael Burleigh »the largest crime syndicate in Europe«.344 Aber es erschien sowohl der IRA als auch der britischen Regierung opportun, weiterhin zu verbreiten, dass die amerikanische Unterstützung über alle Maßen wichtig sei. Die eine Seite versprach sich davon eine größere Legitimation ihres Kampfes in den Augen der Weltöffentlichkeit, die andere setzte darauf, dass ein schlechtes Gewissen die 341 Für detailliertere Ausführungen zur IRA und zum Nordirlandkonflikt sowie für Hinweise auf Spezialliteratur zu diesem Thema siehe ebenda, 287-345; Adams, Financing of Terror, 132-4; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Irish Republican Army«. 342 Zahlen aus Adrian Guelke, »The United States, Irish Americans and the Northern Ireland Peace Process«, in: International Affairs 72:3 (1996), 521-36, hier: 522f; Peter Lösche/ Hans Dietrich von Loeffelholz (Hg.), Länderbericht USA: Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur (BPB Schriftenreihe, Bd. 401), 4., aktual. u. neu bearb. Auflage, Bonn 2004, 598. 343 Adams, Financing of Terror, 136. Für ausführliche Informationen zu NORAID siehe ebenda, 135-55; Guelke, »Irish Americans«, 523-6. 344 Burleigh, Blood and Rage, 341; dazu ebenda, 342-4; Adams, Financing of Terror, 156-84 u. 233f; Ian O. Lesser, »Countering the New Terrorism: Implications for Strategy«, in: Lesser u.a., Countering the New Terrorism, 85-144, hier: 98 mit Anm. 26; Leader/ Wiencek, »Drug Money«, 53.
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USA davon abhalten werde, das eigene Vorgehen gegen die Terroristen zu kritisieren.345 In den 1980er Jahren wurde es in den Vereinigten Staaten langsam unbequemer für die IRA. Nach dem Mord an Lord Louis Mountbatten 1979 verlor sie viele Sympathien, und die Reagan-Administration reagierte auf den Druck der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher, die im Oktober 1984 selbst nur knapp einem spektakulären Anschlag auf ihr gesamtes Kabinett entging, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen. Die amerikanischen Justizbehörden begannen nun, konsequent gegen die Unterstützer des irischen Terrorismus vorzugehen, wobei sie die Verstrickungen NORAIDs in den Waffenschmuggel aufdeckten. Das führte zu einem erheblichen Rückgang der Spendengelder, weil vormals gebefreudige Amerikaner ihr Gewissen nun nicht mehr mit der Fiktion eines rein karitativen Beitrags beruhigen konnten. Die meisten irischen Gruppen in den USA distanzierten sich zunehmend deutlich von Gewalt und befürworteten eine politische Lösung des Konfliktes, wie sie dann durch den Friedensprozess in den 1990er Jahren greifbar wurde.346 Die Vermutung liegt nahe, dass diese Entwicklung auch mit der immer stärkeren Fokussierung auf Terrorismus als Bedrohung für die Vereinigten Staaten zusammenhing, dass dadurch die Wahrnehmung der IRA negativ beeinflusst wurde. Tatsächlich werden irische Terroristen in Nighthawks (1981) als Teil der überaus gefährlichen antiwestlichen ›terroristischen Internationalen‹ dargestellt. Während sie hier nur am Rande in Erscheinung treten, rücken sie elf Jahre später in der Tom-Clancy-Verfilmung Patriot Games (1992) in den Mittelpunkt des Geschehens: Der ehemalige CIAMitarbeiter Jack Ryan (Harrison Ford) wird in diesem Film während eines Aufenthaltes in London zufällig Zeuge eines Angriffs auf Mitglieder der königlichen Familie. Ryan greift ein, vereitelt die geplante Entführung und tötet dabei einen der Terroristen. Dessen Bruder Sean Miller (Sean Bean) schwört Rache und verübt wenig später in den USA mithilfe seiner Kameraden einen Anschlag auf Ryans Frau Cathy (Anne Archer) und seine kleine Tochter Sally (Thora Birch), den beide nur schwer verletzt überleben. Um seine Familie zu schützen, kehrt der frühere Geheimdienstmann daraufhin zur CIA zurück, bestärkt von seiner Frau, die diese Idee zuvor entschieden abgelehnt hatte. »You get him, Jack«, fordert Cathy ihren Mann nach einem nächtlichen Anruf Millers auf. »I don’t care what you have to do. Just get him.« Zwar gelingt es Ryan, Millers Gruppe in einem Terrorcamp in Libyen aufzuspüren, der Einsatz einer britischen Kommandoeinheit erfolgt jedoch zu spät. Die Terroristen haben das Lager bereits in Richtung Vereinigte Staaten verlassen, wo sie das Haus der Familie Ryan angreifen, als dort unter Beisein des in London geretteten Lord Holmes (James Fox) die Rückkehr von Sally aus dem Krankenhaus gefeiert wird. Hier kommt es zum dramatischen Showdown, bei dem der Held den Schurken im Kampf Mann gegen Mann besiegt und tötet. Die Bösewichte in Patriot Games sind charakteristische Vertreter des Feindbildes Terrorismus:347 Sie ermorden ohne Skrupel Unschuldige, Unbewaffnete und sogar Mitglieder ihrer eigenen Organisation, wenn diese nicht länger von Nutzen sind. Und 345 Adams, Financing of Terror, 136. 346 Dazu ebenda, 138-54; Guelke, »Irish Americans«. 347 Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 114, bezeichnet den Film daher als »Ausnahme von der Ausnahme«.
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auch wenn sie in erster Linie die britische Regierung bekämpfen, werden sie doch als Gefahr für die USA dargestellt. Nun hat Suzanne McCorkle richtig bemerkt, dass die Bedrohung hier weniger umfassend daherkommt als in anderen Terrorismus-Filmen, in denen etwa Anschläge mit Massenvernichtungswaffen thematisiert werden,348 zumal die Absicht, Ryans Familie zu ermorden, nicht wirklich politisch motiviert ist, sondern durch die persönlichen Racheglüste Millers. Der Terrorist überwirft sich am Ende des Films sogar mit seinen beiden engsten Mitstreitern und tötet sie, weil es ihm im Gegensatz zu diesen nur noch um Ryans Tod geht, während ihn die Entführung von Holmes, die für die Pläne der Gruppe wichtig ist, nicht mehr interessiert. Allerdings darf man die schon häufiger angesprochene Bedeutung der Familie als Symbol für die Nation nicht außer Acht lassen. Insofern sind die Angriffe auf die Ryans durchaus als Attacken auf Amerika als Ganzes zu verstehen. Besonders bedeutsam ist dabei, dass die amerikanische Familie sogar in ihrem eigenen Heim, das ein sicherer Zufluchtsort sein sollte, von der terroristischen Bedrohung heimgesucht wird. Unter dem oberflächlichen persönlichen Konflikt wird so beispielhaft das Eindringen des Terrorismus in das Allerheiligste der Vereinigten Staaten thematisiert. Auf einer allegorischen Ebene spiegelt sich im Schicksal der Familie Ryan das der USA, die durch ihr – notwendig und gerecht erscheinendes – Vorgehen gegen den internationalen Terrorismus den Zorn ausländischer Finsterlinge und damit die Gefahr von Anschlägen im eigenen Land heraufbeschwören. Beachtenswert ist außerdem, dass die Terroristen in Libyen trainieren349 und so mit einem Staat in Verbindung gebracht werden, der zu dieser Zeit unzweifelhaft als Feind der Vereinigten Staaten und als ein Drahtzieher des antiamerikanischen Terrorismus galt und deshalb in den 1980er Jahren mehrfach das Ziel von Operationen des US-Militärs gewesen war. Dadurch wird die Gruppe um Miller in den Kontext einer größeren Bedrohung eingeordnet, die sich eben nicht nur gegen Großbritannien oder gegen die zufällig in die Geschehnisse in England verwickelten Ryans richtet. Folgerichtig zeigt die CIA auch großes Interesse daran, die Terroristen auszuschalten. Das ist auch in diesem Film am Ende gleichbedeutend mit ihrer gewaltsamen Vernichtung. Die Bedrohung der amerikanischen Familie durch den Feind kann wie üblich nur durch dessen Auslöschung beendet werden. Wichtig ist nun aber, dass die so negativ gezeichneten Schurken in Patriot Games nicht mit der IRA gleichzusetzen sind. Vielmehr handelt es sich um »some ultraviolent faction«, wie Ryan während seiner Nachforschungen erkennt. Tatsächlich steht die Gruppe auch im Konflikt mit der etablierten irischen Terrororganisation. In einem Gespräch nach dem von Ryan vereitelten Versuch, Holmes in London zu entführen, macht der IRA-Mann Jimmy dem Anführer der Gruppe, Kevin O’Donnell (Patrick Bergin), Vorwürfe wegen der Aktion. JIMMY: »The royal family, Kevin… You know that only turns people against us. Look, this was totally unauthorized. And the other brigade commanders, they know that you were behind it.« O’DONNELL: »Fuck the bloody IRA! All these years of war and they got us nowhere.« 348 McCorkle, »American Hero Meets Terrorist«, 168. 349 Inspiriert ist dies möglicherweise durch Waffenlieferungen Libyens an die IRA; dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Irish Republican Army«.
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Die Sorge der IRA, dass zu große Rücksichtslosigkeit ihrer Sache schadet, weil dadurch die Öffentlichkeit gegen sie aufgebracht wird, erinnert an Nighthawks, wo die irischen Terroristen den von Wulfgar verübten blutigen Anschlag zu Beginn des Films ebenfalls als »overdone« kritisieren. Darin kommt nicht nur ein Interesse an einem positiven Image zum Ausdruck, sondern auch eine selbstauferlegte Mäßigung, die einen entscheidenden Unterschied zu völlig skrupellosen Charakteren wie Wulfgar, Miller oder den terroristischen Bösewichten in zahllosen anderen Filmen darstellt, denen jegliche Skrupel fremd sind. O’Donnell sieht in solcher Zurückhaltung denn auch eine Schwäche, die dem Sieg im ›Krieg‹ gegen die Briten im Weg steht. Wie tief die Kluft zwischen den beiden Positionen ist, wird im Anschluss an diese Szene noch deutlicher: Die IRA schickt ein Killerkommando zu O’Donnell, das von diesem aber bereits erwartet und getötet wird. Gleichzeitig lockt seine Freundin Annette (Polly Walker) – ein weiteres typisches Exemplar der weiblichen Terroristin als ›Schwarze Witwe‹ – Jimmy in eine Falle und bringt ihn um. Auch im weiteren Verlauf des Films bekämpft O’Donnell nicht nur die Briten, sondern auch seine irischen Landsleute. So lässt er den Behörden Informationen zukommen, die zur Verhaftung einer IRA-Zelle in Belfast führen, und zeigt sich nach dem – nicht eigentlich erfolgreichen – Anschlag auf die Ryans zufrieden, weil dadurch wiederum Stimmung gegen den irischen Terrorismus erzeugt und so der Konflikt angeheizt wird. »We’ve started a bleedin’ war«, erklärt er Miller. »The Brits are tearin’ apart Belfast for the IRA. And their American money are denyin’ the hit so loud, it only makes them look more guilty. The war is ragin’. And when it’s over, we’ll be the only ones left standin’.« O’Donnell ist also auf eine Eskalation aus, die ganz bewusst auch zur Vernichtung der IRA führen soll. Deren Vertreter zeigen sich auch in diesem inneririschen Konflikt deutlich skrupulöser. Paddy O’Neil (Richard Harris), der im Namen Sinn Féins das Attentat auf Ryans Familie verurteilt, lehnt es zunächst ab, dem Amerikaner Hinweise auf den Aufenthaltsort von O’Donnell und Miller zu liefern. Trotz deren offen gegen die Interessen der IRA gerichteten Verhaltens fühlt er sich zur Loyalität gegenüber seinen irischen Landsleuten verpflichtet. Zwei Gründe geben aber den Ausschlag dafür, dass er Ryan schließlich doch noch Informationen zukommen lässt: Zum einen droht dieser damit, die Geldquellen der IRA in den Vereinigten Staaten zum Versiegen zu bringen, indem er mit dem Leid seiner nur knapp mit dem Leben davongekommenen Tochter noch schlechtere Publicity erzeugt als ohnehin schon.350 Zum anderen stellt sich heraus, dass Annette Engländerin ist, was es O’Neil ermöglicht, sie ohne Gewissensbisse zu verraten. Auf diese Weise trägt die IRA also sogar dazu bei, die Schurken, die die amerikanische Familie bedrohen, zu besiegen. Das Motiv der radikalen Splittergruppe, die von der IRA unterschieden werden muss, begegnet auch in anderen Filmen. In dem Action-Thriller Ronin (1998) beispielsweise ist es das Ziel des von Robert De Niro gespielten CIA-Agenten, einen irischen Terroristen namens Seamus O’Rourke (Jonathan Pryce) zur Strecke zu brin350 Patriot Games übertreibt die Bedeutung zumindest der finanziellen Unterstützung aus den USA. Dies trägt in gewisser Weise aber dazu bei, die IRA in einem positiveren Licht erscheinen zu lassen, da jeglicher Hinweis auf ihre kriminellen Geldquellen fehlt und ihre Verbindungen nach Amerika darüber hinaus einen Kontrast zur Zusammenarbeit von O’Donnells Gruppe mit antiwestlichen Kräften im Nahen Osten bilden.
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gen. Dessen Tod trägt dazu bei, ein Friedensabkommen in Nordirland zu ermöglichen, wie Nachrichtenmeldungen aus dem Off am Ende des Films verkünden: »O’Rourke had earlier been denounced by the IRA, the military wing of Sinn Féin, as a rogue breakaway operative.« Ronin verarbeitete mit diesem Szenario durchaus reale Entwicklungen seiner Entstehungszeit. Bereits im August 1994 hatte die PIRA erstmals einen Waffenstillstand erklärt, den sie anderthalb Jahre später allerdings noch einmal aufkündigte, nachdem Friedensgespräche zu keinem Ergebnis geführt hatten. Auf einen erneuten Waffenstillstand 1997 folgte im Jahr der Veröffentlichung von Ronin mit dem sogennanten Karfreitagsabkommen dann tatsächlich eine tragfähige Friedensregelung für den Nordirlandkonflikt.351 Wie allerdings vormals die PIRA selbst auf einer militärischen Lösung beharrt hatte, so lehnten einige Hardliner auch diesen Friedensprozess ab und organisierten sich in Splittergruppen wie der Real IRA oder der Continuity IRA, die den gewaltsamen Kampf um ein vereinigtes Irland fortsetzen wollten und in den Folgejahren gelegentlich mit Anschlägen auf sich aufmerksam machen.352 Diesen Gruppen fehlt jedoch, wie Grenville Byford bemerkt hat, jene breite Unterstützung unter der katholischen Bevölkerung Ulsters, die der PIRA – ungeachtet ihrer Methoden – in den Augen mancher Beobachter eine gewisse Legitimation verlieh.353 Genau diese unterschiedlich bewertete Legitimation spielt auch bei der filmischen Darstellung von irischen Terroristen immer wieder eine Rolle: Indem betont wird, dass es sich bei den Bösewichten, die auch Amerikaner bedrohen, um besonders radikale Kräfte handelt, die explizit nicht der IRA zuzurechnen sind, vielmehr mit dieser im Konflikt stehen, wird der Irish Republican Army eine vergleichsweise gemäßigte und nachvollziehbare Position zugeschrieben. Im Fall von Ronin erscheint dies angesichts des historischen Kontextes nicht ganz so überraschend, das ältere Beispiel Patriot Games zeigt jedoch, dass es zu kurz gegriffen wäre, in dieser Porträtierung nur eine Reaktion auf die Fortschritte in Nordirland während der 1990er Jahre sehen zu wollen. Vielmehr wird hier eine grundlegend wohlwollendere Einstellung gegenüber der IRA und ihren Zielen deutlich, als man sie sonst im amerikanischen Kino feststellen kann, wenn es um Terrorismus geht. Noch eindrücklicher ist in dieser Hinsicht The Devil’s Own (1997),354 in dem Harrison Ford wiederum in der Rolle des Helden zu sehen ist, der als Ehemann und Vater und zugleich als Repräsentant des Staates damit konfrontiert wird, dass der internationale Terrorismus in die USA eindringt und zur Bedrohung für seine Familie wird. Als rechtschaffener New Yorker Polizist Tom O’Meara nimmt er einen iri351 Siehe dazu PGT: 1994, 9; PGT: 1996, 11f; PGT: 1997, 19; PGT: 1998, 19f; Burleigh, Blood and Rage, 337f; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Irish Republican Army«. Die Frage der Entwaffnung blieb aufgrund des Anspruchs der IRA, eine legitime Armee zu sein, in den folgenden Jahren ein Streitpunkt, der den Frieden gefährdete. Erst im Oktober 2001 – zweifellos unter dem Eindruck von Amerikas neuem ›Krieg gegen den Terror‹ – stimmte die IRA zu, ihre Waffen zu vernichten. 352 Dazu ebenda, s.v. »Real Irish Republican Army« u. »Continuity Irish Republican Army«. 353 Byford, »Wrong War«, 39f. 354 Auch Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 142f, betrachtet den Film als paradigmatisch für das Porträt des tragisch-verlorenen IRA-Einzelgängers, das auch in irischen und englischen Produktionen zu finden sei.
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schen Einwanderer in seinem Haus auf, ohne zu ahnen, dass es sich bei dem freundlichen jungen Mann um den Terroristen Frankie McGuire handelt, der in den Vereinigten Staaten kein neues Leben beginnen, sondern Stinger-Raketen für die PIRA erwerben will. Dieses Grundgerüst der Handlung mutet recht konventionell an und greift auf diverse wohlbekannte Motive zurück. Aber Frankie unterscheidet sich deutlich von Miller in Patriot Games oder auch von den russischen Terroristen, mit denen es Ford im selben Jahr als US-Präsident in Air Force One (1997) aufnehmen musste. Das lässt sich schon an der Besetzung der Rolle ablesen, denn der irische ›Freiheitskämpfer‹ wird von Brad Pitt verkörpert, »showing off all the star power that he usually works overtime to hide«, wie der Kritiker der New York Times feststellte.355 In der Tat spielt der 1995 von der Zeitschrift People zum »sexiest man alive« gekürte Pitt356 hier nicht – wie etwa zuvor in Twelve Monkeys (1995) – gegen sein Schönlingsimage an, stattdessen stellt der Film sein gutes Aussehen demonstrativ zur Schau. Der Terrorist ist den Behörden bezeichnenderweise auch als »Frankie the Angel« bekannt. Nun könnten solche Äußerlichkeiten und die Entscheidung, dem Helden statt eines auf Schurkenrollen abonnierten Schauspielers einen vergleichbaren Star als Antagonisten gegenüberzustellen, eventuell auch dazu dienen, das Publikum durch Offcasting in die Irre zu führen beziehungsweise die Täuschung durch den Bösen noch perfider erscheinen zu lassen. Das ist in The Devil’s Own allerdings nicht der Fall, vielmehr wird Frankie – der der eigentliche Protagonist des Films ist – auch sonst eindeutig als Sympathieträger und Identifikationsfigur präsentiert. Dies beginnt bereits mit den ersten Szenen des Films, einem im Jahr 1972 angesiedelten Prolog, der den späteren Terroristen als Achtjährigen beim Fischen mit seinem Vater und beim Abendessen im Kreis einer glücklichen Familie zeigt. Die Idylle wird jäh zerstört, als ein Maskierter in das Haus eindringt und Frankies Vater vor den Augen des entsetzten Sohnes erschießt. Anschließend springt der Film in die frühen 1990er Jahre, und die eigentliche Handlung nimmt ihren Anfang. Damit wird Frankie als eine Figur vorgestellt, die durch den traumatisierenden Einbruch von Gewalt in eine behütete Kindheit geprägt ist. Sein gesamtes Handeln wird letztlich auf diesen einen Moment zurückgeführt, der eine nachvollziehbare Motivation für seine eigene Hinwendung zur Gewalt liefert. Er ist zunächst nicht derjenige, der die Familien anderer Leute bedroht, sondern jemand, dessen eigene Familie zum Opfer des Terrorismus der protestantisch-loyalistischen Paramilitärs wird. Dafür Rache zu nehmen ist ein Motiv, das normalerweise den Helden eines Films, nicht den Schurken antreibt. Letzterer wird, wie schon häufig zu sehen war, vielmehr durch eine pathologische Lust am Töten und Quälen und/oder durch ideologischen Fanatismus gekennzeichnet. Derartige charakterliche Mängel weist Frankie nicht auf. Der Film zeigt ihn als freundlich und warmherzig, insbesondere im Umgang mit Toms Familie, die nicht zuletzt das repräsentiert, was ihm selbst genommen worden ist. Der ältere Mann wird für ihn dementsprechend zu einer Vaterfigur. Aber auch sein kameradschaftliches Verhältnis zu seinen Mitstreitern in der PIRA und seine Liebesbeziehung zu Megan (Natasha McElhone) stärken die positive Figurenzeichnung. Und trotz seiner trauma355 »Wake Up, Sergeant, There’s a Terrorist in Your Basement«, in: NYT 26.03.1997. 356 »Brad Pitt ›sexiest man alive‹ «, http://news.bbc.co.uk/2/low/entertainment/1003789.stm (19.08.2009).
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tischen Erfahrungen erweist er sich gerade nicht als hasserfüllter Fanatiker.357 So macht er gegenüber dem irisch-amerikanischen Helfer, der ihn bei den O’Mearas unterbringt, einem Richter, klar, dass er selbst von dem Konflikt, in dem er kämpft, verwirrt ist: »If you’re not confused, you don’t know what’s going on.« Im Gespräch mit Megan gesteht er außerdem: »Of course there’s guilt. Sleepless nights about some things. No one’s innocent.« Frankie geht es denn auch nicht etwa um die Vernichtung seiner Feinde, sondern um einen gerechten Frieden, der mit den Briten allerdings nicht machbar zu sein scheint. »They say the word peace, you know, but you know that all they want is surrender«, sagt er zu einem seiner Kameraden. Der geplante Kauf der Stinger-Raketen – eine Idee mit Vorbildern in der Realität358 – soll deshalb dazu dienen, die Helikopter des britischen Militärs angreifbar zu machen und so das Kräftverhältnis in einer Weise zu verändern, dass erfolgversprechende Verhandlungen möglich werden. »Maybe then we’ll talk peace«, wie Frankies Mitstreiter erklärt. Von erheblicher Bedeutung ist dabei auch, dass die Raketen nicht für Anschläge auf Zivilisten eingesetzt werden sollen, sondern um militärische Ziele zu bekämpfen. Es ist ein wichtiger Bestandteil von Frankies Charakterisierung, dass er selbst von den britischen Behörden nur für den Tod von Soldaten, Polizisten und ›ungezählten‹ Paramilitärs verantwortlich gemacht wird. Seine Gewalt – und die der PIRA insgesamt in diesem Film – richtet sich also ausschließlich gegen Kombattanten, wodurch sie eher legitimiert erscheint. In The Devil’s Own ist kein Attentat oder Bombenanschlag zu sehen, stattdessen wird der erwachsene Frankie durch ein heftiges Feuergefecht mit dem britischen Militär eingeführt, das sich entwickelt, als man ihn zu verhaften versucht, und das die Auseinandersetzung in Nordirland tatsächlich als Krieg zeigt, mit der an Männern und Feuerkraft unterlegenen IRA in der Sympathien weckenden Rolle des Underdogs.359 Bezeichnenderweise sind in dieser Szene zwar zahlreiche Zivilisten zu sehen, die in die Schusslinie geraten, aber keine zivilen Opfer. Da gezielte Gewalt gegen unschuldige Zivilisten aber zu den entscheidenden Merkmalen gehört, über die Terrorismus für gewöhnlich definiert wird, erscheint Frankie letztendlich nicht als Terrorist, sondern als Soldat. Dadurch wird zwangsläufig auch der Anspruch der IRA, eine legitime Armee zu sein, gestützt. Wenn Desson Howe Frankie in der Washington Post als »IRA activist« und sogar als »freedom fighter« bezeichnete, entsprach das insofern völlig dem Geist des Films.360 Tatsäch-
357 Richard Schickel bemerkte zu dieser ungewohnten Darstellung eines Terroristen in seiner Kritik in Time (31.03.1997): »It may be that Pitt and the script cheat a little with his character, not investing him with quite the fanatical glitter a political gunman ought to exhibit.« 358 Guelke, »Irish Americans«, 525, und Adams, Financing of Terror, 150f, berichten von Versuchen der IRA, solche Raketen in den USA zu erwerben. 359 Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 147, macht darauf aufmerksam, dass die Protestanten in den Filmen kaum vorkommen und stattdessen stets die Briten als Gegner hervorgehoben werden. 360 » › Devil’s Own‹: Satan’s Spawn«, in: WP 28.03.1997. Auch in Kritiken zu anderen Filmen fällt immer wieder einmal auf, dass der Begriff ›Terrorist‹ im Zusammenhang mit der IRA vermieden und stattdessen beispielsweise von einem »IRA soldier« gesprochen
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lich wird Frankie auch in the The Devil’s Own selbst nur ein einziges Mal als ›Terrorist‹ stigmatisiert. Der britische Agent Sloan (Simon Jones), der den Terminus verwendet, ist allerdings selbst viel eher eine Negativfigur als der Mann, den er jagt. Er wirkt nicht nur arrogant und emotionslos, sondern er erschießt auch einen von Frankies Freunden, obwohl dieser bereits schwer verwundet und unbewaffnet ist. Diese kalte Hinrichtung eines Wehrlosen ist ein deutlich abstoßenderer Akt der Gewalt als alles, was Frankie oder seine Kameraden in diesem Film tun. So wird von Beginn an eher den Briten eine Schurkenrolle innerhalb des Nordirlandkonflikts zugeschrieben, weshalb deren Einstufung der Gegenwehr als Terrorismus wenig überzeugend daherkommt. Ein weiteres Gegenbild zu Frankie wird mit dem amerikanischen Gangster Billy Burke (Treat Williams) aufgebaut, von dem Frankie die Stinger-Raketen zu kaufen beabsichtigt und der als der eigentliche Bösewicht des Films bezeichnet werden muss. Auch die Bedrohung für die O’Mearas geht von dieser Figur aus, der es einzig darum geht, an das in Aussicht gestellte Geld heranzukommen. Zwar kann Frankie nicht von jeder Verantwortung freigesprochen werden, da seine Geschäfte und seine Anwesenheit im Haus der Familie die Gefahr für diese heraufbeschwören, diese indirekte Schuld ist jedoch nicht mit einem Angriff vergleichbar, der von ihm selbst ausgehen würde. Noch dazu lässt sein Verhalten keinen Zweifel daran, dass er eine solche Situation weder gewollt hat noch billigend in Kauf nimmt. Burke dagegen zeichnet sich – typisch für den Schurken – durch eine psychopathisch anmutende Skrupellosigkeit und Gewalttätigkeit aus: Bei dem Treffen, bei dem die Raketen übergeben werden sollen, lässt er Frankie den abgeschnittenen Kopf seines Freundes Sean vor die Füße werfen. Wenn der irische ›Freiheitskämpfer‹ daraufhin ihn und mehrere seiner Männer in einem dramatischen Kampf tötet, ist das folgerichtig ein Akt reinigender Gewalt. Zumindest in dieser Szene hat Frankie unzweifelhaft die Rolle des Helden inne, der das Böse bekämpft und vernichtet. Das Publikum ist hier ganz auf seiner Seite. Das ändert sich zwangsläufig im Finale des Films, wenn es zu der unausweichlichen Konfrontation mit Tom kommt. Dass der moralisch völlig integere Polizist Frankie verhaften will, macht zweierlei deutlich: Auf der einen Seite verweist dies darauf, dass Frankie am Ende trotz allem nicht ›der Gute‹ ist, dass sein Handeln nicht ohne Fehl und Tadel ist, sondern eine Bestrafung nach sich ziehen muss. Auf der anderen Seite ist Toms Bemühen, den jungen Iren nicht etwa zu töten – was offensichtlich Sloans Ziel ist –, sondern ihn vor Gericht zu bringen, im amerikanischen Kino höchst ungewöhnlich. Dass der Tod als keine gerechte Strafe für Frankie erachtet wird, unterstreicht, dass er auch nicht als ›der Böse‹ zu sehen ist. Wenn Tom ihn schließlich doch erschießt, weil Frankie ihm keine andere Wahl lässt, entspricht das zwar vordergründig den Konventionen des Showdowns, aber der besondere Charakter der Szene wird gerade im Kontrast zu der Auseinandersetzung mit Burke zuvor deutlich. Im Gegensatz zu dieser – oder auch zu dem gleichfalls auf einem Boot stattfindenen finalen Kampf zwischen Ryan und Miller in Patriot Games – handelt es sich hier nicht um einen triumphalen Sieg des Guten über das Böse. Traurige Musik begleitet Frankies Tod, der stirbt, während Tom seine Hand hält. wird; siehe z.B. »Cynic vs. Killer: Who’s More Macho?«, in: NYT 14.11.1997; »Slowly Burning Bridges: Only Tommy Lee Jones Sparks ›Blown Away‹«, in: WP 01.07.1994.
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»[T]he film should make it clear whether it considers the Brad Pitt character to be a hero or a villain«, bemängelte Roger Ebert in seiner Rezension.361 Tatsächlich ist es sehr eindeutig, dass The Devil’s Own Frankie wenn schon nicht durchgängig als Helden so doch auf keinen Fall als Schurken betrachtet. Sein Tod erscheint am Ende zwar als unausweichlich, aber nicht aufgrund seines bösartigen Charakters, sondern weil er das logische Ziel eines durch Gewalt bestimmten Lebens ist.362 Das moralische Urteil fällt überaus milde aus. Durch Tom als Sprachrohr äußert der Film wohlwollendes Verständnis für den Terroristen: »I understand why he’s doing what he’s doing«, versichert der Polizist Megan. »If I had to endure what he’s endured… If I was eight years old and saw my father gunned down in front of my family, I’d be carrying a gun, too. But I wouldn’t be wearing a badge.« Als er später neben dem sterbenden Frankie sitzt, stellt er fest: »We never had a choice… you and I.« Frankies Handeln wird so zur Konsequenz schicksalhafter Ereignisse beziehungsweise der gegen seine Familie verübten Gewalt erklärt, er selbst wird von jeder individuellen Verantwortung im Sinne einer moralischen Entscheidung freigesprochen. Was dies auf die IRA als Ganzes übertragen bedeutet, ist offensichtlich. Ebenso offensichtlich ist, dass diese Bewertung im krassen Gegensatz zur Einordnung anderer Terrorismen steht. Eine Steigerung der Sympathien, die in The Devil’s Own zum Ausdruck kommen, kann man noch darin sehen, dass in einzelnen Produktionen ehemalige Aktivisten des irischen Kampfes sogar als Helden fungieren: In Blown Away (1994) spielt Jeff Bridges Jimmy Dove, einen Bombenentschärfer der Polizei von Boston, der sein Handwerk als jugendlicher Terrorist in Nordirland gelernt hat. Im Gegensatz zu seinem Lehrmeister Gaerety (Tommy Lee Jones) hatte Jimmy keine unschuldigen Menschen töten wollen und deshalb versucht, die Explosion einer Bombe zu verhindern, was zum Tod seiner Freundin, die Gaeretys Schwester war, und zu dessen Festnahme geführt hatte. Jimmy leidet noch nach Jahren an der Erinnerung an diesen Vorfall und betrachtet den Polizeidienst offensichtlich auch als eine Art der Buße. Die Gewalt in Nordirland wird hier also keineswegs vorbehaltlos gutgeheißen. Allerdings wird die Legitimation, für »the cause« zu kämpfen, auch nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Als seine Vergangenheit ans Licht kommt, rechtfertigt Jimmy selbst sich seiner Frau gegenüber nicht nur mit dem Verweis auf seine Jugend, sondern auch mit der Feststellung: »We were at war.« Zudem begegnet auch in diesem Film das Motiv der radikalen Splittergruppe, denn es wird betont, dass Gaerety, der sich nach seiner Flucht aus dem Gefängnis an Jimmy rächen will, kein Mitglied der IRA gewesen ist: »He was too crazy for that.« In der Tat wird Gaerety konsequent als Psychopath dargestellt, dem es nicht um Politik, sondern um die Freude an der Zerstörung geht. Dadurch wird die IRA wiederum entlastet, da sie nicht mit 361 »The Devil’s Own« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19970 328/REVIEWS/703280303/1023 (14.06.2007). 362 In diesem Grundmuster sind deutliche Paralellen zu Michael Manns Gangsterthriller Heat (1995) zu erkennen, in dem der Polizist am Ende ebenfalls den durchaus Sympathien weckenden Verbrecher niederschießt, den er den ganzen Film über gejagt hat, und dann die Hand des Sterbenden hält. Auch hier sind es andere Charaktere, die als eindeutig böse gekennzeichnet sind, und auch hier werden diese von dem Verbrecher getötet, bevor er selbst zur Strecke gebracht wird.
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dem brutalen Terrorismus des Films in Verbindung gebracht wird. Stattdessen hilft das irische Netzwerk in den USA, ähnlich wie in Patriot Games, beim Aufspüren des Schurken, der in diesem Fall durch den Mord an einem irischen Mithäftling bewiesen hat, dass er keine Loyalität verdient. Wie Jimmy tritt auch Declan Mulqueen (Richard Gere) in The Jackal (1997) nicht etwa als Bedrohung für die Vereinigten Staaten, sondern als Beschützer auf, wenn er dem FBI dabei hilft, den von der russischen Mafia beauftragten Profikiller aufzuspüren und ein Attentat auf die First Lady zu verhindern. Der zu Beginn des Films in einem amerikanischen Gefängnis einsitzende Declan wird als »IRA sharpshooter« vorgestellt. Damit wird er deutlich von dem wahllosen Morden durch Bombenleger distanziert, was ihm persönlich wichtig ist. Es unterstreicht zudem seinen Anspruch, Soldat in einem Krieg gewesen zu sein – ein Anspruch, den der Film nicht in Frage stellt. Interessanterweise wird auch seine frühere Freundin Isabella (Mathilda May), ein ehemaliges Mitglied der ETA, als Sympathieträgerin eingeführt. Entscheidend ist dabei wiederum der Verweis auf die idealistische Motivation für ihre Taten, die in Kontrast zu den niederen Beweggründen der Mafiosi und insbesondere des Profikillers als dem eigentlichen Terroristen gesetzt wird. »I mean, Declan, he was fire, all passion, he had a cause. This man was ice«, beschreibt Isabella den Unterschied zwischen dem Helden und seinem Gegenspieler. Das ist umso bemerkenswerter, da Declan seinerseits am Ende des Films den persönlichen Hintergrund des Schakals für unwichtig erklärt: »We know all we need to. He was evil. He’s dead, and he’s gone. Nothin’ more about it.« Spätestens hier wird klar, dass der Film keineswegs von einem ontologischen Konzept des Bösen abrückt oder unterschiedliche Perspektiven auf Konflikte akzeptiert. Es gibt ganz einfach richtige und falsche Motive für Gewalt, und Declan, dessen Oberkörper von Folternarben aus britischer Gefangenschaft übersät ist, hatte die richtigen. Im amerikanischen Kino zeigen sich also auffällige Sympathie und Verständnis für den Terrorismus der IRA. Dafür lassen sich relativ leicht Erklärungen finden: Auf die historisch-demographischen Gründe habe ich bereits hingewiesen. Eine Rolle spielt darüber hinaus sicher auch die Tatsache, dass dieser Terrorismus nie gegen die USA und ihre Bürger gerichtet war und somit auch den Amerikanern ohne irische Wurzeln weniger bedrohlich erscheinen musste als etwa der nahöstliche. Man kann auch vermuten, dass die Idee eines Unabhängigkeitskampfes gegen Großbritannien in den Vereinigten Staaten, die selbst einmal Kolonien des Empire gewesen waren, auf ein besonderes Wohlwollen stieß. Dies alles belegt aber nur, dass die Einstellung der USA zu terroristischer Gewalt stark von der eigenen Perspektive abhing, dass es die immer wieder behauptete Einheitlichkeit weder bei dem Phänomen selbst noch im Umgang damit gab. So waren im amerikanischen Kino zwar grundsätzlich alle Terroristen gleich, doch einige waren letztlich gleicher als andere.
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Die Rolle der ›Schurkenstaaten‹
2.1 »ROUND UP THE USUAL SUSPECTS«: DIE ENTWICKLUNG DES ›SCHURKENSTAATEN‹KONZEPTS In G.I. Jane aus dem Jahr 1997 spielt Demi Moore Lieutenant Jordan O’Neill, die allen Vorurteilen, Schikanen und politischen Intrigen zum Trotz als erste Frau die harte Ausbildung der Eliteeinheit Navy SEALs absolviert. Gegen Ende des Films erhält sie die Gelegenheit, zu beweisen, dass sie tatsächlich in einem Kampfeinsatz bestehen kann, als ihre Einheit während einer Übung im Mittelmeer plötzlich zu einer richtigen Mission abkommandiert wird. »Iran or Iraq?«, lautet die einfache Frage des Ausbilders, als das U-Boot Kurs auf »hostile waters« nimmt. »Libya«, erwidert der Kapitän ebenso knapp. Ähnliche Dialoge finden sich in amerikanischen Spielfilmen seit den 1980er Jahren immer wieder. Sie referieren auf eine Gruppe von Staaten, deren Status als (potentielle) Bedrohung für die USA so festgeschrieben ist, dass auf nähere Erläuterungen in der Regel verzichtet werden kann. Die Nennung ihrer Namen (oder der ihrer politischen Führer) genügt. Sie sind die üblichen Verdächtigen, wenn in Lagebesprechungen über die Drahtzieher terroristischer Anschläge oder mögliche Käufer von gestohlenen Massenvernichtungswaffen spekuliert wird. Sie gelten als ebenso aggressiv wie unberechenbar, als Gesetzlose, die außerhalb der internationalen Gemeinschaft stehen, als Feinde nicht nur Amerikas, sondern der gesamten zivilisierten Welt. Diese Sichtweise kommt in der Bezeichnung rogue states (›Schurkenstaaten‹) prägnant zum Ausdruck, die in den 1990er Jahren zum geläufigen Terminus wurde, als eben diese Länder nach dem Ende des Kalten Krieges ins Zentrum der amerikanischen Bedrohungswahrnehmung rückten. Die Ursprünge des Konzepts reichen jedoch auch in diesem Fall weiter zurück.1 Möchte man sie an einem Datum festmachen, bietet sich das Jahr 1979 an, in dem das Außenministerium erstmals seine offizielle Liste jener State Sponsors of Terrorism veröffentlichte, die dadurch automatisch zur Zielscheibe von Sanktionen wurden.2 Waren es vormals die durch brutale Repression gekennzeichneten Zustände im 1
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Für eine ausführliche Darstellung des ›Schurkenstaaten‹-Konzepts und seiner Entwicklung aus politikwissenschaftlicher Perspektive siehe Robert S. Litwak, Rogue States and Foreign Policy: Containment after the Cold War, Washington D.C. 2000; zu den 1990er Jahren außerdem Klare, Rogue States. Auf dieser ersten Liste standen Syrien, Libyen, der Irak und der Süd-Jemen.
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Inneren von Staaten wie Uganda oder Kambodscha gewesen, die deren Etikettierung als pariah oder outlaw zu rechtfertigen schienen, so wurde nun ein bestimmtes Verhalten nach außen zum Kriterium dafür, manche Regierungen als verbrecherisch zu brandmarken.3 Dass sich während der Präsidentschaft Ronald Reagans, wie ich im vorangegangenen Kapitel dargelegt habe, die Überzeugung durchsetzte, dass Terrorismus eine ernstzunehmende Bedrohung der USA darstelle, die von einer Reihe feindseliger Staaten, insbesondere der UdSSR und ihren Verbündeten, ausgehe, trieb diese Entwicklung weiter voran. So sprach Reagan etwa in der an anderer Stelle schon zitierten Rede zum Thema Terrorismus vor der American Bar Association 1985 von Iran, Libyen, Nordkorea, Kuba und Nicaragua als » outlaw states run by the strangest collection of misfits, loony tunes, and squalid criminals […] since the advent of the Third Reich.«4 Wenn auch der Begriff rogue state noch nicht in Mode kam, so bildeten sich doch in 1980er Jahren die Grundzüge des damit verbundenen Konzepts heraus,5 das von Beginn an eng mit der Idee eines ›Krieges gegen den Terror‹ verknüpft war. Prägend war damit zunächst einmal der Kontext des Kalten Krieges, dem Staaten wie Kuba und Nicaragua ihre Designation als ›Schurken‹ verdankten. Von großer Bedeutung war daneben aber auch der Konflikt mit dem Iran, der mit dem Sturz des Shahs begann und bis heute schwelt. Die Regierungen beider Länder unterhalten bis zum heutigen Tag keine offiziellen Beziehungen zueinander, sind aber seit nunmehr vier Jahrzehnten in einer innigen Feindschaft verbunden, die sie sorgfältig pflegen, indem sie den jeweils anderen in extremer Weise dämonisieren.6 In der amerikanischen Sichtweise ist die Islamische Republik Iran seit ihrer Entstehung ein ›Schurkenstaat‹. Das Thema Terrorismus spielte dabei von Anfang an eine beherrschende Rolle: »The 1980s concept of ›state-sponsored‹ terrorism […] is derived in large part from attempts to explain Iran’s behavior after the Islamic revolution«, wie Barbara Crenshaw bemerkt hat.7 Das Schlüsselereignis war in diesem Zusammenhang die Besetzung der US-Botschaft am 4. November 1979 und die sich daraus entwickelnde 444tägige Geiselkrise. Die Aktion erfolgte zunächst ohne das Wissen von Ayatollah Ruhollah Khomeini, wurde aber von diesem alsbald zur Festigung seiner Position in den internen Auseinandersetzungen zwischen islamistischen und säkularen Revolutionären, die auf die Vertreibung des Shahs folgten, instrumentalisiert und deshalb unterstützt. Die intensive Begleitung der Geschehnisse in den US-Medien sorgte dafür, dass sich die gesamte Nation in dieser Krise als Opfer von staatlich gefördertem Terrorismus erlebte, und prägte auch für die Folgezeit das extrem negative Bild der
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Dazu Litwak, Rogue States, 49-53. Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the American Bar Association, July 8th, 1985«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=38854 (27.07.2007). Vgl. Litwak, Rogue States, 56. Siehe dazu die sehr aufschlussreiche Studie von William O. Beeman, The »Great Satan« vs. the »Mad Mullahs«: How the United States and Iran Demonize Each Other, Westport/ London 2005, die aber nur am Rande auf die Populärkultur eingeht. Crenshaw, »Thoughts«, 10.
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Amerikaner vom Iran, seiner Bevölkerung und seiner neuen Regierung.8 »No other group in recent history, with the exception perhaps of the Japanese during World War II, has had as bad an image in the United States as have the Iranians«, stellte Shelley Slade mit Bezug auf eine im Herbst 1980 durchgeführte Meinungsumfrage fest.9 Das Bild vom Iran als Prototyp eines terroristischen Staates wurde im weiteren Verlauf der 1980er Jahre noch verstärkt, als die Vereinigten Staaten im Libanon wiederholt von der schiitischen Hisbollah-Miliz und ihren Ablegern attackiert wurden und dabei zahlreiche Todesopfer zu beklagen hatten: 1983 waren die Unterkunft der Marines und die US-Botschaft in Beirut das Ziel von Angriffen. Hinzu kamen die Entführung des TWA-Fluges 847 im Jahr 1985 und diverser Einzelpersonen, die teilweise jahrelang als Geiseln festgehalten wurden. William Buckley, Stationschef der CIA in Beirut, starb während seiner Gefangenschaft.10 Die Hisbollah erhielt vom Iran Unterstützung, wurde (und wird bis heute) aber oft übertrieben und simplifizierend als iranische Gründung und verlängerter Arm Teherans dargestellt. Auf diese Weise erschien das Mullah-Regime als der eigentliche Verantwortliche für ihre Taten.11 Dementsprechend wurde das Verhältnis auch in Filmen präsentiert, die umso prägnanter wirkten, als sie die realen Geschehnisse aufgriffen. Der Fantasiestaat Jemal in Death Before Dishonor (1987) ist beispielsweise unschwer als fiktionalisierter Libanon zu identifizieren, in dem unter anderem ebenfalls die amerikanische Botschaft durch ein Selbstmordattentat zerstört wird. Zuvor sind bei einer antiamerikanischen Demonstration, die offenbar unter Federführung der Terroristen stattfindet, neben Transparenten mit Parolen auch Khomeini-Bilder zu sehen. Noch deutlicher wird The Delta Force (1986), der an die Flugzeugentführung im Vorjahr angelehnt ist: Hier werden die Geiseln auf dem Weg in den Iran befreit, wo Khomeini den Terroristen Zuflucht angeboten hat. Beide Filme verweisen so auf die Islamische Republik als Staat, der mit den Terroristen gemeinsame Sache macht beziehungsweise hinter diesen steht. Als noch aktiverer Förderer von antiamerikanischem Terrorismus als das Regime in Teheran galt in den 1980er Jahren nur Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi, den 8
Siehe dazu Hamid Naficy, »Mediawork’s Representation of the Other: The Case of Iran«, in: Jim Pines/Paul Willemen (Hg.), Questions of Third Cinema, London 1994. 9 Shelley Slade, »The Image of the Arab in America: Analysis of a Poll on American Attitudes«, in: The Middle East Journal 35:2 (1981), 143-62. 10 Zu diesen Vorfällen Kushner, Encyclopedia, s.v. »U.S. Marine Barracks Bombing, Beirut«; »U.S. Embassy Bombing, Beirut«; »Buckley, William« u. »TWA Flight 847«. 11 Vgl. z.B. »The Roots of Fanaticism«, in: Time 24.06.1985; Burleigh, Blood and Rage, 348f; Kushner, Terrorism in America, 22. Eine differenziertere Analyse bieten Jerrold D. Green, »Terrorism and Politics in Iran«, in: Crenshaw (Hg.), Terrorism in Context, 553-94, und Carl Anthony Wege, »Hizbollah Organization«, in: Gearty (Hg.), Terrorism, 561-74. Zu den Entführungen etwa ist anzumerken, dass hierbei explizit persönliche Motive der Geiselnehmer, namentlich die Freipressung in Kuwait inhaftierter Familienmitglieder, eine wichtige Rolle spielten. Als Reaktion auf die Ereignisse im Libanon wurde der Iran 1984 vom State Department auch offiziell auf die Liste der Terrorismus unterstützenden Staaten gesetzt.
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nicht nur Claire Sterling in ihrem Verschwörungsbuch The Terror Network als »the Daddy Warbucks of international terrorism« porträtierte.12 Die Reagan-Administration erkor den libyschen Diktator zu einem ihrer Erzfeinde und betonte, »that Qadhafi has been quite outspoken about his participation in urging on and supporting terrorist acts – a kind of warfare, as he has called it.«13 Es steht außer Frage, dass Gaddafi Beziehungen zu Terrorgruppen unterhielt – etwa für mehrere Jahre die Organisation des gefürchteten Abu Nidal beherbergte – und auch selbst für Anschläge verantwortlich zeichnete. Dennoch muss man festhalten, dass das Bild von ihm als »the terrorist’s patron, constantly doling out gold and guns to anyone who asks, however lunatic their cause«, insgesamt stark überzeichnet war.14 Letztendlich wurde Libyen von der Reagan-Administration wohl auch deshalb so eifrig als Drahtzieher des internationalen Terrorismus dargestellt, weil es ein geeignetes Ziel für Demonstrationen der Stärke und Entschlossenheit abgab. Höhepunkt dieser Politik war die Bombardierung von Tripolis und Bengasi am 15. April 1986, bei der offensichtlich auch Gaddafi selbst ins Visier genommen wurde. Er überlebte den Angriff jedoch, bei dem dafür seine kleine Adoptivtochter und zahlreiche Zivilisten ihr Leben verloren. Die US-Regierung deklarierte die Aktion als Vergeltung für den wenige Tage zuvor verübten Anschlag auf die Diskothek La Belle in Westberlin. Tatsächlich hatte sie sie aber schon länger geplant und vorbereitet und dazu unter anderem bereits im März einen Zusammenstoß mit den libyschen Streitkräften in der Großen Syrte provoziert.15 Offensichtlich war man gewillt, den Beweis zu erbringen, dass es sich bei Reagans Versprechen von »swift and effective retribution«, das ja gerade auf Staaten bezogen war, nicht bloß um leeres Gerede handelte. Andererseits erschienen derartige Militäroperationen gegen den sowjetischen Verbündeten Syrien oder den Iran als zu riskant. Es war also weniger Libyens Gefährlichkeit als gerade seine Schwäche, die es zum primären Ziel des amerikanischen Counterterrorismus werden ließen.16 Ähnlich wie bei der Invasion Grenadas drei Jahre zuvor ging es weniger um die praktische als um die symbolische Bedeutung einer solchen Operation, um das Bild eines wiedererstarkten und entschlossen handelnden Amerikas, das die Zweifel und Rückschläge der 1970er Jahre hinter sich gelassen hatte. Um dieses beherrschende Thema der Reagan-Ära kreist auch Iron Eagle (1986). Zu Beginn des Films werden zwei amerikanische F-16 über dem Mittelmeer unvermittelt von der Luftwaffe eines arabischen Staates angegriffen. Die arabischen Piloten behaupten, die Amerikaner seien in ihren Luftraum eingedrungen und eröffnen, ohne eine Reaktion abzuwarten, sofort das Feuer. Dieses Szenario erinnert überdeutlich an den international nicht anerkannten Anspruch Libyens auf die Große Syrte als sein Hoheitsgebiet und die sich daraus ergebenden Zusammenstöße mit den USA. 12 Sterling, Terror Network, 259. 13 Ronald Reagan, »The President’s News Conference, April 9th 1986«, in: http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=37105 (27.07.2007). 14 Adams, Financing of Terror, 65. 15 Dort war es bereits im August 1981 zu einem Zwischenfall gekommen, bei dem zwei libysche Kampfflugzeuge abgeschossen worden waren. Zu der Aktion gegen Libyen siehe ausführlich Adams, Financing of Terrorism, 25-31; Hippler/Lueg, Gewalt als Politik, 89-105; Martin/Walcott, Best Laid Plans, 258-322. 16 Vgl. Williams, »Defence Policy«, 223f.
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Obwohl der Name des feindlichen Staates im Film nie genannt wird, ist – auch durch einige zu sehende Kartenausschnitte – für den informierten Zuschauer offenkundig, nach welchem Vorbild er entworfen wurde.17 In dem folgenden Luftkampf wird Colonel Ted Masters nach heldenhafter Gegenwehr von dem zahlenmäßig deutlich überlegenen Gegner abgeschossen und gerät in Gefangenschaft. Sein Sohn Doug (Jason Gedrick) erfährt daheim in den Vereinigten Staaten just zu seinem High School-Abschluss vom Schicksal des Vaters. Auf dem Stützpunkt klärt ihn ein Freund und Kamerad des Colonels über das mit den internationalen Spielregeln unvereinbare Verhalten des arabischen Landes: auf »They’re what’s called a pariah nation in that part of the world. We’ve been embargoing trade doing for years and they’re probably usin’ this to get us to lift it.« Es handelt sich also um eine Art Geiselnahme, um einen Akt des Terrorismus durch den ›Schurkenstaat‹, der Dougs Vater in einem Schauprozess verurteilt und schließlich sogar hinrichten will.18 Da die amerikanische Regierung weder auf dem Verhandlungsweg die Freilassung des Gefangenen erreichen noch sich zu einer Rettungsaktion durchringen kann, nimmt der Teenager, der selbst ein talentierter Nachwuchspilot ist, aber gerade von der Air Force-Akademie abgelehnt worden ist, die Dinge selbst in die Hand. Hilfe findet er bei Chappy Sinclair (Louis Gossett Jr.), einem Vietnamveteranen und Colonel der Reserve mit klaren Ansichten: »Something about maniacs messing with good men always pisses me off.« Mit logistischer Unterstützung von Dougs Freunden, den Kindern weiterer Armeeangehöriger, stehlen die beiden zwei voll bewaffnete F-16Jadgbomber, fliegen nach Nordafrika und befreien Colonel Masters gewaltsam. Die Rezensentin der New York Times beschrieb Iron Eagle treffend als »a very shrewd teenage variation on the ›Rambo‹/›Missing in Action‹ formula«.19 Wie diese Produktionen greift der Film auf das Muster der captivity narrative zurück und inszeniert den Konflikt mit Libyen beziehungsweise dessen Platzhalter als einen weiteren savage war gegen einen barbarischen Feind. Überaus charakteristisch ist schon, wie der arabische Staat als Schauplatz eingeführt wird: Als erstes ist der Turm einer Moschee zu sehen, untermalt vom Ruf des Muezzins. Dann schwenkt die Kamera nach unten, bis der Bildvordergrund von dem Gefängnis ausgefüllt wird, in dem Dougs Vaters gefangen gehalten wird. Auf diese Weise wird sofort die Fremdheit des arabischen Landes betont und darüber hinaus eine Verbindung zwischen dem Islam und (antiamerikanischer) Gewalt hergestellt. Colonel Masters Gefangenschaft wird im Folgenden noch deutlicher als savage captivity dargestellt, wenn die Araber ihn brutal foltern, um ihn dazu zu bringen, ein als Propaganda nutzbares Geständnis seiner ›Vergehen‹ zu unterschreiben. Wie andere amerikanische Helden auch widersteht er dieser Prüfung durch die ›Wilden‹ jedoch mannhaft. »I must say, I admire the way you can handle pain«, muss der Verteidigungsminister des ›Schurkenstaates‹ (David Suchet) ebenso widerwillig wie beeindruckt eingestehen. 17 Vanhala, Depiction of Terrorists, 151, geht davon aus, dass der fiktive Staat Bilyad heißt, und vermerkt, dass dies beinahe ein Akronym von Libyen sei. Der Name ist auf einer Planungsskizze zu lesen, es ist aber keineswegs eindeutig, dass damit das Land und nicht ein Ort bezeichnet wird. In den Dialogen fällt der Name nie. 18 Daher hat Vanhala den Film auch in ihr eng umrissenes Korpus aufgenommen. 19 » › Iron Eagle,‹ a Tale of Teen-Age Military Rescue«, in: NYT 18.01.1986.
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Diese Figur, die als Antagonist fungiert, zeigt zugleich das typische Verhalten eines totalitären Herrschers, wenn sie Untergebenen mehrfach den Tod androht, sollten diese versagen.20 Am Beispiel von Iron Eagle lässt sich so beobachten, wie bei der Darstellung von ›Schurkenstaaten‹ die beiden wichtigsten Traditionslinien der amerikanischen Dämonologie, der savage war und der Kampf gegen den Totalitarismus, zusammenfließen. So sprach auch Reagan vor der American Bar Association von »radical and totalitarian governments«, gegen deren »assault on humanity« sich die »civilized nations« zusammenschließen müssten.21 Im Jahr darauf charakterisierte er Gaddafi wiederum als »outside the company of civilized men«, als er den Luftangriff auf Bengasi und Tripolis begründete.22 Bezeichnend sind nicht zuletzt die Namen wie ›Prairie Fire‹ oder ›El Dorado Canyon‹, die das US-Militär seinen Operationen gegen Libyen gab und die – genau wie in Vietnam – nach frontier und Indianerkrieg klangen. Das damit zusammenhängende mythische Muster der regeneration through violence wird in Iron Eagle konsequent umgesetzt. Dutzende von Arabern sterben beim finalen Angriff des jugendlichen Helden einen meist gesichtslosen Tod, untermalt von den dröhnenden Rocksongs, mit denen Doug sich in Stimmung bringt. Das Ganze wirkt fast so unblutig wie die Trainingseinheiten im Flugsimulator zuvor und nimmt damit einiges von der medialen Inszenierung amerikanischer Luftkriegsführung in den folgenden Jahren vorweg. Wie so oft in der Reagan-Ära gerät der aktuelle Sieg dabei auch zu einer Wiedergutmachung für die Niederlagen der Vergangenheit. Dies wird besonders deutlich mit Blick auf ein frühes Gespräch zwischen Doug und zwei seiner Freunde. »Those dudes won’t mess with us. The Air Force will kick ass if they do«, behauptet einer der beiden überzeugt, worauf Doug zweifelnd antwortet: »Yeah, like in Iran, right?« Der zweite Freund gibt aber zu bedenken, dass sich die Dinge seitdem verändert hätten: »Mr. Peanut was in charge back then. Now we got this guy in the Oval Office who don’t takes shit from no gimpy little countries. Why do you think they call him Ronnie Raygun?« Der Film spricht hier ganz direkt das Reagansche Projekt der nationalen Erneuerung nach dem ›schwachen‹ Präsidenten Carter und dessen Versagen in der Geiselkrise an. Daran zeigt sich beispielhaft, dass dieses Ereignis für den ›Schurkenstaaten‹- und Terrorismus-Diskurs eine mindestens ebenso große Rolle spielt wie das allgegenwärtige Vietnam-Trauma. Wie auch in The Delta Force stellt die gelungene Rettungsaktion in Iron Eagle einen Gegenentwurf zu dem Debakel in der iranischen Wüste 1980 dar und symbolisiert allgemein eine neue Zeit, die durch Triumphe der USA über jene gekennzeichnet ist, die sie zuvor gedemütigt haben. Dass der Vater von seinem Sohn als dem Vertreter einer unbelasteten Generation gerettet wird, verstärkt diese Wirkung noch und erinnert – ebenso wie die Rolle des Vietnamveteranen als Mentor – an diverse andere Produktionen dieser Zeit.
20 An einer Stelle verweist der Dialog auf den über dem Verteidigungsminister stehenden, aber nicht persönlich in Erscheinung tretenden »leader«. 21 Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the American Bar Association, July 8th, 1985«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=38854 (27.07.2007). 22 Ronald Reagan, »Address to the Nation on the United States Air Strike Against Libya, April 14th, 1986«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=37131 (27.07.2007).
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Nun kann man einwenden, dass der Film bei genauer Betrachtung seine eigenen Aussagen so aber selbst unterläuft, denn tatsächlich unternimmt die US-Regierung ja auch unter »Ronnie Raygun« keine wirkungsvollen Schritte zur Rettung ihres Piloten und zwingt damit dessen Sohn, selbst aktiv zu werden. Man kann daher mit Douglas Kellner zu dem Schluss gelangen, »[that] the film inadvertently conveys the message that the current conservative government is incompetent and uncaring«.23 Allerdings übersieht Kellner, dass die offiziellen amerikanischen Stellen die Operation im entscheidenden Moment doch noch unterstützen und so zu ihrem Gelingen beitragen: Als Doug sich mit seinem Vater auf der Flucht befindet, verfolgt von mehreren feindlichen Flugzeugen, erscheint gerade im richtigen Moment – wie die Kavallerie im Western – eine Staffel der Air Force, um sie zu beschützen. Die arabischen Piloten brechen daraufhin die Verfolgung ab und lassen die Amerikaner ziehen, die mithilfe eines ebenfalls von der Luftwaffe bereitgestellten Tankflugzeugs den Weg zurück bewältigen können. Die Rettung glückt am Ende also doch auch dank des Einsatzes der US-Streitkräfte, der logischerweise von der Regierung autorisiert sein muss. Dadurch wird die von Kellner angesprochene implizite Kritik zumindest deutlich abgemildert. Das Militär erscheint auch keineswegs durchgängig als »a bunch of bunglers«.24 Zwar ist es richtig, dass die Leichtigkeit, mit der sich die Teenager auf dem Stützpunkt alles Mögliche bis hin zu bewaffneten Kampfflugzeugen beschaffen können, diesen Eindruck an manchen Stellen erweckt, weshalb die Produktion auch keine Unterstützung durch das Pentagon erwarten konnte;25 dafür erweisen sich die amerikanischen Piloten schon zu Beginn als ihren arabischen Widersachern im Gefecht weit überlegen. Von Inkompetenz kann also dann, wenn es darauf ankommt, nämlich wenn es gegen den Feind geht, keine Rede sein. Nichtsdestotrotz bleibt eine gewisse Ambivalenz hinsichtlich des Verhaltens der Regierung, die aus dramaturgischen und mythologischen Gründen unvermeidbar ist. Auf diesen Punkt werde ich im Zusammenhang mit anderen Filmen noch ausführlich eingehen. Dem Erfolg von Iron Eagle tat dies jedenfalls keinen Abbruch. Im Januar 1986 in den Kinos gestartet, erzielte der Film mit 24 Millionen Dollar ein für eine Produktion dieser Größe beachtliches Einspielergebnis26 und zog folgerichtig noch drei Fortsetzungen nach sich. Beobachter berichteten, dass viele Zuschauer in Uniform oder militärisch anmutender Kleidung erschienen und den finalen Angriff teil-
23 Kellner, Media Culture, 87. Vanhala, Depiction of Terrorists, 153, sieht »the big government machinery« sogar als »a domestic villain because it refuses to help [the teenage hero’s] father.« 24 Kellner, Media Culture, 87. 25 Dafür sprang das israelische Verteidigungsministerium ein, das unter anderem diverse Kampfflugzeuge und Piloten bereitstellte, die, wie Regisseur Sidney J. Furie berichtet, während der Dreharbeiten auch einmal zu einem Einsatz im Libanon abberufen wurden (siehe dazu das Booklet der DVD-Ausgabe von Columbia Tristar Home Entertainment aus dem Jahr 2004). 26 Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1986/0IRE1.php (19.06.2007).
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weise mit lautem Jubel begleiteten.27 Iron Eagles Fantasie von »swift and effective retribution« fand offenbar die Zustimmung vieler Amerikaner, nicht anders als nur wenige Monate später die reale Bombardierung Libyens.28 Eine ganz andere Politik verfolgten die USA zu dieser Zeit noch gegenüber dem Irak.29 Entscheidend hierfür war dessen Überfall auf das Nachbarland Iran im September 1980, der den bis 1988 dauernden Golfkrieg auslöste, einen der längsten und blutigsten Kriege des 20. Jahrhunderts. Getreu der vom Feindbilddenken bestimmten Devise ›der Feind meines Feindes ist mein Freund‹ sahen die Vereinigten Staaten im Regime Saddam Husseins einen natürlichen Verbündeten, ein Bollwerk gegen die Ausbreitung der islamischen Revolution Ayatollah Khomeinis und einen möglichen Ersatz für den gestürzten Shah. Entsprechend sympathisierten die Amerikaner auf der Straße nicht nur eher mit dem Aggressor Irak als mit dem angegriffenen Iran,30 sondern die Reagan-Administration steuerte ab 1982 einen eindeutigen Annäherungskurs. Der erste wichtige Schritt hierbei war die Streichung des Irak von der Liste der State Sponsors of Terrorism – ein für lange Zeit einmaliger Vorgang, der nichts damit zu hatte, dass sich das Verhältnis der Regierung in Bagdad zum Terrorismus geändert hätte, sondern einzig dadurch motiviert war, dass die mit der Liste verbundenen Sanktionen nun als hinderlich betrachtet wurden. In der Folge belieferten die USA den Irak zwar nicht direkt mit Waffen, sie tolerierten und ermutigten aber entsprechende Geschäfte Dritter. Darüber hinaus versorgten sie Saddam Husseins Regime mit sogenannter dual-use-Technologie und -Ausrüstung, die sich auch militärisch nutzen ließ, sowie mit wertvollen Geheimdienstinformationen, einschließlich Satellitenbildern von iranischen Stellungen. Ihren Höhepunkt erreichte diese Politik mit dem reflagging 1987: Kuwaitische Öltanker, die vom Iran bedroht wurden, fuhren unter amerikanischer Flagge und dem Schutz der US Navy. Da Kuwait zwar nicht offiziell mit dem Irak verbündet, aber dennoch alles andere als neutral war und die Kriegsanstrengungen seines Nachbarlandes finanziell unterstützte, kam dieser Schritt letztlich einer »de facto military alliance between the United States and Iraq« gleich.31 In diesem Kontext ereignete sich ein dramatischer Zwischenfall: Der Kreuzer USS Vincennes schoss am 3. Juli 1988 ein iranisches Passagierflugzeug ab, wobei 290 Menschen den Tod fanden. Offenbar hatte der Kapitän einen Angriff vermutet, obwohl die Maschine planmäßig unterwegs gewesen war. Die amerikanische Reaktion auf den Vorfall ist ein Musterbeispiel dafür, wie Feind- und Selbstbilder die Wahrnehmung der Welt beeinflussen, insbesondere wenn man sie mit der scharfen 27 Dazu »› Iron Eagle,‹ a Tale of Teen-Age Military Rescue«, in: NYT 18.01.1986; Jack G. Shaheen, Reel Bad Arabs: How Hollywood Vilifies a People, New York/Northampton 2001, 258. 28 Dazu Hinckley, »American Opinion«, 391. 29 Für eine detaillierte Darstellung des Folgenden siehe Bruce W. Jentleson, With Friends Like These: Reagan, Bush, and Saddam 1982-1990, New York/London 1994, sowie vom selben Autor »Iraq: The Failure of Strategy«, in: Nelson/Weisbrode (Hg.), Reversing Relations, 126-63. 30 Vgl. die Umfragen in IIPO, 1980-1981, 171, u. IIPO, 1984-1985, 225. 31 Jentleson, »Iraq«, 130.
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Verurteilung des Abschusses von KAL 007 durch die UdSSR vier Jahre zuvor vergleicht. Hatte man damals der Sowjetunion nicht nur die Alleinschuld gegeben, sondern in den Geschehnissen einen Beleg für die Unmenschlichkeit des kommunistischen Regimes gesehen, so sprach man nun von einem Unglück und zeigte bemerkenswert wenig Mitgefühl oder gar Reue. Einer Umfrage zufolge sahen 74% der Amerikaner die Verantwortung eher beim Iran als bei ihrem eigenen Land.32 Auch nach dem Ende des Golfkrieges im August 1988 bemühten sich die USA weiter um eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zum Irak. Als Saddam Hussein, kaum dass die Kämpfe gegen den äußeren Feind vorbei waren, Giftgas gegen die kurdische Minderheit im Norden seines eigenen Landes einsetzte, verhinderte das Weiße Haus die Verhängung von Sanktionen, wie sie vom Senat beschlossen worden waren.33 George Bush setzte, nachdem er die Präsidentschaft von Reagan übernommen hatte, die Politik der Annäherung nicht nur fort, sondern intensivierte sie sogar noch. Dies änderte sich schlagartig, als der Irak am 2. August 1990 in Kuwait einfiel, das Emirat rasch besetzte und anschließend annektierte. Einen solchen Überfall hatte der Film Best Defense schon 1984 imaginiert, damals hatte dieses Szenario jedoch wenig überzeugend, vielmehr absurd gewirkt. »Anyone who knows the Middle East would never show Iraq bombing Kuwait«, hatte Jack Shaheen noch in einem 1987 erschienen Aufsatz mit Verweis auf die Zusammenarbeit gegen den Iran geurteilt.34 Nach dem Golfkrieg hatten sich die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern jedoch rapide verschlechtert, weil der nach dem langen und verlustreichen Waffengang ausgelaugte Irak einen Schuldenerlass und eine Anhebung des Ölpreises (durch Drosselung der Produktion) wünschte, Kuwait sich in diesen Fragen jedoch ebenso wenig kompromissbereit zeigte wie bei der umstrittenen Förderung von Öl unterhalb der Grenze. Das US-Militär hatte auch schon Kriegspläne gegen den Irak als eine mögliche Bedrohung amerikanischer Interessen in der Golfregion ausgearbeitet. Dennoch versäumten es die Vereinigten Staaten während des irakischen Truppenaufmarschs, den immer noch umworbenen Saddam Hussein deutlich vor einer Verletzung der kuwaitischen Souveränität zu warnen.35 32 »When Bad Things Are Caused by Good Nations«, in: Time 18.07.1988. 33 Siehe dazu neben Jentleson auch John Dumbrell, »The US Congress and the Gulf War«, in: Jeffrey Walsh (Hg.), The Gulf War Did Not Happen: Politics, Culture and Warfare PostVietnam, Aldershot 1995, 49-62, hier: 51f. 34 Jack G. Shaheen, »The Hollywood Arab (1984-1986)«, in: JPFT 14:4 (1987), 148-57, hier: 150. 35 Zur Vorgeschichte des Kuwaitkrieges vgl. Beham, Kriegstrommeln, 103-6; Gert Sommer, »Zur Relevanz von Feindbildern – am Beispiel des Golfkrieges«, in: Informationsdienst Wissenschaft und Frieden 9:3 (1991), 48-58, hier: 53; White, »Enemy Images, 62f; zu den amerikanischen Kriegsplanungen vor dem August 1990 siehe außerdem Klare, Rogue States, 36f. Das viel diskutierte vom Irak veröffentlichte Protokoll des Gesprächs zwischen Saddam Hussein und der US-Botschafterin April Glaspie am 25. Juli 1990 ist abgedruckt in Micah L. Sifry/Christopher Cerf (Hg.), The Gulf War Reader: History, Documents, Opinions, New York 1991, 122-33. Diesem Protokoll zufolge äußerte Glaspie u.a. (ebenda, 130): »[W]e have no opinion on the Arab-Arab conflicts, like your border disagreement with Kuwait.«
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Umso deutlicher wurde Präsident Bush dafür nach dem Überfall, den er noch am selben Tag als »brutal aggression« verurteilte.36 In den folgenden Wochen betonte er immer wieder die Notwendigkeit, dieser Verletzung der Spielregeln der zivilisierten Welt entschlossen zu begegnen, notfalls auch mit militärischer Gewalt: »[W]hat is ultimately at stake here is far more than a matter of economics or oil. What is at stake is whether the nations of the world can take a common stand against aggression or whether Iraq’s aggression will go unanswered, whether we will live in a world governed by the rule of law or by the law of the jungle. And that is why America and the world cannot allow 37 this outlaw act to stand.«
Die Vereinigten Staaten setzten sich an die Spitze einer mit einem UN-Mandat versehenen Koalition und schickten über eine halbe Million Soldaten in die Schlacht, um Kuwait zu befreien. Nachdem dies gelungen war, erklärte Bush triumphierend: »This is a victory for the United Nations, for all mankind, for the rule of law, and for what is right.«38 Quasi über Nacht war der Irak von einem Beinahe-Verbündeten der USA zu einem Feind der gesamten Menschheit geworden, zu einem, ja zu dem prototypischen ›Schurkenstaat‹. Diese Entwicklung spiegelte sich auch in der Populärkultur wider. So trat der Wrestler The Iron Sheik während des Kuwaitkrieges plötzlich nicht mehr als Iraner, sondern als irakischer General auf, um seine Rolle als Bösewicht zu unterstreichen, und sein Kollege Sergeant Slaughter präsentierte sich im selben Gestus als Verräter mit einer irakischen Flagge und einem Saddam Hussein imitierenden Manager.39 Noch im selben Jahr erschienen auch die ersten Filme, die die Auseinandersetzung mit dem Irak thematisierten, wie The Finest Hour (1992) und The Human Shield (1991). Letzterer Titel bezieht sich auf die von Saddam Hussein angewandte Taktik, Bürger westlicher Staaten festzuhalten und bei Militär- und Industrieanlagen zu platzieren, um so Bombenangriffe auf diese Einrichtungen zu verhindern. Dass Zivilisten auf diese Weise als Geiseln missbraucht wurden, erhielt in der Berichterstattung um den Kuwaitkrieg große Aufmerksamkeit, zumal in den US-Medien.40 Die Verwendung ›menschlicher Schutzschilde‹ unterstrich nicht nur die Skrupellosigkeit und den 36 George Bush, »Remarks at the Aspen Institute Symposium in Aspen, Colorado, August 2nd, 1990«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=18731 (12.01.2008). 37 George Bush, »Remarks at a Fundraising Luncheon for Gubernatorial Candidate Clayton Williams in Dallas, Texas, October 15th, 1990«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=18931 (21.07.2007). 38 George Bush, »Address to the Nation on the Suspension of Allied Offensive Combat Operations in the Persian Gulf, February 27th, 1991«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=19343 (21.07.2007). 39 Dazu Hamid Naficy, »Mediating the Other: American Pop Culture Representation of Postrevolutionary Iran«, in: Yahya R. Kamalipour (Hg.), The U.S. Media and the Middle East: Image and Perception, Westport/London 1995, 73-90, hier: 82; Billig, Banal Nationalism, 152. 40 John Roper, »Overcoming the Vietnam Syndrome: The Gulf War and Revisionism«, in: Walsh (Hg.), Gulf War, 27-47, hier: 38, nennt eine Untersuchung, die belegt, dass der Ausdruck »human shield« zu den am häufigsten verwendeten gehörte.
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terroristischen Charakter des irakischen Diktators, sie passte auch hervorragend in die amerikanische Mythologie, ermöglichte sie es doch, den Konflikt mit dem Irak einmal mehr in Form einer captivity narrative zu erzählen. Entsprechend funktioniert der Film, in dem der Ex-Marine Doug Matthews (Michael Dudikoff) seinen Bruder aus den Händen des irakischen Generals Dallal (Steve Inwood) befreit. Interessanter ist aber noch, wie The Human Shield mit der Vergangenheit umgeht. Die Handlung beginnt im Jahr 1985, als Doug noch als Militärberater im Kampf gegen den gemeinsamen Feind Iran fungiert. Dabei wird er Zeuge, wie Dallal im Nordirak ein Massaker an wehrlosen Dorfbewohnern verüben lässt, denen er vorwirft, mit Khomeini zu sympathisieren. Der Amerikaner schreitet gegen diese Gräueltat, die nicht im Sinne der US-Regierung ist, ein, kämpft mit dem irakischen Offizier und besiegt ihn, wird aber von dessen Männern überwältigt. Erst danach springt der Film in den August 1990, wo sich die Gefangennahme von Dougs Bruder als Teil eines Racheplans von Dallal entpuppt. Hilfe erhält der Held bei seiner Rettungsmission nicht zuletzt von Kurden, die zur Strafe dafür Opfer eines weiteren Massakers von Dallals Truppen werden. Der Film verleugnet also nicht die Unterstützung des Irak im Golfkrieg, konstruiert aber nichtsdestotrotz die Geschichte einer Feindschaft, die schon zu dieser Zeit beginnt und auf irakischen Verbrechen und der amerikanischen Reaktion darauf fußt. Doug repräsentiert ein Amerika, das sich nicht etwa schuldhaft in die früheren Untaten des Regimes von Saddam Hussein verstrickt oder diese zumindest geduldet hat, sondern von jeher als Wächter der Menschenrechte und Beschützer der unterdrückten Minderheiten im Irak aufgetreten ist. The Human Shield liefert damit ein hervorragendes Beispiel dafür, wie im Kontext des Kuwaitkrieges Geschichte umgeschrieben oder doch zumindest umgedeutet wurde. Wenn der Held am Ende des Films bei der Befreiung seines Bruders auch gleich noch die Chemiefabrik zerstört, in der dieser gefangen gehalten wird, kann man darin auch eine Art nachträgliche Verhinderung jenes »genocidal poison gas war waged against Iraq’s own Kurdish villagers« sehen, den George Bush im Oktober 1990 vor den Vereinten Nationen anprangerte, um die Verworfenheit des Regimes in Bagdad zu verdeutlichen, der ihn aber kurz zuvor noch nicht davon abgehalten hatte, ein engeres Verhältnis zu eben diesem Regime zu suchen.41 Wird in The Human Shield eine Chemiefabrik zerstört, so ist es in The Finest Hour eine Einrichtung zur biologischen Kriegsführung. Beide Filme illustrieren die große Bedeutung, die den irakischen Massenvernichtungswaffen im Diskurs um den Krieg beigemessen wurde. Diese Waffen, deren Einsatz gegen den Iran noch keine amerikanischen Proteste hervorgerufen hatte, trugen nun entscheidend dazu bei, dass der Irak als Bedrohung für die Region und für die USA selbst erschien. Dabei ging es neben dem bereits vorhandenen Arsenal auch um mögliche zukünftige Gefahren. So zeigte sich Bush insbesondere »deeply concerned about Saddam’s efforts to acquire nuclear weapons«.42 Tatsächlich ergaben Umfragen, dass die amerikanische Öffent41 George Bush, »Address Before the 45th Session of the United Nations General Assembly in New York, New York, October 1st, 1990«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 18883 (21.07.2007). 42 George Bush, »The President’s News Conference, November 30th, 1990«, in: http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19119 (27.07.2007).
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lichkeit hierin das überzeugendste Argument für den Waffengang am Golf erblickte.43 Der Krieg wurde also nicht nur zur Befreiung Kuwaits geführt, sondern auch, um den Irak zu entwaffnen und die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Dies muss im Zusammenhang mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes gesehen werden. Wie ich in früheren Kapiteln bereits gezeigt habe, führte dieses zu einer neuen Bedrohungswahrnehmung, die maßgeblich vom Problem der Proliferation geprägt war. Das lässt sich nicht zuletzt anhand jener Filme aus dieser Zeit nachvollziehen, in denen die Supermächte gegen gemeinsame Feinde zusammenarbeiten. Dazu gehört etwa der in Kapitel I.2.2 ausführlich analysierte Iron Eagle II (1988), in dem ein nicht genau identifizierter Golfstaat beide Länder mit Nuklearraketen bedroht. Ein weiteres Beispiel ist Delta Force 3: The Killing Game (1991). Hier verhindert ein Team aus amerikanischen und sowjetischen Elitesoldaten, dass Dschihadisten eine Atombombe in Miami zünden. Unterstützt werden die Terroristen von dem Scheich eines arabischen ›Schurkentaates‹. Bemerkenswerterweise enthüllt eine KGB-Offizierin in einer Szene, dass ihr Vater für etliche Jahre dessen wichtigster Berater gewesen ist. Der Film betont damit, dass der neue Verbündete UdSSR früher auf der anderen Seite stand, und weist ihm so auch eine Mitverantwortung für die Entstehung der aktuellen Bedrohung zu, während die amerikanische Verantwortung wiederum verdeckt wird. Dabei schwingt, obwohl der Scheich über einen Fantasiestaat herrscht, der Konflikt mit dem Irak im Hintergrund mit. Es ist sicherlich kein Zufall, dass in einem Film, der ungefähr einen Monat nach Beendigung des Kuwaitkrieges veröffentlicht wurde, zwei der Terroristen Saddam und Hussein heißen. Mit dem Kalten Krieg löste sich der bisherige Orientierungsrahmen der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik auf, der Erzfeind Sowjetunion wurde erst zum Partner und verschwand kurz danach von der Bildfläche. Parallel dazu rückten andere Bedrohungen in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dass outlaw states dabei von Beginn an eine zentrale Rolle spielten, lag nicht nur an ihrer Verbindung zum immer wichtiger werdenden Terrorismus, sondern wohl noch mehr an der Furcht vor der Verbreitung von ABC-Waffen, wobei der eine Aspekt nur schwer vom anderen zu trennen ist. Der Kuwaitkrieg wurde quasi zum Präzedenzfall für die Gefahr, die von einem solchen Staat ausgehen konnte. »Iraq […]«, schrieb etwa Charles Krauthammer während der Krise am Golf in Foreign Affairs, »is the prototype of [a] new strategic threat, what might be called the ›Weapon State.‹«44 Im Jahr darauf vermerkte John Deutch an selber Stelle: »While aspects of the Iraqi case are unique, it is widely acknowledged that several states in the Middle East, notably Algeria, Iran and Libya, are moving toward nuclear weapons capability, as is North Korea.«45 Dass man nicht mehr mit einem großen Atomkrieg gegen die UdSSR rechnete, wohl aber mit einem Angriff solcher kleinerer Staaten, war auch der Nationalen Sicherheitsstrategie des Jahres 1991 zu entnehmen, die Reagans SDI-Programm ad acta legte und stattdessen eine Verteidigung gegen »limited ballistic missile strikes« zum Ziel erklärte, für die man auf sowjetische Zustimmung hoffte, da es sich um »a growing mutual concern«
43 Litwak, Rogue States, 56. 44 Krauthammer, »Unipolar Moment«, 30. 45 Deutch, »New Nuclear Threat«, 120.
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handle.46 Entsprechend beschwor George Bush im Wahlkampf 1992, als es die Sowjetunion nicht mehr gab, »renegade rulers, outlaw regimes, madmen we simply cannot allow to get a finger on the nuclear trigger« beziehungsweise kurz und bündig »dictators with missiles« als die Bedrohung, vor der er Amerika auch in Zukunft als Präsident schützen wolle.47 Nach dem Einzug Bill Clintons ins Weiße Haus gewann das Thema Proliferation noch weiter an Bedeutung. Im National Security Council wurde ein Directorate for Nonproliferation and Export Controls eingerichtet und Verteidigungsminister Les Aspin verkündete im Dezember 1993 eine Defense Counterproliferation Initiative, um der veränderten Sicherheitslage gerecht zu werden: »The old nuclear danger we faced was thousands of warheads in the Soviet Union. The new nuclear danger we face is perhaps a handful of nuclear devices in the hands of rogue states or even terrorist groups.«48 Viele Amerikaner sahen in den 1990er Jahren hierin die größte Gefahr für ihr Land. Eine Umfrage des Chicago Council on Foreign Relations im Jahr 1995 ergab, dass »[t]he possibility of unfriendly countries becoming nuclear powers« sowohl bei der einfachen Bevölkerung als auch bei den Menschen in Führungspositionen mit jeweils 72 beziehungsweise 61 Prozent Nennungen ganz oben auf der Liste der »critical threats« stand.49 Während der Präsidentschaft Clintons wurde die Idee der ›Schurkenstaaten‹ so immer wichtiger und zu einem Konzept ausgeformt, an dem sich die Politik entscheidend orientierte. Die Administration formulierte dies zum ersten Mal detailliert in einem Foreign-Affairs-Artikel des Nationalen Sicherheitsberaters Anthony Lake mit dem Titel »Confronting Backlash States«. Lake beschrieb hier Kuba, Nordkorea, Iran, Irak und Libyen als eine Gruppe von Ländern, die sich bei allen Unterschieden durch einige gemeinsame Merkmale auszeichneten: »Ruled by cliques that control power through coercion, they suppress basic human rights and promote radical ideologies. While their political systems vary, their leaders share a common antipathy toward popular participation that might undermine the existing regimes. These nations exhibit a chronic inability to engage constructively with the outside world, and they do not function effectively in alliances – even with those like-minded. They are often on the defensive, increasingly criticized and targeted with sanctions in international forums. Finally, they share a siege mentality. Accordingly, they are embarked on ambitious and costly military programs – especially in weapons of mass destruction (WMD) and missile delivery systems – in a misguided quest for a great equalizer to protect their regimes or advance their 50 purposes abroad.«
46 National Security Strategy [1991], 57. Siehe auch ebenda, 105-7. 47 George Bush, »Remarks to the American Legion National Convention in Chicago, Illinois, August 25th, 1992«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=21371 (21.07.2007), u. »Remarks to the National Guard Association in Salt Lake City, Utah, September 15th, 1992«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=21454 (21.07.2007). 48 Counterproliferation Initiative, http://www.fas.org/irp/offdocs/pdd18.htm (27.08.2011). 49 Rielly (Hg.), American Public Opinion 1995, 21. 50 Anthony Lake, »Confronting Backlash States«, in: Foreign Affairs 73:2 (1994), 45-55, hier: 46.
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Nicht explizit erwähnt wurde hier auffälligerweise die Unterstützung von Terrorismus. Diese wurde dafür in der Folge in diversen Reden Clintons als ein Kernproblem mit den betreffenden Staaten hervorgehoben. Die Äußerungen des Präsidenten belegen zudem beispielhaft, dass sich der – in Lakes Artikel nicht verwendete – Terminus rogue states nun auch im offiziellen Sprachgebrauch einbürgerte.51 Michael Klare hat die Entwicklung des ›Schurkenstaaten‹-Konzepts maßgeblich in der Notwendigkeit begründet gesehen, nach dem Kalten Krieg eine neue Rechtfertigung für den hohen Verteidigungsetat finden zu müssen.52 Dem hat Robert Litwak in seiner Analyse widersprochen und bei aller Kritik an dem Konzept betont, dass es in dem Besorgnis erregenden Verhalten dieser Staaten eine reale Grundlage habe.53 Zweifellos wäre es falsch, die Auseinandersetzung mit den einzelnen Regimen als eine reine Konstruktion zu betrachten. Dies würde den Verhältnissen ebenso wenig gerecht wie zuvor beim Ost-West-Konflikt. Gleichwohl ist es offensichtlich, dass die rogue states seit den späten 1980er Jahren deshalb so rasant an Bedeutung gewannen, weil man mit ihnen jene Lücke zu schließen suchte, die mit dem Verschwinden des Feindbilds Sowjetunion entstanden war. Der ›Sieg‹ über die UdSSR hatte freilich nicht nur den enormen Verteidigungsapparat seiner sinnstiftenden Mission beraubt, sondern die gesamte amerikanische Nation. In der Zeit danach herrschte allenthalben beträchtliche Verunsicherung. Das Geschehen in der Welt fügte sich plötzlich nicht mehr in ein klares Schema, sondern wirkte chaotisch und dadurch bedrohlicher als zuvor. Aktuelle Gefahren wie Terrorismus, Drogenhandel oder Migration waren transnationale und schon deshalb nur schwer (an-)greifbare Phänomene. Vor diesem Hintergrund mussten die ›Schurkenstaaten‹ als neues Feindbild geradezu verlockend wirken. Einerseits repräsentierten zwar auch sie die new world disorder, da sie scheinbar unberechenbar waren. Andererseits aber konnten sie immerhin eindeutig verortet werden. Mit ihnen erhielt das Böse wieder ein Gesicht, ein einigermaßen vertrautes zumal, da es sich ja zumeist um bereits bekannte Feinde handelte. Die USA hatten somit wieder ein Gegenbild, in dem sie sich selbst als Macht des Guten erkennen konnten, und die Welt wirkte geordneter. Konnte man auch nicht mehr einen Staat für alles Unheil auf der Welt verantwortlich machen, so doch zumindest eine kleine Gruppe von Staaten für einen beträchtlichen Teil davon. An der Zusammensetzung dieser Gruppe hat sich über die Jahre hinweg bemerkenswert wenig geändert, was im Wesentlichen daran liegt, dass sie nur scheinbar von objektiven Kriterien bestimmt wird. Das beste Beispiel hierfür ist Kuba, das in den 1990er Jahren nicht etwa deshalb weiter einem rigiden Embargo unterworfen wurde, weil es Terroristen unterstützte oder nach Massenvernichtungswaffen strebte; 51 Siehe etwa Bill Clinton, »Remarks to the Nixon Center for Peace and Freedom Policy Conference, March 1st, 1995«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51049, »Remarks at the World Jewish Congress Dinner in New York City, April 30th, 1995«, in: http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51298, »Remarks to the United Nations General Assembly in New York City, October 22nd, 1995«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=50683, »Remarks on American Security in a Changing World at George Washington University, August 5th, 1996«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=53161 (alle 27.07.2007). 52 Klare, Rogue States, v.a. 3-34. 53 Litwak, Rogue States, 7.
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vielmehr behielt man es auf der Liste der State Sponsors of Terrorism, um es weiter mit Sanktionen belegen zu können. Verantwortlich hierfür war der beträchtliche politische Einfluss der Anti-Castro-Lobby, der sich auf die Wählerstimmen der Exilkubaner und alte antikommunistische Reflexe stützte.54 Ansonsten wäre eine Annäherung an den Inselstaat, die auch von den Verbündeten der Vereinigten Staaten befürwortet wurde, durchaus möglich gewesen, da er nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums zum einen nicht mehr als Vorposten eines expansiven Kommunismus gelten musste und zum andern mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.55 Dass Kuba nicht mehr wirklich als Bedrohung empfunden wurde, lässt sich auch anhand der Filme nachweisen, in denen es kaum noch als solche in Erscheinung trat. Eine B-Produktion wie Operation Delta Force 4: Deep Fault (1999) stellt lediglich eine der wenigen Ausnahmen dar, die diese Regel bestätigen. Während Kuba als ›Schurkenstaat‹ klassifiziert wurde, blieben gleichzeitig logischere Kandidaten wie Pakistan außen vor, weil die USA zu ihnen bessere Beziehungen unterhielten oder anstrebten.56 Die Kategorisierung erfolgte also augenscheinlich aufgrund politischer Überlegungen und äußerst selektiv.57 Das lag schon in der Natur des rogue-state-Konzepts begründet, das die staatliche Förderung eines subjektiv definierten Phänomens wie Terrorismus zu einem Kernkriterium machte.58 Zudem bedeutete die Einordnung eines Staates als ›Schurke‹ eine so extreme Dämonisierung, dass sie konstruktive Beziehungen praktisch unmöglich machte, weshalb sie nur in den seltensten Fällen wirklich opportun erschien. Diese Problematik wird am inkonsequenten Umgang mit Syrien besonders deutlich. Syrien gehörte zu den ersten Staaten, die 1979 vom State Department offiziell als Unterstützer des Terrorismus herausgestellt wurden. Die Regierung in Damaskus unterhielt Beziehungen zu diversen antiisraelischen Gruppen und war vor allem ein Verbündeter der Sowjetunion, galt den Vereinigten Staaten folglich als Feind.59 Das Verhältnis erreichte seinen Tiefpunkt während des Libanonkrieges, als amerikanische
54 Vgl. Litwak, Rogue States, 5, 7, 65f u. 76. 55 Bezeichnend sind nicht zuletzt die Titel von Time »Castro’s Cuba: The End of the Dream« (06.12.1993) und »The Lion in Winter: Castro’s Cuba is desperate and open for business« (20.02.1995). Zur Kuba-Politik der USA siehe auch Philip Brenner u.a., »Intermestic Interests and U.S. Policy toward Cuba«, in: Wittkopf/McCormick (Hg.), Domestic Sources of American Foreign Policy, 67-83; Jules N. LaRocque, »The Failure of Cuba Policy«, in: Bose/Perotti (Hg.), From Cold War to New World Order, 185-92. 56 Dazu auch Pillar, Terrorism, 161-5. 57 Tatsächlich sind Kritiker der US-Politik zu dem Schluss gekommen, dass Amerika selbst als ›Schurkenstaat‹ charakterisiert werden müsste; siehe z.B. William Blum, Rogue State: A Guide to the World’s Only Superpower, überarb. u. aktual. Auflage, London 2006, und Noam Chomsky, War Against People: Menschenrechte und Schurkenstaaten, übers. von Michael Haupt, Hamburg/Wien 22001. 58 Dies betont auch Katja Leikert, Zwischen Eindämmung und Diplomatie: Die US-Sicherheitspolitik gegenüber Iran und Nordkorea (Nomos Universitätsschriften: Politik, Bd. 172), Baden-Baden 2010, 74. 59 Siehe dazu ausführlich Robert G. Rabil, Syria, the United States, and the War on Terror in the Middle East, Westport/London 2006, 35-69.
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und syrische Truppen aufeinander feuerten,60 besserte sich an der Schwelle zu den 1990er Jahren aber: Syrien trug als Vermittler zur Freilassung amerikanischer Geiseln bei und beteiligte sich im Kuwaitkrieg an der US-geführten Koalition gegen den Irak.61 In diesem Kontext zeigte sich das amerikanische Außenministerium sogar kurzzeitig aufgeschlossen gegenüber der Argumentation des Regimes von Hafiz alAssad, zwischen Terrorismus und dem in seinen Augen legitimen Widerstand von Palästinensern und Hisbollah gegen die israelische Besatzung zu unterscheiden.62 Akzeptiert wurde dies aber letztlich weder unter George Bush noch unter Bill Clinton. Auch der Kongress stellte sich wiederholt gegen eine Annäherung an Syrien, das seinen Platz auf der Liste der State Sponsors of Terrorism behielt und wegen seiner Rolle im Libanon und seinen Beziehungen zu Hisbollah und Iran weiterhin misstrauisch beäugt und kritisiert wurde. Allerdings verzichtete die Clinton-Administration darauf, Syrien zum rogue state zu erklären.63 Das ist umso bemerkenswerter, als man sich sicher war, dass Damaskus auch an Massenvernichtungswaffen arbeitete. Syrien erfüllte also alle von der US-Regierung benannten Voraussetzungen für einen ›Schurkenstaat‹, wurde aber dennoch nicht als solcher bezeichnet. Ausschlaggebend dafür war, dass die syrische Regierung eine zentrale Rolle im Nahostfriedensprozess spielte, somit als Verhandlungspartner unverzichtbar war und mit einer gewissen Zurückhaltung behandelt werden musste.64 Diese ambivalente Haltung spiegelt sich auch in dem Film Freedom Strike (1998) wider, der den Zuschauer zunächst mit einem fiktiven Nachrichtenbeitrag in die Handlung einführt: Im Mittleren Osten tobt seit zwei Jahren ein als »Gulf Wars« und »Arab Wars« bezeichneter Krieg zwischen Syrien, Irak, Iran und Saudi-Arabien.65 Wer dabei genau gegen wen kämpft und warum, bleibt unklar. Eine Reporterin erklärt jedoch, dass Syrien die Oberhand gewonnen hat und die USA bislang nicht in den Konflikt eingreifen konnten, weil das syrische Militär über einen Computerchip verfügt, mit dem es Radar und Kommunikation seiner Gegner komplett blockieren kann. Zudem wird eine Basis mit Atomraketen in der Nähe von Damaskus in wenigen Tagen einsatzbereit sein. Als diese bedrohliche Situation im Weißen Haus diskutiert wird, betont der amerikanische Präsident, dass sein syrischer Widerpart ihm versichert habe, keine Nuklearwaffen einzusetzen, worauf der Vorsitzende der Stabschefs erwidert: »It’s not President Sayda that worries me. There’s a multitude of forces we know nothing Siehe ebenda, 73f; Martin/Walcott, Best Laid Plans, 134-52. Dazu PGT: 1987, 38; PGT: 1990, 35; PGT: 1991, 33; Rabil, Syria, 76f u. 87f. Siehe die Äußerung von James Baker, die Rabil, Syria, 88, zitiert, sowie PGT: 1990, 36. Der einzige andere Staat auf der Liste, der nicht eindeutig als ›Schurkenstaat‹ deklariert wurde, war der Sudan, der seit 1993 dort aufgeführt wurde. Allerdings wurde dieser Staat von Clinton beispielsweise in seiner Rede vor den Vereinten Nationen am 22. Oktober 1995 (siehe oben) neben Iran, Irak und Libyen als einer der »states that sponsor terrorism and defy the rule of law« genannt und damit mindestens in die unmittelbare Nähe der rogue states gerückt. 64 Vgl. Litwak, Rogue States, 48 u. 76f. Zur Politik gegenüber Syrien in den 1990er Jahren siehe ausführlich Rabil, Syria, 85-120. 65 Dass der Iran fälschlich zur arabischen Welt gerechnet wird, ist nicht nur in diesem Film so. Siehe dazu Kap. III.3.1.
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about that could seize control at any moment.« Die eigentliche Gefahr geht also nicht von der syrischen Regierung aus, die einigermaßen vernünftig und vertrauenswürdig zu sein scheint, sondern von radikalen Kräften. Diese Unterscheidung bleibt auch im weiteren Verlauf der Handlung wichtig. Zunächst dringt eine Spezialeinheit der Vereinten Nationen in Syrien ein und stellt den ominösen Chip sicher. Ohne diesen technologischen Vorteil sind die Syrer offensichtlich chancenlos gegen die US-Truppen, die, wie man wiederum durch eine Nachrichtensendung erfährt, kurz darauf Damaskus einnehmen und den Krieg damit beenden. Die anstehende Unterzeichnung eines Friedensvertrags auf dem Flugzeugträger Nimitz ruft aber eben jene Radikalen auf den Plan, vor denen zuvor schon gewarnt worden ist. Aus Syrien werden Unruhen und Übergriffe auf UN-Personal gemeldet. Verantwortlich dafür ist vor allem ein Oberst namens Rama (Jay Anthony), der den Krieg neu entfachen will und zu diesem Zweck zwei Attentäter entsendet, um den amerikanischen Präsidenten während der Zeremonie ermorden zu lassen. Die beiden verfehlen jedoch ihr Ziel und verletzen stattdessen Sayda mit einer Spezialkugel lebensgefährlich. Auch dies kommt dem syrischen Oberst zupass, der den Vorfall benutzt, um in seinem Land die Stimmung gegen die USA weiter anzuheizen. Während eine amerikanische Ärztin um Saydas Leben kämpft, bringt Rama die Raketenbasis in seine Gewalt, nimmt das dort stationierte UN-Personal und ein Fernsehteam gefangen und bereitet einen Atomschlag vor. Ein erneuter Einsatz der UNO-Spezialeinheit unter Tom Dickson (Michael Dudikoff) kann die Katastrophe im letzten Moment verhindern, und einige Zeit später kann der wieder genesene syrische Präsident dann doch noch den Friedensvertrag unterzeichnen. Mit Sayda und Rama präsentiert Freedom Strike zwei unterschiedliche Gesichter eines janusköpfigen Syriens. Saydas Bereitschaft, an der Schaffung einer Friedensordnung mitzuwirken, für die er in der Zeremonie auf der Nimitz zusammen mit den anderen Staatschefs ausdrücklich gewürdigt wird, sowie sein Verzicht auf den Einsatz der Atomwaffen stehen in scharfem Kontrast zu Ramas Verhalten. »Our sources have him connected with starting many of the anti-treaty terrorist groups as well as bombings in Tel Aviv«, heißt es an einer Stelle über den fanatischen Oberst. In seiner Person wird Syrien als eine aggressive Macht porträtiert, die gegen den Frieden arbeitet und Terrorismus einsetzt. Interessant ist, dass der oben zitierte Satz auch auf Anschläge gegen Israel verweist, das ansonsten für das Szenario des Films überhaupt keine Rolle spielt und so von jeder Verantwortung für die anhaltende Gewalt im Nahen Osten befreit wird, die in Freedom Strike als ein genuin ›arabisches‹ Problem erscheint, an dem Syrien in Gestalt von Rama entscheidenden Anteil hat. Dabei ist zu beachten, dass die beiden so gegensätzlichen syrischen Figuren keine gleichgewichtigen Charaktere im Film sind. Während Rama als Antagonist des Helden eine zentrale und sehr aktive Rolle spielt, ist Sayda eine Nebenfigur ohne Dialog, deren Passivität nicht zuletzt darin zum Ausdruck kommt, dass sie während der entscheidenden Vorgänge außer Gefecht gesetzt ist und keinen Anteil an der Vereitelung von Ramas Plänen hat. Die Zeichnung eines syrischen Feindbildes beschränkt sich zudem nicht auf den Oberst allein. So werden etwa die syrischen Piloten in den Luftkämpfen durch schwarze Visiere, die ihre Gesichter verdecken, dehumanisiert. Der Film zeigt keine freundlichen Syrer, dafür aber eine aufgeputschte Menschenmenge, die eine US-Flagge verbrennt. Syrien erscheint so sehr deutlich als ein Hort des antiamerikanischen Bösen.
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Nichtsdestotrotz wird dieser Eindruck durch die positiven Verweise auf den syrischen Staatschef zumindest etwas abgemildert. Schließlich wird nicht die syrische Regierung selbst, sondern ein auf eigene Faust handelnder Teil ihres Militärs als verantwortlich für Terrorismus und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen dargestellt.66 Dadurch entsteht ein zwiespältiges Bild von Syrien als möglichem Partner für den Frieden und Saboteur desselben zugleich. Wie in der Realität wird es so nicht mit endgültiger Konsequenz als ›Schurkenstaat‹ präsentiert, obwohl ihm alle einschlägigen Merkmale zugeschrieben werden. Eindeutig zu den ›Schurken‹ gerechnet wurde dagegen Libyen, das in den 1990er Jahren oft in einem Atemzug mit Iran und Irak genannt wurde.67 Grundlage hierfür waren weniger neue Vorfälle als die ›Altlasten‹ des Gaddafi-Regimes aus dem vorangegangenen Jahrzehnt, insbesondere der Bombenanschlag auf die Berliner Discothek La Belle 1986 und das Lockerbie-Attentat 1988, die nicht zuletzt aufgrund der juristischen Aufarbeitung weiterhin die Gemüter bewegten.68 »[A]s long as Libya refuses to give up the people who blew up Pan Am 103, [it] should not become [a] full member[] of the family of nations«, erklärte Bill Clinton beispielsweise im September 1996 in einer Rede vor den Vereinten Nationen.69 In Filmen wie Patriot Games (1992), Face/Off (1997) und Black Thunder (1998) wurde Libyen weiterhin als höchst aktiver Terrorpate porträtiert, als Zufluchtsort und Operationsbasis für Terroristen aus aller Welt.70 Die Militärkomödie In the Army Now (1994) zeigte es zudem als potentiellen neuen Irak, der in das Nachbarland Tschad einfällt und die zu dessen Befreiung herbeigeeilten UN-Truppen – bei denen es sich natürlich vor allem um Amerikaner handelt – mit giftgasbestückten ScudRaketen bedroht. Dieses Szenario orientierte sich offensichtlich am Kuwaitkrieg als Modell für die Konfrontation mit einem ›Schurkenstaat‹ und griff außerdem wiederum auf Ereignisse aus den 1980er Jahren zurück, als Libyen sich in den Bürgerkrieg im Tschad eingemischt und dabei auch Giftgas eingesetzt hatte.71 Als Aggressor erschien es auch in der romantischen Komödie The American President (1995), in der es ein amerikanisches Raketenabwehrsystem in Israel samt US-Personal bombardiert und den von Michael Douglas gespielten Titelhelden so dazu zwingt, trotz heftiger Gewissensbisse die Zerstörung des libyschen Geheimdiensthauptquartiers als angemessene Vergeltung anzuordnen.72 66 Diese Strategie ist aus diversen Produktionen aus der Endphase des Ost-West-Konfliktes oder Filmen über China bereits vertraut. 67 Vgl. beispielsweise die oben zitierten Reden Clintons; außerdem »The Reach of Democracy«, in: NYT 23.09.1994; »Who Could Have Done It«, in: Time 08.03.1993. 68 Dazu PGT: 1991, 69-79; PGT: 1997, 16; Kushner, Encyclopedia, s.v. »La Belle Discotheque Bombing« u. »Pan Am Flight 103 Bombing«; vgl. auch Pillar, Terrorism, 160. 69 Bill Clinton, »Remarks to the 51st Session of the United Nations General Assembly in New York City, September 24th, 1996«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51976 (27.07.2007). 70 Patriot Games stellt zudem eine Verbindung zu Syrien her. 71 Zum Einsatz von Giftgas siehe Litwak, Rogue States, 35. 72 Beobachter stellten später fest, dass sich Clinton nach dem Marschflugkörperangriff auf eine Fabrik im Sudan 1998 recht ähnlich äußerte wie der fiktive Präsident in dieser Filmszene; dazu Shaheen, Reel Bad Arabs, 68.
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Der Fokus der rogue-state-Politik lag freilich nicht auf Libyen, so präsent dieses im Diskurs darum auch war, sondern auf Iran und Irak, gegen die die ClintonAdministration die Strategie des dual containment formulierte. Diese wurde im Mai 1993 von Martin Indyk, einem Mitglied des National Security Council, erstmals verkündet und stand auch im Mittelpunkt von Lakes Artikel zu den backlash states im Jahr darauf. Der Nationale Sicherheitsberater stellte deren Eindämmung hier explizit in die Tradition der Auseinandersetzung mit der UdSSR,73 was noch einmal überdeutlich macht, dass die ›Schurkenstaaten‹ an die Stelle des alten Feindbildes treten sollten. Allerdings hatte man es nun eben nicht mehr mit einem, sondern mit mehreren Staaten zu tun. Lake betonte daher auch, »[that] ›[d]ual containment‹ does not mean duplicate containment« und dass man den beiden doch sehr unterschiedlichen Staaten jeweils anders begegnen müsse.74 Kurz gesagt war dual containment darauf angelegt, die iranische Regierung dazu zu bewegen, ihr Verhalten zu ändern, im Irak jedoch einen Regimewechsel herbeizuführen.75 Der Sturz Saddam Husseins war seit dem Kuwaitkrieg das erklärte Ziel der USA und von der Bush-Administration zur Bedingung für eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak erklärt worden. Das stand nicht im Einklang mit der Haltung der Vereinten Nationen, die lediglich verhindern wollten, dass die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen fortgeführt beziehungsweise wieder aufgenommen wurde. Die Regierung Clinton äußerte sich deshalb etwas zurückhaltender;76 allerdings ließ auch sie keinen Zweifel daran, dass sie den irakischen Diktator für »irredeemable«77 erachtete und es für ausgeschlossen hielt, dass er die UN-Resolutionen erfüllen und an der Macht bleiben könne. Außenminister Christopher verlieh entsprechend der Hoffnung Ausdruck, »that by […] pressing those resolutions, we will insure his departure from power«.78 Das erwies sich jedoch auf diesem Weg als äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, zu erreichen, sodass sich eine nicht enden wollende Konfrontation mit dem Regime in Bagdad entspann.79 Saddam Hussein mäanderte dabei seinerseits immer wieder zwischen der Erfüllung der Auflagen und gezielten Verstößen dagegen, um durch die Provokation von Krisen eine Aufhebung der Sanktionen zu erzwingen. Die Vereinigten Staaten wiederum setzten alles daran, diese trotz abnehmender internationaler Unterstützung aufrechtzuerhalten, und bombardierten den Irak – zusammen mit Großbritannien – regelmäßig, um ihn für sein Verhalten zu bestrafen. Höhepunkt dieser Politik waren die viertägigen Luftangriffe der Operation Desert Fox im Dezember 1998. Ihr Erfolg schien gleichzeitig immer zweifelhafter. Schon im Mai 1994
73 Lake, »Confronting Backlash States«, 55. 74 Ebenda, 49. 75 Zur Strategie des dual containment und ihrer Umsetzung siehe ausführlich Litwak, Rogue States, 57-64 u. 123-92, sowie vom selben Autor »Iraq and Iran: From Dual to Differentiated Containment«, in: Lieber (Hg.), Eagle Rules?, 173-93. 76 Siehe dazu ebenda, 126-8 bzw. 181f. 77 Indyk zitiert nach Litwak, Rogue States, 59. 78 Zitiert nach »Christopher Signals a Tougher U.S. Line Toward Iran«, in: NYT 31.03.1993. 79 Siehe hierzu Hyland, Clinton’s World, 171-83; Litwak, Rogue States, 129-40.
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wähnte das Magazin Time Hussein »back in business as usual, wriggling out of the international embargo and rebuilding his weapons-procurement network«. 80 Zahlreiche Romane, Videospiele und natürlich Filme wie Air Force One (1997),81 Double Team (1997), Mercury Rising (1998), Operation Delta Force 2: Mayday (1998) oder Strike Zone (2000) nahmen auf das ungelöste Problem am Golf Bezug und beschworen insbesondere immer wieder die Gefahr eines nuklear bewaffneten Irak, der so die Sowjetunion als »the paradigmatic nuclear threat« ersetzte82 – obwohl er in der Realität gar keine Atomwaffen besaß. Der Irak behielt damit auch im Jahrzehnt nach dem Kuwaitkrieg die Spitzenposition in der amerikanischen Dämonologie. Kein anderes Land wurde von den Amerikanern so eindeutig als Feind identifiziert, keinem anderen Staatschef – nicht einmal Fidel Castro – wurde solcher Abscheu entgegengebracht wie Saddam Hussein.83 Umfragen ergaben, dass etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung sogar eine Ermordung des irakischen Diktators gutgeheißen hätte.84 Dazu kam es nicht, gerade unter neokonservativen Politikern wurde die Forderung nach einem entschlosseneren Vorgehen aber immer lauter. 1998 verabschiedete der von den Republikanern dominierte Kongress den Iraq Liberation Act, der Mittel zur Unterstützung der irakischen Opposition bereitstellte und die Regierung dazu zwingen sollte, aktiver auf den Sturz Husseins hinzuarbeiten.85 Während sie im Irak erklärtermaßen einen Regimewechsel anstrebte, betonte die Clinton-Administration, dass eine Normalisierung der Beziehungen zur Regierung in Teheran vorstellbar sei, wenn diese ihre Politik ändere.86 Die Eindämmung des Iran war demnach eine Art erzieherische Maßnahme. Bis diese Wirkung zeigte, wurde sie freilich kompromisslos angewendet.87 Tatsächlich wurde ein Dialog ja nur als theoretische Möglichkeit für die Zukunft in Aussicht gestellt. In der Gegenwart galt der Iran jedoch als ein ›Schurkenstaat‹ par excellence, der – nach der Schwächung des Irak im Kuwaitkrieg – von einigen Beobachtern als die nächste große Bedrohung in der strategisch wichtigen Golfregion gesehen wurde.88 Eine nicht unerhebliche Rolle spielte dabei nach wie vor die Erinnerung an die Geiselkrise, die, wie ich bereits erklärt habe, die Einstellung vieler Amerikaner zu der Islamischen Republik geprägt hatte. Die neue US-Regierung war hier keine Ausnahme, zumal Clintons Mannschaft sich in vielen Fällen aus ehemaligen Mitarbeitern der Carter-Administration rekru80 »No Longer Fenced In«, in: Time 23.05.1994. 81 Air Force One nimmt nicht nur im Dialog Bezug auf den Irak, das ursprüngliche Drehbuch sah auch einen Luftkampf gegen irakische (und nicht kasachische) MiGs vor; siehe dazu den Audiokommentar von Wolfgang Petersen auf der DVD. 82 Boyer, Fallout, 214. 83 Vgl. Sulfaro/Crislip, »Foreign Policy Threats«, 114f u. 118; Rielly (Hg.), American Public Opinion, 22. 84 Siehe IIPO, 1993-1994, 229; IIPO, 1997-1998, 193. 85 Online: http://thomas.loc.gov/cgi-bin/bdquery/z?d105:H.R.4655: (31.08.2011). 86 Lake, »Confronting Backlash States«, 50 u. 52f. 87 Zur US-Politik gegenüber dem Iran in den 1990er Jahren siehe ausführlich Litwak, Rogue States, 163-74, sowie Leikert, Zwischen Eindämmung und Diplomatie, 63-129, die v.a. auch die Rolle des Kongresses und verschiedener Thinktanks detailliert beleuchtet. 88 So etwa Daniel Pipes/Patrick Clawson, »Ambitious Iran, Troubled Neighbors«, in: Foreign Affairs 72:1 (1993), 124-41, 124.
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tierte, die einen persönlichen Groll gegen das Regime in Teheran hegten.89 Außenminister Warren Christopher, der in der Geiselkrise als Unterhändler gedient hatte, verschärfte denn auch gleich den Ton im Vergleich zur Bush-Regierung, die sich etwas zurückhaltender gezeigt hatte, indem er den Iran als »international outlaw« und »dangerous country« brandmarkte.90 Dieses Bild verstärkte sich im Laufe der Zeit noch. In den Berichten des State Departments wurde der Iran in den 1990er Jahren regelmäßig als der wichtigste staatliche Förderer des Terrorismus aufgeführt,91 dem eine Verwicklung in diverse Anschläge ebenso vorgeworfen wurde wie die Ermordung von Dissidenten im Ausland, die vor allem durch den Mykonos-Prozess in Deutschland zum Thema wurde.92 Dies alles nährte das Bild von Teheran als »Terror Central«,93 das auch Romane wie Tom Clancys Executive Orders94 und Filme wie Die Hard With a Vengeance (1995) vermittelten. Dass parallel dazu auch die Sorge wuchs, der Iran könne Atomwaffen in die Hände bekommen, illustriert etwa der an anderer Stelle schon ausführlich besprochene The Peacemaker (1997). Die amerikanische Regierung konnte im Verhalten der Islamischen Republik keine Anzeichen für die geforderte Verbesserung sondern eher eine weitere Verschlechterung erkennen, wie Clinton im April 1995 beispielhaft zum Ausdruck brachte: »[M]any people have argued passionately that the best route to change Iranian behavior is by engaging the country. Unfortunately, there is no evidence to support that argument. Indeed, the evidence of the last 2 years suggest [sic!] exactly the reverse. Iran’s appetite for acquiring and developing nuclear weapons and the missiles to deliver them has only grown larger. Even as the prospects for the peace in the Middle East have grown, Iran has broadened its role as an inspiration and paymaster to terrorists. And there is nothing to suggest that further engagement 95 will alter that course.«
Anscheinend erwog die Clinton-Administration nach dem Anschlag auf die Khobar Towers 1996, für den man das Regime in Teheran verantwortlich machte, sogar eine massive Militäraktion als Vergeltung.96 Dazu kam es zwar nicht, aber die schon bestehenden wirtschaftlichen Sanktionen wurden in dieser Zeit weiter verschärft und Siehe Hyland, Clinton’s World, 18-20; Litwak, Rogue States, 66. Zitiert nach »Christopher Signals a Tougher U.S. Line Toward Iran«, in: NYT 31.03.1993. PGT: 1992, 22; PGT: 1996, 23; PGT: 1997, 31; PGT: 1999, 34. Siehe dazu PGT: 1996, 8; PGT: 1997, 3 u. 15f. Titel von Time am 11.11.1996. Tom Clancy, Executive Orders, New York 1996. Der Roman präsentiert die Führung des Iran als das rogue regime schlechthin, das andere Staatsoberhäupter ermordet, einen Eroberungskrieg am Golf beginnt, eine Ebola-Epidemie in den USA auslöst, ein Attentat auf den US-Präsidenten Jack Ryan plant und obendrein Terroristen den Kindergarten angreifen lässt, den Ryans kleine Tochter besucht. Kein Wunder also, dass der Präsident am Ende live in alle Welt übertragen lässt, wie eine amerikanische Präzisionsbombe das Haus des iranischen Staatsoberhauptes samt Bewohnern vernichtet. 95 Bill Clinton, »Remarks at the World Jewish Congress Dinner in New York City, April 30th, 1995«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=51298 (27.07.2007). 96 Siehe dazu Clarke, Against All Enemies, 118-21.
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durch neue ergänzt, um die Gefahr einzudämmen, zumal es im Kongress keine IranLobby, dafür aber viele Befürworter einer härteren Gangart gab. So trat etwa der Iran Libya Sanctions Act in Kraft, der ausländischen Firmen mit Strafen drohte, falls sie Geschäfte mit den betreffenden Regimen machen sollten.97 Derartige Maßnahmen, die in ähnlicher Weise auch ergriffen wurden, um den Handel mit Kuba zu unterbinden, brachten die Vereinigten Staaten logischerweise zunehmend in Konflikt mit ihren Verbündeten, nicht zuletzt in Europa, wofür Befürworter wie der republikanische Senator Orin Hatch aber kein Verständnis zeigten: »As long as our allies invest in terrorist states, that’s an act of war against us.«98 Vor allem mit Russland gab es schwere Spannungen wegen dessen Beteiligung an Irans zivilem Nuklearprogramm und der Lieferung von Raketentechnologie.99 In Clintons zweiter Amtszeit schien sich plötzlich die Möglichkeit zu einer echten Annäherung an den Iran aufzutun, als Mohammed Khatami überraschend als deutlicher Sieger aus den Präsidentschaftswahlen 1997 hervorging. Khatami war ein Kandidat der Reformbewegung100 und offenbar willens, einen Wandel in der iranischen Politik herbeizuführen. In einem aufsehenerregenden Interview mit dem amerikanischen Nachrichtensender CNN sprach er sich für einen Dialog zwischen den Zivilisationen aus und verurteilte die Tötung israelischer Frauen und Kinder unmissverständlich als Terrorismus.101 Die US-Regierung begrüßte die neuen Töne aus Teheran. Außenministerin Madeleine Albright stellte in einer Rede im Juni 1998 sogar »a roadmap leading to normal relations« in Aussicht. Allerdings betonte sie weiterhin, dass sich erst das tatsächliche Verhalten des Iran ändern müsse, das aus Washingtons Sicht nach wie vor indiskutabel war.102 Schon zaghafte Versuche, sich in Richtung Iran zu öffnen, stießen zudem in den USA selbst auf große Schwierigkeiten. Vor dem Hintergrund anhaltender Terrorismusvorwürfe und des Tests einer iranischen Mittelstreckenrakete im Juli 1998 setzte sich der Kongress im Gegenteil dafür ein, den Druck auf das Regime in Teheran weiter zu erhöhen.103 Die Clinton-Administration hatte dabei auch mit ihrer eigenen Rhetorik zu kämpfen, da die Dämonisierung der ›Schurkenstaaten‹ als Gruppe Unterschiede zwischen ihnen verwischte und einen Politikwechsel gegenüber einem von 97
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Online: http://thomas.loc.gov/cgi-bin/query/z?c104:H.R.3107.ENR: (01.09.2011). Leikert, Zwischen Eindämmung und Diplomatie, 104, weist darauf hin, dass der Absturz von TWA 800, hinter dem man zunächst einen terroristischen Akt vermutete, einen wichtigen Hintergrund für die Verabschiedung des Gesetzes darstellte. Zitiert nach »Taking on the World«, in: Time 19.08.1996. Dazu Bierling, »Rußlandpolitik«, 114f; Goldgeier/McFaul, Power and Purpose, 175-81 u. 299-302; Lapidus, »Transforming Russia«, 127. Zur Reformbewegung im Iran siehe Barbara Slavin, Bitter Friends, Bosom Enemies: Iran, the U.S., and the Twisted Path to Confrontation, New York 2007, 103-20; Beeman, »Great Satan«, 84-6. Teile des Interviews sind abgedruckt im Anhang zu Litwak, Rogue States, 265-70. Die Rede ist ebenda, 270-4, abgedruckt (Zitat ebenda, 273). Albright verzichtete im selben Jahr auch darauf, den Iran in einem Grundsatzartikel zur amerikanischen Außenpolitik explizit als Problem zu benennen – im Gegensatz zum Irak und Nordkorea; siehe »Testing of American Foreign Policy«. Dazu Leikert, Zwischen Eindämmung und Diplomatie, 111-29.
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ihnen nahezu unmöglich machte. Im Jahr 2000 versuchte sie daher, den Terminus rogue states durch das weniger dramatische states of concern zu ersetzen. »[W]e think the category has outlived its usefulness«, erklärte Albright dazu.104 Diese Einsicht kam freilich zu spät. Das mittlerweile etablierte Konzept ließ sich nicht mehr aus dem öffentlichen Diskurs entfernen, das Feindbild der ›Schurkenstaaten‹ war stabil. Neben Irak und Iran wurde während der Clinton-Jahre auch Nordkorea zunehmend wichtig für dieses Feindbild. Das Thema Terrorismus spielte in diesem Fall keine wesentliche Rolle. Zwar stand Nordkorea seit 1988 auf der Liste der State Sponsors of Terrorism, das Außenministerium räumte in seinem Bericht zum Jahr 1996 aber ein, »[that] North Korea has not been conclusively linked to any international terrorist attacks since 1987.«105 Ähnlich wie Kuba wurde es also augenscheinlich deshalb auf dieser Liste behalten, weil man es mit den daraus resultierenden Sanktionen für andere ›Vergehen‹ bestrafen wollte, namentlich für sein Nuklear- und sein Raketenprogramm, die wesentlich weiter fortgeschritten waren als die irgendeines anderen ›Schurkenstaates‹.106 Die davon ausgehende Bedrohung rückte vor allem durch eine dramatische Krise im Frühjahr und Sommer 1994 ins Bewusstsein der amerikanischen Öffentlichkeit: Nachdem Nordkoreas Staatsgründer und Alleinherrscher Kim Il Sung bereits im Vorjahr den Austritt seines Landes aus dem Nichtverbreitungsvertrag erklärt hatte, wurden nun aus dem Reaktor in Jongbjon 8.000 Brennstäbe entfernt, deren Plutonium für den Bau mehrerer Atombomben ausreichte. Viele fürchteten in dieser Situation den Ausbruch eines neuen großen Krieges auf der koreanischen Halbinsel,107 und die Regierung Clinton erwog in der Tat zeitweise einen Militärschlag. Letztlich entschied man sich jedoch für eine diplomatische Lösung. Im sogenannten Agreed Framework verpflichteten sich die Vereinigten Staaten, zusammen mit Japan und Südkorea zwei modernere, proliferationssicherere Atomreaktoren zu liefern, während Nordkorea im Gegenzug zusagte, seine bestehenden Anlagen außer Betrieb zu nehmen und dem Nichtverbreitungsvertrag wieder beizutreten.108 Nicht obwohl, sondern gerade weil von dem Regime in Pjöngjang eine größere Gefahr ausging als von einem der anderen rogue states, schlug die Clinton-Administration in diesem Fall den Weg des engagement statt des containment oder gar rollback ein. Damit tat sich eine Lücke zwischen Rhetorik und tatsächlicher Politik auf, die Kritik provozierte. Der Vorwurf, die Regierung betreibe Appeasement, wurde in der Folge immer wieder erhoben.109 Letztlich kann man an dieser Problematik die 104 Zitiert nach »A ›Rogue‹ Is a ›Rogue‹ Is a ›State of Concern‹: U.S. Alters Terminology for Certain Countries«, in: WP 20.06.2000. 105 PGT: 1996, 25. 106 Vgl. dazu auch Pillar, Terrorism, 161. 107 Siehe beispielhaft die Titel von Time »Would Kim Win the War?« (04.04.1994) und »Korean Conflict: Is Kim Il Sung bluffing or would he go to war?« (13.06.1994). 108 Dazu ausführlich Gavan McCormack, Target North Korea: Pushing North Korea to the Brink of Nuclear Catastrophe, New York 2004, 154-7; Leikert, Zwischen Eindämmung und Diplomatie, 184-8; Litwak, Rogue States, 209-20 (das Rahmenabkommen ist ebenda, 274-7, abgedruckt). 109 Siehe Leikert, Zwischen Eindämmung und Diplomatie, 196-207.
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Unsinnigkeit des gesamten ›Schurkenstaaten‹-Konzeptes ablesen. Nichtsdestotrotz trug der Fall Nordkorea erheblich zu dessen Ausformung und Wirkung bei, indem er die Furcht vor der Proliferation von Massenvernichtungswaffen und Raketen weiter schürte,110 dies umso mehr, als das Vertrauen in die Einhaltung des Abkommens gering war. Die nordkoreanische Bedrohung spielte Ende der 1990er Jahre auch eine wichtige Rolle in der Debatte um ein vor allem von den Republikanern gefordertes nationales Raketenabwehrsystem gegen Angriffe von ›Schurkenstaaten‹.111 Im Juli 1998 legte eine Kommission unter Vorsitz von Donald Rumsfeld, dem späteren Verteidigungsminister der Administration von George W. Bush, einen Bericht vor, der eindringlich davor warnte, dass Iran und Nordkorea innerhalb weniger Jahre in der Lage sein könnten, das Territorium der Vereinigten Staaten direkt zu bedrohen.112 Dass beide Länder nur Wochen später Mittelstreckenraketen testeten, verlieh dieser Prognose zusätzliches Gewicht und lieferte den Befürwortern einer Raketenabwehr Munition. Unter deren Druck unterzeichnete Clinton 1999 den National Missile Defense Act, der vorsah, ein entsprechendes System zu stationieren, sobald dies technisch möglich war.113 Dass die Frage, ob man dem ›Schurkenregime‹ in Pjöngjang eher mit Härte oder Diplomatie begegnen sollte, in den 1990er Jahren virulent war, lässt sich beispielhaft an der Geschichte von Murder at 1600 (1997) ablesen. In diesem Film untersuchen ein Polizist (Wesley Snipes) und eine Secret-Service-Agentin (Diane Lane) den Mord an einer Sekretärin im Weißen Haus, während gleichzeitig eine Geiselkrise mit Nordkorea die Nation bewegt. Am Ende entpuppt sich die Tat als Teil eines Komplotts des Nationalen Sicherheitsberaters, der den Rücktritt des auf Verhandlungen setzenden Präsidenten herbeiführen will, damit dessen Stellvertreter das Amt übernehmen und Truppen einsetzen kann. Wie hier die rogue-states-Gefahr benutzt wird, um einen Kriminalplot zu unterfüttern, ist charakteristisch für die Art und Weise, in der zahlreiche Filme auf diese Bedrohung Bezug nehmen, ohne sie in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Gerade Nordkorea stand lange Zeit nur in wenigen (und kleineren) Produktionen wie Dead Men Can’t Dance (1997) im Zentrum des Geschehens. Gleichzeitig fanden sich in diversen Filmen aber Verweise auf seine ›schurkischen‹ Umtriebe und seinen Status als Feind der Vereinigten Staaten, etwa in Fire Birds (1990), Under Siege (1992), Iron Eagle IV (1995), Under Siege 2: Dark Territory (1995) oder The Art of 110 Vgl. Klare, Rogue States, 128. 111 Siehe dazu John Newhouse, »The Missile Defense Debate«, in: Foreign Affairs 80:4 (2001), 97-109; Michael Nacht, »Weapons Proliferation and Missile Defense: New Patterns, Tough Choices«, in: Lieber (Hg.), Eagle Rules?, 282-98, hier: 284 u. 290; Schild, Bedrohte Supermacht, 97-115; Leikert, Zwischen Eindämmung und Diplomatie, 113 u. 201. Umstritten war das Projekt nicht nur wegen Zweifel an der technischen Realisierbarkeit, sondern auch weil es das Verhältnis zu anderen Nuklearmächten, insbesondere Russland, belastete. 112 Executive Summary of the Report of the Commission to Assess the Ballistic Missile Threat to the United States, July 15, 1998, http://www.fas.org/irp/threat/bm-threat.htm (02.09.2011). 113 Online: http://thomas.loc.gov/cgi-bin/query/z?c106:S.269: (02.09.2011).
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War (2000). Man kann für die ›Schurkenstaaten‹ insgesamt festhalten, dass sie in vielen Geschichten nur am Rande vorkommen; ihr ›Auftritt‹ beschränkt sich oft auf eine Szene oder sogar auf eine einzige Dialogzeile. So erfährt der Zuschauer beispielsweise in Fire Birds, dass der für das Drogenkartell arbeitende Pilot Stoller sein »terrorist training« in »Europe and North Korea« erhalten hat, oder in Die Hard With a Vengeance, dass der ungarische Bombenbauer »for the Iranians« arbeiten soll: »Freelance terrorism. By contract.« Daraus lässt sich nicht etwa eine geringere Bedeutung der rogue states als Feindbild ableiten, im Gegenteil: Gerade diese kleinen Anspielungen zeigen, wie etabliert das Feindbild in den 1990er Jahren bereits war und bis heute ist. Denn offensichtlich bedurfte es in den Filmen keiner weiteren Erläuterung, warum diese Staaten mit Terroristen zusammenarbeiten, Massenvernichtungswaffen kaufen oder Angriffe auf die USA vorbereiten sollten, weil man davon ausgehen konnte, dass die Zuschauer diese Verbindungen längst verinnerlicht hatten. Die entsprechenden Bilder mussten also nicht mehr ausgemalt, sondern nur noch abgerufen werden. Schon dadurch wurden sie aber wiederum verstärkt. Je häufiger die Zuschauer die Namen bestimmter Staaten im Zusammenhang mit Terrorismus oder gegen Amerika gerichteten ABC-Waffen hörten, desto bereitwilliger mussten sie diesen Konnex akzeptieren. Die Filme schärften so nicht zuletzt das Bild einer Gruppe von Staaten, die scheinbar über bestimmte negative Merkmale definiert werden konnte. Dazu trug die Ähnlichkeit der Szenarien, in denen unterschiedliche ›Schurken‹ benutzt wurden, ebenso bei, wie die typischen Dialoge, in denen man sie nebeneinander als die üblichen Verdächtigen anführte, wenn es um die Hintermänner eines Anschlags, die Käufer einer gestohlenen Atombombe oder den Zielort eines entführten Flugzeugs ging. Wie in dem eingangs zitierten Dialog aus G.I. Jane (»Iran or Iraq?« – »Libya.«) wirkten sie dabei geradezu austauschbar. Die dem ›Schurkenstaaten‹-Konzept inhärente Verwischung der Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und Regimen wurde auf diese Weise durch die Darstellung in den Filmen entscheidend befördert. Während die Regierung Clinton zuletzt versucht hatte, den Begriff rogue states und die damit verbundenen Vorstellungen hinter sich zu lassen, griff die Administration von George W. Bush wieder vorbehaltlos darauf zurück. Zunächst wurde mit Rumsfeld als Verteidigungsminister – oder »Secretary of Missile Defense«, wie Time ihn ironisch betitelte114 – vor allem das NMD-Projekt forciert. Nach den Angriffen vom 11. September 2001 spielte das ›Schurkenstaaten‹-Konzept dann eine zentrale Rolle für die Gestaltung des von Bush proklamierten war on terror. »We will make no distinction between the terrorists who committed these acts and those who harbor them«, verkündete der Präsident bereits am Tag der Anschläge,115 um in der Folge noch deutlicher zu werden: »Every nation […] now has a decision to make. Either you are with us, or you are with the terrorists. From this day forward, any nation that continues to harbor or support terrorism will be regarded by the United States as a
114 »The Secretary of Missile Defense«, in: Time 14.05.2001. 115 George W. Bush, »Address to the Nation on the Terrorist Attacks, September 11th, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=58057 (27.07.2007).
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hostile regime.«116 Der Kampf gegen die Terroristen wurde so von Beginn an auch als »war against those governments that support or shelter them« definiert.117 Erstes Ziel dieses Krieges war die Operationsbasis von al-Qaida in Afghanistan, wo sich Osama Bin Laden seit 1996 wieder aufhielt. Afghanistan war einer Designation als State Sponsor of Terrorism seither nur aus formalen Gründen entgangen, weil die Vereinigten Staaten die Taliban offiziell nicht als Regierung anerkannten.118 Nachdem diese sich nun weigerten, die al-Qaida-Führung auszuliefern, begannen die USA im Oktober 2001 in Kooperation mit den einheimischen Gegnern der Taliban einen Feldzug, der sie bis Dezember im größten Teil des Landes von der Macht vertrieb, ohne dass sie allerdings endgültig hätten besiegt werden können. Kurz danach rückte Bush in seiner Rede zur Lage der Nation am 29. Januar 2002 die Bedrohung durch die klassischen rogue states, namentlich Nordkorea, Iran und Irak, wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit. Der Präsident zählte die (vermeintlichen) Vergehen dieser drei Länder auf, um dann zu der Feststellung zu gelangen: »States like these and their terrorist allies constitute an axis of evil, arming to threaten the peace of the world. By seeking weapons of mass destruction, these regimes pose a grave and growing danger. They could provide these arms to terrorists, giving them the means to match their hatred. They could attack our allies or attempt to blackmail the United States. In any of these cas119 es, the price of indifference would be catastrophic.«
Dass Irak, Iran und Nordkorea von Amerika als besonders bedrohlich wahrgenommen wurden, hatte sich schon in den Jahren davor herauskristallisiert. Eine Umfrage im Jahr 1995 hatte ergeben, dass die Bevölkerung die kühlsten Gefühle für diese drei Länder hegte,120 und auch in offiziellen Verlautbarungen zur nationalen Sicherheit waren sie regelmäßig herausgestellt worden, eine Tendenz, die sich im Rahmen der NMD-Debatte noch verstärkt hatte.121 Ihre Hervorhebung durch Bush war also für sich genommen nichts Neues. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die genaue Formulierung: Der Präsident sagte »States like these« und nicht etwa »These states«, beschränkte die Gefahr, die er beschrieb, also von vornherein nicht auf ihre drei prominentesten Vertreter.
116 George W. Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the United States Response to the Terrorist Attacks of September 11, September 20th, 2001«, in: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=64731 (07.07.2007). 117 George W. Bush, »The President’s News Conference, October 11th, 2001«, in: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73426 (27.07.2007). 118 Pillar, Terrorism, 158f. 119 George W. Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 29th, 2002«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=29644 (13.05. 2007). 120 Rielly (Hg.), American Public Opinion, 22. 121 Siehe etwa National Security Strategy 1994-1995, 27 u. 43f; National Security Strategy [1998], 6; National Security Strategy [1999], 16; außerdem den programmatischen Artikel, den die zukünftige Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice im Wahlkampf publizierte, »Promoting the National Interest«, 60-2.
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Das enorme Aufsehen, das diese Passage erregte, verdankte sich wesentlich dem Begriff axis of evil.122 Dieser definierte den Konflikt zwischen den USA und ihren Gegnern einmal mehr als Kampf zwischen den zwei entgegengesetzten ontologischen Prinzipien des Guten und des Bösen.123 Darüber hinaus stellte er ihn in eine doppelte Traditionslinie, indem er die Erinnerung zum einen an den Zweiten Weltkrieg und zum andern an Reagans Beschreibung der Sowjetunion als »evil empire« evozierte. Der war on terror erschien so als Fortsetzung des siegreichen Kampfes gegen die totalitären Mächte der Finsternis im 20. Jahrhundert. Auch diese Idee war freilich, wie ich im vorangegangenen Kapitel gezeigt habe, nicht neu, sondern schon von Clinton formuliert worden. Bush knüpfte also sowohl in der Analyse der Bedrohung als auch in der Rhetorik an die frühere Administration an, spitzte beides jedoch in der Formel axis of evil in sehr einprägsamer Weise zu. Insbesondere verschob er den Akzent der Bedrohungsperzeption damit deutlich in Richtung auf die ›Schurkenstaaten‹. Zwar bezeichnete die Rede diese keineswegs allein als ›Achse des Bösen‹, sondern in ihrer Verbindung zu Terroristen; sie rückte sie aber – schon syntaktisch – in den Vordergrund. Hier wurden Staaten nicht mehr als Unterstützer des Terrorismus angeführt, sondern Terroristen als Verbündete bestimmter Staaten. Als Kern der Bedrohung erschienen nun die Massenvernichtungswaffen dieser rogue states, die sie direkt einsetzen oder eben auch an ihre »terrorist allies« weitergeben konnten.124 Die Bush-Administration wollte den war on terror aber nicht nur deshalb auf die outlaw regimes konzentrieren, weil sie die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen an Terroristen fürchtete. Vielmehr stand dahinter die prinzipielle Überzeugung, »[that] terrorism requires state support«,125 die innerhalb der Regierung zum Beispiel von Rumsfelds Stellvertreter Paul Wolfowitz vehement vertreten wurde. Dieser hielt den Irak nicht nur im Fall der Angriffe vom 11. September für verantwortlich, sondern auch für den ersten Anschlag auf das World Trade Center 1993 – ohne irgend-
122 Zur Entstehung der Rede und ihrer Rezeption siehe Bob Woodward, Plan of Attack, London u.a. 2004, 86-95. 123 Diese Darstellung entspricht natürlich dem gängigen Muster; gleichwohl ist die Häufigkeit, mit der Bush in seinen Äußerungen nach dem 11. September Begriffe wie »evil« und »evildoers« verwendete, auffällig. Siehe z.B. George W. Bush, »Remarks on the Arrival at the White House and Exchange With Reporters, September 16th, 2001«, in: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=63346; »Remarks to Department of Labor Employees, October 4th, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=63517; »The President’s News Conference, October 11th, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=73426 (alle 27.07.2007). 124 Vollends deutlich wurde dies in Bushs nächster State of the Union Address ein Jahr später, in der er »outlaw regimes that seek and possess nuclear, chemical, and biological weapons« unzweideutig zur »gravest danger facing America and the world« erklärte (»Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 28th, 2003«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=29645, 13.05.2007). 125 Frum/Perle, End to Evil, 231. David Frum war einer der Autoren der axis of evil-Rede, Richard Perle von 2001 bis 2003 Vorsitzender des Defense Policy Board Advisory Committee.
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welche Beweise dafür zu haben.126 Auch CIA-Chef George Tenet glaubte, dass man über kurz oder lang staatliche Unterstützung hinter 9/11 entdecken werde, und verdächtigte in erster Linie den Iran.127 Die Sichtweise, dass Terrorismus eine Form staatlicher Kriegsführung sei, hatte Amerikas Auseinandersetzung mit dem Phänomen seit 1980er Jahren entscheidend geprägt, stand allerdings mittlerweile in deutlichem Widerspruch zu den Erkenntnissen der meisten Experten, einschließlich derer des US-Außenministeriums, die seit Beginn der 1990er Jahre eine abnehmende Bedeutung staatlicher Unterstützung diagnostizierten und stattdessen den Trend zu jenen unabhängigen, losen Netzwerken betonten, die al-Qaida beispielhaft verkörperte. Gerade diese Schemenhaftigkeit des terroristischen Feindes war es ja aber auch, die das ›Schurkenstaaten‹-Konzept von jeher so attraktiv gemacht hatte. Wie Vizepräsident Dick Cheney am 12. September feststellte, ließen sich Staaten einfacher ausfindig machen als Bin Laden.128 In ihnen erhielt das Böse ein identifizierbares Gesicht und einen Ort, an dem es bekämpft werden konnte. Nicht zuletzt bot der Glaube, dass einige Staaten entscheidend für den Terrorismus verantwortlich seien, die einzige Perspektive für einen Sieg im war on terror. Hinzu kam, dass die Bush-Administration den Irak schon vor den Anschlägen im Visier gehabt hatte und entschlossen gewesen war, den Sturz Saddam Husseins herbeizuführen, den mehrere ihrer Mitglieder schon in den 1990er Jahren vehement gefordert hatten. Der 11. September bot in diesem Sinne eine »opportunity«, wie nicht nur Rumsfeld erkannte;129 und diese ließ man nicht ungenutzt vorüberziehen. Die in der axis of evil entworfene Bedrohung wurde nun zur Rechtfertigung für den Krieg gegen den Diktator des Irak, dem man nicht mehr nur die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen, sondern auch Verbindungen zu al-Qaida unterstellte.130 Am 20. März 2003 begannen die USA und Großbritannien mit einer ›Koalition der Willigen‹ einen Angriffskrieg gegen den Irak, der Husseins Herrschaft beendete. Massenvernichtungswaffen ließen sich im besetzten Irak anschließend allerdings ebenso wenig finden, wie man Beweise für die angebliche Verbindung zu Bin Ladens Terrornetzwerk beibringen konnte. »Die Bedrohungskontexte waren samt und sonders überDazu Clarke, Against All Enemies, 30 u. 231f. Woodward, Bush at War, 317. Woodward, Bush at War, 43. Zitiert nach Woodward, Plan of Attack, 25. Zu den treibenden Kräften gehörten vor allem noch Cheney und Wolfowitz, die während des Kuwaitkrieges unter Bushs Vater an der Spitze des Verteidigungsministeriums gestanden hatten. Insbesondere für Wolfowitz war Hussein seither offenbar zur »Obsession« geworden (Bernd W. Kubbig, »Wolfowitz’ Weltbild verstehen: Entwicklung und Profil eines ›demokratischen Realisten‹ vom Wohlstetter-Schüler zum Weltbank-Präsidenten«, in: Amerikastudien / American Studies 53:3 (2008), 375-97, hier: 380). Nicht vergessen sollte man wohl auch, dass der Präsident selbst davon überzeugt war, dass Hussein 1993 versucht hatte, seinen »dad« ermorden zu lassen (»Remarks at the Reception for Senatorial Candidate John Cornyn in Houston, Texas, September 26th, 2002«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73135, 27.07. 2007). 130 Siehe beispielhaft die Rede von Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat am 5. Januar 2003, abgedruckt in PGT: 2002, 157-60.
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zeichnet und in einem gigantischen Maße aufgebläht worden«, wie Jürgen Wilzewski zusammenfasst.131 Präsident Bush beharrte nichtsdestotrotz darauf, dass die USRegierung richtig gehandelt habe und Amerika nun sicherer sei.132 In seinen Memoiren verweist Bush in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Signalwirkung des Irakkrieges: »Hostile nations around the world saw the cost of supporting terror and pursuing WMD.«133 Ein ›Schurkenstaat‹, der diese Botschaft verstanden zu haben schien, war Libyen. Nachdem Gaddafi in den Jahren zuvor schon der Forderung nach Auslieferung der Lockerbie-Attentäter nachgekommen war, sich zu Entschädigungszahlungen an die Opfer bereitgefunden und zudem die Anschläge vom 11. September verurteilt hatte,134 erklärte er im Dezember 2003 seinen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen und legte das libysche Programm zu deren Herstellung offen. »With today’s announcement by its leader, Libya has begun the process of rejoining the community of nations«, stellte Bush zufrieden fest.135 Anlass zur Sorge lieferte dagegen weiterhin Nordkorea, das sein Atomprogramm 2002 wieder aufnahm und 2003 seinen erneuten Austritt aus dem Nichtverbreitungsvertrag erklärte. Die Bush-Administration beendete daraufhin das Rahmenabkommen und die bilateralen Gespräche.136 Auch in diesem Fall gab es in Washington eine ganze Reihe Stimmen, die forderten, einen Regimewechsel, gegebenenfalls auch mit militärischen Mitteln, herbeizuführen. Dieser Weg erschien der Regierung jedoch nicht gangbar, auch wenn Bush bekundete, Kim Jong Il, der seinen Vater 1994 beerbt hatte, persönlich zu verabscheuen.137 Trotz teilweise harscher Rhetorik hielt man – letzlich nicht anders als die Clinton-Administration zuvor – gegenüber dem rogue state, dessen Nuklearprogramm am weitesten fortgeschritten war und der 2005 schließlich erklärte, über Kernwaffen zu verfügen, an der Diplomatie als aussichtsreichstem Kurs fest.138
131 Jürgen Wilzewski, »Lessons to Be Learned: Die Bush-Doktrin, der Irakkrieg und die präventive Weltordnungspolitik der USA«, in: Amerikastudien / American Studies 53:3 (2008), 357-73, hier: 361. 132 George W. Bush, »Remarks on the Report on Iraq’s Weapons of Mass Destruction, October 7th, 2004«, in: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=72774 (05.09.2011). 133 George W. Bush, Decision Points, New York 2010, 270. 134 Siehe PGT: 1999, 35f; PGT: 2000, 34; PGT: 2001, 67. 135 George W. Bush, »Remarks on the Decision by Colonel Muammar Abu Minyar alQadhafi of Libya to Disclose and Dismantle Weapons of Mass Destruction Programs, December 19, 2003«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=64351 (05.09.2011). Zu diesem ›Resozialisierungsprozess‹ gehörte offenbar auch eine enge Zusammenarbeit mit der CIA, die Terrorverdächtige zur Befragung nach Libyen überstellte, wie nach dem Sturz Gaddafis gefundene Dokumente belegen; »CIA soll eng mit Gaddafi zusammengearbeitet haben«, in: Die Welt, http://www.welt.de/politik/ausland/article13581972/CIAsoll-eng-mit-Gaddafi-zusammengearbeitet-haben.html (26.08.2013). 136 McCormack, Target North Korea, 158, vermerkt, die USA hätten die Vereinbarungen zuerst gebrochen. 137 Siehe Woodward, Bush at War, 340. Vgl. auch Bush, Decision Points, 422. 138 Siehe hierzu ausführlich Katja Rüb, »Old Enemies – New Strategies? Die US-Politik gegenüber ›Schurkenstaaten‹ nach den Terroranschlägen des 11. September«, in: Kremp/
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Unterdessen machten andere Länder die Erfahrung, dass auch Kooperation mit den USA im war on terror sie nicht davor schützte, als ›Schurkenstaaten‹ dämonisiert zu werden. So wurde Syrien trotz seiner Hilfe bei der Bekämpfung al-Qaidas mehr und mehr als Teil der ›Achse des Bösen› gesehen. Dabei spielten nicht zuletzt die anhaltenden Probleme im besetzten Irak eine Rolle, für die man das Regime in Damaskus mitverantwortlich machte, das außerdem wegen seiner Nähe zu den antiisraelischen Gruppen und zum Iran auf der falschen Seite der Front zu stehen schien.139 Gegenüber Teheran vergab die US-Regierung sogar eine womöglich historische Chance auf Annäherung. Nach dem 11. September 2001 brachten nicht nur viele Iraner öffentlich ihr Mitgefühl für das sonst verteufelte Amerika zum Ausdruck, die Islamische Republik spielte anschließend auch eine wichtige Rolle beim Kampf gegen die Taliban, deren afghanische Gegner sie schon seit den 1990er Jahren unterstützte. Anstatt dafür mit einem Entgegenkommen Washingtons belohnt zu werden, fand sich die iranische Führung dann aber in der axis of evil wieder und avancierte nach dem Sturz Saddam Husseins zu deren neuem »poster child«.140 Dabei rückte neben dem Thema Terrorismus mehr und mehr das iranische Nuklearprogramm in den Vordergrund. Zwar musste die Bush-Administration schon wegen der Belastung durch Afghanistan und den Irak hier eine zurückhaltendere Strategie verfolgen als gegenüber Hussein, die Drohung eines Militärschlags beziehungsweise des Regimesturzes wurde dennoch – vor allem in Bushs zweiter Amtszeit – immer wieder geäußert.141 Tatsächlich war der Iran in mehrfacher Hinsicht prädestiniert, nach 9/11 ein zentrales Feindbild im ›Krieg gegen den Terrorismus‹ abzugeben: Seit der Geiselkrise galt er als Prototyp eines terroristischen Staates und zudem – anders als etwa Syrien – als Verursacher eines nationalen Traumas. Seine Dämonisierung war seit zwei Jahrzehnten fest etabliert und wurde von einem breiten Konsens getragen. Hinzu kam aber noch ein weiterer wichtiger Punkt, nämlich dass das Regime in Teheran als Exponent eines totalitären Islam gesehen wurde. Dadurch unterschied sich der Iran von den anderen rogue states und konnte so als einziger geradezu idealtypisch den Feind im war on terror verkörpern. Darauf werde ich im letzten Kapitel genauer eingehen. Zuvor gilt es aber, zentrale Aspekte des Feindbildes ›Schurkenstaaten‹ noch näher zu beleuchten. Wilzewski (Hg.), Weltmacht vor neuer Bedrohung, 95-124, hier: 109-15; Leikert, Zwischen Eindämmung und Diplomatie, 212-51. 139 Siehe hierzu ausführlich Rabil, Syria, 121-208. Beispielhaft ist die Einschätzung von Peter Brookes, einem Mitglied der konservativen Heritage Foundation, in seinem Buch A Devil’s Triangle: Terrorism, Weapons of Mass Destruction, and Rogue States, Lanham u.a. 2005, 216: »Even though Syria is not yet in the same disrepute as Iran, its leaders seem to be racing the mullahs to succeed Saddam Hussein’s Iraq as the Middle East’s most vile regime. Not yet a card-carrying member of the Axis of Evil, Syria is certainly knocking at the club door.« Im Zuge des seit 2011 tobenden Bürgerkriegs hat sich die negative Einschätzung des Assad-Regimes logischerweise noch erheblich verstärkt, auch wenn es durchaus Zweifel daran gibt, ob sein Sturz durch möglicherweise islamistische Kräfte im Sinne der USA wäre. 140 Zitat aus ebenda, 192. 141 Siehe hierzu Slavin, Bitter Friends, 193-208; Leikert, Zwischen Eindämmung und Diplomatie, 130-66; Rüb, »Old Enemies«, 102-8; Beeman, »Great Satan«, 86-9.
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2.2 »THIS LUNATIC IS NOT GONNA REASON«: DIE LOGIK DER PRÄEMPTION Grundlage für die Überlegungen zu einem Angriff auf den Iran war und ist das Prinzip der Präemption, mit dem auch die Invasion des Irak gerechtfertigt wurde, nachdem die Bush-Administration es 2002 zu einem notwendigen Eckpfeiler amerikanischer Sicherheitspolitik erklärt hatte: »Given the goals of rogue states and terrorists, the United States can no longer solely rely on a reactive posture as we have in the past. The inability to deter a potential attacker, the immediacy of today’s threats, and the magnitude of potential harm that could be caused by our adversaries’ choice of weapons, do not permit that option. We cannot let our enemies strike first. […] The United States has long maintained the option of preemptive actions to counter a sufficient threat to our national security. The greater the threat, the greater is the risk of inaction – and the more compelling the case for taking anticipatory action to defend ourselves, even if uncertainty remains as to the time and place of the enemy’s attack. To forestall or prevent such hostile acts 142 by our adversaries, the United States will, if necessary, act preemptively.«
Wie hier korrekt festgestellt wurde, war Präemption kein grundlegend neues Konzept, es war vielmehr, wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt wurde, schon in den 1980er Jahren heftig diskutiert worden, als zahlreiche Stimmen, nicht zuletzt die von Außenminister Shultz und CIA-Chef Casey, entschieden gefordert hatten, dass man sich bei der Bekämpfung des Terrorismus nicht auf Bestrafung und Vergeltung beschränken dürfe, sondern – gerade gegenüber den Unterstützerstaaten – ein offensiveres Vorgehen wählen müsse, um Anschläge zu verhindern.143 In diesem Sinne bezeichnete Reagan etwa die Bombardierung Libyens 1986 als »preemptive action«,144 und der republikanische Senator Paul Laxalt stellte im selben Jahr die rhetorische Frage: »If we learned that Libya or Iran had obtained, for example, a nuclear weapon, would we really be obliged to wait until that weapon was used?«145 Je mehr das von Laxalt beispielhaft entworfene Szenario eines mit Massenvernichtungswaffen ausgerüsteten ›Schurkenstaates‹ nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ins Zentrum der amerikanischen Bedrohungswahrnehmung rückte, desto stärker drängten sich präemptive Militäraktionen als Möglichkeit oder gar Notwendigkeit auf, um die Sicherheit der USA zu gewährleisten. Für die Regierung
142 National Security Strategy [2002], 15. 143 Siehe etwa Shultz, »Challenge«, 23; Rostow, »Overcoming Denial«,147; Burton M. Leiser, »Enemies of Mankind«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 155f, hier: 156; Casey, »International Linkages«, 14. 144 Ronald Reagan, »Address to the Nation on the United States Air Strikes Against Libya, April 14th, 1986«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=37131 (27.07.2007). 145 Paul Laxalt, »The Agenda for International Action«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 186-9, hier: 187.
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Clinton war Präemption ganz klar eine ernsthafte Option.146 So erschienen in den 1990er Jahren »wars of nonproliferation«, wie sie Michael Mandelbaum 1995 in einem Artikel in der Zeitschrift Foreign Affairs prognostizierte, immer realistischer.147 Illustriert wird dies etwa durch Wag the Dog (1997), eine brillante Satire auf den Politik- und Medienbetrieb, in der ein inszenierter Krieg die Presse von einem Sexskandal ablenken soll, der den Präsidenten die Wiederwahl kosten könnte.148 Den für dieses Possenspiel notwendigen Feind hat der spin doctor Conrad Brean (Robert De Niro) im Gespräch mit der Präsidentenberaterin Winifred Ames (Anne Heche) auch schnell zur Hand: Albanien. AMES: »Why?« BREAN: »Why not? What do you know about ‘em?« AMES: »Nothing.« BREAN: »Precisely. They seem shifty. […] I mean, who knows who’s from Albania? What do you know about Albanians? Who trusts Albanians?« AMES: »Yeah, but what did Albania ever do to us?« BREAN: »What did they ever do for us?«
Der Hollywood-Produzent Stanley Motss (Dustin Hoffman), der engagiert wird, um das Spektakel zu produzieren, denkt sich dann wenig später den konkreten Anlass aus, den man für die Öffentlichkeit benötigt, wobei ihm seine Berufserfahrung zugutekommt, wenn er sich ein überzeugendes Kriegsszenario wie das Gerüst einer Filmhandlung zusammenschustert: »They wanna destroy the godless Satan of the United… They wanna destroy our way of life, alright, okay, okay, okay… The President is in China. He is dealing with the dispatch of the B3-Bomber to Albania… Why? Why? […] We just found out they have the bomb! […] No, the bomb’s not there, because… uh… uh… they, they’d have to have a rocket and that shit, right. […] So, it’s a suitcase bomb. […] Albanian terrorists have placed a suitcase bomb in Canada in an attempt to infiltrate the bomb into the USA.«
Mit wenigen Sätzen skizziert Motss hier eine Geschichte, die Presse und Bevölkerung glaubhaft erscheinen muss, handelt es sich doch um das paradigmatische Bedrohungsszenario der Zeit nach dem Ost-West-Konflikt. Albanien wird kurzerhand in einen ›Schurkenstaat‹ verwandelt, indem man ihm die entsprechenden Charakte146 Siehe dazu Oliver Thränert, »Rüstungskontrolle und Alleingang: Die globale Nichtverbreitungspolitik der USA«, in: Rudolf/Wilzewski (Hg.), Weltmacht ohne Gegner, 269-96, hier: 294f. 147 Mandelbaum, »Lessons«, 35. 148 Der Film erregte vor allem deshalb einiges Aufsehen, weil er kurz nach seinem Erscheinen von der Realität eingeholt zu werden schien, als Bill Clinton wegen der LewinskyAffäre unter Druck geriet. Clinton ärgert sich noch in seinen Memoiren über den Vorwurf, dass die Marschflugkörperangriffe auf Ziele in Afghanistan und im Sudan, die er 1998 in Reaktion auf die Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania anordnete und die mit seiner Anhörung vor der Grand Jury zusammenfielen, »a reallife version of Wag the Dog« gewesen seien (My Life, New York 2005, 805).
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ristika zuschreibt. Dabei machen Motss’ Gedankengänge deutlich, dass die Bedeutung des Terrorismus für dieses Feindbild nicht zuletzt darin besteht, dass dadurch die unzweifelhafte technologische und militärische Unterlegenheit der Gegner der Vereinigten Staaten kompensiert werden kann, sodass die Bedrohung trotzdem glaubwürdig erscheint. Die Tatsache, dass ein ›Schurke‹, in diesem Fall das arme Albanien, keine Interkontinentalraketen besitzt, mit denen die USA direkt angegriffen werden könnten, bringt das Konstrukt nicht zum Einsturz, wenn man auf eine Kofferbombe in den Händen von Terroristen verweisen kann. Dass die so beschworene Gefahr nicht nur für den Präsidenten und nicht nur in der gegenwärtigen Situation nützlich ist, wird in einer späteren Szene vollends klar, als Brean und Ames von der CIA damit konfrontiert werden, dass es keinerlei Hinweise auf die angeblichen albanischen Aktivitäten gibt. Während Ames sich bereits im Gefängnis sieht, bringt Brean den zunächst selbstsicher und moralisch überlegen auftretenden Geheimdienstmann aus dem Konzept, indem er dessen Vorwürfe damit beantwortet, dass er ihn auf die weitreichenden Vorteile des Possenspiels aufmerksam macht: BREAN: »Why do people go to war? […]« CIA-MANN: »To ensure their way of life.« BREAN: »Would you go to war to do that?« CIA-MANN: »I have.« BREAN: »And if you went to war again, who would it be against? Huh? Your ability to fight a two-ocean-war against who? Who? Sweden and Togo? That time is past, it’s over. The war of the future is nuclear terrorism. It is and it will be against a small group of dissidents who unbeknownst perhaps to their own governments have blahblahblahblahblah. And to go to that war you have to be prepared, you’ve gotta be alert, the public has gotta be alert. […] If your spy satellites don’t see nothing, if there ain’t no war, then you can go home and prematurely take up golf, my friend. ‘Cause there ain’t no war but ours.«
Dieser Dialog unterstreicht Beobachtungen, die im zweiten Teil dieser Arbeit gemacht wurden, indem er das in den 1990er Jahren virulente Problem explizit macht, dass die USA eine Bedrohung benötigen: zum einen, um Militär und Geheimdiensten auch nach dem Ende des Kalten Krieges eine Aufgabe zu sichern und so das Fortbestehen des aufgeblähten Sicherheitsapparates zu rechtfertigen; zum anderen aber auch, um die nationale Identität zu wahren. Wenn der »way of life« durch Kriege gesichert wird, dann verweist dies auch darauf, dass die Vorzüge der eigenen Lebensweise immer dann besonders klar erscheinen, wenn diese verteidigt werden muss; dass man einen anderen benötigt, um sich seiner selbst gewiss zu sein. Da es nach dem Verschwinden der einzigen konkurrierenden Supermacht aber an einer glaubwürdigen konventionellen Bedrohung mangelt, wie Brean feststellt, bleibt nur die neuartige Gefahr durch Terroristen mit Massenvernichtungswaffen. Und wenn diese nicht real ist, muss sie eben erfunden werden, weil man nicht auf sie verzichten kann. Wag the Dog entlarvt auf diese Weise das Feindbild der ›Schurkenstaaten‹ und ihrer terroristischen Verbündeten als Konstruktion und kritisiert darüber hinaus eine Politik- und Medienwelt, in der internationale Konflikte wie ein Produkt der Unterhaltungsindustrie behandelt werden und letztlich nicht mehr von einem solchen zu unterscheiden sind. Das von Motss inszenierte Schauspiel folgt denselben dramatur-
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gischen Gesetzen wie einer seiner Filme und wartet mit allem auf, was das Publikum erwartet, inklusive patriotischen Liedern, kernigen Parolen, mitleiderregenden Bildern der Marke ›albanisches Mädchen mit Kätzchen auf dem Arm flieht aus seinem von Terroristen zerstörten Dorf‹ und natürlich einem Helden, denn: »You can’t have a war and don’t have a hero.« Öffentlichkeit und Presse können offenkundig keinen Unterschied zwischen dem von Motss entworfenen und irgendeinem anderen Krieg erkennen. Konsequenterweise wird die Fiktion schließlich von der (filmischen) Realität eingeholt, wenn ein Nachrichtensprecher am Ende von Wag the Dog verkündet, dass eine Gruppe namens Albania Unite sich zu einem just verübten Bombenanschlag in einem albanischen Dorf bekannt habe: »The President was unavailable for comment, but General William Scott of the Joint Chiefs of Staff says, he has no doubt we’ll be sending planes and troops back in to finish the job.« Der erfundene Krieg ist dabei, ein echter zu werden – quasi in Umkehrung der sonst üblichen Mechanismen, wie sie etwa beim Kuwaitkrieg und dessen medialer Verarbeitung wirksam waren, auf die die Satire immer wieder direkt und indirekt Bezug nimmt. Dabei steht zwar eher das Fernsehen im Vordergrund, mit der Figur des Produzenten Motss verweist Wag the Dog aber auch deutlich auf die Rolle Hollywoods bei der Verbreitung einschlägiger Bilder und Erzählmuster. Wenn jener triumphierend ausruft: »We just found out they have the bomb!«, ist das auch ein Echo all der anderen Filme, in denen die Bekämpfung der Proliferation von Massenvernichtungswaffen, insbesondere von Atomwaffen, als logischer Grund für Militäreinsätze präsentiert wird. Schon 1988 in Iron Eagle II, der mit seiner Zusammenarbeit von Sowjets und Amerikanern gegen einen nuklear bewaffneten Golfstaat den Wandel der Bedrohungsszenarien auf den Punkt brachte, hatte die Information »A nuclear warhead has just been tested in their desert« die Vorbereitungen für einen präemptiven Angriff eingeleitet. Fast ein Jahrzehnt später riskieren die amerikanischen Helden in The Peacemaker (1997) sogar einen Konflikt mit Russland, als sie dessen Hoheitsgebiet verletzen, um gestohlene Atomsprengköpfe abzufangen, bevor sie in den Iran transportiert werden können. Noch bemerkenswerter ist das Szenario am Ende von G.I. Jane (1997): Hier dringen Elitesoldaten der Navy SEALs und der Rangers in Libyen ein, um das waffenfähige Plutonium aus dem Antrieb eines dort abgestürzten amerikanischen Satelliten sicherzustellen. In diesem Fall liegt also nicht einmal ein aktives Streben des libyschen Regimes nach dem gefährlichen Material vor, was aber nicht weiter problematisiert wird. Stattdessen erscheint es als Selbstverständlichkeit, dass waffenfähiges Plutonium einem ›Schurkenstaat‹ wie Libyen nicht in die Hände fallen darf, egal auf welche Weise, und dass deshalb auch in dieser Situation ein militärisches Eingreifen gerechtfertigt ist. Konsequent werden die libyschen Soldaten, die genau betrachtet nichts anderes tun, als die Grenzen ihres Landes gegen eine Invasion zu verteidigen, als Feinde inszeniert, deren massenhafter Tod durch die Hände der tapferen Amerikaner eher Jubel als Mitleid beim Zuschauer hervorruft. G.I. Jane zeigt damit besonders eindrücklich, wie weit Präemption ausgelegt werden kann. Warum der Erwerb beziehungsweise die Herstellung von Massenvernichtungswaffen durch rogue states als ultimativer Kriegsgrund gilt, wird klar, wenn man Be-
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hind Enemy Lines: Axis of Evil (2006)149 betrachtet, in dem die USA sich durch eine nordkoreanische Interkontinentalrakete bedroht sehen und die Beratungen innerhalb der amerikanischen Regierung über das richtige Vorgehen viel Raum einnehmen. Schon der Vorspann des Films signalisiert dessen Anspruch auf große Realitätsnähe, wenn der Zuschauer zunächst in die Geschichte des amerikanisch-nordkoreanischen Konflikts eingeführt wird. Der Off-Kommentar, der die historischen Aufnahmen aus dem Koreakrieg begleitet, geht allerdings nicht auf dessen Hintergründe ein und präsentiert die Teilung Koreas als Ergebnis der – und nicht etwa als Grund für die – Auseinandersetzung. »The North«, erfährt man weiter, »becomes a surreal blend of Stalinism, Communism and cult-of-personality dictatorship known to the world as the Democratic People’s Republic of Korea.« Illustriert wird diese Charakterisierung durch eine schnelle Folge von Aufnahmen von Militärparaden, Monumenten, die vor allem der Verehrung der Kim-Familie dienen, Massenveranstaltungen und noch mehr Militärparaden. Es handelt sich hierbei um eine Auswahl aus dem von Gavon McCormack kritisierten Arsenal an Bildern, »chosen for endless repetition in our media […] [, which] reinforce the sense that [North Korea] is a place so bizarre as to be beyond the ken of the modern world«,150 eine Stereotypisierung, die sich allenfalls zum Teil durch die Abgeschlossenheit dieses Staates erklären lässt. Der totalitäre Charakter Nordkoreas wird so von Beginn an in den Vordergrund gestellt und erscheint durch die Kombination mit der ›gelben Gefahr‹, repräsentiert durch die asiatischen Menschenmassen, als besonders bedrohlich. Kein Zweifel, dass dieses Land Teil der im Filmtitel zitierten ›Achse des Bösen‹ sein muss, wie Bush behauptet hatte. Die Gefahr wird danach noch konkretisiert, indem die Krise des Jahres 1994 um das nordkoreanische Atomprogramm umrissen wird und der Off-Kommentar mit den Worten endet: »Few realize in June 1994, America was days if not hours away from war with North Korea.« Nach dieser unheilschwangeren Feststellung beginnt mit der Einblendung »Present Day« die eigentliche Handlung: Auf Satellitenbildern wird eine nordkoreanische Rakete entdeckt, und Präsident Manning (Peter Coyote) wird in einer Krisensitzung mit seinen wichtigsten zivilen und militärischen Beratern darüber informiert, dass es sich um eine Interkontinentalrakete handelt, die jedes Ziel in den Vereinigten Staaten erreichen könnte. »We’ve always assumed that North Korea would never deploy a long-range missile like this because of our certain and inevitable military response«, erklärt General Vance, der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, und weist damit gleich den Nordkoreanern die Verantwortung für alles nun Folgende zu, da deren Verhalten angesichts der scheinbaren Gewissheit um die Reaktion der USA im Grunde nur als bewusste Provokation verstanden werden kann. Dass die Stationierung einer solchen Waffe zum einen überraschend ist und zum andern nicht toleriert werden kann, legt auch Außenministerin Brilliard nahe, wenn sie ergänzt: »Sir, even test-firing a three-stage rocket is a ten-year leap forward in their strategic capabilities and it represents a direct and grave threat to our national security.« Entsprechend ver149 Obwohl der Titel eine Fortsetzung suggeriert, besteht keine unmittelbare Verbindung zu dem in Kap. II.2.2 analysierten Behind Enemy Lines (2001). 150 McCormack, Target North Korea, 3. Die Bilder von Militärparaden als Mittel der Charakterisierung können dabei auch als Rückgriff auf die Propagandafilmreihe Why We Fight (1942-1945) gesehen werden.
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leiht der Präsident mit einem knappen »We won’t let that happen« seiner Entschlossenheit Ausdruck, die Gefahr im Keim zu ersticken. Ausgesprochen schnell steht fest, dass dies, wie von Vance bereits vorweggenommen, nur mit militärischen Mitteln möglich ist. Der General stellt den Plan für einen ›chirurgischen‹ Luftangriff mit Bombern und Marschflugkörpern auf die Raketenbasis vor. Als Manning seine Außenministerin zur ihrer Meinung befragt, kann diese nur antworten: »If it was any other sovereign nation, Sir, I’d urge negotiations, but DPRK… there is just no viable diplomatic option.« Mit diesem einen Statement ist das Thema Verhandlungen vom Tisch. Einem kritischen Zuschauer könnte dies merkwürdig vorkommen, nachdem ihm erst kurz zuvor erläutert worden ist, dass 1994 eine ähnlich schwere Krise letztlich doch auf diplomatischem Wege gelöst wurde. Allerdings lässt das Tempo des Films für solche Überlegungen kaum Zeit, und die Mischung aus Entschiedenheit und Bedauern, mit der Brilliard spricht, ist dazu angetan, jegliche Zweifel beiseite zu wischen. Zudem knüpft sie an die Charakterisierung Nordkoreas im Vorspann an, wenn sie es als einen einzigartigen Fall darstellt, auf den die sonst üblichen Regeln der internationalen Beziehungen offenbar nicht anwendbar sind. Wenn aber schon die oberste Diplomatin des Landes keine Chance für eine friedliche Lösung sieht, dann steht damit außer Frage, dass es keine Alternative zu einer präemptiven Militäraktion gibt. Dementsprechend wird die Möglichkeit einer Verhandlungslösung im weiteren Verlauf von Axis of Evil nie mehr zur Sprache gebracht, stattdessen drehen sich die Debatten nur darum, auf welche Weise man militärisch gegen die nordkoreanische Bedrohung vorgehen soll. Denn mit dem von Vance vorgeschlagenen Luftangriff gibt es insofern ein Problem, als ein möglicherweise verheerender Vergeltungsschlag Nordkoreas gegen den Süden, vor allem dessen Hauptstadt Seoul, in diesem Fall durchaus wahrscheinlich scheint. MANNING: »We bomb them, they bomb their neighbors.« VANCE: »We have a contingency for that, Sir, should the North attempt that: Operation Swift Rage. We can neutralize 90 percent of North Korea’s response capabilities in the first 24 hours of hostilities.« MANNING: »And we’d be at war.« VANCE: »Sir, I believe we’ve been at war for at least six hours now.«
Auch wenn Vance im weiteren Verlauf des Films eine eher negative Rolle spielt, weil er allzu erpicht auf eine große militärische Auseinandersetzung ist und in einer Szene sogar von einem Untergebenen verlangt, günstigere Verlustprognosen zu erstellen, um den Präsidenten zu überzeugen, wofür die Entbindung von seinem Kommando am Ende als gerechte Strafe erscheint, so widerspricht doch niemand seiner Analyse in dieser Situation, in der das Denken der Präemption sich in Reinkultur offenbart: Nicht erst der Angriff mit einer Interkontinentalrakete auf die USA, sondern bereits deren Stationierung durch Nordkorea stellt einen kriegerischen Akt dar, der für die Vereinigten Staaten das Recht, ja die Pflicht mit sich bringt, sich zu verteidigen. Nichtsdestotrotz hat Manning, der, wie man in einer späteren Szene nebenbei erfährt, selbst im Vietnamkrieg gekämpft hat, Skrupel, einen umfassenden Krieg zu beginnen, und ist daher froh, als die Marine – gegen den Willen von Vance – noch ei-
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nen zweiten Plan vorschlägt: Eine Einheit der Navy SEALs soll in Nordkorea eindringen und die Raketenbasis zerstören. Ein solches Kommandounternehmen wäre für die restliche Welt nicht als Angriff erkennbar, sodass die Nordkoreaner eine andere Erklärung anbieten könnten und – so die Hoffnung – sich nicht gezwungen sehen würden, zurückzuschlagen. Der Präsident entscheidet sich für diese Variante, nachdem Brilliard und der Stabschef des Weißen Hauses, Dunleavy, ihm in einem Sechs-Augen-Gespräch dazu geraten haben. In diesem Gespräch beschreibt Dunleavy Kim Jong Il in einer Weise, die konsistent mit dem gängigen Bild des »weirdest leader in the world« ist, als den das Magazin Time ihn einmal bezeichnete.151 Er trage wegen seiner geringen Größe Schuhe mit hohen Absätzen und halte sich schwedische Prostituierte, zitiert der Stabschef aus dem Fundus aufsehenerregender Informationen über das geheimnisumwitterte Staatsoberhaupt und kommt zu dem Schluss: »This missile is pompous grandstanding by a very small man.« Kim Jong Il erscheint in diesem Kurzporträt einerseits als eher lächerliche Figur, vor der man sich nur bedingt fürchten muss, andererseits ist die Vorstellung eines Diktators, der Massenvernichtungswaffen benutzt, um seinen ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex zu kompensieren, durchaus beunruhigend. Anscheinend möchte Dunleavy dem Präsidenten nahelegen, nicht überzureagieren, auch wenn er nicht anzweifelt, dass eine militärische Antwort erfolgen muss. Brilliard wiederum verweist darauf, dass Nordkorea nach allen Erkenntnissen in absehbarer Zeit von selbst zusammenbrechen muss und es deshalb unnötig ist, das Ende des Regimes durch einen Krieg herbeizuführen. Manning gibt also den Befehl für den Einsatz der SEALs. Als dieser bereits im Gange ist, erhält er jedoch Informationen, die zu einer Neubewertung der Lage führen, denn neue Satellitenbilder bestätigen die Befürchtung, dass die Rakete mit einem Nuklearsprengkopf bewaffnet ist. Zudem ist zu erkennen, dass sie so betankt wird, dass sie jederzeit innerhalb von drei Minuten gestartet werden könnte. Vance erinnert daran, dass die USA keine Möglichkeit haben, die Rakete abzufangen, wenn sie sich erst einmal in der Luft befindet. Damit wird auch dem Zuschauer noch einmal bewusst gemacht, warum die Vereinigten Staaten – solange sie nicht über das vieldiskutierte NMD verfügen – ihre Sicherheit scheinbar nur durch Präemption garantieren können. Angesichts dieser Entwicklungen ordnet der Präsident an, die Mission der SEALs abzubrechen und den Luftangriff vorzubereiten. Dieser Befehl erreicht die Elitesoldaten, die bereits mit dem Absprung über Nordkorea begonnen haben, jedoch zu spät. Vier Mann des Kommandos, angeführt von Lieutenant Robert James, landen deshalb, wie der Titel des Films ja schon verspricht, hinter den feindlichen Linien. Mit ihnen betreten wir nun den Boden Nordkoreas, das mit Aufnahmen einer eindrucksvollen, aber unwirtlichen und nahezu menschenleeren Berglandschaft eingeführt wird, untermalt von getragenem Gesang in (vermutlich) koreanischer Sprache, der die bedrückende Atmosphäre noch verstärkt. Die Inszenierung erzeugt hier in bester Tradition der amerikanischen Mythologie einen deutlichen Kontrast zwischen der pulsierenden Urbanität Amerikas und Südkoreas als Zentren westlicher Zivilisation und der nordkoreanischen Wildnis, in die die US-Soldaten vorstoßen wie einst ins Indianerland. Verstärkt wird dies noch durch die Farbgebung, denn alle in Nord-
151 »Kim Jong Il«, in: Time 25.12.2000.
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korea spielenden Szenen zeichnen sich durch ein extrem bleiches Bild aus, das ein Gefühl von Fremdheit und Kälte erzeugt. Die so schon in der Optik angedeutete Armut Nordkoreas wird kurz darauf durch einen Jungen versinnbildlicht, der sich auf der Mäusejagd befindet – ein Verweis auf die in der Tat katastrophale Ernährungssituation in Nordkorea, wo in den zurückliegenden Jahrzehnten Millionen von Menschen verhungert sind.152 Die Amerikaner könnten in dieser Szene ihre Entdeckung verhindern, indem sie den Jungen, der sie gesehen hat, töten, bevor er jemand anderen auf sie aufmerksam machen kann. Dass sie darauf verzichten, unterstreicht ihre moralische Integrität und das Bemühen der USA, den Tod insbesondere von unschuldigen Zivilisten zu vermeiden, während sich der rücksichtslose Charakter des nordkoreanischen Regimes im brutalen Umgang seiner Soldaten mit der eigenen Bevölkerung widerspiegelt. In dem auf ihre Entdeckung folgenden Feuergefecht mit einer – an Zahl und Waffen natürlich deutlich überlegenen – feindlichen Einheit werden zwei der SEALs getötet; ein dritter, bei dem es sich, wie der Zuschauer weiß, um den frischgebackenen Vater einer kleinen Tochter handelt, wird schwer verwundet und gerät zusammen mit James in Gefangenschaft. Der Lieutenant wird von den Nordkoreanern sogleich einer primitiven und brutalen Folter unterworfen, bei der ein Nagel durch seine Hand in den darunter befindlichen Tisch getrieben wird. Wie in vielen captivity-Geschichten muss der christliche weiße Held also auch durch das Erleiden körperlicher Qualen durch die Hand der ›Wilden‹ seine Stärke beweisen. Die religiöse Konnotation ist dabei offensichtlich, empfängt James doch eines der Wundmale Christi. In seiner Opferrolle symbolisiert er in dieser Szene die Vereinigten Staaten als Ganzes, die durch die barbarischen Asiaten bedroht werden.153 Sein Leiden nimmt jenes Schicksal vorweg, das Amerika droht, wenn die Gefahr durch die nordkoreanische Rakete nicht gebannt werden sollte, und dient damit auch zur Rechtfertigung des militärischen Vorgehens. Die Folterung wird beendet, als ein nordkoreanischer Oberst auftaucht, der seine Untergebenen in harschem Ton zurechtweist und James’ Wunde versorgen lässt. In fließendem Englisch und freundlichem Tonfall beginnt er eine Unterhaltung mit dem Amerikaner und erklärt diesem, dass sie beide ein Problem haben. Kim Jong Il, so fährt er fort, wolle Korea unter seiner Führung vereinigen. Das werde niemals passieren, entgegnet James: »Yeah, well, your leader, he’s fucking crazy.« Bezeichnenderweise widerspricht der Nordkoreaner dieser Analyse nicht, sondern lacht nur und bemerkt: »In my country, we are killed for saying such things about our leaders.« Gleich danach stimmt der Oberst dem Amerikaner dann ausdrücklich zu, dass es dumm wäre, wenn Kim Jong Il – wie er befürchtet – den Einsatz der SEALs als An152 Genaue Zahlen sind aufgrund der Abgeschlossenheit Nordkoreas nicht verfügbar. McCormack spricht in seinem 2004 veröffentlichten Buch von ein bis zwei Millionen Hungertoten (Target North Korea, 12f). In Axis of Evil hält in einer späteren Szene der südkoreanische Botschafter Manning, der wegen der vielen Opfer in einem Krieg zögert, vor, dreieinhalb Millionen Nordkoreaner seien in den letzten drei Jahren verhungert: »What has your nation done to grieve these deaths?« Diese Zahl erscheint im Vergleich mit den seriösen Quellen allerdings zu hoch gegriffen. 153 Zur Bedeutung der Flashbacks zu den Lektionen seines Ausbilders in diesem Kontext siehe Kap. II.3.4.
Die Rolle der ›Schurkenstaaten‹ | 571
lass nehmen würde, einen Krieg zu beginnen, um seine Vereinigungspläne zu verwirklichen. Dieser Austausch verdeutlicht zunächst noch einmal den Gegensatz zwischen dem totalitären Nordkorea und den demokratischen USA. Darüber hinaus aber, und das ist noch wichtiger, beseitigt er jegliche noch bestehenden Zweifel an der Gefahr, die von dem ›Schurkenstaat‹ droht, wenn einer von Kim Jong Ils eigenen Militärs nicht nur dessen aggressive Absichten enthüllt, sondern zugleich feststellt, dass dieser die Gegebenheiten völlig falsch einschätzt: »I am afraid that our dear leader thinks that we are more powerful than we really are.« Damit werden die zuvor schon von den amerikanischen Politikern getroffenen Einschätzungen hinsichtlich Kim Jong Ils durch einen Insider mit unbezweifelbarer Autorität bestätigt oder eher noch ins Negative korrigiert. Der Verzicht darauf, es zunächst mit Diplomatie zu versuchen, erscheint spätestens jetzt als gerechtfertigt, denn welchen Sinn sollten Verhandlungen mit einem Diktator haben, der offensichtlich keinen ausreichenden Bezug zur Realität hat? Wer will bezweifeln, dass Kim Jong Il ein gefährlicher Irrer ist, wenn selbst seine eigenen Leute das nicht bestreiten? Um einen katastrophalen Krieg zu verhindern, will der Oberst die Amerikaner offenbar töten lassen, ohne dass der »dear leader« von ihrer Anwesenheit erfährt. Von der Gefangennahme ihrer Soldaten erfährt die Regierung in Washington durch den südkoreanischen Botschafter, der Manning damit konfrontiert, dass auch Seoul von der Rakete weiß, und heftig kritisiert, dass die USA Südkorea nicht über die Gefahr informiert haben und dass sie einen »act of war« gegen Nordkorea begangen haben, ohne sich um die Konsequenzen zu kümmern, wobei er auch auf die Reaktion Chinas, Japans und der restlichen Welt verweist.154 In der Tat ist es bemerkenswert, dass der Präsident und seine Berater diesen letzten Punkt nicht diskutiert haben. Der Film verfolgt dieses Versäumnis aber nicht weiter und erweckt dadurch auch im Folgenden den Eindruck, dass amerikanische Sicherheitsinteressen am besten im Alleingang durchgesetzt werden – oder allenfalls in Zusammenarbeit mit ausgewählten Verbündeten, wie hier Südkorea, das man nun nicht mehr übergehen kann. Die südkoreanische Regierung, so macht der Botschafter deutlich, argwöhnt, dass Mannings Administration in der Krise eine Gelegenheit sieht, den schon lange propagierten Regimewechsel in Pjöngjang gewaltsam durchzusetzen – was, wie der Zuschauer weiß, nicht den Tatsachen entspricht –, und sie ist besorgt um die Folgen, weil sie sich außer Stande sieht, die Millionen hungernder Nordkoreaner zu versorgen, die dann in den Süden strömen würden. Darüber hinaus fürchtet sie natürlich auch die hohen Verluste an Menschenleben, die ein Gegenangriff Nordkoreas auf ihr Land fordern würde. Den von den USA geplanten Luftangriff, der ja die Gefahr eines verheerenden nordkoreanischen Vergeltungsschlages birgt, lehnt Seoul deshalb ab. Stattdessen fordern die Südkoreaner, wenn Amerika auf einer Militäraktion besteht, einen umfassenden Angriff ihrer beider Streitkräfte, um die nordkoreanische Armee komplett auszuschalten, also einen Präventivkrieg. Wie seine eigenen Militärs dem Präsidenten versichern, ließe sich dies ohne Weiteres bewerkstelligen. Die amerika154 Diese Kritik wirkt insofern nicht ganz überzeugend, als die Südkoreaner schon wesentlich länger als die USA von der Rakete gewusst und den Verbündeten ihrerseits auch nicht informiert haben und sie ebenfalls eine Spezialeinheit in Nordkorea eingeschleust haben.
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nischen und südkoreanischen Verluste würden sich den Prognosen zufolge nur auf 1.000 bis 3.000 Tote belaufen. Auf nordkoreanischer Seite würden allerdings Hunderttausende sterben. Mit einem derart blutigen Szenario kann sich Manning nicht anfreunden. Er überzeugt den Verbündeten davon, zuvor wenigstens einem Kommandounternehmen der Spezialeinheiten beider Länder – die SEALs sind mittlerweile von den Südkoreanern befreit worden – noch eine Chance zu geben. Seinen Beratern vertraut er zudem an, dass er, auch wenn dieser Versuch fehlschlagen sollte, nicht den Großangriff, sondern das ›chirurgische‹ Bombardement befehlen werde. Der befürchtete Vergeltungsschlag werde ausbleiben: »They won’t do that. They know we need to take this site out.« Seine eigenen Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung sind jedoch offensichtlich, zumal als Brilliard entgegnet: »Unless they want us to attack so they can say we started this war.« Tatsächlich weiß der Zuschauer durch die Erläuterungen des nordkoreanischen Obersts, dass solche Bedenken mehr als gerechtfertigt sind und dass man nicht auf die Vernunft des Feindes setzen darf. Die Skrupel des Präsidenten und sein Zögern, einen unbegrenzten Krieg zu beginnen, sind dennoch kein Zeichen von Schwäche, kein Versagen seinerseits. Vielmehr zeigt sich darin noch einmal jene moralische Überlegenheit der USA, die die SEALs zuvor schon im Kleinen demonstriert haben, als sie den nordkoreanischen Jungen verschonten. Amerika, so wird hier vermittelt, ist eben keineswegs erpicht darauf, Krieg zu führen und seine Gegner zu vernichten. Nur gezwungenermaßen setzt es sich zur Wehr und ist sich dabei der Auswirkungen seiner Handlungen allzu bewusst – im Gegensatz zu einem Kim Jong Il. Unterstrichen wird dies dadurch, dass Manning nicht vor den möglichen eigenen Verlusten, sondern vor den nordkoreanischen zurückschreckt. So weit geht das Mitgefühl der USA, dass sie ihre militärische Überlegenheit nicht ausspielen, sondern nach einer Lösung suchen, die die Zahl der Toten gerade auch beim Gegner minimiert. Axis of Evil verwendet hier dieselbe Strategie wie Iron Eagle II: Indem viel erschreckendere alternative Szenarien ausgemalt werden, wird die begrenzte präemptive Militäraktion als geradezu humanitäre Maßnahme hingestellt, durch die scheinbar viel mehr Leben gerettet als ausgelöscht werden – und zwar gerade auch in dem Land, das angegriffen wird.155 Diese Logik begreift nicht zuletzt der nordkoreanische Oberst, der Lieutenant James und den Südkoreanern schließlich sogar hilft, als sie die Raketenbasis zerstören. »I know, if you do not succeed here, things will only get worse for my country«, erklärt er dem Amerikaner, nachdem er einen seiner eigenen Männer erschossen hat, und ergänzt: »Tell your president that we are not all ignorant peasants here in Korea!« Das Verhalten dieser Figur beweist, dass Manning richtig handelt, wenn er die nordkoreanische Bevölkerung schonen will. Schließlich muss zwischen dieser und dem schurkischen Regime unterschieden werden. Auf der anderen Seite wird der Oberst jedoch eindeutig als Ausnahme unter den Nordkoreanern dargestellt und entpuppt sich als einer jener amerikanisierten Helfer, die auch in anderen Filmen auftauchen: Er spricht nicht nur fließend Englisch – während die nicht untertitelten koreanischen Dialoge das Gefühl der Fremdheit für den Zuschauer verstärken –, sondern er zeigt sich auch begeistert von dem Film Taxi Driver (1976), den er fälschlich »Ta155 Nur so ergibt auch das dem Film vorangestellte Zitat von General Omar N. Bradley als Motto einen Sinn, weil Präemption als Verhinderung eines Krieges dargestellt wird.
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xi Rider« nennt. Nicht von ungefähr muss er sich gegen seine Landsleute stellen, um das Richtige zu tun. Wieder einmal wird so der Eindruck vermittelt, dass Vernunft, moralisches Handeln, ja ›Gutheit‹ untrennbar mit der Annahme der überlegenen westlichen Kultur verbunden sind. Deshalb entsteht auch kein Widerspruch zu den rassistischen Untertönen, die Axis of Evil durch die savage-war-Motivik aufweist. Nachdem die Bedrohung abgewendet und die überlebenden SEALs in die Heimat zurückgeholt worden sind, endet der Film mit einem erneuten Verweis auf seinen angeblichen Realismus: Ein Schriftzug informiert darüber, dass am 9. September 2004 eine »mushroom cloud« über Nordkorea gesichtet worden sei, dann läuft parallel zum Abspann ein Nachrichtenbeitrag zu diesem Ereignis, der zwar fiktiv ist, aber echtes Material, unter anderem Aufnahmen von George W. Bush, Colin Powell und Condoleezza Rice, enthält. Das Bemühen aller Seiten, einschließlich der US-Regierung, den Vorfall durch möglichst harmlose Erklärungen herunterzuspielen, wird als Indiz dafür präsentiert, dass in der Realität genau das stattgefunden haben könnte, was gerade im Film zu sehen war: eine präemptive Militäroperation in Nordkorea. Ob man dies nun glauben möchte oder nicht, Axis of Evil illustriert in jedem Fall beispielhaft, warum ›Schurkenstaaten‹ als so gefährlich gelten, dass man ihnen mit Präemption begegnen muss. Entscheidend ist, dass ihnen abgesprochen wird, rational zu agieren. Wie ich in Kapitel II.1.2 gezeigt habe, scheint die Welt nach dem Ende des Ost-West-Konflikts aus amerikanischer Sicht gefährlicher als zuvor zu sein, weil sie als chaotisch und voller schwer greifbarer, unberechenbarer Gefahren erlebt wird. Das Feindbild der ›Schurkenstaaten‹ passt genau in dieses Bild. Während die Sowjetunion rückblickend als »a generally status quo, risk-averse adversary« betrachtet wird,156 der durch Abschreckung im Zaum gehalten werden konnte, gelten rogue states als »undeterrable«.157 Tatsächlich gab es schon in den 1980er Jahren, als der Kampf gegen Terroristen und ihre staatlichen Unterstützer in den Fokus rückte, Mahner, die mit Bestimmtheit erklärten, dass man bei solchen Regimen auch mit dem scheinbar Undenkbaren rechnen müsse. »Anybody who thinks nuclear terrorism can’t become a reality hasn’t faced reality. […] Anybody who thinks an outlaw country wouldn’t help terrorists ›go nuclear‹ hasn’t been to Teheran or Tripoli«, behauptete etwa der demokratische Kongressabgeordnete Richard A. Gephardt in seinem Beitrag zu einer Konferenz über Nuklearterrorismus 1985.158 Auch David Mabry, ein im CounterterrorismusProgramm des Außenministeriums tätiger Colonel der Marines, hatte keine Zweifel, »that Libya or Iran wouldn’t hesitate at least to encourage acts of nuclear terrorism.«159 Genauso überzeugt zeigte sich der republikanische Senator Jeremiah Denton,
156 National Security Strategy [2002], 15. 157 »Protecting the Nation Through Ballistic Missile Defense. Prepared Remarks of Defense Secretary William J. Perry at George Washington University, Washington, April 25, 1996«, http://defenselink.mil/speeches/speech.aspx?speechid=956 (10.12.2007). 158 Gephardt, »New Nightmare«, 145. Hervorhebung im Original. 159 David Mabry [ohne Titel] in: Leventhal/Alexander (Hg.), Nuclear Terrorism, 33-5, hier: 33.
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»that a nuclear weapon in Khomeini’s hand would indeed be used to instill terror in the West – and probably much worse.«160 Die Begründung dafür, dass ›Schurken‹ sich bedenkenlos über alle Schranken, die für Staaten gelten sollten, hinwegsetzen, ist denkbar einfach: Sie sind Fanatiker oder – wie Kim Jong Il in Axis of Evil – schlicht »fucking crazy«. Das ist ein zentraler Topos dieses Feinbildes. Ob George Bush vor »madmen we simply cannot allow to get a finger on the nuclear trigger« warnte oder sein Sohn ein Jahrzehnt später den Angriffskrieg gegen den Irak damit rechtfertigte, dass man nicht auf Saddam Husseins »sanity and restraint« vertrauen könne,161 ob Ronald Reagan Gaddafi als »mad dog of the Middle East« schmähte162 oder der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey in einem Interview mit Fox News im Februar 2005 von den »crazy mullahs«163 im Iran sprach: Immer wieder wurde betont, dass die Mächtigen in den rogue states Wahnsinnige und deshalb extrem gefährlich seien. Genau dieses Bild zeichnet beispielsweise auch Freedom Strike (1998) von dem syrischen Oberst Rama. Nachdem dieser die Raketenbasis unter seine Kontrolle gebracht hat, drängt der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff seinen Präsidenten zu schnellem Handeln: GENERAL: »Mr. President, there is no doubt in my mind that no matter what we do, he’s gonna launch his nukes as soon as he’s capable. I don’t think we have any choice. We should launch a full strike immediately.« PRÄSIDENT: »I’m not going to start this war again because of a hunch, General.« GENERAL: »Sir, our best intelligence men, all CIA profiles, any and all sides all say the same thing: This lunatic is not gonna reason, he’s not gonna bargain, he’s gonna launch as soon as he’s capable.«
160 Jeremiah Denton, »International Terrorism – The Nuclear Dimension«, in: Leventhal/ Alexander (Hg.), Nuclear Terrorism, 150-7, hier: 153f. 161 George W. Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 28th, 2003«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=29645 (13.05. 2007). 162 Ronald Reagan, »The President’s News Conference, April 9th, 1986«, in: http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=37105 (27.07.2007). Reagan zeigte sich in der Öffentlichkeit auch mit einem T-Shirt mit dem Schriftzug »Khaddafy Duck – Mad Duck oft he Mideast«; vgl. »Chemical Reaction«, in: Time 16.01.1989. Dass er mit dieser Rhetorik nicht allein stand, beweist etwa der Kommentar des demokratischen Sprechers des Repräsentantenhauses, Tip O’Neill, zu dem Bombardement von Tripolis und Benghasi, »[that] we just can’t let this madman of terrorism keep threatening«; zitiert nach »Hitting the Source«, in: Time 28.04.1986. 163 Zitiert nach Beeman, »Great Satan«, 79. Nicht zufällig verweist Beemans Studie schon im Titel auf das Stereotyp der »Mad Mullahs«. Charakteristisch ist zum Beispiel auch, wie George W. Bush in seinen Memoiren seine Reaktion auf öffentliche Äußerungen des 2005 zum Präsidenten des Iran gewählten Mahmud Ahmadinedschad beschreibt (Decision Points, 416): »I started to worry we were dealing with more than just a dangerous leader. This guy could be nuts.«
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Die Bestätigung dieser Prognose liefert der Film nur wenig später, wenn Rama von einem seiner Untergebenen die Meldung erhält: »Launch preparations have begun. There is no turning back now.« Der Syrer ist tatsächlich entschlossen, einen Atomschlag zu führen, und nur mit Gewalt kann sein verrückter Plan im letzten Moment noch vereitelt werden. Die Logik der Präemption ist somit letztlich denkbar simpel: Gegen Gegner, mit denen man nicht verhandeln kann, weil sie nicht verlässlich und schlicht unzurechnungsfähig sind, die sich von Sanktionen nicht beeindrucken lassen und gegen die auch Abschreckung wirkungslos ist, weil sie – im Gegensatz zu den Sowjets in der ›guten alten Zeit‹ – nicht einmal über einen funktionierenden Selbsterhaltungstrieb verfügen, bleibt militärische Gewalt als einzige Option übrig. Betrachtet man freilich das Verhalten der ›Schurken‹ in der realen Welt, so lässt sich – so sehr man auch ihre Politik und vor allem die oftmals brutale Unterdrückung der eigenen Bevölkerung kritisieren mag – die Behauptung, sie würden irrational handeln und könnten nicht abgeschreckt werden, nicht aufrechterhalten. James H. Lebovic hat in einer Spezialstudie zu diesem Thema gezeigt, dass rogue states zwar nicht immer in ihrem besten Interesse handeln – welcher Staat kann das schon für sich beanspruchen? –, dass ihre Aktionen aber durchaus von nachvollziehbaren, logischen Überlegungen bestimmt werden und dass Sanktionen und insbesondere Abschreckung ihre Wirkung keineswegs verfehlen.164 Saddam Hussein etwa verzichtete im Kuwaitkrieg darauf, die chemischen und biologischen Kampfstoffe, über die er damals tatsächlich verfügte, einzusetzen – anders als noch wenige Jahre zuvor im Konflikt mit dem Iran. Offensichtlich war sich der irakische Diktator über die möglichen Konsequenzen im Klaren und überschritt diese Grenze deshalb nicht. Auch die Kims, die Nordkorea seit dessen Gründung in einer Art verkappter Erbmonarchie beherrschen,165 haben in diversen Krisen stets ein klares Bewusstsein dafür gezeigt, wie weit sie gehen und was sie erreichen können. Time bezeichnete Kim Jong Il entsprechend in einem Porträt zum Jahresende 2000 zwar als »surely the weirdest leader in the world«, bemerkte aber gleichwohl: »The fact that Kim can deal rationally belies decades of propaganda portraying him as a dissolute wacko with a penchant for pornography.«166 Nun ist das Element der Irrationalität für das Feindbild ›Schurkenstaaten‹ von entscheidender Bedeutung, denn erst dadurch werden diese ja zu einer ernstzunehmenden Bedrohung. Würde man akzeptieren, dass rogue states abgeschreckt werden können, so könnten diese angesichts der enormen militärischen Überlegenheit der Vereinigten Staaten, die zum Beispiel auch in Axis of Evil immer wieder betont wird, kaum noch als Gefahr betrachtet werden. Die Aufrechterhaltung eines Feindbildes er164 Lebovic, Deterring. Lebovics Untersuchungen bestätigen das allgemein, was auch diverse andere Forscher für bestimmte Staaten festgestellt haben, wobei gelegentlich behauptet wird, dass die jeweils anderen tatsächlich irrational seien; siehe als Beispiele Adams, Financing of Terror, 64f u. 70-9, und Lesser, »Countering the New Terrorism«, 129f. 165 2012 folgte dem verstorbenen Kim Jong Il sein Sohn Kim Jong Un als mächtigster Mann im Staat nach, so wie dieser zuvor seinen Vater Kim Il Sung beerbt hatte. 166 »Kim Jong Il«, in: Time 25.12.2000. Einschätzungen des Diktators durch Menschen, die ihn persönlich kannten, bestätigen durchweg, dass er kein Irrer war; siehe dazu McCormack, Target North Korea, 61f.
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fordert immer, dass im Widerspruch zu diesem stehende Informationen ausgeblendet oder umgedeutet werden, und so wird – trotz einzelner Gegenstimmen – eben auch mit Beweisen für das vernünftige Handeln von ›Schurkenstaaten‹ verfahren. Verzerrt wird die Realität ebenso im Hinblick auf das zweite Kernelement der Bedrohung durch die rogue states, nämlich die Gefahr, die von sogenannten Massenvernichtungswaffen ausgeht. Durch solche Waffen werden nach der gängigen Überzeugung, die sich die Figuren in Wag the Dog beispielhaft zunutze machen, auch an sich schwache Feinde Amerikas in die Lage versetzt, einen verheerenden Schlag gegen die Supermacht zu führen, indem sie sie entweder direkt gegen die USA einsetzen oder Terroristen zur Verfügung stellen. Die Furcht gilt dabei insbesondere auch biologischen und chemischen Kampfstoffen, über die wesentlich mehr Staaten verfügen als über Nuklearwaffen und bei denen glaubwürdiger erscheint, dass sie in die Hände von Terroristen gelangen könnten. Immer wieder werden gerade in Romanen und Filmen seit den 1990er Jahren Schreckensszenarien entworfen, deren Bedeutung kaum überschätzt werden kann, da sie mit ihren eindrucksvollen Schilderungen und Bildern die Vorstellung der Leser und Zuschauer nachhaltig prägen, gerade weil es an Möglichkeiten mangelt, diese Darstellungen mit der Realität zu vergleichen. Und diese Szenarien malen die Vernichtungskraft von Bio- und Chemiewaffen in den düstersten Farben aus, indem sie Epidemien mit Millionen von Todesopfern in Aussicht stellen oder Giftgasangriffe, die ganze Städte entvölkern. So wird beispielsweise in einer charakteristischen Szene in dem Actionthriller The Rock (1996) behauptet, dass eine einzige der 15 mit VX-Giftgas bestückten Raketen, mit denen General Hummel der US-Regierung droht, 60.000 bis 70.0000 Menschen töten würde. »One teaspoon of this hits the floor, it’s lethal up to a hundred feet. One teaspoon of this shit detonated in the atmosphere will kill any living organism in an eight-block radius«, erläutert ein Luftwaffengeneral den Ernst der Lage. Auf ganz ähnliche Weise veranschaulicht der Terrorismusexperte Grant in Executive Decision (1996) die Wirkung des Kampfstoffes DC-5 anhand eines kleinen Tropfens aus seinem Wasserglas: Schon diese geringe Menge »would be more than enough to kill every man in this room.« Beim Anblick der zahlreichen Behälter, die die Terroristen mit ihrer Bombe verbunden haben, bleibt ihm dann später nur die schockierte Feststellung: »You can forget Washington. There’s enough nerve agent here to wipe out half the eastern seabord.« Seine Vermutung, dass das entführte Flugzeug in Kombination mit dem Giftgas als »a poor man’s atomic bomb« eingesetzt werden soll, hat sich bestätigt, das mögliche Ausmaß der Katastrophe ist aber noch größer als befürchtet. Derartige Szenarien, die ihnen in fiktionaler aber auch nichtfiktionaler Form immer und immer wieder vorgeführt worden waren, hatten zweifelsohne viele Amerikaner im Hinterkopf, als George W. Bush ihnen im Oktober 2002 versicherte, dass Saddam Hussein biologische und chemische Waffen besitze, und darüber hinaus behauptete: »We’ve learned that Iraq has trained Al Qaida members in bombmaking and poisons and deadly gases. […] Iraq could decide on any given day to provide a biological or chemical weapon to a terrorist group or individual terrorists.«167 Angesichts jahrelang geschürter Furcht vor genau dieser Bedrohung, kann es nicht wirk167 George W. Bush, »Address to the Nation on Iraq From Cincinnati, Ohio, October 7, 2002«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73139 (18.10.2008).
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lich überraschen, dass große Teile der amerikanischen Bevölkerung sie bereitwillig als Argument für einen Krieg akzeptierten, zumal da die Regierung behauptete, über Beweise zu verfügen.168 Allerdings erwies sich nicht nur das als Täuschung; schon die Beschwörung eines Angriffs mit Bio- oder Chemiewaffen, der Zigtausende von Toten fordert, ist ebenso realitätsfern, wie sie furchteinflößend ist. Denn in der Praxis ist der effektive Einsatz solcher Kampfstoffe mit erheblichen logistischen und technischen Schwierigkeiten verbunden.169 Deutlich wird dies an den Unternehmungen der japanischen Sekte Aum Shinrikyo in den 1990er Jahren: Nach mehreren Versuchen, Anschläge mit biologischen Waffen zu verüben, die so erfolglos waren, dass sie zunächst nicht einmal bemerkt wurden, attackierte der Kult 1995 die U-Bahn von Tokyo mit Sarin-Gas. Bei diesem Angriff wurden tatsächlich mehr als 5.000 Menschen verletzt, es starben allerdings nur zwölf. Diese Zahl an Todesopfern ist auffallend gering, wenn man zum einen betrachtet, wie viele Menschen von der Attacke betroffen waren, und zum anderen Vergleiche mit solchen Anschlägen anstellt, bei denen konventionelle Mittel wie Sprengstoffe und Schusswaffen zum Einsatz kamen, etwa in Oklahoma City 1995, in Madrid 2004 oder in Oslo und auf Utøya 2011. Der siebzehnjährige Schüler, der 2009 in Winnenden Amok lief, tötete mit einer simplen Handfeuerwaffe mehr Menschen als Aum Shinrikyo mit einer sogenannten Massenvernichtungswaffe.170 Dass die Sekte bei ihren diversen Versuchen, mit Bakterien, Viren und Giftgas viele Menschen zu ermorden, nicht erfolgreicher war, obwohl sie über eindrucksvolle Finanzmittel verfügte und zudem einige hervorragend ausgebildete Wissenschaftler in ihren Reihen hatte, unterstreicht, wie schwierig ein solches Unterfangen ist. Anders als Filme wie The Rock und Executive Decision suggerieren, genügt es nicht, ein Behältnis mit einer kleinen Menge von Giftgas zu zertrümmern, damit dieses, gleich einem aus der Flasche befreiten bösen Geist, jeden in der näheren Umgebung auf grausame Weise tötet. Im Freien, wo die Elemente der Natur, allen voran Wind, die Wirkung erheblich beeinträchtigen, muss man selbst die wirksamsten Gase tonnenweise einsetzen, wenn man eine große Zahl von Menschen töten will. Der Anschlag von Tokyo und die Reaktionen darauf illustrieren, dass die psychologische Wirkung von Chemiewaffen erheblich größer ist als ihre letale, was sie zwar prinzipiell zu geeigneten Instrumenten des Terrors macht, mit denen man Menschen in Angst und Schrecken versetzen kann, aber kaum ihre Kategorisierung als Massenvernichtungswaffen rechtfertigt. Biologische Kampfstoffe könnten deutlich effektiver sein, sind aber in der Handhabung noch komplexer. So sollte man beachten, dass auch die Anthrax-Attacken, die kurz nach dem 11. September 2001 für Panik in den USA sorgten, nur wenige Todesopfer forderten.171
168 Charakteristisch ist auch die Fixierung der internationalen Öffentlichkeit auf Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg. 169 Hierzu und zum Folgenden siehe Walter Laqueur, The New Terrorism: Fanaticism and the Arms of Mass Destruction, New York/Oxford 1999, 60f u. 69f; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Biological Terrorism«, »Chemical Terrorism« u. »Aum Shinrikyǀ«. 170 Die vom IS oder in dessen Namen verübten Attacken der letzten Jahre illustrieren diesen Punkt ebenfalls. 171 Dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Anthrax«.
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In einem bemerkenswerten Artikel in Foreign Affairs haben John Mueller und Karl Mueller darauf aufmerksam gemacht, dass die Übertreibung der Bedrohung durch WMD einhergeht mit der weitgehenden Missachtung der Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen.172 Die beiden Wissenschaftler zerstören die Illusion, dass Sanktionen ein – im Gegensatz zu militärischer Gewalt – unblutiges Mittel sind, um andere Staaten unter Druck zu setzen, wenn sie feststellen: »[T]his device […] is deployed frequently, by large states rather than small ones, and may have contributed to more deaths during the post-Cold War era than all weapons of mass destruction throughout history.«173 Insbesondere das nach dem Kuwaitkrieg gegen den Irak errichtete Sanktionsregime hat zum Tod Hunderttausender Iraker, darunter vor allem Kinder, geführt oder beigetragen.174 Auf diesen Blutzoll angesprochen, rechtfertigte Madeleine Albright, damals noch UN-Botschafterin der Clinton-Administration, ihn mit der Eindämmung Saddam Husseins: »[W]e think the price is worth it.«175 Hier offenbart sich eine deutliche Diskrepanz zwischen dem in Filmen wie Iron Eagle II oder Axis of Evil ausgedrückten Selbstbild einer Nation, die allzu hohe Verluste auch beim Gegner zu vermeiden sucht, und dem tatsächlichen Handeln der USA, das von einem Feindbilddenken bestimmt wird, welches einen Mangel an Empathie für die irakischen Opfer bedingt. Typisch für das Denken in Freund- und Feindbildern sind auch die Doppelstandards, die der amerikanischen Proliferationspolitik zugrundeliegen. Denn die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wird keineswegs in jedem Fall entschieden bekämpft. Vielmehr haben die USA die nukleare Aufrüstung Israels ebenso geduldet wie die Pakistans, das sich im Kampf gegen die Sowjets in Afghanistan als wertvoller Verbündeter präsentierte und dafür belohnt wurde.176 Auch Pakistans Nachbar-
172 John Mueller/Karl Mueller, »Sanctions of Mass Destruction«, in: Foreign Affairs 78:3 (1999), 43-53. 173 Ebenda, 43. 174 Dazu ebenda, 49f; außerdem Hans Graf von Sponeck, »Die Ordnung im Irak nach Sanktionen, Diktatur und Krieg«, in: Schurkenstaat und Staatsterrorismus: Die Konturen einer militärischen Globalisierung (Dialog, Beiträge zur Friedensforschung, Bd. 44), hg. vom Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung, Münster 2004, 1128. Dem von Apologeten der Sanktionen vorgebrachten Argument, Saddam Hussein sei für diese und ihre Folgen verantwortlich (vgl. z.B. Frum/Perle, End to Evil, 20-2), halten Mueller/Mueller, »Sanctions«, 51, entgegen, dass den »sanctioners« klar war, dass der irakische Diktator ihre Forderungen kaum erfüllen würde, weil dies die Aufgabe der Macht und damit Gefahr für sein Leben bedeutet hätte: »In the end, therefore, the effects of the sanctions on the Iraqi people – Saddam’s hostages – are both his fault and a predictable consequence of the sanctions policy.« 175 Zitiert nach Blum, Rogue State, 7. 176 Dazu Gerard C. Smith/Helena Cobban, »A Blind Eye to Nuclear Proliferation«, in: Foreign Affairs 68:3 (1989), 53-70. Gerade im Fall von Pakistan bereuen heute wohl viele US-Politiker ihre permissive Haltung, nachdem in den letzten Jahren bekannt wurde, dass der ›Vater der pakistanischen Atombombe‹, Abdul Q. Khan, Nukleartechnologie – angeblich ohne Wissen offizieller Stellen – an andere, auch als ›Schurken‹ klassifizierte Staaten weitergegeben hat, und da zudem die Sorge um die Sicherheit der pakistanischen
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land und Erzfeind Indien hat Atomwaffen gebaut, ohne deswegen von den Vereinigten Staaten als Bedrohung hingestellt zu werden. Natürlich verweisen andere Länder gerne auf diese Fälle, wenn sie selbst wegen des – zum Teil nur unterstellten – Strebens nach Massenvernichtungswaffen verdammt werden. So bemerkte der frühere syrische Präsident Hafiz al-Assad mit Blick auf Israel, »[that] whoever has nuclear weapons has no right to criticize others for whatever weapons they may have«177 – eine Aussage von kaum zu widerlegender Logik, die sich im Übrigen auch direkt auf die USA anwenden lässt. Denn immerhin verfügt Amerika selbst über ein nach wie vor gewaltiges Arsenal an Nuklearwaffen, das seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes zwar reduziert, aber auch modernisiert wurde. Immer wieder setzten die Vereinigten Staaten Signale gegen Abrüstung und Nichtverbreitung, beispielsweise als der Senat 1999 die Ratifizierung des Comprehensive Nuclear Test Ban Treaty verweigerte. Ein schlechtes Vorbild gaben sie auch im Hinblick auf Übereinkommen zur Kontrolle von B- und CWaffen ab, die abgeschwächt, mangelhaft umgesetzt und zum Teil offen ad absurdum geführt wurden. So verabschiedete der Kongress zur Chemical Weapons Convention ein Gesetz, dass es dem Präsidenten erlaubt, Inspektionen jederzeit zu untersagen, wenn er dadurch die nationale Sicherheit bedroht sieht. Die USA entzogen sich also selbst jenen Kontrollen, denen sie andere Staaten unbedingt unterwerfen wollten.178 Wie unterschiedlich das eigene Handeln im Vergleich zu dem der Feinde beurteilt wird, illustriert auch die folgende bemerkenswerte Passage aus einer Studie des US Strategic Command aus den Jahr 1995 mit dem Titel »Essentials of Post-Cold War Deterrence«: »Because of the value that comes from the ambiguity of what the US may do to an adversary if the acts we seek to deter are carried out, it hurts to portray ourselves as too fully rational and coolheaded. The fact that some elements may appear to be potentially ›out of control‹ can be beneficial to creating and reinforcing fears and doubts within the minds of an adversary’s decision makers. This essential sense of fear is the working force of deterrence. That the US may become irrational and vindictive if its vital interests are attacked should be part of the national 179 persona we project to all adversaries.«
Während ›Schurkenstaaten‹ gerade deshalb als so gefährlich betrachtet werden, dass man auch präemptiv gegen sie vorgehen muss, weil sie wegen ihres Mangels an Vernunft als nicht abschreckbar gelten, wird der Anschein von Irrationalität also gleichzeitig zum probaten, ja notwendigen Mittel einer eigenen glaubwürdigen Abschreckung erklärt. Solche Widersprüche sind zurückzuführen auf die entscheidende Grundannahme des Feindbilddenkens: Der Feind will uns vernichten, wir verteidigen uns nur. In diesem Sinne erklärte beispielsweise auch George W. Bush, »[that] the reason we have a nuclear arsenal that I hope is modern, upgraded, and can work, is to Nuklearwaffen vor dem Zugriff von Islamisten stark zugenommen hat. Zu Khans Netzwerk siehe Lebovic, Deterring, 61-4. 177 Zitiert nach Rabil, Syria, 119. 178 Siehe hierzu ausführlich Thränert, »Rüstungskontrolle und Alleingang«. 179 Zitiert nach Blum, Rogue State, 26f.
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deter any attack on America. The reason one has a nuclear arsenal is to serve as a deterrence.«180 So allgemeingültig diese Feststellung klingt, so wenig wird sie auf die ›Schurkenstaaten‹ übertragen, die Bushs ›man‹ offensichtlich nicht einschloss. Denn eine Abschreckung benötigt nur, wer bedroht wird, und genau dies wird den rogue states abgesprochen, die ja vielmehr selbst die Bedrohung sein sollen, vor der die USA sich und die Welt schützen müssen. Tatsächlich fühlen sich Länder wie Nordkorea und der Iran aber – aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – bedroht.181 Die Ankündigung präemptiver Militäraktionen seitens Amerikas ist daher auch nicht geeignet, diese Staaten davon abzubringen, Massenvernichtungswaffen herzustellen, vielmehr muss sie diese erst recht erstrebenswert erscheinen lassen, zumal angesichts der Überlegenheit der amerikanischen Streitkräfte. Dies gilt umso mehr nach dem Irakkrieg, der der Welt vor Augen geführt hat, dass der Verzicht auf WMD keine Sicherheit vor einem Angriff der Vereinigten Staaten bietet. Diese scheint, wenn man gleichzeitig nach Nordkorea sieht, eher ein glaubwürdiges Abschreckungspotential zu gewährleisten. Das säbelrasselnde Auftreten gegenüber den ›Schurkenstaaten‹ befördert also – letztlich wenig überraschend – genau jenes Verhalten, das dadurch eigentlich unterbunden werden sollte. Darüber hinaus ist es auch insofern kontraproduktiv, als die Feindseligkeit der USA von den Regimen in den jeweiligen Staaten instrumentalisiert werden kann, um ihre Herrschaft und ihre Politik gegenüber der eigenen Bevölkerung zu legitimieren – also ihrerseits die Vorzüge eines Feindbildes Amerika zu nutzen.182 Die Logik der Präemption basiert also auf einem in mehrfacher Hinsicht verzerrten Bild, das nicht zuletzt durch Filme geprägt und aufrechterhalten wird, die die Feinde Amerikas als Wahnsinnige porträtieren und die Furcht vor Massenvernichtungswaffen schüren. Genau solche Filme parodiert Team America: World Police (2004). Trey Parker und Matt Stone, die Macher der populären animierten Fernsehserie South Park (seit 1997), imitieren hier perfekt den Inszenierungsstil und die Handlungskonventionen von Actionthrillern wie denen des Erfolgsproduzenten Jerry Bruckheimer, die in diesem Fall mit Marionetten durchexerziert und dadurch ironisch gebrochen werden. Erzählt wird die Geschichte des im Titel genannten »Team America«, einer Gruppe tapferer amerikanischer Männer und Frauen, die von einer Basis im Mount Rushmore aus mit reichlich gewalttätigen Einsätzen das Böse in der Welt bekämpfen. Ob sie dabei im Auftrag der Regierung handeln, wird im Film nie geklärt, aber es ist mehr als offensichtlich, dass sie für die Vereinigten Staaten und deren Politik stehen. Mithilfe des Schauspielers Gary Johnston, der rekrutiert wird, um sich als Terrorist auszugeben und so Details über einen bevorstehenden Anschlag in Erfahrung zu bringen, vereitelt das Team die Pläne Kim Jong Ils, der Terroristen rund um den Globus mit Massenvernichtungswaffen ausgerüstet hat, um in einem 180 George W. Bush, »The President’s News Conference, March 13, 2002«, in: http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=65091 (29.08.2012). 181 Dazu McCormack, Target North Korea, 5f u. 150-3; Reuel Marc Gerecht, »Iran: Fundamentalism and Reform«, in: Kagan/Kristol (Hg.), Present Dangers, 111-44, hier: 138. 182 Vgl. Beeman, »Great Satan«; Slavin, Bitter Friends, 173; McCormack, Target North Korea, 13; Derrick Bradford Wetherell/Michael J. McIsaac, »Bush versus Castro: America’s Fight Against the Banana Dictatorship, 1989-1993«, in: Bose/Perotti (Hg.), From Cold War to New World Order, 243-55.
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einzigen verheerenden Angriff die gesamte Welt ins Chaos zu stürzen. Im Laufe dieser Handlung wird Klischee an Klischee gereiht und als solches entlarvt, seien es die unterschiedlichen Fähigkeiten der Teammitglieder, das Trauma aus der Vergangenheit, dem sich der Held stellen muss, oder der unvermeidliche Countdown zur Vernichtung, der buchstäblich im allerletzten Moment gestoppt werden kann. Deutlich gemacht und verspottet werden auf diese Weise gerade auch die Muster, denen die Inszenierung der Bedrohung folgt. So steigt beispielsweise mit jeder neuen Prognose die Zahl der durch einen Anschlag zu erwartenden Opfer, die obendrein stets ein Vielfaches von »nine-eleven« ist, wobei sich die Figuren auf die Zahl und nicht – wie der Zuschauer im ersten Moment automatisch annimmt – auf das zum Symbol gewordene Datum beziehen. Team America karikiert damit jene Gesetzmäßigkeiten, die besagen, dass jede neue Gefahr noch ernster sein muss als die vorangegangene, sowie die Warnungen vor Angriffen, die die vom 11. September 2001 übertreffen könnten, eben durch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Diese werden im Film nie genauer identifiziert und lediglich durch einfache Koffer dargestellt, wodurch ihr topischer Charakter hervorgehoben wird. Darüber hinaus legt Team America die stereotype Zeichnung der ›Anderen‹ offen, indem es auch diese nachahmt und auf die Spitze treibt. Schon die allererste Szene gibt in dieser Hinsicht den Ton vor: Zunächst wird mit wenigen Bildern das überzogene Idyll einer Pariser Straßenszene entworfen, bevor ein Eis essender, »Frère Jacques« singender Junge im Matrosenanzug unversehens gegen einen bärtigen Araber in »robes« und Turban stößt, der ihn aus stechenden Augen von oben herab böse mustert, während auf der Tonspur gleichzeitig unheilverkündende, orientalisch anmutende Musik erklingt. Nur Augenblicke später entpuppen sich der Mann und seine drei nicht weniger auffällig aussehenden Begleiter als Terroristen mit einer Massenvernichtungswaffe. So parodiert der Film schon in seinen ersten Momenten ein für Hollywood typisches Weltbild, in dem das Fremde nur als romantisiertes, exotisches Postkartenmotiv oder aber als Verkörperung des barbarischen Bösen existiert. Dass die amerikanische Sicht auf die Welt allzu egozentrisch ist, unterstreichen auch die Texteinblendungen, die den Zuschauer nicht nur wie in anderen Filmen darüber informieren, welchen Ort er gerade sieht, sondern auch, wie viele Meilen dieser von Amerika – oder im Falle des Panamakanals vom ›richtigen‹ Amerika – entfernt ist. Wie sehr im Rahmen dieser Wahrnehmung gerade bei der Darstellung des ›Bösen‹ die Fremdheit in rassistischer Weise überbetont werden muss, verdeutlicht insbesondere die Szene, in der Gary, um die Terroristen in Kairo infiltrieren zu können, durch plastische Chirurgie in einen ›glaubwürdigen‹ Schurken aus dem Mittleren Osten mit dunklem Teint, buschigen Augenbrauen und wildem Bartwuchs verwandelt wird. So sehen eben – wie schon die Eröffnungsszene gezeigt hat – arabische Terroristen aus, die außerdem ein Kauderwelsch sprechen, von dem nur die ständig wiederholten Wörter »Mohammed« und »Dschihad« verständlich sind. Auch die Sprache Kim Jong Ils parodiert rassistische Überzeichnungen, denn in Umkehrung eines alten Klischees, mit dem Asiaten lächerlich gemacht werden, spricht der nordkoreanische Diktator in Team America statt des Buchstaben L grundsätzlich ein R. Insgesamt erinnert er an die Bösewichte in den selten um Realismus bemühten James-Bond-Filmen, wenn er wahnwitzige Pläne für den Weltuntergang schmiedet, Untergebene aus nichtigen Anlässen erschießt und unliebsame Besucher
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auch schon mal per Falltür in ein Haifischbecken befördert. Auf die simplifizierenden psychologischen Deutungen seiner Person verweist eine Szene, in der er nachts allein durch seinen Palast wandert und »I’m so ronery« singend über die Dummheit einer Welt lamentiert, die seine Größe nicht zur Kenntnis nimmt. Am bemerkenswertesten ist jedoch der Schluss: Als Kim am Ende des Films auf der Pickelhaube des deutschen Staatsoberhauptes – ein weiteres Beispiel für die Karikatur von Stereotypen – aufgespießt wird, kriecht eine Schabe aus seinem Mund, die Drohungen ausstoßend in ein kleines Raumschiff krabbelt und mit diesem ins All startet. Team America entlarvt hier die Dämonisierung des Feindes, indem es diese bis in Absurde steigert: Das Böse ist vollends entmenschlicht, es entpuppt sich als Außerirdischer, als ekelerregendes, parasitäres Ungeziefer obendrein, wie es etwa auch in den Menin-Black-Filmen die Erde bedroht.183 Team America macht sich aber nicht nur über jene Bilder, die den war on terror prägen, und über deren Produzenten lustig, sondern auch über die Kritiker einer auf militärische Gewalt setzenden US-Politik. Diese werden in Gestalt diverser Hollywoodstars aufs Korn genommen, die sich zum Teil in der Realität lautstark gegen den Irakkrieg und andere Maßnahmen der Bush-Administration ausgesprochen hatten. Hier sind sie unter Führung von Alec Baldwin in der fiktiven »Film Actors Guild« zusammengeschlossen, deren Akronym »F.A.G.« (als ein Wort gesprochen) dem Zuschauer schon verrät, wie ihre Mitglieder einzuschätzen sind, die sich der festen Überzeugung zeigen, dass an ihrem pazifistischen und umweltbewussten Wesen die Welt genesen soll. Die Macher von Team America verspotten sie als eitle Selbstdarsteller, die über Dinge sprechen, von denen sie keine Ahnung haben, wenn Jeneane Garofalo etwa die Worte in den Mund gelegt werden: »As actors it is our responsibility to read the newspapers and then say what we read on television like it’s our own opinion.« Matt Damon wird gar als so schwachsinnig porträtiert, dass er nur seinen eigenen Namen sagen kann, und auch Tim Robbins verheddert sich in sinnlosem Geschwafel, als er vor Fernsehkameras erklärt, dass Team America von »corporations« finanziert werde, die »all corporationy« seien und Geld verdienten. Noch eindrücklicher ist es jedoch, wenn Sean Penn, der in der realen Welt im Dezember 2002 den Irak besuchte, nun im Film berichtet: »Last year, I went to Iraq. Before Team America showed up, it was a happy place. They had flowery meadows and rainbow skies and… and rivers made of chocolate, where the children danced and laughed and played with gumdrop smiles.« In solchen Aussagen erscheint die Kritik am Irakkrieg beziehungsweise dem militärischen Vorgehen der USA überhaupt als mindestens ebenso realitätsverzerrend wie die Dämonisierung von Terroristen und ›Schurkenstaaten‹. Einige Rezensenten warfen Parker und Stone deshalb vor, einfach jeden zu beleidigen, der eine politische Meinung habe, ohne eine eigene Position zu beziehen.184 183 Einen etwas subtileren Verweis in diese Richtung gibt es schon zuvor, als Gary in Kairo die Taverne betritt, in der sich die Terroristen aufhalten. Hier spielt eine Band das Lied, das in Star Wars (1977) die berühmte Szene untermalt, in der der Zuschauer die Helden in eine Kneipe begleitet, die von zahlreichen bizarren außerirdischen Kreaturen bevölkert wird. 184 »Team America: World Police« auf http://www.rogerebert.com/reviews/team-americaworld-police-2004 (14.06.2007); »Team America: World Police«, in: CT 14.10.2004
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Diese Betrachtungsweise geht jedoch am Kern des Films vorbei, der – wie in anderen Besprechungen korrekt bemerkt wurde – letztlich doch Gewalt im Namen von Freiheit und Sicherheit der Nation rechtfertigt.185 Denn die Attacken auf Befürworter und Gegner dieser Politik sind keineswegs von gleichwertiger Schärfe. Vielmehr richten sie sich im Verlauf des Films immer entschiedener gegen die Kritiker des war on terror, die sich in ihrer Idiotie von Kim Jong Il benutzen lassen: Um von seinen wahren Plänen abzulenken, initiiert der Diktator eine große Friedenskonferenz und sichert sich dafür die Unterstützung der sendungsbewussten Schauspieler, die schließlich sogar zur Waffe greifen, um Team America an der vermeintlichen Sabotage des Weltfriedens zu hindern. So kommt es in Kims Palast zum Showdown, bei dem die Hollywoodstars einer nach dem anderen auf äußerst brutale Weise getötet werden. Der Film zelebriert genüsslich diese Szenen, in denen die Mitglieder von F.A.G. enthauptet, zerfetzt oder verbrannt werden. Die offensichtliche Lust am Gemetzel unter den Größen der Unterhaltungsbranche mag sich zum Teil durch die erklärte Abneigung Parkers und Stones gegenüber »celebrities« erklären,186 aber sie beinhaltet zwangsläufig auch eine Wertung der Positionen, für die die jeweiligen Figuren stehen. Eindeutig gehören die Sympathien von Team America seinen Titelhelden, die zwar als nicht besonders helle und etwas übermotiviert, aber auch als aufrichtig und liebenswert gezeigt werden. Der Film vermeidet es trotz des Spotts über ihre etwas simple Weltsicht, sie in ein wirklich schlechtes Licht zu rücken. Charakteristisch sind in dieser Hinsicht die Einsätze in Paris und Kairo: Zwar richten die Amerikaner hier jeweils ein derartiges Ausmaß an Zerstörung an, dass die Einheimischen deren Jubel darüber, die Terroristen zur Strecke gebracht zu haben, nur mit Fassungslosigkeit quittieren können, wodurch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel aufgeworfen wird. Echte Kritik am Vorgehen der USA wird hier aber nicht entfaltet, denn Team America schaltet nicht nur tatsächlich Terroristen aus, wodurch die Anwendung von Gewalt legitimiert erscheint, es verursacht auch nur Kollateralschäden materieller Art. Das eigentliche Problem einer militarisierten US-Politik, der Tod und die Verstümmelung unschuldiger Zivilisten im ›Krieg gegen den Terrorismus‹, wird dagegen von der Satire bezeichnenderweise ausgespart. Zudem erweist sich Team America seinen Gegnern am Ende auch argumentativ als überlegen, als Gary im Rededuell mit Alec Baldwin um die Unterstützung der in Kims Palast versammelten Staatschefs buhlt. Der Hollywoodstar erhebt hier noch einmal den Vorwurf, »that Team America fights for the billion dollar corporations. (http://metromix.chicagotribune.com/movies/mmx-041013-movies-review-rke-teamamer ica, 0,1526082.story, 14.06.2007); »Making Light of Everyone and Everything – Including Terrorist Attacks – With Marionettes«, in: SFC 15.10.2004. Auch Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 490, meint, der Film lasse eine »konkrete Position jenseits der bloßen Demontage […] nicht erkennen«. 185 Vgl. »Moral Guidance From Class Clowns«, in: NYT 15.10.2004; »Unstrung Heroes«, in: VV 15.10.2004. 186 Siehe dazu »Team America: An Introduction«, enthalten beim Bonusmaterial der DVD von Paramount Pictures aus dem Jahr 2005. Dies erklärt sicherlich, warum sich unter den Mitgliedern von F.A.G. auch einige Schauspieler befinden, die an sich nicht durch entsprechendes politisches Engagement aufgefallen sind.
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They are just as bad as the enemies they fight.« Doch Gary hat eine überzeugende Erwiderung parat: »Oh no, we aren’t! We are dicks! We are reckless, arrogant, stupid dicks. And the Film Actors Guild are pussies. And Kim Jong Il… is an asshole. […] Pussies may think they can deal with assholes their way. But the only thing that can fuck an asshole… is a dick… with some balls. […] But sometimes pussies get so full of shit that they become assholes themselves. Because pussies are only an inch and a half away from assholes.«
So primitiv diese vulgäre Ansprache daherkommt, präsentiert der Film sie doch als die sinnvollste Analyse der weltpolitischen Lage, deren Validität durch das zuvor Gesehene und das noch Folgende bestätigt wird. Die »arrogant dicks« von Team America sind tatsächlich die Retter der Welt, während die »pussies« von F.A.G. sich als Möchtegernweltverbesserer entpuppen, die mit ihrem realitätsblinden Pazifismus nur dem »asshole« Kim Jong Il in die Hände spielen. Dadurch werden sie effektiv selbst zu einer Bedrohung und müssen ausgeschaltet werden. Die von Gary behauptete grundsätzliche Nähe der »pussies« zu »assholes« mag man auch darin erkennen, dass auch die linken ›Gutmenschen‹ es auf die Freiheit der Amerikaner abgesehen haben, denen sie das Rauchen verbieten und Hybridautos vorschreiben wollen. Insofern hatte das Publikum, über dessen Reaktion sich ein Rezensent der Washington Post erstaunt zeigte, Team America keineswegs missverstanden, wenn es ihn vor allem als Angriff auf linke Positionen und nicht auf »a USA brand of bravado« wahrnahm.187 Denn letztlich diskreditiert der Film vehement die Kritik am war on terror als fehlgeleitet, ja sogar gefährlich, und zeigt amerikanische Helden, die zwar einfältig sind, aber nichtsdestotrotz das einzig Richtige tun. Letzteres ist in Komödien dieser Art nicht ungewöhnlich. Auch in den HotShots!-Filmen,188 die Produktionen wie Top Gun (1986) oder die Rambo-Reihe parodieren, werden die Amerikaner als zum Teil ausgesprochen dämlich dargestellt, besiegen aber am Ende doch das Böse – in diesem Fall Saddam Hussein. Und wie Jack Shaheen berichtet, begleitete das Kinopublikum die Szenen des amerikanischen Triumphs auch hier mit Beifall und Jubel.189 Dass die Filme diesbezüglich nicht anders funktionieren als die Vorbilder, die sie veralbern, liegt schlicht und einfach daran, dass sie – im Gegensatz etwa zu Sacha Baron Cohens The Dictator (2012), der den Despoten eines ›Schurkenstaates‹ zu seinem ›Helden‹ macht – das elementare Gut-Böse-Schema nicht aufbrechen und trotz aller Witze auf Kosten ihrer Protagonisten nie deren Heldenstatus in Frage stellen. Deshalb unterläuft auch Team America am Ende viele seiner durchaus bemerkenswerten kritischen Ansätze und mutiert zu einer weiteren Geschichte, in der das militärische Vorgehen der USA gegen Terroristen und ›Schurkenstaaten‹ zur selbstverständlichen Notwendigkeit erklärt wird. Dafür, in Stones und Parkers Film »a triumph of Bushworld« – und nicht etwa »a lampoon of Bushworld« – zu sehen,190 spricht insbesondere auch die Darstellung der Vereinten Nationen. Zu dieser leitet Nachrichtensprecher Peter Jennings im An187 188 189 190
» › South Park‹ Creators’ Left Jab at Jingoism May Backfire«, in: WP 15.10.2004. Hot Shots! (1991); Hot Shots! Part Deux (1993). Shaheen, Reel Bad Arabs, 246. » › South Park‹ Creators’ Left Jab at Jingoism May Backfire«, in: WP 15.10.2004.
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schluss an einen Bericht über die Kritik am Vorgehen Team Americas in Kairo mit dem Satz über: »In the meantime, the world wants to deal with dangerous individuals their own way.« Darauf folgt ein Schnitt nach Nordkorea, wo sich Hans Blix, der oberste Waffeninspekteur der UN, bei Kim Jong Il über mangelnde Kooperation beklagt. BLIX: »Mr. Il, I was supposed to be allowed to inspect your palace today and your guards won’t let me into certain areas.« KIM JONG IL: »Hans, Hans, Hans. We’ve been through this a dozen times. I don’t have any weapons of mass destruction, okay, Hans?« BLIX: »Then let me look around, so I can ease the UN’s collective mind.« KIM JONG IL: »Hans, you’re breaking my barrs here. Hans, you’re breaking my barrs.« BLIX: »I’m sorry, but the UN must be firm with you. Let me see your whole palace or else…« KIM JONG IL: »Or erse what?« BLIX: »Or else we will be very, very angry with you. And we will write you a letter, telling you how angry we are.«
Dieser Dialog lässt die Vorstellung, die Vereinten Nationen könnten mit »dangerous individuals« fertigwerden, als ebenso realitätsfern erscheinen wie die pazifistischen Träume von F.A.G. Offensichtlich ist eine Organisation, deren einziges Druckmittel ein böser Brief ist, nicht in der Lage, der Bedrohung durch ›Schurkenstaaten‹ und Massenvernichtungswaffen Herr zu werden – auch wenn schon diese harmlose Ankündigung für Kim Jong Il Grund genug ist, den lästigen Waffeninspekteur seinen Haien zum Fraß vorzuwerfen. Derart negative Porträts der UNO sind, wie an anderer Stelle schon erwähnt wurde, keineswegs ungewöhnlich für amerikanische Produktionen. Positiv erscheint sie einzig in Filmen wie Death Train (1993) oder Freedom Strike, in denen die Helden jeweils Spezialeinheiten der Vereinten Nationen angehören, die Gefahren wie Terrorismus bekämpfen. Diese Kommandotrupps, die bezeichnenderweise fast nur aus Amerikanern und Briten bestehen, sind Ausdruck des amerikanischen Wunschbildes einer UNO, die handelt, statt zu verhandeln, und dabei klar den US-Interessen dient, die mit denen der zivilisierten Welt gleichgesetzt werden. In Freedom Strike operiert die gleichnamige Einheit sogar von einem US-Flugzeugträger aus und offenbar auf amerikanischen Befehl hin, womit die Unterscheidung zwischen Vereinten Nationen und Vereinigten Staaten praktisch hinfällig wird. So imaginieren diese Filme eine ›gute‹ UNO als Wächter beziehungsweise als Instrument einer amerikanisch dominierten Weltordnung. In der Realität sorgen freilich die übrigen Mitgliedsstaaten dafür, dass die UN diese Rolle nicht spielen. Eben daraus erklärt sich die misstrauische bis ablehnende Haltung vieler Amerikaner, die für ihr Land eine klare Führungsrolle beanspruchen. Dazu gehört auch, dass die USA im Stile einer imperialen Macht Beschränkungen ihrer Handlungsfreiheit durch internationale Abkommen und Regeln für inakzeptabel erachten, auch wenn sie diese allen anderen gegenüber durchsetzen wollen und sie oftmals selbst initiiert oder aufgestellt haben. Dies war schon beim Thema Rüstungskontrolle zu sehen. Beispielhaft ist auch die vehemente Opposition gegen den Internationalen Strafgerichtshof, gegen dessen Einrichtung 1998 außer den Vereinigten
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Staaten nur sechs andere Länder stimmten, nämlich Israel, China, Jemen, Katar, Libyen und der Irak.191 Bestätigt sahen viele Amerikaner, nicht zuletzt die maßgeblichen Entscheidungsträger, ihre Einschätzung der Vereinten Nationen, als diese sich weigerten, ein Mandat für den Krieg gegen den Irak im Jahr 2003 zu erteilen. In den Augen Amerikas erwies sich die UNO damit als unfähig, die Ordnung der Welt zu verteidigen und das diese bedrohende Böse zu bekämpfen, gelähmt durch mangelnde Entschlusskraft, fehlende moralische Klarheit und die Einbeziehung unwürdiger Staaten in wichtige Entscheidungen. Folgerichtig erklärte die Administration von George W. Bush die Haltung der UN für unerheblich und griff den Irak mit ihrer ›Koalition der Willigen‹ an. Vor diesem Hintergrund muss die Szene mit Hans Blix in Team America gesehen werden, zumal der Waffeninspekteur in der Debatte für und wider den Irakkrieg eine wichtige Rolle gespielt hatte und deshalb als Personifikation des ›Versagens‹ der Vereinten Nationen gesehen werden kann. Sein fiktiver Tod in Kim Jong Ils Haifischbecken befriedigt somit ein Bedürfnis nach Bestätigung der amerikanischen Position und nach Bestrafung jener, die sich dem war on terror in den Weg gestellt hatten. Das Vergnügen daran entspricht dem Frohlocken des neokonservativen Aushängeschilds Richard Perle über den »Death of the UN«, den er zu Beginn des Irakkrieges in einem Artikel im Guardian verkündete, beglückt darüber, dass »great moral and even existential politico-military decisions« nun auf keinen Fall mehr »the likes of Syria, Cameroon, Angola, Russia, China and France« überlassen würden.192 Genau wie Perle vermittelt auch der Film den Eindruck, die Vereinten Nationen seien keinesfalls in der Lage, die Welt vor Unheil zu bewahren, und deshalb sei ihr Votum von der Regierung Bush völlig zu Recht ignoriert worden. Nur Amerika, so scheint es, ist willens und fähig, zu tun, was nötig ist, nämlich ›die Arschlöcher zu ficken‹. So rechtfertigt Team America letztlich nicht anders als Filme wie Axis of Evil unilaterales Handeln der USA und den Einsatz präemptiver Gewalt gegen die Bedrohung durch Terroristen und ›Schurkenstaaten‹.
2.3 »THE GHOST OF VIETNAM«: DAS PROBLEM DES SCHWACHEN FEINDES »[Rogue states] reject basic human values and hate the United States and everything for which it stands« – diese Charakterisierung aus der Nationalen Sicherheitsstrategie des Jahres 2002 zeigt beispielhaft, wie die ›Schurkenstaaten‹ zum Gegenbild Amerikas erklärt wurden und damit an die Stelle der UdSSR als Hort des Bösen traten.193 In vielerlei Hinsicht füllen sie diese Funktion gut aus, ein nicht zu unterschätzendes Problem resultiert jedoch daraus, dass der Feind der USA nun keine andere Supermacht mehr ist, sondern eine Gruppe von Staaten, die gerade im militärischen Be-
191 Dazu ausführlich Nicole Deitelhoff, »Sea Change or still ›Dead on Arrival‹? Die USA und der internationale Strafgerichtshof nach dem 11. September 2001«, in: Kremp/Wilzewski (Hg.), Weltmacht vor neuer Bedrohung, 217-46. 192 »Thank God For the Death of the UN: Its Abject Failure Gave Us Only Anarchy. The World Needs Order«, in: The Guardian 21.03.2003. 193 National Security Strategy [2002], 14.
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reich erheblich schwächer sind. Inwiefern dies problematisch ist, lässt sich besonders gut anhand der filmischen Aufarbeitung des Kuwaitkrieges nachvollziehen. Dieser Krieg wurde bei seinem Ausbruch von manchen Amerikanern geradezu freudig begrüßt, weil man in ihm die Chance auf eine heilsame Veränderung sah, die Charles Krauthammer in einem Essay im Time Magazine folgendermaßen auf den Punkt brachte: »If the gulf war turns out well, […] Vietnam will be retired as the defining American experience of this age.«194 Im Waffengang gegen Saddam Hussein sollte also das Vietnam-Trauma, an dessen Überwindung man in der Reagan-Ära schon so eifrig gearbeitet hatte, endgültig gebannt werden.195 Präsident George Bush versprach denn auch der amerikanischen Nation, dass es kein zweites Vietnam geben, dass dieser Krieg ganz anders sein werde.196 Es sollte ein ›guter‹ Krieg werden, ein Krieg, in dem die USA unbezweifelbar auf der richtigen Seite stehen und einen klaren Sieg gegen das Böse erringen würden – einer wie der Zweite Weltkrieg also. Um den Konflikt am Golf in diese Tradition zu stellen, wurde Saddam Hussein von Politikern und Medien nicht einfach nur als grausamer Barbar gezeichnet,197 sondern systematisch zum neuen Hitler als der Personifikation des Bösen stilisiert. Immer wieder erklärten amerikanische Journalisten ihren Lesern, warum der oft gebrauchte Vergleich mit Hitler im Falle des irakischen Diktators, dessen Invasion Kuwaits allzu sehr an den Überfall auf Polen erinnerte, nicht nur »nearly irresistible«,198 sondern wirklich angemessen sei.199 Der Präsident bezeichnete Hussein wegen der Verwendung amerikanischer Geiseln als menschliche Schutzschilde mehrfach als sogar noch schlimmer als Hitler.200 Ein schlagender Beweis für die unfassbare Grausamkeit, der man sich gegenübersah, schien außerdem die berüchtigte BrutkastenGeschichte zu sein, die Bush in mehreren Reden wiedergab:201 Angeblich hatten irakische Soldaten in einem kuwaitischen Krankenhaus 22 zu früh geborene Säuglin194 »How the War Can Change America«, in: Time 28.01.1991. Weitere Beispiele für Freude oder Erleichterung nennt Lloyd deMause, »The Gulf War as a Mental Disorder«, in: Journal of Psychohistory 19:1 (1991), 1-22, hier 14. 195 Siehe dazu auch Roper, »Overcoming the Vietnam Syndrome«. 196 George Bush, »The President’s News Conference, November 30th, 1990«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19119 (27.07.2007). 197 Dazu Lee Wigle Artz/Mark A. Pollock, »Limiting the Options: Anti-Arab Images in the U.S. Media Coverage of the Persian Gulf Crisis«, in: Kamalipour (Hg.), U.S. Media and the Middle East, 119-35, v.a. 126-30. 198 »Saddam: Desert thug he may be, but Iraq’s leader possesses an ugly finesse«, in: Time 07.01.1991. 199 »Nightmare From the 30’s«, in: WP 27.07.1990; »The Hitler Analogy«, in: NYT 24.08.1990. Zum Vergleich von Hitlers und Husseins Vorgehen auch »Iraq’s Power Grab«, in: Time 13.08.1990. 200 George Bush, »Remarks at a Republican Campaign Rally in Mashpee, Massachusetts, November 1st, 1990«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=18983 (20.07.2007) u. »Remarks at a Republican Party Fundraising Breakfast in Burlington, Massachusetts, November 1st, 1990«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=18982 (20.07.2007). 201 Siehe außer der schon genannten Rede in Mashpee z.B. auch George Bush, »Remarks at a Fundraising Luncheon for Gubernatorial Candidate Clayton Williams in Dallas, Texas, October 15th, 1990«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=18931 (21.07.2007).
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ge aus ihren Brutkästen genommen und sterben lassen, während die Maschinen nach Bagdad abtransportiert wurden. Tatsächlich war dieser schockierende Vorfall die Erfindung einer amerikanischen PR-Firma, die der Emir von Kuwait engagiert hatte, und bei dem Mädchen, das als Augenzeugin präsentiert wurde, handelte es sich in Wirklichkeit um die Tochter des kuwaitischen Botschafters in Washington. Dieser Umstand wurde freilich erst aufgedeckt, als die Lüge ihren Zweck bereits erfüllt hatte.202 Die ständige Wiederholung der immer gleichen Botschaft verfehlte jedenfalls ihre Wirkung auf die amerikanische Öffentlichkeit nicht: Bei einer Meinungserhebung im August 1990 stimmten 61% der Befragten – und 73% derjenigen, die die Berichterstattung über die Krise am Golf aufmerksam verfolgten – der Aussage zu, »[that] Saddam Hussein is like Adolf Hitler of Germany in the 1930s and it is important to stop him«.203 Mit der irakischen Aggression gegen Kuwait war die absolute Klarheit des Zweiten Weltkrieges von »good and evil, right and wrong« wiederhergestellt.204 Deshalb gab es auch keinen Grund, sich wegen der Bombardierung des Irak schuldig zu fühlen, wie Charles Krauthammer versicherte, der die Presse warnte, der kämpfenden Truppe nicht wieder wie in Vietnam in den Rücken zu fallen – eine unbegründete Sorge.205 Tatsächlich wurde der Kuwaitkrieg für Amerika zu einem Triumph. Er zeigte die USA nicht nur als Vorkämpfer für das Recht und den Schutz schwacher Staaten, an der Spitze eines breiten Bündnisses, dessen Feldzug durch ein UN-Mandat legitimiert war und sogar vom früheren Erzfeind UdSSR gebilligt wurde; er geriet darüber hinaus auch zu einer Demonstration der militärischen Überlegenheit der Vereinigten Staaten, die gegen die – vor allem mit Kriegsmaterial aus sowjetischer Produktion ausgerüstete – Armee Saddam Husseins jene Wirkung zeigte, die ihr in Vietnam versagt geblieben war. Die überall auf der Welt zu sehenden Fernsehbilder präsentierten den Kuwaitkrieg als einen vor allem aus der Luft geführten Hightech-Krieg, in dem es dank der ›chirurgischen Präzision‹ modernster Waffensysteme für den Gegner scheinbar kein Entrinnen gab und gleichzeitig eigene und zivile Verluste minimiert werden konnten. Alles sprach dafür, dass der Kuwaitkrieg tatsächlich der ›gute‹ Krieg war, den man sich als Antiserum gegen das Gift Vietnams ersehnt hatte. Kein Wunder also, dass George Bush, als die Kampfhandlungen nach wenigen Wochen und mit geringen amerikanischen Verlusten erfolgreich beendet worden waren, en202 Dazu ausführlich Beham, Kriegstrommeln, 151-6; Carruthers, Media at War, 42f. 203 IIPO, 1990-1991, 225. 204 George Bush, »Remarks to Officers and Troops at Hickam Air Force Base in Pearl Harbor, Hawaii, October 28th, 1990«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=18972 (21.07.2007). 205 »Bombing Baghdad No Cause For Guilt«, in: WP 14.02.1991. Die Legende, dass die Berichterstattung über Vietnam den nationalen Willen gebrochen und so maßgeblich zum Ausgang des Krieges beigetragen habe (ein Teil der Dolchstoßlegende), ist mittlerweile von diversen Untersuchungen widerlegt worden. Vgl. Daniel C. Hallin, The »Uncensored War«: The Media and Vietnam, New York/Oxford 1986; Beham, Kriegstrommeln, 79-91; Carruthers, Media at War, 108-62. Die ›Lehren‹ aus Vietnam bestimmen dennoch bis heute maßgeblich die Bemühungen des Pentagons (und der Streitkräfte anderer Länder), die Berichterstattung über ihre Einsätze zu kontrollieren. Vgl. dazu neben den genannten Werken auch Paul, Bilder des Krieges, 342-4.
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thusiastisch erklärte: »It’s a proud day for America. And, by God, we’ve kicked the Vietnam syndrome once and for all.«206 Diese Freude erwies sich allerdings als verfrüht, wie allein der Blick auf die Filme über den Kuwaitkrieg zeigt. Auffällig ist dabei zunächst einmal deren geringe Zahl. Obwohl der Irak seither in vielen Produktionen als Feind in Erscheinung trat, haben nur wenige den Krieg selbst behandelt – ein Umstand, der angesichts seiner ›Qualitäten‹ umso erstaunlicher ist. Aber auch jene Filme, die Amerikas ersten Waffengang am Golf darstellen, präsentieren ihn nicht im Stile einfacher Heldengeschichten, wie man sie aus den Filmen über den Zweiten Weltkrieg kennt. In Courage Under Fire (1994) etwa wird die Frage, ob Captain Karen Walden (Meg Ryan) als Heldin gestorben ist und somit die Auszeichnung mit der Congressional Medal of Honor verdient hat, am Ende zwar bejaht, die Schwierigkeit der Wahrheitsfindung aber und die Versuche von Politik und Militärführung, diese zu beeinflussen, verweisen auf eine grundsätzliche Fragwürdigkeit des Heldentums amerikanischer Soldaten im Kuwaitkrieg, um die der ermittelnde Colonel Serling (Denzel Washington) nur zu gut weiß, ist er doch selbst für den Tod seines besten Freundes auf dem Schlachtfeld verantwortlich. Statt die Erinnerung an Vietnam wegzuwischen, zeugt dieser Film von deren anhaltender Bedeutung, ja er erscheint in vieler Hinsicht geradezu wie ein weiterer Vietnamfilm, der nur zufällig in der Wüste spielt. So taucht der Feind auch hier zwar als unheimliche Bedrohung, aber nur am Rande auf, während die eigentlich wichtigen Konfliktlinien zwischen den amerikanischen Soldaten verlaufen. Auch Courage Under Fire kreist obsessiv um das zentrale Motiv der Auseinandersetzung mit Vietnam, die Tötung von Amerikanern durch ihre Kameraden mittels friendly fire oder fragging. Tatsächlich fiel ein großer Teil der im Kuwaitkrieg getöteten USSoldaten dem Beschuss eigener Truppen zum Opfer.207 Indem der Film diese Tatsache aufgreift, untergräbt er die Bemühungen, den Krieg am Golf zum Gegenbild desjenigen in Südostasien zu machen. Noch verstärkt wird dies durch die Verwendung ikonographischer Elemente des Vietnamfilms wie Helikopter und Napalm. Courage Under Fire artikuliert also »a complex vision of the Gulf War, not a simple antidote for the post-traumatic stress of Vietnam«, wie Susan E. Linville korrekt festgestellt hat.208 Deutlich kritischer noch ist Three Kings (1999), dessen Handlung bezeichnenderweise erst nach Beendigung der Kämpfe einsetzt, als die amerikanischen Soldaten damit beschäftigt sind, die besiegten irakischen Streitkräfte gefangen zu nehmen und vor allem ihren Triumph exzessiv zu feiern. »They say you exorcized the ghost of Vietnam with a clear moral imperative«, spricht die Fernsehreporterin Adriana Cruz (Nora Dunn) einen der Männer an, als sie Aufnahmen für einen Bericht über die Siegesfeier macht, worauf dieser zur Bestätigung enthusiastisch ausruft: »We liberated Kuwait!« Diese offizielle, von Politik und Medien verbreitete Version wird aber 206 George Bush, »Remarks to the American Legislative Exchange Council, March 1st, 1991«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19351 (21.07.2007). 207 Vgl. Jeffrey Walsh, »Introduction: The Legacy of the Gulf War«, in: ders. (Hg.), Gulf War, 1-20, hier: 7. 208 Susan E. Linville, »› The Mother of All Battles‹: Courage Under Fire and the GenderIntegrated Military«, in: Cinema Journal 39:2 (2000), 100-20, hier: 101; ausführlicher ebenda, 109-111.
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gleich darauf entschieden in Zweifel gezogen, wenn einer der Protagonisten des Films, Archie Gates (George Clooney), ein Major der Special Forces, der in zwei Wochen aus dem Dienst ausscheiden wird, gegenüber einem Vorgesetzten frustriert äußert: »I don’t even know what we did here!« und dieser darauf erwidert: »What do you wanna do? Occupy Iraq and do Vietnam all over again?« Der ›Geist Vietnams‹ spukt offenkundig nach wie vor in den Köpfen herum, und Gates’ Unzufriedenheit stellt die positive Bewertung des Kuwaitkrieges darüber hinaus grundsätzlich in Frage. Dass seine Aufgabe darin besteht, Cruz zu betreuen und damit sicherzustellen, dass deren Berichterstattung im Sinne des US-Militärs ausfällt, rückt die Manipulation der öffentlichen Meinung im »media war«, wie der Colonel den Konflikt charakterisiert, noch stärker in den Fokus. »I was managed by the military«, stellt die Journalistin, die sich des Problems wohl bewusst ist, denn auch später unumwunden fest und erklärt so, weshalb sie – nicht anders als Gates – nach wie vor rätselt: »What was this war about?« Der Spielfilm thematisiert auf diese Weise explizit die in der Tat beträchtliche Einflussnahme offizieller Stellen auf die nur scheinbar glaubwürdigen Nachrichtenquellen209 und präsentiert sich damit implizit auch als Gegenentwurf zu deren Bild des Kuwaitkrieges. Insbesondere verneint Three Kings, dass die durch Vietnam beschädigte victory culture wiederhergestellt worden sei, die Siegesfeiern zu Beginn erscheinen vielmehr als unangemessen.210 Dies ist nicht zuletzt deshalb der Fall, weil die amerikanischen Soldaten zuvor keine entsprechenden Heldentaten vollbracht, ja den Feind kaum zu Gesicht bekommen haben. »We didn’t get to see any action«, wie einer von ihnen später das Bedürfnis erklärt, wenigstens zum Spaß ein paar Schüsse abzufeuern. Diese Problematik wird noch deutlicher in Jarhead aus dem Jahr 2005. Die Adaption der Erinnerungen von Anthony Swofford211 konzentriert sich ganz auf die bizarre Kriegserfahrung der Infanteristen im vor allem aus der Luft geführten Hightech-Krieg. Diese harren monatelang in der Wüste aus und bereiten sich auf einen Kampf vor, an dem sie schließlich keinen wirklichen Anteil haben. Lediglich seine Spuren können sie beim Vormarsch in Augenschein nehmen.212 Das alles gipfelt in einer eindrücklichen Szene, in der Swoffords Partner im Scharfschützenteam die Nerven verliert, als ein Offizier ihnen die einzige Gelegenheit nimmt, doch noch einen Schuss auf einen Feind abzugeben. Dass ein Mensch in Tränen der Wut und Verzweiflung ausbricht, weil ihm trotz allen Flehens nicht erlaubt wird, einen anderen zu töten, illustriert beispielhaft die Pervertierung der sonst geltenden Werte im Krieg allgemein, veranschaulicht aber auch das spezielle Frustrationspotential des Kuwaitkrieges für die Soldaten, die sich nicht wie erwartet bewähren können. Erst 209 Zur Berichterstattung über den Kuwaitkrieg siehe ausführlich Elter, Kriegsverkäufer, 218-71, Paul, Bilder des Krieges, 365-90. 210 Vgl. dazu Semmerling, »Evil« Arabs, 124-32, dessen Lesart, hierin die Inszenierung einer weiteren Bedrohung Amerikas durch die ›bösen Araber‹ zu sehen, ich zwar, wie ich unten noch genauer darlegen werde, nicht zustimme, dessen grundlegende Beobachtungen zu dem zu Beginn des Films gestörten Mythos aber durchaus treffend sind. 211 Anthony Swofford, Jarhead: A Soldier’s Story of Modern War, London 2006. 212 Zu den dramatischen Höhepunkten des Feldzuges gehört für Swoffords Einheit bezeichnenderweise das friendly fire der eigenen Kampfflugzeuge.
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bei der Siegesparty kommen die Männer aus Swoffords Einheit dazu, ihre Waffen abzufeuern, aber eben nur in die Luft. Die dazu eingenommenen Machoposen und das Triumphgeschrei wirken hier letztlich ähnlich unpassend – weil eben auch unverdient – wie bei der Feier in Three Kings.213 Verstärkt wird dies noch dadurch, dass begeisterte Ausrufe wie »We killed Saddam, man! He’s fucking history!« oder »We never have to come back to this shithole ever again!« vom Publikum des Films vor dem Hintergrund der späteren Entwicklungen, insbesondere des Angriffs auf den Irak 2003, als allzu voreilig entlarvt werden müssen. Was in Jarhead in dieser Szene nur anklingt, dass der erste amerikanische Feldzug am Golf nicht zu einem befriedigenden Ergebnis, nämlich zum Sturz des irakischen Diktators führte, macht Three Kings zu einem zentralen Thema und zur Hauptstoßrichtung seiner Kritik am Kuwaitkrieg. Gates’ unzufriedene Äußerungen zu Beginn geben einen ersten Hinweis auf die Fragwürdigkeit von Motiven und Resultat des amerikanischen Eingreifens. In der Folge begibt sich der Major auf eine eigene Mission, die allerdings zunächst nichts Vorbildhaftes hat: Zusammen mit den drei Reservisten Barlow (Mark Wahlberg), Elgin (Ice Cube) und Vig (Spike Jonze) bricht er auf, um sich vom Irak aus Kuwait gestohlenes Gold anzueignen. Den Weg zum Bunkerversteck in einem kleinen Dorf weist ihnen eine Karte, die Barlow und Vig aus dem Hinterteil eines gefangenen irakischen Soldaten gezogen haben. Die Helden des Films agieren anfangs also keineswegs heldenhaft, denn statt von moralisch-ethischen Werten lassen sie sich von Habgier leiten und planen nichts anderes als einen Diebstahl, der durch den Verweis darauf, dass Saddam Hussein das Gold seinerseits gestohlen habe, nur notdürftig gerechtfertigt wird, da eine Rückgabe an die Besitzer natürlich der korrekte Weg wäre. Im selbstsüchtigen Handeln der Amerikaner, das nicht dazu geeignet ist, das positive Selbstbild der USA und die Vorstellung vom ›guten Krieg‹ zu bestätigen, spiegelt sich freilich nur das ihrer Regierung, mit dessen Auswirkungen sie alsbald konfrontiert werden: In dem auf der Karte verzeichneten Dorf angekommen, werden sie Zeugen, wie die irakische Armee mit brutaler Gewalt und Hunger als Waffe gegen die schiitische Bevölkerung vorgeht, die sich im Aufstand gegen das Regime befindet. »Bush told the people to rise up against Saddam. They thought they’d have our support, they don’t. Now they’re getting slaughtered«, fasst Gates die Hintergründe für seine überraschten Kameraden und die Zuschauer knapp zusammen. In der Tat hatte George Bush in einer Rede am 15. Februar 1991 das irakische Militär und Volk dazu aufgefordert, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und den Diktator zu stürzen, um das Blutvergießen zu beenden.214 Im März erhoben sich daraufhin die Schiiten im Süden und die Kurden im Norden des Iraks gegen die Herrschaft Saddam Husseins. Ihre Hoffnung auf Unterstützung durch die US-geführte Koalition nach der Befreiung Kuwaits wurde aber alsbald enttäuscht. Mit dem Inkrafttreten des Waffenstillstandes am 12. April wurden der Vormarsch der alliierten Truppen gestoppt und die Angriffe auf die irakischen Streitkräfte eingestellt. Wenige 213 Der ›Exorzismus‹ Vietnams scheint konsequenterweise auch hier trotz der Glückwünsche eines Veteranen des früheren Krieges bei der Rückkehr in die Heimat nicht geglückt, die Szene wirkt eher beklemmend. 214 George Bush, »Remarks to the American Association for the Advancement of Science, February 15th, 1991«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19306 (19.08.2013).
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Tage später machte Bush auf einer Pressekonferenz klar, dass die USA sich nicht militärisch in die inneren Angelegenheiten des Iraks einmischen würden.215 Entsprechend wurde Saddam Hussein nicht daran gehindert, die Rebellion in den folgenden Monaten mithilfe der ihm verbliebenen Truppen blutig niederzuschlagen. Diese Entscheidung musste nicht zuletzt aufgrund der zuvor so intensiv und erfolgreich betriebenen Dämonisierung des Diktators Widerspruch provozieren, wurde aber von den Verantwortlichen – auch später – vehement verteidigt. Wenn Bush dabei betonte, keinen »Vietnam-style quagmire« riskieren zu wollen,216 widerlegte er damit selbst auf eindrucksvolle Weise seine Behauptung, das Vietnam-Syndrom sei überwunden worden. Argumentiert wurde darüber hinaus mit den unabsehbaren und womöglich katastrophalen Folgen eines gewaltsamen Sturzes Husseins wie einer Destabilisierung des Iraks und der gesamten Region oder der etwaigen Machtübernahme durch Kräfte mit gegen die Vereinigten Staaten gerichteten Zielen.217 Ein großer Teil der amerikanischen Bevölkerung fand dies offenkundig überzeugend, jedenfalls wollten bei einer Umfrage im April 1991 nur 20% der Befragten Bushs Vorgehen (»to encourage Iraqi rebel groups and then not come to their aid«) als unmoralisch bezeichnen, während 67% der Aussage zustimmten, er habe damit US-Interessen gedient.218 Three Kings, in dem die oben zitierte Äußerung des Colonels über eine Wiederholung Vietnams als Echo der Rhetorik der Bush-Administration fungiert, bezieht jedoch eine andere Position und stellt es in der Tat als moralisches Versagen der USA dar, dass diese die irakischen Rebellen im Stich lassen und eine egoistische Interessenpolitik betreiben. Unter diesen Umständen, das wird im Laufe des Films klar, kann der Kuwaitkrieg nicht als ›guter Krieg‹ angesehen werden. Diese Lektion müssen jedoch auch die Protagonisten erst noch lernen, deren Verhalten gegenüber den Schiiten zunächst ebenso beschämend ausfällt wie das ihrer Regierung. Bei ihrem ersten Zusammentreffen mit den Dorfbewohnern versichern die Amerikaner diesen zwar: »We are here for your protection and safety.« Dann beschränken sie sich aber, obwohl sie von den Menschen, die offensichtlich Opfer brutaler Repression sind, um Hilfe angefleht werden, darauf, einige Militärrationen an die Hungernden zu verteilen, die diesen von den irakischen Soldaten sofort wieder abgenommen werden. Sie leisten den Unterdrückten also sozusagen nur ungenügende humanitäre Hilfe, versagen ihnen aber ihren dringend erforderlichen Schutz. Ein Mann, der auf ihren Jeep aufzuspringen versucht, um sich so in Sicherheit zu bringen, wird rücksichtslos zurückgestoßen.
215 George Bush, »Remarks on Assistance for Iraqi Refugees and News Conference, April 16th, 1991«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=19479 (19.08.2013). 216 Ebenda. 217 Vgl. ebenda; außerdem Powell, »Challenges Ahead«, 37; Haass, Intervention, 35. 218 IIPO, 1990-1991, 231. Sicherlich kommt man auch aus heutiger Perspektive, mit dem Wissen um die Folgen des Angriffs auf den Irak 2003, nur schwer umhin, viele der 1991 formulierten Befürchtungen für durchaus berechtigt zu erachten. Nicht außer Acht lassen sollte man bei solchen Überlegungen allerdings, dass die Situation damals eine andere war, weshalb Vorsicht vor allzu simplen und letztlich immer spekulativen Schlussfolgerungen dazu, ›was geschehen wäre, wenn…‹, geboten ist.
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Die US-Soldaten stehen den Menschen in ihrer Notsituation aber nicht nur nicht bei, sie beschließen sogar, diese auszunutzen, denn wie Gates erläutert, spielt ihnen der Aufstand bei ihrem eigenen Vorhaben in die Hände: Da »necessity« das bestimmende Prinzip menschlichen Handelns sei und es für die Soldaten Saddams im Moment wichtiger sei, die Rebellion zu unterdrücken als das Gold zu bewachen, würden sie sich dessen Abtransport nicht in den Weg stellen. Dieses Kalkül erweist sich in der Folge als völlig richtig. Wie zuvor die Bush-Regierung instrumentalisieren die G.I.s auf diese Weise den Kampf der unterdrückten irakischen Bevölkerung gegen die Diktatur Saddam Husseins, um ihre persönlichen, fragwürdigen Ziele zu erreichen. Dann aber finden die Protagonisten von Three Kings noch rechtzeitig auf einen Pfad zurück, der im Einklang mit dem Mythos des ›guten Krieges‹ in der Tradition des Zweiten Weltkrieges steht, denn angesichts des Leids der Schiiten triumphieren im entscheidenden Moment doch moralische Werte wie Mitgefühl und der Schutz der Schwachen über Eigennutz und Habgier. Auslöser dafür ist die Ermordung der wehrlosen Frau eines gefangenen Rebellenführers vor den Augen ihrer Familie und der schockierten Amerikaner. Die Hinrichtung durch einen Kopfschuss aus nächster Nähe erinnert dabei auch an das bekannte Foto von der Exekution eines gefangenen Vietcong durch den südvietnamesischen Polizeipräsidenten Nguyen Ngoc Loan und damit an ein Menetekel amerikanischer Schuld in der Vergangenheit, an den ›schlechten Krieg‹.219 Für Gates wird damit jedenfalls die Grenze dessen, was er untätig mitansehen kann, überschritten. Sein daraufhin gefällter Entschluss, die Gefangenen mitzunehmen, führt zur Konfrontation mit den irakischen Soldaten, die wiederum in ein erstes kurzes Feuergefecht mündet, in dem die Amerikaner mehrere ihrer Gegner töten. In den direkt darauf folgenden Einstellungen werden die Iraker durchweg in Auf- oder Normalsicht gezeigt, Gates und Elgin dagegen in starker Untersicht. So wird auf der visuellen Ebene nicht nur die Überlegenheit der Amerikaner verdeutlicht, sondern auch ihr wiedergewonnener Heldenstatus. An die Stelle der selbstsüchtigen Suche nach dem Gold ist nun der Kampf für die Freiheit anderer als ihre wahre Mission getreten. Der Film betont dabei, dass es für einen anständigen Menschen diesbezüglich am Ende keine Wahl gibt: »I had no choice«, wie Gates später insistiert, als Vig ihm Vorwürfe macht. Zögerlich gegenüber der neuen Mission zeigt sich anfangs Barlow, der Gates’ Entschluss zur Rettung der Gefangenen in Frage stellt. BARLOW: »What happened to necessity?« GATES: »It just changed.« BARLOW: »Not for me. Let’s go!«
Es sind aber nicht charakterliche Defizite, die Barlow hier noch fordern lassen, die Schiiten ihrem Schicksal zu überlassen. Wie der Zuschauer weiß, ist Barlow erst vor kurzem Vater einer kleinen Tochter geworden. Dass er nicht so schnell bereit ist, sein Leben zu riskieren wie seine ungebundenen Kameraden, ist insofern durchaus verständlich und auch Ausdruck seines Verantwortungsgefühls, zumal er den Schusswechsel nur dank seiner Kevlarweste überlebt hat und sich der Gefährlichkeit der Si219 Vgl. Semmerling, »Evil« Arabs, 147f.
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tuation somit überaus bewusst ist. Schon kurz darauf offenbart dann auch er seine Heldennatur: Als die Flucht der G.I.s samt Gold und befreiten Gefangenen durch den Beschuss mit Tränengasgranaten gestoppt wird, rettet Barlow zwei irakische Kinder, die in Panik auf ein Minenfeld zurennen. Um sie rechtzeitig zu erreichen und hochheben zu können, lässt er dabei eine der Taschen mit dem Gold fallen, wodurch die Aufgabe der falschen Werte und Ziele zugunsten der richtigen symbolisch verdeutlicht wird. Diese Tat bringt ihn auch prompt in große Gefahr, denn während seine Kameraden nun ihrerseits von den schiitischen Rebellen gerettet und in einem Versteck in Sicherheit gebracht werden, gerät Barlow in Gefangenschaft und wird in der Folge von irakischen Soldaten gefoltert. Auf den ersten Blick folgt der Film so wieder einmal dem Muster der captivity narrative, doch Three Kings unterläuft die damit verbundenen Erwartungen, indem er gerade die Folterszene nutzt, um kritische Perspektiven auf den Kuwaitkrieg zu eröffnen. Dazu gehört ganz wesentlich, dass das von den Fernsehbildern amerikanischer Präzisionswaffen geprägte Bild eines ›sauberen‹ Krieges dekonstruiert wird, ein Unterfangen, das der Film von Beginn an konsequent betreibt. Schon die allererste Szene, in der Barlow einen Iraker erschießt, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Vigs Kommentar »Didn’t think I’d get to see anybody shot in this war« illustriert zum einen die oben bereits angesprochene Kriegserfahrung der Infanteristen, verweist aber darüber hinaus für den Zuschauer auch darauf, dass sterbende und tote Menschen nicht zum Repertoire der mit diesem Krieg assoziierten Bilder gehören. Im Gegensatz zu jenen lenkt die Großaufnahme des verblutenden Irakers die Aufmerksamkeit genau auf diesen zentralen Aspekt von Krieg.220 Noch deutlicher geschieht dies später während der Fahrt in die Wüste, bei der Barlow, Elgin und Vig sich die Zeit mit Schießübungen vertreiben. Nachdem Vig einen der als Tontauben dienenden Footballs mit Plastiksprengstoff ›aufgepeppt‹ hat, stoppt Gates den Jeep und belehrt die anderen – und mit ihnen das Publikum – darüber, was die »action«, die sie verpasst haben, tatsächlich bedeutet. Detailliert erläutert er, was ein Geschoss, das einen menschlichen Körper trifft, anrichtet. Die Trickaufnahme einer Kugel, die sich ihren Weg durch Organe bahnt, illustriert dies gleichzeitig für den Zuschauer. Eine ebensolche Aufnahme wird gegen Ende des Films noch einmal verwendet, als Barlow angeschossen wird. Indem Three Kings die zerstörerische Wirkung moderner Waffen im Körperinneren zeigt, schafft er den wohl größtmöglichen Kontrast zu den sterilen Bildern der vom Militär beeinflussten Medienberichterstattung, die den Feldzug am Golf als ›Videospielkrieg‹ ohne reale Opfer erscheinen ließen.221 Dass die amerikanischen Bomben aber eben nicht nur Gebäude 220 Bemerkenswert ist auch, dass der Vorfall per se einigermaßen verstörend ist, da der Krieg, wie eine Texttafel zuvor informiert hat, bereits zu Ende ist und der Mann, obwohl bewaffnet, nicht gerade bedrohlich wirkt, sondern sich anscheinend ergeben will. Barlow feuert, nachdem und obwohl er auf seine unsichere Frage »Are we shootin’ people or what?« keine Antwort erhalten hat, was nicht den Eindruck vermittelt, als ob die USSoldaten klaren Regeln folgen würden. 221 Siehe dazu ausführlich Markus Lohoff, »Krieg zwischen Science und Fiktion: Zur Funktion technischer Bilder im Zweiten Persischen Golfkrieg«, in: Der Krieg im Bild – Bilder im Krieg. Hamburger Beiträge zur Historischen Bildforschung, hg. vom Arbeitskreis Historische Bildforschung, Frankfurt a.M. u.a. 2003, 105-30.
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zerstört haben, verdeutlichen die am Straßenrand liegenden verkohlten Leichen, die Gates seinen Kameraden zeigt. In der Folterszene finden die Bemühungen des Films, das bislang Nichtsichtbare in den Fokus zu rücken, dann ihren Höhepunkt, denn hier erhalten die Opfer der amerikanischen Kriegsführung in Barlows Gegenüber nicht nur ein Gesicht, sondern auch eine Stimme. Wie Regisseur David O. Russell es in seinem Kommentar auf der DVD formuliert: »These guys who had no voice, now the Arabs speak. They were computer targets for the bombers, and now the American’s gonna have to listen to the human who is underneath the target.«222 Der junge Offizier erzählt Barlow, dass seine Frau durch einen Bombenangriff beide Beine verloren hat und sein einjähriger Sohn getötet worden ist. Von großer Bedeutung ist dabei, dass der Film es nicht bei einer verbalen Schilderung dieser Gräuel belässt, sondern sie wiederum durch eine kurze Aufnahme des Kinderbetts, das unter herabstürzenden Trümmern begraben wird, im wahrsten Sinne des Wortes anschaulich macht. Gesteigert wird dies noch, wenn der Iraker Barlow dann fragt, ob er sich vorstellen könne, »how it feel inside your heart if I bomb your daughter«, und man in einer Vision sieht, wie die eben noch glücklich und behütet wirkende Familie des Amerikaners in einer Explosion verschwindet. Anders als vergleichbare Szenen in anderen Filmen dies üblicherweise tun, in denen die Feinde Amerikas auf tatsächliches oder vermeintliches Unrecht, das ihnen angetan worden ist, verweisen, um ihre eigenen Untaten zu rechtfertigen,223 bemüht sich Three Kings auf diese Weise, einen intensiven Eindruck von dem Leid zu vermitteln, das dem Iraker widerfahren ist, und so Empathie zu erzeugen. Wie Barlow wird das Publikum hier mit der Tatsache konfrontiert, dass das amerikanische Bombardement auch unschuldige, zivile Opfer gefordert hat, dass es in Wirklichkeit nicht so präzise war, wie der Öffentlichkeit suggeriert wurde. Tatsächlich handelte es sich nämlich nur bei einem geringen Teil der über Kuwait und dem Irak abgeworfenen Bomben um jene ›intelligenten Waffen‹, deren überlegene Technologie in den Berichten gefeiert wurde – und auch diese verfehlten häufig ihr Ziel. Daneben kamen in großer Zahl und mit verheerender Wirkung herkömmliche Bomben ohne Steuerungsmöglichkeiten zum Einsatz.224 Three Kings verweist in einer früheren Szene auch auf die sogenannten cluster bombs, die sich nach dem Abwurf in eine Vielzahl kleiner Sprengkörper teilen, die dann über einer größeren Fläche niedergehen. Im Film tritt eine Kuh auf einen Blindgänger aus einer solchen Bombenladung – eine charakteristische Begleiterscheinung – und wird buchstäblich in Stücke gerissen. Dies zeigt, wie gerade von dieser Waffe noch langfristig Gefahr für die Bevölkerung ausgeht, zumal solche Blindgänger noch schwieriger auszumachen sind als Minen, wie Gates erklärt.225
222 DVD-Ausgabe von Warner Home Video aus dem Jahr 2000. 223 Solche Rechtfertigungen werden als Klischee auch in der Szene von Team America: World Police (2005) parodiert, in der Gary sich als Terrorist ausgibt und dazu eine Geschichte als Begründung für seinen Dschihad erfindet. 224 Vgl. dazu Walsh, »Introduction«, 7; Phil Melling, »Burial Party: The Gulf War as Epilogue to the 1980s«, in: Walsh (Hg.), Gulf War, 63-86, hier: 80-4. 225 Tatsächlich ist dies wohl ein Grund für die Vorbehalte der USA gegenüber internationalen Abkommen zur Ächtung von Landminen, da sie fürchten, dass auf diese Weise mit-
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Three Kings zerstört also die Illusion des mit ›chirurgischer Präzision‹ geführten Hightech-Krieges. Das positive Bild der Vereinigten Staaten in diesem Konflikt wird darüber hinaus weiter beschädigt, indem auf die frühere Zusammenarbeit mit dem brutalen Diktator Saddam Hussein hingewiesen wird: »Specialist guys come here to train us when we fight Iran.« Bemerkenswerterweise ist in diesem Film also nicht nur der Anführer der Rebellen in den USA ausgebildet worden – was dem gängigen Muster des westernisierten Helfers unter den ›Wilden‹ entsprechen würde –, auch Barlows Peiniger, der Feind, beherrscht sein finsteres Handwerk dank amerikanischer Unterweisungen. Dass die Amerikaner vor nicht langer Zeit noch mit den nun Bekämpften gemeinsame Sache gemacht haben, wirft Fragen hinsichtlich ihrer Motive auf. Für den irakischen Offizier ist denn auch klar, dass die offiziellen Begründungen wie Stabilität, die Barlow wiedergibt, nicht der Wahrheit entsprechen. Als drastisches Zeichen zwingt er seinen Gefangenen, etwas von dem zu schlucken, worum es den Amerikanern seiner Meinung nach wirklich geht: Öl. Dass dieses auf jeden Fall ein wichtiger Faktor bei der Reaktion auf die Besetzung Kuwaits war, ist unzweifelhaft und wurde von der US-Regierung auch verschiedentlich offen ausgesprochen.226 Wie ich gezeigt habe, wurden aber moralische Argumente für den Krieg in den Vordergrund gerückt. Dass nicht nur der irakische Offizier, sondern der Film insgesamt hierin eine Verschleierung der Tatsachen sieht, ist insofern offensichtlich, als sich in dem ursprünglichen Vorhaben der vier Protagonisten, das Gold zu stehlen, lediglich die materialistischen Interessen ihrer Regierung spiegeln, die gleichfalls darauf aus ist, sich die Schätze des Mittleren Ostens anzueignen. Bezeichnenderweise muss Gates die Rettung der Aufständischen am Schluss bei seinen Vorgesetzten quasi erkaufen, indem er das Gold dafür eintauscht, dass man ihnen erlaubt, die Grenze zum Iran zu überschreiten. Des Weiteren macht Three Kings die rassistische Färbung der Auseinandersetzung mit dem arabischen Feind zum Thema und legt nahe, dass dieses Problem tief in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelt ist. Direkt ausgesprochen wird dies wiederum von dem irakischen Folterer, der Michael Jackson und dessen durch plastische Chirurgie herbeigeführte Verwandlung in einen Weißen als Beispiel anführt: »Your sick fucking country make the black man hate hisself [sic!], just like you hate the Arab and the children you bomb over here.« Auch dies erscheint nicht als realitätsfremde Verleumdung aus dem Mund eines Bösewichts, vielmehr ist ein alltäglicher Rassismus schon in mehreren vorangegangenen Szenen deutlich geworden, etwa als Elgin, ein Schwarzer, Vigs Sprachgebrauch kritisiert: ELGIN: »I don’t wanna hear »dune coon« or »sand nigger« from him or anybody else.« VIG: »Captain uses those terms.« telbar auch der Einsatz von Streubomben verboten werden könnte. Siehe dazu ausführlich Blum, Rogue State, 132-5. 226 Siehe z.B. George Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the Persian Gulf Crisis and the Federal Budget Deficit, September 11th, 1990«, in: http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=18820 (29.11.2007); außerdem Jochen Hippler, »Islam und westliche Außenpolitik«, in: ders./Andrea Lueg, Feindbild Islam, Hamburg 1993, 142-84, hier: 153f, mit einem entsprechenden Zitat von Richard Cheney.
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BARLOW: »Look, the point is, Conrad, that »towelhead« and »camel jockey« are perfectly good substitutes.« ELGIN: »Exactly.«
Dieser Dialog macht in dreifacher Weise deutlich, wie natürlich die rassistische Herabsetzung des Feindes für die Amerikaner ist. Erstens verwenden selbst die Sympathieträger des Films entsprechende Beleidigungen. Zweitens wird darauf hingewiesen, dass auch die vorgesetzten Offiziere dies tun und ihren Männern damit ein Beispiel geben. Und drittens stößt sich Elgin nur an den Ausdrücken, die Araber mit Schwarzen gleichsetzen und somit auch ihn treffen. Die nicht weniger, aber eben nur gegenüber Arabern rassistischen Alternativen findet er dagegen durchaus akzeptabel. Damit macht der Film zum einen klar, dass Rassismus selbstverständlich nicht nur von weißen Amerikanern ausgehen kann, womit auch ein Kontrapunkt zu solchen Produktionen gesetzt wird, die nichtweiße Charaktere benutzen, um den Vorwurf des Rassismus von sich zu weisen. Zum anderen wird hier offensichtlich, wie wenig reflektiert die Entwürdigung des Feindes ist. Elgin kann den Zusammenhang zwischen dieser und dem Rassismus, dessen Zielscheibe schwarze Amerikaner waren und sind, nicht erkennen; auch nicht, als er später in einem irakischen Bunker einen Blick auf das gerade im Fernsehen gezeigte Video von der Misshandlung Rodney Kings durch Polizisten in Los Angeles erhascht. Dass die beständige verbale Herabsetzung der Araber nicht nur harmloses Gerede ist, sondern dass dadurch ein Klima geschaffen wird, das Empathie verhindert und Gewalt legitimiert, illustriert wiederum bereits die erste Szene des Films, in der die amerikanischen Soldaten keinerlei Mitgefühl für den getöteten Iraker zeigen, vielmehr dessen Leiche als Trophäe behandeln, mit der man sich fotografieren lassen kann.227 »Congratulations, my man, you shot yourself a raghead«, beglückwünscht Vig in diesem Geiste seinen Freund. Später antwortet er auf die Frage schiitischer Rebellen, ob er jeden Araber töten wolle: »That’s what I was trained to do.« Elgin korrigiert diese Aussage zwar sofort und weist darauf hin, dass zu den Verbündeten der USA auch diverse arabische Staaten gehören, Vigs simple Sicht lässt aber erkennen, dass solche Feinheiten nicht zuletzt durch die Gewöhnung an rassistische Stereotype bei vielen Amerikanern verloren sind und der Kuwaitkrieg die Ausformung eines Feindbildes ›Araber‹ begünstigt – und umgekehrt. Gerade am Beispiel Vigs, eines Repräsentanten des white trash, führt Three Kings aber auch vor, dass solche vor allem auf Unkenntnis beruhenden Bilder überwunden werden können. Am Ende wird der Leichnam des bei der Befreiung Barlows getöteten Amerikaners von den Schiiten auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin mit in den Iran genommen, wo er in dem islamischen Schrein von Ghom beigesetzt werden möchte, weil ihn, obwohl er selbst kein Muslim ist, die Schilderung von dessen religiöser Bedeutung tief beeindruckt hat. Daran ist schon ersichtlich, dass in diesem Film auch der Islam – anders als so oft – nicht als für Amerika bedrohliche Kraft erscheint. Vielmehr wird die Religiosität der Schiiten als gleichwertig mit der des
227 Das Ende dieser Szene (enthalten beim Bonusmaterial der DVD-Ausgabe) wurde zwar entfernt, die Absicht der Soldaten wird aber auch in der endgültigen Filmfassung noch geäußert.
598 | Der ›Krieg gegen den Terror‹
Christen Elgin behandelt, beispielsweise wenn sie im Versteck der Rebellen gemeinsam beten. Obgleich Three Kings die komplexen Hintergründe des Kuwaitkrieges und der Verhältnisse im Irak – etwa die ethnischen und religiösen Konfliktlinien – nicht umfassend beleuchtet, muss man Peter Bürger entschieden widersprechen, wenn er behauptet, der Film klammere »die wirklichen unbequemen Fragen der US-Kriegsführung im Irak 1991 aus«.228 Tatsächlich muss man dem Film, der vordergründig als Action-Komödie daherkommt, eine bemerkenswert vielschichtige und gängige Vorstellungen hinterfragende Auseinandersetzung mit Amerikas Rolle im Kuwaitkrieg attestieren.229 Nicht zuletzt das Bemühen, rassistischen Stereotypen ein ausgewogenes Bild der Iraker entgegenzusetzen, ist ungewöhnlich. Es überrascht deshalb nicht, dass Jack Shaheen Three Kings in seiner umfangreichen Untersuchung der Stereotypisierung von Arabern in Hollywoodfilmen als eines der wenigen positiven Gegenbeispiele herausgestellt hat.230 In einer neueren Studie hat Tim Jon Semmerling sich allerdings explizit gegen diese Würdigung des Films gewandt.231 Semmerlings grundsätzlicher Kritik an den zu oberflächlichen Analysen Shaheens kann man zustimmen, seine Argumentation, dass Three Kings zwar kritische Perspektiven eröffne, diese aber letztlich doch wieder durch die Inszenierung stereotyper arabischer Bösewichte als Bedrohung der amerikanischen Helden verstelle,232 ist jedoch nicht überzeugend. Charakteristisch ist etwa die widersprüchliche Bemerkung zu der Folterszene, »[that] [e]ven the Iraqi turning on the electrical shock winces at his own sadism«.233 Semmerling möchte also in der Reaktion des Irakers die Bestätigung für dessen stereotype Bösartigkeit sehen, während sie einer solchen Charakterzeichnung offensichtlich zuwiderläuft. Dass Barlow später darauf verzichtet, seinen vor Todesangst schluchzenden Peiniger zu töten, stellt für Semmerling dann einen Ausdruck amerikanischer Überlegenheit dar.234 Dies ist zwar eine mögliche Lesart, aber wohl kaum diejenige, die sich aufdrängt. 228 Peter Bürger, Kino der Angst: Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood, Stuttgart 2005, 304. Ähnlich kritisch äußert sich Strübel, »Kriegsfilm und Antikriegsfilm«, 70. 229 Vgl. in diesem Sinne auch McCrisken/Pepper, American History, 189 u. 200-2. 230 Shaheen, Reel Bad Arabs, 485-7 u. 550. Shaheen wurde von Warner Brothers während der Produktion als Berater hinzugezogen und konnte nach eigener Darstellung einige Änderungen erreichen. Dies ist bei seiner Bewertung natürlich zu berücksichtigen. 231 Semmerling, »Evil« Arabs, 3 u. 160f. 232 Ebenda, v.a. 151. Überzogen erscheint – trotz der im Hinterteil eines Soldaten versteckten Karte – auch Semmerlings Interpretation der Goldsuche als Fantasie einer analen Vergewaltigung Saddams (ebenda, 142). Geradezu erschreckend oberflächlich ist dagegen die Argumentation von Rubina Ramji, »From Navy Seals to The Siege: Getting to Know the Muslim Terrorist, Hollywood Style«, in: Journal of Religion and Film 9:2 (2005), http://avalon.unomaha.edu/jrf/Vol9No2/RamjiIslam.htm (07.08.2006), die zu einer noch kritischeren Bewertung von Three Kings als Semmerling gelangt. Ihre Bemerkungen zur »racist language« des Films zeigen, dass ihr offensichtlich nicht bewusst ist, dass man Einzelheiten in ihrem Kontext und ihrer Funktion für den jeweiligen Film sehen muss, um zu einem sinnvollen Verständnis zu gelangen. 233 Semmerling, »Evil« Arabs, 151. 234 Ebenda, 155.
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Gerade im Vergleich mit den diversen anderen in dieser Arbeit bereits vorgestellten – und im letzten Kapitel noch vorzustellenden – Filmen mit vergleichbaren Szenarien wird deutlich, dass es keineswegs üblich ist, dass der amerikanische Held Bösewichte, die ihn selbst oder andere gequält haben, verschont, vielmehr bieten die Untaten der Schurken in Übereinstimmung mit der amerikanischen Mythologie ja die Rechtfertigung für reinigende Gewalt zur Vernichtung des Bösen, durch die die Ordnung der Welt wiederhergestellt wird. Wesentlich schlüssiger ist es also, Barlows Gnadenakt damit zu erklären, dass er durch seine Erfahrung etwas gelernt und in dem jungen irakischen Offizier nicht ›den Anderen‹, sondern sich selbst erkannt hat.235 Nicht treffend ist es auch, wenn Semmerling die Erschütterung der victory culture zu Beginn von Three Kings auf »the efforts of the Arab villains to keep the myth unbalanced« zurückführt.236 Gleichwohl weist seine Analyse insofern in die richtige Richtung, als unter der Oberfläche des Films in der Tat eine ganz andere, nicht artikulierte Problematik erkennbar wird als die offen kritisierten Motive der US-Regierung. Was Semmerling trotz entsprechender Ansätze237 nicht richtig erfasst – wohl nicht zuletzt deshalb, weil er den Film zu isoliert betrachtet und auf dessen vermeintlich negative Zeichnung der Araber fixiert ist –, ist, dass es sich hierbei nicht um arabische Perfidie, sondern um ein viel grundsätzlicheres Problem handelt, nämlich um die eklatante Schwäche des Feindes im Vergleich zu den USA. Seit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums sind die Vereinigten Staaten die einzige Supermacht der Welt. Diesen Status verdanken sie insbesondere ihrer enormen militärischen Überlegenheit. Im Jahr 1998 etwa, als Three Kings sich in der Entstehung befand, gaben die USA 270 Milliarden Dollar für ihre Verteidigung aus – mehr als Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Japan zusammen. Die drei ›Schurkenstaaten‹ Iran, Irak und Nordkorea brachten es gemeinsam auf gerade einmal neun Milliarden Dollar.238 In den Jahren nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde das Militärbudget der USA kontinuierlich weiter aufgestockt,239 ganz im Sinne der in der nationalen Sicherheitsstrategie von 2002 formulierten Forderung: »We must build and maintain our defenses beyond challenge.«240 So wünschenswert eine derartige Überlegenheit unter realpolitischen Gesichtspunkten sein mag, so problematisch ist sie jedoch im Hinblick auf die grundlegenden Mythen, die das positive Selbstbild der Vereinigten Staaten stützen. Wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, war es für dessen Wiedererstarken in den 1980er Jahren von entscheidender Bedeutung gewesen, dass die UdSSR als ebenbürtiger, ja überlegener Feind dargestellt werden konnte. So war es möglich, in Filmen wie Rocky IV (1985), 235 Eine solche Identifikation wird z.B. auch dadurch nahegelegt, dass der Iraker erklärt, sich Saddams Armee nur angeschlossen zu haben, um für seine Familie sorgen zu können, und sich Barlow aus demselben Motiv zuvor moralisch nicht einwandfrei verhalten hat, als er das Gold stehlen und die Schiiten im Stich lassen wollte. 236 Semmerling, »Evil« Arabs, 125. 237 Vgl. v.a. seine Ausführungen ebenda, 138-40. 238 Zahlen aus Williams, »Defense Policy«, 245. Siehe auch die genaueren Ausführungen ebenda, 244 u. 246. 239 Siehe Wilzewski, »Lessons to Be Learned«, 360. 240 National Security Strategy [2002], 29.
600 | Der ›Krieg gegen den Terror‹
Rambo: First Blood Part II (1985) oder Red Dawn (1984) ein Gegenbild zum Vietnamkrieg zu zeichnen, mit den Amerikanern in der Rolle der Underdogs, die dem scheinbar übermächtigen Bösen die Stirn bieten und es schließlich vor allem dank ihrer unerschütterlichen Werte bezwingen. Je unüberwindbarer die Hindernisse, desto größer das Heldentum. Genau dieses Bild aber vermochte der Kuwaitkrieg nicht zu erfüllen, auch wenn man Saddam Hussein zum neuen Hitler stilisierte. Dass die Auseinandersetzung dadurch nicht nur moralisch, sondern auch militärisch auf die Ebene des Zweiten Weltkriegs gehoben werden sollte, illustrieren Aussagen wie die des demokratischen Senators und späteren Vizepräsidenten Al Gore im Januar 1991, der irakische Diktator verfüge über mehr Truppen als Hitler »in the early days of World War II«.241 In ähnlich alarmierender Weise wird auch Swofford und seinen Kameraden in Jarhead nach ihrer Ankunft in Saudi-Arabien von ihrem Bataillonskommandeur der Feind beschrieben: »Just north of us, Saddam Hussein’s got one million Iraqi soldiers. And some of these boys have been fighting since you were nine or ten years old. They are tough. They will stop at nothing.« Auf die epische Schlacht, die diese Ansprache erwarten lässt, warten die Soldaten wie die Zuschauer des Films danach aber vergebens. Nachdem ein wochenlanges Bombardement, dem der Irak keine effektive Verteidigung entgegenzusetzen hatte, dessen Streitkräfte bereits erheblich geschwächt hatte, wurden diese schließlich in einer nur wenige Tage dauernden Bodenoffensive von den Koalitionstruppen überrollt – in einigen Fällen im wahrsten Sinne des Wortes. Nach offiziellen Angaben starben im gesamten Kuwaitkrieg 294 amerikanische Soldaten und von diesen nur 114 durch Feindeinwirkung. Die irakischen Verluste können nicht genau beziffert werden, lagen aber auch nach vorsichtigen Schätzungen in den Zehntausenden.242 Der Kuwaitkrieg demonstrierte so die gewaltige Überlegenheit des US-Militärs, insbesondere seiner Luftstreitkräfte. Die Kehrseite dieses Triumphs aber war, dass damit auch die Illusion vom starken Feind zerstört wurde.243 Eben daraus erklärt sich, warum der Feldzug in Filmen so gut wie gar nicht dargestellt wird: Der allzu leicht errungene Sieg bietet kaum Potential für dramatische Geschichten von amerikanischem Heldentum.244 Courage Under Fire muss bezeichnenderweise die Ausnahmesituation einer abgeschossenen und vom Feind einge241 Zitiert nach Dumbrell, »Congress and the Gulf War«, 56. 242 Siehe John G. Heidenreich, »The Gulf War: How Many Iraqis Died?«, in: Foreign Policy 90 (1993), 108-125. Henner Fürtig, »Saddams Irrtum«, in: Damals 48:1 (2016), 10-3, hier: 13, spricht von bis zu 250.000 Toten. 243 Vgl. auch Harle, Enemy With a Thousand Faces, 102, der in diesem Zusammenhang vom »myth of the strong, ›credible‹ external enemy« spricht. Falsch ist allerdings, wie in dieser Arbeit gezeigt, gerade auch deshalb die ebenda aufgestellte Behauptung, »[that] [t]he military success of the Gulf War was a decisive and final contribution to abolishing the shame and trauma caused by the Vietnam war.« 244 In seiner Untersuchung der Darstellung von Kriegen in Computerspielen gelangt Steffen Bender für dieses Medium zu demselben Ergebnis (Virtuelles Erinnern, 206): »Der Verlauf der Bodenoffensive und die drückende Überlegenheit der Koalition bieten […] schlicht kaum Ansatzpunkte für eine dramaturgisch ansprechende Inszenierung in einem Computerspiel.«
Die Rolle der ›Schurkenstaaten‹ | 601
schlossenen Hubschrauberbesatzung kreieren, um die im Titel beschworene Tugend auf die Leinwand bringen zu können. Die große Schlacht wird dagegen nur zu Beginn des Films kurz gezeigt, und dieses Panzergefecht hinterlässt genauso wie der Napalmabwurf später ein eher ungutes Gefühl hinsichtlich der amerikanischen Feuerkraft, der in beiden Fällen auch eigene Leute zum Opfer fallen. Nicht Triumphalismus, sondern Unbehagen ist auch kennzeichnend für die Szenen in Three Kings und Jarhead, in denen die Protagonisten mit den Spuren des vernichtenden Bombenkrieges konfrontiert werden. Gerade die Sequenz, in der Swoffords Einheit auf die verkohlten Überreste von Menschen und Fahrzeugen auf dem berüchtigten ›Highway of Death‹245 stößt, entfaltet eine bedrückende, fast gespenstische Atmosphäre.246 Auseinandersetzungen mit ›Schurkenstaaten‹, das wird am Beispiel des Kuwaitkrieges deutlich, lassen sich nicht in Form großer Schlachtengemälde in Szene setzen, wie es sie zuhauf über den Zweiten Weltkrieg gibt, da sonst unweigerlich die ungleichen Kräfteverhältnisse in den Fokus rücken und dadurch problematische Fragen aufgeworfen werden würden. Die USA in der für den Mythos so wichtigen Rolle des Underdogs zu imaginieren, ist gegenüber diesen Staaten deutlich schwieriger als gegenüber der Supermacht UdSSR. Darin besteht ein wesentlicher Nachteil des neuen Feindbildes. Überdeutlich wird dies an dem Remake von Red Dawn (1984) aus dem Jahr 2012, das statt einer sowjetisch-kubanischen eine nordkoreanische Invasion der Vereinigten Staaten zusammenfantasiert, sich aber in dem Bemühen, dieser Prämisse wenigstens einen Hauch von Glaubwürdigkeit zu verleihen, gezwungen sieht, den Angreifern die Unterstützung durch Russland zuzuschreiben. Um Amerika in heldenhaften Kämpfen größeren Ausmaßes zeigen zu können, bieten sich für Hollywood seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes eigentlich nur noch Gegner aus einer anderen Welt an. Außerirdische Invasoren mit futuristischer Technologie stellen letztlich die einzige überzeugende Möglichkeit dar, die Supermacht mit einer übermächtigen Bedrohung zu konfrontieren und dabei die Kampfkraft des US-Militärs zu feiern. Dies war bereits an Independence Day (1996) als einem prägnanten Beispiel aus den 1990er Jahren zu sehen, aus jüngerer Zeit kann man neben der Fortsetzung Independence Day: Resurgence (2016) etwa Battleship (2012) oder die Transformers-Reihe247 als Beleg anführen. Mit Blick auf die rogue states müssen dagegen Szenarien herhalten, in denen Amerikaner sich einzeln oder in kleinen Gruppen im Feindesland wiederfinden, in
245 So wurde die Straße nach Basra bezeichnet, über die sich die irakischen Truppen aus Kuwait zurückziehen wollten, wobei vermutlich Tausende Menschen durch die massiven Luftangriffe umkamen. 246 Diese Sequenz kann als eine Art ernüchterndes Gegenstück zu der früheren Szene gesehen werden, in der die amerikanischen Soldaten sich vor ihrem Aufbruch nach SaudiArabien bei einer Filmvorführung an dem Hubschrauberangriff in Apocalypse Now (1979) berauschen. Damit rückt der Kuwaitkrieg wiederum in die Nähe des Vietnamkrieges. 247 Bislang Transformers (2007), Transformers: Revenge of the Fallen (2009), Transformers: Dark of the Moon (2011), Transformers: Age of Extinction (2014) und Transformers: The Last Knight (2017).
602 | Der ›Krieg gegen den Terror‹
der Regel als abgeschossene Piloten248 oder im Rahmen eines Kommandounternehmens, etwa zur Ausschaltung von Terroristen oder zur Zerstörung einer Massenvernichtungswaffe.249 Wie paradigmatisch an Behind Enemy Lines: Axis of Evil (2006) zu beobachten, in dem ja mehrfach betont wird, dass Nordkorea im Falle eines Krieges überaus leicht zu besiegen wäre, ermöglichen solche Plots es, auch schwache Feinde als effektive Bedrohungen amerikanischer Helden zu inszenieren. Stellvertretend für die Nation, aber eben unter widrigen Bedingungen und gegen eine Übermacht auf sich allein gestellt, können diese so einen mythoskonformen Kampf gegen das Böse bestehen. So erklärt sich letztlich auch, warum in Iron Eagle (1986) Regierung und Militär trotz des Verweises auf die Entschlossenheit von »Ronnie Raygun« weitgehend untätig bleiben müssen: Nur auf diese Weise kann die Geschichte befriedigend funktionieren und jenes Bild der USA transportieren, um das auch die Reagan-Administration sich so bemühte. Dementsprechend stehen in Three Kings anfangs nicht nur die Motive der USA dem Heldentum der Protagonisten im Weg, sondern entscheidender noch die allzu klare Überlegenheit gegenüber dem Irak. Tatsächlich ermöglicht der Umstand, dass Gates, Barlow, Elgin und Vig bei der Rettung der Aufständischen nicht auf die Unterstützung des gewaltigen Militärapparates zählen können, überhaupt erst, dass sie sich auf dieser Mission endlich als Helden erweisen können. Isoliert von der überwältigenden Macht ihrer Streitkräfte, finden sich die vier Amerikaner gegenüber den irakischen Soldaten in der Rolle des Underdogs wieder und können nun eine Überlegenheit demonstrieren, die nicht auf besseren Waffen oder größerer Zahl, sondern auf persönlichen Eigenschaften beruht. Nicht anders als in vielen Produktionen der 1980er Jahre, etwa den Rambo-Filmen, geht die Wiedergewinnung der moralischen Integrität geradezu zwangsläufig mit dem Wechsel in die Position des Schwächeren einher. Der »ghost of Vietnam« wird so am Ende doch noch gebannt, indem die Amerikaner bei der Befreiung Barlows und der Rettung der Schiiten zu Guerillakämpfern gegen einen besser ausgerüsteten Feind werden und – besonders symbolträchtig – einen Kampfhubschrauber mit improvisierten Mitteln zerstören. Trotz aller Kritik am Kuwaitkrieg zelebriert Three Kings damit am Ende doch den Mythos der regeneration through violence250 und bedient sich dazu des Feindbilds des Iraks als ›Schurkenstaat‹, das dadurch gleichzeitig weiter gestützt wird. Ein »anti-war movie«, wie Shaheen schreibt,251 ist der Film sicher nicht, denn kritisiert wird nicht der Krieg selbst, sondern vor allem dessen unbefriedigender Ausgang, der Saddam Hussein an der Macht beließ und ihm die Aufständischen quasi auslieferte.
248 Als Beispiel hierfür ist neben Courage Under Fire v.a. der in Kap. II.2.2 analysierte Behind Enemy Lines (2001) zu nennen. Zwar wurde Serbien offiziell nie zu den ›Schurkenstaaten‹ gezählt, ein schwacher Feind wie diese war es aber in jedem Fall. 249 Vgl. wiederum die in Bender, Virtuelles Erinnern, 207-20 vorgestellten Szenarien in Computerspielen zu Konflikten nach dem Ost-West-Konflikt. Ein interessanter Fall ist der Film Battle Los Angeles (2011), der das Motiv der kleinen, weitgehend auf sich gestellten Einheit mit dem Szenario einer außerirdischen Invasion kombiniert und dadurch eine noch extremere David-gegen-Goliath-Situation kreiert. 250 Zur Ambivalenz des Endes vgl. auch McCrisken/Pepper, American History, 202. 251 Shaheen, Reel Bad Arabs, 485.
Die Rolle der ›Schurkenstaaten‹ | 603
So betrachtet hätte der 2003 begonnene Irakkrieg für größere Zufriedenheit sorgen müssen, da er zum Sturz des irakischen Diktators führte.252 Begründet wurde dieser Krieg zwar damit, dass eine Bedrohung der USA und der restlichen Welt durch die angeblichen Massenvernichtungswaffen Husseins und seine Verbindungen zu Terroristen gebannt werden müsse, die Administration von George W. Bush stellte daneben aber von Beginn an auch die Befreiung des Iraks als zusätzliche Legitimation ihres Vorgehens heraus, nicht zuletzt indem sie dem Angriffskrieg die offizielle Bezeichnung ›Operation Iraqi Freedom‹ gab. »The long captivity of Iraq will end, and an era of new hope will begin«, versprach der amerikanische Präsident.253 Nach der Entmachtung des Hussein-Regimes sollte eine Demokratie etabliert und das irakische Volk in eine bessere Zukunft geführt werden, ein Ziel, das als Rechtfertigung für den Feldzug umso bedeutsamer wurde, als sich die Anschuldigungen hinsichtlich Massenvernichtungswaffen und Terrorismus als nicht haltbar erwiesen.254 Noch wenige Jahre zuvor hatten sich prominente Mitglieder von Bushs Regierungsmannschaft mehr als skeptisch über die Erfolgsaussichten derartiger Vorhaben geäußert. »Oddly, we seem to have forgotten what Vietnam should have taught us about the limitations of the military as an instrument of ›nation-building‹«, hatte beispielsweise Paul Wolfowitz, seines Zeichens ein eifriger Befürworter des Regimewechsels, den es wohl wie einige andere Neokonservative durchaus reute, die Aufständischen 1991 im Stich gelassen zu haben,255 in einem Aufsatz festgestellt und gewarnt, »[that] post-World War II experiences with Germany and Japan offer misleading guides to what is possible now.«256 Im selben Geiste hatte auch Condoleezza Rice gemahnt: »The president must remember that the military is a special instrument. It is lethal, and it is meant to be. It is not a civilian police force. It is not a poli-
252 Interessanterweise drehte Russell eine Dokumentation über den Irakkrieg – Soldiers Pay (2004) –, die auch einer Neuauflage der DVD von Three Kings beigefügt wurde und deren Standpunkt er in einem Interview mit CNN folgendermaßen zusammenfasste: »[I]s Iraq better off without Saddam? Yes. Is the world better off with this war? Not sure, don’t think so.« Zitiert nach »› Three Kings‹ Director Looks at Iraq War«, http://edition.cnn. com/2004/SHOWBIZ/TV/11/01/soldiers.pay/ (26.08.2013). 253 George W. Bush, »Address to the Nation on Iraq from Cincinnati, Ohio, October 7, 2002«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73139 (18.10.2008). 254 Vgl. z.B. Bushs Ausführungen in seinen Memoiren, u.a. Decision Points, 248: »I’ve always wondered why many critics of the war did not acknowledge the moral argument […]. I understood why people might disagree on the threat Saddam Hussein posed to the United States. But I didn’t see how anyone could deny that liberating Iraq advanced the cause of human rights.« Interessant ist in diesem Zusammenhang natürlich auch, wie ebenda, 226, die Entscheidung Bush Seniors, den Kuwaitkrieg nicht bis zum Sturz Husseins fortzuführen, bewertet wird: »[Dad] had a chance to rid the world of Saddam once and for all. But he stopped at the liberation of Kuwait. That was how he had defined the mission. That was what Congress had voted for and the coalition had signed up to do. I fully understood his rationale.« 255 Siehe dazu Kubbig, »Wolfowitz’ Weltbild verstehen«, 381. 256 Paul Wolfowitz, »Statesmanship in the New Century«, in: Kagan/Kristol (Hg.), Present Dangers, 307-36, hier: 320f.
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tical referee. And it is most certainly not designed to build a civilian society.«257 Nach dem Fall Bagdads 2003 aber erklärte sie als Nationale Sicherheitsberaterin mit mehr als einer Spur von Arroganz: »We’re going to fix the Middle East just the way we fixed Europe after World War II.«258 Solche vollmundigen Ankündigungen erwiesen sich freilich bald als Wunschträume, und wie schwierig es sich gestaltet, den Irakkrieg als Heldenepos à la Zweiter Weltkrieg zu verkaufen, zeigt eindrücklich das Beispiel von Saving Jessica Lynch (2003). Dieser unmittelbar nach der Eroberung des Iraks produzierte Fernsehfilm verarbeitet eine der aufsehenerregendsten Episoden des Feldzuges: Private First Class Jessica Lynch wurde am 23. März 2003 als Angehörige einer Logistikeinheit der US-Armee bei einem Angriff auf ihren Konvoi in Nasiriya verletzt und geriet in irakische Kriegsgefangenschaft. Aus dieser wurde sie am 1. April befreit, als Spezialeinheiten das zivile Krankenhaus stürmten, in dem Lynch untergebracht worden war. Die amerikanischen Medien, angeleitet durch das Pentagon, das unter anderem dramatisch wirkende Videoaufnahmen des Kommandounternehmens an die Presse weitergab, feierten die Neunzehnjährige und ihre Retter enthusiastisch. Der amerikanische Mythos der captivity narrative schien Wirklichkeit geworden zu sein: Eine weiße Frau, noch dazu jung und attraktiv, war den ›Wilden‹ in die Hände gefallen und hatte ein Martyrium durchlebt, war dann aber durch das beherzte Eingreifen amerikanischer Soldaten gerettet worden. Sehr schnell wurde jedoch publik, dass sich nicht alles so abgespielt hatte, wie zunächst berichtet. Lynch selber beklagte, für PR-Zwecke instrumentalisiert worden zu sein, und bestätigte, dass sie von den Irakern gut versorgt worden war. An angebliche Misshandlungen konnte sie sich nicht erinnern. Zu guter Letzt war sie zum Zeitpunkt ihrer vom US-Militär so spektakulär in Szene gesetzten Befreiung nicht einmal bewacht worden; in dem Krankenhaus hatten sich keine irakischen Soldaten aufgehalten.259 Saving Jessica Lynch liefert wiederum eine dramatisierte Version der Ereignisse, die sich maßgeblich auf das Zeugnis von Mohammed Odeh al-Rehaief stützt, dem irakischen Anwalt, der die US-Truppen über Lynchs Aufenthaltsort informierte und der im Zentrum des Films steht.260 Dieser bedient sich der bekannten und in diesem Fall so naheliegenden Muster der frontier-Mythologie,261 aber diese und der durch den Titel evozierte Vergleich mit Steven Spielbergs Saving Private Ryan (1996) und dem dort dargestellten Gemetzel des Zweiten Weltkriegs wecken Erwartungen, die der Film angesichts der allzu leichten, kampflosen Rettung Lynchs am Ende nicht einzulösen vermag. So wird gerade dadurch unfreiwillig offengelegt, wie weit der
257 258 259 260 261
Rice, »Promoting the National Interest«, 53. Zitiert nach Slavin, Bitter Friends, 209. Vgl. Elter, Kriegsverkäufer, 319f; Stockwell/Muir, »Military-Entertainment Complex«. Vgl. »Battle of the Network Docudramas«, in: NYT 07.11.2003. Siehe dazu ausführlich Stacy Takacs, »The Contemporary Politics of the Western: Bush, Saving Jessica Lynch, and Deadwood«, in: Jeff Birkenstein u.a. (Hg.), Reframing 9/11: Film, Popular Culture and the »War on Terror«, New York 2010, 153-63, hier: 154-6.
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Irakkrieg von dem ruhmreichen Kampf gegen Nazi-Deutschland entfernt ist. Die Schwäche des Feindes verhindert eine ernstzunehmende Parallelisierung.262 Bezeichnenderweise wird der Irakkrieg zwar jetzt schon in deutlich mehr Filmen thematisiert als der Kuwaitkrieg, aber diese behandeln durchweg nicht den erfolgreichen Feldzug zu Beginn, sondern den zermürbenden Kleinkrieg nach der Besetzung des Landes. In Produktionen wie dem oscarprämierten The Hurt Locker (2008) erscheint der Irak dabei geradezu zwangsläufig als das, was er für Amerika ursprünglich auf keinen Fall sein sollte: ein neues Vietnam. Gegenüber der Sowjetunion, an deren Stelle sie gemeinsam mit dem Terrorismus als Feindbild getreten sind, haben die sogenannten ›Schurkenstaaten‹ also einen erheblichen Nachteil: Es ist bedeutend schwieriger, sie als glaubwürdige Bedrohungen der Vereinigten Staaten darzustellen, selbst mit ständigen Verweisen auf die Gefahr durch Massenvernichtungswaffen, zumal in den Händen von angeblich irrationalen Führern. Die Schwierigkeiten der Bush-Regierung, internationale Unterstützung für ihren Angriff auf den Irak zu mobilisieren, illustrieren dies auf der politischen Ebene. Die Filme kaschieren dieses Glaubwürdigkeitsproblem vor allem, indem sie auf Szenarien setzen, in denen das Ungleichgewicht bei den Kräfteverhältnissen vorübergehend aufgehoben oder umgekehrt wird. Auf diese Weise kann das Feindbild aufrechterhalten und gepflegt werden. Auffallend ist mit Blick auf die ›Schurkenstaaten‹, dass sie – mit Ausnahme Nordkoreas, das seinerseits in der Tradition der ›gelben Gefahr‹ verortet werden kann263 – durchweg der islamischen Welt zuzuordnen sind, von der scheinbar im Wesentlichen die Bedrohung der Vereinigten Staaten nach dem Ost-West-Konflikt ausgeht. Damit wird sich das letzte Kapitel dieser Arbeit beschäftigen.
262 Besonders frappierend ist das auch deshalb, weil die Befreiung Lynchs auf den ersten Blick eine jener Ausnahmesituationen zu sein scheint, in denen die Rollen vertauscht werden könnten. 263 Siehe dazu Kap. II.3.4.
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Die islamische Welt
3.1 »WHAT IS IT WITH THESE ARABS ANYWAY?«: ALTE FEINDE UND NEUE SORGEN Wie bereits im Zusammenhang mit der ›gelben Gefahr‹ angesprochen wurde, gibt es eine lange Tradition, den Orient als das ›Andere‹ des Westens zu betrachten. Für das westliche Asien reicht diese aufgrund des früheren intensiven Kontakts sogar noch wesentlich weiter zurück, nämlich bis in die Antike, als die griechischen Stadtstaaten sich mit dem persischen Großreich auseinandersetzen mussten. Autoren wie Herodot, Aristoteles oder Hippokrates prägten mit ihren Schriften das Bild eines grundlegenden Gegensatzes zwischen Europäern und Asiaten und schufen diverse Topoi, die in der Folge immer wieder aufgegriffen und variiert wurden. Im Mittelalter erhielt diese Gegenüberstellung dann unter den Bannern der identitätsstiftenden Religionen des Christentums und des Islams eine neue Dimension. In der Aufklärung, die auch die amerikanischen Gründerväter prägte, herrschte zwar ein positiveres Islambild vor, letztlich ersetzte im säkularisierten Zeitalter der moderne Westen aber das Christentum, und die islamische Welt blieb das Gegenbild dazu. Die europäische Expansion und die – direkte oder indirekte – koloniale Herrschaft über große Teile des Orients intensivierten über die gesamte Neuzeit hinweg die Beschäftigung mit dem Fremden und führten zur Ausprägung einer Reihe von Stereotypen, die seither in Europa kursierten und auch nach Amerika vermittelt wurden. Die USA machten darüber hinaus schon früh ihre eigenen Erfahrungen, etwa im Kampf mit den Berberpiraten.1 Es ist weder möglich noch notwendig, diese Entwicklungen hier detailliert nachzuzeichnen.2 Entscheidend ist aber, sich bewusst zu machen, dass es diese Tradition 1
2
Dazu Buhite, Lives at Risk, 1-19. Wie wirkmächtig Muster des Orientalismus waren, kann man exemplarisch daran erkennen, dass auch Spanien im 19. Jahrhundert mit Verweis auf das Erbe der maurischen Herrschaft oftmals nicht als Teil Europas betrachtet wurde. Die Orientalisierung Spaniens diente so zur Konsolidierung der angloamerikanischen Identität und zur Rechtfertigung der Expansion auf Kosten der scheinbar natürlich unterlegenen konkurrierenden Kolonialmacht. Siehe dazu De Guzmán, Spain’s Long Shadow, 69-185. Es liegt angesichts dessen die Vermutung nahe, dass die ›Schwarze Legende‹ grundsätzlich vom Orientalismus, der sich hier so deutlich mit ihr verband, beeinflusst wurde. Einen ausführlicheren Überblick bietet Zachary Lockman, Contending Visions of the Middle East: The History and Politics of Orientalism, Cambridge 2004. Siehe außerdem Peter Heine, Konflikt der Kulturen oder Feindbild Islam: Alte Vorurteile – neue Klischees – reale Gefahren, Freiburg i.Br. u.a. 1996, 15-160.
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gibt und dass die Filme von Beginn an auf deren Bilder und Narrative, insbesondere die Vorstellungen von westlicher Überlegenheit einerseits und tödlicher Bedrohung durch Orientalen andererseits, zurückgreifen konnten. Einen Eindruck davon, wie weit verbreitet negative Bilder gerade von Arabern seit der Stummfilmzeit sind, vermitteln die Arbeiten Jack Shaheens, der Hunderte von Produktionen daraufhin gesichtet und ausgewertet hat. Zwar sind seine Analysen häufig zu oberflächlich, schon weil er darauf fokussiert ist, bestimmte von ihm identifizierte Stereotype nachzuweisen, anstatt einzelne Filme in ihrem Kontext genau zu untersuchen, aber allein aufgrund der Fülle von Hinweisen auf relevantes Material sind seine Arbeiten, insbesondere das enzyklopädische Reel Bad Arabs, für jeden, der sich mit der Materie beschäftigt, von großem Wert.3 Das Interesse Amerikas am Nahen Osten nahm im 20. Jahrhundert durch den Aufstieg des Landes zu einer weltweit agierenden Supermacht, die sich im Konflikt mit dem sowjetischen Imperium befand, zwangsläufig zu, da die geographische Lage und die Ölvorkommen der Region eine enorme wirtschaftliche und strategische Bedeutung verliehen.4 Einen wichtigen Einschnitt markierten dann die 1970er Jahre, in denen mehrere Entwicklungen dafür sorgten, dass die arabischen Länder und Persien immer stärker und in sehr negativer Weise in den Fokus der amerikanischen Aufmerksamkeit rückten. Neben der Bedrohung durch den Terrorismus, die man seit den späten 1960er Jahren rasch wachsen sah, war dies vor allem die Ölkrise, die ausgelöst wurde, als die OAPEC im Kontext des Oktoberkriegs von 1973 die Unterstützer Israels mit einem Embargo belegte, das den westlichen Industriestaaten vor Augen führte, dass ihre Abhängigkeit von dieser Ressource sie in gewissem Maße verwundbar machte. Diese zumindest partielle Umkehrung der gewohnten Machtverhältnisse wirkte als ein Schock, sahen sich die Politiker und Bürger des Westens doch plötzlich unterentwickelten Ländern und deren Potentaten ausgeliefert, die der eigenen Wirtschaft scheinbar nach Belieben schaden konnten. Mit den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens wurde damit ein neues Bedrohungsgefühl verbunden, das in der Rede von der ›Erdölwaffe‹ seinen sinnfälligen Ausdruck fand.5 Dass auch wirtschaftliche Konflikte als eine Art von Krieg und als existentielle Gefahr empfunden werden können, war bereits am Beispiel des Feindbildes Japan zu sehen. Deutliche Parallelen zu diesem Feindbild zeigen sich denn auch in der Furcht davor, dass Amerika von reichen Arabern aufgekauft werden könnte. Während den Japanern aber, trotz aller Vorwürfe, zumeist ein – wenn auch zähneknirschender – 3 4 5
Vgl. in diesem Sinne auch Semmerling, »Evil« Arabs, 3. Siehe hierzu wiederum ausführlich Lockman, Contending Visions, 111-47. Vgl. dazu Ulrich Haarmann u.a., Geschichte der arabischen Welt, München 52004, 490f; Albert Hourani, Die Geschichte der arabischen Völker. Weitererzählt bis zum Arabischen Frühling von Malise Ruthven, übers. von Manfred Ohl u.a., Frankfurt a.M. 2014, 511f u. 515. Reinhard Schulze, Geschichte der islamischen Welt: Von 1900 bis zur Gegenwart, München 2016, 317f. Siehe beispielhaft auch Walter Levy, »Oil and the Decline of the West«, in: Foreign Affairs 58:5 (1980), 999-1015. Es muss in diesem Zusammenhang auch auf die Tendenz hingewiesen werden, die OPEC (und nicht nur die OAPEC) als eine Organisation von Arabern zu betrachten; dazu Jack G. Shaheen, The TV Arab, Bowling Green 1984, 14f.
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Respekt für ihre Leistungsfähigkeit gezollt wurde, wird der auf dem Besitz von Erdöl basierende Reichtum als völlig unverdient dargestellt, da er nicht erarbeitet worden, sondern den jeweiligen Ländern einfach in den Schoß gefallen sei. Diese haben daher scheinbar kein Recht, davon Gebrauch zu machen beziehungsweise ihre kostbaren Ressourcen denjenigen vorzuenthalten (oder überteuert zu verkaufen), die damit wirklich etwas anzufangen wissen und darauf angewiesen sind. Dahinter steht letztlich die unausgesprochene Überzeugung, dass es eben eigentlich gar nicht ›ihr‹, sondern vielmehr ›unser‹ Erdöl (und Erdgas) ist, das ›sie‹ sich quasi widerrechtlich angeeignet haben und nun auch noch gegen ›uns‹ verwenden.6 Gebündelt wurden diese Ängste und die Empörung im Bild des gierigen Ölscheichs, einer Variation des alten Scheich-Stereotyps, die rasche Verbreitung fand.7 Bezeichnenderweise gaben sich FBI-Agenten bei dem Versuch, in der berüchtigten ABSCAM-Operation Ende der 1970er Jahre bestechliche Kongressabgeordnete zu überführen, als arabische Scheichs aus.8 Ein Film, der sich ganz dieser wirtschaftlichen Gefahr aus dem Nahen Osten widmet, ist Rollover (1981), in dem die Araber, wie Tim Jon Semmerling schreibt, als »a menace to the entire human race« gezeigt werden, indem sie sowohl den kapitalistischen Westen als auch den kommunistischen Osten in die Katastrophe treiben.9 Die große Bedeutung des Öls für die negative Sicht auf den Mittleren Osten wird zudem daran ersichtlich, wie dieses in unterschiedlichen Konfliktsituationen immer wieder zum Thema gemacht wird. So wurden etwa während der Geiselkrise mit dem Iran in den USA T-Shirts mit dem Slogan »Don’t Waste Gas, Waste Khomeini« ver6
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Solche Empfindungen kommen mit Blick auf andere Länder etwa auch sehr deutlich in dem am 10. Mai 2006 in der New York Times veröffentlichten Artikel »The Post-Post-Cold War« zum Ausdruck, in dem bedauert wird, dass Länder wie Russland, Venezuela und Iran »thanks only to soaring oil prices« im Aufstieg begriffen seien – anders als China, das »hard work and high savings« vorzuweisen habe – und eine »axis of oil« bildeten, die gefährlicher als der Terrorismus sei. Im Jahr 2004 enthüllten zuvor geheime Dokumente der britischen Regierung, dass die Nixon-Administration während der Ölkrise 1973 tatsächlich eine militärische Besetzung arabischer Ölfelder erwogen hatte; vgl. »Britain Says U.S. Planned To Seize Oil in ’73 Crisis«, http://www.nytimes.com/2004/01/02/world/britainsays-us-planned-to-seize-oil-in-73-crisis.html?_r=0 (25.09.2016). Vgl. zu den Auswirkungen der Ölkrise McAlister, Epic Encounters, 135-9; Steve Bell, »American Journalism: Practices, Constraints, and Middle East Reportage«, in: Michael C. Hudson/Ronald G. Wolfe (Hg.), The American Media and the Arabs (CCAS Studies in Arab-American Relations 1), Washington D.C. 1980, 51-8, hier: 54f; John C. Eisele, »The Wild East: Deconstructing the Language of Genre in the Hollywood Eastern«, in: Cinema Journal 41:4 (2002), 68-94, hier: 72 u. 78; Shaheen, Reel Bad Arabs, 19. In dem Aufsatz »The Arab Image in American Mass Media«, in: Edmund Ghareeb (Hg.), Split Vision: The Portrayal of Arabs in the American Media, überarb. u. erw. Auflage, Washington D.C. 1983, 327-36, hier: 330, beschreibt Shaheen auch das Gesellschaftsspiel »Oil Sheik«, das stereotype Vorstellungen bedient. Vgl. Michael C. Hudson, »The Media and the Arabs: Room for Improvement«, in: Hudson/Wolfe (Hg.), American Media and the Arabs, 91-103, hier: 99f. Der Film American Hustle (2013) verarbeitet diese Episode. Semmerling, »Evil« Arabs, 91; für eine detaillierte Analyse des Films siehe ebenda, 60-92.
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kauft, und ein populärer Song stellte trotzig fest: »They Can Take Their Oil and Shove It«,10 während im Kontext des Kuwaitkrieges T-Shirts »Nuke Their Ass and Take the Gas« forderten11 und zahlreiche Karikaturen Saddam Husseins auf das ÖlMotiv zurückgriffen.12 Bezeichnend ist auch, dass der jugendliche Held in Iron Eagle (1986) während der Rettung seines Vaters aus arabischer Gefangenschaft nicht nur militärische Ziele, sondern auch eine Ölraffinerie zerstört und dies mit einem vergnügten »Looks like they’ll be importing oil this year« kommentiert. Offensichtlich sollen auch damit Rachefantasien des Publikums bedient werden. Die Ölkrise traf das amerikanische Selbstbewusstsein wohl deshalb umso härter, weil es zur selben Zeit schon durch die Niederlage in Vietnam angeschlagen war. Beide Elemente förderten wiederum die Sympathien für Israel. Diese speisten sich nicht nur aus moralischen und religiösen Überzeugungen, sondern überdies aus der Bewunderung für Israels Entschlossenheit und Erfolge im Kampf gegen seine arabischen Gegner. Die militärischen Triumphe, die der von Feinden umgebene kleine Staat beispielsweise im Sechstagekrieg 1967 feierte, oder die Befreiung von Geiseln aus der Hand von Terroristen durch eine spektakuläre Kommandoaktion in Entebbe in Uganda 1976 wirkten als Gegenbild zum Scheitern der Supermacht USA im Kampf gegen ein Land der Dritten Welt.13 Augenfällig ist dies in Black Sunday (1977), einem Meilenstein des nun rasch expandierenden Terrorismuskinos, in dem ein israelischer Held einen verheerenden Anschlag auf den Super Bowl verhindert, den eine palästinensische Terroristin mit der Hilfe eines Vietnamveteranen verüben will. Der Film setzt also paradigmatisch den Gegensatz von mit Vietnam assoziierter amerikanischer Schwäche und israelischer Tatkraft in Szene und zeigt zugleich arabischen Terrorismus als eine Bedrohung der Vereinigten Staaten nicht nur im Ausland, sondern sogar auf eigenem Territorium.14 Als weitere folgenreiche Entwicklung ist zu guter Letzt noch die verstärkte Hinwendung zu Vorstellungen zu nennen, die unter dem Oberbegriff des Islamismus zusammengefasst werden können. Dieser bezeichnet, nach der Definition von Tilman Seidensticker, »Bestrebungen zur Umgestaltung von Gesellschaft, Kultur, Staat oder Politik anhand von Werten und Normen, die als islamisch angesehen werden«.15 Solche Bestrebungen erhielten seit den 1970er Jahren in der islamischen Welt entscheidenden Auftrieb, nachdem sich konkurrierende säkulare Ideologien wie Sozia10 11 12 13 14
Vgl. Naficy, »Mediating the Other«, 81. Vgl. McAlister, Epic Encounters, 241. Vgl. Artz/Pollock, »Limiting the Options«, 128. Siehe hierzu ausführlich McAlister, Epic Encounters, 155-87. Für detaillierte Analysen dieses Films siehe ebenda, 187-92 und v.a. Semmerling, »Evil« Arabs, 93-123; zur Bedeutung des Films vgl. auch Prince, Firestorm, 25-8. Zur Entstehung bzw. zum Bedeutungsgewinn des Terrorismusgenres vgl. außerdem Linda K. Fuller, »Hollywood Holding Us Hostage: Or, Why Are the Terrorists in the Movies Middle Easterners?«, in: Kamalipour (Hg.), U.S. Media and the Middle East, 187-97, hier: 190f; Eisele, »Wild East«, 71 u. 86f. Den Hintergrund hierfür lieferten aufsehenerregende Ereignisse wie eben die Geiselbefreiung in Entebbe oder der Anschlag bei den Olympischen Spielen 1972 in München. 15 Tilman Seidensticker, Islamismus: Geschichte, Vordenker, Organisationen, München 2 2014, 9 (im Original kursiv).
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lismus und arabischer Nationalismus, die etwa von der Baath-Partei vertreten wurden, in den Augen vieler Menschen als nicht erfolgreich erwiesen hatten.16 So begannen sich auch die Begriffe ›Islamist‹ und ›Islamismus‹, die heute in aller Munde sind, in dieser Zeit durchzusetzen.17 In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass der Islamismus im Westen zunächst keineswegs nur kritisch gesehen wurde, weil vor dem Hintergrund des Kalten Krieges die mehr oder weniger stark sozialistisch ausgerichteten, häufig eher der Sowjetunion zuneigenden Regime und Parteien in den arabischen Staaten als das primäre Problem wahrgenommen und deren Schwächung daher begrüßt wurde. Auch Israel stand islamistischen Bewegungen unter den Palästinensern als Gegengewicht zur nationalistischen PLO zunächst wohlwollend gegenüber und förderte diese sogar.18 Vor allem die Unterstützung des Dschihad gegen die Sowjets in Afghanistan zeigt eindrücklich, wie nach dem Prinzip ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund‹ gedacht und gehandelt wurde. An anderer Stelle wurde bereits dargelegt, wie dementsprechend in Filmen wie The Living Daylights (1987) und vor allem Rambo III (1988) die Mudschaheddin als Freiheitskämpfer und Verbündete des Westens glorifiziert wurden. Auch die Adaption von Frank Herberts Science-Fiction-Roman Dune19 aus dem Jahr 1984 kann in diesem Kontext genannt werden, führt der Held hier doch als Messias die Bevölkerung des Wüstenplaneten in den »Jihad« gegen ihre Unterdrücker, allen voran den Baron Vladimir (!) Harkonnen.20 Ereignisse wie die Besetzung der Großen Moschee in Mekka im November 1979, die Ermordung des ägyptischen Staatschefs Sadat 198121 und vor allem natürlich die islamische Revolution im Iran und die anschließende Geiselkrise befeuerten allerdings zur gleichen Zeit einen ganz anderen Eindruck vom Islamismus, nämlich als Ideologie des Terrors. Dieses Bild verfestigte sich in den 1980er Jahren, als der Terrorismus, wie bereits ausführlich dargestellt wurde, zu einem beherrschenden Thema der amerikanischen Politik wie der Kultur avancierte, wobei der Nahe Osten, spätestens als sich im Libanon die Angriffe auf Amerikaner häuften, als Brennpunkt ausgemacht wurde. »The major trend apparent in 1984 was the growing dominance of the Middle East as the crucible of terrorism«, stellte das State Department in seinen Patterns of Global Terrorism fest,22 und die von George H.W. Bush geleitete Task Force vermerkte zwei Jahre später in ihrem Bericht, »[that] [t]he most deadly terror16 Siehe dazu Heinz Halm, Die Araber, 4., aktual. u. erw. Auflage, München 2015, 111-4; Haarmann u.a., Geschichte der arabischen Welt, 497-501; Hourani, Geschichte der arabischen Völker, 541-7, und ausführlich Schulze, Geschichte der islamischen Welt. 17 Vgl. Seidensticker, Islamismus, 12-4. 18 Vgl. Burleigh, Blood and Rage, 385f; Kushner, Terrorism in America, 19; Haarmann u.a., Geschichte der arabischen Welt, 616. 19 Frank Herbert, Dune, Philadelphia 1965. 20 Dass nur auf dem Wüstenplaneten die Droge Spice gewonnen werden kann, die für die interstellare Raumfahrt notwendig ist, kann als Allegorie auf die Ausbeutung des Ölreichtums des Mittleren Ostens interpretiert werden. Es ist allerdings ein für imperialistische Erzählungen typisches Motiv, dass auch der Erlöser (und neue Herrscher) der Eingeborenen von außerhalb kommt. 21 Dazu Schulze, Geschichte der islamischen Welt, 350-4 u. 371f. 22 PGT: 1984, 1.
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ists continue to operate in and from the Middle East«.23 Als Konsequenz wurde dem Kommunismus nun der Islamismus als Quelle des terroristischen Übels beigesellt, beispielsweise durch Fred Ikle, Under Secretary of Defense, in seiner Aussage vor einem Kongressausschuss im Mai 1985: »At present, there are two ideologies that foster terrorism: communism and some forms of Islamic fundamentalism, mostly from Iran and Libya.«24 Besonders prominent wurde diese These auf der zweiten International Conference on Terrorism, die 1984 in Washington abgehalten wurde, sowie in dem anschließend veröffentlichten Tagungsband vertreten.25 Benjamin Netanyahu, dessen nach seinem bei der Kommandoaktion in Entebbe getöteten Bruder benanntes Jonathan-Institut die Konferenz organisiert hatte, schrieb darin: »The collaboration between Marxist und Muslim radicals is not accidental. Modern terrorism has its roots in two movements […], communist totalitarianism and Islamic (and Arab) radicalism. These forces have given terrorism its ideological impetus and much of its material support. Both legitimize unbridled violence in the name of a higher cause, both are profoundly hostile to 26 democracy, and both have found in terrorism an ideal weapon for waging war against it.«
Im Gegensatz zu der Situation in Afghanistan wurden hier also die Islamisten als natürliche Verbündete des Ostblocks dargestellt und damit wiederum das Bild einer geschlossenen Front von Feinden gezeichnet, was ungeachtet früherer Kooperationen von Kommunisten und islamistischen Kräften gegen von beiden als imperialistisch angesehene Regime nicht den Tatsachen entsprach. Im Kino wurde das Publikum nun häufig mit Terroristen aus der islamischen Welt konfrontiert. Viele dieser Produktionen beziehen sich dabei auf reale Ereignisse wie Anschläge und Geiselnahmen, die sie zum Teil reinszenieren, aber auch so umschreiben, dass die Amerikaner hier jene Triumphe über ihre Feinde nachholen können, die ihnen in der Realität versagt geblieben waren. Ein Paradebeispiel für dieses Muster ist The Delta Force (1986), der das 17-tägige Geiseldrama um Flug TWA 84727 – im Film ATW 282 – im Jahr 1985 verarbeitet. Etliche Details, die den Zuschauern aus der Berichterstattung über die Entführung der Maschine bekannt sein konnten,28 werden hier aufgegriffen, wie zum Beispiel der dritte Terrorist, der am Flughafen in Athen aufgehalten wird und es nicht in die Maschine schafft, die aus Deutschland stammende Stewardess, die sich für die Passagiere einsetzt,29 und die Ermordung eines Navytauchers, den die Terroristen für einen Marine halten. Auch die Orts- und Zeitangaben, die immer wieder eingeblendet werden, suggerieren eine Art von dokumentarischer Authentizität. Report of the Vice President’s Task Force, 2. International Terrorism, Insurgency, and Drug Trafficking, 239. Netanyahu (Hg.), Terrorism. Vgl. hierzu auch McAlister, Epic Encounters, 216-23. Netanyahu, »Defining Terrorism«, 11f. Siehe dazu Martin/Walcott, Best Laid Plans, 161-202; Buhite, Lives at Risk, 195; Kushner, Encyclopedia, s.v. »TWA Flight 847«. 28 Vgl. die entsprechenden Artikel im Magazin Time vom 24.6.1985, 1.7.1985 und 15.7.1985. 29 Uli Derickson, deren Pendant im Film Ingrid heißt und von Hanna Schygulla gespielt wird. Der wenige Jahre später entstandene The Taking of Flight 847 (1988) macht Derickson zu seiner Protagonistin. Siehe dazu Cettl, Terrorism in American Cinema, 251f.
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Tatsächlich geht es dem Film aber in den entscheidenden Punkten gerade nicht um eine exakte Rekonstruktion des Geschehens, sondern darum, »national revenge fantasies«30 umzusetzen. In der Realität wurde die Freilassung der Geiseln schließlich im Austausch gegen mehrere Hundert von Israel gefangen gehaltene Schiiten erreicht – ein Vorgang der, auch wenn die USA nicht selbst Häftlinge freigeben mussten, schlecht zur markigen Rhetorik der Reagan-Administration und dem ständig betonten Grundsatz, nicht mit Terroristen zu verhandeln, passte. Im scharfem Kontrast dazu versprach schon die Werbung für The Delta Force: »They don’t negotiate with terrorists… they blow them away!«31 Der Film löst also auf der Leinwand das Versprechen der amerikanischen Regierung ein, indem er im Finale eine heroische Rettungsaktion der titelgebenden Spezialeinheit mitten in Beirut zeigt. In der Realität war ein solcher Einsatz schon wegen des taktisch geschickten Verhaltens der Entführer nicht möglich,32 in der Fiktion dagegen kann nichts und niemand die Elitesoldaten unter der Führung von Colonel Alexander (Lee Marvin) und Major McCoy (Chuck Norris) aufhalten, die sämtliche Verstecke der Terroristen stürmen und die letzten Geiseln aus einem Konvoi befreien, der sich bereits auf dem Weg in den Iran befindet – »slaughtering Arabs not only at will but also with some pleasure«, wie die New York Times treffend bemerkte.33 Als einer der Terroristenführer angesichts der Tatsache, dass sein Hauptquartier von den Amerikanern eingenommen worden ist, per Funk zu verhandeln versucht, antwortet McCoy auf die flehende Frage, ob er ihn höre: »Loud and clear« und zerschießt dann demonstrativ das Funkgerät. Am Ende entkommt keiner der Schurken seiner gerechten Strafe – sprich dem Tod –, während alle Geiseln gerettet werden. Damit gelingt auf fiktionaler Ebene eine gleich dreifache Wiedergutmachung, nicht nur für das Ausbleiben einer entsprechenden Lösung im Fall der Entführung von TWA 847, sondern auch für die noch demütigenderen Erfahrungen des gescheiterten Versuchs, die Geiseln aus der Botschaft in Teheran zu befreien, und der Niederlage in Vietnam. Bezeichnenderweise beginnt The Delta Force nämlich mit dem Desaster der Operation Eagle Claw in der iranischen Wüste, wo es zu folgendem Dialog kommt: McCOY: »We told them it’s too dangerous to launch this operation at night.« ALEXANDER: »They thought their plan was better.« McCOY: »I spent five years in Vietnam watching them do the planning... and us the dying.«
Damit wird der spätere Triumph als ein weiteres Gegenbild der Reagan-Ära zum Versagen früherer Zeiten präsentiert, wobei dieses Versagen wie so oft nicht genau bestimmten Führungskräften angekreidet wird, sodass der Eindruck entsteht, die Soldaten wären ohne deren Einmischung erfolgreich gewesen. Dass McCoy, der nach dem Iran-Debakel frustriert aus dem Dienst ausgeschieden ist, für die Rettungsopera30 So Roger Ebert in seiner nichtsdestotrotz positiven Kritik »The Delta Force« auf http:// rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19860214/REVIEWS/602140301/102 3 (17.11.2008). 31 Zitiert nach http://www.imdb.com/title/tt0090927/taglines?ref_=tt_stry_tg (19.08.2015). 32 Vgl. Adams, Financing of Terror, 76f; Walcott/Martin, Best Laid Plans, 182f. 33 »The Delta Force«, in: NYT 14.02.1986.
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tion zurückkehrt, symbolisiert einmal mehr die Wiedergeburt Amerikas als starke Nation in den 1980er Jahren. Gerade in diesem Zusammenhang ist es natürlich auch bedeutsam, dass die Terroristen, in deren Hauptquartier in Beirut an nahezu jeder Wand Khomeini-Bilder hängen, vom Iran unterstützt werden. »We just received a message from Khomeini […]. The Ayatollah will welcome you and your hostages«, erklärt Terroristenführer Jamil dem Flugzeugentführer Abdul (Robert Forster) und schickt ihn mit einem Konvoi los, der durch Syrien in den Iran fahren soll. Indem McCoy und seine Männer diesen noch rechtzeitig aufhalten, verhindern sie also eine Wiederholung der Geiselkrise von Teheran und erreichen auch über das Mullah-Regime einen nachträglichen Sieg.34 Die Verbindung mit dem ›Schurkenstaat‹ Iran charakterisiert die Terroristen dabei als Stoßtruppen einer von dort ausgehenden islamistischen Bedrohung, was noch durch den immer wiederkehrenden Ausruf »Allahu Akbar« (»Gott ist groß«) unterstrichen wird. Zugleich präsentieren sie sich jedoch auch als Vorkämpfer der kommunistischen Weltrevolution, vor allem in Abduls Ansprache an die Passagiere, nachdem er und sein Komplize die Kontrolle über das Flugzeug übernommen haben: »I’m a member of the New World Revolutionary Organization. We have declared war against the American imperialists, Zionists, terrorists, and all other antisocialist atrocities.« Die Terroristen repräsentieren also beispielhaft jene unheilvolle, gegen den Westen gerichtete Allianz zwischen Islamismus und Kommunismus, vor der etwa auch Netanyahu zur selben Zeit warnte. Hier verschmelzen die Ideologien sogar in ein und derselben Person. Unterstützung gegen diesen gefährlichen Feind erhalten die Amerikaner von den Israelis, die ihnen bei der Vorbereitung der Kommandoaktion helfen und sich am liebsten auch direkt an dieser beteiligen würden. »Well, you boys have done it before. Now it‘s our turn«, kommentiert Alexander diesen Wunsch und spielt damit offensichtlich auf die Operation in Entebbe an. Eine Parallele zu dieser zeigt sich dann später auch darin, dass die amerikanischen Soldaten – so wie die Israelis seinerzeit mit Jonathan Netanyahu – nur einen einzigen Gefallenen zu beklagen haben, dessen Tod dementsprechend als Heldenopfer melodramatisch inszeniert wird. Die Amerikaner eifern in The Delta Force also den für ihr entschlossenes Durchgreifen bewunderten Israelis nach und ersetzen so, mit deren Hilfe, eine unbefriedigende Verhandlungslösung durch einen militärischen Triumph. Mit einem ähnlichen Szenario wartet Death Before Dishonor (1987) auf, den der Kritiker der Washington Post deshalb auch als »the poor man’s ›Delta Force‹« bezeichnete.35 Dieser Film spielt in einem Fantasiestaat namens Jemal, hinter dem aber unschwer der Libanon als Vorbild zu erkennen ist. Zwar wird nicht ein bestimmtes Ereignis so explizit wie in The Delta Force aufgegriffen, die gezeigten Geschehnisse wie Entführungen und die Zerstörung der amerikanischen Botschaft durch ein Selbstmordattentat evozieren aber wiederum bewusst die Erinnerung an reale Angriffe.36 Da der bekannteste und verheerendste von diesen die Attacke auf das Quartier 34 Die realen Geiseln von TWA 847 kamen dagegen auch aufgrund des Einflusses von Syrien und Iran frei. Vgl. Walcott/Martin, Best Laid Plans, 196-202. 35 »Death Before Dishonor«, in: WP 23.02.1987. 36 Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 243, gibt den Inhalt des Films falsch wieder.
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der Marines 1983 war, ist es nur passend, dass der Held des Films ein Sergeant dieser Truppengattung ist: Jack Burns (Fred Dryer), der unter anderem dadurch charakterisiert wird, dass in seinem Büro ein Bild von John Wayne in seiner ikonographischen Rolle als Sergeant John Stryker in dem Zweiter-Weltkrieg-Film Sands of Iwo Jima (1949) zu sehen ist, mit dem er sich offensichtlich in eine bestimmte Tradition stellt. »In a world of compromise, he wouldn’t«, verkündeten die Filmplakate programmatisch, und: »They attacked his embassy, kidnapped his commanding officer and assassinated his men. Now, Sergeant Jack Burns must take foreign policy into his own hands.«37 Als ein weiterer prototypischer hard-body-Actionheld der 1980er Jahre lässt sich Burns auch vom Einspruch von Bürokraten – hier des Botschafters – nicht davon abhalten, das Richtige zu tun, und wird so zum Leinwandrächer der gebeutelten USA.38 Prädestiniert ist er dazu nicht zuletzt durch eine Sicherheit im moralischen Urteil, die auf den unvoreingenommenen Betrachter arrogant wirkt, die der Film aber als Ausdruck amerikanischer Überlegenheit preist. Deutlich wird dies in Burns’ Auseinandersetzungen mit der Journalistin Ellie Baumann (Joanna Pacula), die Kontakte zu den Terroristen unterhält. ELLIE: »Are you the kind of person who knows exactly what’s right and what’s wrong?« BURNS: »Yes.« ELLIE: »Well, perhaps you ought to […] [e]xplain all the complexities of the Middle East for my readers.« BURNS: »Yeah, might be a big improvement.« ELLIE: »People you call terrorists feel they’re on a mission from God. A mission to save their homeland from foreigners who neither respect nor understand. They call themselves good people.« BURNS: »Bullshit! Let me tell you about your good people! They use men, women and children of all ages to fight their wars. And right now they’re using you, Miss Baumann. Somehow, I think you like it. Do me a favor and tell your terrorist friends this: Don’t get us mad!«
Der Vorwurf, dass die Medien sich von Terroristen manipulieren lassen und diesen damit helfen, ist schon aus anderen Terrorismusfilmen wie Nighthawks (1981) vertraut. Auch The Delta Force schlägt in diese Kerbe, wenn in einer Szene gezeigt wird, wie der Pilot des entführten Flugzeugs mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen wird, vor Journalisten Aussagen im Sinne der Geiselnehmer zu machen. In Death Before Dishonor erhält diese Thematik aber noch deutlich mehr Gewicht, da Ellie eine der zentralen Figuren des Films ist. Sie erscheint in der Tat lange Zeit als eine Art Komplizin der Terroristen, die sie Forderungen überbringen lassen und ihr Zugang zu ihrem Lager gewähren, weil sie darauf vertrauen, durch ihre Berichterstattung Sympathien zu gewinnen. So erklärt der Anführer der Terroristen (Rockne Tarkington) in einer Szene, dass ihre Fotos von Opfern in den Flüchtlingslagern der ›Sache‹ sehr geholfen hätten.
37 Vgl. das Inlay der DVD-Ausgabe von Anchor Bay Entertainment aus dem Jahr 2001. 38 »It’s not just a job. It’s a vendetta«, lautete ein weiterer Werbeslogan. Vgl. das Cover ebenda.
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Hierbei handelt es sich wohl um eine Anspielung auf das Massaker, das christliche libanesische Milizen im September 1982 in den palästinensischen Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila verübten, ein Vorfall, der auch heftige Kritik an den Israelis nach sich zog, die zugelassen hatten, dass ihre Verbündeten vor ihren Augen – die israelische Armee hatte die Lager umstellt – einen Massenmord an Zivilisten begingen.39 Der Film diskreditiert die Berichterstattung über solche Vorfälle als Unterstützung von Terrorismus, was ihm insofern leicht fällt, als die angesprochenen Flüchtlingslager hier nie zu sehen sind, während die Bösartigkeit der Terroristen dem Zuschauer permanent vor Augen geführt wird. Schließlich werden sie auch als diejenigen gezeigt, die aus dem Leid der Opfer auf ihrer Seite politisches Kapital schlagen, diese also auf zynische Weise missbrauchen. In diesem Sinne charakterisierte Charles Krauthammer während des Kuwaitkrieges die Strategie Saddam Husseins als »one the Palestinians have perfected over the last decade: provoke a fight, lose the fight, pile up the bodies and invite the press. That was the story of the Lebanon war of 1982, a war that the Palestinians provoked with years of unrelenting attack on civilians in northern Israel and which 40 they won politically by successfully playing victim when Israel struck back.«
Der Hinweis auf die Flüchtlingslager legt nahe, dass es sich bei den Terroristen im Film um Palästinenser handelt,41 während die dargestellten Attacken eher an die der Hisbollah erinnern. Deutlich wird in jedem Fall, die islamistische Ausrichtung der Gruppe, die bei einer Demonstration vor der US-Botschaft Khomeini-Bilder schwenkt und deren Anführer den programmatischen Namen Jihad trägt.42 Sie arbeitet aber auch mit anderen Terroristen zusammen, Gavril (Muhamad Bakri) und Maude (Kasey Walker). Maudes Nationalität bleibt unklar,43 ebenso die ihres Partners, der aber ein Araber zu sein scheint, auch wenn er nicht direkt zu der Gruppe um Jihad gehört und sich von dieser äußerlich deutlich unterscheidet. Er und Maude verkörpern den Typ des international agierenden ›terroristischen Superstars‹ wie Wulfgar in Nighthawks. Erwähnung findet darüber hinaus ein – vom Mossad getöteter – deutscher Terrorist namens Hans Kruger. Die Schurken stellen also auch in diesem Film eine Art ›terroristische Internationale‹ aus Islamisten und Linken dar, die offensichtlich durch ihren Hass auf Amerika und seine Verbündeten sowie einen ausgeprägten Sadismus geeint wird. Diesen offenbart etwa Maude nicht nur beim Foltern von Gefangenen, sondern auch wenn sie eine Katze unter eine Gruppe von Tauben wirft. Hilfe gegen diese finsteren Gestalten erhält der amerikanische Held wiederum von Israelis, die sich auch am Angriff auf das Lager der Terroristen am Ende beteiligen und sich dabei von dem Kräfteverhältnis von 1:5 unbeeindruckt zeigen: »For an 39 Eine eindrucksvolle Aufarbeitung des Massakers aus der Perspektive der israelischen Soldaten ist Ari Folmans Vals Im Bashir (Waltz with Bashir, 2008). 40 »Bombing Baghdad No Cause for Guilt«, in: WP 14.02.1991. 41 So ordnet sie auch Shaheen, Reel Bad Arabs, 153, ein. 42 Möglicherweise soll die Gruppe den Islamischen Dschihad, eine Splittergruppe der Hisbollah, darstellen; dazu Kushner, Encylopedia, s.v. »Hezbollah« u. »Islamic Jihad«. 43 Shaheen, Reel Bad Arabs, 153, bezeichnet sie als Deutsche, belegt dies aber nicht und gibt ihren Namen irrtümlich mit Sonia an.
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Israeli that makes it about even.« Im finalen Kampf werden dann alle Bösewichte getötet, und Burns’ entführter Colonel (Brian Keith) wird ebenso gerettet wie Ellie. Diese hat sich nämlich zuvor als Mossad-Agentin entpuppt, die sich nur als Journalistin ausgibt, um Zugang zu den Terroristen zu erhalten. Ihre Tarnung fliegt jedoch auf, als sie gegenüber Maude, die sie von einer früheren Begegnung wiedererkennt, behauptet, die Geliebte des deutschen Terroristen Kruger gewesen zu sein – in Wirklichkeit war dieser aber ein pädophiler Homosexueller, was einmal mehr die völlige Verderbtheit der Terroristen illustriert. Ellie dagegen wird schlussendlich also keineswegs als »a traitor to her country and representative of the liberal media (CNN) in general« gezeigt, wie Robert Cettl schreibt,44 auch wenn dies eine Zeit lang so scheint. Tatsächlich wird gerade dadurch, dass sich dieses Auftreten als Fassade herausstellt, die Sache der Terroristen noch einmal nachhaltig diskreditiert, da die einzige Figur, die zuvor Verständnis und Sympathie für sie gezeigt hat, dies zu keinem Zeitpunkt ernst gemeint hat. Damit ist endgültig klar, dass Burns mit seiner Einschätzung Recht gehabt hat: Richtig und falsch, gut und böse sind auch im Nahen Osten ganz einfach zu unterscheiden. In scharfem Kontrast zu dieser Sichtweise steht The Little Drummer Girl (1984), die Adaption eines Romans von John Le Carré.45 Hier wird die amerikanische Schauspielerin Charlie (Diane Keaton), die eigentlich mit den Palästinensern sympathisiert, vom israelischen Geheimdienst rekrutiert, der mit ihrer Hilfe den Terroristen Khalil (Sami Frey) zur Strecke bringen will, was am Ende auch gelingt. Bemerkenswert macht den Film nicht dieser Plot, der auch das Grundgerüst einer weiteren stereotypen Erzählung über die Bedrohung der zivilisierten Welt durch arabische Bombenleger sein könnte, sondern seine Ausführung, die sehr um eine ausgewogene Darstellung beider Seiten bemüht ist. Damit blieben die Filmemacher ihrer Vorlage treu, wie Regisseur George Roy Hill erklärte: »The book shows the Palestinians for the first time in a human light. Up until then, they were seen as bloodthirsty monsters.«46 The Little Drummer Girl zeigt sie dagegen als Täter und Opfer zugleich, stellt die terroristischen Angriffe dar, spart aber auch nicht die dahinterstehenden Motive wie die brutale Vertreibung aus der eigenen Heimat aus. Die Palästinenser sind hier weder religiöse Fanatiker noch gleichgesinnte Verbündete der Kommunisten. Ihre Zusammenarbeit mit Gruppen wie den Roten Brigaden und der RAF, die sie selbst verachten, betrachten sie als reine Notwendigkeit. Zudem wird auch die Gewalt ihrer israelischen Gegenspieler nicht heroisiert, von denen zumindest manche Zweifel an ihrem eigenen Handeln hegen. Personifiziert sind diese vor allem in Joseph/Gadi (Yorgo Voyagis), der Charlie rekrutiert, am Ende aber – ganz anders als Burns in Death Before Dishonor – gesteht: »I don’t know much anymore of what’s right and wrong.« Tatsächlich wurde dem Film attestiert, die Israelis in ein schlechteres Licht zu rücken als der Roman, vor allem durch Veränderungen am Charakter des Geheimdienstoffiziers Kurtz und dessen Besetzung mit dem deutschen Schauspieler Klaus Kinski, der Kinobesuchern in erster Linie als Darsteller von Bösewichten oder zumindest problematischen Figuren bekannt war.47 Dem kann man allerdings entge44 45 46 47
Cettl, Terrorism in American Cinema, 95. John Le Carré, The Little Drummer Girl, London 1983. Zitiert nach »Is ›Drummer Girl‹ Political?«, in: NYT 14.10.1984. Vgl. ebenda; zu Kinski auch Grenier, Capturing the Culture, 194.
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genhalten, dass auch die Zeichnung der Palästinenser nicht gänzlich frei von stereotypen Elementen ist, insbesondere bei dem als »Gucci terrorist« charakterisierten Michel, der Frauen aus dem Westen verführt und diese dann – zum Teil wohl ohne ihr Wissen – für Anschläge missbraucht. Zwar benutzen auch die Israelis Charlie für ihre Zwecke, sie sprengen sie aber nicht mit einer Bombe in die Luft, sondern retten am Ende des Films ihr Leben, wodurch The Little Drummer Girl an entscheidender Stelle doch eine deutliche Parallele zu plumpen Actionfantasien wie The Delta Force aufweist.48 Auch dass Khalil ausgerechnet auf den Vortrag eines israelischen Wissenschaftlers, der sich für den Frieden einsetzt, einen Anschlag verüben will, zeichnet ihn nicht gerade als Sympathieträger aus, sondern zeigt ihn als jemanden, der Gewalt als das einzige Mittel seines Kampfes ansieht und deshalb auch geradezu zwangsläufig selbst getötet wird. Der Film endet zudem mit einem Sieg der Israelis über die palästinensischen Terroristen, was nach den Gesetzmäßigkeiten des Kinos und speziell dieses Genres trotz aller Ausgewogenheit letztlich als Positionierung zu ihren Gunsten verstanden werden kann. In diesem Sinne beschrieb Regisseur Hill auch die Reaktionen jüdischer Zuschauer bei Testvorführungen.49 Nichtsdestotrotz rief das Bemühen, »grievances and excesses of Israelis and Palestinians alike«50 abzubilden, kontroverse Reaktionen hervor. Während manche Rezensenten es positiv vermerkten,51 gab es auch heftige Kritik wie die von Richard Grenier, der von »America’s first forthrightly anti-Israel movie« sprach.52 Derartige Vorwürfe hatte Le Carré schon bei der Veröffentlichung seines Romans vorhergesehen: »I am pretty sure that I am going to attract a great deal of flak, particularly in the States, for even suggesting there is anything to put in the Palestinian balance.«53 Die Palästinenser, so meinte er, hätten in den USA nie »a fair hearing« bekommen.54 In der Tat zeigen auch diverse Meinungsumfragen aus der Zeit sehr deutlich nicht nur die Sympathien für Israel, sondern auch die feindseligen Gefühle vieler Amerikaner gegenüber der PLO.55 Es ist durchaus wahrscheinlich, dass dies zum schlechten Abschneiden des Films an den Kinokassen beitrug, wo er nur 7,8 Millionen Dollar einspielte – nicht einmal halb so viel wie The Delta Force.56 48 Vgl. auch die Analyse des Romans bei McAlister, Epic Encounters, 224: »Although le Carré’s tale was a complicated meditation on the moral complexities of violence, it was also something much simpler: a detailed exegesis of the elements of a successful rescue attempt.« 49 »Is ›Drummer Girl‹ Political?«, in: NYT 14.10.1984. 50 Shaheen, Reel Bad Arabs, 301. 51 Siehe z.B. »Daring ›Drummer‹ «, in: WP 19.10.1984; »› Drummer Girl‹ Humms Along«, in: WP 19.10.1984. 52 Grenier, Capturing the Culture, 194. 53 Zitiert nach »In the Theater of Deeds«, in: Time 14.04.1983. 54 »Is ›Drummer Girl‹ Political?«, in: NYT 14.10.1984. 55 Siehe z.B. IIPO, 1982-1983, 235 u. 255; IIPO, 1985-1986, 230; IIPO, 1986-1987, 246f; vgl. auch Slade, »Image of the Arab«, 150 u. 153. 56 Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0087629/business u. http://www.the-numbers.com/ movies/1984/0LDRG.php (18.06.2007). The Delta Force spielte knapp über 17 Millionen Dollar ein, Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0090927/business u. http://www.the-num bers.com/movies/1986/0DEFO.php (18.06.2007).
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In jedem Fall blieb The Little Drummer Girl eine Ausnahme. In etlichen anderen Filmen traten dagegen gute Amerikaner gegen abgrundtief böse Araber an und bestraften diese für ihre Untaten, so zum Beispiel in den programmtisch betitelten Code Name Vengeance (1987) und Ministry of Vengeance (1989). Zwar erscheint in diesen auch die CIA in einem schlechten Licht, und es wird Kritik an einer opportunistischen Außenpolitik der USA geäußert; dass der Held weitgehend auf sich allein gestellt auch gegen Widerstände und sogar Verrat im eigenen Staatsapparat handeln muss, ist aber, wie mittlerweile deutlich geworden sein sollte, ein typisches Erzählmuster, das nicht mit grundsätzlicher Kritik an Amerika verwechselt werden darf. Im Fokus steht jeweils der Kampf des moralisch integeren Amerikaners gegen die arabischen Schurken, deren Grausamkeiten viel Raum einnehmen, etwa wenn in Code Name Vengeance, der in einem fiktiven nordafrikanischen Staat spielt, offenbar aus purer Mordlust heraus das Personal und die wehrlosen Patienten eines Krankenhauses massakriert werden. In Ministry of Vengeance muss der Protagonist, ein Pfarrer,57 zu Beginn erleben, wie seine Frau und seine Tochter bei einem Anschlag in Rom brutal ermordet werden, und begibt sich daraufhin auf einen Rachefeldzug, der ihn in den Libanon führt. Zur Vorbereitung trainiert er in einem Söldnercamp, das von dem Colonel geleitet wird, unter dem er in Vietnam gedient hat. Zum Training gehört hier unter anderem das Schießen auf Zielscheiben mit den Konterfeis sowjetischer Soldaten und arabischer Terroristen. Das ist keine Überzeichnung des Films: Wie James Gibson berichtet, gehörten solche Schießübungen auch zum Programm der Messen des Söldnermagazins Soldier of Fortune.58 In Navy Seals (1990) stehen dagegen, wie in The Delta Force, wieder die Heldentaten einer regulären Spezialeinheit im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, repräsentiert durch eine fiktive schiitische Organisation namens al-Shuhada, die mit der Hisbollah in Verbindung gebracht wird, im Mittelpunkt. Höhepunkt ist auch hier ein waghalsiger Einsatz mitten im bürgerkriegsgeplagten Beirut, bei dem gestohlene Stingerraketen zerstört werden müssen, mit denen die Dschihadisten bereits ein Flugzeug abgeschossen haben – nicht zuletzt aufgrund der Lieferung ebendieser Waffen an die Mudschaheddin in Afghanistan ein interessantes Szenario. Auch dieser Film kritisiert das Verhalten der Medien, verkörpert durch eine Fernsehjournalistin mit libanesischen Wurzeln, die vom Kommandanten der Elitetruppe mittels moralischer Belehrung dazu bewegt werden muss, ihre Neutralität aufzugeben und sich auf die richtige Seite zu stellen. Filme wie die hier genannten präsentierten den Nahen und Mittleren Osten immer wieder als eine maßgeblich vom Terrorismus geprägte Region. Dies gilt genauso für Cover-Up (1991), auch wenn sich die mysteriöse Terrorgruppe Schwarzer Oktober hier am Ende als Chimäre erweist, die ein amerikanischer Offizier erfunden hat, der durch einen verheerenden Anschlag mit Giftgas einen Krieg der USA gegen die islamische Welt auslösen will. Damit wird zwar ein amerikanischer Einzeltäter zur unmittelbaren Gefahr, es ist jedoch wesentlich, dass dieser mit seinem wahnsinnigen Plan auf realen Terrorismus, speziell die Ermordung seiner Familie bei einem Anschlag in Rom, und die Untätigkeit der Regierung angesichts dessen reagiert. Erst seine Erfahrungen mit dem Nahen Osten haben ihn zum potentiellen Massenmörder 57 Der Filmtitel bezieht sich auf das geistliche Amt des Helden. 58 Gibson, Warrior Dreams, 154.
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gemacht. Insofern legt der Film nahe, »that the socialization to terrorism in the region only serves to create racial antipathy of pathological proportions.«59 Einige Produktionen imaginierten in diesen Jahren auch schon Angriffe nahöstlicher Terroristen in den Vereinigten Staaten selbst, so zum Beispiel William Friedkins To Live and Die in L.A. (1985), der zwar von der Jagd auf einen Geldfälscher handelt, seinen Helden vom Secret Service aber damit einführt, dass dieser ein Selbstmordattentat auf den Präsidenten verhindert. Ganze Anschlagsserien von in die USA eingefallenen Terrorgruppen zeigen Under Siege (1986) und Wanted: Dead or Alive (1987), die Amerika als ausgesprochen verwundbar gegenüber einer existentiellen Bedrohung darstellen. Wie etabliert die Figur des arabischen oder iranischen Terroristen um die Wende von den 1980er zu den 1990er Jahren herum bereits war, sieht man beispielhaft daran, dass der Killer, der in der Verfilmung des John-Grisham-Romans The Pelican Brief (1993)60 im Auftrag eines Geschäftsmannes zwei Richter des Supreme Courts ermordet, als »the Mid-Eastern terrorist known as Khamel« identifiziert wird. Gerade weil dies ein für die Geschichte des Films eigentlich bedeutungsloses Detail ist, wird dadurch deutlich, dass es zu dieser Zeit erstens offensichtlich als naheliegend empfunden wurde, bestimmte Arten von Gewalt in irgendeiner Weise mit dem Nahen und Mittleren Osten in Verbindung zu bringen, und dass man dies zweitens durch eine simple Erwähnung tun konnte, ohne die Notwendigkeit zu empfinden, weitere Erklärungen dafür zu geben.61 Nun kann man das Bild, das sich damit verfestigte, natürlich zunächst einmal als Widerspiegelung der realen Gegebenheiten rechtfertigen. In der Tat gab es ja Terroranschläge, und viele Produktionen bezogen sich, wie zu sehen war, sehr bewusst auf den zeitgeschichtlichen Kontext. In diesem Sinne erwiderte der Hauptdarsteller von Death Before Dishonor, Fred Dryer, als er in einem Interview auf den Vorwurf des »Arab-bashing« angesprochen wurde: »Arabs certainly are doing it [committing acts of terrorism]… Arabs have been found to take part in it. Those are the ones singled out by the news media.«62 Diese Rechtfertigung ignoriert freilich, dass es nicht die Tatsache war, dass arabische Terroristen dargestellt wurden, die problematisch war, sondern die Art und Weise, in der dies in den allermeisten Fällen geschah, nämlich indem ein Feindbild entworfen wurde, das die negativsten Gefühle der Zuschauer anstachelte. Dieses Phänomen war zudem keineswegs auf Filme über Terrorismus beschränkt – im Gegenteil: Ob als säbelschwingende Helfer der Nazis in Raiders of the Lost Ark
59 Cettl, Terrorism in American Cinema, 81. 60 John Grisham, The Pelican Brief, New York 1992. 61 Vgl. hierzu auch, was Robert Cettl in Terrorism in American Cinema, 32, zu dem Film Assault at Ground Zero (1994) feststellt, in dem einheimische Terroristen, die sich dem Islam verschrieben haben, eine Atomwaffenbasis besetzen: »The religion or ideology of Islam is never explored, its mere mention just assumed as a motivation for villainy.« Erschöpfungserscheinungen beim Stereotyp des ›bösen Arabers‹, wie sie Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 243, behauptet, lassen sich nicht feststellen. 62 Zitiert nach Shaheen, Reel Bad Arabs, 154.
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(1981) und Indiana Jones and the Last Crusade (1989)63 oder als bösartige Scheichs in den Jugendabenteuerfilmen The Black Stallion (1979) und The Black Stallion Returns (1983)64, ob als machthungriger Diktator in der Abenteuerkomödie Jewel of the Nile (1985) oder als Drogenhändler in The Hitman (1991), ob in der Kriegskomödie Best Defense (1984) oder in der Agentenkomödie Ishtar (1987), arabische und iranische Schurken tummelten sich in diesen Jahren in einer kaum zu überschauenden Zahl von Filmen quer durch alle möglichen Genres. Häufig erschienen sie dabei zugleich als Bedrohung und als Witzfiguren – wie das ebenso dümmliche wie mörderische Killerkommando, das in Into the Night (1985) eine Blutspur durch Los Angeles zieht, aber schon mit Türen erhebliche Probleme hat. Etliche Produktionen machten Araber oder Muslime zur Zielscheibe für Spott und Verachtung, etwa die Literaturverfilmung The Bonfire of Vanities (1990), in der ein Geschäftsmann vorkommt, der Charterflüge nach Mekka anbietet (in Maschinen, die aus Israel stammen) und in einer Szene eine vermeintlich lustige Anekdote erzählt, deren Pointe ist, dass seine muslimischen Kunden so hinterwäldlerisch sind, dass sie eine Bruchlandung nicht von einer normalen Landung unterscheiden können. Nicht zuletzt die zahlreichen ›Gastauftritte‹ dieser Art in Filmen mit einem ganz anderen Fokus legen ein beredtes Zeugnis von der negativen Sicht auf die islamische Welt und ihre Bewohner ab.65 Bemerkenswert und verstörend ist dabei vor allem der oft unverhohlene Rassismus, der einen deutlichen Unterschied dazu markiert, wie andere ethnische und kulturelle Gruppen zu dieser Zeit dargestellt wurden. Zwar waren, wie in dieser Arbeit an diversen Stellen zu sehen war, auch die filmischen Porträts von Asiaten oder Schwarzen keineswegs frei von Rassismus, dieser wurde jedoch nicht so explizit und offensiv präsentiert wie bei Arabern und Muslimen. Es wäre in den 1980er Jahren etwa völlig undenkbar gewesen, den Helden eines Hollywoodfilms Schwarze als ›Nigger‹ beschimpfen zu lassen; Beleidigungen wie »Ayrab«, »camel-jockey« und »raghead« fielen dagegen in Filmen wie Wanted: Dead or Alive, Navy Seals oder The
63 Vgl. zu diesen Filmen Frank P. Tomasulo, »Mr. Jones Goes to Washington: Myth and Religion in Raiders of the Lost Ark«, in: Film Studies 7:4 (1982), 331-40, hier: 335, u. Shohat/ Stam, Unthinking Eurocentrism, 124f. Im zweiten Teil der Reihe, Indiana Jones and the Temple of Doom (1984), sind es die Inder, die in sehr ähnlicher Weise stereotyp dämonisiert oder infantilisiert werden; siehe dazu ausführlich Kaizaad Navroze Kotwal, »Steven Spielberg’s Indiana Jones and the Temple of Doom as Virtual Reality: The Orientalist and Colonial Legacies of Gunga Din«, in: The Film Journal 12 (2005), http://www.thefilm journal.com/issue12/ templeofdoom.html (13.07.2006). 64 Der zweite Teil wartet neben den Bösewichten auch mit einigen positiven arabischen Charakteren auf, die aber, dem typischen imperialistischen Erzählmuster folgend, auf den amerikanischen Jungen als Retter angewiesen sind, der als Einziger den schwarzen Hengst in einem Rennen durch die Wüste reiten kann, bei dem er alle einheimischen Gegner besiegt. Die zum Teil extrem negative Darstellung der Araber in diesen Filmen ist umso bemerkenswerter, als es sich dabei – wie Jack Shaheen feststellt – in vielen Fällen um Veränderungen gegenüber der Romanvorlage handelt (Reel Bad Arabs, 102-4). 65 Für weitere Beispiele siehe ebenda.
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Hitman immer wieder und zielten offenkundig auf die Zustimmung, ja Genugtuung des Publikums ab.66 Gerade The Hitman ist in dieser Hinsicht äußerst aufschlussreich. Chuck Norris spielt hier den Polizisten Cliff Garrett, der verdeckt zwischen den Fronten mehrerer miteinander rivalisierender Drogengangs agiert, einer italoamerikanischen, einer frankokanadischen und einer iranischen. Diese werden alle als skrupellose Verbrecher gezeichnet, die Iraner sind jedoch eindeutig die entscheidenden Gegenspieler des Helden, die für seinen verräterischen Ex-Partner arbeiten und die anderen Gangster in ihrer Bösartigkeit und Brutalität noch übertreffen (und im Gegensatz zu diesen auch keine Familien oder andere menschliche Bindungen aufweisen). Sie sind zudem die Einzigen, die der Held auch als ethnisch-kulturelle Gruppe attackiert, insbesondere in einer Szene, in der er mehrere von ihnen in einem Restaurant stellt: Er probiert ihr Essen, um es dann demonstrativ auszuspucken und angewidert »You eat this shit?« zu fragen, beschimpft sie als »camel-jockeys«, und nachdem sie erklärt haben, keine Angst zu haben, weil Allah sie beschütze, verprügelt er sie, wie um die Absurdität dieses Glaubens zu beweisen.67 Gleichzeitig verwendet der Film einige Mühe darauf, deutlich zu machen, dass Norris’ Figur kein Rassist ist, indem er ihn in einer Nebenhandlung als Beschützer und Vaterfigur für einen schwarzen Jungen aus seiner Nachbarschaft zeigt, dem er hilft, sich gegen rassistische Anfeindungen zu behaupten. Dieses Erzählmuster folgt mittels Infantilisierung der Schwarzen natürlich selbst einer rassistischen Logik,68 soll Garrett aber als jemanden präsentieren, der frei von Vorurteilen aufgrund von Hautfarbe etc. ist. Der undifferenzierte Hass gegenüber den Iranern kann so vom Zuschauer nicht auf einen charakterlichen Fehler zurückgeführt werden, sondern muss als gerechtfertigt, als angemessene Reaktion auf ihre Taten und ihr ganzes We66 Im Fall von Navy Seals verwendet der von Charlie Sheen gespielte Hawkins tatsächlich auch für Mexikaner und Japaner abwertende Bezeichnungen, womit dies quasi als typisch für seinen auch sonst zu unbeherrschtem Verhalten neigenden Charakter dargestellt wird. Indem Hawkins als guter, aber unreifer und undisziplinierter Kerl gezeichnet wird (im Kontrast zum vom Michael Biehn verkörperten verantwortungsbewussten Anführer der Einheit), können aggressive Beleidigungen eingebaut werden, es gibt aber gleichzeitig die Möglichkeit, sich von diesen zu distanzieren. Allerdings werden Hawkins Ausfälle nie wirklich korrigiert, sogar die halblibanesische Journalistin nimmt sie ohne wirklichen Widerspruch hin und lacht über seine offenherzige Aussage: »I was insulting your heritage and now we’re having dinner.« Einen Reifungsprozess macht Hawkins allenfalls als Mitglied der Einheit, aber nicht hinsichtlich seiner Vorurteile durch, und am Ende des Films ist er der Held, der dem Anführer der Terroristen im Zweikampf die Kehle durchschneidet. 67 In einer anderen Szene des Films foltert ein italoamerikanischer Gangster einen Iraner, indem er ihm Schweinefett in den Mund stopft. Dadurch, dass der Held in diesem Fall außen vor ist und ein anderer Bösewicht dafür verantwortlich zeichnet, hat der Zuschauer die Möglichkeit, diese Szene trotz ihres abstoßenden Charakters zu genießen, ohne sich damit identifizieren zu müssen. 68 Vielsagend ist auch, dass Garrett die Situation des Jungen mit Erfahrungen aus seiner eigenen Schulzeit parallelisiert, als er von einem indianischen Mitschüler drangsaliert wurde, womit negiert wird, dass es sich um ein spezifisches Problem nichtweißer Bevölkerungsgruppen mit einem historisch-gesellschaftlichen Hintergrund handelt.
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sen, akzeptiert werden: Offensichtlich sind sie ohne Ausnahme böse Unmenschen, mit denen man nicht anders umgehen kann.69 Extrem stereotype und rassistische Darstellungen wie diese fanden sich nicht nur in Filmen, sondern auch in anderen Medien wie Werbespots, Romanen und nicht zuletzt Karikaturen.70 So zeigte ein 1982 weit verbreitetes Beispiel PLO-Chef Yasser Arafat als »AraRat« in einer aus einem Davidstern geformten Mausefalle.71 Es ist von einer perversen Ironie, dass proisraelische Statements wie dieses sich einer Bildsprache bedienten, die die antisemitische Hetze des Nationalsozialismus kopierte – man denke an das Bild der Rattenplage im Propagandafilm Der ewige Jude (1940). Gerade das verdeutlicht aber, wie exzeptionell der Umgang mit Arabern und Muslimen war, dass hier Darstellungen möglich waren (und noch bis heute sind), die bei anderen Gruppen als höchst problematisch, wenn nicht schlicht unerträglich empfunden worden wären. Illustrieren lässt sich das sehr gut an einem Zeichentrickfilm, der sich an Kinder beziehungsweise Familien richtet und damit zu einem Genre gehört, das seit den 1980er Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat72 und von dem man gemeinhin harmlose, konsensfähige Unterhaltung erwartet. Disneys Aladdin (1992) war nicht nur ein großer kommerzieller Erfolg,73 er wurde auch von Kritikern durchweg positiv, zum Teil regelrecht enthusiastisch besprochen. »There’s a good chance you’re going to enjoy ›Aladdin‹ more than the children«, versicherte etwa Desson Howe den Lesern der Washington Post und attestierte dem Film »even a little feminist consciousness«,74 seine Kollegin Rita Kempley erklärte Aladdin zu einem der lustigsten Filme des Jahres und jubelte: »Disney quite simply has outdone itself with this marvelous adaptation of the ancient fairy tale.«75 Roger Ebert vermerkte in seiner Be69 Vgl. hierzu auch Jane Campbell, »Portrayal of Iranians in U.S. Motion Pictures«, in: Kamalipour (Hg.), U.S. Media and the Middle East, 177-86, hier: 181f. 70 Siehe dazu Edmund Ghareeb, »A Renewed Look at American Coverage of the Arabs: Toward a Better Understanding?«, in: ders. (Hg.), Split Vision, 157-94, hier: 158; Janice J. Terry, »Images of the Middle East in Contemporary Fiction«, in: ebenda, 315-25, v.a. 316f; George H. Damon, Jr. (unter Mitarbeit von Laurence D. Michalak), »A Survey of Political Cartoons Dealing with the Middle East«, in: ebenda 143-53; G. Neal Lendenmann, »Arab Stereotyping in Contemporary Political Cartoons«, in: ebenda, 345-53; Kathleen Christison, »The Arab in Recent Popular Fiction«, in: Middle East Journal 41:3 (1987), 397-411; Willard G. Oxtoby, »Western Perceptions of Islam and the Arabs«, in: Hudson/Wolfe (Hg.), American Media and the Arabs, 3-12; Allen W. Palmer, »The Arab Image in Newspaper Political Cartoons«, in: Kamalipour (Hg.), U.S. Media and the Middle East, 139-50; Artz/Pollock, »Limiting the Options«. 71 Vgl. Lendenmann, »Arab Stereotyping«, 350 u. 353. 72 Vgl. Peter Krämer, »› The Best Disney Film Disney Never Made‹: Children’s Films and the Family Audience in American Cinema since the 1960s«, in: Neale (Hg.), Genre and Contemporary Hollywood, 185-200. 73 Allein in den USA spielte der Film über 217 Millionen Dollar ein, weltweit waren es mehr als 500 Millionen; Quelle: http://www.imdb.com/title/tt0103639/business u. http://www. the-numbers.com/movies/1992/0LDDN.php (18.06.2007). 74 »Ingenie-ous ›Aladdin‹ «, in: WP 27.11.1992. 75 » › Aladdin‹: A Dream of a Genie«, in: WP 25.11.1992.
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sprechung immerhin »an odd use of ethnic stereotypes«, was ihn freilich nicht davon abhielt, Aladdin als gut (wenn auch nicht großartig) zu bewerten.76 Dagegen sprach Marjorie Baumgarten im Austin Chronicle sogar von einem Film, »that especially seems to have gone out of its way to behave responsibly when it comes to its Arab stereotyping.«77 Diese Einschätzung ist dann doch einigermaßen erstaunlich, denn tatsächlich ist die Darstellung Arabiens und seiner Bewohner in Aladdin mehr als nur stereotyp. Schon der Eröffnungssong Arabian Nights führt den Schauplatz der Geschichte als »a faraway place« ein, »where they cut off your ear / if they don’t like your face. / It’s barbaric, but hey, it’s home.« Diese Charakterisierung wird später besonders eindrücklich in einer Szene unterstrichen, in der die aus dem Palast ausgebüxte Prinzessin Jasmine einem hungrigen Kind einen Apfel gibt, den sie gedankenlos einfach vom Stand eines Straßenhändlers genommen hat, woraufhin dieser ihr sofort die Hand abschlagen möchte. Damit wird eines der zentralen Bilder der Furcht vor dem Islam inszeniert: Dass Diebstahl mit dem Verlust der Hand bestraft wird, wird auch in Nachrichtenmedien oft als Beispiel für die islamische Rechtsordnung der Scharia angeführt, die auf diese Weise als rückständiges System unmenschlicher Strafen definiert wird.78 Der Film suggeriert fälschlicherweise, dass diese schon bei geringfügigsten Vergehen angewandt würden, ja dass ein Akt der Menschlichkeit in einer vom Islam geprägten Welt die brutale Verstümmelung des Helfenden zur Folge hätte.79 Die positiven Figuren des Films, vor allem der Titelheld und die Prinzessin, sind keine Repräsentanten dieser Welt, sondern liegen im Konflikt mit ihr und sind, obwohl Araber, bis auf Kleinigkeiten wie die Kleidung, vollständig amerikanisiert. Dies betrifft ihr Verhalten und die Werte, die sie vertreten, aber auch ihr Äußeres und ihre Sprache. So erscheint der von Robin Williams gesprochene Dschinn in mehreren Szenen als eine Art Entertainer und verwandelt sich nach seiner Freilassung am Ende in einen prototypischen amerikanischen Touristen. Aladdin selbst, den der Dschinn »Al« nennt, zeichnet sich wie Jasmine durch eine hellere Haut als die anderen Figuren und die ›westlichen‹ Züge seines freundlichen, glatt rasierten Gesichts aus. Tat76 »Aladdin« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19921125/REVI EWS/211250301/1023 (14.06.2007). 77 »Aladdin«, in: AC 27.11.1992. 78 In einem Artikel über Libyens Diktator Gaddafi, der am 31.08.1981 in Time erschien (»Dedicated Troublemaker«), hieß es etwa: »A devout Muslim, he […] imposed the Sharia (Islamic law), which can, for example, punish a thief by amputation of a hand.« 79 Vgl. dagegen Matthias Rohe, Das islamische Recht: Eine Einführung, München 2013, 37: »Die vorgesehenen Strafen sind – mit früheren europäischen Rechtsordnungen vergleichbar – drakonisch […]. Allerdings wurden zahlreiche Einschränkungen entwickelt, die der Anwendung solcher Vorschriften insgesamt Schranken gesetzt haben. Mögliche Täter müssen z. B. volljährig sein, und im Einzelnen können Rechtsgründe vorliegen, etwa Notlagen im Falle von Diebstahl. […] Manche Tatbestände werden sehr restriktiv ausgelegt: Koranischer Diebstahl liegt etwa nur vor, wenn das Diebesgut einen erheblichen Mindestwert erreicht und heimlich entwendet wurde.« Rohe klärt auch darüber auf, dass die übliche Gleichsetzung von Scharia und islamischem Recht »verkürzt und falsch ist« (ebenda, 9).
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sächlich wurde er Tom Cruise nachempfunden. Der böse Zauberer Jafar und seine Schergen sind dagegen antisemitische Karikaturen, komplett mit Hakennasen, Bärten und geschwungenen Brauen über stechenden, häufig zu Schlitzen verzerrten dunklen Augen. Darüber hinaus werden sie auch durch deutliche Akzente als ›fremd‹ gekennzeichnet, während die Helden durchweg das dem Publikum vertraute amerikanische Englisch sprechen. Der Film markiert auf diese Weise einen stets präsenten Gegensatz von Gut und Böse entlang kultureller und ethnischer beziehungsweise ›rassischer‹ Trennlinien, ungeachtet der Tatsache, dass die Figuren eigentlich alle aus demselben Kulturkreis stammen.80 Dem Publikum, nicht zuletzt Kindern als der primären Zielgruppe, wird damit das klare Bild vermittelt, dass die eigene fröhliche Welt durch finstere Mächte aus der barbarischen Fremde, namentlich Arabien, bedroht wird.81 Interessenverbände arabischer Amerikaner protestierten gegen diese Darstellung, worauf die Verantwortlichen bei Disney mit Verwunderung und Beschwichtigungen reagierten: »All the characters are Arabs, the good guys and the bad guys, and the accents don’t really connote anything, I don’t think«, erklärte ein Sprecher, der die Kritik als »kind of nit-picky« abtat. Angesichts des überwältigenden Erfolgs des Films sah man sich darin bestätigt: »It’s certainly coming from a small minority […] because most people are very happy with it.«82 Nichtsdestotrotz stimmte Disney schließlich zu, für die Veröffentlichung auf Video minimale Änderungen vorzunehmen: Im Text von Arabian Nights wurden die Zeilen über das Ohrenabschneiden durch weniger verfängliche Aussagen ersetzt. Die zusammenfassende Charakterisierung »It’s barbaric, but hey, it’s home« wurde jedoch beibehalten.83 Das Studio sagte außerdem zu, Gruppen wie das American-Arab Anti-Discrimination Committee in Zukunft schon im Vorfeld relevanter Produktionen einzubeziehen, machte diese Ankündigung in der Folge allerdings nicht wahr.84 Aladdin zeigt beispielhaft, wie verbreitet und akzeptiert es zu Beginn der 1990er Jahre war, Araber und Muslime in einer extrem negativen Weise zu porträtieren und dabei auch auf die alten Muster des Antisemitismus zurückzugreifen, die, nicht gegen Juden, sondern die gleichfalls semitische Gruppe der Araber gerichtet, kaum Wider-
80 Vgl. hierzu auch Giroux, Breaking in to the Movies, 119f; zu rassistischen und sexistischen Mustern auch in anderen Disney-Filmen ebenda, 100-35. 81 Dieses Bild vermittelten auch diverse Fernsehprogramme für Kinder; siehe dazu Shaheen, TV Arab, 21-39; Petra Hesse/John E. Mack, »The World Is a Dangerous Place: Images of the Enemy on Children’s Television«, in: Rieber (Hg.), Psychology of War and Peace, 131-53, hier 134, 138 u. 147; außerdem zu dieser Problematik Robert L. Schrag/Manoocher N. Javidi, »Through a Glass Darkly: American Media Images of Middle Eastern Cultures and Their Potential Impact on Young Children«, in: Kamalipour (Hg.), U.S. Media and the Middle East, 212-21. 82 Zitiert nach »Angry Over ›Aladdin‹: Arabs Decry Film’s Stereotypes«, in: WP 10.01.1993. 83 Auch dieses kleine Zugeständnis fand wiederum nicht nur Beifall, sondern wurde mitunter als »censorship and cowardice« kritisiert – so in einem Leserbrief in der New York Times vom 23.07.1993 in Reaktion auf den Leitartikel »It’s Racist, But Hey, It’s Disney« (ebenda, 14.07.1993). 84 Vgl. Shaheen, Reel Bad Arabs, 52.
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spruch oder Empörung hervorriefen.85 Warum aber war eine derartige Dämonisierung in diesem Fall möglich? Die Geiselkrise im Iran, die Angriffe auf Amerikaner im Libanon, Flugzeugentführungen und andere Vorfälle dieser Art nährten zweifellos Gefühle wie Furcht, Zorn und Hass. Aber das ist keine hinreichende Erklärung. Vielmehr müssen diverse andere Faktoren berücksichtigt werden. Eine wichtige Rolle spielt ohne Frage die Tatsache, dass sowohl Araber als auch Muslime kleine, wenn auch wachsende, Minderheiten in den Vereinigten Staaten waren und sind. Die arabische Einwanderung in die USA begann erst relativ spät, in den 1880er Jahren. 1990 lebten gerade einmal ein bis zwei Millionen Menschen arabischer Abstammung in Amerika – bei einer Gesamtbevölkerung von mehr als 248 Millionen. In der Mehrheit handelte es sich dabei um Christen, die muslimische Zuwanderung nahm erst in den 1990er Jahren deutlich zu.86 Laut Jack Shaheen waren noch 2002 drei Viertel der etwa 3,5 Millionen Araber in den Vereinigten Staaten Christen.87 Unter den amerikanischen Muslimen machen Schwarze einen erheblichen Anteil aus: 35% von ca. 6 Millionen im Jahr 2001.88 Aufgrund ihrer geringen Zahl wurde arabischen wie muslimischen Amerikanern lange Zeit weder von der Politik als Wählergruppe besondere Beachtung geschenkt,89 noch spielten sie als Zuschauer für Hollywood eine besondere Rolle, die zu Rücksichtnahmen gezwungen hätte. Unmittelbaren Einfluss auf das Bild, das Hollywood von ihnen zeichnete, hatten Araber und Muslime erst recht nicht, da sie in der Filmindustrie kaum präsent waren. Zu den wenigen namhaften Schauspielern arabischer Abstammung, die in Hollywood arbeiteten, gehört der für seine Rolle in Amadeus (1984) mit dem Oscar ausgezeichnete F. Murray Abraham, der sich bezeichnenderweise gezwungen sah, seinen Vornamen Farid abzukürzen, um nicht auf die Rolle des »sour Arab out to kill everyone« festgelegt zu werden, wie er in einem Interview erzählte: »As Farid Murray Abraham I was doomed to minor roles.«90 Tony Shalhoub, der als Hauptdarsteller der erfolgreichen Fernsehserie Monk (2002-2009) zu großer Popularität gelangte, ist heute wohl der einzige arabischstämmige Hollywoodschauspieler, den man als Star bezeichnen könnte.91 Dass sich seine Kollegen zumeist mit einer stereotypen Rollenauswahl und Besetzungspolitik – mit Bart bekam man deutlich mehr Arbeit, wer 85 Vgl. dazu ebenda, 5f; Kellner, Media Culture, 86. 86 Vgl. Andrzej Kulczycki/Arun Peter Lobo, »Deepening the Melting Pot: Arab-Americans at the Turn of the Century«, in: Middle East Journal 3 (2001), 459-73. Rainer Prätorius, In God We Trust: Religion und Politik in den U.S.A., München 2003, 157f, macht darauf aufmerksam, dass die Muslime aufgrund der späten Einwanderung einen geringeren Druck verspürten, sich anzupassen, was wiederum das Misstrauen ihnen gegenüber verstärkte. 87 Jack G. Shaheen, »Arab Americans«, in: Rollins (Hg.), American History on Film, 218-24, hier: 218. 88 Zahlen aus Yvonne Yazbeck Haddad, »Muslims in U.S. Politics: Recognized and Integrated, or Seduced and Abandoned?«, in: SAIS Review 21:2 (2001), 91-102; hier: 92. 89 Vgl. ebenda, 91; Kulczycki/Arun, »Deepening the Melting Pot«, 460. 90 Zitiert nach Shaheen, Reel Bad Arabs, 7. 91 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Shalhoub als Maronit zu einer Religionsgruppe gehört, die in den USA gut integriert ist, im arabischen Raum aber wegen ihrer Union mit dem römischen Papsttum oft der Kollaboration mit dem westlichen Imperialismus beschuldigt wird.
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blaue Augen hatte, wurde mitunter abgelehnt – konfrontiert sahen,92 erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass arabische Amerikaner noch seltener in den anderen Berufen der Filmbranche tätig waren, die für solche Entscheidungen verantwortlich zeichneten. Die New York Times konnte 1998 nur einen einzigen Produzenten mit arabischen Wurzeln ausfindig machen.93 Dies steht in scharfem Kontrast zur Situation einer anderen Minderheit: »Despite their small numbers in the United States, Jews have enjoyed an advantage unequalled by any other ethnic group in America – a virtual control over their own self-image on the screen. This was made possible by the great influx of Jewish talent into all areas of film production.«94 Tatsächlich wurden viele der großen Filmstudios von jüdischen Immigranten gegründet, die so von Anfang an einen entscheidenden Anteil daran hatten, Amerikas filmisches Bild von sich selbst und von der Welt zu gestalten.95 Nun ist es alles andere als verwunderlich, dass die vielen jüdischen Filmschaffenden in aller Regel mit Israel sympathisierten, was wiederum ihren Blick auf dessen Feinde prägte. Das hat wohlgemerkt nichts mit einer Verschwörung, mit sinisteren Plänen zur Kontrolle der Medien zu tun. Es ist aber wichtig, sich bewusst zu machen, dass es neben den in der Politik aktiven proisraelischen Lobbygruppen, deren Einfluss immer wieder diskutiert wird,96 in Hollywood schon immer starke Kräfte mit einer dezidiert israelfreundlichen Sicht auf den Nahostkonflikt gab.97 Eine Sonderstellung nahm unter diesen das Studio Cannon ein, das von den israelischen Produzenten Menahem Golan und Yoram Globus gegründet wurde und für eine Reihe von Filmen wie Invasion U.S.A. (1985), The Delta Force und The Hitman verantwortlich zeichnete, die offensichtlich nicht zufällig immer wieder mit Arabern und Muslimen als Bösewichten aufwarteten, die die Vereinigten Staaten bedrohten.98
92 Vgl. dazu »Hollywood Now Plays Cowboys and Arabs«, in: NYT 01.11.1998; Shaheen, TV Arab, 42. 93 »Hollywood Now Plays Cowboys and Arabs«, in: NYT 01.11.1998. 94 Patricia Evens, »Jews in American Cinema«, in: Crowdus (Hg.), Political Companion, 214-23, hier: 214. 95 Siehe dazu Neal Gabler, An Empire of Their Own: How the Jews Invented Hollywood, New York u.a. 1989. 96 Siehe etwa John J. Mearsheimer/Stephen M. Walt, The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy, New York 2007. 97 Vgl. auch Evens, »Jews in American Cinema«, 218f; Evens meint ebenda, 222f, in den 1980ern einen neuen Trend einer ausgeglicheneren Darstellung des Nahostkonfliktes ausmachen zu können, kann dafür aber bezeichnenderweise nur zwei Beispiele – darunter The Little Drummer Girl – anführen. 98 Vgl. Shaheen, Reel Bad Arabs, 6; die Filme von Cannon sind ebenda, 551, gesondert aufgelistet. Eine Sonderstellung unter diesen nimmt The Ambassador (1984) ein, der auch ehrenwerte und friedenswillige Palästinenser und unversöhnliche Israelis zeigt. Nichtsdestotrotz wird der Terrorismus fanatischer Araber, die am Ende ein Blutbad unter den jugendlichen Teilnehmern eines Treffens beider Seiten anrichten, als das entscheidende Hindernis auf dem Weg zum Frieden präsentiert, um den sich der amerikanische Botschafter bemüht, während Israel sich offensichtlich nur verteidigt. Der Film ist somit immer noch deutlich weniger ausgewogen als The Little Drummer Girl.
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Dabei konnten die Filmemacher, wie noch einmal betont werden muss, an die eingangs umrissene sehr lange Tradition dieses Feindbildes anknüpfen. Dass die Dämonisierung in diesem Fall so extreme Formen annehmen konnte, dass offener Rassismus ohne Weiteres akzeptiert oder gar nicht als solcher wahrgenommen wurde, lässt sich zweifelsohne in entscheidender Weise darauf zurückführen, dass die entsprechenden Vorstellungen im Wesentlichen schon seit Jahrhunderten oder sogar Jahrtausenden im Westen kursierten und deshalb besonders fest verankert waren. Diese konnten ganz einfach aktiviert und mit neuen Elementen wie Terrorismus oder Öl verbunden werden. Den alten wie den neuen Stereotypen stand und steht ein eklatanter Mangel an echtem Wissen über den Islam und den Nahen Osten gegenüber, was sie umso wirkmächtiger macht und der »Ausgestaltung eines entsprechenden Feindbildes förderlich« war.99 Schon die häufig anzutreffende Gleichsetzung von Arabern und Muslimen100 ist nur mit Blick auf das frühe Mittelalter angemessen und – wie oben schon zu sehen war – gerade für die USA falsch, auch wenn der Islam die arabische Kultur entscheidend geprägt hat, er in Arabien entstanden ist, seine heiligen Stätten sich dort befinden und das Arabische die Sprache des Korans ist.101 Insbesondere Iraner werden oft als Araber betrachtet,102 was, wie Shelley Slade festgestellt hat, im Gefolge der islamischen Revolution und der Geiselkrise wohl auch zu verstärkter Feindseligkeit vieler Amerikaner Letzteren gegenüber führte.103 Selbst die renommierte New York Times verkündete beispielsweise 1993 ausgerechnet in einem Leitartikel, der sich gegen antiarabische Stereotype wie in Aladdin wandte, »[that] the ayatollahs of Iran don’t represent all Arabs«.104 Fundierte Kenntnisse islamischer Glaubensvorstellungen und unterschiedlicher Glaubensrichtungen oder der sozialen und politischen Verhältnisse und schlicht des Lebens in den Ländern der islamischen Welt besaßen und besitzen sicherlich die wenigsten Amerikaner (und Europäer). Es fehlten also Informationen und Bilder, die das Feindbild konterkariert hätten. Umso größere Bedeutung muss man daher wiederum den Filmen zusprechen, die gerade vor diesem Hintergrund nicht als bloßes Unterhaltungsmedium betrachtet werden dürfen, sondern die – zumal wenn sie offensichtlich auf das Zeitgeschehen Bezug nahmen – scheinbares ›Wissen‹ vermittelten, das vom Publikum bewusst oder unbewusst aufgenommen wurde. Indem sie Araber und Muslime fast ausschließlich in einem negativen Licht und sehr häufig als lebensbedrohliche Gefahr zeigten, spiegelten sie deshalb nicht nur bestimmte Vorstellungen wider, sondern sie verbreiteten und verfestigten diese immer weiter.
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Gernot Rotter, »Feindbildproduktion: Der Islam und sein Zerrbild in den Medien«, in: Hanne-Margret Birckenbach u.a. (Hg.), Jahrbuch Frieden 1993: Konflikte, Abrüstung, Friedensarbeit, München 1992, 70-80, hier: 71. Vgl. Slade, »Image of the Arab«, 157; Shaheen, Reel Bad Arabs, 4. Vgl. dazu Halm, Araber, 24-56; ders., Der Islam: Geschichte und Gegenwart, München 6 2005, 7. Shaheen behandelt deshalb in Reel Bad Arabs auch Filme mit Iranern (vgl. ebenda, 19). Slade, »Image of the Arab«, 148. »It’s Racist, But Hey, It’s Disney«, in: NYT 14.07.1993. Devine, Vietnam at 24 Frames a Second, 285, hält – nicht weniger bezeichnend – die Afghanen in Rambo III für Araber.
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3.2 »WORLD WAR IV«: DER ISLAM ALS ZENTRALE BEDROHUNG NACH DEM KALTEN KRIEG Als sich der Ost-West-Konflikt seinem Ende zuneigte, stand mit dem vermeintlichen »Urfeind«105 also ein quasi idealer Kandidat bereit, um die Lücke zu schließen, die von der UdSSR hinterlassen wurde. In Filmen wie Iron Eagle II (1988) und Delta Force 3: The Killing Game (1991), die Amerikaner und Sowjets als Verbündete im Kampf gegen nahöstliche ›Schurkenstaaten‹ und Dschihadisten zeigten, zeichnete sich eine entsprechende Umorientierung auch bereits ab. Als das sowjetische Imperium dann endgültig zusammengebrochen war und man sich in den Vereinigten Staaten einen Reim auf die ›neue Welt(un)ordnung‹ zu machen suchte, rückte der Islam schnell in den Fokus. »Islam: Should We Be Afraid?«, fragte etwa das Time Magazine im Juni 1992,106 und Newsweek folgte nur wenige Monate später mit der Schlagzeile »Should We Fear Islam?«.107 Auch wenn solche Artikel in der Regel dafür plädierten, nicht die gesamte Religion nach den Taten von Radikalen zu beurteilen, machte sich doch merkliches Unbehagen breit, und zumindest die Furcht vor der ›dunklen Seite des Islam‹108 wuchs, zumal diese auf dem Vormarsch zu sein schien. Es war von einer »Islamic Wave« die Rede, und damit stellte sich die Frage, wie man diesem Phänomen begegnen sollte: »Some American commentators have already designated militant Islam as the West’s new enemy, to be ›contained‹ much the way Communism was during the cold war«, wie Judith Miller berichtete.109 In diesem Sinne warnte zum Beispiel Mortimer B. Zuckerman vor ›religiösen Stalinisten‹: »Islam’s militant strain is on the verge of replacing communism as the principal opponent of Western liberal democracy and the values it enshrines.«110 Entsprechend wurde auch in der Fachzeitschrift Foreign Affairs diskutiert, ob man es mit einer ›grünen Gefahr‹ zu tun habe und wie mit dieser umgegangen werden solle.111 Einigkeit herrschte diesbezüglich nicht, es gab auch immer wieder Stimmen, die kritisierten, dass es ein verhängnisvoller Irrtum sei, den Islam zum neuen ideologischen Rivalen des Westens zu erklären.
105 Andrea Lueg, »Das Feindbild Islam in der westlichen Öffentlichkeit«, in: Hippler/Lueg, Feindbild Islam, 14-43, hier: 40; auch dort in Anführungszeichen; vgl. auch Till Bastian, Selbstbesinnung gegen neue Feindbilder: Europa und der Islam, Frankfurt a.M. 1992, 40; Harle, Enemy with a Thousand Faces, 67. 106 Titel von Time 15.06.1992. 107 Newsweek 15.02.1993. 108 »The Dark Side Of Islam«, in: Time 04.10.1993. 109 »The Islamic Wave«, in: NYT 31.05.1992. 110 »Beware of Religious Stalinists«, in: U.S. News & World Report 22.03.1993. 111 Siehe beispielhaft in chronologischer Reihenfolge Hoffmann, »New World«, 115; Robin Wright, »Islam, Democracy and the West«, in: Foreign Affairs 71:3 (1992), 131-45; Pipes/Clawson, »Ambitious Iran«; Leon T. Hadar, »What Green Peril?«, in: Foreign Affairs 72:2 (1993), 27-42; Judith Miller, »The Challenge of Radical Islam«, in: Foreign Affairs 72:2 (1993), 43-56; dies., »Faces of Fundamentalism«, in: Foreign Affairs 73:6 (1994), 123-42; Edward G. Shirley, »Is Iran’s Present Algeria’s Future?«, in: Foreign Affairs 74:3 (1995), 28-44.
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Der aufsehenerregendste und wirkmächtigste Beitrag zu dieser Debatte ging allerdings von einer noch viel tiefer verwurzelten Feindschaft aus: Samuel Huntingtons Paradigma vom »clash of civilizations«, das er erstmals 1993 in Foreign Affairs vorstellte und drei Jahre später in Form eines Buches ausführlich darlegte. Die titelgebende Wendung selbst, die seither – auch in Deutschland als ›Kampf der Kulturen‹ – zum geflügelten Wort geworden ist, war nicht seine Prägung. Bernard Lewis, eine Art Doyen der amerikanischen Islamwissenschaft, hatte bereits 1990 einen Aufsatz mit dem Titel »The Roots of Muslim Rage« veröffentlicht, in dem er zu dem Schluss kam: »It should by now be clear that we are facing a mood and a movement far transcending the level of issues and policies and the governments that pursue them. This is no less than a clash of civilizations – the perhaps irrational but surely historic reaction of an ancient rival against our Judeo-Christian heritage, our secular present, and the worldwide expression of both. It is crucially important that we on our side should not be provoked into an equally historic but also 112 equally irrational reaction against that rival.«
Huntington errichtete um diese These herum eine Theorie, der zufolge Zivilisationen und ihre Interaktion die Zeit nach dem Kalten Krieg wie schon die gesamte Geschichte prägen würden. Obwohl sich dieser Ansatz keineswegs auf den Zusammenstoß zwischen dem Westen und dem Islam beschränkte, wurde diesem eine zentrale Rolle zugewiesen. Als Konflikt zwischen Zivilisationen – die laut Huntington maßgeblich durch Religion definiert werden113 – erhielt dieser eine geradezu grundlegende Qualität, neben der die Auseinandersetzung mit der UdSSR verblasste: »The twentieth-century conflict between liberal democracy and Marxism-Leninism is only a fleeting and superficial historical phenomenon compared to the continuing and deeply conflictual relation between Islam and Christianity.«114 Huntington umriss die lange Geschichte der Feindschaft seit dem frühen Mittelalter, nicht ohne festzustellen, »[that] Islam is the only civilization which has put the survival of the West in doubt, and it has done that at least twice.«115 Angesichts dieser mehr als fragwürdigen historischen Analyse musste es auf den Leser des Buches umso beängstigender wirken, wenn einige Seiten danach dargelegt wurde, dass sich seit der islamischen Revolution im Iran 1979 »an intercivilizational quasi war« entwickelt habe, der bis dato militärisch »largely a war of terrorism versus air power« gewesen sei.116 Huntington berief sich dabei auf die zahlreichen Stimmen auf beiden Seiten, die von einem solchen Krieg sprachen.117 Die Verantwortung dafür wurde aber – trotz aller Verweise auf gegenseitige Wahrnehmungen etc. – letztlich allein den Muslimen angelastet. Schon in seinem Foreign Affairs-Artikel hatte Huntington den prägnanten Satz geprägt: »Islam has 112 Bernard Lewis, »The Roots of Muslim Rage«, in: Atlantic Monthly (September 1990), 47-60, hier: 60. Huntington zitiert diese Passage in Clash of Civilizations, 213. 113 Vgl. ebenda, 42. 114 Ebenda, 209. 115 Ebenda, 210. 116 Ebenda, 216 u. 217. 117 Vgl. ebenda, 217.
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bloody borders.«118 In seinem Buch verteidigte er diese oft kritisierte Aussage als eine scheinbar anhand quantitativer Daten belegbare Tatsache.119 Mehr als das: Eine Neigung zu gewalttätigen Konflikten wurde von ihm zu einem eigentümlichen Wesenszug des Islam erklärt, der aus einem von Beginn an existierenden und auch in der Gegenwart zu beobachtenden Militarismus,120 dem Absolutheitsanspruch, der das Zusammenleben mit anderen Religionen erschwere, und der engen Nachbarschaft mit nichtmuslimischen Gruppen resultiere. Als weitere Faktoren kämen in der Gegenwart noch das Fehlen eines starken islamischen Kernstaates und die demographische Entwicklung, also die wachsende Zahl junger, arbeitsloser Männer, hinzu.121 Das »Muslim as victim argument« wies er dagegen zurück, weil es Konflikte in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit nicht erkläre.122 Er suchte also nach einer einzigen Erklärung für alle Konflikte und fand diese in der »Muslim belicosity and violence«.123 Huntington behandelte den Islam durchweg als Einheit – die Spaltung in Sunniten und Schiiten etwa wird in seinem Buch nur ein einziges Mal erwähnt124 – und stilisierte ihn wieder einmal zum ›Urfeind‹ des Westens, der diesen mit Krieg, vor allem in Form von Terrorismus, überziehe. Seine Thesen blieben keineswegs unwidersprochen.125 Aber sie lieferten eine scheinbar fundierte Erklärung und nicht zuletzt eine griffige Formel für ein Bedrohungsgefühl, das in den 1990er Jahren immer mehr zunahm und sich aus einer Reihe von Ereignissen und Entwicklungen speiste, die man im Sinne Huntingtons als Elemente einer einzigen großen Auseinandersetzung deuten konnte. Dazu gehörte beispielsweise die im Februar 1989 von Ayatollah Khomeini verkündete Fatwa (also ein Rechtsgutachten) gegen den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie, dessen Tötung er wegen angeblicher Beleidigung des Propheten in dem Roman The Satanic Verses forderte.126 Dieser zweifelsohne empörende Aufruf
118 Huntington, »Clash of Civilizations«, 35. 119 Huntington, Clash of Civilizations, 258. 120 Als Beleg dienen Huntington Statistiken zur Verwicklung muslimischer Länder in kriegerische Konflikte, aber auch zu deren Rüstung, die mit entsprechenden Zahlen zu christlichen Ländern verglichen werden (ebenda, 257f). Diese Argumentation zielt darauf ab, den Leser mit ›empirischen‹ Daten zu beeindrucken, hat aber offenkundige Schwächen, da weder die politischen Strukturen der jeweiligen Staaten noch die waffentechnische und wirtschaftliche Überlegenheit des Westens und deren Bedeutung berücksichtigt werden. Allein das auch in den 1990er Jahren exorbitant hohe Verteidigungsbudget der USA lässt diese Ausführungen geradezu absurd wirken. 121 Vgl. ebenda, 263-5. 122 Vgl. ebenda, 264. 123 Ebenda, 258. 124 Ebenda, 178. Im Register gibt es keinen Eintrag dazu. 125 Siehe dazu »Comments: Responses«; Ervand Abrahamian, »The US Media, Huntington, and September 11«, in: Third World Quarterly 24:3 (2003), 529-44, hier: 530f. 126 Salman Rushdie, The Satanic Verses, London 1988. Siehe dazu Kleines Islam-Lexikon, s.v. »Fatwâ«: »Das Gewicht eines derartigen Gutachtens beruht grundsätzlich auf der persönlichen Autorität seines Ausstellers. Die vertretene Rechtsauffassung ist deshalb im
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zum Mord sorgte in der westlichen Welt für erhebliches Aufsehen und zeigte scheinbar exemplarisch die Unvereinbarkeit der eigenen Prinzipien mit dem intoleranten Islam, obwohl die Reaktionen auf Rushdies Buch und dessen Verurteilung durch den iranischen Revolutionsführer in der arabischen Welt eher verhalten ausfielen, auch wenn es durchaus Versuche der Instrumentalisierung gab.127 Zur gleichen Zeit tobte die erste Intifada (Erhebung) der Palästinenser gegen die israelische Besatzung, die von 1987 bis 1993 dauerte, mit ihren vielen Opfern eine weitere Radikalisierung befeuerte und in der mit der Hamas (Islamischer Widerstand) eine neue, islamistische Organisation auf den Plan trat, die eine zunehmend wichtige Rolle spielte.128 Auch der Kuwaitkrieg schien in dieses Bild zu passen. Zwar hatte er keinerlei religiöse Hintergründe, und Staaten wie Saudi-Arabien und Syrien gehörten der USgeführten Koalition an, nichtsdestotrotz wurde er mitunter zu »one paragraph in the long conflict between the West and radical Islam« umgedeutet.129 Solche Stimmen machten sich ironischerweise die Argumentation Saddam Husseins zueigen, der sich – wenig glaubwürdig, aber dennoch nicht ganz ohne Widerhall – in den Mantel des Verteidigers des Islam zu hüllen versucht hatte.130 Für eine Wahrnehmung des Krieges in diesem Sinne spricht auch die Zunahme von hate crimes gegen Araber und Muslime, die während der Krise in den Vereinigten Staaten zu verzeichnen war.131 Bedeutsam war der Kuwaitkrieg darüber hinaus vor allem, weil er – wie im letzten Kapitel dargelegt – die Ausformung des ›Schurkenstaaten‹-Konzeptes beförderte, das wiederum fast ausschließlich auf Länder der islamischen Welt angewandt wurde.132 Sorge bereitete neben den ›üblichen Verdächtigen‹ in den 1990er Jahren auch Algerien, wo die islamistische Partei Front islamique du salut (FIS) erst 1990 die Kommunal- und dann 1991 die Parlamentswahlen gewann. Das algerische Militär putschte daraufhin am 4. Januar 1992, womit ein blutiger Bürgerkrieg begann, der mehr als 150.000 Opfer forderte.133 Die USA und die anderen demokratischen Staaten des Westens nahmen diese Verletzung ihrer sonst lautstark propagierten Ideale hin. Algerien wurde sogar in der Folge als Beleg für die Gefahren einer Demokratisierung des Nahen Ostens angeführt: Dass demokratische Wahlen einen Sieg islamis-
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Unterschied zu einem Gerichtsurteil nur für denjenigen bindend, der diese Autorität anerkennt.« Vgl. Green, »Terrorism and Politics«, 592; Gronke, Geschichte Irans, 112f; Haarmann u.a., Geschichte der arabischen Welt, 614f. Siehe dazu Haarmann u.a., Geschichte der arabischen Welt, 615-7; Burleigh, Blood and Rage, 382-8; Juergensmeyer, Global Rebellion, 63-72; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Hamas«. »Beware of Religious Stalinists«, in: U.S. News & World Report 22.03.1993. Vgl. auch Huntington, Clash of Civilizations, 216f u. 247-52. Vgl. Haarmann u.a., Geschichte der arabischen Welt, 614. Vgl. Simons, Vietnam Syndrome, 334f. Huntington sah hier auch eine »Confucian-Islamic connection« (Clash of Civilizations, 185) zwischen China und Nordkorea einerseits und den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens andererseits und orakelte von einer möglichen »arms-for-oil axis« (ebenda, 240). Vgl. Haarmann u.a., Geschichte der arabischen Welt, 618-22 u. 632; Burleigh, Blood and Rage, 363-5; Hourani, Geschichte der arabischen Völker, 595-7; Schulze, Geschichte der islamischen Welt, 425-37.
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tischer Parteien bringen und dann die letzten Wahlen gewesen sein würden, dass Demokratie hier als bedingungslose Herrschaft der Mehrheit verstanden würde, wurde so auch zum Argument dafür, Regime, die von vornherein keine demokratischen Wahlen zuließen, als immer noch bessere Alternative zu billigen.134 Hier sieht man beispielhaft, wie Denkmuster des Kalten Krieges auf die neue Zeit übertragen wurden: So wie man einst den sozialistischen Regimen im Gegensatz zu herkömmlichen Diktaturen die Möglichkeit einer Entwicklung abgesprochen – und damit Bündnisse mit Letzteren gerechtfertigt – hatte, tat man dies nun mit den islamistischen.135 Für die amerikanische Bedrohungswahrnehmung am wichtigsten waren sicherlich der erste Anschlag auf das World Trade Center 1993 und al-Qaidas Kampagne gegen die Vereinigten Staaten, die Osama Bin Laden 1996 verspätet, aber öffentlichkeitswirksam mit einer ›Kriegserklärung‹ idealisierte,136 der er zwei Jahre später noch einmal einen Aufruf zum ›Dschihad gegen Juden und Kreuzzügler‹ folgen ließ.137 Diese Dokumente zeigten, dass Bin Laden und seinesgleichen in der Tat ebenfalls von einem »clash of civilizations« ausgingen, in dem sie sich selbst auf der gottgefälligen Seite wähnten. Worte und Taten al-Qaidas und ähnlicher Gruppen konnten so als Bestätigung dafür angesehen werden, dass der Westen im Allgemeinen und die USA im Besonderen sich in einem durch Terrorismus geführten Krieg zu ihrer Vernichtung befanden, der nun nicht mehr, wie man noch ein knappes Jahrzehnt zuvor angenommen hatte, von der UdSSR betrieben wurde, sondern von der islamischen Welt. Der ›Krieg gegen den Terror‹ fokussierte sich so bereits in den 1990er Jahren immer stärker auf den Dschihadismus und nah- und mittelöstliche ›Schurkenstaaten‹.138 In der Forschung wurde schon frühzeitig konstatiert, dass das Feindbild des Kalten Krieges durch den Islam ersetzt werde.139 Christoph Weller hat dem noch im Jahr 2000 widersprochen: 134 Vgl. z.B. Pipes/Clawson, »Ambitious Iran«, 133; Miller, »Challenge«, 51-4. Die Ereignisse der letzten Jahre in Ägypten haben dieses Muster noch einmal eindrucksvoll bestätigt. Dabei muss gerade ein solches Verhalten von vielen Muslimen als Beleg für die grundsätzliche Islamfeindlichkeit des Westens angesehen werden und somit radikale Kräfte stärken, wie damals schon Wright, »Islam, Democracy and the West«, 137-9, oder Hadar, »What Green Peril?«, 37f, warnten. 135 Vgl. z.B. Shirley, »Is Iran’s Present Algeria’s Future?«, 42f. 136 Dazu mit Zitaten Greiner, 9/11, 67f. 137 Osama Bin Laden, »Jihad Against Jews and Crusaders«, in: Walter Laqueur (Hg.), Voices of Terror: Manifestos, Writings, and Manuals of Al-Qaeda, Hamas and Other Terrorists From Around the World and Throughout the Ages, New York 2004, 410-2. 138 Vgl. dazu PGT: 1994, iii; PGT: 1996, iii; PGT: 1999, iii; Pillar, Terrorism, 45; zur Bedrohungswahrnehmung der Bevölkerung vgl. z.B. IIPO, 1994-1995, 619 u. 624; IIPO, 1997-1998, 609 u. 617; Rielly (Hg.), American Public Opinion 1995, 21. Interessant ist auch, dass bei der in Sulfaro/Crislip, »Foreign Policy Threats« vorgestellten Studie aus dem Jahr 1993 ein fiktiver Staat als feindselig eingestuft wurde, was den Schluss nahelegt, dass die Probanden allein wegen des Namens »United Arab Republic« davon ausgingen, dass dieser nichts Gutes im Schilde führen könne (vgl. ebenda, 114f). 139 Siehe z.B. Lueg, »Feindbild Islam«, 37f; Hippler, »Islam und westliche Außenpolitik«, 162f; Werner Ruf, »Feindbildproduktion nach dem Ende des Ost-West-Konflikts: Die is-
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»Nicht nur ist bis heute das Anfang der 1990er Jahre identifizierte ›neue Feindbild‹ gerade des Orients bzw. des Islams für den Westen wieder weitgehend verschwunden, obwohl es sogar von wissenschaftlicher Seite und mit großem publizistischen Erfolg zu bekräftigen versucht wurde. Auch der […] zeitliche Zusammenhang mit dem Zerfall des Feindbildes gegenüber der 140 Sowjetunion läßt sich nicht erkennen.«
Tatsächlich war es Weller, der sich irrte, wohl nicht zuletzt deshalb, weil er kulturelle Erzeugnisse bei seinen Untersuchungen völlig außer Acht ließ. Zwar ist es richtig, dass die islamische Welt nicht unmittelbar den Platz der UdSSR als alles überragendes Feindbild einnahm, vielmehr war in den vorangegangenen Kapiteln zu sehen, dass es in den 1990er Jahren eine Phase der Orientierungslosigkeit gab, in der auch andere Feindbilder eine mal mehr, mal weniger wichtige Rolle spielten. Aber Araber und Muslime hatten hier aus den bereits erläuterten Gründen von Anfang an einen besonderen Rang inne, und dieses Feindbild verschwand nicht etwa im Laufe des Jahrzehnts, sondern wurde in enger Verbindung mit dem übergreifenden Feindbild des Terrorismus, das den Kalten Krieg überdauerte, immer wichtiger. Im ›Krieg gegen den Terror‹ waren es vor allem Araber und Muslime, die an die Stelle der Sowjets traten. Dies lässt sich wiederum durch die Analyse der Filme zweifelsfrei nachweisen, wo der Feindbildwandel, der sich noch zu Zeiten der Sowjetunion abgezeichnet hatte, nun endgültig vollzogen wurde. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist Point of No Return (1993), ein Remake des französischen Erfolgsfilms Nikita (1990) von Luc Besson, in dem eine wegen Mordes verurteilte junge Frau dazu gezwungen wird, für den Geheimdienst zu arbeiten, um der Hinrichtung zu entgehen. Den Höhepunkt der Filme markiert jeweils eine besonders wichtige Operation, die nicht wie geplant verläuft, wodurch die Heldin selbst auf die Abschussliste ihrer Auftraggeber gerät, weshalb sie sich dann am Schluss absetzt und in ein neues Leben aufbricht. Aufschlussreich ist nun, worum es bei diesem letzten Einsatz jeweils geht: Im französischen Original muss Nikita (Anne Parillaud) noch in die Botschaft eines osteuropäischen Landes eindringen, um dort Informationen zu beschaffen. In der amerikanischen Fassung dagegen, die nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums entstand, soll Maggie (Bridget Fonda) verhindern, dass ein Araber, der zu den reichsten Männern der Welt gehört, Nukleartechnologie in den Mittleren Osten verkauft, indem sie ihn tötet und die Informationen sicherstellt. Der Vergleich der beiden Filme zeigt also beispielhaft, wie nach dem Ende des Ost-West-Konflikts der kommunistische Feind durch Araber ersetzt wird.141 lamische Bedrohung« in: Wolfgang R. Vogt/Eckhard Jung (Hg.), Kultur des Friedens: Wege zu einer Welt ohne Krieg, Darmstadt 1997, 94-103; Reinhard Schulze, »Alte und neue Feindbilder: Das Bild der arabischen Welt und des Islam im Westen«, in: Georg Stein (Hg.), Nachgedanken zum Golfkrieg, Heidelberg 1991, 244-59. 140 Weller, Die öffentliche Meinung in der Außenpolitik, 139f. 141 Schon die Opfer bei Maggies erstem Auftrag, bei dem sie eine Bombe in einem Hotelzimmer platzieren muss, sehen so aus, als ob es sich um Araber handeln könnte. Mit solchen Vermutungen muss man freilich sehr vorsichtig sein, aber die oben erläuterte Neigung zu stereotyper Besetzung und Darstellung von Arabern verleiht ihnen eine gewisse Plausibilität. Eindeutig bedient werden Vorurteile in Point of No Return, wenn Maggie
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Dass der Mittlere Osten insbesondere als (potentielle) neue nukleare Bedrohung erscheint, unterstreicht dies noch. Dieses Motiv findet sich in diversen Filmen, die um die Jahrzehntwende herum entstanden, so in Iron Eagle II, Delta Force 3 und American Ninja 4: The Annihilation (1990), aber auch in dem von Star-Regisseur Roman Polanski inszenierten Frantic (1988). Die Furcht vor der ›islamischen Bombe‹, die ja auch ein Argument für den Kuwaitkrieg war und außerdem wohl bei der Beurteilung der Vorgänge in Algerien eine Rolle spielte,142 trat so an die Stelle der Furcht vor einem Atomkrieg mit der UdSSR. Selbst Aladdin lässt sich entsprechend interpretieren, wie Alan Nadel gezeigt hat, denn als es Jafar gelingt, die absolute Macht der Lampe in seine Gewalt zu bekommen, wird er zu einem »apex of dark energy surrounded by the halo of an atomic insignia«.143 Ganz eindeutig ist die nukleare Bedrohung wiederum in der Actionkomödie True Lies (1994), in der Arnold Schwarzenegger unter der Regie von James Cameron den Geheimagenten Harry Tasker spielt, der sich mit gleich zwei Problemen konfrontiert sieht, einer Gefahr für seine Ehe und einer Gefahr für sein Land: Zum einen argwöhnt er, dass seine geliebte Frau Helen (Jamie Lee Curtis), die ihn für einen langweiligen Vertreter aus der Computerbranche hält, eine Affäre hat – tatsächlich lässt sie sich aus Sehnsucht nach Abenteuer von dem schmierigen Autohändler Simon (Bill Paxton) umwerben, der sich ihr gegenüber als Spion ausgibt, bleibt ihrem Mann aber treu. Zum anderen ist es der Terrorgruppe Crimson Jihad unter Führung des finsteren Aziz (Art Malik)144 gelungen, nicht nur einen, sondern gleich vier Atomsprengköpfe aus Kasachstan in die Vereinigten Staaten zu schmuggeln. Der Film greift damit die zu dieser Zeit virulenten Sorgen um die Proliferation von Massenvernichtungswaffen aus der ehemaligen Sowjetunion auf. Die Waffen des alten Feindes drohen nun in den Händen des neuen, der Dschihadisten, zum Instrument der Vernichtung Amerikas zu werden und damit dem Zweck zugeführt zu werden, den sie im Kalten Krieg glücklicherweise nie erfüllen mussten. Natürlich gelingt es Harry und seinen Mitstreitern, dies zu verhindern. Es kommt aber zur Explosion einer Atombombe, die die Terroristen auf einer unbewohnten Insel in den Florida Keys zünden, um ihre neugewonnene Macht zunächst zu demonstrieren. Trotz seines Komödientons setzt True Lies so effektvoll eine Bedrohung in Szene, die als gefährlicher erscheint als die des Kalten Krieges, als sowjetische Nuksich bei dem späteren Einsatz, um Zugang zu ihrem Ziel zu erhalten, als dessen sehr blonde amerikanische Freundin ausgeben muss, was dem Stereotyp des nach weißen Frauen gierenden Orientalen entspricht. 142 Offenbar hatte auch die Aussicht, das algerische Atomprogramm könnte in die Hände von Islamisten fallen, zu Befürchtungen geführt, die den Militärputsch begrüßenswert erscheinen ließen. Judith Miller zitiert in ihrer Reportage »The Islamic Wave«, in: NYT 31.05.1992, einen westlichen Diplomaten mit der Aussage: »Imagine not just the restoration of the Islamic caliph, a leader who combines temporal and spiritual power, but a nuclearized caliph.« 143 Alan Nadel, »A Whole New (Disney) World Order: Aladdin, Atomic Power, and the Muslim Middle East«, in: Matthew Bernstein/Gaylyn Studlar (Hg.), Visions of the East: Orientalism in Film, New Brunswick 1997, 184-203, hier: 193. 144 Laut McCorkle, »American Hero Meets Terrorist«, 169, identifiziert das Drehbuch Aziz als Syrer.
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learwaffen hinter dem Eisernen Vorhang blieben und nicht auf amerikanischem Territorium explodierten. Und auch wenn der Film genrebedingt selbstironisch daherkommt, präsentiert er dieses Bedrohungsszenario als im Kern realistisch, nicht zuletzt indem er – ein Jahr nach dem ersten Anschlag auf das World Trade Center – an auch in den Nachrichten präsente zeitgenössische Sorgen anknüpft. Die Darstellung der arabischen Bösewichte folgt dabei den schon bekannten Mustern. Sie sind tödliche Gefahr und Zielscheibe herablassenden Spotts in einem, was beispielhaft in einer Szene zum Ausdruck kommt, in der Harry zwei Terroristen, die ihn töten sollen, auf einer öffentlichen Toilette überwältigt und dabei zum Schluss den Kopf des einen in einem Urinal versenkt und die Spülung betätigt.145 Seine Überlegenheit ermöglicht es ihm – ähnlich wie in verwandten Filmen aus den 1980er Jahren – im Finale ganze Scharen von Terroristen zu eliminieren. Dass die Kunsthändlerin Juno Skinner (Tia Carrere), die diesen unter anderem beim Einschmuggeln der Atombomben hilft, eine asiatische Amerikanerin ist,146 verstärkt noch den Eindruck einer Markierung des Feindes als das in jeder Hinsicht ›Andere‹, einer Frontstellung entlang ethnisch-kultureller und sogar ›rassischer‹ Trennlinien. Tatsächlich entspricht die Zusammenarbeit der Asiatin mit den Dschihadisten – ob von den Filmemachern beabsichtigt oder nicht – im Prinzip der von Huntington postulierten »Confucian-Islamic […] connection, designed to promote acquisition by its members of the weapons technologies needed to counter the military power of the West«,147 auch wenn Juno rein monetäre Interessen geltend macht. True Lies spiegelt auch insofern die wachsende Bedeutung des dschihadistischen Terrors wider, als dieser nun nicht mehr, wie noch in den 1980er Jahren, nur in Filmen der B-Kategorie auf die Leinwand gebracht wurde, sondern in einer starbesetzten Großproduktion, die dann auch ein entsprechend größeres Publikum erreichte.148 Dies war kein Einzelfall, sondern der Beginn einer kleinen Serie aufwendig produzierter Filme zu diesem Thema.149 Der nächste in dieser Reihe war der deutlich ernstere Executive Decision (1996). Auch hier droht den USA ein Angriff mit Massenvernichtungswaffen aus der ehemaligen UdSSR, in diesem Fall mit Giftgas, das die tschetschenische Mafia aus einem russischen Militärtransport gestohlen hat und das sich nun in den Händen einer 145 Bernd Zywietz betrachtet die Schurken in True Lies als generische Typen und bewusst so überzeichnet, dass allenfalls »Kinder und anderweitig unerfahrene Zuschauer« sie »missverstehen und zu ›ernst nehmen‹ « könnten (Terrorismus im Spielfilm, 494; vgl. auch ebenda, 256). Er verkennt dabei, wie auch an anderen Stellen, aufgrund des engen Fokus seiner Arbeit die tatsächliche Bedeutung und Ausprägung des Feindbildes Islam sowie des im Film verhandelten Bedrohungsszenarios. 146 Der Internet Movie Database zufolge hat Tia Carrere u.a. philippinische und chinesische Vorfahren; Quelle: http://www.imdb.com/name/nm0000119/bio?ref_=nm_ov_bio_sm (29.08.2015). 147 Huntington, »Clash of Civilizations«, 47. 148 True Lies spielte bei einem Budget von 100 Millionen Dollar in den USA über 146 Millionen ein, weltweit mehr als 365 Millionen; Quelle: http://www.the-numbers.com/mov ies/1994/0TRLS.php (19.06.2007). 149 Nicht in diese Reihe gehört allerdings Air Force One (1997), wie Ramji, »From Navy Seals to The Siege« irrtümlich behauptet.
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dschihadistischen Terrorgruppe befindet. Die Terroristen entführen einen Transatlantikflug aus Europa mit 406 Passagieren an Bord und fordern die Freilassung ihres kurz zuvor festgenommen Anführers El-Sayed Jaffa (Andreas Katsulas), »perhaps the most feared and wanted terrorist in the world«. Der zivile Terrorismusexperte David Grant (Kurt Russell) durchschaut jedoch sofort, dass es sich hierbei um ein Täuschungsmanöver handelt: Jaffas Stellvertreter Nagi Hassan (David Suchet) hat dessen Gefangennahme selbst initiiert, der scheinbar beabsichtigte konventionelle Austausch der Geiseln gegen den Inhaftierten soll von seinem eigentlichen Plan ablenken, das entführte Flugzeug mit dem an Bord versteckten Giftgas als »a poor man’s atomic bomb« einzusetzen. Es droht nicht weniger als die Auslöschung der halben Ostküste, wie Grant später feststellt, als er die Bombe zu sehen bekommt. Den Amerikanern bleiben angesichts dieser Perspektive nur zwei Optionen, nämlich das Flugzeug entweder in sicherer Entfernung zu den USA abzuschießen150 oder es in einem waghalsigen, noch nie erprobten und natürlich der Fantasie der Filmemacher entsprungenen Manöver in der Luft zu entern. Selbstverständlich wird hier die weniger blutige zweite Variante vorgezogen, der Abschuss soll nur als letzter Ausweg dienen. So findet sich Grant alsbald mit einer Spezialeinheit im Rumpf des Fliegers wieder, allerdings – da es beim Umsteigen von einem Spezialflugzeug der Air Force in die Passagiermaschine zu Komplikationen gekommen ist – nur mit einem Teil der Ausrüstung und ohne den ums Leben gekommenen Kommandeur der Einheit, dafür mit einem nervenschwachen Ingenieur und einem bewegungsunfähigen und immer wieder das Bewusstsein verlierenden Bombenexperten. Der Film nutzt seine Mittel geschickt, um mit diesem Szenario eine beträchtliche Spannung aufzubauen, ob es der kleinen Truppe gelingen wird, die Terroristen zu überwältigen, ehe diese sie entdecken, die Bombe gezündet wird oder die Luftwaffe das Flugzeug abschießt. Damit erzeugt Executive Decision auch beim Zuschauer ein Gefühl der Bedrohung. Und diese Bedrohung geht von muslimischen Fanatikern aus, insbesondere in der unheilvollen Kombination mit scheinbar leicht verfügbaren Massenvernichtungswaffen. Eine weniger spektakulär daherkommende, aber umso realistischer wirkende Gefahr zeigt The Siege (1998). Hier haben die Dschihadisten einmal keine WMD, dafür gelingt es ihnen aber, eine ganze Serie blutiger Selbstmordanschläge in New York City zu verüben. Das FBI scheint lange Zeit nicht in der Lage, sie zu stoppen, und wird sogar selbst Ziel eines Angriffs mit Hunderten von Opfern, sodass der Präsident den Ausnahmezustand über die Stadt verhängt und die Kontrolle dem Militär übergibt, das dann mit mehr als fragwürdigen Methoden die Jagd auf die Terroristen in die Hand nimmt. The Siege ist eindeutig der am stärksten um Realitätsnähe bemühte Film zu dieser Thematik aus den 1990er Jahren und auch der vielschichtigste, zumal er nicht nur die Gefahr terroristischer Angriffe in den USA darstellt, sondern sich im Besonderen auch für die Reaktion des amerikanischen Staates darauf interessiert. Vor allem unter diesem Gesichtspunkt werde ich ihn im Folgenden noch ausführlich analysieren. Hier genügt es zunächst festzuhalten, dass er die Reihe von True Lies und Executive Decision fortsetzt und, indem er im Gegensatz zu diesen erfolgreiche Anschläge in den Vereinigten Staaten und deren furchtbare Konsequenzen zeigt, ein
150 Auf diese zu fällende Entscheidung des Präsidenten bezieht sich der Titel.
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noch wesentlich eindrücklicheres Bild der Bedrohung durch den Dschihadismus zeichnet. Laut Robert Cettl ist The Siege »one of the rare films of the 1990s to see terrorism in the context of religious Islamic militancy«.151 Noch deutlicher schreibt Stephen Prince: »While movie terrorists before 9/11 were mostly a daft lot – loonies, crackpots, and embittered ex-police or military officers – Islamist characters emerged as villains in only a few major productions.«152 Beide übersehen einen entscheidenden Punkt, nämlich dass auch die Terroristen anderer Provenienz, die in der Tat in etlichen Filmen der 1990er Jahre auftauchen, sehr häufig in irgendeiner Weise mit dem Mittleren Osten in Verbindung gebracht werden.153 So heißt es etwa in Passenger 57 (1992) über den britischen Bösewicht Rane: »Because of his close ties to the Middle East he has been untouchable.« In Die Hard With a Vengeance (1995) wird nicht nur dem ungarischen Bombenbauer nachgesagt, für die Iraner zu arbeiten, der ostdeutsche Schurke Simon offenbart am Ende auch, in wessen Auftrag er amerikanische Goldreserven stehlen und im Meer versenken soll: »There are some gentlemen in the Middle East who seem to think that they’ll make a great deal of money.« Ähnlich finden auch die amerikanischen Finsterlinge in Under Siege 2: Dark Territory (1995) ihre Kundschaft im »Mideast«, als sie den Einsatz der von ihnen kontrollierten Satellitenwaffe meistbietend versteigern: Für eine Milliarde Dollar sollen das Pentagon und, »God, Allah, and the winds willing«, auch Washington und weite Teile der Ostküste vernichtet werden.154 Schon im Vorgängerfilm Under Siege (1992) spricht der durchgeknallte Ex-CIA-Agent Stranix davon, die Nuklearwaffen des gekaperten Schlachtschiffes einem gewissen »Mohammed« anzubieten. In Face/Off (1997) wiederum wird der gesuchte Castor Troy unter anderem in Libyen vermutet, wo auch die irischen Terroristen in Patriot Games (1992) in einem Camp trainieren. Blown Away (1994) und The Jackal (1997) bringen ihre westlichen Terroristen ebenfalls mit dem nordafrikanischen ›Schurkenstaat‹ in Verbindung. The World Is Not Enough (1999) nennt seinerseits unter anderem Irak, Iran und Beirut als Karrierestationen des Terroristen Renard, und auch die Gruppe, die in Crash Dive (1997) ein Atom-U-Boot in ihre Gewalt bringt, hat, wie erklärt wird, Verbindungen in den Mittleren Osten. Es ist also zwar richtig, dass den Filmen aus den 1990er Jahren, in denen die USA von Dschihadisten attackiert werden, diverse Produktionen gegenübergestellt werden können, in denen andere Terroristen (oder Verbrecher, die sich terroristischer Methoden bedienen) im Zentrum stehen. Auch hier wird aber immer wieder auf den Mittleren Osten als Hort der gegen Amerika gerichteten Gefahr verwiesen, indem entweder die gesamte Region angesprochen wird – »Try the entire Middle East«, wie es dann 2002 paradigmatisch in Bad Company heißt – oder die weidlich bekannten ›Schurkenstaaten‹ explizit als Auftraggeber oder zumindest Unterstützer der Terroristen genannt werden. Wie ich mit Blick auf die ›Schurkenstaaten‹ bereits dargelegt 151 Cettl, Terrorism in American Cinema, 236. 152 Prince, Firestorm, 50. 153 Vanhala, Depiction of Terrorists erwähnt diese Verbindungen bei mehreren der von ihr analysierten Filmen, zieht daraus aber keine weiterführenden Schlüsse. 154 Davor wird gegen eine Zusatzzahlung von 100 Millionen Dollar noch eben ein Flugzeug zerstört, in dem die Ex-Frau eines Käufers unterwegs ist – bezeichnenderweise über der arabischen Halbinsel.
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habe, wäre es völlig falsch, dies als Nebensächlichkeit abzutun, nur weil es in den Filmen wenig Raum einnimmt.155 Vielmehr wird daran dreierlei deutlich, nämlich erstens, dass der Mittlere Osten in besonderer Weise mit Terrorismus identifiziert wurde; zweitens, dass dies so offensichtlich war, dass man darauf auch beiläufig Bezug nehmen konnte; und drittens, dass die Filme ihrerseits den Zuschauer beständig daran erinnerten. Auch wenn die Bösewichte, die man sah, keine Dschihadisten waren, so wurde doch vermittelt, dass Terrorismus und die islamische Welt untrennbar zusammengehörten. Tatsächlich wurde dieser damit genau die Rolle zugewiesen, die im vorangegangenen Jahrzehnt die Sowjetunion innegehabt hatte, die man ebenfalls hinter Terroristen aus aller Welt gesehen hatte. Wenn man dies nicht beachtet und sich einzig auf die unmittelbare Herkunft der jeweiligen Schurken konzentriert, entsteht deshalb ein verzerrtes Bild von der Bedeutung des Islam für die filmische Auseinandersetzung mit Terrorismus in den 1990er Jahren. Wie selbstverständlich es bereits in der Mitte des Jahrzehnts war, Terrorismus mit Muslimen zu assoziieren, illustrieren die Reaktionen auf den Bombenanschlag von Oklahoma City 1995, der in den Medien vorschnell Dschihadisten angelastet wurde. Der Journalist Steven Emerson etwa, der als Experte für das Thema islamistischer Terror gilt und bis heute mit mehr als fragwürdigen Einlassungen von sich reden macht,156 erklärte noch am selben Abend in den Nachrichten auf CBS: »This was done with the intent to inflict as many casualties as possible. That is a Mideastern trait.«157 Viele andere Amerikaner waren offensichtlich genauso überzeugt, die Täter zu kennen: Es kam in den Tagen nach dem Anschlag zu zahlreichen hate crimes gegen Araber und Muslime. Dass die Ermittlungen schließlich ergaben, dass weiße Amerikaner für den Mord an 168 Menschen verantwortlich waren, räumte mit den Verdächtigungen auch nicht vollständig auf. Vielmehr kursiert bis heute eine Verschwörungstheorie, der zufolge Timothy McVeigh und Terry Nichols von Muslimen, namentlich Ramzi Jussef und Khalid Scheich Mohammed, den Köpfen hinter dem ersten Anschlag auf das World Trade Center, unterstützt und vor allem im Bombenbau unterwiesen wurden.158 Die Tat, die die von Emerson beispielhaft gezogene Trennlinie zwischen Feind- und Selbstbild verwischte und dadurch die amerikanische Identität in Frage stellte, konnte durch die Unterstellung muslimischer Hintermänner wieder erfolgreich externalisiert und dem ›Anderen‹ zugewiesen werden, dessen an155 Diesen Fehler macht Vanhala, Depiction of Terrorists, 283. 156 Anfang des Jahres 2015 nannte der britische Premierminister David Cameron Emerson »a complete idiot«, nachdem dieser behauptet hatte, Birmingham sei »totally Muslim«, nichtmuslimische Briten würden die Stadt gar nicht mehr betreten (Quelle: »David Cameron: US Terror ›Expert‹ Steve Emerson Is a »Complete Idiot«, http://www.telegraph.co. uk/news/uknews/terrorism-in-the-uk/11340399/David-Cameron-US-terror-expert-SteveEmerson-is-a-complete-idiot.html, 30.08.2015). 157 Zitiert nach Zulaika/Douglass, Terror and Taboo, 55. 158 Siehe dazu Kushner, Encyclopedia, s.v. »Oklahoma City Bombing«. Als Indiz gilt vor allem, dass Nichols die Stadt Cebu auf den Philippinen besuchte, während sich auch Jussef dort aufhielt. Vgl. Clarke, Against All Enemies, 127, der die Verbindung nicht ausschließen will, weil sie nicht widerlegt werden konnte (eine für Verschwörungstheorien typische Verkehrung der Beweispflicht). Auch Frum/Perle, End to Evil, 232, sehen dies als möglich an.
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gebliches Wesen dadurch zugleich noch einmal bestätigt wurde. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Wurzeln terroristischer Gewalt in der eigenen Kultur war damit nicht nötig. Bemerkenswert ist, dass dies genau dem in vielen Filmen beobachteten Muster entspricht. Kritisch umgekehrt wird dieses in The Long Kiss Goodnight (1996), in dem Geheimdienstler selbst einen Anschlag in den USA verüben wollen, der 4.000 Opfer fordern soll, um ihre von Kürzungen bedrohten großzügigen Budgets zu rechtfertigen. Einen Schuldigen zu präsentieren, werde ihnen nicht schwerfallen, wie der Geheimdienstchef der Heldin erklärt: »Oh, [we’ll] blame it on the Muslims, naturally.« Als ›Beweis‹ soll ein toter Terrorist am Tatort deponiert werden. The Long Kiss Goodnight – im Jahr nach Oklahoma City in den Kinos gestartet – macht so darauf aufmerksam, wie leicht Muslime als Sündenböcke missbraucht werden können, weil sie ohnehin schon als Terroristen abgestempelt sind. Dies wollen sich auch die Verschwörer zunutze machen, die in Snake Eyes (1998) den Verteidigungsminister ermorden, weil er die Finanzierung für ein nicht funktionierendes Raketenabwehrsystem stoppen will. Sie bedienen sich als Attentäter eines als Terroristen bekannten Palästinensers, den der Sicherheitschef, selbst Drahtzieher des Mordes, noch an Ort und Stelle erschießt.159 Auch diese Filme machen deutlich, dass Terrorismus geradezu zwangsläufig mit Arabern und Muslimen in Verbindung gebracht wurde. Die Betroffenen in den USA wollten dies nicht unwidersprochen hinnehmen. Alle drei oben vorgestellten großen Hollywoodproduktionen, die den Dschihadismus ins Zentrum stellten, wurden Gegenstand von Protesten durch Gruppen wie das American-Arab Anti-Discrimination Committee und den Council of American-Islamic Relations (CAIR) – mit unterschiedlichen Konsequenzen. True Lies wurde mit dem Hinweis versehen: »This film is a work of fiction and does not represent the actions or beliefs of a particular culture and religion.« Da dieser Text – abgesehen davon, wie überzeugend er angesichts des Gezeigten ist – allerdings erst am Ende des Abspanns erscheint, ist zu bezweifeln, dass er von vielen Zuschauern zur Kenntnis genommen, geschweige denn beachtet wurde.160 Wesentlich weitgehender reagierten die Macher von Executive Decision: Gegenüber der in den amerikanischen Kinos gelaufenen Fassung wurden für den weiteren Vertrieb durch Schnitte und Bildbearbeitung einige Änderungen vorgenommen, durch die die Hinweise auf den Islam reduziert wurden.161 Eine besonders intensive Debatte wurde um The Siege geführt. Zwar wurden auch hier, in diesem Fall noch vor der Veröffentlichung, einige als problematisch angesehene Dialogzeilen und Szenen entfernt, Regisseur Edward Zwick und sein Co159 Im Gegensatz zu The Long Kiss Goodnight machen die Verschwörer in Snake Eyes allerdings patriotische Motive geltend. Der Sicherheitschef ist von der Wichtigkeit des Raketenabwehrsystems, das schon noch ausreifen werde, überzeugt und verweist auf die traumatische Erfahrung eines Raketentreffers im Kuwaitkrieg. Die muslimische Bedrohung ist hier – wo der Terrorist ja auch tatsächlich der Schütze ist und nicht nur als solcher präsentiert wird – insofern realer als in dem anderen Film. 160 Vgl. dazu »› True Lies‹ Or Stereotype?«, in: WP 22.07.1994. 161 Einen Vergleich der ungeschnittenen US-Version mit der in Deutschland erhältlichen Fassung bietet die Internetseite http://www.movie-censorship.com/report.php?ID=29658 33 (31.08.2015); siehe dazu auch das nächste Unterkapitel.
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Autor Lawrence Wright verteidigten ihren Film aber zugleich entschieden gegen die grundsätzlich Kritik daran. Dieser zeichne ein ausgewogenes Bild von Arabern und Muslimen und mache gerade auch auf die Gefahren der Stereotypisierung aufmerksam. Dass es Muslime gebe, die Terroranschläge verübten, sei aber nun einmal eine Tatsache. In der New York Times schrieb Zwick: »What the critics are saying, as best as I can understand it, is that any portrayal of the life of Muslims that includes representations of violence – no matter how well documented – is not only offensive, but also inflammatory. Forget the World Trade Center and the embassy bombings in Kenya and Tanzania; their position, simply put, is that all one billion Islamic people in 162 the world can be portrayed only in their most positive aspect.«
Dieser Sichtweise schließt sich im Prinzip Stephen Prince in seinem Buch an, der die Proteste von CAIR als ausgesprochen problematisch darstellt, auch wenn er zugesteht, »[that] [w]ithin the context of Arabic stereotyping that has pervaded Hollywood film for many decades, Executive Decision and The Siege may well have seemed like more of the same at the time they were released.«163 Was Prince nicht entsprechend berücksichtigt und was auch Zwick ignorierte, ist, dass die Kritik an der Darstellung von Muslimen als Terroristen ganz wesentlich darauf gründete, dass dies das alles beherrschende Bild muslimischen Lebens im amerikanischen Film war, wie Jack Shaheen in seinem Beitrag zu The Siege in der Washington Post deutlich machte: »I don’t mean to deny or diminish the horror of recent acts of Arab terrorism, nor even to suggest that movies should exclude Arab terrorists from their stories. But it troubles me that almost all Hollywood stories about Arabs are about bad ones.«164 Entsprechend äußerte sich auch der aus Syrien stammende Produzent und Regisseur Moustapha Akkad: »We cannot say there are no Arab or Muslim terrorists [...]. Of course there are. But at the same time, balance it with the image of the normal human being, the Arab-American, the family man. […] The lack of showing the other side makes it stand out that in Hollywood, Muslims are only terrorists.«165 Gefordert wurde also nicht eine Verleugnung oder Beschönigung der Realität, sondern deren ganzheitliche und nicht nur auf das Negative konzentrierte Abbildung. In der Tat stehen der großen Zahl von Filmen, die an dem Feindbild ›Araber und Muslime‹ mitstricken, nur sehr wenige gegenüber, die sie in einem positiven Licht
162 »Is That a Story or a Stereotype on the Big Screen?«, in: NYT 10.11.1998; Leserbriefe mit Reaktionen dazu finden sich ebenda in den Ausgaben vom 11., 12. und 15.11.1998. Siehe zu der Debatte außerdem »Arab-Americans Fear a Terrorism Film Will Deepen Hatred«, in: NYT 24.08.1998; »Terror Film Under ›Siege‹ By Muslims«, in: Daily News 25.08.1998; »Hollywood Now Plays Cowboys and Arabs«, in: NYT 01.11.1998; »The Power of Film: The Image Breakers: We’ve Seen This Plot Too Many Times« u. »The Power of Film: The Image Makers: Open Your Mind to the Movie We Made«, beide in: WP 15.11.1998. 163 Prince, Firestorm, 63; zur Kritik an der Kritik vgl. z.B. ebenda, 53. 164 »The Power of Film: The Image Breakers: We’ve Seen This Plot Too Many Times«, in: WP 15.11.1998. 165 Zitiert nach »Hollywood Now Plays Cowboys and Arabs«, in: NYT 01.11.1998.
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zeigen.166 Als Helden gar kommen sie, auch im Kino der 1990er Jahre, fast nie vor. Zu den Ausnahmen, in denen dies doch der Fall ist, gehören Robin Hood: Prince of Thieves (1991) und The 13th Warrior (1999), wobei nur in Letzterem der von Antonio Banderas gespielte Araber auch der Protagonist des Films ist. Azeem (Morgan Freeman) in Prince of Thieves ist dagegen zwar eine zentrale Figur, aber lediglich der treue Freund und Mitstreiter von Robin Hood (Kevin Costner), auch wenn er diesem am Ende sogar das Leben rettet. Beide Filme spielen bezeichnenderweise im Mittelalter und damit in einer Zeit, in der die islamische Welt Europa wissenschaftlich voraus war,167 womit das gängige Bild auf den Kopf gestellt wird: Hier sind die Europäer rückständig und die Muslime die Vertreter einer zivilisierteren Welt. Prince of Thieves übertreibt in dieser Hinsicht sogar erheblich, wenn Azeem bereits ein Fernrohr und Schießpulver verwendet oder ein Kind per Kaiserschnitt zur Welt bringt.168 Der Film vermittelt zudem eine dezidiert negative Sicht auf die Kreuzzüge als hochmütigen Versuch der Christen, anderen Menschen den eigenen Glauben aufzwingen zu wollen. The 13th Warrior, der auf einem Roman von Michael Crichton basiert,169 erzählt die Geschichte von Ahmed Ibn Fahdlan,170 der als Gesandter des Kalifen auf eine Gruppe von Wikingern trifft, die er auf eine Reise in den hohen Norden begleitet, wo ein Dorf von einem namenlosen Grauen heimgesucht wird, das sich als in Bärenfelle gehüllte Kannibalen entpuppt. Indem der Film die Perspektive des arabischen Helden einnimmt, bricht er noch deutlicher als Prince of Thieves mit den gängigen Mustern, da der Zuschauer mit Ahmed die Welt der Nordmänner als das fremde ›Andere‹ erlebt. So sind es hier in den ersten Szenen deren Dialoge und einmal nicht die der Araber, die übersetzt werden müssen, bis der Held ihre Sprache erlernt hat, was ihm innerhalb kürzester Zeit nur durch aufmerksames Zuhören gelingt. Im Laufe des Abenteuers entwickeln sich Freundschaft und gegenseitiger Respekt zwischen den Nordmännern und dem von ihnen anfangs noch belächelten »Arab«, der im Gegensatz zu diesen auch des Schreibens mächtig ist und somit die Geschichte ihrer Taten überliefern kann. Sowohl Ahmed als auch Azeem werden nicht zuletzt als gläubige Muslime gezeigt, die die Vorschriften ihres Glaubens wie den Verzicht auf Alkohol befolgen, ohne dass sie das daran hindern würde, mit Christen und sogar Heiden zusammenzuleben. Bezeichnend ist freilich, dass diese positiven Figuren nicht mit arabischen Schauspielern besetzt wurden, was zumindest wieder als Beleg für deren geringen Stellenwert in Hollywood angesehen werden muss. Und bezeichnend ist eben auch, dass diese Filme in einer fernen Vergangenheit spielen. Als anständige Amerikaner, als Teil des täglichen Lebens in den USA, sind Araber und Muslime dagegen in den
166 Shaheen, Reel Bad Arabs dokumentiert dies eindrucksvoll, auch dann, wenn man ihm nicht in allen seinen Urteilen folgen will. 167 Dazu z.B. W. Montgomery Watt, Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter, 2. Auflage der Neuausgabe, Berlin 2010. 168 Vgl. John Aberth, A Knight at the Movies: Medieval History on Film, New York 2003, 190. 169 Michael Crichton, Eaters of the Dead, New York 1976. 170 Die Figur hat historische Wurzeln; dazu Aberth, Knight at the Movies, 59.
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Filmen der 1990er Jahre nicht präsent. Vielmehr werden sie immer wieder offensichtlich ausgeklammert. Deutlich wird dies, wenn man sich die Spezialeinheit anschaut, die in Executive Decision das entführte Flugzeug befreien muss: Zu dieser gehören neben Weißen auch ein Asiate und der schwarze Bombenexperte; Rat, der nach dem Tod des Colonels das Kommando übernimmt, ist ein Latino. Einem bewährten Muster aus Kriegsfilmen folgend, repräsentiert die Truppe also die multiethnische Gesellschaft der Vereinigten Staaten, in die alle integriert sind und der alle aufopferungsvoll dienen – mit Ausnahme eben der Araber, die nur als von außen kommender Feind in Erscheinung treten, gegen den man sich zusammenschließt und den es zu vernichten gilt. Ebenso verhält es sich in Navy Seals.171 Dies entspricht exakt jenem Bild, das, wie Melanie McAlister herausgearbeitet hat, auch die Darstellung des Kuwaitkrieges in der Öffentlichkeit bestimmte.172 In True Lies gehört zu Harrys Team zwar sogar ein arabischer Amerikaner, Faisil (Grant Heslov), allerdings nimmt dieser eine klar untergeordnete Position ein. In einer Szene wird er, nachdem er sich in einer Besprechung einen Scherz erlaubt hat, von dem von Charlton Heston gespielten Chef des »Omega Sector«, wie der Geheimdienst im Film heißt, deutlich in seine Schranken gewiesen: »Faisil, you’re new on Harry’s team, aren’t you? […] So what makes you think the slack I cut him in any way translates to you?« Die Zurechtweisung wird zwar mit dem Dienstalter begründet, man kann darin aber eine durchaus gängige Strategie sehen, Rassismus zu verschleiern, indem das Thema ›Rasse‹ vermieden und ein anderer Grund vorgeschoben wird, während dennoch deutlich gemacht wird, dass der Araber sich nicht auf Augenhöhe mit seinen weißen Kollegen befindet.173 In jedem Fall kommt Faisil für die Handlung des Films keine wesentliche Bedeutung zu, er fungiert in erster Linie als Stichwortgeber für Harry und Albert (Tom Arnold), die miteinander, aber nicht mit ihm eng befreundet sind und zumeist auch ohne ihn agieren. Um den oben bereits beschriebenen Eindruck einer Auseinandersetzung zwischen einem weißen Amerika und arabischen (und asiatischen) Bösewichten zu korrigieren, ist seine Figur eindeutig zu schwach gestaltet und zu nebensächlich. Sie scheint tatsächlich eher eine Art Alibifunktion zu erfüllen und lässt sich in die Tradition anderer nichtweißer Helfer des Helden in imperialen Erzählungen einordnen. Diesen Vorwurf erhoben die arabischen und muslimischen Kritiker auch gegen die Rolle von Tony Shalhoub als FBI-Agent Frank Haddad in The Siege. Inwiefern er berechtigt war, wird im letzten Teilkapitel noch erörtert werden. Dass die Proteste und die Kontroverse speziell um The Siege dazu geführt hätten, dass Hollywood fortan davor zurückgeschreckt sei, Dschihadisten in Filmen zu zeigen, und die Gefahr somit, obwohl überaus real, von der Leinwand verschwunden sei, wie Stephen Prince
171 Mit der halblibanesischen Fernsehjournalistin tritt hier zwar noch eine andere Figur auf, deren Loyalität aber, was wiederum bezeichnend ist, lange zweifelhaft erscheint und die quasi gezwungen werden muss, sich eindeutig zu Amerika zu bekennen und gegen die Terroristen zu stellen. 172 Vgl. McAlister, Epic Encounters, 259. 173 Vgl. dazu die Analyse einer ähnlichen Szene mit einem schwarzen Piloten in Top Gun in Kellner, Media Culture, 81f.
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behauptet,174 ist jedenfalls schlichtweg falsch. So stimmt es, wie ich an anderer Stelle bereits dargelegt habe, wohl nicht, dass die islamistischen Terroristen der Romanvorlage in The Sum of All Fears (2002) durch Neonazis ersetzt wurden, weil die Filmemacher Angst vor Protesten hatten.175 Davon abgesehen gab es nach wie vor Filme, die den dschihadistischen Terror als Bedrohung für die USA darstellten. Neben BFilmen wie Freedom Strike (1998) und Rangers (2000),176 denen man aufgrund ihres Produktionsumfangs vielleicht keine große Bedeutung beimessen will, ist hier insbesondere Rules of Engagement (2000) zu nennen, der ohne Zweifel ein zentraler Film zu der Thematik ist,177 bei Prince jedoch keinerlei Erwähnung findet, dessen Urteil offenkundig auf einer unzureichenden Kenntnis und oberflächlichen Auswertung des Quellenmaterials fußt. Ein weiteres Gegenbeispiel ist der Fernsehfilm The President’s Man: A Line in the Sand, der am 20. Januar 2002 erstmals ausgestrahlt wurde, aber noch vor den Angriffen des 11. Septembers produziert worden war.178 Es handelt sich hierbei um die Fortsetzung von The President’s Man (2000), in dem Chuck Norris bereits als persönlicher Geheimagent des Präsidenten Joshua McCord gemeinsam mit seiner halbvietnamesischen Tochter Que und dem zum Nachfolger auserkorenen Deke Terroristen zur Strecke gebracht hatte. Während im ersten Teil durch eine Auswahl unterschiedlicher Feinde aber noch die Vielgesichtigkeit der terroristischen Bedrohung herausgestellt worden war, fokussiert sich der neuere Film ganz auf den Dschihadismus. Bereits der Einsatz zu Beginn verweist auf den Mittleren Osten, namentlich den ›Schurkenstaat‹ Irak, der zum Zeitpunkt der Ausstrahlung als Unterstützer von alQaida gehandelt wurde: »We have located and neutralized Saddam’s missile storage in West Africa«, meldet Que dem Präsidenten nach Abschluss der Mission, was einmal mehr zeigt, dass die präemptive Zerstörung angeblich insgeheim gehorteter Massenvernichtungswaffen schon vor dem 11. September 2001 propagiert wurde. In der Folge konzentriert sich das Geschehen dann darauf, die Pläne des Topterroristen Rashid (Joel Swetow) zu vereiteln, der ganz offensichtlich an Osama Bin Laden angelehnt ist, wie die ihm zugeschriebenen Anschläge und sein Versteck bei den Taliban in Afghanistan deutlich machen. Rashid verfolgt eine Langzeitstrategie: »We are only eight years into my hundred-year-plan«, erklärt er an einer Stelle. Die Verwirklichung seiner Vision wird er also selbst nicht mehr erleben, was seine fana174 Prince, Firestorm, 50 u. 63. 175 Siehe dazu das Ende von Kap. II.2.3. Natürlich kann man die dort zitierte Aussage von Regisseur Phil Alden Robinson in Frage stellen. Es könnte sich theoretisch um eine nachträgliche Rechtfertigung handeln. Allerdings klingt sie plausibel, und Prince liefert keinen wirklichen Beleg für seine eigene Behauptung (vgl. Firestorm, 49 u. 63). Das als solcher präsentierte Zitat aus einem Brief Robinsons an CAIR bringt lediglich zum Ausdruck, dass keine negative Darstellung von Arabern oder Muslimen beabsichtigt sei, sagt über die Gründe für die Änderung aber überhaupt nichts aus. 176 Das Niveau von Rangers, der mit B-Film noch wohlwollend charakterisiert ist, wird schon daraus ersichtlich, dass ganze Sequenzen des Films aus Invasion U.S.A. (1985) und Red Heat (1988) übernommen wurden. 177 Eine ausführliche Analyse findet sich im letzten Unterkapitel. 178 Cettl, Terrorism in American Cinema, 212f, irrt, wenn er den Film als »post-9/11« einordnet.
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tische Hingabe unterstreicht, das Ziel ist jedoch klar: »His hundred-year-plan is to turn the entire planet into an Islamic empire.« Unmittelbar bedroht werden die USA wieder einmal mit einer Atombombe, die einer von Rashids Männern mit nach Amerika eingeschmuggeltem Plutonium baut, das einmal mehr den Russen abhanden gekommen ist. A Line in the Sand weist hier insbesondere deutliche Parallelen zu True Lies auf, unterscheidet sich von diesem jedoch dadurch, dass er sich überdeutlich auf die reale Gefahr durch al-Qaida bezieht. Mit Realismus hat der weitere Verlauf der Handlung allerdings nichts zu tun, vielmehr handelt es sich um die Wunschfantasie eines einfachen und entscheidenden Sieges im ›Krieg gegen den Terror‹: Auch wenn die Terroristen eine ernst zu nehmende Bedrohung darstellen, sind sie den Amerikanern doch in jeder Hinsicht unterlegen und können sich deren imperialem Blick, symbolisiert durch die Satellitenüberwachung, nie lange entziehen. Insbesondere die Leichtigkeit, mit der Rashid in seinem Versteck in Afghanistan gefangen genommen wird, nachdem ein Luftangriff fehlgeschlagen ist,179 steht in scharfem Kontrast zu den Schwierigkeiten, denen die USA auch nach dem Einmarsch in Afghanistan bei der Jagd auf Osama Bin Laden begegneten. Als sie am 11. September 2001 live verfolgen konnten, wie vier entführte Flugzeuge dazu benutzt wurden, beide Türme des World Trade Centers zu zerstören und das Pentagon zu beschädigen,180 fühlten sich viele Menschen zwangsläufig an Filme erinnert.181 Einerseits konnte man mutmaßen, die Terroristen seien gar unmittelbar von Kinobildern inspiriert worden, wovon beispielsweise der Regisseur Robert Altman ausging: »Die haben das Kino kopiert. Wir haben ihnen das beigebracht.«182 Andererseits konnte man viele Befürchtungen, die jahrelang auf der Leinwand inszeniert worden waren, nun real bestätigt sehen.183 179 Man kann dies als Kritik an mangelndem Handlungswillen der Regierung Clinton interpretieren, die sich auf erfolglose Angriffe mit Marschflugkörpern beschränkte. 180 Zu den Geschehnissen siehe ausführlich Greiner, 9/11. 181 Siehe beispielhaft Georg Seeßlen, »Das Kino und die Katastrophe: Filmische Schreckensphantasien und die mediale Wirklichkeit«, in: epd Film 11/2001, 16-27. Vgl. auch Prince Firestorm, 71-4; Vanhala, Depiction of Terrorists, 87. Unfug ist es allerdings, dass in The Towering Inferno (1974) »suizidwillige Muslims Passagiermaschinen in das Pentagon und die Türme des World Trade Centre [sic!] fliegen«, wie Jörg Becker, »Afghanistan: Der Krieg und die Medien«, in: Albrecht/Becker (Hg.), Medien zwischen Krieg und Frieden, 142-71, hier 161, schreibt. Vermutlich hat Becker den Beitrag von Rolf Giesen, »Flammendes Inferno«, in: ebenda, 134-41, nicht richtig gelesen, der sich mit dem Zusammenhang zwischen 9/11 und Filmen befasst. Auch dieser Aufsatz enthält diverse Fehler schon bei den Namen von Regisseuren und Schauspielern (vgl. z.B. ebenda, 138f). Eine lesenswerte Auseinandersetzung mit der Thematik bietet Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 267-71. 182 Zitiert nach »Am Nullpunkt der Weltgeschichte«, in: SZ 18.04.2006. 183 Die Verwendung einer gekaperten Passagiermaschine als Waffe und das sich daraus ergebende Dilemma der amerikanischen Regierung, einen verheerenden Anschlag womöglich nur durch den Abschuss des Flugzeugs mitsamt aller Geiseln verhindern zu können, lassen z.B. das Szenario von Executive Decision nach den Angriffen vom 11. September 2001 wohl noch realistischer und beängstigender wirken als zur Zeit seiner Entstehung.
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Obwohl der war on terror, der jetzt ganz offiziell ausgerufen wurde, grundsätzlich gegen Terrorismus jeder Couleur geführt werden sollte, richtete er sich von Beginn an vor allem gegen den Islamismus. Dabei betonte die US-Regierung, dass man sich nicht im Konflikt mit dem Islam als solchem befinde. So erklärte George W. Bush: »The terrorists practice a fringe form of Islamic extremism that has been rejected by Muslim scholars and the vast majority of Muslim clerics, a fringe movement that perverts the peaceful teachings of Islam. […] The terrorists are traitors to their own faith, trying in effect, to hijack Islam itself. The enemy of America is not our many Muslim friends; it is not our many Arab friends. Our enemy is a radi184 cal network of terrorists and every government that supports them.«
Bush verwies darauf, dass die USA in Bosnien und dem Kosovo Muslime verteidigt hätten. Er sprach sich in der Folge außerdem als erster amerikanischer Präsident für einen eigenen Palästinenserstaat aus – ohne sich allerdings weiter dafür einzusetzen.185 Stattdessen wurde bei Sicherheitskontrollen das racial profiling verstärkt, und in den Tagen nach dem 11. September wurden 1.200 muslimische Immigranten verhaftet, ohne eines Verbrechens beschuldigt zu werden.186 Aus Sicht vieler Muslime befanden sich die Vereinigten Staaten, im Widerspruch zu den Worten des Präsidenten, doch auf einem Feldzug gegen sie,187 ein Eindruck, der dann vor allem durch den Irakkrieg entscheidend befördert wurde. Man kann vielleicht sagen, dass das von Bush gewählte Bild einer ›Entführung‹ des Islam durch die Extremisten aussagekräftiger war, als ihm bewusst war, wenn man sich vor Augen hält, dass es seit dem 11. September 2001 weithin akzeptierte Logik ist, dass ein entführtes Flugzeug notfalls mitsamt allen unschuldigen Passagieren abgeschossen werden muss, um Schlimmeres zu verhindern. Außerhalb der Regierung wurde die Sichtweise, dass die Muslime insgesamt eine Bedrohung seien, durchaus öffentlich vertreten. Nicht zuletzt einflussreiche Fernsehprediger attackierten den Islam vor ihrem Millionenpublikum mit harschen Worten
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Allerdings wird beim Vergleich mit den realen Anschlägen auch deutlich, dass den Terroristen in Wirklichkeit viel einfachere Mittel genügen als solche Filme suggerieren, in denen nicht bloß Teppichmesser, sondern ganze Arsenale von Kalaschnikows und Pistolen und sogar Bomben mit Giftgas an Bord von Flugzeugen geschmuggelt werden können. George W. Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the United States Response to the Terrorist Attacks of September 11, September 20th, 2001«, in: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=64731 (07.07.2007); vgl. z.B. auch »The President’s News Conference, October 11th, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 73426 (27.07.2007), u. »Remarks to the National Endowment for Democracy, October 6th, 2005«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73821 (27.07.2007). Vgl. in diesem Sinne außerdem beispielhaft Negroponte, »Measures to Eliminate International Terrorism«. Vgl. Burleigh, Blood and Rage, 451; Rabil, Syria, 131. Vgl. Abrahamian, »Huntington«, 539. Vgl. Graham E. Fuller, »The Future of Political Islam«, in: Foreign Affairs 81:2 (2002), 48-60, hier: 54.
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und schmähten den Religionsgründer Mohammed als Terroristen oder von Dämonen besessenen Pädophilen.188 Sie schürten damit eine ohnehin äußerst feindselige Stimmung gegenüber den muslimischen und arabischen Minderheiten im Land, die sich neben verbalen Attacken auch zahlreichen gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt sahen, bei denen im Herbst 2001 mindestens fünf Menschen ums Leben kamen.189 Auch wenn die Nationale Sicherheitsstrategie von 2002 explizit feststellte, dass der »war on terrorism […] not a clash of civilizations« sei, sondern vielmehr einen »clash inside a civilization« enthülle,190 wurde Huntingtons Paradigma nach dem 11. September nicht zuletzt in den Medien verstärkt als Erklärung für die terroristischen Angriffe und die notwendige Reaktion darauf bemüht.191 Damit aber entfiel die Notwendigkeit, zwischen ›guten Muslimen‹ und ›bösen Extremisten‹ zu unterscheiden, denn wie Huntington geschrieben hatte: »The underlying problem for the West ist not Islamic fundamentalism. It is Islam, a different civilization whose people are convinced of the superiority of their culture and are obsessed with the inferiority of their power.«192 9/11 und Amerikas dadurch ausgelöste Kampagne gegen den Terrorismus wurden schon bald in den ersten Filmen verarbeitet.193 Air Marshal (2003) etwa ist eine Vergeltungsfantasie im Geiste von The Delta Force und ähnlichen Produktionen der 1980er Jahre, in der ein erneuter Anschlag mit einem entführten Flugzeug – als Ziel ist zeitweilig ein Flugzeugträger, »the very symbol of American power«, im Gespräch – durch den beherzten Widerstand des mitfliegenden Sicherheitsbeamten Brett verhindert wird, der dabei tatkräftige Unterstützung von Passagieren und Crew erhält. Der Film ist gespickt mit Referenzen auf den 11. September 2001, zum Beispiel werden Ansagen der Terroristen an ihre Geiseln wiederholt mit »That’s what they said in New York« kommentiert, und eine E-Mail an die US-Regierung mit der Forderung nach Freilassung verschiedener Gefangener trägt den Absender »The Brotherhood of September 11th«. Als die Terroristen schließlich überwältigt sind und das Flugzeug sicher gelandet ist, zieht der Held entsprechend das Fazit: »Never bet against a couple of New Yorkers.«
188 Vgl. Abrahamian, »Huntington«, 539; Prätorius, In God We Trust, 91. 189 Vgl. McAlister, Epic Encounters, 275; »Anti-Islamic Violence Breaks Out Around the World«, http://www.theguardian.com/world/2001/sep/13/september11.usa36 (06.07.2007). 190 National Security Strategy [2002], 31. 191 Dazu ausführlich Abrahamian, »Huntington«. 192 Huntington, Clash of Civilizations, 217. Vgl. auch ebenda, 209: »Some Westerners […] have argued that the West does not have problems with Islam but only with violent Islamist extremists. Fourteen hundred years of history demonstrate otherwise.« 193 Dass Islamisten nach 9/11 weitgehend aus Filmen verschwunden wären, wie Stephen Prince schreibt (Firestorm, 63f), ist wiederum nicht zutreffend, selbst wenn man sich auf große Produktionen beschränkt. So ist auch der von ihm angeführte Iron Man (2008) kein gut gewähltes Beispiel, denn es ist zwar richtig, dass ein islamistischer Hintergrund der Gruppe, die Tony Stark in Afghanistan entführt, nicht extra herausgestellt wird, aber dies ist auch überhaupt nicht nötig, weil jeder Zuschauer weiß, wie Afghanen, die Amerikaner angreifen, einzuordnen sind. Sie sind also als Bösewichte keineswegs »nonspecific« (ebenda, 64).
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Um Differenzierungen bemüht sich der sehr simple Film – auch hierin ganz Erbe seiner populäreren Vorbilder – nicht. Zwar gibt es unter den Dschihadisten zwei Fraktionen – dazu unten mehr –, Menschlichkeit zeigt jedoch keiner von ihnen. Dafür bemerkt Bretts Sitznachbar Luke schon vor der Entführung: »Hey man, I know ethnic profiling isn’t politically correct, and we’re all part of the cosmos and all that, but that guy over there… he scares me.« Da sich seine Sorge kurz darauf als völlig berechtigt herausstellt, wird deutlich, dass Arabern und Muslimen gegenüber in der Tat grundsätzliches Misstrauen angebracht und Maßnahmen wie racial profiling daher auch notwendig sind. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Luke selbst als Einwanderer vorgestellt wird, der in zwei Wochen die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten soll, wodurch dem Vorwurf einer grundsätzlichen Fremdenfeindlichkeit vorgebeugt wird. Der gute, westliche Immigrant Luke, der seine Hilfe für Brett und damit seine Wahlheimat USA später mit dem Leben bezahlt, wird aber mit dem ebenfalls in den Vereinigten Staaten lebenden Muslim Jamal kontrastiert, der sich zunächst als freundlicher Jack vorstellt, sich dann aber als von fanatischem Amerikahass beseelter Terrorist entpuppt. Air Marshal vermittelt so klar das Bild, dass Einwanderer nur dann in die amerikanische Gesellschaft integriert werden können, wenn sie aus anderen westlichen Ländern kommen und weiß sind. Tatsächlich gehört die einzige Schwarze, die im Film vorkommt und im Abspann als Fatima identifiziert wird, zu den Terroristen, die zudem auch mit Lateinamerikanern im Bunde sind, die die Maschine auf einer Mittelmeerinsel erwarten. Der Held und die anderen positiven Charaktere sehen sich also einer regelrechten Allianz nichtweißer Bösewichte gegenüber, die von den Dschihadisten dominiert wird. Der »clash of civilizations« kommt beispielhaft auch in einer Szene zum Ausdruck, in der Brett herausfindet, dass der Auslöser für eine angeblich an Bord versteckte Bombe in Wirklichkeit nur ein Kassettenrekorder ist. Die orientalische Musik, die aus diesem erklingt, kommentiert er mit einem unmissverständlichen »Not my kind of music». Mit einem deutlich komplexeren Szenario wartet American Meltdown (2004) auf. Hier besetzt eine Gruppe von vermeintlich arabischen Terroristen ein Atomkraftwerk in den USA und droht damit, eine Kernschmelze auszulösen. Im weiteren Verlauf der Handlung stellt sich jedoch heraus, dass es sich in Wirklichkeit um ehemalige Angehörige der Delta Force handelt, die aufgrund der Verwendung von Uranmunition an Krebs erkrankt und außerdem mit der Art, wie der ›Krieg gegen den Terror‹ geführt wird, unzufrieden sind. In Afghanistan, so erläutert der Anführer, haben sie Terroristen, möglicherweise sogar Bin Laden selbst, wegen einer Absprache mit Pakistan entkommen lassen müssen,194 was den FBI-Agenten Tom Shea (Bruce Greenwood) an eigene Erfahrungen bei den Ermittlungen nach dem Anschlag auf die USS Cole erinnert. Mit ihrer Aktion wollen die Elitesoldaten, die durchaus patriotische Amerikaner sind und in der Tradition von General Hummel in The Rock (1996) stehen, nach eigenem Bekunden die Öffentlichkeit auf solche Missstände und die allzu reale Gefahr durch den Dschihadismus aufmerksam machen. Der Film übt also Kritik an der amerikanischen Regierung, der ein inkonsequenter Umgang mit der Bedrohung durch islamische Kräfte vorgeworfen wird, nicht aber am war on terror als solchem, der vielmehr als völlig richtig erscheint. Überdeutlich wird dies am Ende, wenn einer der Veteranen, der während einer dreijährigen Gefangenschaft offensichtlich von pa194 Einen derartigen Vorfall hat es tatsächlich gegeben. Siehe dazu Greiner, 9/11, 90f.
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kistanischen Extremisten umgedreht worden ist, die Kernschmelze tatsächlich auslösen will, was Shea und der Anführer der Truppe gemeinsam verhindern können. Dies erinnert an die Sorge um einer Gehirnwäsche unterzogene Gefangene des Koreakriegs, die etwa The Manchurian Candidate (1962) zugrunde liegt. Auch wenn die amerikanische Regierung, die hier am Ende ein Blutbad anrichten lässt, um die Ereignisse zu vertuschen, in keinem guten Licht erscheint, ist dennoch klar, dass die eigentliche Bedrohung für Amerika aus der islamischen Welt kommt, die sogar gute Amerikaner in Terroristen verwandeln kann. Bemerkenswert ist auch der Fernsehfilm The Poseidon Adventure (2005), das Remake – genau genommen die Neuverfilmung der Romanvorlage – eines Klassikers des Katastrophenfilms aus dem Jahr 1972. Während in dem älteren Film ebenso wie in der 2006 im Kino gelaufenen Version von Wolfang Petersen das Kreuzfahrtschiff Poseidon durch die Gewalten der Natur versenkt wird, ist dies in der Fernsehproduktion das Werk eines islamistischen Terrorkommandos.195 Diese Fassung verknüpft die Vorlage also mit dem war on terror, macht aus dem Unglück einen Massenmord von Fanatikern und aus einem der Helden dementsprechend einen Agenten der Homeland Security. Als sich die Filmemacher dem 11. September selbst zuwandten, ging es zunächst um die durch Telefonate dokumentierte Geschichte des in Pennsylvania zum Absturz gebrachten vierten Flugzeugs, die sich schon deshalb in besonderer Weise anbot, weil sie bei aller Tragik mit dem Widerstand der Passagiere einen heroischen und hoffnungsspendenden Aspekt beinhaltete.196 Gleich zwei Filme widmeten sich innerhalb weniger Monate dieser Episode, zum einen der von Paul Greengrass inszenierte United 93 (2006) und zum anderen die Fernsehproduktion Flight 93 (2006).197 Beide orientieren sich an den Fakten, wie sie im Bericht der 9/11-Kommission niedergelegt sind, nehmen sich aber natürlich auch künstlerische Freiheiten. Nicht zuletzt stellen beide die Ereignisse so dar, dass es den Passagieren am Ende gelingt, in das Cockpit einzudringen, was zu einem Kampf und dem Absturz führt, obwohl die Aufzeichnungen des Flugschreibers eher nahelegen, dass die Terroristen die Maschine kontrolliert zum Absturz brachten, weil sie fürchteten, die Cockpittür werde nicht mehr lange halten. Die heldenhafte Rolle der Geiseln wird so noch stärker betont. Sehr unterschiedlich wird jeweils die Reaktion der Behörden gezeigt: Während diese in Flight 93 trotz der Ausnahmesituation sehr souverän und effizient handeln, stellt United 93 wahrheitsgetreu die Überforderung der Verantwortlichen dar. Dies kann man auf einer symbolischen Ebene auch als Hinweis auf das Verhalten des Staates insgesamt im Angesicht der terroristischen Bedrohung interpretieren. Ein weiterer Unterschied ist die Gestaltung des unmittelbaren Endes: Während Greengrass’ Film mit dem Absturz der Maschine schließt, den der Zuschauer durch die 195 Der deutsche Titel lautet daher auch passender Der Poseidon-Anschlag. Auch dieser Film findet bei Prince, Firestorm keine Erwähnung, er fehlt ebenso bei Cettl, Terrorism in American Cinema. 196 Das legendär gewordene Kommando »Let’s roll!«, mit dem die Passagiere den Angriff auf das von den Terroristen besetzte Cockpit einleiteten, wird auch in Air Marshal zitiert. 197 Vgl. zu diesen Filmen und dem Folgenden auch Prince, Firestorm, 106-14 u. 251f. Siehe zur filmischen Aufarbeitung von 9/11 allgemein außerdem Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 271-82.
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subjektive Kameraführung direkt miterlebt, endet Flight 93 mit einer Aufnahme der Absturzstelle im Wechsel der Jahreszeiten. Nach einem Jahr sind die Spuren der Katastrophe nicht mehr zu sehen, ein Symbol dafür, dass die Nation keinen irreparablen Schaden erlitten und sich erholt hat, wobei zugleich bekräftigt wird, wie wichtig es war, dass die Maschine in menschenleerem Gebiet niederging. Zumindest hier kann man in dem Handgemenge im Cockpit denn auch eine Vorwegnahme des war on terror sehen, der die Terroristen, wenn auch unter Opfern, daran hindern wird, ihr Ziel zu erreichen. Der Fernsehfilm vermittelt somit ein wesentlich optimistischeres Bild als United 93, der den Zuschauer mit der Möglichkeit zurücklässt, dass unsere Welt nicht zu retten ist in dem Kampf zwischen »modernism and medievalist hostility toward it.«198 Der ›Krieg gegen den Terror‹ verhalf in einer interessanten Episode auch einem älteren Film zu unverhofftem neuen Ruhm: Als amerikanische Soldaten nach langer Suche im Dezember 2003 Saddam Hussein gefangen nahmen, wurde diese Operation »Red Dawn« genannt – in Anlehnung an John Milius’ Film über eine kommunistische Invasion Amerikas aus dem Jahr 1984. »I think all of us in the military have seen Red Dawn«, erklärte der verantwortliche Offizier dazu. Der Regisseur zeigte sich »deeply flattered and honored« und fand die Entscheidung überaus passend, denn: »The message of Red Dawn is to liberate the oppressed.«199 Ihm entging offenkundig ebenso wie den Militärs die Ironie, die darin lag, dass ein Film, der den Widerstand von Guerillas gegen eine Besatzungsarmee feiert, nun mit einem durch eine Invasion herbeigeführten Regimewechsel in Verbindung gebracht wurde. Der bald wachsende Widerstand der Iraker mag sie ihnen nachträglich deutlich gemacht haben. Man kann in dieser Randnotiz zum Irakkrieg aber einmal mehr sinnfällig verdichtet sehen, wie der war on terror an die Stelle des Kalten Krieges trat. Nach der Besetzung des Irak wurde der Iran wieder zur wichtigsten staatlichen Verkörperung des Feindes im ›Krieg gegen den Terror‹.200 Während die Vereinigten Staaten mit zweifelhaften Partnern wie Saudi-Arabien und Pakistan eng zusammenarbeiteten, wurde dem Iran alsbald – zumindest in neokonservativen Kreisen – eine Rolle zugewiesen, die an die der UdSSR im Kalten Krieg erinnert, als Haupt einer terroristischen Verschwörung, die der Durchsetzung einer totalitären Ideologie dienen soll. Beispielhaft deutlich wird dies in dem Buch The Iranian Bomb von Michael Ledeen, einem Angehörigen des American Enterprise Institute, das in seiner Schilderung des »terror war waged against the Western world by the Islamic Republic of Iran, and the West’s failure to respond effectively« frappierend an die Darstellungen der Terrorismus-Verschwörungstheorie aus den 1980er Jahren erinnert.201 Charakteristisch ist insbesondere die absurde Erklärung al-Qaidas zu einem Instrument des Iran. »Al Qaeda no longer exists as a separate entity, and it has been integrated into 198 Prince, Firestorm, 113. 199 Zitiert nach »Red Dawn Imitated Art«, http://www.usatoday.com/life/movies/2003-1217-red-dawn_x.htm (25.11.2008). 200 Vgl. z.B. George W. Bush, »Remarks at the American Legion National Convention in Salt Lake City, August 31st, 2006«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=749 (27.07.2007). 201 Michael A. Ledeen, The Iranian Bomb: The Mullah Zealot’s Quest for Destruction, New York 2007, 1.
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the terrorist galaxy that evolves around Iran«, behauptet Ledeen. »So when you hear ›Al Qaeda,‹ it’s probably wise to think ›Iran.‹ « 202 Bezeichnend ist auch, dass das Committee on the Present Danger, das 2004 neu gegründet wurde, »to stiffen American resolve to confront the challenge presented by terrorism and the ideologies that drive it«, auf seiner Homepage eine eigene Rubrik »Iran Update« unterhielt.203 Viele der gegen den Iran erhobenen Vorwürfe halten einer kritischen Überprüfung nicht stand.204 Auch wird es dessen komplexem politischem System, in dem zum Beispiel durchaus bedeutungsvolle, wenn auch nicht wirklich freie Wahlen stattfinden, nicht gerecht, wenn man es als totalitär charakterisiert.205 Dieses Bild ist aber schon deshalb wichtig, weil der ›Krieg gegen den Terror‹ auch als ein ideologischer Konflikt gesehen wird. Nicht von ungefähr wurde eine vorsichtige (temporäre) Annäherung zwischen den Erzfeinden USA und Iran erst möglich, als mit dem selbsternannten ›Islamischen Staat› ein gemeinsamer Feind auf der Bildfläche erschien, der die Schreckensvision eines totalitären Islam idealtypisch repräsentiert.206 Die Definition des war on terror als nächstes Kapitel im Kampf gegen den Totalitarismus wurde nach dem 11. September 2001 schnell zu einem dominanten Erklärungsmuster, das auch als Alternative zum »clash of civilizations« angeboten wurde. In seiner Ansprache vor dem Kongress am 20. September legte Bush diese Sichtweise beispielhaft dar, als er über die Terroristen sagte: »We have seen their kind before. They are the heirs of all the murderous ideologies of the 20th century. By sacrificing human life to serve their radical visions, by abandoning every value except the will to power, they follow in the path of fascism and Nazism and totalitarianism. And they will follow that path all the way, to where it ends, in history’s unmarked grave of dis207 carded lies.«
202 Ebenda, 108 u. 112. Vgl. auch Brookes, Devil’s Triangle, 201 u. PGT: 2003, 88, wo das Außenministerium behauptete, aus Afghanistan geflohene al-Qaida-Kämpfer hätten im Iran »virtual safehaven« gefunden. Zum Teil wollte man den Iran darüber hinaus sogar für den Irakkrieg verantwortlich machen, vgl. Beeman, »Great Satan«, 162 u. 209. 203 Online: http://www.committeeonthepresentdanger.org (02.09.2015). Zitat ebenda unter »About Us: Mission«. 204 Vgl. Beeman, »Great Satan«, 87f u. 140-8; zur Frage der al-Qaida-Kämpfer auch Slavin, Bitter Friends, 199-206. 205 Vgl. Beeman, »Great Satan«, 194-205; Slavin, Bitter Friends, 63-82; Gronke, Geschichte Irans, 110f u. 114f; Juergensmeyer, Global Rebellion, 228f, der auch die Charakterisierung Theokratie zurückweist. 206 Noch die dabei ausgehandelte Einigung im Atomstreit erklärte Außenminister John Kerry aber für besonders wichtig wegen Irans Rolle als »number one state sponsor of terror in the world«; zitiert nach »Kerry Says United States, Egypt Return to ›Stronger Base‹ in Ties«, http://www.reuters.com/article/us-egypt-usa-idUSKCN0Q706H20150803 (07.08. 2016). 207 George W. Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the United States Response to the Terrorist Attacks of September 11, September 20th, 2001«, in: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=64731 (07.07.2007).
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In den folgenden Monaten und Jahren trugen der Präsident und andere Mitglieder seiner Administration dieses Credo immer wieder vor,208 das auch von diversen Journalisten, Wissenschaftlern und sonstigen Kommentatoren aufgegriffen wurde, die mal vom Dritten, mal vom Vierten Weltkrieg sprachen, der gegen den ›Islamobolschewismus‹ oder den ›Islamofaschismus‹ geführt werde.209 Auf diese Weise wurde der Konflikt in eine Traditionslinie gestellt, die ihn scheinbar verständlicher machte und die vor allem, wie Bush sogleich betont hatte, das Versprechen eines Sieges beinhaltete.
3.3 »THE SWORD OF ALLAH«: TOTALITARISMUS UND IRRATIONALE GEWALT IM FEINDBILD ISLAM Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass gerade die Identifikation des Orients mit einer Herrschaft, die die Menschen versklavt, zu den ältesten Feindbildtopoi gehört, über die Europa und die von dort aus besiedelten Länder verfügen. Geprägt wurde dieser durch die griechische Überlieferung der Perserkriege, die diesen Konflikt bereits maßgeblich als einen Kampf zwischen den freien Bürgern der griechischen Poleis und den despotischen Großkönigen des Perserreichs schilderte. Dabei wurden die gegensätzlichen politischen Ordnungen einerseits als Folge der unterschiedlichen Beschaffenheit der Erdteile gesehen und andererseits als Erklärung für die größere Tapferkeit und Kriegstüchtigkeit der Griechen. Die Gegenüberstellung des freien Wes-
208 Vgl. z.B. George W. Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 28th, 2003«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=29645 (13.05.2007); »Remarks at the FBI National Academy in Quantico, Virginia, July 11th, 2005«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73894 (27.07.2007); »Remarks to the National Endowment for Democracy, October 6th, 2005«, in: http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=73821 (27.07.2007); »Remarks to the World Affairs Council and a Question-and-Answer-Session in Philadelphia, Pennsylvania, December 12th, 2005«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=65068 (27.07.2007); »Remarks at the American Legion National Convention in Salt Lake City, August 31st, 2006«, in: http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=749 (27.07.2007); »Remarks at the Victims of Communism Memorial Dedication, June 12th, 2007«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 75320 (27.07.2007). Vgl. beispielhaft auch die in Woodward, Bush at War, 228f, zitierte Rede Rumsfelds bei der Gedenkfeier im Pentagon. 209 Vgl. z.B. »The Real War«, in: NYT 27.11.2001; Frum/Perle, End to Evil, 42f, 147 u. 277f; Niall Ferguson, »Zusammenprall der Zivilisationen oder ›verrückte Mullahs‹: Die Vereinigten Staaten als imperiale Macht«, in: Strobe Talbott/Nayan Chanda (Hg.), Das Zeitalter des Terrors: Amerika und die Welt nach dem 11. September, übers. von Joachim Kalka u.a., München u. Berlin 2002, 114-38, hier: 119; Norman Podhoretz, World War IV: The Long Struggle Against Islamofascism, New York 2007. Podhoretz betrachtet den Kalten Krieg als Dritten Weltkrieg.
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tens und des unfreien Ostens war somit von Beginn an ein elementarer Bestandteil europäischer Identitätsbildung in Abgrenzung von Asien.210 Ganz unmittelbar greift 300 (2007), die Adaption einer graphic novel von Frank Miller, auf diese antike Überlieferung zurück. Konkret handelt es sich um eine weitere Ausformung des oft – zum Beispiel in Görings Stalingrad-Rede – instrumentalisierten Thermopylen-Mythos.211 An den Thermopylen, einem schmalen Pass, versuchten die verbündeten Griechen 480 v. Chr. das Landheer der Perser aufzuhalten, was ihnen auch gelang, bis ein Verräter den Invasoren einen Fußpfad zur Umgehung der griechischen Stellungen zeigte. Der spartanische König Leonidas, der das griechische Aufgebot befehligte, befahl daraufhin den Abzug seiner Truppen, blieb aber selbst mit 300 Spartiaten zurück, mit denen er den Persern einen Kampf bis zum Tod lieferte. Wie in der mythischen Verklärung dieser Episode üblich konzentriert sich der Film ganz auf die Spartaner und Leonidas (Gerard Butler), während die bis auf den Endkampf ebenfalls an der Schlacht beteiligten Vertreter anderer Poleis nur in Gestalt der wenig hilfreichen Arkadier Erwähnung finden, die hier auch nicht von Leonidas weggeschickt werden, sondern feige fliehen, wodurch der heroische Opfermut der Spartaner noch heller strahlt. Tatsächlich ergeht sich 300 in einer vorbehaltlosen Glorifizierung Spartas, dessen die gesamte Lebensführung bestimmenden Militarismus unverhohlene Bewunderung gezollt wird. Sogar die Tötung von Neugeborenen, die als zu schwach oder nicht gesund angesehen werden, wird gerechtfertigt: Zwar machen die Bilder von der Inspektion des Säuglings Leonidas über einem mit Kinderskeletten übersäten Abgrund eigentlich den unmenschlichen Charakter dieser Praxis deutlich, der gesamte weitere Film vermittelt dem Zuschauer aber, dass eben diese Auslese die Grundlage für die Kampfkraft der Spartaner ist, dass mittels solcher Ausmerze erfolgreich Übermenschen herangezüchtet werden können. Hinzu kommt, dass der Verräter Ephialtes hier eine buckelige, extrem entstellte ›Missgeburt‹ ist, die von ihren Eltern durch Flucht aus Sparta gerettet wurde. Dieser menschliche Impuls wird als falsch diskreditiert, denn Ephialtes kann nicht nur aufgrund seiner verkrümmten Gliedmaßen nicht, wie er zunächst wünscht, die Spartaner im Kampf unterstützen, er erweist sich zudem auch als charakterlich missraten, wenn er auf Leonidas’ freundliche Ablehnung mit heimtückischem Verrat reagiert. 300 erklärt so Menschen, die körperlich beeinträchtigt sind, zu einer Belastung und sogar Gefahr für den Staat und legitimiert damit deren Ermordung. Der Film bewegt sich damit nicht nur in der Nähe faschistischen Gedankenguts. Seine antidemokratische Haltung wird auch in der Darstellung politischer Kontrollinstanzen deutlich. So werden die Ephoren, die obersten Beamten Spartas, hier in völliger Verzerrung der historischen Gegebenheiten zu Priestern gemacht:212 »Inbred 210 Vgl. Lockman, Contending Visions, 12-4. Als wichtige Quelle siehe Herodot, Historien, übers. von A. Horneffer, neu hg. u. erläutert von H.W. Haussig, mit einer Einleitung von W.F. Otto, Stuttgart 41971. 211 Siehe dazu den Artikel »Leonidas und die Seinen« des Althistorikers Stefan Rebenich, in: SZ 02.04.2007. 212 Auch die übrigen Institutionen des spartanischen Staates werden nicht historisch korrekt abgebildet. So gibt es neben Leonidas nicht den für Sparta charakteristischen zweiten König, und der Rat entspricht nicht der spartanischen Gerusia, der nur Männer über 60
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swine. More creature than man«, wie der Erzähler aus dem Off kommentiert, was die Bilder unterstreichen. Leonidas muss bei diesen abstoßenden Gestalten, die sich auf einem unzugänglichen Berg im sexuellen Missbrauch junger Mädchen ergehen, die ihnen als Orakel zur Verfügung gestellt werden müssen, die Erlaubnis für seinen geplanten Feldzug einholen. Die Ephoren versagen diese jedoch mit Verweis auf ein anstehendes religiöses Fest, wodurch Leonidas überhaupt erst gezwungen wird, mit der viel zu kleinen Schar von 300 Männern, die er kurzerhand als persönliche Leibwache deklariert, in den Kampf zu ziehen. Selbst der spartanische König, so wird betont, muss den Gesetzen Folge leisten. Dies wird einerseits als Vorzug gegenüber dem despotischen Herrschaftssystem der Perser präsentiert, andererseits aber auch als ein Problem, weil der Staat damit in die Abhängigkeit von unzuverlässigen Kräften gerät. Die Ephoren sind nämlich von den Persern bestochen, ebenso wie der Ratsherr Theron (Dominic West), der alles unternimmt, um Leonidas’ Bemühungen zur Rettung Griechenlands zu sabotieren. Höchster Ausdruck seiner Perfidie ist schließlich, dass er die Königin Gorgo (Lena Headey) mit dem Versprechen, ihr bei der Überzeugungsarbeit im Rat zu helfen, dazu nötigt, sich ihm hinzugeben, um sie dann in der Versammlung als Ehebrecherin und Hure darzustellen, wofür sie ihn kurzerhand ersticht. 300 zeichnet ein für amerikanische Filme nicht untypisches Bild korrupter Politiker, spitzt dieses jedoch noch dahingehend zu, dass die Existenz von politischen Kontrollinstanzen und bindenden Gesetzen per se als hinderlich im Kampf gegen die Bedrohung von außen dargestellt wird. Vor dem Hintergrund des war on terror kann man darin ein Plädoyer für eine unkontrollierte, nicht durch Rechtsstaatlichkeit und demokratische Entscheidungsprozesse eingeschränkte Kriegführung sehen. Sparta wird in 300 trotz dieser Elemente und obwohl es »der erste totalitäre Staat der Weltgeschichte und damit Vorbild auch für moderne Vertreter dieser Gattung« war, wie der Althistoriker Ernst Baltrusch schreibt,213 als Hort der Freiheit verklärt. Dies ist nur dadurch möglich, dass ihm ein zum absoluten Bösen verzeichneter Feind gegenübergestellt wird. Wie die Perser in jeder Hinsicht als Gegenbild zu den Spartanern entworfen werden, wird beispielhaft in einer Szene deutlich, in der Leonidas und Xerxes während einer Kampfpause zu einem Gespräch zusammentreffen: Leonidas fordert den Spartiaten, der angerannt kommt, um ihm die Meldung zu bringen, dass sich Perser nähern, zunächst einmal auf, Atem zu holen, und geht Xerxes allein entgegen. Der gut drei Meter große Perserkönig wird dagegen von zahllosen Sklaven auf einer riesigen Sänfte, auf der sich am Ende einer langgezogenen Treppe sein Thron befindet, herbeigetragen. Als er von dieser Konstruktion absteigt, bilden einige Männer mit ihren Körpern eine Treppe zum Boden. Xerxes tritt seine Untergebenen also buchstäblich mit Füßen, während Leonidas zu seinen Männern ein väterliches Verhältnis pflegt (in einer späteren Szene spricht er sie auch tatsächlich als »children« an). Der Dialog unterstreicht dies noch, wenn Xerxes warnt: »Imagine what a horrible fate awaits my enemies, when I would gladly kill any of my own men for Jahren angehörten. Zum Aufbau der Polis Sparta vgl. Ernst Baltrusch, Sparta: Geschichte, Gesellschaft, Kultur, 4., aktual. Auflage, München 2010, 20-34. 213 Baltrusch, Sparta, 12. Man mag diese Charakterisierung nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Quellenlage zu drastisch finden, aber sie ist nicht aus der Luft gegriffen. In jedem Fall war Sparta im Wesentlichen eine Oligarchie; dazu auch Martin Dreher, Athen und Sparta, München 2001, hier v.a. 106f.
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victory.« Die spätere Hinrichtung der erfolglosen Generäle bestätigt diese Aussage und demonstriert noch einmal, dass Xerxes der Inbegriff eines Tyrannen ist, für den nur die eigene Macht zählt. Leonidas dagegen bekundet die Bereitschaft, für seine Männer zu sterben. In vielerlei Hinsicht präsentiert der spartanische König sich eher als primus inter pares denn als Monarch. Den Respekt seiner Männer verdient er sich durch seine Leistung, wenn er im Kampf an ihrer Spitze steht. Xerxes auf der anderen Seite beobachtet das Gemetzel, in das seine Truppen mit Peitschenhieben getrieben werden, nur aus sicherer Entfernung, verlangt aber, als Gott verehrt zu werden. Trotz seiner unnatürlichen Größe wirkt er mit seinem geschminkten Gesicht und dem exzessiven Körperschmuck neben Leonidas unmännlich, er erscheint als die fleischgewordene Verkörperung des riesigen, aber femininen Asiens. Leonidas bringt dementsprechend auch seine Geringschätzung für die persischen Truppen zum Ausdruck, indem er deren Männlichkeit in Frage stellt. Die Feminisierung der Perser illustriert aber nicht nur deren Unterlegenheit, sondern ihre zweifelhafte sexuelle Identität stellt auch eine Bedrohung auf einer anderen Ebene als der militärischen dar, was nicht zuletzt darin zum Ausdruck kommt, dass Xerxes Leonidas zur Unterwerfung zu verführen versucht, ihm dabei von hinten die Hände auf die Schultern legt und ihm ins Ohr flüstert. Während er bei dem Spartanerkönig damit keinen Erfolg hat, wird Ephialtes später in Xerxes’ Zelt im Feldlager, das ein Ort des Luxus und der sexuellen Ausschweifung ist, zum Verräter, verlockt nicht zuletzt durch die Aussicht auf die Befriedigung fleischlicher Gelüste. Die Bedrohung durch den Orient ist also auch eine der griechischen Männlichkeit durch eine als pervers präsentierte Sexualität. Damit wird auf dem Wege der Projektion zugleich von den homoerotischen Konnotationen der männerbündischen Lebensweise der Spartaner abgelenkt.214 Xerxes bietet Leonidas an, ihn zum Kriegsherrn von ganz Griechenland zu machen, wenn er bereit sei, sich ihm zu unterwerfen: »You will carry my battle standard to the heart of Europa.« Hier wird deutlich, dass wesentlich mehr auf dem Spiel steht als das Schicksal Griechenlands, dass tatsächlich der gesamte Kontinent bedroht ist, was wiederum der griechischen Überlieferung der Perserkriege entspricht.215 Leonidas lehnt das Angebot jedoch, ohne zu zögern, ab. Als der Perserkönig daraufhin wutschnaubend verkündet, er werde nach seinem Sieg sogar die Erinnerung an Sparta aus der Geschichte tilgen lassen, entgegnet der Spartaner ruhig: »The world will know that free men stood against a tyrant. That few stood against many. And before this battle was over… that even a god-king can bleed.« Dieser Ausspruch enthält noch einmal die wichtigsten Punkte des Gegensatzes, der den Film in jeder Minute prägt. Die große zahlenmäßige Überlegenheit der Perser 214 In diesem Kontext ist es auch zu sehen, wenn Leonidas in einer frühen Szene die Athener abschätzig als ›Knabenliebhaber‹ bezeichnet. Tatsächlich war die Knabenliebe schon aufgrund des Erziehungssystems in Sparta sehr verbreitet; vgl. Baltrusch, Sparta, 68. Bemerkenswerterweise bezeichnete Regisseur Zack Snyder 300 in einem Interview im Jahr 2016 rückblickend selbst als »eine[n] der schwulsten Filme aller Zeiten«; zitiert nach »Aufrüsten gegen Marvel«, in: SZ 24./25.03.2016. 215 Vgl. z.B. die Ansprache des Themistokles nach der Schlacht von Salamis bei Herodot, Historien, VIII, 109: »Denn nicht wir waren die Sieger, sondern die Götter und Heroen, die es dem einen Manne nicht gönnten, König von Asien und Europa zugleich zu sein[.]«
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spielt dabei eine sehr wichtige Rolle, weil sie einmal mehr die moralische Überlegenheit der Griechen unterstreicht, die nicht nur ihre Heimat, sondern ganz Europa in einer scheinbar hoffnungslosen Lage verteidigen. Der Film beschwört in Bild und Wort durchgehend die seit den Perserkriegen tief in der westlichen Vorstellung verwurzelte Furcht vor »Asia’s endless hordes«, denen sich die Spartaner entgegenstellen. Es wird aber nicht nur kein Zweifel daran gelassen, dass die Perser allein durch ihre schiere Masse den Sieg erringen können, sie werden über die Deindividualisierung hinaus in extremer Weise entmenschlicht. Charakteristisch ist in dieser Hinsicht vor allem die Darstellung der Unsterblichen, der Elitetruppe des persischen Heeres. Diese marschieren zum Klang von Trommeln im Gleichschritt als eine Armee von ganz in schwarz gekleideten Gestalten auf, deren Gesichter hinter Metallmasken mit schwarzen Löchern über Augen und Mund verborgen sind.216 Ihre schwarzen Uniformen und die mit Totenköpfen geschmückten Feldzeichen evozieren wieder einmal Erinnerungen an die SS, wodurch noch einmal deutlich wird, wie die Perser zum totalitären Feind stilisiert werden, während die totalitären Züge der Spartaner im Kontrast dazu verblassen. Bemerkenswerterweise kommt unter den Masken der Unsterblichen ein sogar noch unmenschlicheres Antlitz zum Vorschein, und der Zuschauer kann sich davon überzeugen, dass der Erzähler nicht übertrieben hat, als er von »teeth filed to fangs« gesprochen hat. Auch ihre Hände sind eher Klauen, was durch eine Großaufnahme des Haltesignals des Anführers markant ins Bild gerückt wird. Darüber hinaus führen sie eine vollends monströse, auch übermenschlich große Gestalt in Ketten mit sich, die auf die Spartaner gehetzt wird.217 So wird deutlich, dass die Vergleiche des persischen Heeres mit einem Untier mehr als nur Metaphern sind: Die orientalischen Feinde sind in 300 tatsächlich keine Menschen, sondern schreckliche Wesen aus einer anderen Welt. Zum unmenschlichen Charakter des unverblümt rassistisch gezeichneten Feindes gehört auch sein unmenschliches Herrschaftssystem, dessen Symbole Peitschen und – auch wie Schmuck getragene – Ketten sind. Der Kampf freier Männer gegen einen Tyrannen, von dem Leonidas spricht, ist der Kern des Films; »freedom« und »free« sind Schlüsselwörter, die die Griechen ständig im Munde führen, um sich von den Persern abzusetzen und den Sinn ihres Widerstandes auf den Punkt zu bringen. Um dieses Bild nicht zu trüben, wird jeder Hinweis darauf ausgespart, dass die spartanische Kriegergesellschaft der ›Gleichen‹ auf der brutalen Unterdrückung und Ausbeutung der Heloten beruhte, die die völlige Konzentration der Spartiaten auf den Beruf des Kriegers sowohl möglich als auch erforderlich machte.218 Der Film erweckt dagegen den ahistorischen Eindruck, Sklaverei sei eine spezifisch orientalische Einrich216 Mit dem tatsächlichen Aussehen der Unsterblichen, deren Name sich auf die stets gleichbleibende Truppenstärke bezog, hat dies nichts zu tun. Vgl. dazu John Warry, Die Kriegskunst der Griechen und Römer, übers. von Edouard Schartz, Köln 1981, 38. Warry weist ebenda, 39, darauf hin, dass die Perser aufgrund ihrer deutlich leichteren Bewaffnung gegenüber den griechischen Hopliten einen entscheidenden Nachteil hatten, ein Faktor, den der Film, in dem die Spartaner mit freiem Oberkörper kämpfen, vernachlässigt. 217 Später werden auch Kriegselefanten und ein Nashorn zum Einsatz gebracht, was wiederum jeder historischen Grundlage entbehrt. 218 Dazu Baltrusch, Sparta, v.a. 30-4.
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tung und der Freiheitsbegriff der Griechen sei mit dem unseren identisch. Aktuelle Konflikte unserer Zeit zwischen der ›freien Welt‹ des Westens und dem einst von den Persern beherrschten Osten erscheinen dadurch als Fortschreibung eines jahrtausendealten Gegensatzes. Unter diesem Gesichtspunkt lohnt ein vergleichender Blick auf Oliver Stones Alexander (2004). Auch dieser Film greift, zum Beispiel bei der Darstellung der Schlacht von Gaugamela, auf das Bild der asiatischen Menschenmassen, denen die Griechen gegenüberstehen, zurück. Und auch hier spielt die Gegenüberstellung von griechischer Freiheit und orientalischer Despotie eine zentrale Rolle, werfen Alexanders Offiziere ihrem König doch vor, sich immer mehr in einen Herrscher östlichen Zuschnitts zu verwandeln. Es wird aber deutlich gemacht, dass der Widerstand gegen Alexanders Plan, Europa und Asien zu einen, sich maßgeblich aus einem dünkelhaften Beharren auf der eigenen Überlegenheit und einer tiefverwurzelten Abneigung gegenüber dem Fremden speist. »What disturbs me most«, hält der König seinen Kritikern einmal wütend vor, »is not your lack of respect for my judgement… It’s your contempt for a world far older than ours.« Derartige Reflexionen sind 300 fremd. Xerxes behauptet zwar schmeichlerisch: »There is much our cultures could share.« Aber Leonidas entgegnet darauf nur süffisant: »Oh, haven’t you noticed? We’ve been sharing our culture with you all morning.« Eine Begegnung der Kulturen ist für 300 nur als Kampf denkbar, in dem die eine Seite die andere besiegt, als »clash of civilizations« eben. Am Beispiel des Films wird dabei deutlich, dass der Kampf gegen den Totalitarismus keineswegs zwangsläufig als Gegenbild zu diesem »clash« verstanden werden muss, auch wenn etwa George W. Bush diesen Eindruck zu erwecken versuchte. Vielmehr kann er geradezu als der Kern einer sich durch die Geschichte ziehenden Auseinandersetzung gesehen werden, weil die Versklavung des Menschen in tyrannischen Herrschaftssystemen scheinbar schon immer ein festes Wesensmerkmal gewesen ist, durch das sich der Orient vom freien Westen unterschieden hat, schon lange bevor es den Islam gab. Interessant ist nun noch, welche Rolle Religion in 300 spielt. Nicht von ungefähr zitierte Huntington eine von Herodot überlieferte Ansprache der Athener an die Spartaner, um die Unterscheidung zwischen Zivilisationen und die zentrale Bedeutung der Religion in diesem Zusammenhang zu belegen.219 Im Film aber ist der griechische Götterglaube für die Abgrenzung von den Persern bemerkenswerterweise völlig unwichtig. Der Anmaßung von Xerxes, sich zum Gottkönig zu erklären, wird nicht die eigene Frömmigkeit gegenübergestellt, wie dies in den griechischen Quellen der Fall ist.220 Stattdessen ist »reason« der Schlüsselbegriff des spartanischen Selbstbildes, der diese Funktion erfüllt. Schon zu Beginn beschreibt der Erzähler die drohende Gefahr vielsagend als »an army of slaves […] ready to devour tiny Greece. Ready to snuff out the world’s one hope for reason and justice.« Unmittelbar vor der entscheidenden Schlacht von Platäa am Ende des Films, als sich sein Bericht als Ansprache an das griechische Heer entpuppt, erklärt er abschließend noch einmal, dass Leonidas und seine 300 Männer nicht nur für Sparta gestorben seien, »but for all Greece and the promise this country holds. […] This day, we rescue a world from mysticism and tyranny and usher in a future brighter than anything we can imagine.« 219 Huntington, Clash of Civilizations, 42. 220 Vgl. noch einmal beispielhaft Herodot, Historien, VIII, 109.
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In diesem Kontext verdient auch die Szene mit den Ephoren noch einmal Aufmerksamkeit. »Trust the gods, Leonidas«, fordern diese, worauf der König erwidert: »I’d prefer you trusted your reason.« Der Held wird hier explizit nicht als fromm charakterisiert, sondern als vernunftorientiert. Auch seine Männer beziehen sich in wenigen Dialogzeilen allenfalls floskelhaft auf die Götter, eine besondere Bedeutung scheinen diese für sie nicht zu haben. Das Urteil der Ephoren wird, wie betont wird, nur deshalb zähneknirschend akzeptiert, weil die Gesetze dies verlangen, keineswegs aus Ehrfurcht. Der Kommentar des Erzählers distanziert die Spartiaten überdeutlich von diesen wichtigen Persönlichkeiten ihres Staatswesens, die er als »priests to the old gods« bezeichnet, und von dem, wofür sie stehen: »Diseased old mystics. Worthless remnants of a time before Sparta’s ascent from darkness. Remnants of a senseless tradition.« Der Grund für diese ahistorische und zunächst überraschende Darstellung221 ist simpel: Indem 300 die Spartiaten als aufgeklärte Menschen präsentiert, als Begründer einer westlichen Tradition der Vernunft, wird wiederum eine unmittelbare Verbindungslinie in unsere Gegenwart, eine Identifikationsmöglichkeit, eröffnet, während der polytheistische Glaube der alten Griechen diese stören würde.222 Dieser wird daher als Aberglaube mit dem Gottkönigtum des persischen Despoten gleichgesetzt – nicht von ungefähr sind die Ephoren mit den Persern im Bunde. Da die Spartiaten den ›wahren Glauben‹ noch nicht haben können, sind sie in einem positiven Sinne gottlos oder besser: götterlos. Der Kampf um Europa ist nicht nur einer zwischen Freiheit und Tyrannei, sondern auch zwischen Vernunft und Irrationalität, wobei das eine mit dem anderen scheinbar Hand in Hand geht. Ganz frei von religiösem Gehalt ist der Film damit allerdings nicht. Vielmehr muss man sich bewusst machen, dass der Begriff ›Freiheit‹, wie Philippe Buc zuletzt überzeugend dargelegt hat, im amerikanischen Diskurs traditionell stark religiös aufgeladen ist, weil er in unmittelbarer Verbindung mit dem Christentum, dem frei machenden wahren Glauben, gesehen wird.223 Dieser Konnex ist in der vorliegenden Arbeit insbesondere hinsichtlich des Kampfes gegen den Kommunismus bereits deutlich geworden; erinnert sei etwa noch einmal an Reagans Ansprachen oder Rockys Sieg über Drago am Weihnachtsabend. Bestens illustrieren lässt sich diese Verbindung darüber hinaus durch einen kurzen Blick auf einen Film, der einige Parallelen zu 300 aufweist: Mel Gibsons Braveheart aus dem Jahr 1995. Hier führt William Wallace als messianische Gestalt seine schottischen Landsleute in den Freiheitskampf gegen den englischen König Edward I., der von dem als Erzähler fungierenden Robert the Bruce bezeichnenderweise gleich zu Beginn aus dem Off als »a cruel pagan« charakterisiert wird. Wie in 300 wird also auch hier Tyrannei mit Heidentum gleichgesetzt. Die schottischen Aufständischen sind dagegen fromme Christen, die vor der Schlacht von Stirling von Pries221 Zur überragenden Bedeutung der Religion in Sparta siehe Baltrusch, Sparta, 88-92. 222 Eine Verbindung ergibt sich so nicht zuletzt zu den amerikanischen Gründervätern, unter denen ein vernunftbetonter Deismus verbreitet war. Siehe dazu Kerry S. Walters, Rational Infidels: The American Deists, Durango 1992; Matthew Stewart, Nature’s God: The Heretical Origins of the American Republic, New York/London 2014. 223 Philippe Buc, Heiliger Krieg: Gewalt im Namen des Christentums, übers. von Michael Haupt, Darmstadt 2015, 66-9.
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tern gesegnet werden. Zum Symbol ihres Kampfes gegen die Unterdrückung wird auch nicht zufällig Wallaces ikonographischer Zweihänder, der gleich zweimal in einem der berühmtesten Bilder des Films, das auch als Plakatmotiv Verwendung fand, wie ein Kreuz aus Stahl in den Boden gerammt beziehungsweise nach Wallaces Tod den Engländern entgegengeschleudert wird, sodass er aus dem Himmel in den Boden fährt. Hier verschmelzen Christentum und blutiger Freiheitskampf in einem eindrücklichen Zeichen. Wie Leonidas (und Jesus) wird auch Wallace das Opfer eines heimtückischen Verrats, wobei der Vater von Robert the Bruce als lepröser Intrigant nicht nur in seiner Funktion für die Geschichte, sondern auch rein äußerlich bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Ephoren aufweist. Wallaces Folterung und Hinrichtung sind schließlich ganz unzweideutig als Passion eines Märtyrers (wenn nicht sogar Christi selbst)224 in Szene gesetzt, wenn er an ein Holzkreuz gebunden zum Richtplatz gefahren wird und schließlich auf einer Folterbank stirbt, die ebenfalls die Form eines Kreuzes hat. Dass er sich selbst unter schlimmsten Qualen beharrlich weigert, um Gnade zu bitten und sich dadurch dem tyrannischen König von England zu unterwerfen, und seinen Peinigern stattdessen mit letzter Kraft noch einmal das Wort »freedom« entgegen schreit, entspricht exakt dem Festhalten des christlichen Märtyrers am wahren Glauben.225 In 300 nun führen die Griechen nicht nur wie die Schotten in Braveheart das Wort ›Freiheit‹ wie ein Glaubensbekenntnis im Mund, tatsächlich bringt eine bemerkenswerte Einstellung die Spartiaten ganz direkt in Verbindung mit der christlichen Heilssphäre: In einer langen Aufsicht auf das Schlachtfeld ist der gefallene Leonidas inmitten seiner toten Männer zu sehen, den Kopf mit dem bärtigen Gesicht zur Seite geneigt, die Arme in beide Richtungen ausgestreckt, ein Bein leicht angewinkelt – kurz: in der Pose des Gekreuzigten. Die zahlreichen Pfeile, die in seinem Körper stecken, wecken zugleich noch Assoziationen mit dem Heiligen Sebastian. Die Spartaner erscheinen so am Ende gleichsam als vorchristliche Märtyrer, und 300 suggeriert, dass die Verteidigung des Westens gegen Feinde aus dem Orient schon immer auch eine Verteidigung des Christentums war.226 In diesem Sinne können die Perser dann auch eindeutig mit der islamischen Bedrohung der Gegenwart, verkörpert insbesondere durch den Iran, identifiziert werden.227 224 Diese inszenierte der strenggläubige Katholik Gibson einige Jahre später in The Passion of the Christ (2004). 225 Hierzu passt auch, dass Edward I. im Moment dieses letzten Aufbegehrens von Wallace sein Leben aushaucht und die zuschauende Menge durch das Beispiel des Freiheitskämpfers für diesen eingenommen wird. 226 Darin, dass Rationalität so mit dem Christentum in Verbindung gebracht wird, besteht ein wichtiger Unterschied zu King Arthur (2004), in dem der Katholizismus als irrationale Religion der Unterdrückung erscheint. In diesem Film gibt es freilich auch keinen Orient als Gegenbild, sondern die Distanzierung des Helden von Rom muss begründet werden. 227 Vgl. hierzu auch Prince, Firestorm, 291. Bezeichnenderweise spielt die Schlacht an den Thermopylen, offenkundig gerade auch durch 300 inspiriert, eine zentrale Rolle für die rechtsextreme Bewegung der ›Identitären‹, die sich insbesondere gegen eine drohende Islamisierung des Abendlandes wendet und den mit einem Lambda verzierten Schild der Spartaner als ihr Erkennungszeichen gewählt hat.
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Das Angstbild der orientalischen Massen, dessen sich 300 exzessiv bedient, beschwört auch The Mummy (1999) in beispielhafter Weise, wenn die ägyptische Bevölkerung unter den Bann des untoten Hohepriesters Imhotep (Arnold Vosloo) gerät und dann als mit Beulen übersäte Zombies unter ständiger Ausrufung seines Namens durch Kairo zieht. Diese Szenen sind im Grunde nur eine Überspitzung des allzu oft auch in den Nachrichtenmedien dominierenden Bildes der islamischen Welt als Tummelplatz fanatisierter Volksmassen.228 Das eine ist dabei stets eng mit dem anderen verknüpft, weil der Fanatiker »nicht für ein individuelles Subjekt, sondern immer für eine ›Masse‹ « steht, wie Ute Gerhard und Jürgen Link schreiben.229 Da in diesem Fall eine vorislamische Macht am Werk ist, wird aber, ähnlich wie in 300, der Eindruck erweckt, das Problem des Fanatismus und der Versklavung der Menschen sei sogar noch tiefer in das Wesen des Orients eingegraben als der Islam, der demnach weniger Ursache als Ausdruck dessen wäre. Der Ort, der diesen mörderischen Charakter der Region symbolisch repräsentiert, ist die Wüste, die mit Lebensfeindlichkeit, Chaos und Wahnsinn assoziiert wird.230 Besonders prägnant in Szene gesetzt ist dies in der Fortsetzung The Mummy Returns (2001), in der die Höllenarmee des ägyptischen Totengottes Anubis buchstäblich aus dem Wüstensand hervorwächst – eine Inkarnation der Bedrohung durch den religiösen Wahn des Orients. Eine ähnliche Szene findet sich auch in The Four Feathers (2002), der während des Aufstandes des Mahdi zu Beginn der 1880er Jahre im Sudan spielt:231 Hier sind die Ausgeburten der Wüste freilich keine Fantasiewesen, sondern fanatische Muslime, die sich als Kriegslist im Sand eingegraben haben und während der Schlacht plötzlich aus diesem auftauchen; der dämonische Charakter des Geschehens ist jedoch kaum weniger stark. Auch dieser Film inszeniert konsequent die Bedrohung durch die orientalischen Horden, die in diesem Fall unmittelbar vom Islam angetrieben werden, so wie zum Beispiel auch die Berber, die in Legionnaire (1998) in der Wüste eine hoffnungslos unterlegene Einheit Fremdenlegionäre unter »Allahu Akbar«-Rufen niedermetzeln.232 In seiner Gegenüberstellung von heldenhaften Briten und barbarischen Muslimen unterscheidet sich The Four Feathers kaum von dem 36
228 Vgl. Lueg, »Feindbild Islam«, 24-6. 229 Ute Gerhard/Jürgen Link, »Der Orient im Mediendiskurs – aktuelle Feindbilder und Kollektivsymbolik«, in: Michael Lüders (Hg.), Der Islam im Aufbruch? Perspektiven der arabischen Welt, München 1992, 277-97, hier: 279. 230 Vgl. ebenda, 282; Schulze, »Alte und neue Feindbilder«, 247-9. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die meist ignorierte Tatsache, die Halm, Islam, 18, feststellt: »[D]er Islam ist keine Religion der Wüste, sondern eine Religion der Städte[.]« 231 Der Scheich Muhammad Ahmad erklärte sich selbst zum von den Muslimen erwarteten ›rechtgeleiteten‹ Retter des Islam; siehe dazu Halm, Araber, 98f; Hourani, Geschichte der arabischen Völker, 392f. 232 Der Fremdenlegionärsfilm hat eine lange Tradition und kann als eigenes Subgenre der Filme über den Orient betrachtet werden; dazu Eisele, »Wild East«, 81-3. Auch The Mummy zeigt nach dem Prolog, der die Vorgeschichte erläutert, als erstes einen Kampf zwischen Scharen von Arabern und einer kleinen Einheit von Fremdenlegionären, den der Held des Films nur überlebt, weil unter dem Wüstensand der antiken Ruinen ein noch größeres Grauen lauert, vor dem die Araber im letzten Moment zurückweichen.
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Jahre älteren Khartoum (1966), der vor demselben Hintergrund spielt.233 Kurz nach dem 11. September 2001 entstanden, vermittelt er den Eindruck, die islamische Welt sei seit jeher ein Ort religiös motivierter Gewalt, wo der Westen durch militärisches Eingreifen die Zivilisation durchsetzen müsse. Die prinzipielle Irrationalität, die der islamischen Welt attestiert wird, bietet eine einfache Erklärung für Konflikte und unterschiedliche Wahrnehmungen, indem sie der vermeintlich ebenso prinzipiellen Vernunft des Westens gegenübergestellt wird. Während der Krise um Kuwait etwa sah das Time Magazine hierin den Grund für den Beifall, den Saddam Hussein zum Teil erhielt: »Logic in the Arab world is often eclipsed by emotion« – als sei dieses Phänomen andernorts eher unbekannt.234 Thomas Friedman, einer der renommiertesten Kommentatoren amerikanischer Außenpolitik, stellte in der New York Times unter der vielsagenden Überschrift »A Dreamlike Landscape, a Dreamlike Reality« nicht nur einmal mehr einen Zusammenhang zwischen der Wüste und dem schwer durchschaubaren Wesen des Mittleren Ostens und seiner Bewohner her, er schrieb auch den Symbolen Kreuz und Halbmond eine entsprechende Bedeutung zu: »The symbol of the West is the cross – full of sharp right angles that clearly begin and end. But the symbol of the Arab East is the crescent moon – a wide ambiguous arc, where there are curves, but no corners.«235 Gerne wird auch auf die Beliebtheit von Verschwörungstheorien in der »conspiracy-mad world of the Middle East« verwiesen, um den nahöstlichen Mangel an Rationalität nachzuweisen.236 Weitgehend ausgeblendet wird dabei, dass solche Verschwörungstheorien »a distinctly Western phenomenon« sind, »however attractive this way of perceiving the world has proven for other cultures«,237 und vor allem, »that throughout American history conspiracy theorizing has never been a minority phenomenon engaged in (only) by lunatics on the margins of society, but rather a mainstream phenomenon undertaken not only by ›normal‹ people, but habitually by the nation’s leaders«, wie Michael Butter dargelegt hat.238 Er sieht die Akzeptanz von Verschwörungstheorien seit den 1960er Jahren zwar deutlich verringert, verweist aber dennoch auf ihre anhaltende Popularität in den USA, »where they even today are far more widely spread and believed than in most other Western countries«.239 Tatsächlich ist in dieser Arbeit zu sehen gewesen, dass etwa Vorstellungen einer kommunistischen Verschwörung im Zusammenhang mit Terrorismus und Drogen233 Dies ist vor allem insofern erstaunlich, als man dem aus Indien stammenden Regisseur Shekhar Kapur eine kritischere Haltung zum europäischen Kolonialismus zugetraut hätte. 234 »He Gives Us a Ray of Hope«, in: Time 27.08.1990. 235 »A Dreamlike Landscape, a Dreamlike Reality«, in: NYT 28.10.1990. 236 Shirley, »Is Iran’s Present Algeria’s Future?«, 32; Vgl. z.B. auch »Suspicious Minds«, in: Time 17.06.2002. 237 Butter, Plots, Designs, and Schemes, 11. 238 Ebenda, 6. 239 Ebenda, 35. Daniel Pipes, The Hidden Hand: Middle East Fears of Conspiracy, Basingstoke/London 1996, schreibt zwar, der rationale Westen habe aufgrund der früheren Bedeutung von Verschwörungstheorien keinen Grund, sich überlegen zu fühlen (ebenda, 9), behauptet aber gleichwohl, heute sei solches Denken im Westen »the preserve of the alienated and the fringe« und stellt damit doch wieder einen deutlichen Gegensatz zum Mittleren Osten her (ebenda, 2).
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handel auch in den 1980er Jahren von Politikern und Experten öffentlich und mit Überzeugung vertreten wurden. Der Unterschied zum Orient fällt somit weniger deutlich aus, als gemeinhin behauptet. Mit Blick auf den Islam ist außerdem zu beachten, dass religiöser Glaube einerseits per definitionem nicht rational ist und dass es andererseits keinen Grund gibt, anzunehmen, dass Muslime sich in besonderem Maße der Vernunft verschließen würden. Tatsächlich fordert etwa das schiitische Prinzip des Idschtihad, durch Nutzung des Verstandes und Abwägen zu einer Entscheidung zu gelangen, was in der Praxis beispielsweise dazu führte, dass Ayatollah Khomeini Verhütungsmittel für zulässig erklärte – ein Schritt, zu dem sich die katholische Kirche bis heute nicht durchringen konnte.240 Die vermeintliche Irrationalität ist aber ein zentraler Bestandteil des Feindbildes. Sie verbindet den Islam mit den anderen Gefahren, denen sich die USA nach dem Ende des geordneten Ost-West-Konfliktes gegenübersahen, und ist, wie ich am Beispiel der ›Schurkenstaaten‹ schon gezeigt habe, eine wesentliche Bedingung für die Wahrnehmung schwacher Feinde als große Bedrohung, weil sie die Regeln der Abschreckung außer Kraft setzt.241 Bezeichnenderweise begründete auch Huntington in einem Interview so die größere Gefährlichkeit der neuen Zeit: »The cold war was relatively simple. The Russians certainly had no martyr complex. They were rational in ways we tend to think of as rationality. It is not clear that people in these other civilizations think in the same way. Arab leaders like Nasser and Saddam Hussein can suffer 242 humiliating defeats and remain in power. That doesn’t happen in Western societies.«
Die islamische Welt ist also gerade deshalb der paradigmatische Feind der ›neuen Weltunordnung‹, weil sie in besonderem Maße mit Irrationalität identifiziert wird, die ihren stärksten Ausdruck im religiösen Wahn findet.243 Entsprechend erscheint der Islam in Filmen wieder und wieder als Religion des Fanatismus und der Gewalt. Ein interessantes Beispiel hierfür ist Courage Under Fire (1996), gerade weil der Film sich im Kern gar nicht mit dieser Gefahr beschäftigt, sondern mit der Tötung von amerikanischen Soldaten durch die eigenen Kameraden. Der Vorspann vermittelt dessen ungeachtet ein charakteristisches Bild: Hier 240 241 242 243
Dazu Heinz Halm, Die Schiiten, München 2005, 68-71 u. 106-8. Vgl. beispielhaft Podhoretz, World War IV, 3. »The Next Battleground«, in: Time 28.06.1993. Vanhala, Depiction of Terrorists, 285, hat zwar Recht, wenn sie feststellt, dass auch Terroristen aus der westlichen Welt gängigerweise als Wahnsinnige porträtiert werden, sie übersieht aber, dass diese gerade dadurch als außerhalb der für den Westen bestimmenden Ordnung stehend charakterisiert werden, als Außenseiter, während muslimische und arabische Schurken als repräsentativ für ihre Kultur erscheinen. Mit anderen Worten: Terroristen aus Europa oder Amerika sind wahnsinnig, obwohl sie aus dem Westen stammen, Orientalen dagegen sind wahnsinnig, weil sie Araber und Muslime sind. Vanhala selbst vermerkt, dass Religion nur bei der Darstellung von Muslimen eine Rolle spielt (ebenda, 284), was eben darauf zurückzuführen ist, dass deren Gefährlichkeit aus ihrem kulturellen Hintergrund heraus erklärt wird, was bei westlichen Terroristen so gut wie nie der Fall ist, weshalb diese auch insgesamt individuellere Züge verliehen bekommen.
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werden Aufnahmen aus der Fernsehberichterstattung zum Kuwaitkrieg gezeigt, die gezielt die Erinnerungen des Zuschauers daran aktivieren, durch ikonographische Bilder wie die von startenden Flugzeugen und Marschflugkörpern, von den Leuchtspurgeschossen der irakischen Luftabwehr vor einem grünen Nachthimmel etc. Aus dem Off ist die Stimme von CNN-Reporter Peter Arnett zu hören. Dann wird ein Ausschnitt aus einer Ansprache von Präsident George Bush eingespielt, der erklärt, »all reasonable efforts to reach a peaceful resolution« seien erschöpft, die Koalition habe »no choice but to drive Saddam from Kuwait by force«. Kurz darauf folgen Bilder jubelnder Araber mit Porträts von Hussein, man sieht ein brennendes Sternenbanner, dann eine Aufnahme einer vor einer irakischen Flagge in die Luft gereckten Faust, die ein Messer hält (untermalt von der Ankündigung der »mother of all battles«), von der direkt zu einer Gruppe von Muslimen beim Ritualgebet geschnitten wird, ehe weitere Nachrichtenschnipsel unter anderem zeigen, wie der irakische Diktator sich von seinem Volk feiern lässt, wie Ölquellen brennen und wie Bodentruppen in den Kampf eingreifen, begleitet immer noch von der Stimme Bushs. Die Montage stellt durch die Einbettung der betenden Muslime in die übrigen Szenen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Islam und Gewalt, speziell dem Kuwaitkrieg, her und kontrastiert diesen einmal mehr mit dem Bild eines friedfertigen Amerikas, das Gewalt seinerseits nur als Ultima Ratio einsetzt, weil es von fanatisierten Irakern und deren Diktator dazu gezwungen wird. Die Verwendung von Fernsehbildern, die sich vom Rest des Films deutlich unterscheiden und die darüber hinaus dem Publikum zum Teil vertraut und somit als ›real‹ bekannt sind, suggeriert dabei eine Authentizität, die die Verzerrung der historischen Gegebenheiten durch die Auswahl verdeckt und diese als Tatsache erscheinen lässt, auch wenn die darauffolgende Geschichte fiktional ist. Als regelrechter Tatsachenbericht präsentiert sich Black Hawk Down (2001), dem Mark Bowdens gleichnamiges Buch über einen katastrophal fehlgeschlagenen Militäreinsatz zugrundeliegt:244 Am 3. Oktober 1993 versuchten Soldaten der Rangers und der Special Forces, in Mogadischu Unterführer des somalischen Warlords Mohammed Farrah Aidid festzunehmen. Als im Verlauf der Mission zwei amerikanische Hubschrauber abgeschossen wurden, entwickelte sich ein zwei Tage dauerndes Gefecht, das 18 G.I.s, einen malayischen Blauhelmsoldaten und etliche Hundert Somalier das Leben kostete. Bilder davon, wie die Leiche eines amerikanischen Soldaten von einem Mob durch die Straßen der Stadt geschleift wurde, gingen damals um die Welt. Ridley Scotts Film schildert diese Ereignisse als heldenhaften Kampf der überwiegend weißen Elitesoldaten gegen einen Feind, der beinahe ausschließlich als unüberschaubare Masse schwarzer Gestalten in Erscheinung tritt. Während Bowdens Text zumindest an einigen Stellen die Perspektive der Somalier wiedergibt, wird diese im Film komplett ausgeblendet beziehungsweise auf einige nichtssagende Äußerungen reduziert, die keinerlei Erkenntniswert besitzen. Es wird auch sonst keine sinnvolle Kontextuierung des Geschehens angeboten.245 Zwar beginnt Black Hawk Down mit einem einführenden Text, der mit dramatischen Bildern aus Somalia illustriert wird, dieser zeichnet jedoch ein sehr verkürztes Bild der Situation. Weder die Bedeutung des Kalten Krieges und dessen Endes für die Entwicklung des Landes 244 Mark Bowden, Black Hawk Down: A Story of Modern War, New York 2000. 245 Vgl. dazu auch McCrisken/Pepper, American History, 189 u. 199f.
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wird hier erwähnt, noch ein Überraschungsangriff der UN-Kräfte auf ein Haus von Aidids Clan, bei dem zahlreiche Menschen, auch Frauen und Kinder, getötet wurden und der die Stimmung in Mogadischu erheblich beeinflusste.246 Für den Zuschauer wird kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum sich scheinbar die ganze Stadt mit solchem Hass auf die amerikanischen Soldaten stürzt, die doch nur im Land sind, um der Bevölkerung zu helfen. Als Erklärung bleiben letzten Endes wieder einmal nur der barbarische Charakter der Dritten Welt und der Islam: Am Morgen des Einsatzes wird gezeigt, wie somalische Milizionäre mit Kalaschnikows dem Ruf des Muezzins zum Gebet folgen. Diese kurze Szene ist um so wichtiger, als die Ereignisse von Mogadischu in der amerikanischen Wahrnehmung eng mit dem 11. September 2001 verknüpft sind: Zum einen waren Somalier von Afghanistanveteranen, die mit al-Qaida identifiziert wurden, darin unterwiesen worden, wie sie Helikopter wirkungsvoll bekämpfen konnten, womit die Dschihadisten Erfahrung aus dem Kampf gegen die Sowjets hatten.247 Zum anderen gilt es als sicher, dass Bin Laden und seine Gesinnungsgenossen durch den raschen Abzug der amerikanischen Truppen aus Somalia, der auf das Gefecht in Mogadischu folgte, in entscheidender Weise ermuntert wurden, weil der Eindruck entstand, die Amerikaner seien schwach und könnten nicht einmal geringe Verluste ertragen. Tatsächlich wurde von den Filmemachern erst spät entschieden, auf einen expliziten Hinweis auf den Zusammenhang mit 9/11 zu verzichten. Laut Ridley Scott war ein solcher aber auch überflüssig: »In the end, I just felt it was obvious.«248 Die Kämpfe in Somalia zur Vorgeschichte des 11. Septembers 2001, zu einer Episode im war on terror, zu verkürzen, war also durchaus im Sinne von Regisseur und Produzenten. Am Beispiel von Black Hawk Down wird deutlich, wie komplexe Situationen vereinfacht und andere Faktoren ausgeklammert werden, sodass der Islam als entscheidende Motivation von gegen Amerika gerichteter Gewalt übrig bleibt. Dies gilt gerade für die Darstellung von Terrorismus. Terroristen aus der islamischen Welt wird nicht nur eine besondere Skrupellosigkeit und Brutalität unterstellt, wie schon an der Einordnung des Anschlags von Oklahoma City durch Steven Emerson zu sehen war;249 indem sie oftmals in die direkte Tradition der Assassinen gestellt werden, wird auch der Eindruck erweckt, Muslime – oder zumindest Schiiten – hätten eine spezielle, bis ins Mittelalter zurückverfolgbare Neigung zu dieser Form politischer Gewalt, wenn diese nicht sogar islamischen Ursprungs sei.250 Die Filme halten sich 246 Vgl. Bowden, Black Hawk Down, 94f. 247 Vgl. ebenda, 110; außerdem »The Next U.S. Target?«, in: Time 03.12.2001; Kushner, Encyclopedia, s.v. »Al Qaeda«; Greiner, 9/11, 62. Neumann, Die neuen Dschihadisten, 63, betont, die Afghanistan-Veteranen hätten »keine unmittelbare Beziehung« zu Bin Laden und al-Qaida gehabt. 248 Zitiert nach »An Action Film Hits Close, But How Close?«, in: NYT 26.12.2001. 249 Vgl. z.B. auch PGT: 1986, 2: »Attacks by West European and other terrorists tend to be designated to avoid casualties, whereas most of those by Middle Eastern terrorists are intended to cause maximum casualties.« 250 So z.B. bei Bernard Lewis, »Islamic Terrorism?«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 65-9, hier: 68f, auch wenn Lewis ebenda, 65, eine spezielle Affinität des Islam zu Terrorismus bestreitet; Elie Kedourie, »Political Terrorism in the Muslim World«, in: ebenda, 70-6,
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mit solchen theoretischen Betrachtungen nicht lange auf, transportieren das entsprechende Bild aber, indem sie die politischen Anliegen der Terroristen in den meisten Fällen verschwinden lassen. Die porträtierten Terrorgruppen haben deshalb – gleich, ob es sich um fiktive oder um echte handelt – auch nur selten ein klares Profil, weshalb beispielsweise die Terroristen in Death Before Dishonor (1987) nicht eindeutig verortet werden können, deren Taten einzig durch ihren Glauben und eine pathologische Lust an Gewalt motiviert scheinen. Bezeichnenderweise sind sie an Verhandlungen über konkrete Dinge gar nicht interessiert, wie deutlich wird, als Gavril Elli damit beauftragt, die Forderung nach Freilassung von Gefangenen im Austausch gegen den entführten Colonel zu überbringen. »Why would they negotiate with me?«, fragt Elli, worauf Gavril erwidert: »It doesn’t matter. If they respond, they are weak. If they fail to respond, they lose face.« Es handelt sich also lediglich um ein taktisches Manöver, um die Vereinigten Staaten bloßzustellen. Andere Ziele, als den USA zu schaden, haben die Terroristen offensichtlich nicht. Das ist sogar noch auffälliger bei ihren Pendants in The Delta Force (1986), weil es einen deutlichen Unterschied zu der realen Entführung von TWA 847 darstellt, an der das Szenario des Films ansonsten so ostentativ orientiert ist. Diese sollte unter anderem dazu benutzt werden, Hunderte von Israel gefangen gehaltener Schiiten freizupressen und dadurch auch auf die Situation im Libanon aufmerksam zu machen. Tatsächlich erreichten die Terroristen nicht nur den Gefangenenaustausch, sie konnten – nicht zuletzt weil sich ihre Geiseln auf einer Pressekonferenz entsprechend äußerten – auch die öffentliche Meinung in den USA ein Stück weit in ihrem Sinne beeinflussen: Bei einer Erhebung im Juni 1985 vertraten 44% der Befragten die Ansicht, die von Israel festgehaltenen Schiiten seien genauso Geiseln wie die von den Terroristen entführten Amerikaner – ebenso viele, wie Israels Vorgehen für gerechtfertigt hielten.251 »Perhaps more than any other event, TWA 847 gave terrorism a human face, revealing that behind the murderous ravings of [the hijackers] there lay real grievances«, haben David Martin und John Walcott festgestellt.252 Der Film vermittelt jedoch ein völlig anderes Bild. Es kommt nicht nur nicht zu einem Gefangenenaustausch, weil die Geiselnahme hier ja durch einen Militäreinsatz beendet wird, die Forderungen der Entführer finden überhaupt keine Erwähnung. Wie zum Beispiel auch die Terroristen in Wanted: Dead or Alive (1987) scheinen sie schlichtweg keine zu haben. Angetrieben werden sie von ihren kommunistischen und islamistischen Überzeugungen, die den Hass auf Israel und Amerika diktieren, ohne dass diese Länder etwas dafür könnten. hier: 71f; Adams, Fincancing of Terror, 70f; ähnlich auch P. J. Vatikotis, »The Spread of Islamic Terrorism«, in: Netanyahu (Hg.), Terrorism, 77-83, hier: 81. Gegen eine Gleichsetzung von Assassinen und Iran argumentiert Green, »Terrorism and Politics«, 554f. 251 IIPO, 1985-1986, 246. Im selben Monat wurden bei einer anderen Umfrage allerdings auch »Shiite Moslems« von 55% als Feind der USA und von weiteren 32% als »not friendly« eingestuft, was ebenfalls mit der Entführung von TWA 847 zusammenhängen dürfte; ebenda, 230. 252 Martin/Walcott, Best Laid Plans, 188. Zur Bedeutung der Pressekonferenz vgl. ebenda, 190. Vor diesem Hintergrund kommt den Verweisen auf die Manipulation der Presse im Film natürlich eine besondere Bedeutung zu.
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Wie die USA aus der Verantwortung genommen werden, zeigt sich vor allem in der Szene, in der einer der beiden Entführer, Mustafa, drei Navytaucher aufgrund ihrer Ausweise irrtümlich als Marines identifiziert, woraufhin er in maßlose Wut gerät: »American Marines killed many of my friends when they bombed Beirut.« Mustafa, der in einer anderen Szene auch erzählt, dass seine kleine Tochter getötet worden sei,253 macht also (als Einziger) doch persönliche Motive geltend und klagt die Vereinigten Staaten an. Dem wird aber sofort durch den katholischen Pater O’Malley widersprochen: O’MALLEY: »America never bombed Beirut.« MUSTAFA: »American planes from your ship New Jersey bombed our camps.« O’MALLEY: »Son, you’re making a mistake. America never bombed Beirut.«
Mit dem Schrei »Your American ship New Jersey!« stürzt sich Mustafa auf den Geistlichen und prügelt auf ihn ein. Tatsächlich ist es O’Malley, der die Unwahrheit spricht, denn es gab Luftangriffe und den Beschuss durch die USS New Jersey, der syrischen Stellungen galt, aber weitgehend blind erfolgte.254 Indem die Verleugnung dieses Vorfalls jedoch einer moralischen Autorität, einem Priester, der im gesamten Film als völlig integer charakterisiert wird, in den Mund gelegt wird, erhält diese für den Zuschauer eine enorme Überzeugungskraft, während Mustafas unbeherrschte Gewalttätigkeit, die er fortwährend zeigt, seine Position trotz seiner zunächst potentiell Mitleid erregenden Geschichte effektiv diskreditiert. Er erscheint als ein weiterer irrationaler Muslim, der seine Emotionen nicht beherrschen kann. Wer statt der USA die Verantwortung für den Beschuss tragen soll, bleibt offen, ist aber auch nicht wichtig, da es offensichtlich nur darum geht, zu verdeutlichen, dass die angeblichen Gründe für die Feindseligkeit gegenüber Amerika keine Substanz haben, dass Terrorismus nicht als Reaktion auf amerikanische Politik zu sehen ist. Eine andere Szene, an der man exemplarisch nachvollziehen kann, wie die Beweggründe von Terroristen verschleiert und diskreditiert werden, findet sich in True Lies (1994). Hier wird eine Videobotschaft von Aziz, dem Anführer der Terrorgruppe aufgezeichnet, in der er sich an die Amerikaner wendet: »You have killed our women and children, bombed our cities from afar like cowards, and you dare to call us terrorists?! Now, the oppressed have been given a mighty sword with which to strike back at their enemies. Unless you, America, pulls [sic!] all military forces out of the Persian Gulf area immediately and forever, Crimson Jihad will rain fire on one major US city each week until our demands are met.«
Zu dieser Ansprache ist zunächst zu bemerken, dass immerhin eine klare Forderung formuliert wird. Die Begründung dafür fällt jedoch sehr dürftig aus. Der Vorwurf bezüglich der amerikanischen Luftangriffe und deren ziviler Opfer ist so allgemein gehalten, dass er nicht wirklich überprüft werden kann. Der Vergleich mit den Anschlägen der Terroristen muss auf den Zuschauer jedoch absurd wirken, gerade wenn 253 Mit diesem Element wird wiederum auf die Berichte der Geiseln von TWA 847 zurückgegriffen; vgl. »Roach Races and Russian Roulette«, in: Time 15.07.1985. 254 Vgl. Martin/Walcott, Best Laid Plans, 134-52.
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Aziz gleich darauf mit der Vernichtung ganzer Städte droht, während der Kuwaitkrieg – der wahrscheinlichste Bezugspunkt für den Betrachter zum Entstehungszeitpunkt des Films – das Bild des ›chirurgischen‹ Präzisionsbombardements geprägt hat. True Lies konterkariert diese Anschuldigungen zudem wenig später mit einer überaus positiven Darstellung der amerikanischen Luftüberlegenheit, wenn HarrierJets der Marines eine wichtige Rolle dabei spielen, die Terroristen zur Strecke zu bringen, wobei ganze Hochhausstockwerke voller Übeltäter pulverisiert werden, aber selbstverständlich keinerlei zivile Opfer zu beklagen sind. Der Einsatz von Kampfflugzeugen wird vielmehr als segensreich präsentiert, weil dadurch Unschuldige gerettet werden können. Die von Aziz angesprochenen Frauen und Kinder, die durch amerikanische Bombardements umgekommen sein sollen, sind dagegen nicht zu sehen, sie existieren nur als Behauptung, die vom Publikum nicht ernst genommen zu werden braucht, geschweige denn es berührt. Dass genau darin ein zentrales Problem besteht, habe ich im vorigen Kapitel bei der Analyse von Three Kings (1999) dargelegt, der mit diesem gängigen Muster bricht. Bernd Zywietz hat darauf hingewiesen, dass die offenbar empfundene Notwendigkeit, Terroristen ihre Beweggründe verbalisieren zu lassen, diese von anderen Filmschurken unterscheidet und dafür spricht, dass sich der Terrorist als Figur nicht gänzlich enthistorisieren und entpolitisieren lässt. Nichtsdestotrotz dienen Szenen wie die mit Aziz, wie Zywietz überzeugend argumentiert hat, nicht dazu, den Zuschauer zum kritischen Nachdenken über die Zusammenhänge von Terrorismus und US-Politik anzuregen, sondern fungieren vielmehr als »mythosstärkendes ›Serum‹ im Sinne Roland Barthes, das gegen die Terrorismus-Gründe-und-Anwürfe immunisiert, indem diese formelhaften Begründungen zu erwartbaren pseudokritischen Schmuckelementen der Erzählung geraten«.255 Tatsächlich stehen in der Szene nicht die Ansichten der Terroristen im Mittelpunkt, sondern ihre negative Charakterisierung.256 Schon nach Aziz’ ersten Sätzen zeigt eine Aufnahme aus der Perspektive der Videokamera, in die er spricht, dass deren Akku fast leer ist. Im weiteren Verlauf der Ansprache wird der Kameramann deshalb immer nervöser, zumal als das Bild schließlich ganz ausfällt. Er schwitzt stark und beginnt zu zittern, und schließlich muss er seinem Anführer gestehen, dass es ein Problem gibt: »Battery, Aziz«, presst er mit einer kläglichen, hohen Stimme hervor, offensichtlich von großer Angst geplagt, was nun geschehen wird. Eindeutig rechnet er mit einem Gewaltausbruch. Dieser bleibt zwar aus, Aziz geht lediglich bedrohlich auf ihn zu und herrscht ihn an: »Get another one, you moron!« Nichtsdestotrotz wird so überdeutlich, dass selbst seine eigenen Leute in Furcht vor ihrem brutalen Anführer leben. Die Angst des Kameramannes angesichts eines banalen Problems erfüllt zwei Funktionen zugleich: Zum einen lenkt sie die Aufmerksamkeit des Zuschauers von der Ansprache und damit dem politischen Hintergrund des Terrorismus ab. Zum anderen offenbart sie, dass Aziz, dessen Vortragsweise und weit aufgerissene Augen seinen Fanatismus unterstreichen, auch in seiner Organisation das für Bösewichte übliche Schreckensregime führt, dass seine Launen über Leben und Tod entscheiden 255 Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 263. Hervorhebung im Original. 256 Den Gehalt dieser Szene erkennt Zywietz nur teilweise, vgl. ebenda, 256f. Vgl. hierzu außerdem Vanhala, Depiction of Terrorists, 237f.
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und der kleinste Fehler brutale Bestrafung erwarten lässt. Die Szene bestätigt damit eindrucksvoll seine frühere Charakterisierung als »a real psycho« und lässt keinen Zweifel daran, dass in seiner Bösartigkeit, nicht etwa in amerikanischen Fehlern, die Ursache für seine Taten zu sehen ist. Die Struktur der dschihadistischen Terrorgruppe spiegelt das Wesen des Islam als totalitäre Ideologie wider, in der sich – nicht anders als im Nationalsozialismus – alle einem Führer unterordnen, der mit Gewalt herrscht, aber seine fanatischen Anhänger mit Hasstiraden gegen die USA und Beschwörungen der eigenen Stärke auch zu Begeisterungsstürmen hinreißen kann. Auch in Executive Decision (1996) werden die Taten der Terroristen in entscheidender Weise auf den Islam zurückgeführt. Das gilt auch für die überarbeitete Fassung, in der beispielsweise der Koran aus der Hand eines Selbstmordattentäters entfernt wurde und eine Einstellung herausgeschnitten wurde, die Hassan beim Gebet zeigt,257 denn der Film enthält mehr als genug Hinweise auf die Motivation der Dschihadisten. Deutlich wird diese insbesondere in Hassans Äußerungen, etwa wenn er in einem Telefonat mit Jaffa erklärt: »Allah has blessed us. A great destiny awaits us both. In a few hours you will see, I have achieved a glorious victory on your behalf. All the people of Islam will embrace you as its chosen leader. I am your flame, the sword of Allah. And with it I will strike deep into the heart of the infidel.« Stephen Prince hat Recht, wenn er feststellt, dass diese Rhetorik der fiktiven Figur Hassan derjenigen Bin Ladens ähnelt,258 insofern also durchaus realistisch ist. So rief jener in seiner Erklärung des Dschihad von 1998 »every Muslim who believes in Allah and wishes to be rewarded« dazu auf, »to comply with Allah’s order to kill the Americans« und »to launch the raid on Satan’s U.S. troops and the devil’s supporters allying with them«.259 Allerdings ist zu beachten, dass dieser Aufruf auch eine ausführliche Begründung enthielt, die sehr konkrete »crimes and sins« der amerikanischen Politik anführte, nämlich die ›Besetzung‹ der Länder des Islam, die Sanktionen gegen den Irak und die Unterstützung Israels.260 Eine derartige politische Argumentation der Terroristen fehlt dagegen in Executive Decision. Als die heroische Stewardess Hassan vorhält, sie verstehe nicht, was die Entführung mit seiner Sache zu tun habe – »whatever it is« –, entgegnet dieser nur: »Perhaps it is not your place to understand.« Während dieses Austauschs hält er seinen Koran in der Hand, in dem man ihn kurz darauf lesen sieht. So wird der Eindruck vermittelt, dass nur religiöse Überzeugungen hinter der Absicht stehen, Hunderttausende von Amerikanern zu ermorden. Bemerkenswerterweise wird diese Rechtfertigung in einer späteren Szene von einem von Hassans eigenen Männern in Frage gestellt, der erklärt: »This has nothing to do with Islam. This is not Allah’s will. You are blinded by your hatred and I will have nothing to do with your plan. Our mission was to free Abu Jaffa. He is our leader, not you.« Hassan reagiert auf diese Herausforderung seiner Überzeugungen wie
257 Shaheen, Reel Bad Arabs, 188, berichtet unter Berufung auf die Darsteller der Terroristen, dass schon auf deren Protest hin einige ursprünglich geplante drastische Szenen wie eine Vergewaltigung nicht in den Film aufgenommen worden seien. 258 Prince, Firestorm, 55. 259 Bin Laden, »Jihad«, 412. 260 Ebenda, 411.
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seiner Autorität mit einem Ausbruch brutaler Gewalt, prügelt auf den Untergebenen ein und erschießt ihn dann, als er wehrlos am Boden liegt. Diese Szene ist freilich aus mehreren Gründen nicht dazu geeignet, dass Negativbild des Islam zu konterkarieren, das der Film ansonsten zeichnet. Erstens wird die Aufmerksamkeit des Zuschauers durch Hassans Reaktion wieder auf die Gewalttätigkeit der Dschihadisten gelenkt, während zugleich einmal mehr ein System vorgeführt wird, in dem abweichende Meinungen vom Führer mit dem Tod bestraft werden. Es ist in dieser Hinsicht auch bezeichnend, dass die übrigen Mitglieder des Kommandos das Geschehen widerspruchslos hinnehmen. Zweitens handelt es sich bei dem Getöteten um eine ansonsten völlig unwichtige Figur, deren Worte für den Zuschauer daher, so klar sie auch sein mögen, weniger ins Gewicht fallen als die Hassans.261 Und drittens darf man nicht außer Acht lassen, dass auch dieser Mann ein Terrorist ist, der sich bis dahin an der Aktion beteiligt hat. Differenzen bestehen zwischen ihm und Hassan also offenkundig nur hinsichtlich der Frage, wie viele Menschen man im Namen Gottes töten darf, aber nicht in prinzipieller Hinsicht. Die Entlastung des Islam, die seine Figur anbietet, ist somit denkbar schwach. Fakt ist, dass unschuldige Muslime in Executive Decision nicht vorkommen. Darin besteht, wie noch einmal betont werden muss, ein Kernproblem der Filme, die Dschihadismus thematisieren, da sie zwar mitunter Lippenbekenntnisse dazu enthalten, dass die Terroristen nicht repräsentativ für den Islam seien, zugleich aber das genau entgegengesetzte Bild transportieren. So unterlegt etwa die Reporterin Claire in Navy Seals (1990) einen ihrer Fernsehberichte mit dem Kommentar: »True Islam does not preach terrorism. True Islam is one of the most tolerant of the world’s religions, accepting Christians and Jews as people of the same God. True Islam also preaches equality and justice.« Zu sehen ist von diesem Islam im gesamten Film allerdings nichts, während fortwährend Muslime gezeigt werden, die unter Berufung auf ihre Religion Anschläge verüben und Unschuldige ermorden. Deutlicher um Differenzierung bemüht erscheint The President’s Man: A Line in the Sand (2002). Hier darf der von Chuck Norris gespielte Held Joshua McCord in seinem zivilen Beruf als Universitätsprofessor schon zu einem frühen Zeitpunkt eine entsprechende Belehrung auch des Zuschauers vornehmen, als einer seiner Studenten mit der Äußerung an ihn herantritt: »What is it with these Arabs anyway? I mean, Rashid is threatening the president, he’s killing Americans. I say, we nuke him and the countries that support him, huh professors?« McCord erklärt seinem Auditorium daraufhin: »We have to remember that we can’t condemn all Arabs for the actions of a few. Just like we can’t condemn all Americans for the actions of men, say, like Tim McVeigh. Remember there’s over one billion Moslems spread over 40 countries and five continents. And this radical, fundamentalist element makes up only a small percentage. In fact, point-o-one percent.«
Der Film wartet im weiteren Verlauf zudem mit einem Justizminister namens Kaznar (Bruce Novick) auf, der als Amerikaner arabischer Abstammung und gläubiger Muslim charakterisiert wird. Kaznar liefert sich nach Rashids Verhaftung einen mit Koranzitaten gespickten verbalen Schlagabtausch mit diesem, in dem er den hasserfüll261 Dies merkt auch Prince, Firestorm, 53, an.
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ten Aussagen des Terroristenführers ein anderes Verständnis des Islam als friedlich und tolerant entgegenstellt. Damit erhält ebendieser Islam einen Leinwandrepräsentanten von einigem Gewicht, der zumal die selten zu sehende Variante eines Mannes ist, der zugleich Muslim und treuer Diener der Vereinigten Staaten und Verfechter ihrer Werte ist. Gleichwohl ist Kaznar der einzige gute Muslim in The President’s Man: A Line in the Sand, womit das von McCord erläuterte Verhältnis von Dschihadisten zu friedlichen Gläubigen wiederum auf den Kopf gestellt wird: Er erscheint als die Ausnahmefigur, nicht die Terroristen, zu denen auch Schläfer gehören, die sich seit Jahren in den USA aufhalten, womit eher der Eindruck erweckt wird, dass man muslimischen und arabischen Amerikanern – von Muslimen in anderen Ländern ganz zu schweigen – nicht trauen kann, selbst wenn sie nach außen hin einen harmlosen Eindruck machen, denn hinter der angepassten Fassade könnte sich ohne Weiteres ein fanatischer Bombenbauer verbergen. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht ohne Bedeutung, dass ausgerechnet die positive Figur Kaznar nicht von einem Schauspieler mit arabischen Wurzeln gespielt wird, was ihre Sonderstellung noch unterstreicht. So bleibt festzuhalten, dass auch in diesem Film insgesamt ein anderes Bild gezeigt wird, als es die Dialoge an einigen Stellen beschwören, nämlich das Bild einer gefährlichen Religion, die scharenweise Fanatiker hervorbringt, die Amerika hassen. Und es ist dieses Feindbild, das, weil ihm auch in anderen Genres nur selten etwas entgegengestellt wird, dominierend ist. Als einzig sinnvolle Antwort auf den Dschihadismus wird mal um mal entschlossene Gegengewalt präsentiert. »There is no negotiating with Nagi Hassan«, erklärt Grant als Experte in einer Szene von Executive Decision und verweist damit nicht nur auf die Entschlossenheit, sondern vor allem auch auf die dieser zugrunde liegende Irrationalität der islamistischen Terroristen, die diese so gefährlich macht.262 Diese findet ihren sinnfälligen Ausdruck scheinbar im Selbstmordattentat, das in Filmen häufig als typisch islamisch dargestellt wird, so wie etwa auch Peter Brookes der islamischen Kultur eine »long sucide attack tradition, dating back to the Assassins« zuschreibt.263 Eine solche Tradition suggeriert beispielsweise The Four Feathers mit einer Szene, in der eine britische Militäreinheit auf ihrem Feldzug gegen den Mahdi von einem Heckenschützen angegriffen wird, der sich nicht gefangen nehmen lässt, sondern in aussichtsloser Lage, umstellt von Soldaten, seine Waffe nachlädt und wieder in Anschlag bringt, sodass er getötet werden muss. In Executive Decision zielt nicht nur Hassans – schließlich vereitelter – Plan auf einen Selbstmordangriff auf die USA ab, schon in einer frühen Szene sprengt sich einer seiner Männer in einem Restaurant in London in die Luft. »The imagery […] has a haunting and iconic power because it connects with such brutal directness to the suicide bombers who were even then blowing up buses, pizzerias, and markets in Is262 Anders als Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 254, dies verfälschend darstellt, gibt es von Beginn an keinen Zweifel daran, dass Hassan ein Fanatiker ist. 263 Brookes, Devil’s Triangle, 39. Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 318, verkennt die Zusammenhänge zwischen Islam, Terrorismus, Irrationalität und Selbstmordanschlägen in der gängigen Wahrnehmung bei seinen Ausführungen zu den angeblichen Folgen des 11. Septembers 2001 für das Erzählen über Terrorismus völlig, vermutlich weil ihm der dafür wichtige Kontext fehlt, der in seiner Arbeit keine Rolle spielt.
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rael«, bemerkt Stephen Prince dazu. Es handelt sich zweifellos um eine sehr eindrückliche, allerdings nicht, wie Prince meint, um die erste Darstellung eines Selbstmordanschlags auf ein ziviles Ziel in »Hollywood’s terrorist action films«.264 So rast in Death Before Dishonor ein junger Selbstmordattentäter mit einem mit Sprengstoff beladenen Krankenwagen in die amerikanische Botschaft, und der Film zeigt die grauenvolle Szenerie nach der Explosion. Delta Force 3 (1991) beginnt sogar direkt mit einem Vorspann, der die Vorbereitungen einer Selbstmordattentäterin – wie die Waschung durch verschleierte Frauen – zeigt, die sich dann bei der Verleihung eines Friedenspreises in Moskau in die Luft sprengt. Und in To Live and Die in L.A. (1985) wird gerade noch rechtzeitig ein Dschihadist mit Sprengstoffgürtel entdeckt, der sich Zugang zu dem Hotel verschaffen will, in dem der Präsident logiert. »I am a martyr. I will bomb myself on you and all the enemies of Islam«, schleudert der Mann dem Helden vom Secret Service entgegen, ehe einer von dessen Kollegen ihn vom Dach reißt, woraufhin er im Sturz seine Bombe zündet und dazu »Allahu Akbar« brüllt. Sein Fanatismus spiegelt sich dabei in seinem ganzen Auftreten wider, insbesondere in seiner Mimik, ebenso wie bei dem Selbstmordattentäter in Executive Decision, der mit weit aufgerissenen Augen (nicht untertitelte) arabische Sätze wie eine Beschwörungsformel vor sich hin murmelt, um dann auf Englisch den Ruf »Listen to the sound of Al Tha’r!«265 auszustoßen und den Zünder zu betätigen. Auch in der überarbeiteten Fassung des Films, in der man nicht mehr den Koran sehen kann, den er in der Originalversion in der anderen Hand hochhält, wird überdeutlich, dass dieses Verhalten ein Ausdruck religiösen Wahns ist. In diesem Sinne war schon der Angriff auf die Marines in Beirut von Reagan als »insane«266 und von Time als »Mideast Madness«267 eingeordnet worden. Dass Selbstmordangriffe nicht von geistig gesunden Menschen ausgeführt werden, vermittelt besonders drastisch Operation Delta Force 5: Random Fire (2000): Hier verwandelt ein russischer Psychiater mittels Gehirnwäsche gefangene Amerikaner in aus der Ferne steuerbare willenlose Attentäter. Die von Kenia aus operierende Gruppe, in deren Diensten er steht, wird in diesem Fall zwar nicht explizit als islamistisch dargestellt, es ist aber bezeichnend, dass ihr Anführer ein Araber namens Jafari Ben Kasim ist. Zudem wird die als Ergebnis wissenschaftlicher Methoden präsentierte Gehirnwäsche in doppelter Hinsicht religiös aufgeladen: Zum einen repräsentiert das dabei verwendete Symbol der Schlange das Böse und ist im Christentum mit dem Satan verbunden, zum anderen werden die Attentäter durch den Text der Battle Hymn of the Republic aktiviert: »Let us die to make men free. / Glory, glory, hallelujah! His truth is marching on.« Letzteres verweist interessanterweise darauf, dass auch die christliche Religion als Legitimation eines Märtyrerkultes benutzt werden kann, dies erscheint hier aber als hinterhältige Pervertierung durch den sinisteren arabischen Schurken und seinen russischen Helfer. Sich selbst mit anderen Menschen in die Luft zu sprengen, wird als eine Handlung präsentiert, die dem Wesen eines 264 Prince, Firestorm, 54. 265 »Al Tha’r« wird von Hassan als Name verwendet und bedeutet, wie Grant erklärt, »in ancient Arabic« so viel wie Rache. 266 Ronald Reagan, »Address to the Nation on Events in Lebanon and Grenada, October 27th, 1983«, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=40696 (08.07.2007). 267 Titel von Time 31.10.1983.
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Amerikaners so widerstrebt, dass sie ihm nur durch psychische Gewalt aufgezwungen werden kann, was bei einem der Helden deshalb letztlich auch nicht funktioniert. Tatsächlich folgen Selbstmordangriffe aber durchaus einer nachvollziehbaren Logik, indem sie dazu dienen, militärische Unterlegenheit auszugleichen. Zudem sind die Motive der Menschen, die sich für solche Aktionen zur Verfügung stellen, »from which the genuinely mentally ill are assiduously weeded out by alert handlers«, wie Michael Burleigh mit Blick auf palästinensische Gruppen schreibt,268 keineswegs ausschließlich religiöser Natur, sondern werden von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. So spielt zum Beispiel die finanzielle Entschädigung der Familien solcher ›Märtyrer‹, die Palästinenser aus einer Vielzahl von Staaten erhalten, eine Rolle – ein denkbar pragmatisches Argument dafür, den eigenen Tod in Kauf zu nehmen.269 Zudem sind Selbstmordattentate mitnichten eine islamische Spezialität. Zum einen wird ihre theologische Rechtfertigung von den meisten Muslimen schon wegen der islamischen Ächtung des Selbstmordes wie der Tötung von Zivilisten abgelehnt und ist selbst unter Dschihadisten umstritten.270 Zum anderen bedienen sich auch nichtmuslimische, ja überhaupt nicht religiös motivierte Gruppen dieses Instruments; insbesondere die marxistisch orientierten Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), die auf Sri Lanka für einen unabhängigen Tamilen-Staat kämpften und dem hinduistischen Kulturkreis zuzuordnen sind, griffen bei zahlreichen blutigen Anschlägen darauf zurück, was von der westlichen Öffentlichkeit allerdings kaum zur Kenntnis genommen wurde, weil sie selten davon betroffen war.271 Nichtsdestotrotz werden Selbstmordattentäter im amerikanischen Film immer wieder als Vertreter eines im Islam gründenden Wahnsinns gezeichnet, der im scharfen Kontrast zur Vernunft und zu den Werten der westlichen Welt steht. So reagiert Jamal in Air Marshal (2003), als es dem Helden Brett gelingt, einen der Terroristen, Mohammed, in seine Gewalt zu bringen, anders als erwartet: »You think we’re playing by the old rules? Western rules? Human life on this earth is sacred? No? But for Mohammed to die a martyr is the most holy of acts. For you to die, an infidel, is our sacred duty.« Er fordert Brett auf, seine Geisel zu töten, und als dieser das natürlich nicht tut, erschießt er selbst seinen Mitstreiter, um so auch den Amerikaner zu treffen, der hinter diesem steht. Nicht alle Dschihadisten in diesem Film teilen die Bereitwilligkeit, ihr eigenes Leben zu opfern. Das Kommando setzt sich vielmehr aus zwei Fraktionen zusammen, von denen eine von Elijah angeführt wird, der Jamal selbst als »crazy« bezeichnet und nicht vorhat, das Flugzeug als Waffe für einen Selbstmordangriff zu benutzen, sondern eine klassische Geiselnahme befürwortet, um Gefangene freizupressen und Lösegeld zu erhalten. Nach Mohammeds Tod spottet er: »Now he is with 70 vir268 Burleigh, Blood and Rage, 393. 269 Vgl. ebenda, 393-5, und ausführlich Robert Pape, Dying to Win: The Strategic Logic of Suicide Terrorism, New York 2005. Siehe zu dieser Thematik auch Stephan Conermann, »Aus Liebe zu Gott? öihƗdismus als globaler Terrorismus: Der 11. September 2001 als (vorläufiges) Ende eines rational nachvollziehbaren Weges«, in: Aschmann (Hg.), Gefühl und Kalkül, 124-50. 270 Siehe dazu Seidensticker, Islamismus, 110-3. 271 Vgl. ebenda, 113; Burleigh, Blood and Rage, 392f. Siehe auch PGT: 1996, 1; PGT: 1998, 11f.
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gins in paradise. Not my idea of a good time. What if they’re ugly?«, worauf Jamal ihn scharf zurechtweist: »You blaspheme.« Auch Elijah schmäht die USA als »Great Satan« und erklärt noch vor der Entführung der Maschine seiner Satznachbarin, Momente, in denen ein Unglück unausweichlich sei, seien »moments to test your faith«. Aufgrund seiner verständlicheren Ziele und seines Überlebenswillens erscheint er aber, obwohl brutal und skrupellos, als etwas weniger gefährlich als der suizidwillige Fanatiker Jamal, der dementsprechend als die zentrale Bedrohung der USA auch der ›Endgegner‹ der Helden im Kampf um das Flugzeug ist. Zu den interessantesten Szenen in Air Marshal gehört ein Streitgespräch zwischen Jamal und einem Senator, der sich unter den Geiseln befindet. Während sein Pendant in Executive Decision als rückgratloser Politiker porträtiert wird, ist dieser Senator ein Volksvertreter im besten Sinne, der später die Passagiere mit dem berühmten Kommando »Let’s roll!« zum Widerstand auffordert. Auch in der früheren Szene zeigt er sich mutig und prinzipienfest: »The United States of America does not negotiate with terrorists«, erklärt er Jamal, womit er diesen in Wut versetzt. »Terrorists? Who are the terrorists? The ones that bomb from ten miles up, killing women and children. The ones who have no remorse whatsoever«, entgegnet der Dschihadist, der hier wieder einmal die aus True Lies und anderen Produktionen vertrauten unspezifischen Anschuldigungen erhebt. Der Amerikaner gibt sich damit allerdings nicht zufrieden, weshalb sich ein aufschlussreicher Dialog entspinnt, der es wert ist, in voller Länge zitiert zu werden. SENATOR: »Why do you hate us so? You obviously live in America, you know us.« JAMAL: »Exactly. I know your arrogance, your contempt for the rest of the world, your moral corruption. And your so-called freedom.« SENATOR: »Yes. The freedom that the rest of the world envies us for.« JAMAL: »Your freedom is a joke. The rich control everything. Control you, senator.« SENATOR: »You’re fanatics. That’s not religion.« JAMAL: »You Americans are fanatics about money. Money, money!« SENATOR: »I stand for family values, spiritual values. You people have no respect for human life. You treat women like cattle.« JAMAL: »Us? What about your daughter? Is she a happy person? Drugs? Sex? Alcohol?«
Der Verweis auf die missratene Tochter des Senators erscheint Jamal als Trumpfkarte, aber es ist offensichtlich, dass der Film diese junge Frau keinesfalls als wirklich repräsentativ für die Vereinigten Staaten verstanden wissen will. Diese finden sich stattdessen in den diversen heroischen und moralisch integeren Charakteren verkörpert, nicht zuletzt eben auch im Senator als Vertreter Washingtons. Auch der Vorwurf des Terroristen, die USA seien eine Art Timokratie, muss in den Ohren der meisten Amerikaner eher nach Kommunismus klingen und rückt ihn somit in die Nähe früherer totalitärer Feinde. Bezeichnend ist aber vor allem, dass der Dschihadist in dieser Szene einmal mehr keine konkrete Kritik amerikanischer Politik formuliert, sondern seinen Hass stattdessen mit einer Verurteilung der Vereinigten Staaten als eines verdorbenen Landes begründet, sehr ähnlich wie auch Rashid in The President’s Man: A Line in the Sand von einem »arrogant and corrupt empire« spricht, einer »evil society of infidels and sinners«. Die Terroristen, das ist der Kern dieser und ähnlicher Szenen, hassen Amerika nicht für etwas, was es tut, wegen seiner Politik
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und seiner Rolle im Nahen Osten, sondern dafür, was es ist, für seine Werte, allen voran die Freiheit. In diesem Sinne erklärte auch George W. Bush in seiner Rede an die Nation am 11. September 2001, »[that] America was targeted for attack because we’re the brightest beacon for freedom and opportunity in the world«,272 was er in der Folge immer wieder betonte und vor dem Kongress noch genauer ausführte: »Americans are asking, why do they hate us? They hate what we see right here in this Chamber, a democratically elected government. Their leaders are self-appointed. They hate our freedoms – our freedom of religion, our freedom of speech, our freedom to vote and assemble and disagree with each other.«273 Nach 9/11 wurde dies zum Credo erhoben, während jeder, der Zweifel daran äußerte und einen Zusammenhang zwischen amerikanischer Politik und den Anschlägen herstellte, sich schnell dem Verdacht aussetzte, unpatriotisch zu sein oder gar Terrorismus zu legitimieren.274 Im Kern stellte dieses Denken aber nicht eine Reaktion auf die Angriffe im September 2001 dar, sondern war, wie nicht zuletzt die Analyse der Filme zeigt, schon davor fest verankert. Stanley Hoffmann hat dazu treffend bemerkt: »Americans have a tendency to overlook the dark sides of their course (except on the protesting left, which is thus constantly accused of being un-American), perhaps because they perceive international affairs in terms of crusades between good and evil, endeavors that entail formidable pressure for unanimity.«275 Die vorherrschende Meinung war (beziehungsweise ist), dass Amerika als Leuchtturm des menschlichen Fortschritts – in den Worten Dan Diners »mehr Zeit als Ort«276 – geradezu zwangsläufig zur Zielscheibe eines Islam werden musste, den man – anders als Christentum und Judentum – in einem grundlegenden Konflikt mit der Moderne sah (beziehungsweise sieht). Ohne in eine umfassende Auseinandersetzung mit dieser Thematik einzusteigen, seien an dieser Stelle zwei kurze Bemerkungen gemacht, um zu illustrieren, wie verkürzt diese Sichtweise ist. Erstens weisen Is272 George W. Bush, »Address to the Nation on the Terrorist Attacks, September 11th, 2001«, http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=58057 (27.07.2007). 273 George W. Bush, »Address Before a Joint Session of the Congress on the United States Response to the Terrorist Attacks of September 11, September 20th, 2001«, in: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=64731 (07.07.2007). 274 Siehe z.B. Podhoretz, World War IV; Frum/Perle, End to Evil, v.a. 48 u. 59f; Barry Rubin, »The Real Roots of Arab Anti-Americanism«, in: Foreign Affairs 81:6 (2002), 7385. Vgl. hierzu auch Abrahamian, »Huntington«, 531f u. 535-8 u. Lockman, Contending Visions, 254-67, der u.a. die Rolle von Daniel Pipes und dessen Website Campus Watch beleuchtet. Eine besondere Analyse war die von Michael Medved, der Hollywood in seinem Aufsatz »That’s Entertainment? Hollywood’s Contribution to Anti-Americanism Abroad«, in: Wittkopf/McCormick (Hg.), Domestic Sources of American Foreign Policy, 43-54, hier 46f, vorwarf, durch seine unmoralischen und unrealistischen Filme an einem falschen Amerikabild der Islamisten schuld zu sein. 275 Stanley Hoffmann, »Why Don’t They Like Us? How America Has Become the Object of Much of the Planet’s Genuine Grievances – and Displaced Discontent«, in: Wittkopf/ McCormick (Hg.), Domestic Sources of American Foreign Policy, 33-41, hier: 35f. 276 Dan Diner, Feindbild Amerika: Über die Beständigkeit eines Ressentiments, München 2002, 192.
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lamwissenschaftler immer wieder darauf hin, dass der Islamismus selbst ein Phänomen der Moderne ist.277 Und zweitens stellt unsere weitgehend säkularisierte Gegenwart eine Herausforderung für alle Religionen dar, die dementsprechend auch überall zu Abwehrreaktionen in Form von übersteigerter Frömmigkeit bis hin zur gewaltsamen Bekämpfung der Säkularisierung führt.278 Es handelt sich dabei also nicht um eine Besonderheit der islamischen Welt, auch wenn die entsprechenden Bewegungen dort in den letzten Jahrzehnten besonders stark waren. Prägnant veranschaulichen lässt sich dies daran, dass einige prominente evangelikale Fernsehprediger die Angriffe vom 11. September 2001 auch so deuteten, dass Gott ein Amerika, in dem sich Abtreibungen, Homosexualität und andere Undinge breitmachten, nicht habe schützen wollen und die Befürworter der Säkularisierung mitverantwortlich für das Unheil seien.279 Man mag in der offenkundig vom rechten Weg abgekommenen Senatorentochter in Air Marshal, die zu Beginn auch kein Verständnis für die Sicherheitskontrollen zeigt, ein Echo solcher Anschuldigungen sehen. Unzweifelhaft wird am Beispiel dieses Films jedenfalls die generelle Tendenz deutlich, politische Motive des Dschihadismus auszublenden und den Konflikt auf die denkbar einfachste Formel – Gut gegen Böse – zu reduzieren. Es geht dabei in einer für das Denken in Feindbildern charakteristischen Weise nicht um die Suche nach Erklärungen, sondern um einfache Zuschreibungen, die den Feind als grundlegend anders und bösartig kennzeichnen.
3.4 »GOD HELP HER!«: JUDEN, CHRISTEN UND FRAUEN ALS OPFER VON MUSLIMEN Zu den Vereinfachungen im obigen Sinne gehört nicht zuletzt die Gleichsetzung der in der islamischen Welt verbreiteten Feindseligkeit gegenüber Juden mit jenem Antisemitismus, der im Holocaust seinen Höhepunkt fand. Das prägnanteste Beispiel dafür findet sich – angesichts der Verantwortlichen wenig überraschend – in The Delta Force: Nachdem die Terroristen hier die Kontrolle über das Flugzeug übernommen haben, verlangen sie von der Stewardess Ingrid, anhand der Pässe beziehungsweise der Namen die jüdischen Passagiere zu identifizieren. Ingrid, die schon beim Einsammeln der Dokumente bemerkt hat, dass einer der älteren Männer eine – in diesem Moment durch eine Großaufnahme auch für den Zuschauer hervorgehobene – KZTätowierung am Arm hat, protestiert zunächst unter Tränen: »No, not me. Don’t you see I’m German? […] The selections. The Nazis. The death camps. Don’t you see I can’t do what you want me to do?« Sie versucht die Terroristen davon zu überzeugen, dass sie als ›Freiheitskämpfer‹ nicht mit Nazis in Verbindung gebracht werden
277 Siehe dazu ausführlich Seidensticker, Islamismus; außerdem Halm, Islam, 85f; Lockman, Contending Visions, 219f. 278 Dazu Barber, Jihad vs. McWorld, der den Islam allerdings kritischer als andere Religionen beurteilt, und v.a. Juergensmeyer, Global Rebellion, der die Zunahme religiöser Gewalt auch im Zusammenhang mit dem Ende des Kalten Krieges sieht. 279 Vgl. Clyde Wilcox/Carin Larson, »In den Schützengräben: Amerikanische Evangelikale und der ›Kulturkampf‹ «, in: Manfred Brocker (Hg.), God bless America: Politik und Religion in den USA, Darmstadt 2005, 89-108, hier: 89f.
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wollten, »who killed six million Jews«, worauf Mustafa aber nur aggressiv erwidert: »Not enough, lady, not enough. The Jews stole Palestine, they took our lands.« Schließlich wird die Deutsche brutal gezwungen, ihre schreckliche Aufgabe auszuführen. Als die jüdischen Männer aufgerufen werden, reagiert die Ehefrau des KZÜberlebenden entsprechend panisch: »This can’t be happening, not now, not again.« Ihr Mann versucht sie zu beruhigen, indem er erklärt, sie hätten einmal überlebt und könnten es wieder tun, aber während er nach vorne geht, ruft sie, um die historische Parallele auch dem begriffsstutzigsten Zuschauer endgültig klarzumachen, den anderen Passagieren zu: »It’s the war, it’s the war all over again, the concentration camps!« Die Washington Post warf den Machern des Films wegen dieser auch von entsprechender Musik mit dumpfen Paukenschlägen untermalten Szene vor, sie hätten »Nazi concentration camps as a prop for cheesy melodrama« missbraucht,280 aber diese Kritik geht am Kern des Gezeigten vorbei, indem sie außer Acht lässt, wie die Judenvernichtung von den Deutschen auf die muslimischen Araber übertragen wird, die damit als Wiedergänger oder zumindest Erben der Nazis dargestellt werden, deren Werk sie offenkundig zu vollenden trachten. Dies entspricht dem Prinzip, nach dem auch die UdSSR in diversen Filmen der 1980er Jahre ›nazifiziert‹ wird, indem Juden als Opfer hervorgehoben werden. Tatsächlich führen auch die von den Sowjets unterstützten deutschen Terroristen in The Amateur (1982) eine Selektion jüdischer Geiseln durch,281 und die Terroristen in The Delta Force sehen sich ja als Dschihadisten und kommunistische Revolutionäre in einem. Auf der anderen Seite bringen auch schon ältere Produktionen wie Exodus (1960) Araber mit Nazis in Verbindung.282 Ein mörderischer Antisemitismus wird so zum Merkmal eines totalitären Feindes, der den USA in unterschiedlicher Gestalt immer wieder gegenübertritt. Im Terrorismuskino spielt die Selektionsszene in dieser Hinsicht eine zentrale Rolle. Entlehnt ist sie bei dem Geiseldrama von Entebbe, in dessen filmischen Aufarbeitungen sie deshalb zwangsläufig vorkommt, sie begegnet aber zum Beispiel auch in The Taking of Flight 847 (1988), in dem die arabischen Terroristen, wie Robert Cettl schreibt, sogar Deutsch sprechen.283 Die Filme bedienen sich aber auch anderer Motive, um dasselbe Bild zu erzeugen. So erfährt man in Death Before Dishonor nicht nur von Verbindungen der Dschihadisten zu deutschen Terroristen, sondern der Film beginnt bezeichnenderweise damit, dass Gavril und Maude, die Ellie später als »Jew whore« beschimpft, auf Zypern den israelischen Botschafter samt Frau und Kindern brutal ermorden. Auch Malak in Wanted: Dead or Alive (1987) wird damit eingeführt, dass er direkt nach
280 281 282 283
»Hijack Chutzpah«, in: WP 14.02.1986. Vgl. Cettl, Terrorism in American Cinema, 21. Vgl. Novick, Holocaust, 157; Shaheen, Reel Bad Arabs, 21. Cettl, Terrorism in American Cinema, 252. Siehe ebenda auch für Analysen der Filme über Entebbe. »Roach Races and Russian Roulette«, in: Time 15.07.1985, zufolge verständigte sich einer der Entführer von TWA 847 mit Uli Derickson auf Deutsch. Derickson berichtete auch, dass die Terroristen die Pässe der Passagiere auf jüdisch klingende Namen untersucht hätten, die Separierung einiger Geiseln hatte aber offenbar andere Gründe; vgl. dazu »Prime-Time Terrorism«, in: Time 01.07.1985.
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seiner Ankunft in Amerika in entsprechender Verkleidung einem orthodoxen Juden, der ihn arglos vom Flughafen abholen will, die Kehle durchschneidet. Nun ist es eine traurige Tatsache, dass Judenhass unter Arabern und Muslimen, zumal unter Dschihadisten, weit verbreitet ist. So macht etwa das Gründungsdokument der Hamas Juden für praktisch alles Unheil auf der Welt, einschließlich des Zweiten Weltkriegs, verantwortlich.284 Und die in diversen Filmen gezeigte Selektion jüdischer Geiseln hat, wie schon erwähnt, in den Vorgängen in Entebbe ein reales Vorbild. Gleichwohl ist es eine Verzerrung, wenn der hier zum Ausdruck kommende Hass auf Juden einfach mit dem Antisemitismus der Nazis gleichgesetzt wird. Schon der Begriff ist in diesem Fall paradox, da auch Araber Semiten sind, ein Umstand, der es, wie ich bereits gezeigt habe, möglich macht, entsprechende Stereotype auch bei ihrer Darstellung zu verwenden, während sie gleichzeitig selbst als Antisemiten gegeißelt werden. Dem Antijudaismus der Araber und Muslime liegt denn auch keine Rassenideologie zugrunde, wie sie für den Nationalsozialismus kennzeichnend ist. Vielmehr speist er sich ganz wesentlich aus dem ungelösten Konflikt um Palästina, der zu einer Ablehnung Israels und, in Steigerung davon, zu einer grundsätzlichen Feindschaft gegenüber Juden führt. Gerade dieser zentrale Aspekt wird aber in den Filmen weitgehend ausgeklammert. In dem oben zitierten Dialog aus The Delta Force erwähnt Mustafa immerhin den ›Diebstahl‹ Palästinas, als er sein Bedauern darüber ausdrückt, dass die Nazis nicht noch mehr Juden ermordet haben, allerdings wird diese nicht weiter verfolgte Bemerkung von der penetranten Parallelisierung der Behandlung der jüdischen Geiseln mit dem Holocaust völlig überlagert. In anderen Produktionen wird der Zusammenhang zwischen der Situation der Palästinenser und dem Antijudaismus sowie dem gegen die USA gerichteten Dschihadismus meist überhaupt nicht zur Sprache gebracht. Hier scheint jenes Denken vorzuherrschen, das auch in politischen Debatten jenseits der Leinwand zum Ausdruck kommt, wenn jegliche Thematisierung der Palästinenserfrage, geschweige denn eine Kritik an der Politik Israels, als antisemitisch gebrandmarkt wird,285 wie man dies exemplarisch bei Norman Podhoretz sehen kann. Dieser versteigt sich in seinem Buch World War IV sogar zu der absurden Behauptung, »[that] [i]ndeed, the hatred of Israel was in large part a surrogate for antiAmericanism, rather than the reverse«.286 Ähnlich charakteristisch ist die Einschätzung von David Frum und Richard Perle: »The Arab-Israeli quarrel is not a cause of Islamic extremism; the unwillingness of the Arabs to end the quarrel is a manifestation of the underlying cultural malaise from which Islamic extremism emerges.«287 Ihrer Ansicht nach ist »Jew-hatred […] as essential to extremist Islam as it was to Nazism.«288 Die simplifizierende Verbindung des Dschihadismus mit dem Nationalsozialismus, die in Wortschöpfungen wie ›Islamofaschismus‹ zusammengefasst wird, erfüllt neben der Einordnung des Feindes in eine zentrale Traditionslinie noch eine weitere
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Hamas, »The Covenant«, in: Laqueur (Hg.), Voices of Terror, 434-8, hier v.a. 437. Vgl. Abrahamian, »Huntington«, 536f. Podhoretz, World War IV, 91. Vgl. auch ebenda, 61-4 u. 89-92. Frum/Perle, End to Evil, 187f. Hervorhebungen im Original. Ebenda, 189.
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Funktion: Sie ermöglicht es, Sünden des Westens auf den Orient zu projizieren.289 Tatsächlich erinnert beispielsweise die Berufung der Hamas auf die berüchtigten ›Protokolle der Weisen von Zion‹290 daran, wo viele der Verschwörungstheorien, mit denen heute Araber und Muslime ihren Hass auf Juden begründen, ihren Ursprung haben, von der rassistischen Abwertung ganzer Völker zu ›Untermenschen‹ einmal ganz zu schweigen. Indem Araber und Muslime aber mit den Nazis auf eine Stufe gestellt werden, können deren Verbrechen, die mit dem Selbstbild des aufgeklärten und demokratischen Westens nicht in Einklang zu bringen sind, quasi nachträglich externalisiert und damit ein Stück weit aus der eigenen Geschichte herausgeschrieben werden. Denn die Nazis können dadurch eher als Repräsentanten der orientalischen Kultur mit ihren vermeintlich typischen menschenverachtenden Zügen gesehen werden. Hier knüpfen in den aktuellen Debatten um Flüchtlinge und Zuwanderung auch rechtspopulistische europäische Parteien an, wenn sie ihre Ablehnung von Muslimen mit deren Antisemitismus begründen und sich damit zugleich gegen den Vorwurf wappnen, selbst neonazistische Positionen zu vertreten.291 In den Filmen findet sich immer wieder eine Trennung von Gut und Böse, die explizit Juden und Christen auf der einen und Muslime auf der anderen Seite verortet, sodass das Bild eines religiös begründeten Konfliktes mit dem Islam als Aggressor gezeichnet wird. So hebt The Delta Force neben den jüdischen Geiseln auch den katholischen Priester O’Malley und zwei Nonnen als Opfer der Terroristen hervor. Als die Selektion vorgenommen wird, solidarisiert sich der Geistliche mit den Juden und besteht darauf, wie diese behandelt zu werden: »You called for all the Jews. I’m Jewish, just like Jesus Christ. You take one of us, you gotta take us all«, erklärt er den überraschten Dschihadisten. Diesen wird so eine Gemeinschaft gegenübergestellt, die als ›jüdisch-christlich‹ definiert wird, eine Beschreibung, die in den USA seit dem Sechstagekrieg 1967 Verbreitung gefunden hat.292 Sie zeigt sich im weiteren Verlauf auch in der israelischen Unterstützung für die amerikanische Rettungsaktion sowie darin, dass ein orthodoxer Priester in Beirut, dessen Kirche direkt neben dem Hauptquartier der Terroristen liegt, für die Israelis spioniert, wofür er von Abdul, dem »this Christian place« sofort missfällt, nach seiner Enttarnung ermordet wird. Israelis und Amerikaner arbeiten auch in Death Before Dishonor zusammen und kämpfen am Schluss sogar Seite an Seite. Religiös aufgeladen wird dieser Kampf vor allem durch eine Szene, in der der entführte Colonel und ein junger Marine namens Ramirez von den Terroristen gefoltert werden.293 Dem Colonel wird hier mittels einer Bohrmaschine eine Verletzung an der Hand zugefügt, die eines der Wundmale Christi evoziert. Schließlich gelingt es Ramirez, den Bohrer zu ergreifen und einen von Jihads Männern damit zu töten, ehe er selbst erschossen wird und sterbend das um seinen Hals hängende Kruzifix küsst. Die amerikanischen Soldaten werden hier als christliche Märtyrer gezeigt, die den barbarischen Muslimen die Stirn bieten, gestärkt 289 Vgl. auch Gerhard/Link, »Orient im Mediendiskurs«, 283. 290 Hamas, »The Covenant«, 438. 291 Siehe z.B. »AfD: Frauke Petrys Avancen sorgen beim Zentralrat der Juden für heftige Reaktionen«, http://www.sueddeutsche.de/politik/afd-frauke-petrys-avancen-sorgen-beimzentralrat-der-juden-fuer-heftige-reaktionen-1.3454662 (09.04.2017). 292 Vgl. Prätorius, In God We Trust, 146. 293 Vgl. auch Cettl, Terrorism in American Cinema, 96.
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durch ihren Patriotismus und ihren Glauben, die nicht von einander zu trennen sind.294 Insgesamt steht Gewalt gegen Christen in den Filmen noch deutlich stärker im Fokus als die gegen Juden. Die oben beschriebene Szene aus The Delta Force, in der O’Malley sich mit den selektierten jüdischen Geiseln auf eine Stufe stellt, verdeutlicht ja nicht nur die christlich-jüdische Gemeinschaft, sondern beinhaltet auch eine Vereinnahmung des in der Szene penetrant beschworenen Holocausts, der so seines spezifischen historischen Charakters beraubt und zu einer auch christlichen Erfahrung umgeschrieben wird, mit Dschihadisten als den neuen Nazis. Gerade das Motiv der Gewalt von Muslimen gegen christliche Geistliche begegnet in Filmen auffallend häufig, etwa auch in Bulletproof (1988), wo die kommunistischen und muslimischen Bösewichte ebenfalls einen Priester und zwei Nonnen zu ihren Gefangenen zählen, die in einer Kirche festgehalten werden. »In the name of God, have mercy!«, fleht der Priester einmal, worauf der libysche Offizier Kartiff aber nur »Your god, not mine!« erwidert und zuschlägt. Kartiffs Reaktion zeigt nicht nur die Brutalität der Muslime und ihre Verachtung für die Christen, sie postuliert fälschlicherweise auch einen Unterschied zwischen dem muslimischen und dem christlichen Gott, ein Eindruck, der häufig schon dadurch genährt wird, dass das arabische Wort ›Allah‹ nicht übersetzt wird, sodass es wie ein Eigenname klingt. 295 Wiederum ein Priester und zwei Nonnen werden in Tears of the Sun (2003), der Christentum mit Demokratie und Islam mit Diktatur gleichsetzt, von muslimischen Rebellen in Nigeria ermordet, nachdem sie auf ihre Evakuierung durch das USMilitär verzichtet haben, um kranke und verwundete Einheimische nicht im Stich zu lassen. Auch hier zeigen sich die Muslime von dem wiederholten Flehen »This is a house of God« unbeeindruckt: Nachdem ihr Kommandeur abschätzig das Kruzifix des vor ihm auf die Knie gezwungenen Priesters gemustert hat, gibt er einen stummen Befehl und die Szene endet damit, dass sein Unterführer eine Machete zückt, sodass der Zuschauer sich unschwer ausmalen kann, was nun folgen wird. Priester als Opfer muslimischen Terrors tauchen auch in American Ninja 4: The Annihilation (1990) auf. Hier verkleidet sich der Held in einer Szene, was von dem britischen Handlanger des Scheichs aber sofort durchschaut wird: »There are no bloody priests. I shot them all months ago.« Und The Poseidon Adventure (2005) stellt dem Agenten der Homeland Security einen katholischen Bischof als zweite Führungsfigur der Passagiere an die Seite und illustriert so die Frontstellung zwischen Islam und Christentum.296 294 Ähnlich ist es wiederum zu sehen, wenn in The Delta Force der Priester O’Malley das einzige Mitglied der Eliteeinheit, das den Einsatz nicht überlebt, vor dessen Tod segnet. 295 Siehe zu diesem Problem auch Shaheen, Reel Bad Arabs, 11; Halm, Islam, 60. 296 Wie Vanhala, Depiction of Terrorists, 246, feststellt, findet sich diese Frontstellung ebenfalls in Executive Decision, wenn auch »almost hidden in the film’s action«. So ist hier etwa auffällig, dass das Rufzeichen des Flugzeugs, mit dem das Rettungsteam an Bord der entführten Maschine gebracht wird, »Hail Mary« lautet. Dies ist offensichtlich beim amerikanischen Volkssport Football entlehnt, wo ein kaum aussichtsreicher Spielzug in einer verzweifelten Situation so bezeichnet wird. Die Benennung hat aber eben auch eine christliche Konnotation, die gerade in der Gegenüberstellung mit der islamischen Bedrohung bedeutsam erscheint. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass General Nor-
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Am deutlichsten wird der religiöse Konflikt in Ministry of Vengeance (1989) in Szene gesetzt, greift der protestantische Geistliche David Miller hier doch selbst zur Waffe, um die Ermordung seiner Familie durch den Terroristen Aboud zu rächen. »I’ve come to send you straight to hell«, verkündet er dem Palästinenser, als er ihm schließlich im Libanon gegenübersteht. Unterschlupf findet er in dem fremden Land in einer Mission, deren friedliches Bekehrungswerk – »We wait for them to come to us.« – in scharfem Kontrast zur aggressiven Intoleranz der palästinensischen »People’s Army« steht, deren Mitglieder Christen als »cross worshiper« beschimpfen. Die Palästinenser werden so fälschlich mit Islamisten gleichgesetzt, obwohl die PLO und andere Gruppen im Unterschied zur Hamas keine religiöse Prägung hatten und auch Christen zu ihren Mitgliedern und Führungskräften zählten.297 Auf diese Weise werden einmal mehr die komplexen Realitäten verwischt, und der Islam erscheint als Triebfeder des Terrorismus. Die Palästinenser greifen schließlich auch die Mission an, die von den Kämpfern, die die christliche Miliz zu ihrer Verteidigung bereitgestellt hat, ebenso wenig geschützt werden kann wie von den Versuchen des leitenden Pfarrers, die Muslime von der Falschheit ihres Handelns zu überzeugen. Seine mahnenden Worte »This is a church, a holy place. Allah would not be pleased« stoßen wie die entsprechenden Beschwörungen in den anderen Filmen auf taube Ohren. Der Terrorist Sayid erschießt den Geistlichen heimtückisch, als dieser ihm den Rücken zuwendet. Es handelt sich hierbei, wie die erläuterten Beispiele zeigen, um eine Szene mit topischem Charakter: Wehrlose Christen, Pfarrer und Nonnen zumal, werden brutal misshandelt und ermordet von blutrünstigen Muslimen, die weder Mitleid noch Respekt vor der Heiligkeit von Kirchen kennen. Anders, aber nicht weniger eindrücklich wird die Bedrohung der christlichen Welt durch den aggressiven Islam in Dracula (1992) dargestellt. Francis Ford Coppolas Adaption des klassischen Horrorromans298 beginnt mit einer Sequenz, die die Entstehung des Vampirs erklärt: Zu Unheil dräuender Musik ist als erstes ein Kreuz auf der Kuppel einer Kirche zu sehen, das von Rauchschwaden eingehüllt wird. Nach einem Schnitt sieht man das Kreuz aus der Aufsicht auf das Pflaster einer Straße fallen, wo es zerbricht. Während an der Stelle des Kreuzes nun ein Halbmond auf der Kuppel zu sehen ist, erläutert die Stimme von Van Helsing aus dem Off, dass wir uns im Jahr 1462 befinden, Konstantinopel gefallen ist und die muslimischen Türken »with a vast superior force« in Europa einfallen, »threatening all of Christendom«. Die Aufnahme einer Karte des Balkans, über die der Schatten des islamischen Halbmondes fällt, unterstreicht diese Aussage. Draculea, ein christlicher Ritter, stellt sich der »insurmountable force« entgegen und siegt, wofür er Gott dankt. Die »vengeful man Schwarzkopf den Angriffsplan gegen die irakische Armee in Kuwait ebenfalls mit einem Hail Mary Play verglich, was, wie Bender, Virtuelles Erinnern, 202, zu Recht vermerkt, in diesem Fall auf den ersten Blick keineswegs naheliegend erscheint. 297 So entstammte z.B. George Habash, der Gründer der marxistisch-nationalistischen PFLP, einer griechisch-orthodoxen Familie; vgl. Kushner, Encyclopedia, s.v. »Habash, George«, »Palestine Liberation Organization« u. »Popular Front for the Liberation of Palestine«. Ungeachtet dessen bezeichnet z.B. auch Podhoretz, World War IV, 28, PLO und PFLP als »Muslim terrorists«. 298 Bram Stoker, Dracula, Westminster 1897.
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Turks« täuschen jedoch seine geliebte Frau Elizabetha mit der Nachricht seines Todes und treiben sie so in den Selbstmord. Wütend darüber, dass die Kirche die Selbstmörderin als verdammt betrachtet, entsagt der Fürst daraufhin Gott und rammt sein Schwert in das Kreuz des Altars, das zu bluten beginnt. Draculea wird zum untoten Dracula, einer teuflischen Kreatur. Beachtenswert ist diese Vorgeschichte nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht Teil des Romans ist. Während Coppolas Film sich im Weiteren relativ eng an seine Vorlage hält, handelt es sich hierbei um eine Ergänzung, die durch Theorien über die historische Figur des Vlad Tepes als Vorbild für Dracula inspiriert sein mag, die sich aber vor allem allzu gut in die Entstehungszeit des Films mit der Umorientierung auf den Islam als wichtigsten Feind des Westens nach dem Zusammenbruch der UdSSR einfügt. Der Prolog erinnert den Zuschauer nicht nur – so wie wenig später Huntington seine Leser – daran, dass die Christenheit schon früher durch Muslime bedroht wurde, er schreibt diesen mittelbar auch die Schuld an der Verwandlung Draculas in einen Vampir zu, der so als Opfer muslimischer Heimtücke auch eine tragische Figur ist. Zugleich wird Dracula im weiteren Verlauf des Films durch Kostüme und Maskenbild orientalisiert,299 mit seinem Abfall vom Christentum und seiner Hinwendung zu den Mächten der Finsternis stellt er sich also auch außerhalb der westlichen Kultur und wird nun selbst zu einem Repräsentanten dessen, wovor er das christliche Europa zunächst noch beschützt hatte. Nicht nur der Vampir ist mit dem Teufel im Bunde, auch die Türken werden durch die eindringliche Verbindung mit dem Symbol des Feuers in der Vorsequenz durch die Rotfärbung des Bildes, den Rauch sowie die Geräusche und Schatten von Flammen als Heerschar der Hölle und Feinde Gottes gezeichnet. Dass solche Vorstellungen von einer Verteidigung des Christentums nicht zuletzt nach dem 11. September 2001 von Bedeutung waren, wird durch einige der bereits genannten Beispiele deutlich. Auch George W. Bush bezeichnete fünf Tage nach den Angriffen den ›Krieg gegen den Terror‹ als »crusade«.300 Diese Wortwahl stand im Widerspruch zu den sonst vorgetragenen Beteuerungen, es handle sich nicht um einen religiösen Konflikt, und erregte zwangsläufig einiges Aufsehen. Bushs Pressesprecher Ari Fleischer bemühte sich denn auch wenig später, sie auf unverfängliche Weise zu interpretieren: »I think what the President was saying was – had no intended consequences for anybody, Muslim or otherwise, other than to say that this is a broad cause that he is calling on America and the nations around the world to join. That was the point – purpose of what he said.« Er bezeichnete dies unter Ausblendung der historischen Herkunft als »the traditional English sense of the word«.301 Auch wenn man Bush zugute halten mag, dass der Begriff ›Kreuzzug‹ tatsächlich in allen möglichen Zusammenhängen in der von Fleischer dargelegten Weise Verwendung gefunden hat, muss man sich wundern, wie der Ausdruck ohne jedes Bewusst299 Vgl. dazu Christopher Sharrett, »The Horror Film in Neoconservative Culture«, in: JPFT 21:3 (1993), 100-10, hier: 107. 300 George W. Bush, »Remarks on Arrival at the White House and an Exchange With Reporters, September 16, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=63346 (30.01.2011). 301 »Press Briefing by Ari Fleischer, September 18, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=47566 (30.01.2011).
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sein für seine Problematik gewählt werden konnte. In jedem Fall musste diese dem Präsidenten und seinen Redenschreibern dann aber klar sein, als er im Februar 2002 vor Angehörigen der Air Force erneut von einem »crusade to defend freedom« sprach.302 Solche Rhetorik spiegelte, ob nun absichtlich oder nicht, jene der Dschihadisten und war somit zumindest äußerst ungeschickt, weil sie deren Sicht bestätigte. Es muss in diesem Zusammenhang aber auch noch einmal darauf hingewiesen werden, dass ›Freiheit‹ für viele Amerikaner ohnehin ein religiös aufgeladener Begriff ist,303 auch ohne den Zusatz ›Kreuzzug‹. Die beständigen Verweise in Bushs Reden auf das ›Böse‹, gegen das man kämpfe, taten diesbezüglich ein Übriges.304 Insofern konnte der war on terror durchaus als ein Feldzug für das Christentum und gegen den Islam verstanden werden. In den einflussreichen evangelikalen Kreisen wurde dies zum Teil ganz offen formuliert. Hier war man, zumal seit dem Ende des Kalten Krieges, ohnehin überzeugt, dass Araber und Muslime in dem in der Bibel angekündigten Endkampf zwischen Gut und Böse zur satanischen Allianz von Gog und Magog (Offenb. 20, 7-8) gehören würden.305 »Die Frage ist, ob Hubal, der Mondgott von Mekka, besser bekannt als Allah, die Oberhand behält oder Jehova, der jüdisch-christliche Gott der Bibel«, verkündete etwa Pat Robertson,306 und Franklin Graham nannte den Islam »an evil religion«.307 William Boykin, ein General, der als stellvertretender Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium diente, verlieh in mehreren Ansprachen vor Kirchengemeinden und protestantischen Gruppen seiner Überzeugung Ausdruck, dass Gott George W. Bush für die Zeit des Kampfes an die Spitze der USA und damit der Christenheit gestellt habe – der umstrittene Wahlsieg Bushs trotz der geringe-
302 George W. Bush, »Remarks to the Troops at Elmendorf Air Force Base in Anchorage, Alaska, February 16th, 2002«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73257 (27.07. 2007). 303 Auch dies findet bezeichnenderweise seine Entsprechung in dschihadistischen Texten, für die die ›Freiheit‹, die der Islam den Menschen bringt, gleichfalls von zentraler Bedeutung ist. Siehe beispielhaft Sayed Qutb, »Jihad in the Cause of God«, in: Laqueur (Hg.), Voices of Terror, 394-7; Syed Abul Ala Maududi, »Jihad in Islam«, in: ebenda, 398-400. 304 Vgl. hierzu auch Juergensmeyer, Global Rebellion, 250 u. 256. Beachtenswert ist z.B. auch Bushs an anderer Stelle schon zitierte ›Wahl‹ für die Welt »Either you are with us, or you are with the terrorists«, eine Variation von Matth. 12, 30: »Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich«, die wiederum die religiöse Vorstellung eines kosmischen Krieges beschwor. 305 Siehe dazu Paul Boyer, When Time Shall Be No More: Prophecy Belief in Modern American Culture, Cambridge/London 1992, 326-31. Zum Einfluss der Evangelikalen siehe Rainer Prätorius, »Religiöse Politik und politisierte Religion in den USA: Was ist neu daran?«, in: Tobias Möschel (Hg.), Macht Glaube Politik? Religion und Politik in Europa und Amerika, Göttingen 2006, 147-64, hier v.a. 155; Josef Braml, »Das politische Erfolgskonzept der Christlichen Rechten in den USA: Vom fundamentalistischen Sektierertum zum politischen Pragmatismus«, in: Möschel (Hg.), Macht Glaube Politik?, 165-89. 306 Zitiert nach Bürger, Kino der Angst, 447. 307 Zitiert nach Prätorius, In God We Trust, 91; Prätorius verweist ebenda, 92, auch auf Gegenstimmen aus dem evangelikalen Lager.
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ren Zahl von Stimmen wurde so zum Teil eines himmlischen Heilsplanes erklärt.308 »Mit seiner Überzeugung, dass die muslimischen Gegner aus Fleisch und Blut von einem teuflischen Feind angetrieben würden, hätte sich Generalleutnant Boykin im Juli 1099 vor den Mauern von Jerusalem zu Hause gefühlt«, wie der Mediävist Philippe Buc feststellt.309 Interessant ist, dass gerade die große Hollywoodproduktion, die in diesen Jahren die historischen Kreuzzüge auf die Leinwand brachte, eine ganz andere Perspektive einnahm: Kingdom of Heaven (2005), der unter der Regie von Ridley Scott entstand und die Rückeroberung Jerusalems durch die Muslime im Jahr 1187 behandelt, zeigt nicht etwa Christen im gerechten Kampf gegen einen aggressiven Islam, sondern kritisiert religiösen Fanatismus als Rechtfertigung von Gewalt und Krieg auf beiden Seiten. Während die positiv gezeichneten Charaktere sowohl unter den Christen als auch unter den Muslimen allesamt für Toleranz und die Wahrung des Friedens eintreten, sind es gerade christliche Gotteskrieger, die einen blutigen Konflikt heraufbeschwören, der mit der Vernichtung des christlichen Heeres in der Schlacht von Hattin und dem Fall von Jerusalem endet. Ihr Ruf »God wills it!« ist nichts anderes als das Pendant des »Allahu Akbar« der fanatischen Muslime. Der Film macht so darauf aufmerksam, dass die Begründung von Gewalt als Einsatz für Gott – anders als so häufig behauptet – keine Besonderheit des Islam ist. »I put no stock in religion«, erklärt in einer Szene ein Hospitaliterritter dem Helden Balian (Orlando Bloom). »By the word religion, I’ve seen the lunacy of fanatics of every denomination be called the will of God.« Tatsächlich hat Mark Juergensmeyer, der den sich durch alle Religionen ziehenden Aufstand gegen den säkularen Nationalstaat untersucht hat, festgestellt, »that in virtually every religious tradition images of violence occupy a central role.«310 Religionen predigten zwar »the virtues of nonviolence«, es sei aber die ihnen eigene »ability to sanction violence«, die ihnen politische Macht verleihe.311 Gerade die monotheistischen Religionen haben aufgrund ihres Absolutheitsanspruches eine inhärente Tendenz dazu, Andersgläubige und Ungläubige zu bekämpfen.312 Dies gilt auch für das vermeintlich friedfertige Christentum, dessen Gewaltpotential sehr deutlich, aber keineswegs ausschließlich im Mittelalter und der frühen Neuzeit sichtbar wurde. Wie Philippe Buc jüngst gezeigt hat, lassen sich durch das christliche Erbe geprägte Vorstellungen selbst in den säkularisierten Vorgängen der jakobinischen Terreur oder der stalinistischen Schauprozesse nachweisen, und gerade das bis heute sehr gläubige Amerika ist von einer reichen Tradition der engen Verquickung von Religion und Gewalt geprägt.313 Hier können
308 Vgl. »Rumsfeld Praises Army General Who Ridicules Islam as ›Satan‹«, http://www. nytimes.com/2003/10/17/world/rumsfeld-praises-army-general-who-ridicules-islam-assatan.html, (20.08.2016); Buc, Heiliger Krieg, 103f u. 222f. 309 Ebenda, 111. 310 Juergensmeyer, Global Rebellion, 213. 311 Ebenda, 217. 312 Vgl. Buc, Heiliger Krieg, 24. 313 Buc, Heiliger Krieg; dem »amerikanischen way of war« widmet Buc ein eigenes Kapitel (ebenda, 54-74). Zum Mittelalter siehe auch Gerd Althoff, »Selig sind, die Verfolgung ausüben«: Päpste und Gewalt im Hochmittelalter, Darmstadt 2013; zu theologischem
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nicht nur entsprechende Deutungen des war on terror anknüpfen; wie ich in Kapitel III.1.2 schon dargelegt habe, berufen sich nicht zuletzt Rechtsextreme in den USA vehement auf ihre jeweilige, zum Teil unverhohlen rassistische Interpretation des christlichen Glaubens, um Gewalttaten zu rechtfertigen – auch wenn solche Vorfälle im Gegensatz zum islamistischen Terror nur selten in Filmen verhandelt werden. In Kingdom of Heaven erscheinen die Muslime eher in einem positiveren Licht als die Christen. Zwar stimmt es nicht, »[that] [t]here are no Islamic zealots in the film to serve as the counterparts of the Christian warmongers«, wie Stephen Prince schreibt.314 Vielmehr wird diese Rolle von einem Mullah ausgefüllt, der Sultan Saladin mit ganz ähnlichen Worten zum Krieg drängt wie die christlichen Fanatiker ihren König. Auch er stellt Saladins Position als Herrscher wegen des pragmatischen Handelns in Frage, wofür ihn der Sultan scharf zurechtweist: »How many battles did God win for the Muslims before I came?« Saladins Kontrolle über den Mullah, die im scharfen Kontrast zur Unfähigkeit des christlichen Königs Baldwin (Balduin IV.) steht, die Übergriffe der Tempelritter gegen Muslime wirkungsvoll zu unterdrücken, kann aber als Überlegenheit der muslimischen Kultur interpretiert werden.315 In jedem Fall sind die Templer und Baldwins Nachfolger Guy de Lusignan die Schurken des Films, die schließlich den Krieg herbeiführen. Ihren Massakern an überfallenen Muslimen steht die Bereitschaft Saladins gegenüber, die Bewohner Jerusalems nach der Übergabe der Stadt zu schonen und den Christen freien Abzug zu gewähren. Als Balian ihn zweifelnd an das Blutbad erinnert, das die Kreuzritter im Jahr 1099 bei ihrer Eroberung veranstalteten, erwidert der Sultan empört: »I am not those men.« Kingdom of Heaven übertreibt die positive Zeichnung Saladins sogar: Einerseits wird ausgespart, dass eine Geldzahlung für die Schonung der christlichen Bevölkerung verlangt wurde, die nicht für alle aufgebracht werden konnte, weshalb Tausende in die Sklaverei gingen (obschon etliche noch wegen ihres Alters oder anderer Gründe freigelassen wurden);316 andererseits wird gezeigt, wie der Sultan nach der Besetzung Jerusalems ein umgestürztes Kreuz wieder aufstellt, eine unglaubwürdige Bekundung des Respekts vor dem Christentum. Gleichzeitig ist selbst dieser Film an anderen Stellen in Stereotypen westlicher Überlegenheit verhaftet. So muss Balian, der in Europa als einfacher Schmied lebt, Dualismus als Begründung für Kriege der USA auch Hochgeschwender, »›God’s Own Nation‹«, 296-305. 314 Prince, Firestorm, 292. 315 Vgl. in diesem Sinne Saunders Calvert, »Ideology and the Modern Historical Epic«; Simona Slaniþka, »Kingdom of Heaven – Der Kreuzzug Ridley Scotts gegen den Irakkrieg«, in: Mischa Meier/Simona Slaniþka (Hg.), Antike und Mittelalter im Film: Konstruktion – Dokumentation – Projektion (Beiträge zur Geschichtskultur, Bd. 29), Köln u.a. 2007, 385-97, hier: 390. Die positive Darstellung der islamischen Welt in Kingdom of Heaven ist deutlich höher zu bewerten als die des Orients in Troy (2004), der gleichfalls als Kritik an westlichem Imperialismus im Allgemeinen und am Irakkrieg im Besonderen interpretiert werden kann, in dem die – durchweg von westlichen Schauspielern verkörperten – Trojaner sich in kultureller oder gar ethnischer Hinsicht aber nicht wirklich von den Griechen unterscheiden. Gerade religiöse Differenzen spielen hier keine Rolle. 316 Vgl. Steven Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, übers. von Peter de Mendelssohn, München 42003, 764-6.
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ehe man ihm enthüllt, dass er der Bastard eines Adeligen ist, dessen Erbe er im Heiligen Land antreten soll, nach seiner Ankunft auf den Ländereien seines Vaters der einheimischen Bevölkerung erst zeigen, wie man auf dem kargen Boden mittels ausgefeilter Bewässerung ertragreiche Landwirtschaft betreibt. In dieser absurden Sequenz schlüpft er in die bekannte Rolle des Mannes aus dem Westen, der Fortschritt und Zivilisation in den rückständigen Orient bringt.317 Historisch inakkurat und in der Aussage fragwürdig ist es auch, dass die Stärke der Armee Saladins mit 200.000 Mann völlig übertrieben beziffert wird und die großzügigen Übergabebedingungen diesem dadurch abgetrotzt werden, dass der heroische Widerstand der Verteidiger Jerusalems dieses riesige muslimische Heer zu vernichten droht.318 Wenn Balian ankündigt, jeder christliche Ritter werde zehn Muslime mit in den Tod nehmen, und damit offensichtlich Eindruck hinterlässt, wird einmal mehr die größere Tapferkeit und Männlichkeit der Christen der furchteinflößenden Masse der den Westen bestürmenden Orientalen gegenübergestellt. Nichtsdestotrotz transportiert Kingdom of Heaven insgesamt eine deutlich andere Botschaft als die vielen Filme, die einen unausweichlichen Konflikt zwischen dem christlichen Westen als Hort der Freiheit und dem Islam als Religion menschenverachtender Versklavung propagieren. Als Beleg für Letzteres wird insbesondere die Behandlung von Frauen durch Muslime zum Thema gemacht. Bulletproof beispielsweise beinhaltet eine Szene, die plakativ zwei gegensätzliche Frauenbilder aufeinanderprallen lässt: Der libysche Offizier Kartiff fordert von der amerikanischen Soldatin Devon Respekt: »In my country women do not…« Aber Devon unterbricht ihn selbstbewusst: »In your country you treat women like camels and send young boys to their deaths in the name of your excuse for a god. Believe me, nobody’s impressed.« Als der Muslim daraufhin »Blasphemy!« ruft und sie schlägt, schlägt sie zurück, was Kartiff wiederum ein hasserfülltes »Bitch!« entlockt. Gleich darauf erklärt er jedoch, er liebe es, wenn eine Frau kämpfe: »Makes the prize all the more enjoyable.« Dann zückt er ein großes Messer und befiehlt: »You will obey me! Take off your clothes! You hear me, woman.« Devon als Repräsentantin der Vereinigten Staaten und der dort lebenden freien Frauen denkt jedoch auch angesichts dieser Drohung nicht daran, sich zu unterwerfen. »Go fuck your camel!«, schleudert sie dem Araber entgegen und setzt sich verbissen zur Wehr, unterliegt aber schließlich der überlegenen Kraft des muslimischen Angreifers. Als er sie auf das Bett drückt, erfolgt ein Schnitt in das Innere der Kirche, wo eine der gefangenen Nonnen angesichts der Schreie Devons mitfühlend »God help her!« flüstert. In ähnlicher Weise, wie hier Terrorismus, muslimische Gewalt gegen Christen und Gewalt gegen Frauen verschmolzen werden, geschieht dies auch in Ministry of Vengeance, wo die Mission, in der Miller unterkommt, zwei sehr unterschiedliche Frauen beherbergt: Zarah, die zum Christentum konvertiert ist, verkörpert hier dessen 317 Vermutlich gründet die scharfe Kritik eines arabischstämmigen Professors der UCLA an dem Film, die in ihrer Einseitigkeit freilich überzogen wirkt, nicht zuletzt hierin; siehe »Film on Crusades Could Become Hollywood’s Next Battleground«, in: NYT 12.08.2004. 318 Vgl. dagegen Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, 764. Martin Hoch, »Falken, Tauben und der Elefant Gottes: Hattin, 4. Juli 1187«, in: Stig Förster u.a. (Hg.), Schlachten der Weltgeschichte: Von Salamis bis Sinai, München 42006, 79-92, hier: 87, gibt die Stärke von Saladins Armee bei Hattin mit ca. 30.000 Soldaten an.
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befreiende Wirkung, die in ihrem selbstbewussten Auftreten, aber auch schon rein visuell in ihrer ›maskulinen‹ Arbeitskleidung mit Hosen und Stiefeln zum Ausdruck kommt. Als Gegenbild der unterdrückten Muslimin fungiert Fatima, die von den Palästinensern verstümmelt worden ist. »She was caught in public, unveiled, by zealots«, wie der Pfarrer erklärt. »They consider that a sin against Islam. God forgive them!« Fatima rächt sich später für das, was ihr angetan worden ist, indem sie Miller zu Abouds Versteck führt und zwei seiner Männer tötet, bevor sie selbst erschossen wird. Zarah wiederum wird nach der Erstürmung der Mission durch die Dschihadisten zusammen mit Miller verschleppt. Als ›Verräterin‹ wird sie von Sayid zunächst mit einem Gürtel geschlagen, dann will er sie vergewaltigen, wozu es in diesem Fall nur deshalb nicht kommt, weil ihr die Flucht gelingt. Dass die Unterdrückung der Frau ein zentraler Topos des Feindbildes Islam ist, zeigt sich auch in den Reaktionen auf 9/11 und der offiziellen Rhetorik des war on terror. Der in Harvard lehrende Geschichtsprofessor David Landes etwa hielt den Zorn der Dschihadisten über die Freiheit der Frauen im Westen für das eigentliche Motiv der Angriffe,319 und der ›Psychohistoriker‹ Lloyd deMause sah deren Ursprung ebenfalls in den gewalttätigen, frauenfeindlichen Familien der islamischen Welt, deren ›mittelalterliche‹ Erziehungspraktiken Terroristen hervorbrächten, die sich in eine »global battle […] against liberal Western values« stürzten. Als Lösung schlug er daher einen ›Erziehungs-Marshall-Plan‹ vor.320 Die amerikanische Regierung wiederum bemühte sich, ihren ›Krieg gegen den Terror‹ durch den Verweis auf das Schicksal der Frauen in Afghanistan zu rechtfertigen. »The brutal oppression of women is a central goal of the terrorists«, verkündete eine Radioansprache, die passenderweise von der First Lady, Laura Bush, gehalten wurde: »The fight against terrorism is also a fight for the rights and the dignity of women.«321 Dass diese Botschaft nicht ungehört blieb, belegt exemplarisch die folgende Aussage von General James Mattis: »You go into Afghanistan, you got guys who slap women around for five years because they didn’t wear a veil. You know, guys like that ain’t got no manhood left anyway. So it’s a hell of a lot of fun to shoot them.«322 Gerade die Unterdrückung der Frauen durch die Islamisten ermöglichte es also, den war on terror als zivilisatorische Mission und notwendigen Kampf für die 319 Vgl. Abrahamian, »Huntington«, 533. 320 Lloyd deMause, The Emotional Life of Nations, New York/London 2002, 39-45, Zitat ebenda, 45. Dass eigene Erfahrungen mit Gewalt in der Kindheit das gewalttätige Verhalten von Erwachsenen befördern, ist durchaus schlüssig. Typisch für das Feindbilddenken sind in deMauses Ausführungen allerdings die Ausklammerung politischer Motive und die undifferenzierte Gegenüberstellung von Westen und islamischer Welt. Tatsächlich hat zum Beispiel der Kriminalpsychologe Christian Pfeiffer einen Zusammenhang zwischen repressiven Erziehungsmethoden in den USA, wo das Schlagen von Kindern noch große Akzeptanz genießt, einerseits und verbreiteten rassistischen Einstellungen sowie der außergewöhnlich hohen Zahlen von Inhaftierten andererseits hergestellt; »Welche Strafe muss sein?«, in: SZ 11.08.2015. 321 Laura Bush, »The Taliban’s War Against Women: Radio Address to the Nation, Crawford Texas, November 17, 2001«, http://www.state.gov/g/drl/rls/rm/2001/6206.htm (05.08. 2007). 322 Zitiert nach »Marine General Is Told To Speak ›More Carefully‹ «, in: WP 04.02.2005.
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Freiheit zu betrachten, zumal das hehre Ziel der Emanzipation auch von Kritikern des militärischen Vorgehens kaum in Frage gestellt werden konnte.323 Wenn Laura Bush mahnte, »[that] in Afghanistan, we see the world the terrorists would like to impose on the rest of us«,324 klang zudem an, dass der Umgang mit Frauen als besonders entlarvend für ein grundsätzlich totalitäres System verstanden werden sollte. Das beste Beispiel für diese Sichtweise ist Not Without My Daughter (1991), die Verfilmung des gleichnamigen autobiographischen Bestsellers von Betty Mahmoody,325 die im Film von Sally Field gespielt wird. Im August 1984 reist die Amerikanerin mit ihrem Ehemann Moody (eigentlich Sayyed Bozorg Mahmoody, gespielt von Alfred Molina) und ihrer vierjährigen Tochter Mahtob nach Teheran, um Moodys Familie zu besuchen. Als die dafür veranschlagten zwei Wochen abgelaufen sind, eröffnet ihr Mann ihr völlig überraschend, dass keine Rückkehr in die Vereinigten Staaten vorgesehen ist. Betty muss feststellen, dass sie im postrevolutionären Iran als Frau nahezu keine Rechte besitzt und der Willkür ihres zunehmend tyrannischen und gewalttätigen Mannes ausgeliefert ist. Eine Ausreise wäre nur unter Zurücklassung ihrer Tochter möglich, was für Betty nicht in Frage kommt. Sie unterwirft sich daher zum Schein den Gegebenheiten, bis sie Anfang 1986 mit der Hilfe einiger Einheimischer eine waghalsige Flucht ins Werk setzen kann. Jane Campbell hat Not Without My Daughter in ihrer Studie zur Darstellung von Iranern auf der Leinwand wegen seines »quasi-feminist, quasi-factual approach« als »most dangerous« bezeichnet.326 Zweifellos verleiht der Nimbus der Authentizität dieser Leidensgeschichte und den darin enthaltenen Aussagen eine besonders starke Wirkung, sowohl in der literarischen Form als auch im Film, der mit der Einblendung »Based on a true story« beginnt. Zur Zeit des Kuwaitkrieges in die Kinos gekommen, war Not Without My Daughter überaus geeignet, das ohnehin präsente Bild von der islamischen Welt im Allgemeinen und dem Iran im Besonderen als Feind der USA zu verstärken. Dies gilt umso mehr, als die Geschichte an ein zentrales amerikanisches Trauma anknüpfen kann, erscheint sie doch als Wiederholung der knapp ein Jahrzehnt zurückliegenden Geiselkrise im Miniaturmaßstab – »We’re being held hostage«, erklärt Betty in der Tat in der Schweizer Botschaft. Bewohner und Kultur des Iran werden im Film von Beginn an als zutiefst fremdartig und bedrohlich dargestellt: Schon bei der Ankunft am Flughafen tritt Moodys Familie als unüberschaubare Menschenmenge in Erscheinung, deren Freudenlaute an das Geheul von Indianern erinnern. Auch der drohende Verlust des Kindes wird hier bereits angedeutet, wenn Moodys ältere Schwester Ameh Bozorg die kleine Mathob 323 Auch in Deutschland wurde der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan oft mit der Verbesserung der Situation für Frauen und Mädchen begründet; siehe z.B. das von der CDU veröffentlichte Papier »Ist der Einsatz der Bundeswehr friedensethisch gerechtfertigt?«, 2, https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/100129-argupapier-begruendung-afgheinsatz.pdf?file=1 (12.02.2016). 324 Bush, »The Taliban’s War Against Women«. 325 Betty Mahmoody mit William Hoffer, Not Without My Daughter, London 1989. Im Folgenden beziehe ich mich mit ›Betty‹ stets auf die Filmfigur und mit dem Titel, falls nicht anders gekennzeichnet, auf den Film. 326 Campbell, »Portrayal of Iranians«, 181. Zur Bedeutung des Buches für die Wahrnehmung des Iran siehe Beeman, »Great Satan«, 148f.
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unter Bettys verwunderten Blicken wegträgt. Die Verstörung wächst noch bei der Ankunft am Haus von Moodys Verwandten, vor dessen Tür zu Ehren der Gäste ein Schaf geschächtet wird, was nicht nur Mahtob entsetzt und deutlich macht, mit was für einer barbarischen Kultur die Amerikaner es zu tun haben. Die Unterhaltungen der Iraner in Farsi wirken zudem stets unangenehm laut und heftig,327 und da sie nie untertitelt sind, überträgt sich Bettys Hilflosigkeit und Bedrückung auf den Zuschauer. Hier zeigt sich bereits die Strategie des Films, nicht etwa Verständnis, sondern im Gegenteil Unverständnis für alles Iranische zu erzeugen, das dann zu Verachtung und Ablehnung wird.328 Betty verbalisiert diese Gefühle, als Moody seine wahren Absichten enthüllt: »This is a backward, primitive country. I won’t live here. I won’t bring up my daughter here. How can you even consider raising Mathob here?« Ihre Haltung erscheint angesichts des Porträts, das der Film vom Iran zeichnet, allzu nachvollziehbar und wird später sogar von Moody selbst untermauert, als er sich darüber echauffiert, dass er als Arzt keine Stelle erhält, weil er in den USA ausgebildet worden ist: »Hard to believe this country was getting quite sophisticated before the revolution. I mean, we were building chemical plants, oil refineries, multi-million dollar installations. Now what’s happened? They’re all rotting in the desert because nobody knows how to operate them! It’s all so primitive!« Indem dieses vernichtende Urteil von einem Iraner, der seine Kultur und sein Land in anderen Szenen vehement verteidigt, gefällt wird, erhält es umso mehr Überzeugungskraft. Bemerkenswerterweise verifiziert Moody damit im Wesentlichen auch die Ansichten seiner amerikanischen Kollegen. Erscheinen diese in einer Szene vor der Reise nach Teheran noch als rassistische Vorurteile, die Mitgefühl für Moody erzeugen, entpuppen sie sich nun als harsch formuliert, aber im Wesentlichen zutreffend: »The Iranians have prayed themselves right back into the stone age.« Durch die verheerenden Folgen, die der islamischen Revolution attestiert werden, wird zugleich das Regime des Shahs legitimiert, der scheinbar dabei war, das Land in eine strahlende Zukunft zu führen. Damit wird nachträglich auch dessen Unterstützung durch die USA gerechtfertigt, die auf diese Weise als im besten Interesse der iranischen Bevölkerung, insbesondere der Frauen, präsentiert wird. Die brutale Gewalt der Diktatur329 findet dagegen keine Erwähnung und Repression nur insofern, als sie die Unterdrückung des barbarisch wirkenden Islam betrifft und somit als notwendig für die Zivilisierung des Landes verstanden werden muss. Sowohl in den Dialogen als auch durch die Soundgestaltung und die Bilder wird der Iran durchgehend negativ charakterisiert. Das Land und seine Hauptstadt Teheran sind in Not Without My Daughter laut, schmutzig, steinig, staubig und grau, bevölkert von fanatischen Anhängern einer gefährlichen Religion – »the armpit of the uni-
327 Eben so beschreibt Mahmoody sie auch in ihrem Buch (Not Without My Daughter, 29): »To a westerner, a normal Iranian conversation appears to be a heated argument, filled with shrill chatter and expansive gestures, all puctuated with ›Ensha Allah.‹ « 328 Vgl. hierzu auch Budd, Culture Meets Culture, 148; Gregg, International Relations, 218. 329 Siehe dazu Buhite, Lives at Risk, 167; Green, »Terrorism and Politics«, 566-9; Gronke, Geschichte Irans, 109.
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verse«, wie Rita Kempley in der Washington Post treffend feststellte.330 Dies wirkt umso eindrücklicher durch den Kontrast zu den ersten Szenen, die noch in Amerika spielen: Hier liegt das schöne Haus der Mahmoodys inmitten grüner Natur an einem Fluss, und die harmonische Musik unterstreicht das Idyll noch. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Szene, in der Bettys Fluchthelfer Houssein ihr den Garten seines Hauses zeigt und dazu erklärt: »I wish you could have seen this in the summer. All the flowers have gone now of course. Gardens have always had a special place in Persia. Throughout our history. In fact, the word ›paradise‹ is a Persian word. It’s hard to believe that the idea of paradise will always be intimately connected with Iran. Whenever I think of what’s happening to my country, I try to remember its gardens.«
Hier wird deutlich, dass es bei der Gegenüberstellung des grünen Amerikas und des grauen Iran nicht nur oberflächlich um Schönheit und Hässlichkeit geht, sondern dass dies symbolisch zu verstehen ist: Die islamische Revolution wird nicht nur zum Zivilisationsbruch, sondern zum Sündenfall erklärt, auf den zwangsläufig die Vertreibung aus dem Garten Eden erfolgt ist. Wenn Betty am Schluss des Films das Sternenbanner der amerikanischen Botschaft in Ankara zwischen grünen Bäumen auftauchen sieht, signalisiert dies passend dazu ihre Rückkehr ins Paradies. Für diese Rückkehr betet sie zu Beginn ihrer Gefangenschaft zusammen mit Mahtob: »Dear Lord, hear our prayer! Please help us leave Iran and get back to America!« Mutter und Kind sehen sich währenddessen in die Augen und Bettys Hände umfassen die ihrer Tochter. Die Kamera fährt dabei immer näher an die beiden heran, bis nur noch ihre Gesichter in Großaufnahme zu sehen sind. Diese Inszenierung des christlichen Gebetes findet wiederum ihr negatives Gegenstück im islamischen Ritualgebet, das Betty zum ersten Mal direkt nach ihrer Ankunft vom Dach des Hauses aus beobachtet: Dieses wird von einer großen Zahl Männer auf einem öffentlichen Platz vollzogen. Die von allen gleichzeitig ausgeführten Bewegungen331 vermitteln dabei einen fremdbestimmten, maschinenhaften Eindruck, der durch die Kameraeinstellungen, die keine Individuen hervorheben, sondern die Masse und Uniformität betonen, noch verstärkt wird. Auch spätere Aufnahmen zeigen das islamische Gebet als einen unpersönlichen Vorgang, der selbst innerhalb der Familie einen quasiöffentlichen Charakter hat und keine Ähnlichkeit mit der individuellen Hinwendung der Christen zu ihrem Gott aufweist. So gut wie nie sieht man in Filmen Muslime für sich allein ein Gebet sprechen, das persönlicher Natur und verständlich wäre, so wie das von Betty und Mahtob. Wenn dies doch einmal geschieht, so wie in House of Sand and Fog (2003), in dem ein Exiliraner für das Leben seines angeschossenen Sohnes betet, ist dies für den Zuschauer geradezu eine Überraschung, weil es einen auffälligen Bruch mit den Sehgewohnheiten darstellt. Ungeachtet der Tatsache, dass auch das Christentum Massen330 » › Without My Daughter‹: Ham-Fisted Thriller«, in: WP 11.01.1991. Kempley begann ihre Rezension mit der Bemerkung: »Not that it’s inflammatory or anything, but ›Not Without My Daughter‹ makes you want to set off for Iran with an atomic rolling pin.« 331 Das Ritualgebet besteht nicht aus einem Text, sondern aus einer Abfolge von Körperhaltungen; siehe dazu Halm, Islam, 61f.
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rituale im Gottesdienst kennt, wird das islamische Gebet so zum Sinnbild für das totalitäre Wesen dieser Religion, deren Anhänger in den entsprechenden Szenen als Fanatiker ohne eigenen Willen erscheinen. In dieser Weise werden zum Beispiel auch in The Four Feathers das individuelle Gebet eines britischen Offiziers und das Ritualgebet der Anhänger des Mahdi vor der Schlacht miteinander kontrastiert. Die gleichförmigen Bewegungen einer großen Zahl betender Muslime signalisieren nicht anders als Aufmärsche von Nazis, die im Chor »Sieg Heil!« brüllen, die Versklavung des Einzelnen durch ein System der Unfreiheit. Offenkundig wird diese durch das Verhalten Moodys in Teheran. Erscheint er zu Beginn als liebevoller Familienvater, so zeigt er im Iran schon nach kurzer Zeit ein ganz anderes Gesicht. Obwohl er 20 Jahre in den USA gelebt hat und seiner Tochter anfangs noch versichert, er sei »as American as apple pie«, entpuppt er sich im Laufe des Films als Repräsentant einer fremden (Un-)Kultur, die keinen Respekt vor Menschen- und insbesondere vor Frauenrechten kennt, sondern einzig ihren Unterwerfung fordernden religiösen Gesetzen gehorcht. Gleichzeitig gestattet sie Moody sogar, einen Meineid auf den Koran zu schwören, um so seine Frau nach Teheran zu locken. Da dies offensichtlich mit Absicht geschieht, kann man im Grunde gar nicht wirklich von einer Wandlung Moodys sprechen, vielmehr scheint sein Verhalten in Amerika eine Maske der Zivilisation zu sein, die er in seiner Heimat fallen lässt. Bettys Widerstand gegen ihre Entrechtung beantwortet er damit, dass er sie verprügelt, einsperrt, zeitweilig von ihrer Tochter trennt und ihr sogar mit Mord droht. Solche Gewalt gegen Frauen wird in Not Without My Daughter als integraler Bestandteil der islamischen Kultur dargestellt. Eine Relativierung dieser Perspektive findet im Grunde nur in einer einzigen Szene statt: Ein Onkel Moodys, der als Mullah und Autor mehrerer Bücher über den Islam, also durchaus als Autorität im Hinblick auf die Religion, vorgestellt wird, wundert sich während eines Abendessens, dass Betty im Haus den Tschador trägt. Er erklärt, dies sei unnötig, das Gewand sei eine persische Tradition: »It is exaggerated with some people now.« Diese einzelne Stimme in einer kurzen Szene verändert allerdings das Gesamtbild, das der Film zeichnet, nicht, zumal sie nur einen Aspekt jener Unterdrückung in Frage stellt, die dem Zuschauer immer wieder vor Augen geführt wird. Neben Betty wird eine weitere mit einem Iraner verheiratete Amerikanerin, Ellen, als Opfer ihres Ehemannes gezeigt, vor dem sie sichtlich in Furcht lebt. Ihre Bekundungen, froh zu sein, dass ihre Kinder als Muslime aufwüchsen, sind leicht als eine Form von Selbstbetrug durchschaubar. Bezeichnenderweise antwortet sie auf Bettys Frage nach ihrer Konversion wenig überzeugend mit »Well, I wanted to, I guess.« Tatsächlich wird deutlich, dass auch sie nur deshalb im Land ist, um nicht von ihren Kindern getrennt zu werden. Schon dass sie sich, trotz ihrer Angst, bereit erklärt, für Betty einen Brief aufzugeben, trägt ihr, als ihr Mann dies erfährt, offensichtlich brutale Schläge ein, von denen ihr geschundenes Gesicht zeugt. Ihre Behauptung »Islam has such beauty in it« klingt angesichts dessen wie purer Hohn. Zu sehen ist im gesamten Film von dieser Schönheit jedenfalls nichts. Stattdessen ist es auffällig, dass die positiven iranischen Charaktere, das heißt Bettys Fluchthelfer, nicht nur dezidiert westlich orientiert sind, sondern keinerlei Zeichen von Religiosität zeigen. Offenbar ist es zwar tatsächlich, wie Moody seiner von einem anderen Mädchen verunsicherten Tochter in den Vereinigten Staaten erklärt hat, möglich, Iraner zu sein, ohne
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Amerika zu hassen, es ist aber nicht möglich, ein frommer Muslim und zugleich ein guter Mensch zu sein. Die Unmenschlichkeit der islamischen Republik Iran wird nicht zuletzt durch den Umgang mit Kindern illustriert. Mahtob erhält nicht nur ebenfalls Schläge von ihrem Vater, Houssein malt Betty und dem Zuschauer auch in den düstersten Farben aus, welches Schicksal ihr droht, sollte ihre Mutter sie zurücklassen: »Look, there are some people in this country that consider a girl ready for marriage at nine years of age. Child brides are not unkown.« Kurz danach beobachten Betty und Houssein, wie spielende Kinder von Revolutionswächtern eingesammelt werden, und der Fluchthelfer erläutert, dass diese – ausgestattet mit einem Plastikschlüssel, der ihnen das Tor zum Paradies öffnen soll – in Minenfelder geschickt werden, um so den Weg für Angriffe auf die irakischen Stellungen zu bahnen. Tatsächlich setzte der Iran im Golfkrieg Kinder in Offensiven ein, »seemingly oblivious to the carnage«, wie das Magazin Time schon damals schockiert kommentierte.332 Der zitierte Artikel thematisierte allerdings auch die nicht weniger entsetzliche Kriegführung des Irak, unter anderem mit Giftgas. Not Without My Daughter ignoriert diese Seite des Golfkrieges dagegen ebenso wie die Tatsache, dass dieser nicht vom Iran begonnen wurde. Moodys in einer anderen Szene geäußerter Vorwurf, dass die USA den Irak unterstützten, musste weniger gut informierten Zuschauern zu der Zeit, als der Film im Kino lief, angesichts des Kuwaitkrieges unglaubwürdig erscheinen, zumal aus dem Mund dieser Figur. Davon abgesehen ist der in Not Without My Daughter vermittelte Eindruck vom Iran durchaus dazu angetan, solche Unterstützung – so wie die des Shahs – zu legitimieren, da sie der Bekämpfung eines fanatischen Regimes diente. Der Golfkrieg ist für diesen Film jedenfalls nur insoweit von Interesse, als sich dadurch der barbarische Charakter des islamischen Staates belegen lässt.333 Bettys Flucht ist denn auch dezidiert nicht nur eine vor ihrem Ehemann, sondern vor dem totalitären System des Iran. Das wird durch die Montage verdeutlicht, die Aufnahmen davon, wie Betty mit Mahtob durch die Straßen Teherans rennt, mit dem Propagandaprogramm im Fernsehen gegenschneidet, das Ameh Bozorg sich verzückt ansieht und das den Koran küssende Soldaten, Khomeini und eine begeisternd jubelnde Menschenmenge zeigt. Dies ist die eigentliche Bedrohung, vor der Betty sich und ihre Tochter retten muss. Nun ist unbestreitbar, dass sich die Situation von Frauen im Iran nach der islamischen Revolution verschlechterte.334 Es steht auch außer Frage, dass es in der islamischen Welt um die Frauenrechte generell schlecht, in manchen Ländern sogar katastrophal bestellt ist; und dass der Islam häufig dazu dient, die Missachtung von Menschenrechten sowie Unterdrückung und grausame Praktiken als angeblich göttliches Gebot zu legitimieren.335 Darauf weisen gerade Frauen, die selbst aus diesen Ländern 332 »Clouds of Desperation«, in: Time 19.03.1984. Vgl. Slavin, Bitter Friends, 86f. 333 In diesem Sinne verweist z.B. auch Podhoretz, World War IV, 3f, als Ausweis der Gefährlichkeit und Unabschreckbarkeit des Mullah-Regimes auf die iranische Kriegführung. 334 Vgl. Gronke, Geschichte Irans, 116f; Rohe, Das islamische Recht, 71. 335 Vgl. Lueg, »Feindbild Islam«, 33f; siehe zu Menschen- und speziell Frauenrechten in der islamischen Welt ausführlich Rohe, Das islamische Recht, 62-71 u. 83-9. Juergensmeyer, Global Rebellion, 223-43, erörtert die grundsätzlichen Probleme, Demokratie, Minderhei-
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stammen, immer wieder in aller Deutlichkeit hin. »Die Frau ist in Marokko kein selbstständiges Wesen, sie ist Eigentum«, schreibt etwa die Journalistin Hasna El Maroudi,336 und die Wissenschaftlerin Miral al-Tahawy stellt fest: »Der Körper der arabischen Frau ist in der von Männern dominierten Gesellschaft allen Arten von Unterdrückung unterworfen: Er ist anfällig für Vergewaltigung, Beschneidung, für Entehrung, Entblößung. Diese Unterdrückung wurde mit dem Anstieg konservativer religiöser Gruppen und dem Einfluss auf den religiösen Diskurs noch verstärkt.« Sie betont auch, dass man die Verstöße gegen den Körper der Frau im Mittleren Osten nicht von der salafistischen Rechtsprechung trennen könne, die den Frauenkörper nicht nur abwerte, sondern kriminalisiere.337 Zu kritisieren ist daher selbstverständlich nicht, dass Filme diese Missstände zum Thema machen, sondern die Art und Weise, in der dies geschieht, wenn nämlich die islamische Welt als das grundsätzlich ›Andere‹ einem idealisierten Westen gegenübergestellt und so ein rassistisches Überlegenheitsgefühl gepflegt wird.338 Wie etwa die Verhältnisse im Iran auf differenzierte und gerade dadurch umso eindrücklichere Art und Weise kritisiert werden können, illustriert Persepolis (2007), die Verfilmung einer autobiographischen graphic novel der in Frankreich lebenden Exiliranerin Marjane Satrapi, die hier auch selbst Regie führte. Im Vergleich mit dieser Innenperspektive, die auch die vom Westen gestützte Diktatur des Shahs vor der islamischen Revolution nicht verklärt, wird die Problematik von Mahmoodys herablassender Außensicht und deren filmischer Umsetzung überdeutlich. Ignoriert wird bei solchen Gegenüberstellungen von Orient und Okzident, wie Not Without My Daughter sie vornimmt, nicht zuletzt, dass das Frauenbild des Islam zwar aus moderner Sicht äußerst problematisch ist, dass dies aber auch für dasjenige von Judentum und Christentum gilt. Tatsächlich sind die monotheistischen Religionen ja eng miteinander verwandt, und sie spiegeln alle die strikt patriarchalische Ordnung der Gesellschaften wider, in denen sie entstanden sind. Dass in der westlichen Welt Frauen heute einen besseren Stand haben, ist nicht etwa eine Folge von deren ›jüdisch-christlicher‹ Prägung, sondern von historischen Prozessen, zu denen ten- und Menschenrechte mit den Vorstellungen religiöser Aktivisten jeglicher Provenienz in Einklang zu bringen, wobei deren Beharren auf einer als für jeden bindend betrachteten göttlichen Wahrheit von zentraler Bedeutung ist. 336 »Die Frau ist Eigentum«, Spiegel Online 02.03.2016 (http://www.spiegel.de/kultur/gesell schaft/marokko-die-frau-ist-kein-selbststaendiges-wesen-a-1076170.html, 24.03.2016). 337 »Der Frauenkörper ist das Ziel eines Klassenkampfes«, Spiegel Online 15.02.2016 (http:// www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/frauenrechte-und-islam-sexuelle-gewalt-als-symbolder-krise-a-1075021.html, 24.03.2016); al-Tahawy argumentiert in diesem Text, dass die sexuellen Attacken in der Silvesternacht 2015 so wie die auf dem Tahrir-Platz in Kairo nicht zuletzt eine soziale Dimension haben. 338 Vgl. hierzu wiederum El Maroudi in »Die Frau ist Eigentum«: »Die Emanzipation der Frau in der islamischen Welt ist ein empfindliches Thema, mit dem wir nicht leichtfertig umspringen dürfen. Nicht zuletzt, weil das Thema mit spielender Leichtigkeit durch die extreme Rechte gekapert wird als angebliche Untermauerung ihrer Auffassungen. […] Dabei gilt aber: Hass wird nicht durch noch mehr Hass gelöst, Konservatismus ist nicht durch noch mehr Konservatismus zu lösen. Für Sexismus ist Rassismus nicht die Lösung.«
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nicht zuletzt die Zurückdrängung religiöser Einflüsse in Staat und öffentlichem Leben gehört. Tatsächlich stimmen strenggläubige Christen, wie sie im rechten politischen Spektrum der Vereinigten Staaten eine wichtige Rolle spielen, gerade in ihren Ansichten zu Familie und Ehe häufig mit Islamisten überein, etwa bei der strikten Ablehnung von Homosexualität und Abtreibung. Eben deshalb rief Anwar Awlaki, der später als al-Qaida-Führungsfigur im Jemen von der US-Regierung ermordet wurde, bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2000, damals noch als Imam einer Gemeinde, die amerikanischen Muslime dazu auf, für George W. Bush zu stimmen.339 Gerade der Kampf gegen Abtreibung, der von militanten Aktivisten in den USA zum Teil mit Gewalt geführt wird, ist, auch wenn er mit dem Schutz ungeborenen Lebens begründet wird, allzu oft ein Kampf um die Kontrolle des weiblichen Körpers.340 Dass die Universität Oxford, die wohl als Leuchtturm einer fortschrittlichen abendländischen Kultur gelten muss, sich erst in jüngster Vergangenheit gezwungen sah, männlichen Studenten speziell des Rugbyteams den Besuch von Kursen zu Alltagssexismus vorzuschreiben, zeigt exemplarisch, dass auch jenseits religiöser Kreise oft noch ein hierarchisches Geschlechterbild gepflegt wird, mit zum Teil schwerwiegenden Konsequenzen.341 Auch im säkularisierten, aufgeklärten Westen sind, wie zuletzt die #MeToo-Debatte offengelegt hat, trotz der rechtlichen Gleichstellung der Frau – die in den Vereinigten Staaten bis heute nicht in der Verfassung verankert werden konnte – Diskriminierung und sexuelle Gewalt trauriger Alltag.342 Dies betrifft nicht zuletzt das Filmgeschäft, sowohl was die Produktionsbedingungen als auch was die Inhalte angeht. Zum einen werden Frauen auch als Schauspielerinnen schlechter bezahlt als männliche Kollegen. Zum anderen zeigen Studien aus den letzten Jahren, dass es wesentlich weniger weibliche als männliche Sprechrollen in Filmen gibt und dass diese zudem nach wie vor oft stereotype Vorstellungen von den Geschlechtern bedienen,343 was auch in dieser Arbeit immer wieder deutlich geworden ist. Vor diesem Hintergrund erfüllt das Anprangern der Unterdrückung von Frauen im Islam nicht zuletzt die klassische Feindbildfunktion der Projektion: So wie Feindbilder wie das südafrikanische Apartheidregime es möglich machten, den Rassismus in der eigenen Gesellschaft zu verdrängen oder zumindest als marginal darzustellen, so erlaubt das Feindbild Islam dasselbe mit dem Sexismus.344 Beispielhaft lässt sich 339 Vgl. Jeremy Scahill, Dirty Wars: The World Is a Battlefield, London 2013, 31. u. 35. 340 Siehe dazu Blanchard/Prewitt, Religious Violence, v.a. 210f; Patterson, Restless Giant, 260f. 341 Im Vorfeld hatten Studenten unter anderem in einer Rundmail zum Einsatz von K.O.Tropfen auf einer Erstsemesterparty aufgerufen. Dazu »So nicht, Jungs!«, in: SZ 08.12. 2014. 342 Siehe dazu auch Wilson, Myth of Political Correctness, 109-35. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass Michael Medved in seiner konservativen Kampfschrift Hollywood vs. America, 122-4, Filmen, die Gewalt gegen Frauen thematisieren (darunter auch Not Without My Daughter), vorwirft, die Institution der Ehe zu verunglimpfen. 343 Vgl. z.B. »Männerphantasien«, in: SZ 25.09.2014; »Ein Trauerspiel«, in: SZ 13.11.2015. 344 Dies vermerken z.B. auch Lueg, »Feindbild Islam«, 35, u. Schulze, »Alte und neue Feindbilder«, 249f.
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dies an der Komödie Baby Boom (1987) nachweisen, in der Diane Keaton eine Frau spielt, die, indem sie gezwungen ist, sich um das Kind einer tödlich verunglückten Verwandten zu kümmern, zu der Einsicht gelangt, dass wahres Glück für eine Frau nicht in einer Karriere in der Großstadt liegen kann, sondern nur darin, auf dem Land als Ehefrau und Mutter zu leben.345 Ehe sie dies begreift, gibt es eine Szene, in der sie versucht, ein Kindermädchen einzustellen. Zu den durchweg ungeeigneten Kandidatinnen, die zugleich Schrecken und Belustigung provozieren sollen, gehört auch eine ganzkörperverschleierte Muslimin, die ihre Qualifikation folgendermaßen darlegt: »I will teach your daughter to properly respect a man. I speak only when spoken to. I do not need a bed. I prefer to sleep on the floors.« Der kurze Auftritt dieser Figur lässt die konservative Botschaft von Baby Boom hinsichtlich der richtigen Rolle einer Frau in einem besseren Licht erscheinen, indem dem Zuschauer drastisch vor Augen geführt wird, wie ›wirkliche‹ Unterdrückung von Frauen aussieht. Das Bild der verschleierten Muslimin, dessen sich der Film dazu bedient, hat in der westlichen Welt als Symbol für die unmenschliche Herrschaft des Islam ikonographischen Charakter, es transportiert die entsprechende Aussage, ohne dass weitere Erklärungen nötig wären.346 Wie das Feindbild Islam dazu dient, die traditionelle Geschlechterordnung nicht etwa zu hinterfragen, sondern zu zementieren, zeigt zudem aus ein genauerer Blick auf jene Filme, in denen Frauen von männlichen Helden vor Arabern oder Muslimen gerettet werden. »The rescue fantasy, when literalized through the rescue of a woman from a lascivious Arab, has to be seen […] as a didactic Bildungsroman addressed to women at home, perpetuating by contrast the myth of the sexual egalitarianism of the West«, wie Ella Shohat analysiert hat.347 Die Frau wird dabei im Wesentlichen auf die Rolle des passiven, hilfsbedürftigen Opfers reduziert, während der männliche Held seine Überlegenheit unter Beweis stellt.348 So kann etwa Devon in Bulletproof sich nicht erfolgreich gegen Kartiff wehren (auch wenn sie diesen am Ende mit einem Panzer überrollen darf), ihre Funktion im Film besteht vielmehr darin, McBains Heldentaten zu motivieren und sich von diesem retten zu lassen. Überdeutlich ist dieses Prinzip auch in True Lies, in dem Harry nicht nur die terroristische Bedrohung, sondern auch seine auf Abwege geratene Frau unter Kontrolle bringen muss, wobei
345 »The 100 Best Conservative Movies«, in: National Review 24.10.1994, erwähnt den Film in der Kategorie »Best Pictures Celebrating Family Life«. 346 Bezeichnenderweise ziert ein solches Bild, bei dem nur die Augen in einem schmalen Schlitz zwischen schwarzem Stoff zu sehen sind, auch meine in England gedruckte Ausgabe von Not Without My Daughter, obwohl es nicht im Iran entstanden sein kann, weil dort der Gesichtsschleier als »unislamisch« (!) verboten ist (Halm, Islam, 83). Selbst ein für den Geschichtsunterricht in der Oberstufe gedachtes Heft des Schöningh-Verlages illustriert einen Text zu den Anfängen der Islamischen Republik Iran mit einem solchen Foto (Die islamische Welt auf der Suche nach einem Platz in der Moderne (Zeiten und Menschen: Zum Thema), Braunschweig u.a. 2008, 40). 347 Ella Shohat, »Gender and Culture of Empire: Toward a Feminist Ethnography of the Cinema«, in: Bernstein/Studlar (Hg.), Visions of the East, 19-66, hier: 56. 348 Vgl. auch Rogin, »› Make My Day!‹ «, 5 1 1 .
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das eine schließlich das andere möglich macht.349 Mehrere Rezensenten kritisierten seinerzeit die misogyne Tendenz des Films,350 von der aber wiederum abgelenkt wird, indem die Dschihadisten als die eigentliche Gefahr für Frauen in Szene gesetzt werden. Passenderweise wird ihr Anführer Aziz gleich bei seinem ersten Auftritt damit eingeführt, dass er seine Komplizin Juno brutal schlägt und als »stupid, undisciplined bitch« beschimpft. An Juno kann man gleichzeitig einmal mehr sehen, wie Frauen, die sich nicht in die hergebrachte Geschlechterordnung einfügen, als ›entartet‹ und gefährlich dargestellt werden.351 Dies habe ich in Kapitel III.1.1 anhand der Figur Shakka in Nighthawks (1981) bereits detailliert erläutert und dabei darauf hingewiesen, dass auch solches Verhalten vorzugsweise auf das ›Fremde‹ projiziert wird. Araberinnen wie Shakka oder Fatima in Never Say Never Again (1983)352 sind als ›Schwarze Witwen‹ somit alles andere als ein positives Gegengewicht zum Stereotyp der unterdrückten Muslimin, sie verkörpern lediglich eine andere Seite eines Feindbildes, in dem Rassismus und Sexismus miteinander verquickt werden. Insofern ergibt auch die Zusammenarbeit von Maude mit den Dschihadisten in Death Before Dishonor Sinn, in dem – nicht weniger bezeichnend – Ellie zunächst, als sie noch für eine Helferin der Terroristen gehalten wird, vom männlichen Helden brutal behandelt werden kann, später aber als israelische Agentin die Rolle der Frau einnimmt, die von ihm vor ebendiesen Terroristen beschützt werden muss. Eine entlarvende Episode zu dieser Problematik lieferte der Feldzug gegen den ›Islamischen Staat‹ im September 2014: Die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich an den Luftangriffen auf den IS beteiligten, stellten die 35-jährige Kampfpilotin Major Mariam al-Mansuri als Symbolfigur des Kampfes moderater Muslime gegen die Extremisten in den Mittelpunkt einer PR-Offensive, griffen damit also eben den im Westen so zentralen Topos von der Unterdrückung der Frau durch Dschihadisten als Begründung für den war on terror auf. Auf dem konservativen amerikanischen Sender Fox News veranlassten diese Nachricht und die zum Ausdruck gebrachte Be349 Vgl. dazu auch Cettl, Terrorism in American Cinema, 266. Dass Harry einsieht, dass er Helen vernachlässigt hat, und diese am Ende als Agentin mit ihm zusammenarbeiten darf, gleicht nicht aus, dass er sie davor psychischer und physischer Gewalt unterwirft, um sie als vermeintlich untreue Ehefrau zu disziplinieren. Dies stellt auch nur eine geringfügige Korrektur dar, die nichts an seiner übergeordneten Stellung ändert. 350 Siehe » › True Lies‹: Reactionary Action«, in: WP 15.07.1994; »Lies, True Lies and Ballistics«, in: Time 15.08.1994. 351 Es ist überzogen, wenn Eisele, »Wild East«, 88, Juno als »primary antagonist« bezeichnet, denn diese Rolle füllt zweifelsfrei Aziz aus, der Harrys ›Endgegner‹ ist. Nichtsdestotrotz kommt ihr eine wichtige Funktion als Gegenbild zu Helen zu. Wie problematisch es für das Hollywoodkino Anfang der 1990er Jahre war, von Frauen ausgeübte Gewalt als positiv darzustellen, zeigt an einem Beispiel ein interessanter Aufsatz von Pauline MacRory, »Excusing the Violence of Hollywood Women: Music in Nikita and Point of No Return«, in: Screen 40:1 (1999), 51-65. 352 Fatima, das Gegenbild zur sanften Domino, wird von James Bond, dem Inbegriff des virilen Kinohelden, mittels eines Explosionsgeschosses so gründlich vernichtet, dass nur ihr Stöckelschuh zurückbleibt – ein charakteristisches Bild misogyner Gewaltphantasien, die gegenüber solchen Frauen realisiert werden können.
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wunderung der Sprecherin allerdings mehrere männliche Kommentatoren prompt dazu, sich über die arabische F-16-Pilotin zu amüsieren: Einer bemerkte, sie habe zwar das Bombardieren hinbekommen, die Maschine aber danach nicht einparken können, ein anderer fragte, ob man es hier mit »boobs on the ground« zu tun habe.353 Hier zeigte sich beispielhaft, welches Denken sich allzu oft tatsächlich hinter der ostentativen Empörung über die Entrechtung von Frauen im Islam verbirgt.354 Auch Not Without My Daughter geht es nicht um Emanzipation. Betty repräsentiert ein durchaus traditionelles Frauenbild, nicht nur, weil sie sich in erster Linie über ihre Mutterrolle definiert, sondern auch, weil sie in den Szenen in Amerika als typische Hausfrau aus der gehobenen Mittelschicht erscheint. Im Buch spielen Mahmoodys diesbezügliche Qualitäten eine noch erheblich größere Rolle, vergleicht sie sich doch permanent mit den Iranerinnen, die auch auf diesem Gebiet als hoffnungslos unterlegen erscheinen und weder so gut kochen können wie die Amerikanerin (und zwar gerade auch persische Gerichte) noch dazu in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß an Sauberkeit im Haushalt zu gewährleisten.355 »She suggested that seclusion in the home made Iranian women not more feminine but less so«, wie Melanie McAlister in ihrer Analyse von Mahmoodys Bericht feststellt.356 Dieser Aspekt ist in der Adaption zwar weniger präsent, der Film transportiert aber dieselbe imperiale Verachtung für die iranische Kultur und zeichnet sich durch denselben frappierenden Mangel an Solidarität mit den iranischen Frauen aus. Diese erscheinen nicht etwa als Leidensgenossinnen in einem von Männern beherrschten System der Unterdrückung, sondern vielmehr als ein Teil desselben. Die Bedrohung geht auch von ihnen aus, etwa in einer dramatisch inszenierten Konfrontation, bei der Betty auf der Straße von einer Sittenwächterin mit Kalaschnikow angegangen wird, weil ihr Haar nicht vollständig bedeckt ist. Die Filmkritik der New York Times sprach treffend von »harpylike women«,357 eine Beschreibung, die vor allem auf Bettys Schwägerin Ameh Bozorg zutrifft, die von Beginn an furchteinflößender wirkt als die meisten männlichen Charaktere. Eine Texteinblendung am Schluss bringt das Thema des Films auf den Punkt: »Many women and children are held against their will in foreign countries.« Not 353 Der britische Guardian stellte ein Video mit dem Ausschnitt online: http://www.the guardian.com/media/video/2014/sep/25/fox-news-presenter-female-pilot-isis-boobs-onthe-ground-video (24.05.2015). 354 Aufschlussreich dazu ist auch eine Untersuchung des Guardian zu beleidigenden Nutzerkommentaren zu Meinungstexten: »Although the majority of our regular opinion writers are white men, we found that those who experienced the highest levels of abuse and dismissive trolling were not. The 10 regular writers who got the most abuse were eight women (four white and four non-white) and two black men. Two of the women and one of the men were gay. And of the eight women in the »top 10«, one was Muslim and one Jewish.«; https://www.theguardian.com/technology/2016/apr/12/the-dark-side-of-guardiancomments (24.05.2016). 355 Siehe beispielhaft Mahmoody, Not Without My Daughter, 32: »The biggest surprise came when Moody boasted to me that Ameh Bozorg had cleaned the house completely in honor of our arrival. I wondered what the house was like when it was dirty.« 356 McAlister, Epic Encounters, 232. Hervorhebung im Original. 357 »Sally Field, Fervently«, in: NYT 11.01.1991.
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Without My Daughter ist es somit nicht um eine Befreiung der iranischen Frauen aus einem repressiven System zu tun, es geht ihm einzig und allein um die Befreiung der in diesem System gefangenen Amerikanerinnen.358 Dies unterscheidet den Film denn auch maßgeblich von den Geschichten über Fluchten aus dem Ostblock, die während des Kalten Krieges entstanden. Wurden in jenen die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang als die Opfer der totalitären sozialistischen Staaten gezeigt und ihre Gemeinsamkeiten mit Amerikanern hervorgehoben, betont Not Without My Daughter fortwährend die völlige Andersartigkeit der in ihrer islamischen Kultur verwurzelten Iraner, unter denen nur Bettys westlich orientierte Fluchthelfer positiv hervorragen, die als ausgesprochene Ausnahmen in einem Volk von Fanatikern präsentiert werden. Der Kern des Films ist nicht die Unterdrückung von Frauen in einem islamisch geprägten Land, es handelt sich vielmehr um eine klassische captivity narrative:359 Die weiße, christliche Amerikanerin gerät in die Hände dämonischer Willder, durchlebt ein Martyrium, hält aber an ihrem Glauben fest und wird am Ende erlöst. Daran wird deutlich, dass es sich bei dem Kampf gegen den Islam gemäß diesem Feindbild nicht wirklich um einen clash of civilizations im Wortsinn handelt, sondern eher um einen Kampf zwischen Zivilisation und Wilden, einen savage war.
3.5 »WASTE THE MOTHERFUCKERS!«: SAVAGE WAR UND DIE RECHTFERTIGUNG VON VERBRECHEN Wenn der Produzent Menahem Golan in einem Interview erklärte, dass seine Actionfilme nach dem Vorbild von Western modelliert seien,360 sprach er etwas aus, was beim Betrachten nicht nur seines Werks offensichtlich ist. Das Muster der captivity narrative spielt dabei eine zentrale Rolle, gerade in den Terrorismusfilmen, was insofern naheliegend ist, als die Geiselnahme zu den Urszenen der terroristischen Bedrohung gehört, die sich besonders leicht nach diesem Schema erzählen lässt. So findet es sich in True Lies (1994) gleich in dreifacher Form: Zunächst werden Harry und Helen von den Terroristen gefangen genommen, können sich aber befreien, als diese gerade damit beginnen wollen, sie zu foltern. Helen fällt den Bösewichten aber gleich wieder in die Hände und muss gerettet werden, und kaum dass dies gelungen ist, erfährt Harry, dass Aziz mittlerweile seine Tochter Dana entführt hat, und muss schlussendlich zu deren Befreiung aufbrechen.361 Der Film beutet dabei exzessiv ein auch in anderen Genres immer wiederkehrendes Motiv aus: die Bedrohung einer – meist weißen und oft blonden – Frau durch einen Araber oder einen Muslim, der dabei oftmals mit einem Messer bewaffnet ist,
358 Diese Problematik war auch schon bei dem in Kap. II.3.3 analysierten Red Corner (1997) zu sehen, ist hier aber noch deutlich ausgeprägter. 359 Eine solche, nur mit einem männlichen Protagonisten, erzählt auch der Fernsehfilm Escape: Human Cargo (1998), in dem ein amerikanischer Geschäftsmann in Saudi-Arabien festgehalten wird. Der Film spielt 1977 und erhebt ebenfalls den Anspruch, auf einer wahren Geschichte zu basieren. 360 Vgl. Gibson, Warrior Dreams, 28. 361 Ein offensichtlicher Rückgriff auf das Westernmodell findet sich zudem in der Szene, in der Harry Aziz hoch zu Ross durch die Stadt verfolgt.
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seinem Opfer aber auch eine Pistole an den Kopf halten, sie fesseln und auspeitschen oder mit bloßen Händen gewalttätig werden kann. Entsprechende Szenen finden sich beispielsweise in Raiders of the Lost Ark (1981), Into the Night (1985), Jewel of the Nile (1985), The Delta Force (1986), Death Before Dishonor (1987), Bulletproof (1988), Frantic (1988), Ministry of Vengeance (1989), American Ninja 4 (1990), Delta Force 3 (1991)362, The Pelican Brief (1993), Executive Decision (1996)363, Ernest in the Army (1998), The Mummy (1999), Strike Zone (2000), Air Marshal (2003), Saving Jessica Lynch (2003), Sahara (2005) und Flight 93 (2006). Mit einem besonders eindrücklichen Schreckensszenario wartet Never Say Never Again (1983) auf: Nachdem Bonds Gegenspieler Largo festgestellt hat, dass seine Geliebte Domino ihn hintergangen hat, will er sie in Nordafrika als Sklavin verkaufen lassen. Halb entkleidet wird sie in einer Auktion einer Gruppe ungepflegter, bewaffneter Araber feilgeboten, deren Begierde offenkundig ist. Diese Szene, in der die schutzlose weiße und einmal mehr blonde Frau den wilden Orientalen ausgeliefert ist, die sie in Besitz nehmen wollen, setzt plakativ eine zentrale westliche Angstvorstellung ins Bild und knüpft mit dem Motiv der white slavery direkt an imperiale Erzählungen an.364 »There’s a slave trade going on with American women«, heißt es auch in Spartan (2004), in dem ausgerechnet die Tochter des US-Präsidenten arabischen Mädchenhändlern in die Hände fällt. Obwohl dieser Film von David Mamet ansonsten durchaus kritische Ansätze aufweist, greift er hier auf die bekannten stereotypen Muster zurück und bedient sich der Furcht vor der Bedrohung blonder Amerikanerinnen durch skrupellose Araber. Auch wenn es nicht immer so explizit gemacht wird wie hier, wird dabei stets die drohende Vergewaltigung der Frau als schlimmstmögliche Gefahr beschworen, die Sorge um ihre sexuelle Unversehrtheit steht im Zentrum der Befürchtungen – so wie es auch für Ronald Reagan die drängendste Frage zu den aus dem Iran zurückgekehrten Geiseln war, ob die »ladies« missbraucht worden seien.365 Die Rettung der Frau vor dieser Bedrohung dient dann wiederum als ultimative Rechtfertigung für die Ausübung imperialer Macht und die Anwendung von Gewalt, wobei zugleich, wie oben schon bemerkt, die traditionelle Geschlechterordnung bestätigt wird.366 Neben der captivity narrative ist das last-stand-Szenario, das westliche Truppen in einem heroischen, aber aussichtlosen Kampf gegen Scharen unzivilisierter Angreifer zeigt, ein weiteres Motiv des savage war, das in den Filmen wiederholt aufgegriffen wird. Das ist vor allem in zur Kolonialzeit spielenden Produktionen wie The Mummy, Legionnaire (1998) und The Four Feathers (2002) der Fall, ist aber zum Beispiel auch für Black Hawk Down (2001) prägend. 362 Auch in diesem Film taucht das Motiv gleich mehrfach auf, einmal mit der russischen Agentin Irenia und einmal mit der amerikanischen TV-Produzentin. 363 Mit der von Halle Berry gespielten Stewardess ist die im Mittelpunkt stehende Frau in diesem Fall zur Abwechslung einmal schwarz. Das erste Opfer der Terroristen bei der Kaperung des Flugzeugs ist aber eine ihrer Kolleginnen, wiederum eine blonde Weiße. 364 Dazu Paul Michel Baepler (Hg.), White Slaves, African Masters: An Anthology of American Barbary Captivity Narratives, Chicago 1999. 365 Martin/Walcott, Best Laid Plans, 48. 366 Zum Muster der rape and rescue fantasy vgl. ausführlich Shohat, »Gender and Culture of Empire«, 41-5; Shohat/Stam, Unthinking Eurocentrism, 156-61.
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Aber nicht nur Filme greifen auf diese Muster zurück. Interessant ist beispielsweise die Wiederbelebung des yellow ribbon während der Geiselkrise mit dem Iran, eines Symbols der Verbundenheit mit der US-Kavallerie, das im 20. Jahrhundert nicht zuletzt durch John Fords Western She Wore a Yellow Ribbon (1949) wieder bekannt gemacht wurde. Im Kuwaitkrieg fanden die gelben Bänder dann wiederum weite Verbreitung als Ausdruck von Solidarität mit den amerikanischen Truppen.367 Auch wenn dies im Einzelnen keineswegs eine Befürwortung des Krieges bedeuten musste, muss doch festgestellt werden, dass das yellow ribbon bei aller Ambivalenz in seiner Verwendung aus den Indianerkriegen stammt und somit zumindest auf einer Bedeutungsebene, ob jeweils bewusst intendiert oder nicht, die aktuellen Konflikte in die Tradition eines Kampfes zwischen Zivilisation und Wilden stellte. In diesem Sinne wurde Saddam Hussein während des Kuwaitkrieges beispielsweise auch in Karikaturen häufig als Barbar dargestellt.368 Da Terrorismus prinzipiell als »an attack on all Western civilization by uncivilized barbarians« gesehen wird, wie Reagan 1985 exemplarisch formulierte,369 kann er quasi als die natürliche Kampfweise der nicht zur zivilisierten Welt gezählten Araber, Perser und Muslime gelten. Im Umkehrschluss gerät der war on terror damit zwangsläufig zum savage war, was in der Rhetorik nach dem 11. Septembers 2001 überdeutlich wurde. Präsident George W. Bush bezeichnete diese Angriffe ebenfalls als »assault not just against the United States but against civilization« und sprach immer wieder von »barbaric acts«, »barbaric behavior«, »barbaric people«, »barbarians« und »barbarism«.370 Der ›Krieg gegen den Terror‹ war in seinen Augen ein »struggle between civilization and chaos.«371 Entsprechend verurteilte etwa auch der amerikanische UN-Botschafter John D. Negroponte »[t]he barbarities of September 11« und erklärte, »[that] the division that exists is between the civilized world and terror, between the rule of law and the chaos of crime«.372 Justizminister John Ash367 Siehe hierzu George Mariscal, »In the Wake of the Gulf War: Untying the Yellow Ribbon«, in: Cultural Critique 19 (1991), 97-117; Tad Tuleja, »Closing the Circle: Yellow Ribbon and the Redemption of the Past«, in: JAC 17:1 (1994), 23-30; Lotte Larsen, »The Yellow Ribboning of America: A Gulf War Phenomenon«, in: JAC 17:1 (1994), 11-22; 368 Dazu Art/Pollock, »Limiting the Options«, 126-9. Zum Kuwaitkrieg als savage war siehe auch Rogin, »Make My Day!«, 524-9. 369 Ronald Reagan, »Remarks at the Annual Convention of the Lions Club International in Dallas, Texas, June 21, 1985«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=38804 (26.05. 2016). Vgl. hierzu auch Zulaika/Douglass, Terror and Taboo, 150f u. 156f. 370 George W. Bush, »Remarks in a Meeting With the National Security Team and an Exchange With Reporters at Camp David, Maryland, September 15th, 2001«, in: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=63199; »Remarks on the Arrival at the White House and an Exchange With Reporters, September 16th, 2001«, in: http://www.presidency. ucsb.edu/ws/?pid=63346; »Remarks to Employees at the Pentagon and an Exchange With Reporters in Arlington, Virginia, September 17th, 2001«, in: http://www.presi dency.ucsb.edu/ws/?pid=65079 (alle 27.07.2007). 371 George W. Bush, »Remarks at the American Legion National Convention in St. Louis, Missouri, August 26th, 2003«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=718 (27.07. 2007). 372 Negroponte, »Measures to Eliminate International Terrorism«.
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croft wurde noch deutlicher, er sah durch 9/11 »the line between the civil and the savage« markiert,373 so wie auch Bush die Anschläge »savage acts of terror« nannte374 und der Vorsitzende der Vereinten Stabschefs über die Terroristen urteilte: »These folks are savages[.]«375 Aus solchen Äußerungen sprach natürlich eine – angesichts des von den Terroristen verübten Massenmords verständliche – Wut auf die Täter, die ein starkes Bedürfnis nach Vergeltung nährte. »I want justice«, erklärte Bush, zweifellos im Sinne seiner Landsleute und vieler anderer Menschen, und fügte hinzu: »There’s an old poster out West, as I recall, that said: ›Wanted: Dead or Alive.‹ « 376 Solche Bezüge auf die frontier-Mythologie und speziell die beständige Beschwörung des savage war waren aber nicht nur rhetorische Figuren. Wenn Bush wiederholt betonte, dass man es mit »a new kind of enemy« zu tun habe, der sich in Schatten versteckt halte, keinen Respekt vor Menschenleben kenne und Taten begehe, die unvorstellbar grausam seien – etwa Frauen die Kehle durchzuschneiden – und keinem nachvollziehbaren Ziel dienten,377 dann klang in diesen Beschreibungen an, dass man diesem Feind nicht in gewohnter Weise begegnen könne. Tatsächlich wurde die dem Konzept des savage war inhärente Logik, dass man im Kampf gegen Wilde, die außerhalb jeder vernünftigen Ordnung agieren, gleichfalls keine Rücksicht auf die üblichen Regeln und Beschränkungen nehmen darf, dass man den teuflischen Feind vielmehr unter Einsatz extremer Mittel und auch mit seinen eigenen Waffen schlagen und vernichten muss,378 nun konsequent zur Anwendung gebracht. »Get bin Laden, find him. I want his head in a box«, instruierte in diesem Geiste Cofer Black, der Chef des Counterterrorism Center, seine Kommandotrupps vor dem Aufbruch nach Afghanistan und stellte auf Nachfrage klar, dass dies nicht metaphorisch gemeint war: »I want to take it down and show the president.«379
373 Ashcroft, »Testimony«. 374 George W. Bush, »The President’s News Conference, October 11th, 2001«, in: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=73426 (27.07.2007). 375 Zitiert nach Jonathan Rutherford, »At War«, in: Cultural Studies 19:5 (2005), 622-42, hier: 632. 376 George W. Bush, »Remarks to Employees at the Pentagon and an Exchange With Reporters in Arlington, Virginia, September 17th, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb. edu/ws/?pid=65079 (27.07.2007). 377 George W. Bush, »Remarks Following a Meeting With the National Security Team, September 12th, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=58058; »The President’s Radio Address, September 15th, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=25001; »Remarks on Arrival at the White House and an Exchange With Reporters, September 16th, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=63346; »Remarks to Employees at the Pentagon and an Exchange With Reporters in Arlington, Virginia, September 17th, 2001«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=65079 (alle 27.07. 2007). 378 Vgl. Slotkin, Gunfighter Nation, 430f. 379 Zitiert nach Woodward, Bush at War, 141; schon zuvor hatte Black gegenüber russischen Diplomaten und Geheimdienstleuten angekündigt: »We’re going to kill them […]. We’re going to put their heads on sticks.« (ebenda, 103).
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Der war on terror ging in der Folge (und geht noch immer) mit der systematischen Verletzung von Bürger- und Menschenrechten einher. Ein beispielloser Überwachungsapparat wurde aufgebaut, für den schon Kleinigkeiten genügen, um jemanden zum Verdächtigen zu machen. Gefangene aus Afghanistan und anderen Ländern, darunter auch unschuldige Opfer von Entführungen, wurden in einem speziellen Lager in dem Marinestützpunkt Guantanamo auf Kuba eingesperrt, um ihnen so den Schutz der amerikanischen Verfassung zu verwehren, oder sie verschwanden in von der CIA und dem US-Militär zum Beispiel in Osteuropa betriebenen Geheimgefängnissen völlig aus den Augen der Weltöffentlichkeit. Foltermethoden wie Schlafentzug, stundenlanges Anketten oder Einsperren in schmerzhaften Positionen, gezielte Demütigungen, Schläge und das berüchtigte waterboarding, ein Verfahren, bei dem dem Opfer das Gefühl vermittelt wird, ertrinken zu müssen, wurden praktiziert – Torturen, die manche Gefangenen nicht überlebten. Gleichzeitig wurde ein weltumspannendes Programm gezielter Tötungen ins Leben gerufen, bei dem, wie der Fall Anwar Awlaki demonstriert, selbst amerikanische Staatsbürger vom Präsidenten mittels eines Federstrichs zum Abschuss freigegeben werden können, ohne jemals offiziell eines Verbrechens angeklagt, geschweige denn von einem ordentlichen Gericht verurteilt worden zu sein. Im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan, aber auch in anderen Regionen der Welt sind Drohnenangriffe, die keineswegs nur die anvisierten Ziele treffen, zu einem alltäglichen Phänomen geworden.380 Damit erfüllte sich, was Joseba Zulaika und William Douglass aufgrund ihrer Analyse des Terrorismusdiskurses in den USA Mitte der 1990er Jahre vorausgeahnt hatten: »The possibility that the United States might resort to systematic torture is somewhat remote. Yet we suspect that, if anything, ›counterterrorism‹ has the greatest potential for legitimating such behavior.«381 Dies stützte sich auf die Erkenntnis, »[that] by charging the other with terrorist lawlessness, it allows oneself to dispense the rule of law.«382 In scharfem Gegensatz dazu steht die Darstellung in The President’s Man: A Line in the Sand (2002). Hier wird der Bin Laden-Verschnitt Rashid nach seiner Gefangennahme in Afghanistan in einem Bundesgefängnis inhaftiert, erhält sofort einen Anwalt zur Seite gestellt und bekommt (zusammen mit seinem bei dem Befreiungsversuch am Schluss festgenommenen Sohn) einen ordentlichen Prozess, der lediglich durch die Auswahl des Richters von der Regierung beeinflusst wird, was aber, da das Urteil über Schuld oder Unschuld in den Händen der Geschworenen liegt, nur von geringer Bedeutung ist. In diesem kurz vor 9/11 fertiggestellten Film entspricht der Umgang mit den Terroristen also dem mit anderen Kriminellen und folgt den Regeln des Rechtsstaates. Wesentlich realitätsnäher, in mancher Hinsicht geradezu prophetisch, wirkt daneben das Szenario von The Siege (1998), der die Überreaktion des Staates auf einen verheerenden terroristischen Angriff auf amerikanischem Boden vorhersieht: Als es 380 Zu diesen Auswüchsen des war on terror siehe ausführlich Greiner, 9/11; Scahill, Dirty Wars. Über die Erkenntnisse aus dem Abschlussbericht des Senatsausschusses, der die Behandlung von Terrorverdächtigen untersuchte, informieren »Das Grauen«, in: SZ 11.12.2014, und »Amerikas Abgrund«, in: Spiegel 15.12.2014. 381 Zulaika/Douglass, Terror and Taboo, 208. 382 Ebenda, 175.
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dem FBI zunächst nicht gelingt, die Serie von Selbstmordanschlägen in New York City zu stoppen, die Hunderte von Opfern fordert, und die Zentrale der Bundespolizei sogar selbst Ziel einer verheerenden Attacke wird, entschließt sich der (nie persönlich in Erscheinung tretende) Präsident hier schließlich zu einem radikalen Schritt und verhängt den Ausnahmezustand über die Stadt. Das Militär unter dem Kommando von General Deveraux (Bruce Willis) übernimmt daraufhin die Kontrolle und versucht, die Terroristen mit Methoden wie der Internierung muslimischer Männer und der Folterung von Verdächtigen aufzuspüren. Wie bereits dargestellt, war der Film bei seiner Veröffentlichung Gegenstand einer intensiven Kontroverse. Die Kritik war dabei zumindest zum Teil überzogen, denn man muss The Siege attestieren, dass er sich um ein ausgewogeneres, differenzierteres Porträt der Terroristen und der Muslime im Allgemeinen bemüht, als dies in den Filmen gerade jener Jahre üblich war.383 Dies beginnt schon damit, dass The Siege den Beweggründen der Terroristen mehr Aufmerksamkeit schenkt. Deren Angriff auf die Vereinigten Staaten ist hier die unmittelbare Reaktion auf die Gefangennahme ihres Anführers, Scheich Ahmed Bin Talal, durch Deveraux’ Männer im Mittleren Osten. »Release him«, lautet ihre Forderung zu Beginn der Terrorkampagne, die für den Zuschauer wesentlich klarer ist als die vagen Anschuldigungen vieler anderer Filmterroristen, für das FBI-Team um Special Agent Hubbard (Denzel Washington) allerdings lange nebulös bleibt, weil es von den inoffiziellen Alleingängen des Generals keine Ahnung hat. Die Jagd auf Terroristen wie Bin Talal ist freilich nicht Deveraux’ Agenda, wie der Stabschef des Präsidenten später erklärt, »he just pushed it a little bit.« Tatsächlich präsentiert der Film die Gefangennahme des Scheichs zunächst als rasche Vergeltung für einen diesem zugeschriebenen Anschlag auf Amerikaner im Mittleren Osten, wobei der Vorspann echte Nachrichtenbilder von Bill Clinton mit seiner Fiktion vermischt, um deren Glaubwürdigkeit zu unterstreichen.384 Bin Talal ist offensichtlich an reale Vorbilder wie Osama Bin Laden und vielleicht noch mehr Scheich Omar Abdul-Rahman, eine zentrale Figur beim ersten Anschlag auf das World Trade Center 1993, angelehnt. Während seine Gefangennahme vor dem Hintergrund früherer Attacken trotz Deveraux’ eigenmächtigen Vorgehens grundsätzlich gerechtfertigt erscheint – auch Hubbard weist die Überlegung, den Scheich freizulassen, später mit dem Satz »You don’t let a murderer go free« zurück –, stellt sich aber heraus, dass amerikanische Außenpolitik maßgeblich dazu beigetragen hat, die terroristische Gefahr für die Vereinigten Staaten hervorzubringen: Bin Talals Gruppe ist ursprünglich von der CIA unterstützt worden, um den Sturz Saddam Husseins herbeizuführen. »It’s not like we sold them out exactly, we just stopped helping them. They were slaughtered«, wie die CIA-Agentin Sharon Bridger (Anette Benning) Hubbard erklärt, worauf dieser ergänzt: »And now they’re here, doing what you taught them to do.« Man mag argumentieren, dass auch The Siege das Motiv des blowback in der Gesamtdarstellung der Terrorgefahr in einer Weise verwendet, die letztlich eher dazu 383 Vgl. in diesem Sinne auch McAlister, Epic Encounters, 260; Vanhala, Depiction of Terrorists, 273. 384 Regisseur Edward Zwick wendet hier also dasselbe Mittel an wie schon vier Jahre zuvor bei Courage Under Fire, vgl. oben.
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angetan ist, als das von Bernd Zywietz beschriebene ›Serum‹ zur Immunisierung des Zuschauers gegen die Vorwürfe von Terroristen zu wirken.385 Gleichwohl wird es ernster genommen und detaillierter ausgebreitet als gerade in den 1980er und 1990er Jahren üblich.386 Nicht die auch hier in einer früheren Szene als Drahtzieher gehandelten ›Schurkenstaaten‹ Libyen, Irak, Iran oder Syrien haben die Terroristen trainiert, sondern die USA selbst, was das gängige Bild auf den Kopf stellt. Das Szenario gemahnt insbesondere an die kurzsichtige Unterstützung des Dschihad in Afghanistan gegen die Sowjetunion. So erinnert die Tatsache, dass die Terroristen mithilfe Sharons nach dem Debakel im Irak in die Vereinigten Staaten einreisen konnten, obwohl sie zumindest zum Teil auf der »terrorist watch list« standen, daran, dass dies auch Scheich Abdul-Rahman möglich war, was eben zu dem Vorwurf führte, die CIA habe dies wegen seiner Rolle in Afghanistan zugelassen.387 The Siege macht damit nicht zuletzt auf die Gefahren einer von Feindbilddenken bestimmten Außenund Sicherheitspolitik aufmerksam, die beim Versuch, dämonisierte Gegner zu besiegen, neue, womöglich größere Gefahren heraufbeschwört. Der Film reißt auch die sonst oft ignorierte Situation der Palästinenser zumindest an und lässt Sharon eine starke Zuneigung zu diesen »incredibly warm, hospitable people« bekunden, die nicht in ihrer Gesamtheit gefährlich seien, sondern vielmehr Mitleid verdienten. Ihre problematischen Lebensverhältnisse werden in einer bemerkenswerten Szene auch als ein wichtiger Hintergrund palästinensischen Terrors herausgestellt, wenn Samir, der Sharons Verbindung zu der Terrorgruppe darstellt, ihr erzählt, wie es dazu gekommen ist, dass sich sein Bruder in einem Kino in Tel Aviv in die Luft gesprengt hat: »You know, some people just cannot live in the camps. For my brother, it was already like dying. The only thing he lives for is movies. And then some sheik came and tell him that… to die for Allah is beautiful. And if he does this thing our parents will be taken care of. And he will live on in paradise with 70 virgins. I mean… huh… 70! And my brother, he needed to believe it very much. So he straps ten sticks of dynamite to his chest… and he went to the movie.«
Anstelle der gängigen Erklärung von Selbstmordattentaten als Ausdruck eines für den Islam charakteristischen Fanatismus erscheinen die religiösen Versprechungen in Samirs Schilderung als Verlockung, die nur deshalb funktionieren konnte, weil die Verzweiflung seines Bruders angesichts des Lebens in den Flüchtlingslagern so groß war. Dabei fällt auf, dass nicht von Hass auf die Israelis die Rede ist; nicht der Aspekt des Mordes, sondern des Selbstmordes wird in den Mittelpunkt gerückt. Durch den Verweis auf die Versorgung der Eltern wird zudem ein weiteres – wie schon erwähnt durchaus realistisches – Motiv angesprochen, das nicht nur nachvollziehbar ist, sondern darüber hinaus der mörderischen Tat einen ungewohnten menschlichen Zug verleiht, der diese mit allgemein anerkannten Werten wie Liebe und Verantwortung gegenüber der Familie in Verbindung bringt. Die musikalische Untermalung der 385 Zum Motiv des blowback siehe Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 262-4. 386 Vgl. auch Prince, Firestorm, 58. 387 Vgl. dazu Juergensmeyer, Global Rebellion, 194, dem zufolge in diesem Fall vermutlich ein Fehler der US-Behörden der tatsächliche Grund war. Auf die vermutete Rolle der CIA spielt auch The Long Kiss Goodnight (1996) an; vgl. oben.
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Szene unterstreicht dabei die tragische Qualität von Samirs Erzählung. Insgesamt findet hier eine deutliche Humanisierung der sonst meist dämonisierten Gestalt des muslimischen Terroristen und speziell des Selbstmordattentäters statt. Eine Besonderheit von The Siege ist außerdem, dass die mit der Terrorbekämpfung befassten amerikanischen Institutionen, das FBI, die CIA und die Armee, nicht an einem Strang ziehen, sondern miteinander konkurrieren 388 und dabei auch für unterschiedliche Wertesysteme stehen. Der zentrale Konflikt des Filmes ist tatsächlich der zwischen Militär und FBI, personifiziert in Devereaux und Hubbard, während Sharon als Vertrerin der CIA sich zwischen diesen beiden Polen bewegt. Die positive Rolle der Bundespolizei wird dabei nicht nur dadurch herausgestellt, dass sie als Underdog porträtiert wird – ihre deutlich schlechtere personelle und materielle Ausstattung wird wiederholt betont –, sondern vor allem, indem dem rassistischen Militärapparat Hubbards multiethnisches Team als Verkörperung des Ideals der Vereinigten Staaten gegenübergestellt wird. Zu diesem Team gehört hier – anders als etwa bei den Spezialeinheiten in Navy Seals (1990) und Executive Decision – auch ein arabischer Amerikaner, Frank Haddad. Schauspieler Tony Shalhoub, der wie seine Filmfigur libanesische Wurzeln hat, im Unterschied zu dieser jedoch kein Muslim ist, erklärte bei der Veröffentlichung des Films, dass ihm in der Vergangenheit auch einige stereotype Terroristenrollen angeboten worden waren: »Those definitely come across my desk, and I have no interest in that. But this role and this material did strike me as different than those run-of-the-mill terrorist movies.«389 In der Tat wird mit Frank Haddad ausnahmsweise ein positiver arabischer Amerikaner und Muslim gezeigt, der auch Familienvater ist und zudem als Agent des FBI dabei hilft, die USA vor der Bedrohung durch Terroristen zu schützen. Allerdings ist er nicht der Held des Films, sondern nur dessen Freund und (deutlich untergeordneter) Partner und kann damit auch in eine Reihe mit entsprechenden Figuren in zahlreichen imperialen Erzählungen gestellt werden. Als Gegengewicht zur Stereotypisierung von Muslimen leistet er zudem wenig, denn der Islam spielt im Hinblick auf seine Charakterisierung im Unterschied zu der der Terroristen so gut wie keine Rolle. Tatsächlich gaben die Macher des Films nach einem Treffen mit dem American-Arab Anti-Discrimination Committee und CAIR an, einige als anstößig empfundene Aspekte der Figurenzeichnung geändert zu haben: »[T]he good Muslim F.B.I. agent no longer shouts ›Christ!‹, swears or gets drunk, habits that the filmmakers were told any truly good Muslim would avoid.«390 Ganz korrigieren ließ sich das Bild freilich nicht mehr, bei der Feier nach der Aushebung einer Terrorzelle wird zwar nicht eindeutig gezeigt, aber durch das Verhalten dennoch nahegelegt, dass Haddad Alkohol trinkt. Durch solche Details stützt The Siege den häufig vermittelten, aber simplifizierenden Eindruck, dass ›gute‹ Muslime sich von ›bösen‹ durch ihre Anpassung an den
388 Vanhala, Depiction of Terrorists, 263, weist darauf hin, dass dieses Problem realistisch ist. 389 Zitiert nach »Arab-Americans Fear Terrorism Film Will Deepen Hatred«, in: NYT 24.08. 1998. 390 Ebenda.
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Westen, insbesondere durch eine deutlich geringere Frömmigkeit unterscheiden.391 Für Kritiker des Films wie Jack Shaheen bleibt aber das zu geringe Gewicht der Figur im Verhältnis zum Rest des Films entscheidend: »Shalhoub does a fine job of portraying a ›good‹ Arab American. But one minor supporting actor does not compensate for the movie’s numerous Arab stereotypes.«392 Shaheens Urteil lässt allerdings außer Acht, dass The Siege sich mit dem Problem der Stereotypisierung auseinandersetzt und die Verwundbarkeit der arabisch-muslimischen Minderheit in den USA selbst zum Thema macht. Während Hubbard etwa in einer Besprechung nach dem ersten Anschlag betont, dass die arabische Gemeinde New Yorks das FBI unterstütze – »They love this country as much as we do. They want these criminals brought to justice as badly as we do.« –, illustrieren eingestreute Nachrichtenschnipsel, wie im Laufe der Terrorkampagne Feindseligkeit und hate crimes gegenüber den arabischen Amerikanern zunehmen. Dies gipfelt schließlich nach der Verhängung des Ausnahmezustandes in der von Devereaux angeordneten Internierung, die bewusst an diejenige der japanischstämmigen Amerikaner im Zweiten Weltkrieg erinnert und unzweideutig als schreiendes Unrecht inszeniert wird.393 Hubbards Schockiertheit angesichts der frierenden Männer und Jungen, die unter freiem Himmel in stacheldrahtbewehrten Käfigen zusammengepfercht sind, stellt die einzige angemessene Reaktion auf die Szenerie dar, die er in dem Footballstadion antrifft. »It’s wrong«, versichert er Haddad, der nach seinem minderjährigen Sohn sucht, den die Armee ebenfalls dort eingesperrt hat, weil er in das breitgesteckte Raster der Verdächtigen fällt. Der Kontrast zu einer früheren Szene, in der Hubbard, Haddad und dessen Sohn in eben diesem Stadion fröhlich miteinander gespielt haben, unterstreicht noch die Zerstörung der Harmonie, den Bruch mit den amerikanischen Idealen, den das Vorgehen des Militärs markiert.394 Haddad ist, nicht zuletzt weil augenscheinlich auch sein eigener Dienst für das Land in dieser Situation nicht gewürdigt wird, so empört, dass er sich vom FBI als staatlicher Institution distanziert und Hubbard seinen Ausweis zuwirft: »Tell them I’m not their sand-nigger anymore.« Indem er gerade diese rassistische Beschimpfung wiedergibt, macht er Hubbard, der selbst schwarz ist, besonders eindringlich darauf aufmerksam, welche Qualität die Behandlung der arabischen Amerikaner hat, er fordert ihn implizit dazu auf, sich mit diesen zu identifizieren, und weist auch den Zuschauer darauf hin, dass die ungerechte Maßnahme der Internierung Ausdruck einer grundsätzlichen Diskriminierung ist. Wie Recht er damit hat, zeigt sich in der darauffolgenden Szene, in der Hubbard sich vehement für die Freilassung von Franks Sohn einsetzt und daraufhin von dem unter Devereaux dienenden Colonel zu hören 391 Vgl. hierzu auch Vanhala, Depiction of Terrorists, 262 u. 265, die hier auch auf Sharons Misstrauen gegenüber »true believers« verweist, das sich allerdings explizit auch auf Hubbard bezieht. 392 Shaheen, »Arab Americans«, 222f. 393 Wie Yazbeck Haddad, »Muslims in U.S. Politics«, 94, berichtet, erwog die NixonRegierung tatsächlich in den 1970er Jahren, die etwaige Internierung von Arabern und Iranern in zwei Militäreinrichtungen vorzubereiten. 394 Historisch-politisch informierte Zuschauer können sich außerdem durch den Schauplatz an die Verwendung von Fußballstadien als Gefangenenlager während des Militärputsches in Chile erinnert fühlen.
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bekommt: »Don’t get in my face, Hubbard! I might just decide you’re an Ethiopian.«395 Der Offizier bestätigt damit die von Haddad vorgenommene Parallelisierung von Schwarzen und Arabern und demonstriert, dass dem Handeln des Militärs tatsächlich eine xenophob-rassistische Einstellung zugrunde liegt. The Siege macht die Gefahr, dass die Bekämpfung des Terrorismus zu einer Missachtung von Menschen- und Bürgerrechten führen kann, zu seinem zentralen Thema. Hubbard, der auch einen Juraabschluss hat, ist als Held des Films gerade dadurch gekennzeichnet, dass er beständig für die Achtung der Gesetze und rechtsstaatlichen Verfahren eintritt. So stellt er Sharon gegenüber schon zu Beginn fest, dass sie gegen das Gesetz verstoße, weil die CIA nicht in den Vereinigten Staaten operieren dürfe; später nimmt er sie tatsächlich vorübergehend fest. Auch als Sharon darauf drängt, eine Wohnung, in der sich vermutlich eine Terrorzelle aufhält, sofort zu stürmen, beharrt er darauf, dass er dafür einen entsprechenden richterlichen Beschluss benötigt. Sharon argumentiert dagegen in der Logik des savage war, dass Gesetze den Terroristen nichts bedeuten und Hubbards Festhalten daran in der Auseinandersetzung deshalb zu einem entscheidenden Nachteil wird. Aber der FBI-Agent lässt sich nicht davon beeindrucken, und das rechtzeitige Eintreffen des Durchsuchungsbefehls gibt ihm Recht. Auch Haddad wird von Hubbard zurechtgewiesen, nachdem er Samir, von diesem provoziert, bei dessen Verhaftung geschlagen hat: »You ever hit a prisoner again, I’ll have your badge.« All diese Szenen führen schließlich zu der wichtigsten Auseinandersetzung hin, in der es um die Folterung eines Gefangenen geht: Tariq Husseini, ein Mitglied der Terrorgruppe, ist verhaftet worden, aber eine weitere Zelle ist noch aktiv, sodass, falls diese nicht rechtzeitig aufgespürt wird, mit einem weiteren blutigen Anschlag innerhalb kurzer Zeit zu rechnen ist – das klassische ticking-bomb-Szenario, das häufig von den Apologeten von Foltermethoden und anderen Rechtsbrüchen angeführt wird, um solche außerordentlichen Maßnahmen zu rechtfertigen. Eben diese Position vertreten in dieser Szene auch Devereaux und Sharon, wobei Letztere sich auf die Seite des Generals schlägt, obwohl sie selbst, wie Hubbard vergeblich einwendet, zuvor erläutert hat, dass die Zellen sich untereinander nicht kennen, weshalb es wenig sinnvoll erscheint, von Husseini Informationen zu erwarten, die er gar nicht liefern kann.396 Schon die Szenerie, die Hubbard in den Katakomben des Footballstadions vorfindet, bei der Husseini in der Mitte einer Toilette zwischen Urinalen nackt auf einen Stuhl gefesselt ist, während Sharon auf ihn einredet, hat offensichtlich nichts mit einem normalen Verhör zu tun, sondern nimmt die Fotos aus dem Gefängnis Abu Ghraib vorweg, deren Veröffentlichung im April 2004 für weltweite Empörung über die Auswüchse des war on terror sorgte. Entsetzt muss Hubbard im Folgenden mitanhören, wie Sharon und die Militärs verschiedene Methoden erwägen, um den Gefangenen schneller zum Sprechen zu bringen, wobei »shaking«, Schlafentzug, Elektroschocks, Wasser und »cutting« genannt werden, ein Katalog, der wiede-
395 Äthiopien ist bemerkenswerterweise kein islamisch, sondern ein christlich geprägter afrikanischer Staat. 396 Schon der erste Verdächtige, der zu Beginn des Films von der CIA gefangen genommen wird, wird von Sharon offensichtlich während der Befragung misshandelt.
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rum in vielen Punkten an die tatsächlich wenige Jahre später von der US-Regierung offiziell genehmigten ›verschärften Verhörmethoden‹ erinnert.397 HUBBARD: »Are you people insane? What are you talking about?« DEVEREAUX: »The time has come for one man to suffer in order to save hundreds of lives.« HUBBARD: »One man! What about two, huh? What about six? How about public executions, huh?« DEVEREAUX: »Feel free to leave whenever you like, Agent.« HUBBARD: »Come on, General, you lost men, I lost men, but you, you, you, you can’t do this. What if what they really want… What if they don’t even want the sheik, have you considered that? Huh? What if what they really want is for us to herd children into stadiums like we’re doing? And put soldiers on the street and… and have Americans looking over their shoulders? Bend the law, shred the constitution just a little bit? Because if we torture him, General… We do that, and everything that we have bled and fought and died for is over. And they’ve won. They’ve already won.«
Dieses leidenschaftliche Plädoyer kann die Folterung und Ermordung Husseinis nicht verhindern, die im Film aber nicht direkt gezeigt werden. Das Ende ist lediglich zu hören, während man Hubbard auf dem Flur vor dem Raum sieht. Sharon, die noch vor dem tödlichen Schuss zu ihm heraustritt, bestätigt mit dem Satz »He knew nothing«, dass Hubbard mit seinem auf ihrer eigenen Expertise begründeten Einwand Recht gehabt hat und dass der Versuch, aus dem Gefangenen Informationen über die letzte Zelle herauszufoltern, nicht nur ein Rechtsbruch, sondern obendrein völlig sinnlos gewesen ist. The Siege bezieht so eine entschiedene Gegenposition zu der Behauptung, der Kampf gegen den Terror erfordere solche Maßnahmen, durch diese würden weitere Anschläge verhindert und Leben gerettet.398 Nicht die Attacken der Terroristen sind hier die größte Gefahr, sondern die Reaktion darauf, die elementare rechtsstaatliche Prinzipien und moralische Werte verletzt und damit die Grundlagen der amerikanischen Freiheit angreift. Nicht umsonst verweist Hubbard darauf, dass man gerade damit den Terroristen in die Hände spielt. Wenig später stellt er unter dem Eindruck von Deveraux’ Verbrechen unmissverständlich fest: »The Army is the threat.« Damit ist der Film nicht zuletzt auch eine Gegenstimme zu jenen Verteidigern des war on terror, die jegliche Kritik daran und gerade auch Bedenken im Hinblick auf die Ein-
397 Auch die Nacktheit gerade in Anwesenheit weiblicher Vernehmerinnen, durch die muslimische Männer gedemütigt werden sollen, gehört zu diesem Repertoire. 398 Siehe z.B. George W. Bushs Rechtfertigung in Decision Points, 169, oder die zitierte Aussage Dick Cheneys in »Vom Nutzen der Tortur«, in: SZ 13./14.12.2014. Frum/Perle, End to Evil, 222, fordern, dass das FBI nichts mit Counterterrorismus zu tun haben solle, weil Terroristen keine Kriminellen mit entsprechenden Rechten seien. Unklar bleibt dabei, was mit US-Bürgern geschehen soll, die an Terrorismus beteiligt sind, weil Frum und Perle nur von »terrorist noncitizen suspects« sprechen: »We should care less about prosecuting and punishing them than about squeezing information out of them about their organization and their associates.«
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schränkung von Rechten als naiv oder gar als Antiamerikanismus und Schützenhilfe für Terroristen geißelten.399 Allerdings ist die problematische Reaktion auf den Terrorismus, die der Film imaginiert, wesentlich weniger umfassend und schwerwiegend als die, die tatsächlich auf den 11. September 2001 folgte. Tatsächlich präsentiert The Siege die Auswüchse der Terrorbekämpfung nicht als Regierungspolitik, sondern als Fehltritte, für die Devereaux maßgeblich die Verantwortung trägt. Dieser wird zum unmittelbaren Gegenspieler Hubbards und als solcher mit den Terroristen auf eine Stufe gestellt, wie der Held selbst deutlich macht, wenn er erklärt: »You don’t let a murderer go free, any murderer. Any murderer!« Die Verhaftung des Generals nach der Ausschaltung des letzten Terroristen ist dementsprechend als ein zweiter Showdown inszeniert, bei dem es zwar nicht zu einer Schießerei kommt, Hubbard sich aber dennoch als überlegen erweist, während Deveraux’ Schlucken und Wegschauen seine Niederlage in der duellartigen Konfrontation signalisieren.400 Damit stellt der Held mythoskonform am Ende die gestörte Ordnung wieder her: »Your authority ends now, General. William Devereaux, you are under arrest. For the torture and murder of Tariq Husseini, an American citizen. […] You have the right to a fair trial. You have the right not to be tortured, not to be murdered. Rights that you took away from Tariq Husseini. You have those rights because of the men that came before you who wore that uniform.«
Indem The Siege das Problem in Gestalt von Devereaux personalisiert, der quasi als Einzeltäter behandelt wird, kann es so ganz einfach gelöst werden. Wie in anderen Filmen auch, die Missstände innerhalb des Staatsapparates thematisieren, wird dem Zuschauer damit zum Schluss das beruhigende Gefühl vermittelt, dass das System funktioniert und die Gerechtigkeit siegt.401 In der Wirklichkeit, wo die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten nicht einen Fehler im System darstellte, sondern im war on terror selbst zum System wurde, gestaltet sich eine Korrektur deutlich schwieriger. Die Bush-Regierung, deren Rhetorik zum Teil frappierende Ähnlichkeit mit der Deveraux’ aufwies und die tatsächlich auch den Einsatz der Streitkräfte im Inneren erwog,402 verschärfte noch die schon unter Bill Clinton herrschende Ablehnung des Internationalen Strafgerichtsho-
399 So z.B. Jusitzminister John Ashcroft, der erklärte: »[T]o those who scare peace-loving people with phantoms of lost liberty, my message is this: Your tactics only aid terrorists for they erode our national unity and diminish our resolve. […] They encourage people of good will to remain silent in the face of evil.« Zitiert nach »Ashcroft: Critics of New Terror Measures Undermine Effort«, http://archives.cnn.com/2001/US/12/06/inv.ashcroft. hearing (11.11.2006). Siehe außerdem beispielhaft Podhoretz, World War IV und Charles Krauthammers Kommentar »They Splutter Through the War«, in: WP 22.03.2002. 400 Vgl. dazu auch Ritu Saksena, »The Cinematic Theater of Terrorism«, in: Gerhard Stilz (Hg.), Territorial Terrors: Contested Spaces in Colonial and Postcolonial Writing (ZAA Monograph Series 7), Würzburg 2007, 121-37, hier: 133. 401 Vgl. auch McAlister, Epic Encounters, 263. 402 Vgl. Vanhala, Depiction of Terrorists, 1 u. 269.
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fes403 und verfolgte verständlicherweise nicht ihre eigenen Missetaten – lediglich in besonders skandalträchtigen Fällen wie dem von Abu Ghraib kam es auf der untersten Ebene zu Verurteilungen. Tatsächlich erfreute sich das Vorgehen der Administration in der Bevölkerung – anders als das des Militärs im Film – auch eines breiten Rückhaltes in der Bevölkerung, nicht nur in der aufgeheizten Atmosphäre unmittelbar nach den Angriffen vom 11. September 2001, sondern auch noch Jahre später.404 Zwar verbot Barack Obama nach seinem Einzug ins Weiße Haus die ›verschärften Verhörmethoden‹, die Verantwortlichen aber wurden auch während seiner Präsidentschaft nicht zur Rechenschaft gezogen und müssen dies aller Voraussicht nach auch für die Zukunft nicht befürchten,405 während gleichzeitig Whistleblower mit aller Härte verfolgt wurden und werden. Nicht einmal das Gefangenenlager in Guantanamo wurde, wie von Obama angekündigt, geschlossen. Praktiken, die nicht minder problematisch sind als das Folterprogramm, allen voran die gezielte Tötung von Terrorverdächtigen durch Drohnen und Spezialeinheiten, wurden sogar noch intensiviert.406 Die Beschädigung des Rechtsstaates in den USA ist, anders als in The Siege, nicht nur eine Episode. Zu beachten ist außerdem, dass die Position des Films zu Counterterrorismus bei genauer Betrachtung ambivalenter ist, als es auf den ersten Blick scheint. Dabei spielt die Darstellung der terroristischen Bedrohung eine wichtige Rolle, für die wiederum die Figuren Sharon und Samir und deren Verhältnis zueinander von entscheidender Bedeutung sind. Dass Samir sich am Ende als die verzweifelt gesuchte letzte Zelle der Terrorgruppe entpuppt und er einen Selbstmordanschlag ausgerechnet auf eine Demonstration plant, die sich gegen das Vorgehen des Militärs wendet, unterminiert die wesentlich mit seiner Person verknüpfte Humanisierung, die davor erfolgt ist.407 Dies gilt umso mehr, als von der komplexen Motivation, die in der Erzählung über seinen Bruder vorgestellt worden ist, hier nichts übrigbleibt. Stattdessen wird einmal mehr ein nur vage begründeter, aus religiösem Fanatismus gespeister Hass auf die USA als Erklärung präsentiert.408 In den letzten Minuten zeigt der Film so doch den Islam als Bedrohung Amerikas und knüpft damit an den Anfang an, wo die Aufnahmen betender Muslime und einer Moschee in New York City im Anschluss an die Gefangennahme des Scheichs den Zuschauer beunruhigen, indem sie signalisieren dass die durch Bin Talal repräsentierte Gefahr nicht auf den Mittleren Osten beschränkt, sondern bereits mitten in den Vereinigten Staaten angekommen ist.409 Dass die Terroristen – mit Ausnahme eben Samirs – kaum zu sehen sind und gesichtslos bleiben, während ihre Anschläge eindrücklich inszeniert werden, verstärkt das Bedrohungsgefühl noch. Mit der Aufdeckung von Samirs Doppelspiel verschwindet dann das – ohnhein schwächere, weil weitgehend auf den Dialog beschränkte – GeDazu Deitelhoff, »Sea Change«, 219f. Vgl. Greiner, 9/11, 208-19. Siehe dazu »Warum müssen die Folterer nicht vor Gericht?«, in: SZ 13./14.12.2014. Dazu Greiner, 9/11, 221-5; Scahill, Dirty Wars. Vgl. dazu auch Prince, Firestorm, 63. Samir verweist hier zwar auf die Gefangennahme des Scheichs, interpretiert diese aber folgendermaßen: »You put him in prison for preaching the word of God.« 409 Vgl. hierzu auch die Verknüpfung betender Muslime mit gegen Amerika gerichteter Gewalt im Vorspann von Zwicks früherem Film Courage Under Fire.
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gengewicht zu der Dämonisierung der Terroristen. Janet Maslin gab daher in der New York Times der Kritik der arabischen Interessenverbände Recht: »Though the screenplay […] is strenuously even-handed […], the film’s stark images of scheming Arab villains often speak louder than its diplomatic words.«410 Das ist gerade am Ende der Fall, greift The Siege hier doch auf das stereotype Bild der Bedrohung der weißen Frau durch den arabischen Mann zurück, wenn Samir sich gegen Sharon wendet, ihr eine Pistole an den Kopf hält und sie als menschlichen Schutzschild benutzt.411 Samir wird damit in den letzten Minuten zum zweiten zentralen Bösewicht des Films, der als Gegenfigur zu Haddad fungiert, so wie Devereaux zu Hubbard.412 Vor diesem Hintergrund erscheint auch Sharons sexuelles Verhältnis mit Samir in einem problematischen Licht, insofern sie mit dem Feind ins Bett geht und dabei nicht einmal, wie sie selbst glaubt, die Kontrolle hat, sondern getäuscht wird. Dadurch wird, wie Ritu Saksena korrekt festgestellt hat, »the horror of the specter of miscegenation« aufgebracht,413 und Sharons Tod durch die Hand des arabischen Terroristen kann als Strafe hierfür oder als notwendiges Opfer zur Wiedergutmachung verstanden werden. Saksena interpretiert Sharons Figur allerdings insgesamt zu negativ, indem sie Deveraux’ Urteil als repräsentativ betrachtet, der Sharon als »compromised« bezeichnet und Hubbard erklärt: »A woman will never understand the Middle East. Just between you and me, Elise Kraft [= Sharon] wouldn’t know a sheik from a prophylactic by the same name.« Devereaux ist aber eindeutig keine Sympathien weckende positive Identifikationsfigur für den Zuschauer, wie Saksena meint.414 Vielmehr wird er, schon bevor er eindeutig zu Hubbards Gegenspieler wird, als arrogant und unglaubwürdig gezeichnet, behauptet er doch beispielsweise bei seiner ersten Begegnung mit dem FBI-Agenten, Bin Talal habe sich nie in amerikanischem Gewahrsam befunden, obwohl der Zuschauer bereits weiß, dass er selbst für dessen Gefangennahme verantwortlich zeichnet. So sind auch seine ständigen Beteuerungen, gegen einen Einsatz des Militärs in New York zu sein, leicht als taktisches Manöver durchschaubar. Sein Urteil über den Präsidenten – »[he] doesn’t know fuck all about the Middle East or terrorism that I don’t write on his cue cards« – ist von derselben selbstverliebten Überheblichkeit gekennzeichnet, die er auch gegenüber Sharons Expertise zeigt. Tatsächlich wird deren Qualität aber – in scharfem Kontrast zu Deveraux’ Vorstellungen – immer wieder bestätigt. So kann sie die Region im Libanon, 410 »New York as Battlegorund of Terrorists and Troops«, in: NYT 06.11.1998; vgl. ähnlich auch »The Siege« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/199811 06/REVIEWS/811060302/1023 (16.06.2007); »Siege Under Fire«, in: SFE 06.11.1998. Auch Vanhala, Depiction of Terrorists, 274, kommt in ihrer Analyse zu dem Ergebnis, dass sich das Porträt der arabischen Terroristen und des Islam letztlich kaum von dem in anderen Filmen unterscheide, und befindet daher: »[T]he film fails in its attempt to be anti-prejudice.« Sie verweist u.a. auch darauf, dass der Islam der Terroristen nur in Verbindung mit ihren Anschlägen (im wiederkehrenden Bild der rituellen Waschung) vorkommt (ebenda, 265). 411 Ähnlich stereotyp ist die Gefangennahme des Scheichs zu Beginn in Szene gesetzt; siehe dazu Saksena, »Cinematic Theater«, 128. 412 Vgl. MacAlister, Epic Encounters, 262. 413 Saksena, »Cinematic Theater«, 131. 414 Vgl. ebenda, 128.
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aus der Haddad stammt, allein anhand seines Akzents exakt bestimmen, was diesen tief beeindruckt: »Wow! You’re really good. She’s really good.« Tatsächlich ist Sharon in The Siege die maßgebliche Autorität gerade auch im Hinblick auf die terroristische Bedrohung.415 Als Grenzgängerin zwischen der Welt des Mittleren Ostens einerseits und den USA andererseits steht sie in der Tradition des frontier-Helden, ähnlich wie etwa Connor in Rising Sun (1993), dessen Loyalität ebenfalls von anderen Figuren in Zweifel gezogen wird; sie ist quasi ›the woman who knows Indians‹. Als Frau ist sie in dieser Rolle aber wegen der üblichen Muster hinsichtlich ›Rasse‹ und Geschlecht, die damit nicht in Einklang zu bringen sind, problematischer als ein Mann, was erklärt, warum ihr bis zuletzt eine gewisse Zwiespältigkeit anhaftet, die offenbar nur durch ihren Tod befriedigend aufgelöst werden kann.416 Nichtsdestotrotz sind ihre Lehren für den Film von zentraler Bedeutung, und diese folgen der Logik des savage war, womit The Siege sein eigenes Beharren darauf, dass die Auseinandersetzung mit Terrorismus nicht als Krieg, sondern als Verbrechensbekämpfung zu sehen ist, unterminiert. So lernt Hubbard von Sharon die Notwendigkeit, im Kampf gegen die Dschihadisten schnell und entschlossen Gewalt anzuwenden: Bei der ersten Geiselnahme erweist sich die Einschätzung der CIAAgentin, dass die Terroristen nur auf das Eintreffen der Fernsehkameras gewartet haben, um sich mitsamt dem Bus in die Luft zu sprengen, als richtig. Dementsprechend versucht Hubbard, der hier nicht auf den Rat gehört hat, sofort die Scharfschützen einzusetzen, bei der Geiselnahme in einer Schule später gar nicht mehr zu verhandeln, sondern er stürmt in das Klassenzimmer und erschießt den Terroristen. Auch in der finalen Konfrontation, als Samir Sharon als Schutzschild benutzt, fordert diese die FBI-Agenten auf: »Shoot! Shoot me!« Verhandlungen sind offenbar sinnlos; die Auslöschung des Feindes erscheint einmal mehr als die einzige Möglichkeit, den Konflikt zu lösen. Samirs Tod wird denn auch mit dem Ende der terroristischen Bedrohung gleichgesetzt. In Frage gestellt wird Sharons Position von Hubbard jedoch, wie bereits dargelegt, wenn es um die Missachtung rechtsstaatlicher Verfahrensweisen bei den Ermittlungen geht. Allerdings erweist sich Hubbards Haltung auch diesbezüglich als nicht frei von Widersprüchen, denn bei dem Verhör des ersten Verdächtigen, das nach der Explosion des Buses stattfindet, benutzt der aufrechte FBI-Agent, der sich später so entschieden gegen die Folterung Husseinis wendet, eine Zigarette, um dem Gefangenen Angst zu machen, was, wie man an dessen Gesicht ablesen kann, funktioniert. Zwar spricht Hubbard die Drohung, den Mann mit der Zigarette zu verbrennen, nie aus, sie ist aber implizit vorhanden, wenn er die Zigarette bedrohlich auf den Verdächtigen zubewegt, zumal er weiß, dass dieser von den Sicherheitskräften in den Palästinensergebieten auf genau diese Art und Weise gefoltert worden ist. Auch Hub415 Wie Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 259f, feststellt, wird das Happy End nur dadurch möglich, dass Sharons nicht wirklich begründete Vermutung hinsichtlich der Zahl der Zellen stillschweigend als Fakt etabliert wird, auch wenn Samirs Ausruf »There will never be a last cell! It’s just the beginning« dies zum Schluss in Zweifel zu ziehen versucht. 416 Vanhala, Depiction of Terrorists, 272f, sieht Sharon nicht nur wegen des Verkehrs mit dem Feind, sondern auch wegen ihres Anteils an fragwürdigen Methoden als »deluded and flawed woman« (ebenda, 273). Ihre Interpretation ist überzeugender als die Saksenas, verkennt aber aber gleichfalls die Etablierung Sharons als Autorität.
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bard verspricht sich also von der Androhung von Gewalt offenkundig eine schnellere und effizientere Befragung, was im Widerspruch zu der späteren Darstellung steht, derzufolge Folter nicht hilfreich ist. Nun soll Hubbards Vorgehen, das es bei der Drohung bewenden lässt, quasi ein Bluff ist, auf den der andere hereinfällt, offensichtlich nicht als Folter verstanden, sondern von dieser unterschieden werden. Das ist aber eine inakzeptable und unlogische Position, denn auch die Androhung der Folter ist bereits als solche zu werten – nicht von ungefähr galt das Vorzeigen der Instrumente zu jener Zeit, als Folter noch ein normaler Bestandteil von Strafprozessen war, bereits als deren erster Grad. Wie auch Bernd Zywietz mit Verweis auf diese Szene festgestellt hat, unterscheidet sich Hubbards Vorgehen also letztlich eher graduell von dem des Militärs, es ist diesem nicht diametral entgegengesetzt.417 Die Linie, die das im Kampf gegen Terroristen Erlaubte vom Unerlaubten trennt, verläuft auch für den Helden des Films letztlich nicht klar entlang der Gesetze. Somit erweist sich The Siege als einigermaßen widersprüchlich. Das ist allerdings wenig überraschend, wenn man sich klarmacht, dass Folter sehr häufig in amerikanischen Filmen gerechtfertigt wird und dies nicht erst seit dem 11. September 2001. Die Annahme, die Fernsehserie 24 (2001-2010), deren Held Jack Bauer regelmäßig Feinde Amerikas foltert, habe hier ein Tabu gebrochen, davor seien »Folterer im Film […] fast immer fremde Schurken; nie […] gute Amerikaner« gewesen, ist ein Irrtum,418 der nicht zuletzt darauf beruht, dass Folter oftmals nicht als solche wahrgenommen wird, wenn sie im Dienste einer guten Sache an eindeutig als böse definierten Figuren verübt wird. Wie der Zuschauer durch eine klare Rollenverteilung und die Steuerung von Emotionen dahingehend manipuliert werden kann, solche Rechtsbrüche nicht nur zu akzeptieren, sondern zu begrüßen, lässt sich beispielhaft an Mississippi Burning (1988) nachvollziehen: Nachdem man über den größten Teil des Films hinweg Zeuge der Untaten des Ku Klux Klans geworden ist sowie der vergeblichen Versuche des FBIs, den rassistischen Schurken mit legalen Mitteln das Handwerk zu legen, erfüllt es einen mit Erleichterung, ja mit Befriedigung, wenn die Helden am Schluss zu Gewalt greifen, es den Bösewichten endlich heimzahlen und diese mithilfe von Prügeln, Scheinhinrichtungen und anderen brutalen Einschüchterungstaktiken zur Strecke bringen – denn schließlich wird damit nur der zuvor aufs Dramatischste gestörten Gerechtigkeit Genüge getan. Dass die Bewahrung beziehungsweise Wiederherstellung der bedrohten Ordnung der Zivilisation es notwendig macht, sich im Kampf gegen einen barbarischen Feind von den Begrenzungen der Regeln eben dieser Ordnung zu befreien, ist das Grundmuster des savage war und gehört zum Kernbestand der amerikanischen Mytholo-
417 Vgl. Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 261. 418 Zitat aus »Messer, Zange, Bohrmaschine«, in: SZ 26.03.2007. Siehe außerdem »Die Spione, die wir lieben«, in: SZ 22.11.2013. Vgl. hierzu auch Rüdiger Heinze, »Kunst«, in: Butter u.a. (Hg.), 9/11, 49-60, hier 55-7. Heinze weist darauf hin, dass auch die erste Staffel von 24, deren Muster alle späteren folgen, zwar erst nach dem 11. September ausgestrahlt, aber vor diesem produziert wurde. Siehe zu der Serie auch ausführlich Prince, Firestorm, 238-48.
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gie.419 In Filmen, die Konflikte mit vermeintlichen Feinden der Zivilisation, also insbesondere auch mit Terroristen und/oder ›Schurkenstaaten‹ thematisieren, ist dies deshalb nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Entsprechende Statements, Szenen und Motive finden sich etwa in Nighthawks (1981), Invasion U.S.A. (1985), Delta Force, Death Before Dishonor, Wanted: Dead or Alive, Delta Force 3, The Peacemaker (1997) und Strike Zone. Häufig genügt es dabei schon, den Schurken zu bedrohen, der dann schnell nachgibt, sodass es dem Helden erspart bleibt, seine Drohung wahrzumachen und tatsächlich Gewalt gegen einen ihm ausgelieferten Gegner auszuüben, wobei oft auch deutlich gemacht wird, dass es sich nur um einen Bluff handelt, wenn zum Beispiel in Strike Zone im Nachhinein offenbart wird, dass vor dem vermeintlich lebensbedrohlichen Russischen Roulette alle Kugeln aus dem Revolver entfernt worden sind. Eben diesem Muster entspricht auch die Szene mit Hubbard und der Zigarette. In Death Before Dishonor schießt Burns mehrfach neben dem Hausdiener seines entführten Colonels in die Wand, um ihn zum Sprechen zu bringen. Charakteristisch ist hier vor allem, wie diese unblutige Methode mit der äußerst brutalen Folter der gefangenen Amerikaner durch die Terroristen kontrastiert wird, bei der eine Bohrmaschine zum Einsatz kommt. Generell gehen die Helden in den Filmen in der Regel nicht über Schläge hinaus, während ihre Gegner üblicherweise äußerst brutal foltern und dabei schwere Verletzungen verursachen. Zudem foltern die Schurken auch oder sogar auschließlich aus purem Sadismus, während der Held von einer zwingenden Notwendigkeit angetrieben wird und durch sein Handeln Leben retten will. So wie grundsätzlich zwischen der illegitimen Gewalt der Schurken und der legitimen Gewalt der Helden unterschieden wird, wird also auch ein deutlicher Unterschied markiert zwischen ›böser Folter‹ und ›guter Folter‹. Mitunter kann Folter durch die Helden sogar komisch sein, beispielsweise wenn Sylvester Stallone und Kurt Russell in Tango & Cash (1989) einen Killer des Drogenbosses kopfüber vom Dach eines Hauses baumeln lassen – ein Motiv, das sich noch verschärft in The Heat (2013) wiederfindet, wo Sandra Bullock und Melissa McCarthy ihr Opfer versehentlich tatsächlich fallen lassen, das dann auf ein geparktes Auto kracht. Auch in True Lies soll das Publikum zum Lachen gebracht werden, wenn Harry eine Scheinhinrichtung des Autohändlers Simon inszeniert und dieser sich dabei in die Hosen macht, wobei das Opfer in diesem Fall bemerkenswerterweise nicht einmal ein richtiger Bösewicht ist. Das interessanteste Beispiel für lustige Folter findet sich allerdings in The Punisher (2004): Hier kidnappt der Titelheld, ein ehemaliger FBI-Agent auf Rachefeldzug für seine ermordete Familie, einen untergeordneten Handlanger aus der Organisation der Gangsterfamilie und foltert diesen, um an Informationen zu kommen. Dazu kettet er ihn kopfüber an die Decke und erklärt, er werde ihm mit einem Schneidbrenner Verletzungen zufügen, die er aber wegen der extremen Hitze als Kälte spüren werde. Zur Belustigung des Zuschauers bohrt er dem Verzweifelten dann ein Eis am Stiel in den Rücken, während er gleichzeitig mit dem Schneidbrenner ein Stück Fleisch in der Pfanne brutzelt, um die passenden Geräusche und Gerüche zu erzeugen. Er versetzt sein Opfer also lediglich in 419 Wie schnell freilich auch in Deutschland viele Menschen bereit sind, Folter im Dienste einer guten Sache zu akzeptieren, wurde in der Debatte um das Vorgehen der Polizei im Entführungsfall Jakob von Metzler 2002 beispielhaft deutlich.
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Angst, über die das Publikum sich amüsieren kann, weil es sieht, dass in Wirklichkeit nichts Schlimmes passiert. Auch der Gefolterte selbst nimmt dem Helden dieses Vorgehen später nicht übel, sondern schlägt sich sogar auf dessen Seite. In deutlichem Gegensatz hierzu erscheint dann wiederum eine Szene, in der die rechte Hand des Gangsterbosses, ein homosexueller Sadist, einen der Freunde des Helden foltert, indem er mit einer Zange dessen zahlreiche Piercings herausreißt, ein Akt schonungsloser Brutalität, den der Folterer genießt, der aber beim Zuschauer Abscheu erweckt. Die hier idealtypisch durchexerzierte Unterscheidung zwischen einer scheinbar harmlosen Einschüchterung und brutaler Gewalt entspricht der von der BushRegierung postulierten Trennung zwischen ihren sogenannten ›verschärften Verhörmethoden‹ und wirklicher Folter. Dass die USA nicht folterten, dass sie vielmehr an der Spitze des Kampfes zur weltweiten Beseitigung von Folter stünden, wie Bush wiederholt erklärte,420 ließ sich nur behaupten, wenn man von der absurden Definition von Folter ausging, mit der das Office of Legal Counsel dem Weißen Haus einen Freibrief zur Verletzung elementarer Menschenrechte ausgestellt hatte: »Bestimmte Handlungen mögen grausam, unmenschlich oder erniedrigend sein, ohne jedoch Schmerzen und Leid in der vom Folterverbot geforderten Intensität zu erzeugen. […] Wir gehen davon aus, dass eine Handlung, um als Folter eingestuft werden zu können, […] Schmerzen zufügen muss, die nur schwer zu ertragen sind. Um als Folter zu gelten, müssen körperliche Schmerzen in ihrer Intensität jenen Schmerzen entsprechen, die mit einer schweren körperlichen Verletzung einhergehen. […] Derartige Schädigungen müssen zum Tod führen, zu Organversagen oder zur dauerhaften Beeinträchtigung einer wesentlichen Körperfunktion. […] Rein psychische Schmerzen und Leiden müssen, um als Folter […] zu gelten, signifikante psychische Störungen über einen signifikanten Zeitraum nach sich ziehen, also Monate andauern oder sogar Jahre. […] Es ist offenkundig, dass der Begriff [Folter] nur extreme Handlungen 421 umfasst.«
Genau wie im Film sollte Folter als exzessive physische Gewalt von vermeintlich harmlosen Praktiken unterschieden werden.422 Und genau wie im Film wurden Methoden wie Schlafentzug und waterboarding als »necessary« im Kampf gegen einen »enemy unlike any we had fought before« gerechtfertigt.423 Die angebliche Effektivi420 George W. Bush, »Statement on United Nations International Day in Support of Victims of Torture, June 26th, 2003«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=294 (27.07. 2007); »Statement on United Nations International Day in Support of Victims of Torture, June 26th, 2004«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=72674 (27.07.2007). 421 Zitiert nach Greiner, 9/11, 183. 422 Norman Podhoretz versuchte auf diese Weise sogar, die Vorgänge in Abu Ghraib zu verharmlosen, wenn er sich darüber emöprte, dass demokratische Politiker »the harassment and humiliation of the prisoners of Abu Ghraib« mit »the horrendous torturing and murdering« unter Saddam Hussein oder gar in der UdSSR verglichen, und dabei betonte, »[that] none of [the prisoners of Abu Ghraib], so far as anyone knew, was even maimed, let alone killed« (World War IV, 165f). 423 George W. Bush, »Remarks on the War on Terror, September 6th, 2006«, in: http://www. presidency.ucsb.edu/ws/?pid=779 (27.07.2007).
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tät von Folter, die ein wesentlicher Bestandteil dieser Rechtfertigung ist, ist gleichfalls ein Mythos, der durch die Darstellung in Filmen genährt wird.424 So entspann sich etwa eine intensive Debatte um Zero Dark Thirty (2012) unter anderem deshalb, weil dieser Folter als ein wesentliches Hilfsmittel bei der Aufspürung Osama Bin Ladens darstellt.425 Aber schon lange vor 9/11 führte Folter in Filmen regelmäßig zu entscheidenden Erfolgen bei der Bekämpfung von Terroristen und anderen Feinden Amerikas. In manchen Fällen hat sie darüber hinaus sogar einen unverhohlen strafenden Charakter und dient offenkundig der Befriedigung von Rachefantasien, etwa wenn McCoy in Delta Force Abdul minutenlang zusammenschlägt – von einem Kampf kann man hier nicht sprechen –, ehe er ihn in Stücke sprengt426 oder der Held in Wanted: Dead or Alive den Terroristen, der für den Tod seiner Freundin verantwortlich ist, in einen Schrank sperrt, mehrfach mit einer Schrotflinte auf ihn schießt und dann, als er seine Informationen bekommen hat, den Schrank eine Treppe hinunterstößt.427 Aus der Menge solcher Filme ragt The Siege allen Mängeln und inneren Widersprüchen zum Trotz heraus, weil er sich zumindest um eine reflektiertere Auseinandersetzung mit der Herausforderung durch Terrorismus bemüht und dabei ein Bewusstsein auch für die Gefahren der Terrorbekämpfung zeigt, dafür, »where this country’s all-too prevalent hatred of The Other might one day lead.«428 Ganz anders sieht das in Rules of Engagement (2000) aus, der etwa anderthalb Jahre nach The Siege in die Kinos kam und in vielerlei Hinsicht als rechtskonservatives Gegenstück zu diesem daherkommt. In dem von dem bekannten Regisseur Willliam Friedkin inszenierten und bis in die Nebenrollen hinein prominent besetzten Film wird Colonel Terry Childers (Samuel L. Jackson), der eine Eingreiftruppe der Marineinfanterie kommandiert, in die jemenitische Hauptstadt Sanaa geschickt, als die amerikanische Botschaft dort von einem wütenden Mob angegriffen wird. Während der Evakuierung werden drei von Childers’ Männern erschossen, woraufhin dieser schließlich den Befehl gibt, das Feuer auf die Menschenmenge vor der Botschaft zu eröffnen. 83 Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, sterben im amerikanischen Kugelhagel, und da später keinerlei Waffen bei den Opfern gefunden werden, scheint es, als habe der Colonel ein Massaker an unbewaffneten Zivilisten angeordnet, anstatt sich auf die Bekämpfung der Heckenschützen in den umliegenden Gebäuden zu beschränken. Die Regierung in Washington, personifiziert im Nationalen Sicherheitsberater Sokal (Bruce Greenwood), befürchtet, dass ihre Beziehungen zu den ›moderaten‹ Regimen in der Region durch den Vorfall schwer beschädigt werden, und beschließt daher, Childers zum Sündenbock zu machen. Der hochdekorierte Offizier wird vor einem Militärgericht wegen Mordes angeklagt, und sein alter 424 Zur tatsächlichen Ineffektivität von Folter siehe das Interview mit dem ehemaligen FBIBeamten Ali Soufan »Wir gaben ihm ein Handtuch«, in: Spiegel 15.12.2014; »Vom Nutzen der Tortur«, in: SZ 13./14.12.2014; Burleigh, Blood and Rage, 454. 425 Siehe dazu »Zero Dark History«, in: Spiegel 07.01.2013; »Harte Linie«, in: SZ 02./ 03.02.2013. 426 Vgl. dazu auch McAlister, Epic Encounters, 229. 427 Durch den Schrank wird hier wiederum vermieden, die Folgen der Gewalt, die brutaler ist als üblich, zu zeigen, sodass die Folter für den Zuschauer trotzdem unblutig bleibt. 428 »Complexity Under ›Siege‹ « , in: WP 06.11.1998.
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Freund Colonel Hays Hodges (Tommy Lee Jones), der seine Verteidigung übernimmt, steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe, nicht nur weil Childers durch die Medien bereits vorverurteilt ist, sondern vor allem weil Sokal den Botschafter zu einer Falschaussage nötigt und das wichtigste Beweisstück vernichtet, nämlich die Aufnahme einer Überwachungskamera, die belegt, dass die vermeintlich unschuldigen Opfer tatsächlich bewaffnet waren und auf Childers’ Einheit schossen. Wie in The Siege sehen sich die Helden also auch in Rules of Engagement mit einer doppelten Bedrohung der Vereinigten Staaten konfrontiert, und auch in diesem Fall ist der innere Feind derjenige, auf dem das Hauptaugenmerk liegt. Anders als in Edward Zwicks Film ist hier allerdings nicht ein sich über alle Schranken hinwegsetzendes Militär die Gefahr, vielmehr werden sämtliche Angehörige der Streitkräfte als integer präsentiert, auch der Anklagevertreter Major Biggs (Guy Pearce), der von den Manipulationen des Nationalen Sicherheitsberaters nichts weiß. Die Rolle Deveraux’ als Antagonist, der amerikanische Werte missachtet und korrumpiert, übernimmt stattdessen der Politiker Sokal, der Repräsentant einer Regierung, die lieber einen amerikanischen Helden vernichten als ausländische Barbaren vor den Kopf stoßen will. Gefahr droht den Vereinigten Staaten in Rules of Engagement somit vor allem durch Konzepte wie multiculturalism und political correctness.429 Der Film will dem Zuschauer weismachen, dass das verquere Denken linker Ideologen dazu führen würde, dass eine amerikanische Regierung – Fotos in der Botschaft zeigen Al Gore, der sich 2000 als Clintons Vizepräsident um dessen Nachfolge bewarb – sogar entlastendes Beweismaterial unterschlagen würde: »[P]olitical correctness dictates that they blame the colonel«, wie Friedkin in seinem Audiokommentar zur DVD behauptet.430 Die Verbrennung des Videobandes durch Sokal symbolisiert das der politischen Linken unterstellte Bestreben, die Wahrheit auszulöschen, gerade auch historische Realitäten zu negieren und durch eine ›politisch korrekte‹, aber zutiefst falsche, zerstörerische Kräfte begünstigende und daher für Amerika gefährliche Version zu ersetzen. Ein (weitgehend erfolgreiches) Bemühen der amerikanischen Regierung, Bilder verschwinden zu lassen, ließ sich im ›Krieg gegen den Terror‹ nach dem 11. September 2001 tatsächlich feststellen, allerdings mit einer ganz anderen Stoßrichtung, ging es hier doch – wie schon im Kuwaitkrieg und im Kosovo – darum, die Opfer der eigenen Kriegführung aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen. Gerhard Paul sprach daher in einer 2004 erschienenen Studie vom »unsichtbar gewordene[n] Krieg« und vermerkte unter anderem: »Bis heute vorenthalten wurden dem globalen Publikum die Aufnahmen verschiedener Massaker im Norden Afghanistans an Taliban- und Al Qaida-Kämpfern, die nachweislich von Kamerateams gemacht worden waren.«431 Rules of Engagement vermittelt dagegen den Eindruck, dass nicht das Ausblenden der Opfer des Feindes, sondern seiner Taten das Problem sei, zumal dieses mit absurden selbstauferlegten Beschränkungen einhergehe. Während The Siege die Einhaltung wesentlicher Regeln bei der Bekämpfung des Terrorismus anmahnt, sieht 429 Vgl. dazu ausführlich die detaillierte Analyse von Semmerling, »Evil« Arabs, 163-201. 430 Enthalten beim Bonusmaterial der Ausgabe von Paramount Home Entertainment (UK) aus dem Jahr 2000. 431 Paul, Bilder des Krieges, 451 u. 454.
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Friedkins Film nicht in ihrer Verletzung, sondern in den Regeln selbst eine Gefahr, weil diese dem Feind einen Vorteil verschaffen und die USA dadurch scheinbar schwächen und angreifbar machen. Erklärtermaßen verfolgte James Webb, ein ehemaliger Marine und Secretary of the Navy (1987/88), der für die erste Drehbuchfassung verantwortlich zeichnete, mit dem Film ein pädagogisches Anliegen und wollte das Publikum aufklären, motiviert nicht zuletzt durch seine Empörung über die seiner Meinung nach lächerlichen Einsatzregeln, denen die Marines in Beirut unterworfen gewesen waren.432 In den einschlägigen Studien zu Terrorismus im Film wird Rules of Engagement nirgends erwähnt. Das ist ein Fehler, denn die Attacke auf die Botschaft wird als ein terroristischer Angriff präsentiert. »Intelligence suggests this could have been a terrorist operation«, wird Sokal unmittelbar nach dem Vorfall von einem Mitarbeiter informiert, und Childers’ vorgesetzter General hält dem Nationalen Sicherheitsberater ebenfalls vor: »You know that there have been regular reports of a terrorist plot against this embassy.« Dieser Verdacht bestätigt sich später durch Hodges’ Recherchen im Jemen, bei denen er auf Kassetten mit einem Aufruf zum Dschihad gegen die Amerikaner stößt. »[T]here is a wing, a wing of Osama bin Ladin’s party called the Army of Suicidals that is active in Yemen«, erläutert Friedkin in seinem Audiokommentar: »And in my mind they are the people who provoke this riot, although we don’t mention them by name.« Bei der Frage, ob Childers richtig oder falsch gehandelt hat, geht es also gerade auch darum, auf welche Weise man der terroristischen Bedrohung durch fanatische Muslime begegnen darf beziehungsweise sollte. Schon vor der Konfrontation in Sanaa wird diesbezüglich eine erste Orientierung gegeben, wenn Childers Hodges bei der Feier zu dessen Verabschiedung ein Mamelukenschwert überreicht und dazu erklärt, dieses werde von den Offizieren der Marines getragen, seit einer ihrer Vorgänger im Jahr 1805 die Berberpiraten vor Tripolis besiegt und dafür vom dankbaren Pascha ein solches Schwert erhalten habe. Mit dieser Erzählung, bei der es sich wohl um eine Legende handelt,433 wird Childers’ späterer Einsatz im Jemen in eine Jahrhunderte zurückreichende Tradition gestellt und verdeutlicht, dass es seit jeher die Aufgabe der USA gewesen ist, gesetzlose Kräfte auch außerhalb ihrer Grenzen und gerade in der islamischen Welt unter Kontrolle zu bringen, und dass dies keine koloniale Bevormundung darstellt, sondern von anderen Ländern anerkannt und gewünscht wird. Die Berberpiraten können dabei, was durch die klangliche Nähe zum Wort Barbar noch unterstrichen wird, als Prototyp eines Feindes der Zivilisation und Vorläufer der modernen Terroristen angesehen werden.434 Der Angriff in Sanaa evoziert dann wiederum Erinnerungen an das amerikanische Schlüsselerlebnis in der Auseinandersetzung mit Terrorismus: die Besetzung der Botschaft in Teheran. Childers’ Eingreifen und die entschlossene Anwendung von Gewalt verhindern in Rules of Engagement eine mögliche zweite Geiselkrise oder noch Schlimmeres und erscheinen schon dadurch weitgehend gerechtfertigt. Friedkin betont, dass der marokkanische König Mohammed VI., in dessen Land die im Jemen spielenden Szenen gedreht wurden, das Projekt persönlich geprüft ha432 Vgl. McAdams, American War Film, 272. 433 Dazu Semmerling, »Evil« Arabs, 267, Anm. 14. 434 Buhite, Lives at Risk, 1, bezeichnet die »Barbary Pirates« in der Überschrift seines ersten Kapitels als »Terrorist Tormentors of the Early Republic«.
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be, »to make sure that there is nothing that could even be perceived as being antiArab […]. And of course the film is in no ways intended to be anti-Arab or antiMuslim or anti-Yemeni. The film is anti-terrorism.«435 Wie so oft macht es sich der Regisseur mit dieser Versicherung allerdings zu einfach. Seine Feststellung, die Bevölkerung des Jemen sei »very peaceful«, auch wenn das Land unglücklicherweise terroristische Aktivitäten beherberge, was für die meisten Länder, auch die USA gelte,436 findet in seinem Film keine Entsprechung. Die Darstellung der muslimischen Araber ist vielmehr überaus stereotyp und zeichnet diese ausnahmslos als Bedrohung für die Amerikaner, mit denen sich der Zuschauer identifiziert.437 Charakteristischerweise treten sie einmal mehr vor allem in Gestalt der fanatisierten Masse in Erscheinung, für deren Aggression es keine rational nachvollziehbaren Gründe gibt. Die arabischen Transparente und Rufe der Demonstranten bleiben für das dieser Sprache nicht mächtige Publikum rätselhaft,438 laut Sokal geht es bei den Protesten um »[t]he usual bullshit about American presence in the Gulf«. Eine genauere Erklärung wird nicht angeboten, sodass auch in diesem Film das Wesen des Mittleren Ostens selbst, das in der feindseligen Religion des Islam zum Ausdruck kommt, letztlich die Ursache der Gewalt ist. Überdeutlich wird dies, wenn Hodges im Gerichtssaal eine der Kassetten, die er im Jemen gefunden hat, vorspielt und deren Inhalt von einem einheimischen Arzt übersetzen lässt: »We call on every Muslim who believes in God and hopes for reward to obey God’s command. To kill Americans and plunder their possessions wherever he finds them. To kill Americans and their allies both civil and military is duty [sic!] of every Muslim who is able.« Dieser Text entspricht tatsächlich den Aufrufen Osama Bin Ladens.439 Es ist aber bezeichnend, dass wieder einmal nur ein kurzer Auszug mit der religiösen Rechtfertigung präsentiert wird, nicht aber die politischen Forderungen und Vorwürfe, die diese Botschaften auch enthalten. Wie üblich wird so der Eindruck erweckt, dass diese gar nicht existieren. Die Verbreitung der Kassetten, denen Hodges im Jemen überall begegnet, signalisiert zudem, dass die gesamte jemenitische Bevölkerung und auch die Polizei Teil der dschihadistischen Bewegung sind, ein Eindruck, der dadurch, dass alle Jemeniten hinsichtlich der Geschehnisse beim Angriff auf die Botschaft lügen, noch verstärkt wird. Das konsequente Verleugnen der Wahrheit und die Konstruktion einer Erzählung, die den USA die Schuld zuschreibt, stellt zugleich eine Verbindung zwischen dem äußeren und dem inneren Feind, zwischen den Dschihadisten und den Verfechtern der ›politischen Korrektheit‹ her. Im Gegensatz zu dieser Lügenversion – aber auch zu den Bildern, die der Zuschauer zunächst zu sehen bekommen hat – zeigen das Video der Überwachungskamera und ein Flashback von Childers eine Menschenmenge, in der selbst Frauen und Kinder bewaffnet sind. Hat Rules of Engagement zu435 Audiokommentar der DVD. 436 Ebenda. 437 Vgl. dazu wiederum Semmerling, »Evil« Arabs, der auch auf Parallelen zu Friedkins The Exorcist (1973) hinweist, den er ebenda, 30-59, ausführlich analysiert. 438 Semmerling übersetzt die Rufe ebenda, 179, mit »America! America! Withdraw from Yemen!« 439 Vgl. Bin Laden, »Jihad«, 412. Laut Friedkins Audiokommentar handelt es sich bei den Kassetten um Originale, die im realen Jemen als Drohung an Angehörige der Botschaft verschickt worden waren und auf denen Bin Ladens Stimme zu hören ist.
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vor noch Mitleid mit den vermeintlich unschuldigen Opfern geweckt, auf die Hodges im Jemen getroffen ist, so wird diese Gefühlsregung nun als Ergebnis einer Täuschung diskreditiert. Selbst das kleine Mädchen, das bei dem Vorfall ein Bein verloren hat und zunächst als Symbolfigur des Unrechts von Childers’ Handeln erschienen ist, ist in den Erinnerungen des Colonels plötzlich mit einem großen Revolver in der Hand zu sehen, mit dem es auf die Amerikaner – und dank der subjektiven Einstellung: auf den Zuschauer – zielt. Von diesem Moment an ist klar, dass es keine unschuldigen jemenitischen Opfer gibt, nur Terroristen jeglichen Alters und Geschlechts. Die Wahrheit, die Sokal und seinesgleichen verleugnen, betrifft also gerade den Charakter des Feindes und was nötig ist, um Amerika gegen diesen zu verteidigen. Vorzuwerfen ist dem Film nicht, dass er einen terroristischen Angriff im Jemen in Szene setzt – immerhin fand ein solcher nur ein gutes halbes Jahr nach dem Kinostart im Hafen von Aden auf die USS Cole statt.440 Mehr als problematisch ist aber die Art und Weise, wie – in scharfem Kontrast zu den Einlassungen des Regisseurs – die gesamte Bevölkerung des arabischen Landes bis hin zu Kindern zu gefährlichen Terroristen und damit zu einem legitimen Ziel amerikanischer Gewalt erklärt wird. Childers’ Kommando »Waste the motherfuckers!«, das im Prozess kritisch hinterfragt wird, weil es das Prinzip der political correctness verletzt, erweist sich in der Darstellung des Films letztlich nicht als Ausdruck von rassistischer Verachtung und Unmenschlichkeit, sondern als angemessene Reaktion auf einen Feind, der so heimtückisch ist, dass er selbst Frauen und Kinder in den Kampf schickt und den Amerikanern damit keine andere Wahl lässt, als auf seine Barbarei mit eigener schonungsloser Brutalität zu reagieren. Damit erfüllt sich das Muster des savage war, das bereits beim Eintreffen der Marines in der Botschaft evoziert wird, das deutlich an das rettende Auftauchen der Kavallerie im Western angelehnt ist, wobei gängige Mittel wie die Parallelmontage und die triumphale Musik die entsprechende Wirkung verstärken. Indem Rules of Engagement selbst das Töten von Kindern rechtfertigt, geht er noch über Black Hawk Down hinaus, der den Feind ebenfalls als Wilde darstellt,441 in dem einer der Ranger aber einen somalischen Kindersoldaten verschont, der beim Versuch, den Amerikaner zu töten, versehentlich seinen eigenen Vater erschossen hat. Auch Ridley Scotts Film zeigt jedoch, wie die amerikanischen Soldaten durch den außerhalb jeder Ordnung agierenden Feind dazu gezwungen werden, selbst Frauen zu erschießen. Dass die Legitimiät von Childers’ Vorgehen überhaupt in Zweifel gezogen werden kann, obwohl es sich um einen Akt der Selbstverteidigung handelt, hängt maßgeblich wieder mit dem Problem des schwachen Feindes zusammen, das ich im Zu440 Interessanterweise wurde in der Folge dieses Anschlags auch Kritik an den für die USS Cole geltenden rules of engagement laut, die deutlich an den Film erinnert. So erklärte eine Soldatin: »If we had shot those people, we’d have gotten in trouble for it. That’s what frustrating about it. We would have gotten in more trouble for shooting two foreigners than losing 17 American sailors.« Zitiert nach »Bombed US Warship Was Defended by Sailors with Unloaded Guns«, http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middle east/yemen/1374316/Bombed-US-warship-was-defended-by-sailors-with-unloaded-guns. html (18.08.2016). 441 Vgl. dazu McCrisken/Pepper, American History, 196f.
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sammenhang mit den ›Schurkenstaaten‹ erläutert habe. Auch gegenüber Terroristen können die USA nur schwer in der Rolle des Underdogs gezeigt werden, tatsächlich »dient vor allem der ›David-gegen-Goliath‹-Rahmen [als maßgebliche interpretatorische Narrationsschablone] Terroristen dazu, den Kampf aus ihrer Sicht und in ihrem Sinne zu beschreiben und sich und ihre Gegner darin zu situieren.«442 Das Szenario der Attacke auf die Botschaft in Rules of Engagement zeigt die Amerikaner zwar zunächst in einer scheinbar unterlegenen Position, fern der Heimat und bestürmt von Scharen von Feinden, aber die Entfesselung der überlegenen amerikanischen Feuerkraft auf Childers’ Befehl hin enthüllt augenblicklich die wahren Kräfteverhältnisse. Der Triumph über den Feind ist so einfach und vollständig und geht mit einem derartigen Blutvergießen einher, dass der Anspruch auf moralische Überlegenheit plötzlich fragwürdig wird. Der Blick über den mit Toten und Verwundeten, mit blutüberströmten Frauen und Kindern bedeckten Platz beschwört wieder einmal den bösen Geist des Vietnamkrieges herauf, die Frage, ob die Vereinigten Staaten eine rassistische imperialistische Macht sind. In der Tat spielt der Vietnamkrieg in Rules of Engagement eine ebenso wichtige Rolle wie der aktuelle ›Krieg gegen den Terror‹, zwischen dem Gefecht in Sanaa und den Kämpfen in Südostasien werden durchgehend explizite und implizite Verbindungen hergestellt, insbesondere durch die Krise des imperialen Blicks.443 Der Film beginnt denn auch 1968 mit der Schlacht von Ca Lu in Vietnam, wo Hodges und Childers als junge Lieutenants im Dschungel in ein blutiges Gefecht mit einer nordvietnamesischen Einheit geraten. Während Childers den feindlichen Kommandeur, Colonel Cao, gefangen nehmen kann, wird Hodges’ Platoon von dessen Männern aus dem Hinterhalt heraus aufgerieben. Childers, über Funk von der Notlage seines Freundes informiert, fordert daraufhin von dem vietnamesischen Offizier, seinen Männern den Rückzug zu befehlen und verspricht ihm dafür die Freiheit, droht aber zugleich mit vorgehaltener Waffe, er werde sonst den ebenfalls gefangenen Funker erschießen – was er dann auch, ohne zu zögern, tut, als Cao nicht reagiert. Auch hier ist Rules of Engagement drastischer als viele andere Produktionen, in denen dem Held in der Regel erspart wird, solche Drohungen wahrmachen zu müssen. Der Verstoß gegen sonst übliche Normen erweist sich aber auch in diesem Fall als ein effektives Mittel, denn tatsächlich gibt Cao, der nun weiß, dass Childers nicht blufft, den entsprechenden Befehl an seine Männer, wodurch Hodges das Leben gerettet wird, während er selbst wie versprochen freigelassen wird. Die Tötung des gefesselten Vietnamesen ist ein eindeutiges Kriegsverbrechen, das obendrein eines der ikonographischen Bilder des Vietnamkrieges reinszeniert, die Exekution eines Vietcong durch den südvietnamesischen Polizeipräsidenten Nguyen Ngoc Loan auf offener Straße, die ebenfalls 1968 stattfand und die Kritik an Amerikas Rolle in dem Konflikt gerade auch in der Heimat befeuerte.444 An die Proteste der Kriegsgegner erinnert im weiteren Verlauf überdeutlich die Szene, in der Childers vor dem Stützpunkt auf eine Gruppe vor allem jugendlicher Demonstranten trifft, die durch die Berichterstattung in den Medien aufgeputscht sind. Wie die Vietnamheimkehrer zuvor wird der Colonel als »baby-killer« beschimpft und angespuckt. 442 Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 53. 443 Siehe dazu ausführlich Semmerling, »Evil« Arabs. 444 Siehe dazu auch Kap. II.3.1.
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Childers’ Handeln im Jemen und die Kritik daran werden so mit den Geschehnissen in Vietnam und den Debatten darum auf eine Ebene gestellt. Entsprechend versucht die Anklage auch, den Vorfall in Ca Lu im Prozess gegen Childers zu verwenden, indem sie Cao als Zeugen aufruft, und in den Abschlussplädoyers spielt diese Aussage eine zentrale Rolle: Während Major Biggs sie als Beleg für Childers’ »barbarism« verstanden wissen will, betont Hodges, dass er sein Leben dem »heroism« seines Freundes verdanke. Wenn Childers am Ende für nicht schuldig befunden wird, kommt dies somit quasi einem doppelten Freispruch gleich, der Amerika auch von dem Vorwurf reinwäscht, in Vietnam etwas Falsches getan zu haben.445 Tatsächlich erteilt Vietnam, personifizert in Cao, Childers und damit den Vereinigten Staaten sogar selbst die Absolution, denn auf Hodges’ Nachfrage bestätigt der ehemalige Feind, dass er an Stelle des amerikanischen Offiziers ebenso gehandelt hätte, und legitimiert damit scheinbar dessen Verbrechen. Zum Schluss salutiert Cao vor dem Gerichtsgebäude vor Childers, der den militärischen Gruß erwidert, ein Zeichen gegenseitiger Anerkennung, das noch das Ende von Casualties of War übertrifft, weil hier nicht derjenige, der sich für die Aufklärung eines Kriegsverbrechens eingesetzt hat, sondern der Täter selbst mit Vietnam versöhnt wird. Das Urteil von Rules of Engagement, das der Zuschauer als Lehre mitnehmen kann, lautet schlussendlich, dass der Zweck, amerikanische Leben zu retten, jegliches Mittel heiligt. Childers ist für den Film ein Held, kein Barbar, aber im Kampf gegen einen barbarischen Feind ist er gezwungen, ebenso rücksichtslos zu agieren wie dieser, um Amerika zu verteidigen. Gerade dass er das verstanden hat, macht ihn zu dem Helden, den die Vereinigten Staaten angesichts der terroristischen Bedrohung brauchen, die von den Verfechtern der political correctness, die selbst nicht wissen, wie es ist zu kämpfen, verkannt und ignoriert wird.446 Regeln, die den Krieg zivilisieren, die Gewalt beschränken sollen, erscheinen als realitätsfern und als hinderlich bei der entscheidenden Aufgabe, Amerikaner zu beschützen: »I was not going to stand by
445 Der Film greift damit Norman Podhoretz vor, der in seinem Buch World War IV ebenfalls obsessiv Verbindungen zwischen dem war on terror und Vietnam herstellt und versucht, die Kritik an beiden Kriegen zu diskreditieren. Die Gleichsetzung von inneren Gegnern mit einer den Terroristen vergleichbaren Bedrohung, die Rules of Engagement in der Figur Sokal vornimmt, findet bei Podhoretz einen noch drastischeren Ausdruck in Bezeichnungen wie »domestic insurgency« (ebenda, 131). Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch Ministry of Vengeance: Hier leidet der Held unter seinem persönlichen Vietnamtrauma, nämlich dass er gezwungen war, in einem Vietcongtunnel ein Mädchen zu erschießen, das eine Handgranate auf ihn werfen wollte, stellt sich aber dennoch dem Kampf gegen die Terroristen, deren Anführer er am Ende ebenfalls in einem Tunnel tötet. Schon davor wird in einer Traumsequenz eine Verbindung zwischen der Vietnamesin und dem Araber hergestellt. Auch in Hodges’ Traum auf dem Rückflug aus Sanaa verschmelzen die Erinnerungen an Vietnam und den Jemen. In einer vielsagenden Montage folgt dabei die Aufnahme eines tödlich getroffenen Marines in Ca Lu auf das Bild eines kleinen arabischen Jungen, der mit seinen Fingern eine Pistole formt und auf Hodges zielt. 446 Es ist das beständig wiederholte Mantra des Films, dass nur eigene Kampferfahrung die Autorität verleiht, beurteilen zu können, was in einem Gefecht richtig oder falsch ist.
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and see another marine die just to live by those fucking rules!«, wie Childers vor Gericht erklärt. Wenn Friedkin in seinem Audiokommentar gebetsmühlenartig beteuert, dass es ihm wichtig sei, kein Urteil vorzugeben, sondern dies den Zuschauern zu überlassen, steht das in einem deutlichen Widerspruch zu der unzweideutigen Haltung seines Films, den er als »the most important film I ever made« bezeichnet, weil er wichtige Fragen aufwerfe. Interessant ist allerdings, dass und warum ursprünglich noch vorhandene Ansätze von Ambivalenz während der Produktion getilgt wurden: Wie der Regisseur berichtet, wurden die Szenen, die Childers’ Unschuld beweisen, indem sie eine bewaffnete Menge zeigen, also der Flashback während des Fahnenappells und die Sichtung des Videobandes durch Sokal, erst eingefügt, nachdem Testvorführungen das Verlangen des Publikums danach ergeben hatten. Zudem sei mit unterschiedlichen Urteilssprüchen experimentiert worden, mit dem Freispruch sei man ebenfalls – entgegen Friedkins anfänglichen Vorstellungen – den Wünschen der Zuschauer gefolgt, für die man schließlich die Filme mache. Man kann hieran zum einen beispielhaft sehen, wie große Hollywoodfilme als Industrieprodukte auf den Konsumenten zugeschnitten werden, den sie nicht herausfordern, sondern dem sie gefallen sollen. Man kann zum anderen aber auch konstatieren, dass Friedkin Recht hat, wenn er sein Vertrauen auf das Publikum zum Ausdruck bringt, weil dieses anscheinend klarer als er selbst erfasst hatte, dass Rules of Engagement ohnehin nicht ambivalent angelegt und Childers als Held gezeichnet war, auch ohne die später eingefügten Szenen. Friedkin selbst verweist im Audiokommentar etwa darauf, dass schon die Besetzung die Sympathien beeinflusst.447 Zudem wird Childers bei der Evakuierung der Botschaft überaus heroisch in Szene gesetzt, wenn er den verängstigten kleinen Sohn des Botschafters persönlich zum Helikopter trägt und danach unter Lebensgefahr die amerikanische Flagge einholt. Gleichwohl zeigt diese Produktionsgeschichte, dass das Publikum eine klare Rollenverteilung von Gut und Böse und eine dementsprechende Auflösung wollte. So forderte es auch die Texteinblendungen zum Schluss ein, die die Bestrafung von Sokal und dem Botschafter verkünden.448 In diesem Sinne wollten die Zuschauer offensichtlich auch muslimische Araber unzweideutig in der Rolle der Schurken und nicht etwa als Opfer sehen, was es möglich machte, sich an der Gewalt gegen diese zu ergötzen. »In some theaters viewers cheered as the marines gunned down the Yemeni«, vermerkt Jack Shaheen eine Reaktion, die auch bei Vorführungen anderer Filme wie Iron Eagle (1986) und Navy Seals zu beobachten war, wenn amerikanische Helden arabische Bösewichten das gaben, was sie nach Meinung der Zuschauer verdient hatten.449 Die Orientierung am Geschmack des Publikums machte sich mit Blick auf den amerikanischen Markt bezahlt, denn im Gegensatz zu The Siege spielte 447 Die Besetzung spielt beispielsweise auch insofern eine Rolle, als dadurch, dass sowohl Samuel L. Jackson als auch der Darsteller von Captain Lee, dem er den Feuerbefehl gibt, schwarz sind, von der rassistischen Behandlung der Araber abgelenkt wird. Dies steht wiederum im Gegensatz zu The Siege, der Denzel Washingtons Hautfarbe auch benutzt, um Rassismus zum Thema zu machen. 448 Vgl. Friedkins Audiokommentar. 449 Shaheen, Reel Bad Arabs, 404; zu Navy Seals siehe ebenda, 346, zu Iron Eagle Kap. III.2.1.
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Rules of Engagement seine Produktionskosten von 60 Millionen Dollar allein in den USA wieder ein.450 Bei den Kritikern kam der Film weniger gut an, aber es gab auch wohlwollende und zum Teil sogar regelrecht ekstatische Stimmen wie die des berühmten Talkmasters Larry King: »Wow! What a great film!«451 Laut Friedkin lobte sogar der Nationale Sicherheitsberater Sandy Berger ihm gegenüber Rules of Engagement als »great« und »very authentic«.452 Und für den konservativen Kritiker Hollywoods Michael Medved war der Film noch 2004 eine rühmliche Ausnahme vom sonstigen Sittenverfall im Kino und schlicht »excellent« – eine Feststellung, die er ironischerweise ausgerechnet in einem Aufsatz machte, der die Mitschuld der Filmindustrie am Anti-Amerikanismus im Ausland behandelte.453 Bemerkenswert ist noch, dass Rules of Engagement zu der großen Zahl von Filmen gehört, deren Produktion durch das Pentagon unterstützt wurde, obwohl die Verantwortlichen in diesem Fall angesichts der Ermordung eines Kriegsgefangenen durch Childers selbst nicht damit gerechnet hatten.454 Während man bei Black Hawk Down, der Verfilmung eines realen Einsatzes, darauf bestanden hatte, den Namen eines der beteiligten Soldaten zu ändern, weil dieser mittlerweile wegen der Vergewaltigung eines zwölfjährigen Jungen verurteilt worden war und die heroischen Streitkräfte nicht mit solchen Handlungen in Verbindung gebracht werden sollten,455 sah man die Rechtfertigung von Kriegsverbrechen im Verteidigungsministerium offenbar nicht als hinreichenden Grund an, einem Film jegliche Unterstützung zu versagen. Dass sich die peinlich auf die Pflege ihres eigenen Images bedachte Armee nicht sonderlich um die rassistische Stereotypisierung arabischer Muslime scherte, ist dagegen keine Überraschung, erhielten doch auch die Produzenten diverser anderer Filme Hilfe, in denen das der Fall war, wie zum Beispiel – mit gewissen Vorbehalten und nur beschränkt – Navy Seals und – wesentlich enthusiastischer und umfangreicher – True Lies.456 Auf diese Weise trug auch das Pentagon dazu bei, das Feindbild
450 The Siege kostete 70 Millionen Dollar, spielte in den USA aber nicht einmal 41 Millionen ein, während Rules of Engagement auf dem heimischen Markt ein Ergebnis von knapp über 61 Millionen erzielte. Interessant ist, dass die Dinge im Fall dieser beiden Produktionen international ganz anders lagen: Während Rules of Engagement im Ausland nur weitere 10 Millionen einspielen konnte, kam The Siege weltweit auf mehr als 116 Millionen. Quelle: http://www.the-numbers.com/movies/1998/SIEGE.php (19.06.2007); Quelle: http://www.the-numbers.com/movie/Rules-of-Engagement#tab=summary (18.08.2016). 451 Zitiert nach »Predictable ›Engagement‹ «, in SFE 07.04.2000; für negative Bewertungen siehe außerdem beispielhaft »It’s a War Out There, Soldier, and the Uniform Is Made of Cynicism and Pain«, in: NYT 07.04.2000; »Conduct Unbecoming«, in: WP 07.04.2000; »Rules of Engagement« auf http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/ 20000407/REVIEWS/4070304/1023 (16.06.2007); positiv urteilt »A Fallen Hero«, in: SFC 07.04.2000. 452 Friedkins Audiokommentar. 453 Medved, »That’s Entertainment?«, 53. 454 Vgl. Suid, Guts and Glory, 646. 455 Es handelt sich um Ranger Specialist John Stebbins, aus dem im Film Danny Grimes (gespielt von Ewan McGregor) wurde; siehe dazu Robb, Operation Hollywood, 91-3. 456 Dazu Suid, Guts and Glory, 595f u. 601f.
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des muslimischen Terroristen aufzubauen und das Konzept des savage war als einzig richtige Antwort auf diese Bedrohung zu verbreiten. Gerade im Hinblick auf die Missachtung von Gesetzen und Menschenrechten im war on terror offenbart sich noch einmal der Wert der Filmanalyse, da sie dazu beiträgt, diese Geschehnisse zu erklären. Es zeigt sich, dass die Idealisierung rücksichtsloser Gewalt und die Idee der ›guten Folter‹ keineswegs erst in der Erregung nach dem 11. September 2001 entstanden, sondern tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt und weithin akzeptiert sind. Das ist eine wichtige, aber auch erschreckende Erkenntnis, weil sie es unmöglich macht, schockierende Verbrechen wie etwa die in Abu Ghraib verübten lediglich auf den Sadismus einiger gestörter Individuen zurückzuführen oder die Verantwortung nur bei einzelnen Politikern zu suchen. Vielmehr muss man der unangenehmen Wahrheit ins Auge blicken, dass jene, die im ›Krieg gegen den Terror‹ die Befehle gaben, ebenso wie jene, die sie ausführten, in einer Kultur groß geworden waren, die sie mit bestimmten Vorstellungen ausgestattet hatte, an denen sie sich orientierten; dass sie über Jahrzehnte hinweg mit Feindbildern sozialisiert worden waren; dass sie gelernt hatten, im Zweifelsfall alle Muslime als Terroristen und Terroristen als Verkörperungen des Bösen zu betrachten; und dass im Kampf gegen das Böse jedes Mittel erlaubt war.
Zusammenfassung und Ausblick »You either die a hero or you live long enough to see yourself become the villain.« The Dark Knight (2008)
Am Ende der 1970er Jahre blickten die Vereinigten Staaten auf zwei schwierige Jahrzehnte zurück, geprägt von scharfen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, politischen Skandalen und vor allem dem langen und blutigen Krieg in Vietnam, der in einer unerwarteten Niederlage geendet und in In- und Ausland heftige Kritik an der Rolle der USA in der Welt hervorgerufen hatte. Doch verfügte Amerika in der globalen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, die damals noch die Weltpolitik bestimmte, über einen nahezu idealen Feind, vor allem insofern er ein Feindbild ermöglichte, über das sich in der Gegenüberstellung wieder ein positives Selbstbild konstruieren ließ. Indem das sowjetische Imperium unter Ronald Reagan zum ›Reich des Bösen‹ erklärt wurde, definierte man die USA wieder als die Macht, die für das Gute stand. Die Wiederbelebung des Kalten Krieges nach der Phase der Entspannung lenkte von inneren Konflikten ab und schuf insbesondere die Voraussetzung dafür, das Vietnam-Trauma wenn schon nicht zu überwinden, so doch wenigstens zu verdrängen – und nicht etwa umgekehrt. Entscheidend dafür war, dass die UdSSR ebenfalls eine Supermacht war, die sich leicht als eine ernsthafte Bedrohung der Vereinigten Staaten darstellen ließ. Es wurde sogar eine militärische Überlegenheit der Sowjetunion postuliert, was nicht nur ein großes Aufrüstungsprogramm legitimierte, um den vermeintlichen Nachteil auszugleichen und aus einer Position der Stärke heraus verhandeln zu können, sondern es vor allem möglich machte, der Vietnamerfahrung neue Bilder eines Kampfes David gegen Goliath entgegenzusetzen, die die USA zum Beispiel in Rocky IV (1985) in der Position des schwächeren, aber gerade deshalb moralisch überlegenen und am Ende siegreichen Kämpfers für das Gute zeigten. In populären Filmen wie Red Dawn (1984) oder Rambo: First Blood Part II (1985) schlüpften die Amerikaner als Guerillakämpfer gegen die mächtige sowjetische Militärmaschine in die Rolle des Vietcong. Das Feindbild fungierte somit in charakteristischer Weise als eine Projektionsfläche für problematische Aspekte der eigenen Identität. Imperialismus und Aggression wurden – nicht zuletzt mit Verweis auf Afghanistan – zu Charakteristika der sowjetischen Politik und Ausdruck kommunistischer Weltherrschaftsgelüste erklärt, während die Vereinigten Staaten als Opfer und als Verteidiger der Schwachen erschienen. Rassismus wurde als fortbestehendes Problem in den USA heruntergespielt oder gänzlich negiert und stattdessen den Sowjets zugeschrieben, etwa in White Nights (1985).
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Das Feindbild wurde dabei in einer Weise gestaltet, die den Kalten Krieg als eine Art Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs erscheinen ließ, besonders deutlich, wenn beispielsweise in Firefox (1982) durch Verweise auf die Verfolgung von Juden Parallelen zwischen Nazis und Kommunisten gezogen wurden. Durch die Beschwörung dieses ›guten‹ Krieges mit seiner unbestreitbar positiven Rolle der Vereinigten Staaten und dem siegreichen Ausgang wurde wiederum ein Gegenbild zu Vietnam entworfen. In diesem Sinne wurde der totalitäre Charakter der Sowjetunion hervorgehoben, die zum völligen Gegensatz von Freiheit wurde, ein Thema, das vor allem in Filmen, die hinter dem Eisernen Vorhang spielen, ausführlich behandelt wurde, häufig kombiniert mit einer Darstellung kommunistischer Mangelwirtschaft, die den kapitalistischen Westen ebenfalls als gelobtes Land definierte. Das menschenfeindliche Wesen des Ostblocks wurde dagegen schon in den Bildern eines scheinbar ewigen Winters verdeutlicht und mehr noch in den maschinenhaften oder unverhohlen sadistischen Repräsentanten des sowjetischen Systems. Deren Identifikation mit dem Bösen konnte noch unterstrichen werden, indem man die amerikanischen Helden in der christlichen Heilssphäre verankerte und so deutlich der Gottlosigkeit der Kommunisten gegenüberstellte. Der Supermachtstatus der UdSSR erleichterte es auch, sie für alles Unheil verantwortlich zu machen, mit dem sich Amerika konfrontiert sah. So wurde ihr vor allem eine entscheidende Rolle als Förderer des internationalen Terrorismus zugeschrieben, der in den 1980er Jahren gerade deshalb zu einer existentiellen Bedrohung der USA erklärt wurde. Der ›Krieg gegen den Terror‹ begann unter Ronald Reagan als Teil des Kalten Krieges, weil man im Terrorismus einen verdeckten Angriff des Ostblocks und mit diesem verbündeter Staaten auf den Westen sah, eine Vorstellung, die in zahlreichen Filmen der Zeit aufgegriffen und verbreitet wurde. Gerade hier zeigt sich die tiefgreifende und nachhaltige Wirkung des Feindbilddenkens, das entscheidend dazu beitrug, Terrorismus zu einem Problem ersten Ranges zu machen. Das Bild eines wieder erstarkten und selbstbewussten Amerikas als Leuchtturm der Freiheit, das Reagan beständig beschwor, war also untrennbar verbunden mit der Vorstellung des Kalten Krieges als Kampf zwischen Gut und Böse, weil gerade die Feststellung, dass das sowjetische Imperium das Böse verkörperte, die entgegengesetzte Rolle der Vereinigten Staaten festschrieb. Das ist in den Spielfilmen dieser Jahre besonders deutlich zu erkennen, die einen großen Anteil daran hatten, diese Imagination in ein greifbares beziehungsweise anschaubares Produkt der Kultur umzusetzen, und damit gleichzeitig zu ihrer Popularisierung beitrugen. In der ersten Hälfte der 1980er Jahre stellten nur wenige amerikanische Produktionen das Feindbild in Frage und übten Kritik an der Politik und Ideologie des erneuerten Kalten Krieges. Dies änderte sich jedoch, als die Reformen, die Michail Gorbatschow ab 1985 als Generalsekretär der KPdSU anstieß, und die damit einhergehende Annäherung zwischen Ost und West eine Aufrechterhaltung des eindimensionalen Feindbildes immer schwieriger und schließlich angesichts nicht zu leugnender substantieller Veränderungen nahezu unmöglich machten, zumal auch die zuvor so konfrontative amerikanische Regierung sich davon verabschiedete. Ab 1987 erhielten die Sowjets in diversen Filmen zunehmend menschliche Züge. Mit der rasch voranschreitenden Entspannung, die in Abrüstungsvereinbarungen ihren Ausdruck fand, und der Auflösung des sowjetischen Imperiums am Ende des Jahrzehnts erschien die Regierung der UdSSR schließlich nicht mehr als Feind, sondern eher als
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neuer Partner des Westens. Dies spiegelte sich nicht zuletzt in diversen Filmen wie The Package (1989) oder Star Trek VI: The Undiscovered Country (1991) wider, die Verschwörungen unverbesserlicher ›kalter Krieger‹ gegen den Frieden auf die Leinwand brachten und in denen auf diese Weise nun das Feindbilddenken selbst zur Bedrohung wurde. Das Ende der kommunistischen Herausforderung, das durch die Auflösung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken im Dezember 1991 besiegelt wurde, konnte vom Westen als Triumph gefeiert oder zumindest mit Erleichterung zur Kenntnis genommen werden, schien damit doch die Gefahr eines globalen Nuklearkrieges gebannt, die noch wenige Jahr zuvor überaus real gewesen war und Ängste hervorgerufen hatte, von denen etwa The Day After (1983) zeugt. Als einzige verbliebene Supermacht befanden sich die USA in einer Position nie zuvor gekannter Dominanz. Eine neue Weltordnung, die maßgeblich von den Vereinigten Staaten und ihren Idealen geprägt werden würde, schien heraufzudämmern. Aber das Verschwinden des Feindes brachte auch Probleme und Unsicherheiten mit sich, was nicht verwunderlich ist, wenn man sich bewusst macht, welche Bedeutung der Kalte Krieg für Amerika gehabt hatte. All jene, die von der kommunistischen Bedrohung zuvor profitiert hatten, erlebten deren Fehlen als schmerzlichen Verlust oder zumindest als Herausforderung: die Rüstungsindustrie, die um ihre Aufträge bangen musste; der nationale Sicherheitsapparat aus Streitkräften und Geheimdiensten, der eine neue Aufgabe brauchte, die seine Größe rechtfertigte; Filmemacher, die glaubwürdige Schurken benötigten; und nicht zuletzt die Politik, die sich mit dem Ende der Konfrontation mit dem Osten ihres wichtigsten Orientierungsrahmens für die internationalen Beziehungen beraubt sah, eines Orientierungsrahmens, der die Komplexität der Welt erheblich reduziert hatte. Das Feindbild Sowjetunion (beziehungsweise Kommunismus) hatte einen grundlegenden Konsens in bestimmten Fragen gestiftet, es hatte die nationale Einheit gestärkt und war von enormer Bedeutung für die nationale Identität gewesen, indem es gerade zu Beginn der 1980er Jahre die Rekonstruktion eines positiven Selbstbildes trotz problematischer Erfahrungen erlaubt hatte. Das Verschwinden dieses Feindes erzeugte daher Unsicherheit und ließ Spannungen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft, die der Kalte Krieg zumindest teilweise verdeckt hatte, deutlicher zutage treten. Mit dem Beginn der 1990er Jahre verschärften sich die culture wars merklich und es wurde allenthalben die Sorge laut, die Vereinigten Staaten seien dabei, sich in einander befehdende Interessengruppen aufzulösen, insbesondere die Stellung des weißen Mannes sei von aggressiv auftretenden Minderheiten bedroht. Angesichts solcher Probleme entstand eine regelrechte Sehnsucht nach der Klarheit früherer Zeiten, als die Welt im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg noch einfach in Gut und Böse geteilt gewesen und Amerikas Mission eindeutig gewesen war. Die USA benötigten also einen Feind, der die UdSSR ersetzen konnte. Tatsächlich hatte schon vor deren Auflösung eine entsprechende Umorientierung eingesetzt, von der Produktionen wie Iron Eagle II (1988), Red Heat (1988) und Delta Force 3: The Killing Game (1991) zeugen, in denen Amerikaner und Sowjets gegen Bedrohungen wie ›Schurkenstaaten‹ im Mittleren Osten, internationalen Drogenhandel und Dschihadisten zusammenarbeiten. Auch dem südafrikanischen Apartheidregime und der japanischen Wirtschaftsmacht wurden parallel zur Beendigung des Kalten Krieges verstärkte Aufmerksamkeit zuteil und ihre Repräsentanten traten in Filmen als
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neue Bösewichte in Erscheinung. An Bedrohungen mangelte es also nicht, es fehlte aber ein Feind vom Format der Sowjetunion. Als wahrscheinlichster Kandidat für die Rolle des globalen Herausforderers erschien auf den ersten Blick China, das nach wie vor eine Diktatur unter Herrschaft einer kommunistischen Partei und zudem – in deutlichem Gegensatz zum zusammengebrochenen sowjetischen Imperium – im Aufstieg begriffen war, insbesondere dank einer boomenden Wirtschaft. Militärisch war die Volksrepublik allerdings weniger bedrohlich, zudem war sie seit ihrer Abkehr von einer strikten sozialistischen Planwirtschaft gerade im ökonomischen Bereich eng mit dem Westen und zumal den USA verbunden. Ein ausgeprägtes Feindbild entwickelte sich jedenfalls in den 1990er Jahren nicht, das Bild Chinas war vielmehr zwiespältig: Red Corner (1997) kritisierte beispielsweise die Diktatur der KP, zeigte aber gleichzeitig Tendenzen eines Wandels und einer Öffnung zum Westen. In anderen Filmen erschien Peking durchaus als Nachfolger Moskaus in der Konfrontation mit dem Westen, daneben wurde aber immer wieder auch eine Zusammenarbeit dargestellt, und die Schurkenrolle fiel oft nicht der chinesischen Regierung, sondern Einzelpersonen mit egoistischen und nicht etwa ideologischen Motiven zu. Die Spielfilme spiegelten so die ambivalente Haltung gegenüber China wider, die auch die amerikanische Politik bestimmte. Andere Staaten gaben deutlichere Feindbilder ab, konnten aber gleichfalls nicht die Sowjetunion ersetzen. Die Regierung Südafrikas konnte nur bis zum Ende der Apartheid 1994 dämonisiert werden und bedrohte zudem nie die Vereinigten Staaten selbst. Japan dagegen wurde tatsächlich eine Zeit lang als existentielle Bedrohung wahrgenommen, schien man sich doch in einem Wirtschaftskrieg zu befinden, den das vielfach als Aggressor gesehene ostasiatische Land zu gewinnen drohte. Eine anhaltende wirtschaftliche Krise Japans machte solche Befürchtungen ab Mitte der 1990er Jahre jedoch schnell obsolet. Anstelle von Staaten rückten nach dem Kalten Krieg zunehmend transnationale Phänomene wie Migration, Seuchen, Drogenhandel und Terrorismus in den Fokus der Bedrohungswahrnehmung. Vorteilhaft war dies insofern, als damit verbundene Feindbilder äußerst flexibel waren und sich mit alten und neuen Feinden auf vielfältige Weise kombinieren ließen. Allerdings blieben sie so zwangsläufig einigermaßen diffus, anders als das sowjetische Imperium zuvor konnten sie, und somit das Böse, nicht eindeutig verortet werden. Ohne einen solchen Fixpunkt wurde die Welt in den 1990er Jahren, zumal unter dem Eindruck einer fortschreitenden Globalisierung, als unübersichtlich und chaotisch wahrgenommen. Die neue Weltordnung entpuppte sich aus amerikanischer Perspektive schnell als Weltunordnung, die oftmals als gefährlicher angesehen wurde als die Konfrontation der hochgerüsteten Supermächte und ihrer Blöcke zuvor. Charakteristisch ist in dieser Hinsicht das Bild Russlands: Der größte und wichtigste Nachfolgestaat der UdSSR erschien angesichts diverser Krisen in den Filmen der 1990er Jahre nicht mehr als bedeutende Macht, sondern wurde mehr wie ein Land der Dritten Welt porträtiert, in dem die USA ordnend eingreifen mussten. Anstelle alles überwachender und regulierender Institutionen wie in der Sowjetzeit wurde in The Saint (1997), The Jackal (1997) oder The Peacemaker (1997) die Ohnmacht des Staates angesichts von Korruption und organisierter Kriminalität zum Markenzeichen Russlands. Das Bild eines Landes, dessen Regierung zwar ein Part-
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ner des Westens war, aber der chaotischen Verhältnisse nicht Herr wurde, schürte vor allem Ängste im Hinblick auf das große Arsenal von Massenvernichtungswaffen. Dass diese in die Hände von Feinden der USA, von ›Schurkenstaaten‹ und Terroristen, gelangen könnten, wurde zu einer zentralen Sorge Amerikas. Gerade die Schwäche Russlands trug so maßgeblich zur Verklärung des Kalten Kriegs als Ära der Stabilität und des Friedens bei. Gleichzeitig wurden in den Nationalisten, Mafiosi und Terroristen, die nun die Leinwand bevölkerten, stereotype Vorstellungen des ›bösen Russen‹ neu aufbereitet. Das Feindbild des Kalten Krieges löste sich somit nach dessen Ende nicht vollständig auf, sondern wurde in Teilen beibehalten und an die neue Zeit und deren Bedrohungswahrnehmung angepasst. Gemeinsam ist den verschiedenen Feindbildern, die seit den 1980er Jahren bedeutsam wurden, dass sie an zwei Traditionslinien anknüpfen, die sich so als zentral für die amerikanische Dämonologie erweisen. Dies ist zum einen der Kampf gegen den Totalitarismus, der auf den Zweiten Weltkrieg zurückgeht. Feinde der USA werden beständig als Wiedergänger der Nazis gezeichnet, weil diese als die Verkörperung des Bösen schlechthin gelten, deren Verbrechen und Weltherrschaftspläne es unausweichlich machten, sie mit Gewalt zu stoppen. Zudem waren sie ein starker Feind, der aber dennoch von den Vereinigten Staaten bezwungen wurde, sodass eine entsprechende Parallelisierung auch andere Feinde aufwertet, zugleich aber stets das Versprechen eines Sieges beinhaltet. Neue Konflikte werden so zu einer Fortschreibung von Zweitem Weltkrieg und Kaltem Krieg als eines fortdauernden Kampfes gegen das totalitäre Böse als Erzfeind der USA, die dann als Verteidiger von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten erscheinen. Gerade Rassismus als ein Problem, das die amerikanische Gesellschaft belastet, kann dabei auf den Feind projiziert und so als Element des Selbstbildes ausgeblendet werden. Außer bei der UdSSR ist dies vor allem beim südafrikanischen Apartheidregime sehr auffällig, auch die Serben wurden im Gefolge der Kriege auf dem Balkan in den 1990er Jahren in dieser Tradition verortet. Grundsätzlich weisen aber alle in dieser Arbeit behandelten Feindbilder entsprechende Züge auf. Wie zu sehen war, werden selbst die Schurken in Filmen, die in früheren Epochen spielen, regelmäßig ›nazifiziert‹, auch wenn dies historisch keinerlei Sinn ergibt. Die andere Traditionslinie reicht noch wesentlich weiter zurück, nämlich bis zu den Anfängen der US-amerikanischen Kultur und Mythologie: der savage war. Feinde, die so verortet werden, erscheinen wie die Indianer früherer Zeit als ›Wilde‹, die unterworfen oder vernichtet werden müssen, weil sie die Zivilisation bedrohen beziehungsweise ihrer Verbreitung im Wege stehen. Gemäß dem rassistischen Grundmuster des ursprünglichen savage war trifft dies vor allem nichtweiße Feinde wie die verschiedenen asiatischen Völker, mit denen die USA im 20. Jahrhundert in Kriege verwickelt waren und die als Repräsentanten der ›gelben Gefahr‹ einer eigenen Unterkategorie zugeordnet werden können. Aber grundsätzlich wird jeder, der gegen die akzeptierte Ordnung verstößt, zum Barbaren. Insofern ist es logisch, dass diese Traditionslinie in der Zeit nach dem Kalten Krieg wieder an Bedeutung gewonnen hat, weil sie deren bestimmender Wahrnehmung entspricht, dass die Vereinigten Staaten und andere zivilisierte Länder von Kräften des Chaos bedroht werden, die vor allem in der Dritten Welt beziehungsweise im ärmeren Süden ihren Ursprung haben. Drogenhandel und internationaler Terrorismus sind die paradigmatischen Bedrohungen der ›neuen Weltunordnung‹, weil sie Grenzen und Gesetze jedweder Art missachten
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und vor allem als Angriff barbarischer Wilder aus Lateinamerika oder dem Mittleren Osten auf die westliche, weiße Zivilisation gesehen werden. Entsprechend wurden Drogenhändler und Terroristen nach dem Kalten Krieg zu den wichtigsten Feindbildern, und beiden wurde von den USA der Krieg erklärt. Die enge Verbindung zwischen war on drugs und war on terror zeigt sich dabei nicht zuletzt im Konstrukt des Narcoterrorismus, das beide miteinander verschmolz. Im Laufe der 1990er Jahre kristallisierten sich Terroristen und die mit diesen in Verbindung gebrachten ›Schurkenstaaten‹ als das zentrale Feindbild heraus. Dies war nicht nur der aktuellen Bedrohungswahrnehmung geschuldet, sondern wurde auch dadurch begünstigt, dass man hier an den Kalten Krieg anknüpfen konnte, da der ›Krieg gegen den Terror‹ ja in den 1980er Jahren als ein Teil davon begonnen hatte. Dieses Feindbild war also beim Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums in wesentlichen Zügen bereits etabliert und musste lediglich an die neue Zeit angepasst werden, was leicht möglich war. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Dschihadisten sich nach dem Sieg über die Sowjetunion in Afghanistan und deren Auflösung ihrerseits den Vereinigten Staaten als nächstem Feind zuwandten, sodass die UdSSR von beiden Seiten jeweils mit dem anderen ersetzt wurde.1 Die USA wurden in der Folge häufiger das Ziel blutiger terroristischer Angriffe, was wiederum ihre Fokussierung auf den Terrorismus als Bedrohung verstärkte und entsprechende Rhetorik und Gegenmaßnahmen nach sich zog. Die verheerende Attacke auf New York und Washington am 11. September 2001 schuf daher keine von Grund auf neue Situation, dies zeigt die Filmanalyse mit Blick auf das Feindbild sehr deutlich; sie wirkte vielmehr wie ein Katalysator der schon im Gange befindlichen Entwicklung und besiegelte endgültig die Ersetzung des Kalten Krieges durch den war on terror, der nun dramatisch eskalierte. Vergleicht man die amerikanischen Feindbilder in diesen beiden ›Kriegen‹ miteinander, muss man zunächst feststellen, dass die Schwäche des Feindes im war on terror einen erheblichen Nachteil darstellt. Anders als die Supermacht UdSSR lassen sich ›Schurkenstaaten‹ und Terroristen nicht ohne Weiteres überzeugend als ebenbürtig oder gar militärisch überlegen und damit als glaubhafte existentielle Bedrohung präsentieren. Wie problematisch dies ist, wird klar, wenn man sich vor Augen hält, welche Bedeutung die Inszenierung der USA als Underdog im zweiten Kalten Krieg hatte, um das vor allem durch Vietnam beschädigte Selbstbild zu reparieren. In einem asymmetrischen Konflikt, in dem die Vereinigten Staaten als Supermacht schwächere Gegner bekämpfen, wird dagegen zwangsläufig der Geist Vietnams, den man exorzieren wollte, wieder heraufbeschworen und es werden Fragen nach der moralischen Legitimation des eigenen Vorgehens aufgeworfen, die sich in der Rolle des vermeintlich Schwächeren verdrängen ließen. Filme können dies teilweise kaschieren, indem sie sich auf Ausnahmesituationen wie Kommandounternehmen im Feindesland konzentrieren, in denen die Kräfteverhältnisse lokal und zeitlich begrenzt umgekehrt sind. Die filmische Aufarbeitung gerade des Kuwaitkrieges zeigt aber, wie schwierig es ist, einen Kampf als notwendig darzustellen und einen Sieg als heroische Leistung zu feiern, wenn der Feind allzu offensichtlich unterlegen ist. Der ›Krieg gegen den Terror‹ ist dadurch in seiner identitäts- und konsensstiftenden Funktion beeinträchtigt. 1
Vgl. Juergensmeyer, Global Rebellion, 247.
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Die Konstruktion einer ›Achse des Bösen‹ anstelle des früheren ›Reichs des Bösen‹, die sich schon beobachten ließ, bevor George W. Bush den Begriff prägte, kann als eine Antwort auf dieses Problem gesehen werden, insofern einzelne schwache Feinde so zu einem stärkeren verschmolzen werden. Dieser Feind lässt sich dann auch wieder besser als Fixpunkt der eigenen Weltsicht nutzen, weil er für einen großen Teil des Unheils nach dem Kalten Krieg verantwortlich gemacht werden kann und so die Sowjetunion in dieser Rolle beerbt. Die ständigen Bezugnahmen auf die ›Schurkenstaaten‹ als übliche Verdächtige in zahlreichen Spielfilmen zeigen diese Funktion sehr deutlich. Kompensiert werden soll die Schwäche des Feindes aber vor allem dadurch, dass Irrationalität zu einem zentralen Bestandteil des Feindbildes gemacht wird. Dies geschieht auch durch eine explizite Kontrastierung mit dem Kalten Krieg, wobei die Berechenbarkeit der UdSSR betont wird, die zwar falsche, aber nachvollziehbare Motive für ihr Handeln gehabt habe und auf deren Vernunft man sich letztlich immer habe verlassen können. Das Prinzip der Abschreckung, das den Kalten Krieg stabilisiert habe, funktioniere jedoch nicht in der Auseinandersetzung mit den Herrschern von ›Schurkenstaaten‹ und mit Terroristen, da diese ihre eigene Vernichtung in Kauf nähmen und schlicht wahnsinnig seien. Auf diese Weise erscheint der eigentlich schwache Feind plötzlich als gefährlicher als die Supermacht Sowjetunion. Massenvernichtungswaffen spielen dabei eine wichtige Rolle, weil diese die militärische Unterlegenheit in gewissem Maße ausgleichen, aber die behauptete Irrationalität ist entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Bedrohung, weil nur diese erklärt, warum Abschreckung und Verhandlungen gegenüber Staaten wie Irak oder Iran keine probaten Mittel sein sollen. Das von der Bush-Administration nach 9/11 zur offiziellen Strategie erhobene präemptive Vorgehen ist die logische Konsequenz dieses Feindbildes, das echte Kriege wahrscheinlicher macht, weil man den Feind nicht mehr nur für nicht vertrauenswürdig, sondern für völlig unberechenbar hält und dadurch auch durch eigene Überlegenheit keine Sicherheit mehr gewinnen kann. Das Feindbild kann hierbei an eine lange Tradition westlicher Bilder vom Orient anknüpfen, der sich als eine Art ›Urfeind‹ besonders leicht dämonisieren lässt und üblicherweise mit einem Mangel an Rationalität in Verbindung gebracht wird. Der Islam erscheint so als Ausdruck einer regelrechten Kultur des Wahnsinns, die den Terrorismus antreibt. Zwar werden Terroristen generell in Spielfilmen (kaum anders als in Nachrichtenmedien) als Wahnsinnige porträtiert. Aber – und dies hat die bisherige Forschung übersehen – arabische und muslimische Terroristen erscheinen dabei im Zusammenhang mit einem breiteren Diskurs um Orient und Okzident als charakteristische Repräsentanten ihrer Kultur, während westliche Terroristen wie etwa Charles Rane in Passenger 57 (1992) durch ihre Darstellung als Psychopathen von ›unserer Kultur‹ distanziert werden. Bezeichnenderweise werden routinemäßig Verbindungen dieser westlichen Terroristen zur islamischen Welt ins Spiel gebracht, womit verdeutlicht wird, dass diese untrennbar mit dem Phänomen des Terrorismus verbunden ist. Schon in den 1980er Jahren, als die UdSSR noch als wichtigste Triebkraft terroristischer Angriffe galt, wurde der Islam dem Kommunismus als Ideologie des Terrors beigesellt. Nach dem Kalten Krieg blieb er als entscheidende Ursache übrig. Andere Faktoren und Motive werden dagegen in den Filmen weitgehend ausgeblendet. Politische Forderungen werden allenfalls in so vager Form angesprochen, dass
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sie keine ernsthafte Auseinandersetzung damit ermöglichen, geschweige denn notwendig machen. Eine auffällige Ausnahme von dieser Regel stellt einzig die IRA dar, deren Mitglieder im amerikanischen Film tragische oder sogar heroische Figuren sind, die eher als (fehlgeleitete) Freiheitskämpfer denn als Terroristen erscheinen, während irische Bösewichte Mitglieder radikaler Splittergruppen und eben wieder Verrückte sind. Das zeigt, dass eine Anerkennung politischer Motive durchaus möglich ist, aber eben nicht im Feindbild des war on terror, demzufolge gerade Terroristen aus der islamischen Welt den Westen nicht wegen etwas angreifen, was er getan hat oder tut, sondern wegen dem, was er ist. Der ›Krieg gegen den Terror‹ wird so zu einem weiteren Kampf gegen die finsteren Mächte des Totalitarismus, die die Menschheit versklaven wollen. Entgegen der von Politikern häufig betonten Unterscheidung zwischen Extremisten und normalen Muslimen und der Versicherung, dass nicht der Islam als solcher als Feind betrachtet werde, verwischt das Feindbild solche Feinheiten und zeichnet den Konflikt schon seit den 1980er Jahren gerade auch als einen religiösen, indem die Filme immer wieder Verbindungen zwischen dem Islam und Gewalt zu einem besonderen Charakteristikum dieser Religion machen und insbesondere Angriffe von Muslimen auf christliche Geistliche als Topos nutzen. Der in der islamischen Welt verbreitete Hass auf Juden wird gleichzeitig simplifizierend mit dem Antisemitismus der Nazis gleichgesetzt, wodurch der neue Feind wiederum in die Tradition des totalitären Bösen gestellt und in gewisser Weise der Holocaust nachträglich aus der westlichen Geschichte herausgeschrieben wird, insofern er nun – wie der Terrorismus – als Ausdruck typisch orientalischen Wahnsinns erscheint. Für die Darstellung des Islam als totalitäre Ideologie sind die stereotypen Bilder fanatisierter Volksmassen wichtig sowie die Inszenierung des Ritualgebets als eines unpersönlichen Vorgangs, bei dem die Muslime ebenso maschinenhaft und uniform erscheinen wie die Anhänger von Nationalsozialismus und Kommunismus in anderen Filmen. Den stärksten ikonographischen Charakter hat aber das Bild der verschleierten Frau, in dem sich das Motiv der Ablehnung der Freiheit verdichtet und das somit die grundsätzliche Gefahr, die vom Islam für den Westen ausgeht, signalisiert.2 Eine wesentliche Funktion liegt dabei einmal mehr in der Projektion von Missständen – in diesem Fall immer noch bestehende sexistische Strukturen und Einstellungen – nach außen, sodass das Feindbild zu einem positiveren Selbstbild führt. Tatsächlich propagieren die Filme selbst zumeist ein hierarchisches Geschlechterverhältnis, während sie die Unterdrückung der Frau im Islam geißeln. Während die Einordnung des war on terror in den Kampf gegen den Totalitarismus eine Kontinuität zum Feindbild des Kalten Krieges darstellt, zeigt sich ein wesentlicher Unterschied darin, dass der neue Konflikt maßgeblich als savage war gesehen wird. Motive, die in diese Feindbildtradition gehören, wurden zwar auch zur Dämonisierung der UdSSR genutzt, spielten hier aber eine deutlich geringere Rolle. Dies hängt wiederum mit den oben beschriebenen Verschiebungen zusammen, mit dem Wechsel von einem starken zu einem schwachen Feind, der nicht, wie der Ost2
In jüngster Zeit illustrierten dies die Debatten in Frankreich und Deutschland um ein Burkini- bzw. Burkaverbot (wobei die verallgemeinernde Verwendung des Begriffs Burka eine bezeichnende Ignoranz gegenüber der Vielfalt von Verschleierungspraktiken in der islamischen Welt offenbart).
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block, Teil einer gemeinsamen, europäisch geprägten Kultur ist. Bezeichnenderweise spielte der savage war im Rahmen des Ost-West-Konflikts vor allem im Vietnamkrieg eine zentrale Rolle für das amerikanische Feindbild, als man sich mit einem schwachen und nichtweißen Feind konfrontiert sah. Die UdSSR dagegen wurde zwar mitunter in dem Sinne als barbarisch charakterisiert, dass man ihr vorwarf, Regeln der zivilisierten Welt zu missachten, Rassismus spielte aber bei der Darstellung der Sowjets keine Rolle. Das Feindbild im ›Krieg gegen den Terror‹ ist dagegen sehr stark rassistisch aufgeladen. In den Filmen der 1980er und frühen 1990er Jahre zeigt sich oftmals ein unverhohlener Rassismus gegenüber Arabern und Persern, der zu jener Zeit in dieser Form anderen Gruppen gegenüber schon als inakzeptabel erschienen wäre. Begünstigt wurde dies zweifellos dadurch, dass Araber, Perser und Muslime nur einen geringen Anteil an der amerikanischen Bevölkerung ausmachen und somit über wenig Einfluss verfügen. Ab Mitte der 1990er gab es gewisse Verbesserungen bei den filmischen Porträts, auch weil Interessenverbände nun häufiger und vehementer protestierten. Nichtsdestotrotz blieben rassistische Stereotype prägend, die wohl auch deshalb eine breite Akzeptanz genießen, weil sie auf eine jahrtausendelange Tradition zurückgreifen und sehr tief in den westlichen Gesellschaften verankert sind. Dass das Feindbild UdSSR einen anderen Charakter hatte, wird vor allem daran deutlich, dass hier in aller Regel zwischen Regierung und Bevölkerung unterschieden wurde. Es wurden also das sozialistische System und dessen Repräsentanten verteufelt, nicht aber die Menschen, die in diesem System lebten. Filme wie White Nights, Night Crossing (1981), Gorky Park (1983) und Moscow on the Hudson (1984) zeigten diese vielmehr als Opfer, als Menschen mit Gefühlen und Träumen, die sich nicht grundsätzlich von Amerikanern unterschieden. Der Islam erscheint im Kontrast dazu nicht nur als ein totalitäres Herrschaftssystem, sondern als eine monolithische Kultur, von der die Bevölkerung nicht zu trennen ist. Gegenbilder, wie sie die Produktionen über Fluchten aus dem Ostblock lieferten, fehlen hier nahezu völlig. Obwohl in den Dialogen mitunter erklärt wird, dass Fanatiker und Terroristen nur einen kleinen Teil aller Muslime ausmachen, vermitteln die wesentlich wirkmächtigeren Bilder und die gezeigten Szenarien einen ganz anderen Eindruck. In Filmen, die Fluchten aus islamischen Ländern thematisieren, stehen nicht deren muslimische Bewohner, sondern dort gefangene Amerikaner im Mittelpunkt, die nach dem klassischen Muster der captivity narrative ein Martyrium in der Hand der ›Wilden‹ durchleiden. Motive wie insbesondere das der Bedrohung von Frauen, das sich natürlich auch beim Feindbild Sowjetunion findet, haben in diesem Kontext noch einmal eine ganz andere Schärfe, weil sie auch Ängste vor der Überschreitung von ›Rassengrenzen‹ und der Infragestellung weißer Überlegenheit aktivieren. Die wenigen positiven muslimischen Figuren, die in den untersuchten Filmen in Erscheinung treten, sind entsprechend nach dem Schema imperialer Erzählungen stets ›verwestlichte‹ Helfer der Heldinnen und Helden, die allenfalls eine moderate Religiosität zeigen. Damit wird der Eindruck erweckt, dass ›Gutheit‹ und moralische Werte zwangsläufig mit der Anerkennung ›unserer‹ Überlegenheit und einer weitgehenden Abkehr von der islamischen Kultur verbunden sind.3 3
Wenn im Hinblick auf die Invasion im Irak die Unterscheidung zwischen dem Regime Saddam Husseins und der Bevölkerung wieder betont wurde, scheint dies dem Bild zu wi-
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Das Feindbild des war on terror ist also absoluter als das des Kalten Krieges, weil es einen Konflikt nicht nur zwischen unterschiedlichen Ideologien, sondern zwischen Kulturen oder besser noch: zwischen Zivilisation und Barbarei beschwört und dabei sehr stark auf rassistische Muster zurückgreift. Dies erklärt nicht zuletzt die Art und Weise, auf die der ›Krieg gegen den Terror‹ geführt wurde und wird, insbesondere den – von großen Teilen der Bevölkerung gutgeheißenen – Einsatz von Foltermethoden und deren Umschlagen in unkontrollierte Quälereien etwa in Abu Ghraib. Die Radikalität des war on terror entspricht dem Charakter des seit den 1980er Jahren aufgebauten Feindbildes und den Mustern des savage war: Wer die Zivilisation vor den ›Wilden‹ retten will, darf sich nicht an die Regeln der Zivilisation halten, sondern muss den Feind auch mit dessen eigenen brutalen Methoden schlagen. Einer der interessantesten (und erfolgreichsten)4 Filme, die den Wandel der Bedrohungswahrnehmung seit dem Kalten Krieg und die Konsequenzen daraus reflektieren, ist The Dark Knight (2008). Der zweite Teil von Christopher Nolans BatmanTrilogie ist ein Terrorismusthriller im Gewand eines Superheldenfilms, zu dessen Beginn der Vigilant im Fledermauskostüm, die Polizei und der aufrechte Staatsanwalt Harvey Dent das organisierte Verbrechen in Gotham City beinahe besiegt haben. Wie der Triumph Amerikas im Kalten Krieg läutet dies aber keine neue Ära der Sicherheit und des Friedens ein, stattdessen erscheint mit dem Joker ein viel gefährlicherer Feind auf der Bildfläche, der sich von den berechenbaren Kriminellen, mit denen es man zuvor zu tun hatte, signifikant unterscheidet. Batman alias Bruce Wayne verkennt dies zunächst, wie im Gespräch mit seinem treuen Butler deutlich wird: »Criminals aren’t complicated, Alfred. We just need to figure out what he’s after.« Alfred dagegen sieht, dass der Joker eine andere Art von Mensch ist: »Some men aren’t looking for anything logical, like money. They can’t be bought, bullied, reasoned or negotiated with. Some men just wanna watch the world burn.« Diese Analyse erweist sich im weiteren Verlauf des Films als zutreffend, und der Joker wird damit als paradigmatischer Feind der ›neuen Weltunordnung‹ gezeichnet. Er verkörpert in Reinform die populäre Wahrnehmung des Terrorismus als eines Phänomens, das nicht rational erklärbar ist. Sein Ziel ist nicht die Durchsetzung politischer Forderungen, sondern als »agent of chaos«, wie er sich selbst bezeichnet, will er die Ordnung der Zivilisation an sich zerstören. Selbst eine psychologische Deutung solchen Handelns als Folge eines Traumas wird als sinnlos verweigert, wenn der Joker verschiedene, einander widersprechende Geschichten darüber erzählt, wie er zu den Narben in seinem Gesicht gekommen ist. Der Joker ist eine Figur ohne Hintergrund und als solche ein Terrorist, der auch nicht im Islam verwurzelt ist. Dass Alfred den anarchischen Charakter verdeutlicht, indem er seine eigenen Erfahrungen bei der Verfolgung
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dersprechen. Die Annahme, der Irak werde nach dem Sturz des Diktators sofort ein demokratisches System nach amerikanischem Vorbild übernehmen, die sich auf die Überschätzung der prowestlichen Exilopposition stützte, entspricht diesem aber durchaus, zumal in der messianischen Rolle für den Mittleren Osten, die man sich selbst zuschrieb. Das Scheitern dieses Demokratisierungsprojekts ist wiederum dazu angetan, das Feindbild einer grundsätzlich demokratiefeindlichen islamischen Kultur noch zu stärken. Der Film spielte weltweit mehr als 1 Milliarde Dollar ein, 448 Millionen davon in den USA; Quelle: http://www.the-numbers.com/movie/Dark-Knight-The#tab=summary (31.08. 2016).
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eines Räubers im Dschungel von Burma schildert, kann allerdings so verstanden werden, dass diese Art von Wahnsinn ihren Platz ursprünglich in der chaotischen Welt außerhalb des Westens hat und nun in diesen eindringt. Die neuartige Bedrohung durch die Terrorkampagne des Jokers stellt die Zuschauer wie den Helden vor die Frage, wie dieser zu begegnen ist, eine Frage, die der Film auf ambivalente Weise verhandelt. So greift Batman selbst mehrfach zum Mittel der Folter,5 kritisiert aber Dent entschieden, als dieser das tut und damit seine Reputation aufs Spiel setzt. Das Ideal eines legitimen, rechtsstaatlichen Vorgehens wird gerade auch von dem Vigilanten hochgehalten, der sich bewusst ist, dass seine eigene Rolle problematisch ist, und der eigentlich hofft, sich zurückziehen und Dent die Verbrechensbekämpfung überlassen zu können. Anders als üblich – unter anderem im Vorgängerfilm Batman Begins (2005) – erweist sich Folter in The Dark Knight auch nicht als effektives Mittel, um an Informationen zu gelangen, mit denen Menschenleben gerettet werden können, was gerade auf den Wahnsinn des Jokers zurückgeführt wird. Dafür hilft aber eine futuristische Überwachungstechnologie dabei, diesen am Ende zur Strecke zu bringen, auf deren Nutzung Batman besteht, obwohl sein Erfinderfreund Fox sie als »dangerous« und »unethical« bezeichnet. Damit wird die Verletzung grundlegender Bürgerrechte im war on terror einmal mehr als Notwendigkeit gerechtfertigt. Typisch ist auch, wie dies entschärft wird, indem die Anlage nach der Ergreifung des Jokers zerstört und das Vorgehen damit als einmalige Ausnahme dargestellt wird, das somit die Freiheit der Bürger nicht bedroht, was freilich mit der Realität eines endlosen ›Krieges gegen den Terror‹ nichts zu tun hat, in dem das Überwachungsregime der NSA wohl kaum wieder beschnitten werden wird. Gleichwohl bleibt der Film zwiespältig: Einerseits wird betont, dass Regeln den Kampf gegen einen Feind, der sich selbst an keinerlei Regeln hält, erschweren. Andererseits wird aber nicht propagiert, deshalb alle Regeln zu brechen. Batman hält vielmehr bis zum Schluss an seiner wichtigsten Regel, niemanden zu töten, fest. Dent dagegen verwandelt sich auf seinem blindwütigen Rachefeldzug, nachdem seine Freundin Rachel Dawes ermordet und er selbst entstellt worden ist, in den Schurken Two-Face. Dies illustriert die Gefahr, durch eine Überreaktion, durch einen entgrenzten Kampf gegen den Terror selbst zu dem zu werden, wovor die Welt geschützt werden soll. In diesem Sinne kann Dents Entwicklung auch als Allegorie beziehungsweise als Warnung hinsichtlich derjenigen Amerikas gesehen werden. Gleichzeitig legt der Film nahe, dass ein ›sauberes‹ Heldentum, das den Gesetzen folgt, im war on terror nicht möglich ist. Nur Batman kann den Joker stoppen; und mit der Feststellung »You either die a hero or you live long enough to see yourself become the villain« sagt Dent nicht nur sein eigenes Schicksal voraus, sondern auch das Batmans, der am Ende die Schuld für die von Dent begangenen Morde auf sich nimmt, damit dieser als positive Identifikationsfigur für die Bevölkerung fungieren kann. Der eigentliche Held wird dagegen zum Ausgestoßenen und Gejagten. Die Illusion des ›Weißen Ritters‹ kann nur fortbestehen, weil der ›Dunkle Ritter‹ sich für diese opfert. The Dark Knight erzählt so eine weitere Version des amerikanischen Mythos, dass der Held nicht Teil der Gesellschaft sein kann, die er beschützt, weil gerade die Eigenschaften, die ihn zu ihrem Beschützer machen, ihn auch von ihr trennen. Insofern 5
Bei der Folterung des Gangsterbosses Marone begegnet dabei auch wieder ein komisches Moment.
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der Superheld eine Verkörperung der USA darstellt, kann dies, zumal vor dem Hintergrund des ›Krieges gegen den Terror‹ und der internationalen Kritik daran, auch als ein Opfer der Vereinigten Staaten für eine schutzbedürftige Welt verstanden werden, der so erspart wird, jene dunkle Seite an sich entdecken zu müssen, die zur Bekämpfung des Bösen notwendig ist. Christopher Nolans Film zelebriert dieses Opfer als heroischen Schlussakkord, bewahrt dabei im Unterschied zu vielen anderen Erzählungen dieser Art jedoch deutlicher dessen düstere Note. Es gibt am Ende von The Dark Knight keinen vollständigen Sieg über das Böse, das Dent korrumpiert hat, die Zivilisation hat sich als verstörend brüchig erwiesen, und die Unverzichtbarkeit Batmans ist für eine demokratische Gesellschaft ein Problem, dessen sich der Held selbst bewusst ist. Tatsächlich weist der Film mehrfach darauf hin, dass Batman und der Joker einander in ihrer Existenz bedingen: »What would I do without you? […] You complete me«, stellt der Terrorist einmal fest. Und wenn er am Ende bemerkt: »I think you and I are destined to do this forever«, prophezeit er einen endlosen war on terror, der nicht gewonnen werden kann. Dass selbst in einem Superheldenfilm wie The Dark Knight mit Blick auf aktuelle Konflikte die Grenzen zwischen Gut und Böse auf ambivalente Weise beleuchtet werden, kann man als Teil eines allgemeinen Trends sehen, der sich seit dem Jahr 2005 im amerikanischen Film beobachten ließ und von der Presse mitunter als »Renaissance des politischen Kinos« charakterisiert wurde.6 Vor dem Hintergrund wachsender Kritik an der Administration von George W. Bush gegen Ende von dessen erster Amtszeit und vor allem am Irakkrieg wurden eine Reihe von Spielfilmen produziert, die die Auswüchse des ›Krieges gegen den Terror‹ und dessen Feindbild hinterfragen und kritisieren. So verzichtet Munich (2005), in dem es um das Attentat auf die israelische Olympiamannschaft 1972 und den Vergeltungsfeldzug des Mossad geht, auf eine Dämonisierung der Palästinenser und behandelt den Nahostkonflikt als eine tragische Gewaltspirale, wobei ein Gespräch vor den Türmen des World Trade Centers zum Schluss eine indirekte Verbindung zum war on terror herstellt.7 Syriana (2005) zeichnet anhand mehrerer miteinander verwobener Handlungsstränge8 das amerikanische Engagement im Mittleren Osten als skrupellose Interessenpolitik, die vor allem dazu dient, den Zugriff auf Ölvorkommen sicherzustellen, und porträtiert die Entwicklung zweier junger Männer zu Selbstmordattentätern in einer Weise, die mit dem Stereotyp des psychopathischen Terroristen bricht. In Rendition (2007) gerät ein arabischer Amerikaner schuldlos ins Visier der CIA und wird als Terrorverdächtiger entführt und gefoltert, während seine Frau, die bemerkenswerterweise weiß und
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»Dreißig Pfund Schuldbewusstsein«, in: SZ 11./12.02.2006. Siehe auch »Hollywood am Abzug«, in: Cinema Februar 2006; »Der Schlachtruf des Kinos«, in: SZ 26.06.2008. Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 481, kritisiert diesen Schluss nicht zu Unrecht als irreführende Verkürzung, die auch dem Bild einer monolithischen arabischen Bedrohung Vorschub leisten kann. Auch die »Verheldung« der Israelis (ebenda, 482) ist richtig beobachtet. Nichtsdestotrotz markiert die Darstellung der Palästinenser einen wichtigen Unterschied zu den meisten anderen amerikanischen Spielfilmen zum Nahostkonflikt. Autor Stephen Gaghan verfasste auch das Drehbuch zu dem ähnlich funktionierenden Traffic (2000).
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blond ist, verzweifelt um seine Freilassung kämpft.9 Beachtenswert ist auch der Thriller Flightplan (2005): Als während eines Transatlantikfluges von Deutschland in die USA die kleine Tochter der Protagonistin spurlos verschwindet, fällt der Verdacht schnell auf einige arabische Männer, am Ende entpuppen sich aber der Air Marshal und eine Stewardess als die Bösewichte. Der Film macht Vorurteile dabei nicht nur zum Thema, indem er sie bei seinen Figuren vorführt, sondern auch, indem er die Empfänglichkeit des Zuschauers für stereotype Schurken und das durch den 11. September 2001 noch verschärfte Misstrauen ausnutzt.10 Wohin solche Furcht führen könnte, zeigt die Comicverfilmung V for Vendetta (2005), in der ein maskierter Mann in einer nahen Zukunft die diktatorische Regierung des Vereinigten Königreichs bekämpft. Bernd Zywietz ordnet V, dessen GuyFawkes-Maske von der Hackergruppe Anonymous und der Occupy-Bewegung aufgegriffen wurde, als nichtterroristischen Helden ein, weil er mit seinen Aktionen keinen Terror ausübe.11 Das ist allerdings nicht zutreffend, vielmehr entspricht Vs Kampagne mit gezielten Attentaten auf Repräsentanten des Systems und der Zerstörung symbolischer Gebäude dem Idealbild eines linken Terrorismus als Freiheitskampf, wie er etwa von der RAF propagiert wurde. Diese wollte ja auch nicht die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen, sondern den Staat, der dabei als faschistisch entlarvt werden sollte, um so die Massen zur Revolution zu mobilisieren. Genau dies gelingt V, der im Gegensatz zur RAF freilich eine tatsächliche Diktatur bekämpft, die sich auf einen christlich verbrämten Nationalismus und brutale Repression stützt. Nicht seine Methoden, sondern seine Feinde kennzeichnen V als Widerstandskämpfer, für den der pejorative Terminus Terrorist unangemessen scheint. Dass die Regierung ihn so bezeichnet, macht auf die Unschärfe des Begriffs aufmerksam sowie auf die Möglichkeit, ihn zur Manipulation der öffentlichen Meinung und zur Diskreditierung legitimer Widerstandsbewegungen zu nutzen. Als Kommentar zum war on terror wichtiger ist aber, dass die rechtsextreme Partei Norsefire im Film an die Macht gelangt ist, indem sie sich die Furcht vor Terrorismus und Islam zunutze gemacht hat: Ein von ihr selbst initiierter Anschlag mit einer biologischen Waffe wurde Dschihadisten angelastet, das Klima der Angst führte zu spektakulären Wahlerfolgen, die den Weg zur absoluten Macht ebneten, welche dann zur Beseitigung grundlegender Rechte und zur Verfolgung von Muslimen, Homosexuellen und anderen missliebigen Gruppen genutzt wurde. V for Vendetta warnt so vor der Instrumentalisierung von Feindbildern und Furcht als der wirklichen Gefahr für die Demokratie. Die düstere Zukunftsvision geht dabei deutlich über The Siege (1998) hinaus, dessen räumlich und zeitlich begrenzte Erosion der Bürgerrechte im Vergleich sehr zahm erscheint. Insbesondere schreibt V for Vendetta die Verantwortung nicht einem einzelnen General zu, sondern entwirft ein wesentlich pessiFür ausführlichere Analysen von Syriana und Rendition siehe Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 294-6 u. 304-7. Für weitere Beispiele für kritische, differenziertere Filme siehe ebenda, 290-4. 10 Wie »Hollywood am Abzug«, in: Cinema Februar 2006 berichtet, sollten sich nach der ursprünglichen, vor 9/11 geschriebenen Drehbuchfassung tatsächlich arabische Terroristen an Bord befinden. Dies sei auf Initiative des deutschen Regisseurs Robert Schwentke hin geändert worden. 11 Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 433. 9
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mistischeres Szenario, in dem die Bevölkerung aus Angst bereit ist, die Errichtung einer Diktatur zu akzeptieren. Neben einem geschärften politischen Bewusstsein, das sich in solchen Produktionen zeigt, könnten auch schlichte ökonomische Erwägungen zu einem Abbau von Feindbildern im amerikanischen Film führen. Die Bedeutung ausländischer Märkte für Hollywood hat im Zuge der Globalisierung auch des Filmgeschäfts in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. 1993 spielten Hollywoodproduktionen erstmals mehr Geld im Ausland als in den USA ein,12 mittlerweile wird dort ein Vielfaches der einheimischen Gewinne erzielt. Damit wächst nicht nur der globale kulturelle Einfluss, sondern auch der Druck, sich stärker an die Vorlieben und Erwartungen nichtamerikanischer Zuschauer anzupassen, zumindest bei den großen Blockbustern, deren Produktions- und Marketingkosten mittlerweile so hoch sind, dass sie allein in den Vereinigten Staaten kaum mehr eingespielt werden können.13 Die Dämonisierung anderer Nationen und Ethnien kann sich vor diesem Hintergrund als schlecht für das Geschäft erweisen. »The trouble is that as the movie business becomes more global, it becomes harder to find a villain«, bemerkte in diesem Sinne einer der Präsidenten von Sony Pictures Classics im Jahr 2002, und der Drehbuchautor John Ridley behauptete: »Really, it’s to the point where the only thing you can use is fat, rich, middle-aged white guys.«14 Das ist allerdings stark übertrieben. Deutlich beobachten lässt sich die Rücksichtnahme vor allem bei China, das als besonders wertvoller und zukunftsträchtiger Markt gilt und seinerseits in den letzten Jahren auch als Investor in Hollywood aktiv geworden ist. Tatsächlich werden von manchen Filmen mittlerweile spezielle Fassungen mit zusätzlichen Szenen oder anderen Veränderungen für den chinesischen Markt angefertigt oder die Produktion wird insgesamt stark auf diesen zugeschnitten. Es wird in Zukunft wohl häufiger Co-Produktionen wie The Great Wall (2016) geben, die amerikanisches und chinesisches Publikum ansprechen sollen und zudem, da in China gedreht, den Vorteil haben, dass sie nicht von Regelungen betroffen sind, mit denen die Zahl ausländischer Produktionen beschränkt wird, die pro Jahr in China gezeigt werden dürfen.15 Obwohl es, etwa wegen chinesischer Ansprüche auf verschiedene Inselgruppen, Spannungen zwischen Washington und Peking gibt, die wiederum eine Annäherung der USA und Vietnams befördern,16 und die Volksrepublik nach wie vor eine Partei-Diktatur ist, dominieren auf der Leinwand inzwischen positive Porträts wie das in The Martian (2015), wo der NASA die Rettung eines auf dem roten Planeten gestrandeten Astronauten nur mit chinesischer Hilfe mög12 Vgl. Vanhala, Depiction of Terrorists, 3. 13 Dazu »Movie Hits Get Bigger, And Flops Fall Faster«, in: NYT International Weekly 20.11.2015. 14 Beide zitiert nach »Suddenly, It’s Easier to Find a Hero Than a Villain«, in: NYT 22.12.2002. 15 Siehe hierzu »Rote Obsessionen«, in: Spiegel 04.02.2013; »Ihr eigenes Reich«, in: SZ 25.09.2013; »Boom! Bang! Peng!«, in: SZ 12./13.07.2014; »Ein breites Grinsen«, in: SZ 10.11.2014; »Roter Teppich«, in: SZ 05./06.03.2016; »Fantasy für Fernost«, in: SZ 15.06.2016; »Die Mauer muss weg«, in: SZ 14./15.01.2017. 16 Dazu »Die Geister von damals«, in: SZ 23.05.2016; »Neue Freunde, alte Feinde«, in: SZ 24.05.2016; »Kalter Krieg im Südchinesischen Meer«, in: SZ 02./03.06.2018.
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lich ist.17 Das ist in der Tat eine bemerkenswerte Entwicklung, die man weiter beobachten muss. Zu beachten ist aber, dass dies keinen scharfen Bruch gegenüber dem in dieser Arbeit untersuchten Zeitraum markiert, in dem China bereits eher ambivalent dargestellt wurde und kein zentrales Feindbild abgab. Dass China als Ursprung des Zombie-Virus in World War Z (2013) und, wichtiger noch, als Aggressor und Besatzungsmacht in Red Dawn (2012) jeweils durch Nordkorea ersetzt wurde,18 zeigt zudem, dass zwar die negativen Darstellungen Chinas, nicht aber sämtliche Feindbilder oder auch nur das Schreckensbild der ›gelben Gefahr‹ verschwinden.19 Dieses findet sich beispielsweise auch in Olympus Has Fallen (2013), in dem nordkoreanische Terroristen das Weiße Haus stürmen, den USPräsidenten als Geisel nehmen und beinahe die Kontrolle über die amerikanischen Atomwaffen erlangen. 2014 löste die Komödie The Interview, in der ein trotteliger Talkmaster und sein Produzent von der CIA beauftragt werden, Kim Jong Un zu ermorden, eine regelrechte Staatsaffäre aus.20 Der Film attackiert in seinen gelungeneren Passagen den Widerspruch zwischen der nordkoreanischen Propaganda und den tatsächlichen Lebensverhältnissen und macht sich über den absurden Personenkult um die Kim-Familie lustig, verschenkt aber einen großen Teil seines satirischen Potentials. Der Diktator selbst wird – und hier folgt The Interview dem simplifizierenden etablierten Feindbild – als verrückter Hanswurst dargestellt, der nur wegen seiner Minderwertigkeitskomplexe einen Atomkrieg beginnen würde. Durch die erneute Eskalation des Konflikts um die nukleare Aufrüstung Nordkoreas im Sommer 2017 wurde dessen Rolle als »rogue nation« weiter festgeschrieben,21 ehe Donald Trump ein überraschendes Wendemanöver vollzog, eine Verhandlungslösung propagierte und sich sogar zu einem Gipfel mit Kim Jong Un traf. Ob dies tatsächlich zu einer dauerhaften und substantiellen Veränderung der Beziehungen führen wird, ist im Moment nicht abzusehen. Zweifel daran erscheinen aber angebracht. Wie schwer es ist, sich von Feindbildern zu verabschieden, zeigt auch der Rückfall in alte Muster der Konfrontation im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen. Diese Entwicklung wurde durch die Ukraine-Krise, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und zuletzt durch den Verdacht, dass Russland Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen 2016 genommen (oder dies zumindest versucht) hat, massiv verschärft, war aber bereits davor zu erkennen.22 Dementsprechend wird Russland in Filmen wie Salt (2010) und Jack Ryan: Shadow Recruit (2014) auch wieder als Be17 In diesem Kontext ist es z.B. auch zu sehen, dass in dem Star-Wars-Film Rogue One (2016) zwei mit chinesischen Darstellern besetzte wichtige Nebenfiguren auf der Seite der Rebellen zu finden sind. 18 »Rote Obsessionen«, in: Spiegel 04.02.2013; »Ihr eigenes Reich«, in: SZ 25.09.2013. 19 Tatsächlich wurde auch an The Great Wall Kritik geübt, weil die von Matt Damon gespielte Figur sich in die Tradition ›weißer Retter‹ aus imperialen Erzählung einreiht. Auch yellowfacing gibt es nach wie vor im US-Film; dazu »Die weiße Gefahr«, in: SZ 20.10.2016. 20 Die bizarren Einzelheiten sind nachzulesen in »Kim Royal«, in: Spiegel 29.12.2014. 21 So z.B. in einem Tweet von US-Präsident Trump, zitiert in »Trump Calls North Korea’s Hydrogen Bomb Test ›Hostile‹ And ›Dangerous‹ «, http://nypost.com/2017/09/03/trumpnorth-koreas-actions-continue-to-be-hostile-and-dangerous-to-us/ (05.09.2017). 22 Siehe z.B. »Die Lust am Feind«, in: SZ 29.03.2012; »Der kalte Geist des alten Krieges«, in: SZ 07./08.05.2016; »Wut-Präsident Obama«, in: SZ 17./18.12.2016.
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drohung der Vereinigten Staaten gezeigt. Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass die Wiederbelebung des Ost-West-Konfliktes oder gar des Kalten Krieges gerade auch in Amerika gewisse Sehnsüchte der 1990er Jahre erfüllt, die ein Thema dieser Arbeit gewesen sind. Zudem bestätigt sich, dass die Feindbilder auf beiden Seiten nicht vollständig aufgelöst, sondern lediglich abgeschwächt wurden und daher nun leicht reaktiviert werden können. Es würde auch zu weit gehen, die kritischeren Filme zum war on terror als Beleg für einen umfassenden Abbau von Feindbildern zu bewerten. So ist zu beachten, dass diese Produktionen zum Teil scharfe Kritik hervorriefen. Steven Spielberg wurde etwa wegen der vermeintlichen moralischen Äquivalenz zwischen palästinensischen Terroristen und israelischen Agenten in Munich, den er selbst als »prayer for peace« bezeichnete, heftig angegriffen.23 Die Vorwürfe erinnern dabei deutlich an jene, die schon gegen The Little Drummer Girl (1984) erhoben wurden. Flightplan wurde von der bekannten konservativen Kolumnistin Debbie Schlussel in ihrem Blog als »an outrageous piece of propaganda and incredible display of the irresponsible« bezeichnet: »If you’re a freedom-loving American like me, the rotten tricks of this movie will disgust you.«24 Dies war keine Einzelmeinung. In einem Diskussionsforum der Internet Movie Database schrieb damals beispielsweise ein Nutzer, der Plottwist sei so, als hätte man im Zweiten Weltkrieg einen Film gedreht, in dem statt der Nazis am Ende ein Amerikaner als Schurke dastehen würde.25 Wichtiger noch ist, dass Filme mit einer politischen Thematik und einer differenzierteren Sicht auf den ›Krieg gegen den Terror‹ oft nur wenige Kinozuschauer fanden.26 Rendition spielte beispielsweise in den USA nur 9,7 Millionen Dollar ein.27 Good Kill (2014), der sich mit dem Drohnenkrieg auseinandersetzt, kam nur knapp über 300.000 Dollar.28 Und Camp X-Ray (2014), in dem die durch die Verfilmungen der Twilight-Romane zum Star gewordene Kristen Stewart eine junge Militärpolizistin spielt, die sich in Guantanamo mit einem Gefangenen anfreundet, blieb sogar unter 10.000 Dollar.29 Selbstverständlich kann man dies nicht monokausal als Votum 23 Siehe dazu »Hamlets Frieden«, in: SZ 05./06.01.2006 (Zitat ebenda); »Jäger des verborgenen Terrors«, »Unrecherchierbares Terrain« u. »Film des Friedens«, in: SZ 25.01.2006. 24 Quelle: http://www.debbieschlussel.com/633/bad-flight-plan-jodie-foster-film-defames-airmarshals-flight-attendants/ (31.08.2016). 25 Ich muss dies aus dem Gedächtnis wiedergeben, da der Beitrag online nicht mehr auffindbar ist. 26 Vgl. dazu auch Prince, Firestorm, 4; Zywietz, Terrorismus im Film, 290. 27 Quelle: http://www.the-numbers.com/movie/Rendition#tab=summary (31.08.2016). 28 Quelle: http://www.the-numbers.com/movie/Good-Kill#tab=summary (31.08.2016). 29 Quelle: http://www.the-numbers.com/movie/Camp-X-Ray#tab=summary (31.08.2016). Nichtsdestotrotz löste der Film im Forum der Internet Movie Database heftige Diskussionen aus, die wiederum häufig von Ablehnung zeugen. Beiträge dort sind z.B. überschrieben mit »Do we really need a movie that Bashes the US Army?«, »How can you Feel Sorry for Terrorist Scum?«, »More awful hollywood liberal agenda«, »Kristen Stewart literally despises the American military«, »When Will 9/11 Victims Get Released…« und »Liberal Propaganda«; http://www.imdb.com/title/tt2994190/board/ (01.09.2016). Bei den Verfassern dieser Beispiele handelt es sich, soweit man das aus den Beiträgen ablesen und diesen glauben kann, um Amerikaner.
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gegen die Aussagen dieser Filme erklären. Zu berücksichtigen ist – neben der Relevanz anderer Kanäle für die Verbreitung – insbesondere, dass es sich oft um kleine Produktionen, zum Teil auch um Independentprojekte handelte, die, zumal wenn sie kein populäres Genre bedienten, von vornherein kaum Aussicht darauf hatten, ein Massenpublikum im Kino zu erreichen.30 Allerdings kann man daraus auch ersehen, dass Filme mit kontroversen Inhalten trotz des oben beschriebenen Trends in Hollywood nach wie vor einen schweren Stand haben. Unabhängig von der jeweiligen Rezeption belegt allein die Zahl von Filmen, die sich seit 2005 um ausgewogenere Porträts von Arabern und Muslimen bemühen, deren Relevanz als Teil eines komplexer gewordenen Diskurses. Die alten Bilder sind aber nach wie vor ein mindestens ebenso wichtiger Bestandteil dieses Diskurses und fehlen auch in solchen Filmen oft nicht, die differenzierter sein wollen. In The Kingdom (2007) beispielsweise ermittelt ein Team von FBI-Agenten nach einem Anschlag auf eine Wohnsiedlung für Amerikaner in Saudi-Arabien und wird dabei von zwei sehr positiv gezeichneten saudischen Polizisten unterstützt, Colonel Al Ghazi und Sergeant Haytham. Insbesondere der Charakterisierung Al Ghazis wird dabei mehr Raum als in vergleichbaren Produktionen gegeben, und im Unterschied etwa auch zu Frank Haddad in The Siege wird er als Muslim dargestellt, für den seine Religion wichtig ist, ohne dass dies das Bild beeinträchtigen würde. Gleichwohl erscheinen Al Ghazi und Haytham auch hier als Ausnahmen, die in die Tradition verwestlichter Helfer in imperialen Erzählungen einzuordnen sind. So offenbart der Colonel in einer Szene, dass er durch amerikanische Fernsehserien dazu motiviert worden ist, Polizist zu werden, um die Menschen vor den Bösen zu beschützen. Auch dass Haytham am Ende der weiblichen FBI-Agentin die Hand gibt, signalisiert eine Anpassung an die westliche Kultur. Deren Überlegenheit wird beständig betont, indem die geringere Kompetenz der saudischen Beamten zum Thema gemacht wird. Dass Al Ghazi beim Showdown sein Leben verliert und in den Armen seines neuen Freundes vom FBI verblutet, entspricht ebenfalls den stereotypen Mustern der hierarchischen Beziehung zwischen amerikanischem Held und eingeborenem Helfer. Insgesamt erinnert die Darstellung Saudi-Arabiens in The Kingdom gerade auch durch die Rolle Al Ghazis stark an die Japans in Black Rain (1989), der ebenfalls trotz der Freundschaft zwischen den Polizisten die Bedrohlichkeit der fremden Kultur betont.31 Widersprüchlich präsentiert sich der Film, wenn es um Gewalt als Antwort auf den Terrorismus geht. In einer bemerkenswerten Szene wird am Ende gezeigt, dass der tödlich verwundete Terrorist Abu Hamza seiner Enkelin ins Ohr geflüstert hat, sie solle sich keine Sorgen machen, denn »we are going to kill them all« – dasselbe Versprechen, das der Chef des FBI-Teams seiner Kollegin nach dem Tod eines Freundes bei dem Anschlag zu Beginn gegeben hatte, was ebenfalls erst in dieser 30 Größere Produktionen, die in erster Linie Unterhaltung durch Action und Spannung versprachen, wie Flightplan und V for Vendetta waren durchaus erfolgreich. Vgl. http://www. the-numbers.com/movie/V-for-Vendetta#tab=summary u. http://www.the-numbers.com/ movie/Flightplan#tab=summary (31.08.2016). 31 Diesen Vergleich stellt auch Zywietz, Terrorismus im Spielfilm, 297, an. Siehe ebenda, 301-4, auch die Analyse von Traitor (2008) als eines weiteren Beispiels für einen ambivalenten Actionthriller, der nicht ohne die stereotype Bedrohung auskommt.
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Szene enthüllt wird. Die direkte Gegenüberstellung unterstreicht noch die Parallelisierung, die so auf eine Gewaltspirale verweist, der beide Seiten nicht entrinnen können. Eine Gleichwertigkeit der verübten Gewalt wird ansonsten aber in The Kingdom nicht nahegelegt. Wenn Al Ghazi erklärt, dass er sich angesichts der Opfer nicht für das Warum der Terroranschläge interessiert und die Verantwortlichen töten möchte, ohne ihnen eine einzige Frage zu stellen, dann äußert er Empfindungen, die zweifellos viele amerikanische Zuschauer teilen, und die dahinterstehende Logik des savage war wird gerade dadurch legitimiert, dass es ein arabischer Muslim ist, der sie formuliert. Dementsprechend ist auch der Showdown inszeniert, bei dem die Amerikaner und ihre Helfer ganze Scharen gesichtsloser Dschihadisten töten. Bekannte Muster bestimmen auch die filmische Aufarbeitung der Kriege in Afghanistan und dem Irak, die frappierend an die des Vietnamkrieges erinnert: In Filmen wie Lions for Lambs (2007), In the Valley of Elah (2007), Grace Is Gone (2007), The Messenger (2009) oder dem oscarprämierten The Hurt Locker (2008) spielen die politischen Hintergründe der Konflikte zumeist keine Rolle, vor allem aber stehen einzig die Amerikaner und deren leidvolle Kriegserfahrung im Mittelpunkt, ihre Feinde kommen, wenn überhaupt, nur als schemenhafte Bedrohung vor. Auf diese Weise wird, wie eben auch in den Vietnamkriegsfilmen, das Feindbild nicht in Frage gestellt, sondern gestärkt.32 Filme mit einer klaren Gegenüberstellung von amerikanischen (oder europäischen) Helden und dämonisierten Orientalen erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit.33 300 (2006) wurde mit 300: Rise of an Empire (2014) erfolgreich fortgesetzt, in dem diesmal die Athener Freiheit und Demokratie gegen die persischen Horden verteidigen. Dracula Untold (2014) greift das schon in der Eröffnung von Francis Ford Coppolas Verfilmung von Bram Stokers Roman verwendete Motiv des Kampfes gegen die Türken auf und konstruiert darum einen kompletten Film. Aus dem berühmten Vampir wird dabei ein tragischer Superheld, der sich verwandeln lässt, um mit den dadurch erworbenen übermenschlichen Kräften sein Volk und seine Familie vor den Türken beschützen zu können. Ähnlich wie The Dark Knight, aber deutlich weniger vielschichtig, präsentiert der Film einen Protagonisten, der durch sein Opfer zum Ausgestoßenen wird, nachdem er erkannt hat, dass das Böse nur mit drastischen Mitteln zu besiegen ist: »Sometimes the world no longer needs a hero. Sometimes what it needs is a monster.« Dracula Untold vermeidet es dabei so konsequent, den Islam anzusprechen, auf den lediglich die türkischen Feldzeichen hinweisen, dass es schon wieder auffällig ist. Die zahlreichen Bezüge zum Christentum – ein Kloster wird zum Rückzugsort, Dracula betet noch nach seiner Verwandlung etc. – verleihen dem Kampf trotzdem eine eindeutig religiöse Dimension; und die Türken werden als totalitäre Eroberer und als Barbaren porträtiert, die aus christlichen Kindern mittels brutaler Gewalt willenlose Kampfmaschinen in ihrem Dienst 32 Eine Ausnahme in dieser Reihe ist Green Zone (2010). 33 Stereotype Vorstellungen prägen außerdem weiterhin die Besetzungspraxis, wie man daran sehen kann, dass sowohl die wichtigsten Charaktere in Exodus: Gods and Kings (2014) als auch die titelgebenden Gods of Egypt (2016) von weißen Schauspielern verkörpert werden. Wie Exodus-Regisseur Ridley Scott erklärte, hätte er einen Film dieser Größenordnung kaum finanziert bekommen, wenn sein Hauptdarsteller »Mohammed Soundso« gewesen wäre. Zitiert nach »Mann, Moses!«, in: FAS 21.12.2014.
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machen. Wie in 300 geht es auch hier um nicht weniger als die Rettung der westlichen Zivilisation vor den Orientalen: »The Turks never conquered the capitals of Europe«, erklärt Draculas Sohn als Erzähler am Ende das Verdienst seines Vaters. Neben solchen fantastischen, aber auf historische Ereignisse referierenden Versionen des ›Kampfes der Kulturen‹ greifen diverse Filme Begebenheiten aus dem ›Krieg gegen den Terror‹ auf. Die Tötung Osama Bin Ladens am 2. Mai 2011 in seinem Versteck in Abottabad wurde schon wenig später in zwei Spielfilmen fiktionalisiert, in Seal Team Six: The Raid on Osama Bin Laden (2012) und in dem wesentlich bekannteren Zero Dark Thirty (2012), der Folter als ein wichtiges Element der erfolgreichen Menschenjagd präsentiert. Der mit dem Oscar als bester Film ausgezeichnete Argo (2012) greift auf ein weiteres zentrales Ereignis zurück und schildert die Rettung einiger Botschaftsangehöriger aus Teheran während der Geiselkrise. Lone Survivor (2013) verarbeitet eine Episode aus dem Krieg in Afghanistan, bei der ein Team der Navy SEALs von Taliban durch die afghanischen Berge gejagt und bis auf einen Mann getötet wurde. 13 Hours (2016) behandelt den Angriff auf das USKonsulat und eine CIA-Einrichtung in Bengasi am 11. September 2012, dem unter anderem der Botschafter der Vereinigten Staaten in Libyen zum Opfer fiel. Gemeinsam ist diesen Filmen neben dem Anspruch, wahre Geschichten zu erzählen, die Inszenierung amerikanischer Erfolge oder heroischer Opfer in aussichtslosen Situationen. Insbesondere Lone Survivor und 13 Hours setzen dabei einmal mehr auf die Motive des savage war wie das last-stand-Szenario, bei dem die zahlenmäßig deutlich unterlegenen Amerikaner sich verzweifelt gegen endlose Horden gesichtsloser Fanatiker zur Wehr setzen. Die Heroisierung der amerikanischen Protagonisten und die Dämonisierung ihrer Feind gehen in allen diesen Filmen in gewohnter Weise Hand in Hand. Das gilt auch für die rein fiktionalen London Has Fallen (2016) und Act of Valor (2012). Letzterer erhebt ebenfalls einen besonderen Anspruch auf Realismus, der darauf gründet, dass seine Helden von aktiven Mitgliedern der Navy SEALs verkörpert werden. Dies markiert eine neue Stufe in der Zusammenarbeit von Pentagon und Hollywood, die auch Kritik hervorrief.34 Auffällig ist, dass diese Filme, von 300: Rise of an Empire bis zu Act of Valor, beinahe ausnahmslos Kassenerfolge waren, was bei allen Unsicherheiten hinsichtlich der Aussagekraft von Einspielergebnissen dann doch ein signifikantes Muster ergibt, gerade auch im Kontrast zu dem oft enttäuschenden Abschneiden von Produktionen mit differenzierterem Ansatz. Dies erscheint vor allem deshalb relevant, weil in vielen Fällen die Einnahmen auf dem heimischen Markt deutlich höher waren als die im Ausland, was dafür spricht, dass gerade diese Filme eine spezifische Relevanz für das sozial Imaginäre der USA haben.35 Besondere Beachtung verdient in diesem Zu34 Siehe dazu »›Act of Valor‹ With Real-life SEALs: New Breed of War Movie or Propaganda?«, https://www.washingtonpost.com/lifestyle/style/act-of-valor-with-real-life-seals-newbreed-of-war-movie-or-propaganda/2012/02/22/gIQAY1miYR_story.html (02.09.2016). Bemerkenswert ist auch, wie in diesem Film einmal mehr der war on terror mit dem war on drugs verquickt wird. 35 Act of Valor spielte z.B. in den USA über 70 Millionen Dollar ein, auf dem internationalen Markt nur 12,4 Millionen. Bei Argo ist das Verhältnis 136 zu 91 Millionen, bei Zero Dark Thirty 95,7 zu 38,8 Millionen, bei 13 Hours 52,8 zu 15,2 Millionen und bei Lone Survivor 125 zu 24,7 Millionen. Quelle: http://www.the-numbers.com/movie/Lone-Survivor#tab=
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sammenhang zweifellos American Sniper (2014), der auf der gleichnamigen Autobiographie von Chris Kyle basiert, einem ehemaligen Navy SEAL, der als der Scharfschütze mit den meisten bestätigten Tötungen in der Geschichte des US-Militärs gilt.36 Die von Clint Eastwood inszenierte Leinwandversion avancierte zum erfolgreichsten Kriegsfilm aller Zeiten und spielte allein in den USA mehr als 350 Millionen Dollar ein.37 Sie bleibt trotz einiger Milderungen dem Geist der Vorlage treu, in der Kyle feststellt, dass die amerikanischen Truppen im Irak gegen »[s]avage, despicable evil« gekämpft hätten, und die Motive der »insurgents« auf durch den Islam motivierten Hass reduziert.38 Auch im Film bezeichnet der Held die Iraker wiederholt als »savages«, und ihre Darstellung legitimiert diese Beschreibung. Zudem werden die Feinde der Amerikaner ausnahmslos als al-Qaida-Mitglieder präsentiert, womit auch die Invasion als Reaktion auf 9/11 gerechtfertigt erscheint. Die simple Moral des Filmes wird in einer frühen Szene aus der Kindheit auf den Punkt gebracht, in der Kyles Vater seine Söhne belehrt, dass es drei Arten von Menschen gebe: »sheep«, »wolves« und »sheepdogs«. Das entspricht im Prinzip der Parabel in Team America: World Police (2004) von »pussies«, »assholes« und »dicks«, die nur etwas vulgärer formuliert ist. Mit seinem Porträt des Irakkrieges als eines gerechten Kampfes christlicher amerikanischer Cowboys gegen muslimische ›Wilde‹39 traf American Sniper offenbar einen Nerv bei vielen Amerikanern. Er wurde Gegenstand einer intensiv geführten Debatte, in der auch scharfe Kritik laut wurde.40 Der große Erfolg des Films und die zum Teil begeisterte Aufnahme illustrieren gleichwohl, dass sein Feindbild nach wie vor von vielen Amerikanern akzeptiert und geteilt wird. Das ließ sich auch im Präsidentschaftswahlkampf 2016 beobachten, in dem der republikanische Kandidat Donald Trump sehr stark mit diesem und anderen Feindbildern arbeitete. Gezielt schürte er Ängste vor Einwanderern aus Lateinamerika als Drogenhändlern und Vergewaltigern und attackierte andere Länder, denen er unfaire Handelspraktiken vorwarf und die er so für Arbeitslosigkeit und Armut in den USA
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summary, http://www.the-numbers.com/movie/13-Hours-The-Secret-Soldiers-of-Benghazi# tab=summary, http://www.the-numbers.com/movie/Zero-Dark-Thirty#tab=summary, http:// www.the-numbers.com/movie/Act-of-Valor#tab=summary, http://www.the-numbers.com/ movie/Argo#tab=summary (alle 31.08.2016). Chris Kyle mit Scott McEwen/Jim DeFelice, American Sniper, New York 2013 [2012]. Diverse von Kyle aufgestellte Behauptungen über seine Taten haben sich inzwischen allerdings als Erfindungen herausgestellt; siehe dazu »Held der Lügen«, in: Spiegel 04.06.2016. Kyle wurde 2013 von einem anderen Veteranen erschossen. Der Film endet mit Aufnahmen von seiner Beerdigung. Quelle: http://www.the-numbers.com/movie/American-Sniper#tab=summary (31.08.2016). Kyle, American Sniper, 4 u. 98. Die Tatsache, dass Kyle aus Texas stammte und vor seiner Zeit beim Militär Rodeoreiter war, was im Film kurz gezeigt wird, verstärkt die Motivik des savage war noch. Siehe dazu »›American Sniper‹ Fuels a War on the Home Front«, http://www.nytimes. com/2015/01/29/movies/awardsseason/american-sniper-fuels-a-war-on-the-home-front.html (03.09.2016).
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verantwortlich machte.41 Nicht zuletzt präsentierte er sich als Bollwerk gegen eine von Muslimen ausgehende Gefahr und als Advokat radikaler Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus. So erklärte er etwa, der Islam hasse ›uns‹, und bekundete die Absicht, als Präsident für Gesetzesänderungen zu sorgen, die Foltermethoden legalisieren würden.42 Wenn Trump dies damit begründete, »[that] we have to beat the savages«, und darauf verwies, dass ›wir‹ im Nachteil seien, weil ›wir‹ uns an Regeln halten würden, ›sie‹ aber nicht,43 dann griff er auf Vorstellungen zurück, die, wie in dieser Arbeit zu sehen war, tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt sind und daher erhebliche Überzeugungskraft besitzen. Bezeichnend ist auch, wie Trump, der selbst immer wieder wegen frauenfeindlicher Äußerungen bis hin zum Prahlen mit sexuellen Übergriffen in der Kritik stand, mit Anspielungen auf die Unterdrückung der Frau im Islam reagierte, als er von dem Vater eines im Irak gefallenen muslimischen US-Soldaten in einer Rede auf dem Parteitag der Demokraten angegriffen wurde. Hier zeigte sich einmal mehr beispielhaft die Möglichkeit, das Feindbild Islam als Projektionsfläche zu nutzen.44 Wegen seiner zahlreichen aggressiven und andere herabwürdigenden Einlassungen war Trump ein extrem polarisierender Kandidat, der von vielen Amerikanern, auch aus seiner eigenen Partei, entschieden abgelehnt wurde. Nichtsdestotrotz konnte er zur Überraschung nahezu aller Experten einen beachtlichen Teil der Bevölkerung (darunter viele wütende weiße Männer) hinter sich bringen und so zunächst in den Vorwahlen seine Konkurrenten aus dem Feld schlagen und schließlich auch gegen
41 So schon in der Rede bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur, https://www.washingtonpost. com/news/post-politics/wp/2015/06/16/full-text-donald-trump-announces-a-presidentialbid/?utm_term=.01dd0f445488 (05.09.2017). 42 Siehe dazu »Donald Trump: ›I Think Islam Hates Us‹ «, http://edition.cnn.com/2016/03/ 09/politics/donald-trump-islam-hates-us/; »Trump Asks Backers to Swear Their Support, Vows to Broaden Torture Laws«, http://edition.cnn.com/2016/03/05/politics/donald-trumpflorida-pledge-torture/index.html; »Donald Trump Has Big Plans for ›Radical Islamic‹ Terrorists, 2016 and ›That Communist‹ Bernie Sanders«, https://www.yahoo.com/news/donaldtrump-has-big-plans-1303117537878070.html; »How Donald Trump Keeps Changing His Mind on Abortion, Torture and Banning Muslims«, http://www.nytimes.com/2016/06/30/ us/politics/donald-trump-flip-flop.html (alle 20.08.2016). 43 Zitiert nach: »Trump on Torture: ›We Have to Beat the Savages‹ «, http://edition.cnn.com/ 2016/03/06/politics/donald-trump-torture/ (20.08.2016). 44 Dazu »Trump Calls Fallen Muslim Soldier a Hero, But Says Father Has ›No Right‹ to Attack Him«, http://www.usatoday.com/story/news/politics/onpolitics/2016/07/30/trump-fallensoldiers-father-ve-made-lot-sacrifices87790612/ (25.08.2016). Wie verbreitet Sexismus auch in den westlichen Gesellschaften ist, führten zur selben Zeit die Reaktionen auf den Film Ghostbusters (2016) vor Augen, der – weil darin Frauen die Rollen einnehmen, die im Original von 1984 Männer hatten – im Internet mit hasserfüllten Kommentaren überschüttet und als Angriff von ›Feminazis‹ geschmäht wurde; siehe dazu »Das Gespenst des Feminismus«, in: Spiegel 30.07.2016, wo auch ein abfälliger Tweet von Trump zu dem Film zitiert wird. General Mattis, der ja einst bekundet hatte, es mache Spaß, afghanische Männer zu erschießen, die ihre Frauen misshandelten, sah offenbar kein Problem darin, einem Präsidenten Trump als Verteidigungsminister zu dienen.
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die demokratische Kandidatin Hillary Clinton eine klare Mehrheit des electoral vote gewinnen. Dies ist selbstverständlich auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, etwa auf die Unbeliebtheit Clintons und die generelle Unzufriedenheit vieler Wähler mit den etablierten Kräften. Indem Trump sich erfolgreich als Außenseiter im Kampf gegen eine korrupte Machtelite zu inszenieren verstand, bediente er aber wiederum ein Feindbild, und insgesamt ist die Bedeutung von Feindbildern für seinen Erfolg, der die oft unterschätzte wirklichkeitsformende Macht des Imaginären demonstriert, offensichtlich. Ein deutlicher Indikator dafür sind die offen bekundete Unterstützung der extremen Rechten (die auch in Trumps Regierungsmannschaft vertreten war) und die zum Teil verstörenden Reaktionen auf seinen Wahlsieg, in dessen Gefolge es im ganzen Land zu rassistisch motivierten verbalen und auch physischen Attacken auf Schwarze, Latinos und Muslime kam.45 Trump versuchte auch alsbald seinen markigen Worten Taten folgen zu lassen und den im Wahlkampf angekündigten »Muslim ban«, ein Einreiseverbot für Bürger ausgewählter Staaten aus der islamischen Welt, durchzusetzen, was sich wegen des Widerstands der Gerichte gegen eindeutig diskriminierende Bestimmungen aber als schwierig erwies.46 Die Instrumentalisierung eines Feindbildes Islam ist freilich nicht auf die USA beschränkt; auch in Europa und nicht zuletzt in Deutschland verzeichnen Rechtspopulisten damit große Erfolge.47 Dass sich Ängste vor dem Islam so leicht schüren lassen, hängt natürlich auch mit der großen Zahl nach Europa kommender (oder wollender) Flüchtlinge und mit dem selbsternannten ›Islamischen Staat‹ zusammen. Tatsächlich entspricht der IS, der in Teilen Syriens und des Iraks ein totalitäres Schreckensregime errichtete, regelmäßig Gräueltaten verübt, für die nur Begriffe wie ›barbarisch‹ angemessen erscheinen, und Anschläge in Europa und den USA verantwor45 Siehe z.B. »Alt-Right Gathering Exults in Trump Election With Nazi-Era Salute«, https:// www.nytimes.com/2016/11/21/us/alt-right-salutes-donald-trump.html (15.08.2017); »Früchte des Zorns«, in: Spiegel 19.11.2016. 46 Dazu z.B. »2 Federal Judges Rule Against Trump’s Latest Travel Ban«, https://www. nytimes.com/2017/03/15/us/politics/trump-travel-ban.html (05.09.2017). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass Trumps Slogan »America first« in den 1930er Jahren als Parole amerikanischer Nazi-Sympathisanten bekannt geworden war; siehe »President Trump’s ›America First‹ Slogan Was Popularized By Nazi Sympathizers«, https:// www.washingtonpost.com/posteverything/wp/2017/01/20/president-trumps-america-firstslogan-was-popularized-by-nazi-sympathizers/?utm_term=.826a57dc087f (05.09.2017). Im Mai 2018 verkündete der Präsident zudem den Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran, den er dabei einmal mehr als ›Schurkenstaat‹ und als tödliche Bedrohung porträtierte: »If we do nothing, we know exactly what will happen. In just a short period of time, the world's leading state sponsor of terror will be on the cusp of acquiring the world's most dangerous weapons.« Donald J. Trump, »Remarks on the Joint Comprehensive Plan of Action To Prevent Iran From Obtaining a Nuclear Weapon and an Exchange With Reporters, May 8, 2018«, in: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid= 129663 (07.08.2018). 47 Eine vergleichende Untersuchung dieses Feindbildes und seiner Bedeutung in europäischen Ländern, in denen zum Teil große muslimische Minderheiten leben, einerseits und in den Vereinigten Staaten andererseits wäre interessant. Dabei wäre auch nach dem Einfluss populärer amerikanischer Filme auf den Diskurs in Europa zu fragen.
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tet oder zumindest inspiriert, in vieler Hinsicht dem vorherrschenden Feindbild. Indem der IS gezielt psychisch Kranke rekrutiert, leistet er auch Vorstellungen vom Wahnsinn des Dschihadismus Vorschub.48 Es wirkt mitunter gerade so, als seien die schlimmsten Hollywood-Terroristen von der Leinwand gestiegen. Deshalb aber das in Filmen seit den 1980er Jahren entworfene Feindbild bestätigt zu sehen, wäre falsch. Zum einen differenziert dieses nicht, sondern erklärt Muslime pauschal zu einer Gefahr für den Westen. Zum anderen sollte man nicht vergessen, dass die amerikanische Invasion im Irak und die anschließende Besatzungspolitik einen erheblichen Anteil an Entstehung und Aufstieg des IS hatten, auch wenn sie keineswegs allein dafür verantwortlich sind.49 Der war on terror und seine von Feindbilddenken bestimmte Politik haben also dazu beigetragen, den Feind, vor dem man sich fürchtete, hervorzubringen beziehungsweise stark zu machen – ein Muster, das sich auch in Somalia mit al-Shabab beobachten lässt.50 Grundsätzlich kann man mit Mark Juergensmeyer zu dem Schluss kommen: »The popularization of jihadi ideology as an anti-American posture of protest may be due in no small part to the fact that the United States has cast it in the role of a global enemy.«51 Die weit verbreiteten antiislamischen Einstellungen von Amerikanern und Europäern, die sich derzeit so deutlich zeigen, sind nicht einfach eine Reaktion auf aktuelle Entwicklungen. Sie zeugen vielmehr von der langfristigen Wirkung eines Feindbildes, das sich über Jahrzehnte hinweg aufgebaut hat und auf zum Teil jahrtausendealte Stereotype zurückgreift. Dieses äußere Feindbild verbindet sich mit einem Angriff auf liberale Konzepte, die unter Begriffen wie political correctness oder ›Multikulti‹ für die vermeintliche existentielle Bedrohung mitverantwortlich gemacht werden. Ebendiese Verknüpfung von Feindbildern motivierte den Norweger Anders Breivik 2011 zu seinem mörderischen Anschlag auf das Zeltlager einer sozialdemokratischen Jugendorganisation, die seiner Meinung nach an einer Islamisierung Europas mitwirkte.52 Und ebendiese Verknüpfung findet sich auch in Rules of Engagement (2000) – einem Film, der vor dem 11. September 2001, vor dem IS und vor der ›Flüchtlingskrise‹ entstand. Die heftigen Auseinandersetzungen, die momentan in den USA (und Europa) stattfinden, werden nicht nur mit, sondern auch um Feindbilder geführt. Die Vermutung liegt nahe, dass dabei ein Problem des war on terror eine Rolle spielt, das in dieser Arbeit herausgearbeitet wurde, dass nämlich der schwache Feind trotz aller Vorzüge, die er sonst haben mag, nicht von allen ohne Weiteres als Bedrohung ak-
48 Vgl. »Kampf oder Wahn?«, in: SZ 28.07.2016. 49 Siehe hierzu ausführlich Joby Warrick, Black Flags: The Rise of ISIS, London 2015 u. Wilfried Buchta, Terror vor Europas Toren: Der Islamische Staat, Iraks Zerfall und Amerikas Ohnmacht (BPB Schriftenreihe, Bd.1695), Bonn 2016, der die Entwicklung detailliert und differenziert beschreibt und dabei neben der Rolle der USA auch auf die Politik Saddam Husseins vor seinem Sturz und die Bedeutung ethnischer und konfessioneller Konflikte eingeht. Buchtas Studie verdeutlicht u.a., dass der IS die Schiiten als größten Feind betrachtet. 50 Dazu Scahill, Dirty Wars, 118-29, 191-209 u. 219-29. 51 Juergensmeyer, Global Rebellion, 260. 52 Vgl. Schrage, »Von Ketzern und Terroristen?«, 232.
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zeptiert wird.53 Hinzu kommt, dass der offensichtliche Rassismus des Feindbildes nicht mit grundlegenden demokratischen Idealen wie der Gleichheit vereinbar ist. Nicht zufällig führte der Vietnamkrieg zu einer ähnlichen Spaltung. Der böse Geist dieses früheren Konfliktes ist dem ›Krieg gegen den Terror‹ nicht auszutreiben, der deshalb wohl auf Dauer nicht so konsensfähig ist wie der Kalte Krieg. Da das Phänomen des Terrorismus sich nicht wie das sowjetische Imperium eines Tages auflösen wird, ist gleichwohl kein Ende in Sicht, ebenso wenig wie ein anderer Feind, der die UdSSR besser ersetzen könnte. All dies genauer zu untersuchen, wird eine der Aufgaben der zukünftigen Forschung sein, die vielleicht auch die Rezeption von Spielfilmen mittels neuer Quellen im Internet genauer analysieren und einbeziehen kann. Die vorliegende Arbeit hat die Bedeutung von Feindbildern bei der Verständigung über die nationale Identität und die Rolle der USA in der Welt seit den 1980er Jahren gezeigt. Es ist wichtig, dass wir uns der Macht von Feindbildern bewusst sind, denn ganz gleich, was die Zukunft bringen mag, es ist unwahrscheinlich, dass sie verschwinden werden. Dafür ist der Kampf zwischen Gut und Böse ein zu wichtiges kulturelles Konzept. Wie der Joker zu Batman sagt: »I think you and I are destined to do this forever.«
53 Vgl. ähnlich auch ebenda, 230. Walter, Nützliche Feindschaft?, 173, übersieht dagegen dieses Problem, wenn er beste Voraussetzungen für die »Perpetuierung des äußeren Feindes« diagnostiziert.
Verzeichnisse
ABKÜRZUNGEN ABC ABM AC ACLU ANC AUC BND CAIR CE CFE CIA CNN CPD CT DEA ETA FARC FAS FBI FIS FSK HUAC ICBM IHT IIPO IMDb INF IRA IS IWF KGB
American Broadcasting Company Anti-Ballistic Missile Austin Chronicle American Civil Liberties Union African National Congress Autodefensas Unidas de Colombia (Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens) Bundesnachrichtendienst Council of American-Islamic Relations Cincinnati Enquirer Conventional Forces Europe Central Intelligence Agency Cable News Network Committee on the Present Danger Chicago Tribune Drug Enforcement Administration Euskadi Ta Askatasuna (Baskenland und Freiheit) Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Federal Bureau of Investigation Front islamique du salut Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft House Un-American Activities Committee Intercontinental Ballistic Missile International Herald Tribune Index to International Public Opinion Internet Movie Database Intermediate Range Nuclear Forces Irish Republican Army Islamischer Staat Internationaler Währungsfonds Komitet Gossudarstwennoi Besopasnosti (Komitee für Staatssicherheit)
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KPdSU LAT MFN MIA MPRI MSNBC NAFTA NATO NMD NORAD NORAID NSA NVA NYP NYT OAPEC OAS ONDCP OPEC PFLP PGT PIRA PIT PLO POW RAF SAC SALT SDI SFC SFE SOUTHCOM START SZ TMD UÇK UCLA UNO USO VV WMD WP WT
Kommunistische Partei der Sowjetunion Los Angeles Times Most Favored Nation Missing in Action Military Professional Resources Incorporated Microsoft/National Broadcasting Company North American Free Trade Agreement North Atlantic Treaty Organization National Missile Defense North American Aerospace Defense Command Irish Northern Aid National Security Agency Nationale Volksarmee New York Post New York Times Organization of Arab Petroleum Exporting Countries Organisation de l’armée secrète Office of National Drug Control Policy Organization of the Petroleum Exporting Countries Popular Front for the Liberation of Palestine Patterns of Global Terrorism Provisional Irish Republican Army Patterns of International Terrorism Palestine Liberation Organization Prisoner of War Rote Armee Fraktion Strategic Air Command Strategic Arms Limitation Talks/Treaty Strategic Defense Initiative San Francisco Chronicle San Francisco Examiner United States Southern Command Strategic Arms Reduction Talks/Treaty Süddeutsche Zeitung Theater Missile Defense Ushtria Çlirimtare e Kosovës (Befreiungsarmee des Kosovo) University of California, Los Angeles United Nations Organization United Service Organizations Village Voice Weapon(s) of Mass Destruction Washington Post Washington Times
Verzeichnisse | 751
FILME UND SERIEN 13 Hours, R: Michael Bay, D: Chuck Hogan, USA 2016. The 13th Warrior, R: John McTiernan, D: William Wisher/Warren Lewis, USA 1999. 24, TV-Serie, USA 2001-2010. 48 Hrs., R: Walter Hill, D: Roger Spottiswoode u.a., USA 1982. 300, R: Zack Snyder, D: ders. u.a., USA 2006. 300: Rise of an Empire, R: Noam Murro, D: Zack Snyder/Kurt Johnstad, USA 2014. 2001: A Space Odyssey, R: Stanley Kubrick, D: ders./Arthur C. Clarke, USA/UK 1968. 2010: The Year We Make Contact, R: Peter Hyams, D: ders., USA 1984. Absolute Power, R: Clint Eastwood, D: William Goldman, USA 1997. The Accused, R: Jonathan Kaplan, D: Tom Topor, USA/Kanada 1988. Aces: Iron Eagle III, R: John Glen, D: Kevin Elders, USA/UK 1992. Act of Valor, R: Mike McCoy/Scott Waugh, D: Kurt Johnstad, USA 2012. Agent Red, R: Damian Lee, D: ders./Kevin Bernhardt, USA/Kanada 2000. Air Force One, R: Wolfgang Petersen, D: Andrew W. Marlowe, USA/BRD 1997. Air Marshal, R: Alain Jakubowicz, D: Aaron Pope/James Becket, USA 2003. Air Strike, R: David Worth, D: Jon Stevens, USA 2002. Airwolf, TV-Serie, USA 1984-1986. Aladdin, R: Ron Clements/John Musker, D: dies. u.a., USA 1992. The Alamo, R: John Lee Hancock, D: ders. u.a., USA 2004. Alexander, R: Oliver Stone, D: ders. u.a., USA u.a. 2004. Alexander Newski, R: Sergej M. Eisenstein/Dmitri Wassiljew, D: Sergej M. Eisenstein/ Pjotr Pawlenko, UdSSR 1938. Alien, R: Ridley Scott, D: Dan O’Bannon, USA/UK 1979. Aliens, R: James Cameron, D: ders., USA 1986. Amadeus, R: Milos Forman, D: Peter Shaffer, USA u.a. 1984. The Amateur, R: Charles Jarrott, D: Robert Littell/Diana Maddox, USA/Kanada 1981. The Ambassador, R: J. Lee Thompson, D: Max Jack, USA 1984. American Hustle, R: David O. Russell, D: ders./Eric Warren, USA 2013. American Meltdown, R: Jeremiah Chechik, D: Larry Barber/Paul Barber, USA/BRD 2004. American Ninja 4: The Annihilation, R: Cedric Sundstrom, D: David Geeves, USA 1990. The American President, R: Rob Reiner, D: Aaron Sorkin, USA 1995. American Sniper, R: Clint Eastwood, D: Jason Hall, USA 2014. Amerika, TV-Serie, USA 1987. Another 48 Hrs., R: Walter Hill, D: John Fasano u.a., USA 1990. Antibody, R: Christian McIntire, D: Michael Johnston, USA 2002. Apocalypse Now, R: Francis Ford Coppola, D: ders./John Milius, USA 1979. The Apocalypse Watch, R: Kevin Connor, D: John Goldsmith/Christopher Canaan, USA 1997. Argo, R: Ben Affleck, D: Chris Terrio, USA 2012. Arlington Road, R: Mark Pellington, D: Ehren Kruger, USA 1999. Armageddon, R: Michael Bay, D: Jonathan Hensleigh/J.J. Abrams, USA 1998. The Arrival, R: David Twohy, D: ders., USA/Mexiko 1996.
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The Art of War, R: Christian Duguay, D: Wayne Beach/Simon Barry, USA/Kanada 2000. Assault at Ground Zero (auch: Bloodfist VI: Ground Zero), R: Rick Jacobson, D: Brendan Broderick/Rob Kerchner, USA 1994. Assault on Devil’s Island, R: Jon Cassar, D: Calvin Clements Jr., USA/Kanada 1997. The Assignment, R: Christian Duguay, D: Dan Gordon/Sabi H. Shabtai, USA/Kanada 1997. The A-Team, TV-Serie, USA 1983-1987. ATF, R: Dean Parisot, D: Patricia Cornwell/Michelle Ashford, USA 1999. Avalanche Express, R: Mark Robson/Monte Hellman, D: Abraham Polonsky, USA/ Irland 1979. Baby Boom, R: Charles Shyer, D: ders./Nancy Meyers, USA 1987. Back to the Future, R: Robert Zemeckis, D: ders./Bob Gale, USA 1985. Bad Boys, R: Michael Bay, D: Michael Barrie u.a., USA 1995. Bad Boys II, R: Michael Bay, D: Ron Shelton/Jerry Stahl, USA 2003. Bad Company, R: Damian Harris, D: Ross Thomas, USA 1995. Bad Company, R: Joel Schumacher, D: Jason Richman/Michael Browning, USA/ Tschechien 2002. Basic Instinct, R: Paul Verhoeven, D: Joe Eszterhas, USA/Frankreich 1992. BAT 21, R: Peter Markle, D: William C. Anderson/George Gordon, USA 1988. Batman Begins, R: Christopher Nolan, D: ders./David S. Goyer, USA/UK 2005. Battle Los Angeles, R: Jonathan Liebesman, D: Chris Bertolini, USA 2011. Battleship, R: Peter Berg, D: Jon Hoeber/Erich Hoeber, USA 2012. Battlestar Galactica, TV-Serie, USA 1978-1979. Battlestar Galactica, TV-Serie, USA 2004-2009. Baywatch, TV-Serie, USA 1989-2001. Behind Enemy Lines, R: John Moore, D: David Veloz/Zak Penn, USA 2001. Behind Enemy Lines: Axis of Evil, R: James Dodson, D: ders., USA 2006. Best Defense, R: Willard Huyck, D: ders./Gloria Katz, USA 1984. Betrayed, R: Costa-Gavras, D: Joe Eszterhas, USA 1988. Beverly Hills Cop, R: Martin Brest, D: Daniel Petrie Jr., USA 1984. Beverly Hills Cop II, R: Tony Scott, D: Larry Ferguson u.a., USA 1987. The Big Lift, R: George Seaton, D: ders., USA 1950. Big Trouble in Little China, R: John Carpenter, D: Gary Goldman/David Z. Weinstein, USA 1986. The Birth of a Nation, R: D.W. Griffith, D: ders./Frank E. Woods, USA 1915. Black Eagle, R: Eric Karson, D: A. E. Peters/Michael Gonzales USA 1988. Black Hawk Down, R: Ridley Scott, D: Ken Nolan, USA/UK 2001. Black Rain, R: Ridley Scott, D: Craig Bolotin/Warren Lewis, USA 1989. The Black Stallion, R: Carroll Ballard, D: Melissa Mathison u.a., USA 1979. The Black Stallion Returns, R: Robert Dalva, D: Richard Kletter/Jerome Kass, USA 1983. Black Sunday, R: John Frankenheimer, D: Ernest Lehman u.a., USA 1977. Black Thunder, R: Rick Jacobson, D: William C. Martell, USA 1998. Black Widow, R: Bob Rafelson, D: Ronald Bass, USA 1987. Blade Runner, R: Ridley Scott, D: Hampton Fancher/David Webb Peoples, USA 1982. Blast from the Past, R: Hugh Wilson, D: ders./Bill Kelly, USA 1999.
Verzeichnisse | 753
Blind Date, R: Blake Edwards, D: Dale Launer, USA 1987. Blown Away, R: Stephen Hopkins, D: Joe Batteer/John Rice, USA 1994. Body Double, R: Brian De Palma, D: ders./Robert J. Avrech, USA 1984. Body Heat, R: Lawrence Kasdan, D: ders., USA 1981. Body Snatchers, R: Abel Ferrara, D: Stuart Gordon u.a., USA 1993. The Bonfire of Vanities, R: Brian De Palma, D: Michael Cristofer, USA 1990. Bopha!, R: Morgan Freeman, D: Brian Bird, USA 1993. Born on the Fourth of July, R: Oliver Stone, D: ders./Ron Kovic, USA 1989. The Bourne Identity, R: Roger Young, D: Carol Sobieski, USA 1988. The Bourne Identity, R: Doug Liman, D: Tony Gilroy/W. Blake Herron, USA u.a. 2002. The Bourne Ultimatum, R: Paul Greengrass, D: Tony Gilroy u.a., USA u.a. 2007. Boyz n the Hood, R: John Singleton, D: ders., USA 1991. Braveheart, R: Mel Gibson, D: Randall Wallace, USA 1995. Broken Arrow, R: John Woo, D: Graham Yost, USA 1996. Bulletproof, R: Steve Carver, D: T.L. Lankford/B.J. Goldman, USA 1988. By Dawn’s Early Light, R: Jack Sholder, D: Bruce Gilbert, USA 1990. Camp X-Ray, R: Peter Sattler, D: ders., USA 2014. Casino Royale, R: Martin Campbell, D: Neal Purvis u.a., USA u.a. 2006. Casualties of War, R: Brian De Palma, D: David Rabe, USA 1989. C.A.T. Squad, R: William Friedkin, D: Gerald Petievich, USA 1986. CIA Code Name: Alexa, R: Joseph Merhi, D: Ken Lamplugh/John Weidner, USA 1992. Clear and Present Danger, R: Phillip Noyce, D: Donald Stewart u.a. USA 1994. Close Encounters of the Third Kind, R: Steven Spielberg, D: ders., USA 1977. Cocoon, R: Ron Howard, D: Tom Benedek, USA 1985. Code Name Vengeance, R: David Winters, D: Anthony Palmer, USA/Südafrika 1987. Collateral Damage, R: Andrew Davis, D: David Griffiths/Peter Griffiths, USA 2002. Colors, R: Dennis Hopper, D: Michael Shiffer, USA 1988. Come See the Paradise, R: Alan Parker, D: ders., USA 1990. Coming Home, R: Hal Ashby, D: Waldo Salt/Robert C. Jones, USA 1978. Commando, R: Mark L. Lester, D: Steven E. de Souza, USA 1985. Company Business, R: Nicholas Meyer, D: ders., USA 1991. Conan the Barbarian, R: John Milius, D: ders./Oliver Stone, USA 1982. Con Express, R: Terry Cunningham, D: ders./Paul A. Birkett, USA 2002. Conspiracy Theory, R: Richard Donner, D: Brian Helgeland, USA 1997. Contact, R: Robert Zemeckis, D: James V. Hart/Michael Goldenberg, USA 1997. The Cosby Show, TV-Serie, USA 1984-1992. Courage Under Fire, R: Edward Zwick, D: Patrick Sheane Duncan, USA 1996. Cover-Up, R: Manny Coto, D: William Tannen, USA u.a. 1991. Crash Dive, R: Andrew Stevens, D: William C. Martell, USA 1997. Crimson Tide, R: Tony Scott, D: Michael Schiffer, USA 1995. Cry Freedom, R: Richard Attenborough, D: John Briley, USA/UK 1987. D2: The Mighty Ducks, R: Sam Weisman, D: Steven Brill, USA 1994. Dark Angel, R: Craig R. Baxley, D: Jonathan Tydor/David Koepp, USA 1990. Dark City, R: Alex Proyas, D: ders. u.a., USA/Australien 1998. The Dark Knight, R: Christopher Nolan, D: ders./Jonathan Nolan, USA/UK 2008.
754 | Die USA und ihre Bösen
The Day After, R: Nicholas Meyer, D: Edward Hume, USA 1983. The Day the Earth Stood Still, R: Robert Wise, D: Edmund H. North, USA 1951. Dead Bang, R: John Frankenheimer, D: Robert Foster, USA 1989. Dead Men Can’t Dance, R: Stephen Milburn Anderson, D: Paul Sinor u.a., USA 1997. Death Before Dishonor, R: Terry Leonard, D: John Gatliff, USA 1987. Death Train, R: David Jackson, D: ders., USA/UK 1993. Deep Impact, R: Mimi Leder, D: Bruce Joel Rubin/Michael Tolkin, USA 1998. The Deer Hunter, R: Michael Cimino, D: Deric Washburn, USA/UK 1978. The Delta Force, R: Menahem Golan, D: ders./James Bruner, USA/Israel 1986. Delta Force 2: The Colombian Connection, R: Aaron Norris, D: Lee Reynolds, USA 1990. Delta Force 3: The Killing Game, R: Sam Firstenberg, D: Andrew Deutsch u.a., USA 1991. Demolition Man, R: Marco Brambilla, D: Daniel Waters u.a., USA 1993. The Departed, R: Martin Scorsese, D: William Monahan, USA/Hongkong 2006. Derailed, R: Bob Misiorowski, D: Jace Anderson/Adam Gierasch USA 2002. The Devil’s Own, R: Alan J. Pakula, D: David Aaron Cohen u.a., USA 1997. The Dictator, R: Larry Charles, D: Sacha Baron Cohen u.a., USA 2012. Die Another Day, R: Lee Tamahori, D: Neal Purvis/Robert Wade, UK/USA 2002. Die Hard, R: John McTiernan, D: Jeb Stuart/Steven E. de Souza, USA 1988. Die Hard 2, R: Renny Harlin, D: Steven E. de Souza/Doug Richardson, USA 1990. Die Hard With a Vengeance, R: John McTiernan, D: Jonathan Hensleigh, USA 1995. Diplomatic Siege, R: Gustavo Graef Marino, D: Robert Boris u.a., USA 1999. Disclosure, R: Barry Levinson, D: Paul Attanasio, USA 1994. Doctor Zhivago, R: David Lean, D: Robert Bolt, USA u.a. 1965. Don Camillo, R: Julien Duvivier, D: ders./René Barjavel, Italien/Frankreich 1952. Double Team, R: Tsui Hark, D: Don Jakoby/Paul Mones, USA 1997. Dracula, R: Francis Ford Coppola, D: James V. Hart, USA 1992. Dracula Untold, R: Gary Shore, D: Matt Sazama/Burk Sharpless, USA/Japan 2014. Dressed to Kill, R: Brian De Palma, D: ders., USA 1980. Drop Zone, R: John Badham, D: Peter Barsocchini/John Bishop, USA 1994. A Dry White Season, R: Euzhan Palcy, D: dies./Colin Welland, USA 1989. Dune, R: David Lynch, D: ders., USA 1984. Eleni, R: Peter Yates, D: Steve Tesich, USA 1985. The Empire Strikes Back (Star Wars Episode V), R: Irvin Kershner, D: Leigh Brackett/Lawrence Kasdan, USA 1980. Enemy Mine, R: Wolfgang Petersen, D: Ed Khmara, USA/BRD 1985. Enemy of the State, R: Tony Scott, D: David Marconi, USA 1998. Ernest in the Army, R: John Cherry, D: Jeffrey Pillars/Joseph Datorre, USA 1998. Escape: Human Cargo, R: Simon Wincer, D: William Mickelberry/Dan Vining, USA 1998. E.T. the Extra-Terrestrial, R: Steven Spielberg, D: Melissa Mathison, USA 1982. Der ewige Jude, R: Fritz Hippler, D: Eberhard Taubert, Deutschland 1940. Executive Decision, R: Stuart Baird, D: Jim Thomas/John Thomas, USA 1996. Exodus, R: Otto Preminger, D: Dalton Trumbo, USA 1960. Exodus: Gods and Kings, R: Ridley Scott, D: Adam Cooper u.a., USA u.a. 2014. The Exorcist, R: William Friedkin, D: William Peter Blatty, USA 1973.
Verzeichnisse | 755
Face/Off, R: John Woo, D: Mike Werb/Michael Colleary, USA 1997. The Faculty, R: Robert Rodriguez, D: Kevin Wiliamson, USA 1998. Fail-Safe, R: Sidney Lumet, D: Walter Bernstein, USA 1964. The Falcon and the Snowman, R: John Schlesinger, D: Steven Zaillian, USA/UK 1985. Falling Down, R: Joel Schumacher, D: Ebbe Roe Smith, USA u.a. 1993. Fatal Attraction, R: Adrian Lyne, D: James Dearden, USA 1987. Fatherland, R: Christopher Menaul, D: Stanley Weiser/Ron Hutchinson, USA 1994. Field of Dreams, R: Phil Alden Robinson, D: ders., USA 1989. The Fifth Element, R: Luc Besson, D: ders./Robert Mark Kamen, Frankreich/USA 1997. Fight Club, R: David Fincher, D: Jim Uhls, USA/BRD 1999. The Finest Hour, R: Shimon Dotan, D: ders./Stuart Schoffman, USA 1992. Fire Birds, R: David Green, D: Nick Thiel/Paul F. Edwards, USA 1990. Firefox, R: Clint Eastwood, D: Alex Lasker/Wendell Wellman, USA 1982. First Blood, R: Ted Kotcheff, D: Michael Kozoll u.a., USA 1982. First Contact, R: Jonathan Frakes, D: Brannon Braga/Donald D. Moore, USA 1996. First Knight, R: Jerry Zucker, D: William Nicholson, USA/UK 1995. Flight 93, R: Peter Markle, D: Nevin Schreiner, USA/Kanada 2006. Flight of the Intruder, R: John Milius, D: Robert Dillon/David Shaber, USA 1991. Flight of the Navigator, R: Randal Kleiser, D: Michael Burton/Matt MacManus, USA 1986. Flightplan, R: Robert Schwentke, D: Peter A. Dowling/Billy Ray, USA 2005. Forrest Gump, Regie: Robert Zemeckis, D: Eric Roth, USA 1994. For Your Eyes Only, R: John Glen, D: Richard Maibaum/Michael G. Wilson, UK/USA 1981. The Four Feathers, R: Shekhar Kapur, D: Michael Schiffer/Hossein Amini, USA/UK 2002. The Fourth Protocol, R: John Mackenzie, D: Frederick Forsyth, UK 1987. The Fourth War, R: John Frankenheimer, D: Stephen Peters/Kenneth Ross, USA/Kanada 1990. Frantic, R: Roman Polanski, D: ders./Gérard Brach, USA/Frankreich 1988. Freedom Strike, R: Jerry P. Jacobs, D: Tony Giglio, USA 1998. The French Connection, R: William Friedkin, D: Ernest Tidyman, USA 1971. Frogmen Operation Stormbringer, R: Franklin A. Vallette, D: Steve Latshaw USA 2002. Full Metal Jacket, R: Stanley Kubrick, D: ders. u.a., USA/UK 1987. Gandhi, R: Richard Attenborough, D: John Briley, UK u.a. 1982. Ghostbusters, R: Paul Feig, D: ders./Katie Dippold, USA/Australien 2016. G.I. Jane, R: Ridley Scott, D: David Twohy/Danielle Alexandra, USA/UK 1997. Gods of Egypt, R: Alex Proyas, D: Matt Sazama/Burk Sharpless, USA/Australien 2016. GoldenEye, R: Martin Campbell, D: Jeffrey Caine/Bruce Feirstein, UK/USA 1995. A Good Day to Die Hard, R: John Moore, D: Skip Woods, USA 2013. Good Kill, R: Andrew Niccol, D: ders., USA 2014. Good Morning, Vietnam, R: Barry Levinson, D: Mitch Markowitz, USA 1987. Gorky Park, R: Michael Apted, D: Dennis Potter, USA 1983. Gotcha!, R: Jeff Kanew, D: Dan Gordon, USA 1985. Grace Is Gone, R: James C. Strouse, D: ders., USA 2007.
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The Great Wall, R: Zhang Yimou, D: Carlo Bernard u.a., USA u.a. 2016. The Green Berets, R: Ray Kellogg/John Wayne, D: James Lee Barrett, USA 1968. Green Zone, R: Paul Greengrass, D: Brian Helgeland, USA u.a. 2010. Guess Who’s Coming to Dinner?, R: Stanley Kramer, D: William Rose, USA 1967. Gung Ho, R: Ron Howard, D: Lowell Ganz/Babaloo Mandel, USA 1986. Gunmen, R: Deran Sarafian, D: Stephen Sommers, USA 1993. The Guns of Navarone, R: J. Lee Thompson, D: Carl Foreman, USA/UK 1961. Hamburger Hill, R: John Irvin, D: Jim Carabatsos, USA 1987. The Hand That Rocks the Cradle, R: Curtis Hanson, D: Amanda Silver, USA 1992. The Hanoi Hilton, R: Lionel Chetwynd, D: ders., USA 1987. Hart’s War, R: Gregory Hoblit, D: Billy Ray/Terry George, USA 2002. Heartbreak Ridge, R: Clint Eastwood, D: James Carabatsos, USA 1986. Heat, R: Michael Mann, D: ders., USA 1995. The Heat, R: Paul Feig, D: Katie Dippold, USA 2013. Heaven and Earth, R: Oliver Stone, D: ders., USA/Frankreich 1993. Her Alibi, R: Bruce Beresford, D: Charlie Peters, USA 1989. Highlander, R: Russell Mulcahy, D: Gregory Widen u.a., USA/UK 1986. Hitlerjunge Quex, R: Hans Steinhoff, D: K.A. Schenzinger/B.E. Lüthge, Deutschland 1933. The Hitman, R: Aaron Norris, D: Robert Geoffrion/Don Carmody, USA/Kanada 1991. Hot Shots!, R: Jim Abrahams, D: ders./Pat Proft, USA 1991. Hot Shots! Part Deux, R: Jim Abrahams, D: ders./Pat Proft, USA 1993. House of Sand and Fog, R: Vadim Perelman, D: ders./Shawn Lawrence Otto, USA 2003. The Human Shield, R: Ted Post, D: Mann Rubin, USA 1991. The Hunt for Red October, R: John McTiernan, D: Larry Ferguson/Donald Stewart, USA 1990. The Hunted, R: William Friedkin, D: Davbid Griffiths u.a., USA 2003. The Hurt Locker, R: Kathryn Bigelow, D: Mark Boal, USA 2008. In Country, R: Norman Jewison, D: Frank Pierson/Cynthia Cidre, USA 1989. In the Army Now, R: Daniel Petrie Jr., D: ders. u.a. USA 1994. In the Heat of the Night, R: Norman Jewison, D: Stirling Silliphant, USA 1967. In the Line of Duty: Ambush in Waco, R: Dick Lowry, D: Phil Pennigroth, USA 1993. In the Valley of Elah, R: Paul Haggis, D: ders., USA. 2007. Independence Day, R: Roland Emmerich, D: ders./Dean Devlin, USA 1996. Independence Day: Resurgence, R: Roland Emmerich, D: ders. u.a., USA 2016. Indiana Jones and the Last Crusade, R: Steven Spielberg, D: Jeffrey Boam, USA 1989. Indiana Jones and the Temple of Doom, R: Steven Spielberg, D: Willard Huyck/Gloria Katz, USA 1984. The Interview, R: Evan Goldberg/Seth Rogen, D: Dan Sterling, USA 2014. Into the Night, R: John Landis, D: Ron Koslow, USA 1985. Invasion U.S.A., R: Joseph Zito, D: James Bruner/Chuck Norris, USA 1985. Iron Eagle, R: Sidney J. Furie, D: ders./Kevin Elders, USA u.a. 1986. Iron Eagle II, R: Sidney J. Furie, D: ders./Kevin Elders, USA u.a. 1988. Iron Eagle IV, R: Sidney J. Furie, D: Michael Stokes, USA u.a. 1995. Iron Man, R: Jon Favreau, D: Mark Fergus u.a., USA 2008. The Iron Triangle, R: Eric Weston, D: John A. Bushelman u.a., USA 1989.
Verzeichnisse | 757
Ishtar, R: Elaine May, D: dies., USA 1987. I Spy, R: Betty Thomas, D: Marianne Wibberley u.a. USA 2002. The Jackal, R: Michael Caton-Jones, D: Chuck Pfarrer, USA u.a. 1997. Jack Ryan: Shadow Recruit, R: Kenneth Branagh, D: Adam Cozad/David Koepp, USA 2014. Jarhead, R: Sam Mendes, D: William Broyles Jr., USA u.a. 2005. Jewel of the Nile, R: Lewis Teague, D: Mark Rosenthal/Lawrence Konner, USA 1985. JFK, R: Oliver Stone, D: ders./Zachary Sklar, USA/Frankreich 1991. Judge Dredd, R: Danny Cannon, D: William Wisher/Steven E. de Souza, USA 1995. Jud Süß, R: Veit Harlan, D: ders. u.a., Deutschland 1940. Just Another Secret, R: Lawrence Gordon Clark, D: Murray Smith, UK 1989. The Karate Kid, R: John G. Avildsen, D: Robert Mark Kamen, USA 1984. Khartoum, R: Basil Dearden/Eliot Elisofon, D: Robert Ardrey, UK 1966. King Arthur, R: Antoine Fuqua, D: David Franzoni, USA u.a. 2004. The Kingdom, R: Peter Berg, D: Matthew Michael Carnahan, USA/Deutschland 2007. Kingdom of Heaven, R: Ridley Scott, D: William Monahan, USA u.a. 2005. Kundun, R: Martin Scorsese, D: Melissa Mathison, USA 1997. Kuroi ame, R: Shohei Imamura, D: ders., Japan 1989. Kurtlar vadisi: Filistin, R: Zübeyr Sasmaz, D: Raci Sasmaz u.a., Türkei 2011. Kurtlar vadisi: Irak, R: Serdar Akar, D: Raci Sasmaz/Bahadir Özdener, Türkei 2006. Kurtlar vadisi: Vatan, R: Serdar Akar, D: Alper Erze, Türkei 2017. Lara Croft Tomb Raider: The Cradle of Life, R: Jan de Bont, D: Dean Georgaris USA u.a. 2003. The Last of the Mohicans, R: Michael Mann, D: ders./Christopher Crowe, USA 1992. The Last Samurai, R: Edward Zwick, D: ders. u.a., USA u.a. 2003. The Last Starfighter, R: Nick Castle, D: Jonathan Betuel, USA 1984. Legionnaire, R: Peter MacDonald, D: Sheldon Lettich/Rebecca Morrsion, USA 1998. Lethal Weapon, R: Richard Donner, D: Shane Black, USA 1987. Lethal Weapon 2, R: Richard Donner, D: Jeffrey Boam, USA 1989. Lethal Weapon 4, R: Richard Donner, D: Channing Gibson, USA 1998. Licence to Kill, R: John Glen, D: Michael G. Wilson/Richard Maibaum, USA/UK 1989. The Lion King, R: Roger Allers/Rob Minkoff, D: Irene Mecchi u.a., USA 1994. Lions for Lambs, R: Robert Redford, D: Matthew Michael Carnahan, USA 2007. Little Big Man, R: Arthur Penn, D: Calder Willingham, USA 1970. The Little Drummer Girl, R: George Roy Hill, D: Loring Mandel, USA 1984. Little Nikita, R: Richard Benjamin, D: John Hill/Bo Goldman, USA 1988. Live Free or Die Hard, R: Len Wiseman, D: Mark Bomback, USA/UK 2007. The Living Daylights, R: John Glen, D: Richard Maibaum/Michael G. Wilson, USA/ UK 1987. London Has Fallen, R: Babak Najafi, D: Creighton Rothenberger u.a., USA u.a. 2016. Lone Survivor, R: Peter Berg, D: ders., USA 2013. The Long Kiss Goodnight, R: Renny Harlin, D: Shane Black, USA 1996. Loose Cannons, R: Bob Clark, D: ders. u.a., USA 1990. The Lord of the Rings: The Two Towers, R: Peter Jackson, D: ders. u.a., USA/Neuseeland 2002.
758 | Die USA und ihre Bösen
The Lords of Discipline, R: Franc Roddam, D: Thomas Pope/Lloyd Fonvielle, USA 1983. The Magnificent Seven, R: John Sturges, D: William Roberts, USA 1960. Magnum P.I., TV-Serie, USA 1980-1988. The Manchurian Candidate, R: John Frankenheimer, D: George Axelrod, USA 1962. The Manchurian Candidate, R: Jonathan Demme, D: Daniel Pyne/Dean Georgaris, USA 2004. The Man Who Knew Too Little, R: Jon Amiel, D: Robert Farrar/Howard Franklin, USA/BRD 1997. The Man Who Knew Too Much, R: Alfred Hitchcock, D: John Michael Hayes, USA 1956. Maria Full of Grace, R: Joshua Marston, D: ders., USA u.a. 2004. Marines, R: Mark Roper, D: Ross Helford, USA 2003. Marked for Death, R: Dwight H. Little, D: Michael Grais/Mark Victor, USA 1990. The Marksman, R: Marcus Adams, D: J.S. Cardone/Andy Hurst, USA 2005. Mars Attacks!, R: Tim Burton, D: Jonathan Gems, USA 1996. The Martian, R: Ridley Scott, D: Drew Goddard, USA/UK 2015. Megiddo: The Omega Code 2, R: Brian Trenchard Smith, D: John Fasano/Stephen Blinn, USA 2001. Menace II Society, R: Albert Hughes/Allen Hughes, D: Tyger Williams, USA 1993. Men in Black, R: Barry Sonnenfeld, D: Ed Solomon, USA 1997. Mercury Rising, R: Harold Becker, D: Lawrence Konner/Mark Rosenthal, USA 1998. The Messenger, R: Oren Moverman, D: ders./Alessandro Camon, USA 2009. Miami Vice, TV-Serie, USA 1984-1990. Miami Vice, R: Michael Mann, D: ders., USA u.a. 2006. Midnight Express, R: Alan Parker, D: Oliver Stone, USA/UK 1978. Ministry of Vengeance, R: Peter Maris, D: Mervyn Emryys u.a., USA 1989. Missing, R: Costa-Gavras, D: ders./Donald Stewart, USA 1982. Missing in Action, R: Joseph Zito, D: James Bruner, USA 1984. Missing in Action 2: The Beginning, R: Lance Hool, D: Steve Bing u.a., USA 1985. Mission: Impossible, TV-Serie, USA 1966-1973. Mission: Impossible, R: Brian De Palma, D: David Koepp/Robert Towne, USA 1996. Mission: Impossible II, R: John Woo, D: Robert Towne, USA/BRD 2000. Mission: Impossible III, R: J.J. Abrams, D: Alex Kurtzman u.a., USA u.a. 2006. Mississippi Burning, R: Alan Parker, D: Chris Gerolma, USA 1988. Monk, TV-Serie, USA 2002-2009. Moscow on the Hudson, R: Paul Mazursky, D: ders./Leon Capetanos, USA 1984. Mr. Baseball, R: Fred Schepisi, D: Gary Ross u.a., USA/Japan 1992. Mr. Dynamit – Morgen küsst euch der Tod, R: Franz Josef Gottlieb, D: ders., BRD u.a. 1967. Mr. Smith Goes to Washington, R: Frank Capra, D: Sidney Buchman, USA 1939. The Mummy, R: Stephen Sommers, D: ders., USA 1999. The Mummy Returns, R: Stephen Sommers, D: ders., USA 2001. Munich, R: Steven Spielberg, D: Tony Kushner/Eric Roth, USA u.a. 2005. Murder at 1600, R: Dwight H. Little, D: Wayne Beach/David Hodgin, USA 1997. Murder in the Air, R: Lewis Seiler, D: Raymond Schrock, USA 1940.
Verzeichnisse | 759
The Naked Gun: From the Files of Police Squad!, R: David Zucker, D: Jerry Zucker u.a., USA 1988. National Lampoon’s European Vacation, R: Amy Heckerling, D: John Hughes/Robert Klane, USA 1985. Navy Seals, R: Lewis Teague, D: Chuck Pfarrer/Gary Goldman, USA 1990. Never Say Never Again, R: Irvin Kershner, D: Lorenzo Semple Jr., USA u.a. 1983. New Jack City, R: Mario Van Peebles, D: Thomas Lee Wright/Barry Michael Cooper, USA 1991. Night Crossing, R: Delbert Mann, D: John McGreevey USA u.a. 1982. Nighthawks, R: Bruce Malmuth, D: David Shaber, USA 1981. Nikita, R: Luc Besson, D: ders., Frankreich/Italien 1990. No Retreat, No Surrender, R: Corey Yuen, D: Keith W. Strandberg, USA 1986. Not Without My Daughter, R: Brian Gilbert, D: David W. Rintels, USA 1991. Notorious, R: Alfred Hitchcock, D: Ben Hecht, USA 1946. No Way Out, R: Roger Donaldson, D: Robert Garland, USA 1987. Octopussy, R: John Glen, D: George MacDonald Fraser u.a., UK/USA 1983. Odinochnoye Plavanye, R: Michail Tumanishwili, D: Yevgeni Mesyatsev, UdSSR 1985. An Officer and a Gentleman, R: Taylor Hackford, D: Douglas Day Stewart, USA 1982. Olympus Has Fallen, R: Antoine Fuqua, D: Creighton Rothenberger/Katrin Benedikt, USA 2013. Operation Delta Force, R: Sam Firstenberg, D: David Sparling, USA u.a. 1997. Operation Delta Force 2: Mayday, Regie: Yossi Wein, Drehbuch: David Sparling, USA/Südafrika 1997. Operation Delta Force 3: Clear Target, R: Mark Roper, D: David Sparling, USA/ Südafrika 1998. Operation Delta Force 4: Deep Fault, R: Mark Roper, D: David Sparling, USA/Bulgarien 1999. Operation Delta Force 5: Random Fire, R: Yossi Wein, D: Bernard Stone, USA 2000. The Osterman Weekend, R: Sam Peckinpah, D: Alan Sharp, USA 1983. Outbreak, R: Wolfgang Petersen, D: Laurence Dworet/Robert Roy Pool, USA 1995. The Package, R: Andrew Davis, D: John Bishop, USA 1989. Passenger 57, R: Kevin Hooks, D: David Loughery/Dan Gordon, USA 1992. The Passion of the Christ, R: Mel Gibson, D: ders./Benedict Fitzgerald, USA 2004. The Patriot, R: Dean Semler, D: M. Sussman/John Kingswell, USA 1998. The Patriot, R: Roland Emmerich, D: Robert Rodat, USA/BRD 2000. Patriot Games, R: Phillip Noyce, D: W. Peter Iliff/Donald Stewart, USA 1992. The Peacemaker, R: Mimi Leder, D: Michael Schiffer, USA 1997. Pearl Harbor, R: Michael Bay, D: Randall Wallace, USA 2001. The Pelican Brief, R: Alan J. Pakula, D: ders., USA 1993. Persepolis, R: Marjane Satrapi/Vincent Paronnaud, D: Vincent Paronnaud, Frankreich/USA 2007. Platoon, R: Oliver Stone, D: ders., USA/UK 1986. Point of No Return, R: John Badham, D: Robert Getchell/Alexandra Seros, USA 1993. Pork Chop Hill, R: Lewis Milestone, D: James R. Webb, USA 1959. Poseidon, R: Wolfgang Petersen, D: Mark Protosevich, USA 2006.
760 | Die USA und ihre Bösen
The Poseidon Adventure, R: Ronald Neame, D: Stirling Silliphant/Wendell Mayes, USA 1972. The Poseidon Adventure, R: John Putch, D: Bryce Zabel, USA 2005. The Power of One, R: John G. Avildsen, D: Robert Mark Kamen, USA u.a. 1992. Predator, R: John McTiernan, D: Jim Thomas/John Thomas, USA 1987. Predator 2, R: Stephen Hopkins, D: Jim Thomas/John Thomas, USA 1990. The President’s Man, R: Eric Norris/Michael Preece, D: Bob Gookin, USA 2000. The President’s Man: A Line in the Sand, R: Eric Norris, D: John Lansing/Bruce Cervi, USA 2002. Proof of Life, R: Taylor Hackford, D: Tony Gilroy, USA 2000. The Punisher, R: Jonathan Hensleigh, D: ders./Michael France, USA 2004. Raiders of the Lost Ark, R: Steven Spielberg, D: Lawrence Kasdan, USA 1981. Rambo: First Blood Part II, R: George P. Cosmatos, D: Sylvester Stallone/James Cameron, USA 1985. Rambo III, R: Peter MacDonald, D: Sylvester Stallone/Sheldon Lettich, USA 1988. Rangers, R: Jim Wynorski, D: Steve Latshaw, USA 2000. Rapid Fire, R: David A. Prior, D: ders./William Zipp, USA 1989. Red Corner, R: John Avnet, D: Robert King, USA 1997. Red Dawn, R: John Milius, D: ders./Kevin Reynolds, USA 1984. Red Dawn, R: Dan Bradley, D: Carl Ellsworth/Jeremy Passmore, USA 2012. Red Heat, R: Walter Hill, D: ders. u.a., USA 1988. Red King, White Knight, R: Geoff Murphy, D: Ron Hutchinson, USA 1989. Reds, R: Warren Beatty, D: ders./Trevor Griffiths, USA 1981. Red Scorpion, R: Joseph Zito, D: Arne Olsen, USA u.a. 1988. Red Scorpion 2, R: Michael Kennedy, D: Troy Bolotnick u.a., USA/Kanada 1994. Remo Williams: The Adventure Begins, R: Guy Hamilton, D: Christopher Wood, USA 1985. Rendition, R: Gavin Hood, D: Kelley Sane, USA 2007. The Replacement Killers, R: Antoine Fuqua, D: Ken Sanzel, USA 1998. Requiem for a Dream, R: Darren Aronofsky, D: ders./Hubert Selby Jr., USA 2000. Rescue Force, R: Charles Nizet, D: ders., USA 1989. Return of the Jedi (Star Wars Episode VI), R: Richard Marquand, D: Lawrence Kasdan/George Lucas, USA 1983. Rising Sun, R: Philip Kaufman, D: ders. u.a., USA 1993. Robin Hood: Prince of Thieves, R: Kevin Reynolds, D: Pen Densham/John Watson, USA 1991. RoboCop, R: Paul Verhoeven, D: Edward Neumeier/Michael Miner, USA 1987. The Rock, R: Michael Bay, D: David Weisberg u.a., USA 1996. Rocky, R: John G. Avildsen, D: Sylvester Stallone, USA 1976. Rocky II, R: Sylvester Stallone, D: ders., USA 1979. Rocky III, R: Sylvester Stallone, D: ders., USA 1982. Rocky IV, R: Sylvester Stallone, D: ders., USA 1985. Rogue One, R: Gareth Edwards, D: Chris Weitz/Tony Gilroy, USA 2016. Rollover, R: Alan J. Pakula, D: David Shaber, USA 1981. Romancing the Stone, R: Robert Zemeckis, D: Diane Thomas, USA 1984. Romero, R: John Duigan, D: John Sacret Young, USA 1989. Ronin, R: John Frankenheimer, D: J.D. Zeik/David Mamet, USA u.a. 1998.
Verzeichnisse | 761
The Rookie, R: Clint Eastwood, D: Boaz Yakin/Scott Spiegel, USA 1990. Royce, R: Rod Holcomb, D: Paul Bernbaum, USA/UK 1994. Rules of Engagement, R: William Friedkin, D: Stephen Gaghan, USA u.a 2000. The Russia House, R: Fred Schepisi, D: Tom Stoppard, USA 1990. The Russians Are Coming! The Russians Are Coming!, R: Norman Jewison, D: William Rose, USA 1966. Russkies, R: Rick Rosenthal, D: Alan Jay Glueckman u.a., USA 1987. Sabotage, R: Tibor Takacs, D: Rick Filon/Michael Stokes, USA/Kanada 1996. Sahara, R: Breck Eisner, D: Thomas Dean Donnelly u.a., USA u.a. 2005. The Saint, R: Philip Noyce, D: Jonathan Hensleigh/Wesley Strick, USA 1997. Salt, R: Phillip Noyce, D: Kurt Wimmer, USA 2010. Salvador, R: Oliver Stone, D: ders./Richard Boyle, USA/UK 1986. Sands of Iwo Jima, R: Allan Dwan, D: Harry Brown/James Edward Grant, USA 1949. Saving Jessica Lynch, R: Peter Markle, D: John Fasano, USA 2003. Saving Private Ryan, R: Steven Spielberg, D: Robert Rodat, USA 1998. Savior, R: Peter Antonijevic, D: Robert Orr, USA 1998. Scarface, R: Brian De Palma, D: Oliver Stone, USA 1983. Seal Team Six: The Raid on Osama Bin Laden, R: John Stockwell, D: Kendall Lampkin, USA 2012. Search and Destroy, R: J. Christian Ingvordsen, D: ders./Steven Kaman, USA 1988. Seven Years in Tibet, R: Jean-Jacques Annaud, D: Becky Johnston, USA/UK 1997. Shadow Conspiracy, R: George P. Cosmatos, D: Adi Hasak/Ric Gibbs, USA 1997. She Wore a Yellow Ribbon, R: John Ford, D: Frank Nugent/Laurence Stallings, USA 1949. Shootdown, R: Michael Pressman, D: Judy Merl/Paul Eric Myers, USA 1988. Showdown in Little Tokyo, R: Mark L. Lester, D: Stephen Glantz/Caliope Brattlestreet, USA 1991. The Siege, R: Edward Zwick, D: ders. u.a., USA 1998. The Silence of the Lambs, R: Jonathan Demme, D: Ted Tally, USA 1991. Simon & Simon, TV-Serie, USA 1981-1989. Single White Female, R: Barbet Schroeder, D: Don Roos, USA 1992. Snake Eyes, R: Brian De Palma, D: David Koepp, USA/Kanada 1998. Sniper, R: Luis Llosa, D: Michael Frost Beckner/Crash Leyland, USA/Peru 1993. Sniper 2, Regie: Craig R. Baxley, Drehbuch: Ron Mita/Jim McClain, USA/Ungarn 2002. Sniper 3, R: P.J. Pesce, D: J.S. Cardone/Ross Helford, USA 2004. Snow Falling on Cedars, R: Scott Hicks, D: ders./Ron Bass, USA 1999. The Soldier, R: James Glickenhaus, D: ders., USA 1982. Soldier Blue, R: Ralph Nelson, D: John Gay, USA 1970. Soldiers Pay, R: David O. Russel u.a., USA 2004. Southern Comfort, R: Walter Hill, D: ders. u.a., USA u.a. 1981. South Park, TV-Serie, USA seit 1997. Space Cowboys, R: Clint Eastwood, D: Ken Kaufman/Howard Klausner, USA 2000. Spartan, R: David Mamet, D: ders., USA/BRD 2004. The Specialist, R: Luis Llosa, D: Alexandra Seros, USA/Peru 1994. Species, R: Roger Donaldson, D: Dennis Feldman, USA 1995. Species II, R: Peter Medak, D: Chris Brancato, USA 1998.
762 | Die USA und ihre Bösen
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Verzeichnisse | 763
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Personen- und Filmregister
Kursive Seitenzahlen verweisen auf Nennungen in den Fußnoten. 13 Hours 743 13th Warrior, The 642 48 Hrs. 144 300 653-60, 742f 300: Rise of an Empire 742f 2001: A Space Odyssey 124f 2010: The Year We Make Contact 124-7 Abdul-Rahman, Omar 702f Abraham, F. Murray 626 Absolute Power 234 Accused, The 318 Aces: Iron Eagle III 289, 390, 4069, 411-4, 415, 417, 507, 512 Ackland, Joss 266 Act of Valor 743 Adams, James 452, 496, 509 Adams, Michael 111 Agent Red 179, 228, 231 Ahmad, Muhammad 660 Ahmadinedschad, Mahmud 574 Aho, James A. 28, 116 Aidid, Mohammed Farrah 663f Air Force One 182-7, 189, 191, 287, 478, 494, 527, 552, 636 Air Marshal 647f, 649, 672f, 675, 698 Air Strike 395, 519 Akkad, Moustapha 641 Akroyd, Dan 284 Aladdin 288, 623-5, 635 Alamo, The 486f
Albright, Madeleine 370, 484, 554f, 578 Alexander 657 Alexander Newski 67 Alexander, Yonah 500 Alien 308 Aliens 308-13 Almeida, Joaquim de 280, 415 Alpers, Benjamin L. 112 Altman, Robert 645 Álvarez Machain, Humberto 404 Amadeus 626 Amateur, The 464, 676 Ambassador, The 466, 627 Ambrose, Stephen 239 American Hustle 609 American Meltdown 648f American Ninja 4 472, 635, 679, 698 American President, The 550 American Sniper 744 Amin, Hafizullah 51 Amin, Idi 466 Anderson, Benedict 32 Anderson, Kevin 353 Anderson, Terry 472 Andreas, Peter 379, 489 Andropow, Juri 131, 448 Another 48 Hrs. 144 Anslinger, Harry J. 380, 500 Anthony, Jay 549 Antibody 288 Antonijevic, Peter 274 Apocalypse Now 60, 301-3, 601
812 | Die USA und ihre Bösen
Apocalypse Watch, The 289f Apted, Michael 73 Arafat, Yasser 466, 623 Archer, Anne 523 Argo 743 Ariane 361 Aristoteles 607 Arlington Road 481 Armageddon 240, 244 Arnett, Peter 663 Arnold, Tom 643 Aronofsky, Darren 430 Arrival, The 246f Art of War, The 362, 374, 556f Ashcroft, John 519, 699f, 708 Aspin, Les 545 Assad, Baschar al- 562 Assad, Hafiz al- 548, 579 Assault at Ground Zero 620 Assault on Devil’s Island 506f Assignment, The 456 ATF 481 Atherton, William 470 Attenborough, Richard 254, 256-8 Austin, Thomas 41 Avalanche Express 464 Avnet, Jon 366f, 368 Awlaki, Anwar 693, 701 Axis of Evil ĺ Behind Enemy Lines: Axis of Evil Baader, Andreas 455 Baby Boom 85, 286f, 694 Backes, Michael 353 Back to the Future 54 Bad Boys 395 Bad Boys II 433 Bad Company (1995) 234 Bad Company (2002) 179, 196, 278, 477, 513, 638 Bai Ling 365f Baker, James 269, 271, 548 Bakri, Muhamad 616 Balduin IV. (von Jerusalem) 684 Baldwin, Alec 486, 582f Baltrusch, Ernst 654 Banderas, Antonio 642
Barber, Samuel 322, 675 Barker, Lex 15 Barthes, Roland 667 Baryshnikow, Mikhail 77, 79, 366 Basic Instinct 85 Basinger, Jeanine 191 BAT 21 303, 329 Bates, Alan 287 Batman Begins 735 Battle Los Angeles 602 Battleship 601 Battlestar Galactica 69 Bauer, Steven 422 Baumgarten, Marjorie 624 Bean, Sean 523 Beatty, Warren 117 Beck, Ulrich 26 Becker, Jillian 448, 449 Becker, Jörg 645 Beckinsale, Kate 486 Beckstein, Günther 11 Bedelia, Bonnie 339 Behind Enemy Lines 279-82, 481, 567, 602 Behind Enemy Lines: Axis of Evil 376, 566-75, 578, 602 Belushi, James 144 Bender, Steffen 600, 680 Bennett, William J. 13, 383, 388, 414, 419 Benning, Anette 702 Berenger, Tom 313 Berger, Sandy 484, 723 Bergin, Patrick 524 Bergner, Jeffrey 283 Berry, Halle 375 Besson, Luc 634 Best Defense 413, 541, 621 Betrayed 481 Beverly Hills Cop 265 Beverly Hills Cop II 287 Bias, Les 384 Bickford-Smith, Vivian 267 Biden, Joe 468 Biehn, Michael 309, 622 Big Lift, The 152 Big Trouble in Little China 361
Personen- und Filmregister | 813
Biko, Steve 254, 256f Bin Laden, Osama 455, 484, 488, 514, 558, 560, 633, 644f, 664, 668, 700-2, 715, 717f, 743 Birch, Thora 523 Birth of a Nation, The 12 Black, Cofer 700 Black Eagle 138f Black Hawk Down 42, 238, 328, 481, 663f, 698, 719, 723 Black Rain 343-8, 352, 354, 359, 741 Black Stallion, The 621 Black Stallion Returns, The 621 Black Sunday 213, 610 Black Thunder 550 Black Widow 85 Blade Runner 330 Blast from the Past 25 Blind Date 342 Blix, Hans 585f Bloom, Allan 216 Bloom, Orlando 683 Blown Away 530f, 638 Bochner, Hart 339 Body Double 317 Body Heat 85 Body Snatchers 246 Bonfire of Vanities, The 621 Boone, Daniel 98 Booth, Powers 62 Bopha! 261f, 263 Born on the Fourth of July 316, 318, 323-5 Botha, P.W. 251, 260 Bourne Identity, The (1988) 456 Bourne Identity, The (2002) 456 Bourne Ultimatum, The 456 Bowden, Mark 663 Bower, Tom 411 Boxer, Barbara 423 Boyd, Charles 270 Boykin, William 682f Boyz n the Hood 395 Bradley, Omar N. 572 Brando, Marlon 301 Braveheart 658f
Breivik, Anders 747 Bremer, Paul 495 Breschnew, Leonid 131, 156, 181 Bridges, Beau 72, 323 Bridges, Jeff 530 Brink, André 258 Brokaw, Tom 237 Broken Arrow 179, 478 Brookes, Peter 562, 670 Brosnan, Pierce 373 Brown, James 87 Brown, Jeffrey 347 Brown, Lee 419f Bruckheimer, Jerry 38, 226, 486, 580 Bryant, Louise 117 Brzezinski, Zbigniew 50, 65, 195, 271, 363 Buchanan, Pat 216, 246, 252 Buchholz, Horst 289 Buchta, Wilfried 747 Buckley, William 535 Buc, Philippe 658, 683 Buchholz, Horst 406 Budd, David 334, 345, 347, 355, 359 Buhite, Russel 469, 717 Bulgakowa, Oksana 80 Bullard, John K. 391, 393 Bulletproof 167, 413, 464, 679, 685, 694, 698 Bullock, Sandra 713 Bürger, Peter 598 Burleigh, Michael 497, 522, 672 Burt, Richard 29 Burton, Tim 246 Busey, Gary 12, 376, 394, 464 Bush, George H.W. 157, 159, 169f, 174, 181, 201, 210f, 214, 218f, 222, 233, 264, 269, 291, 297, 312, 338, 362f, 385f, 387-9, 390, 396f, 399, 401, 403, 407f, 417, 419f, 444f, 472, 506, 541-3, 545, 548, 551, 553, 556, 574, 587-9, 591-3, 603, 611, 663 Bush, George W. 35, 194f, 372f, 474, 481, 484f, 487, 490, 495-8,
814 | Die USA und ihre Bösen
520, 557-63, 567, 573f, 576, 579f, 582, 584, 586, 603, 605, 646, 651f, 657, 674, 681f, 693, 699f, 707, 708f, 714, 731, 736 Bush, Laura 686f Butler, Gerard 653 Butter, Michael 112, 661 By Dawn’s Early Light 161f Byford, Grenville 526 Cage, Nicolas 272, 401, 478 Camarena Salazar, Enrique 404 Cameron, David 639 Cameron, James 308-11, 635 Cameron, Kenneth 253, 258 Campbell, Jane 687 Camp X-Ray 740 Canby, Vincent 203f, 238, 318, 401 Capshaw, Kate 347 Carabatsos, Jim 315, 325 Carlos (der Schakal) ĺ Ramírez Sánchez, Ilich Carlucci, Frank 398f Carpenter, John 361 Carrere, Tia 355, 636 Carter, Jimmy 50-5, 96, 250, 381, 442-4, 470, 538, 552 Casey, William 64, 252, 449, 454, 468, 563 Casino Royale 227 Castro, Fidel 547, 552 Casualties of War 303, 306, 317-22, 721 C.A.T. Squad 267 Ceausescu, Nicolae 167 Cettl, Robert 35, 617, 620, 638, 644, 649, 676 Chamberlain, Neville 271 Chartoff, Robert 36, 80 Chase, Chevy 287 Cheadle, Don 422, 491 Cheney, Richard (Dick) 399, 560, 596, 707 Chin, Vincent 336f Christensen, Erika 422 Christensen, Terry 67f Christie, Julie 300f
Christopher, Warren 170, 551, 553 Churchill, Winston 277 CIA Code Name: Alexa 472 Cimino, Michael 298-300, 302, 360 Clancy, Tom 61, 168, 228, 292, 352, 414, 416, 418, 473, 523, 553 Clarke, Richard 474, 484, 639 Clear and Present Danger 389, 4148, 506 Clinton, Hillary 746 Clinton, William J. (Bill) 170, 175f, 180, 194, 201, 204, 211, 218-21, 222, 223f, 226, 228-31, 235f, 241, 271f, 277f, 297, 350, 363f, 372, 418-21, 427, 431, 473-5, 480, 483-5, 488, 495, 511f, 545f, 548, 550-7, 559, 561, 564, 578, 645, 702, 708, 716 Clooney, George 177, 590 Close Encounters of the Third Kind 126 Cocoon 126 Code Name Vengeance 619 Cohen, Sacha Baron 584 Colin, Margaret 242 Collateral Damage 494, 513-9 Colors 394, 505 Come See the Paradise 339 Coming Home 91 Commando 140 Company Business 168, 217, 352, 391 Conable, Barber, Jr. 370 Conan the Barbarian 60f Con Express 179, 195, 376 Connelly, Jennifer 430 Connery, Sean 352, 354 Conspiracy Theory 235 Contact 246 Cooper, James F. 298 Coppola, Francis Ford 60, 301f, 680, 742 Corkin, Stanley 487 Cosby, Bill 264 Costa-Gavras 119f, 481 Costner, Kevin 135, 642
Personen- und Filmregister | 815
Courage Under Fire 589, 600f, 662f, 702, 709 Coverdell, Paul 499, 513 Cover-Up 472, 619f Coyote, Peter 567 Crash Dive 273f, 287, 638 Creed, Barbara 312 Crenna, Richard 92 Crenshaw, Barbara 534 Crichton, Michael 352-4, 356f, 642 Crimson Tide 179f, 182, 189, 224-7 Crislip, Mark 350 Crocker, Chester 250, 251 Crockett, Davy 486 Cruise, Tom 316, 625 Cruz Smith, Martin 73f Cry Freedom 254-60, 268 Curtis, Cliff 514 Curtis, Jamie Lee 635 Custer, George Armstrong 311, 326 Czempiel, Ernst-Otto 52f, 54 Czerny, Henry 414 D2: The Mighty Ducks 288 Dafoe, Willem 262, 305, 416 Damask, Nicholas A. 503 Damon, Matt 238, 582, 739 Dark Angel 246f, 393 Dark City 246 Dark Knight, The 725, 734-6, 742, 748 Davenport, Nigel 456 Davi, Robert 411 Davids, Douglas J. 498, 511 Davis, Andrew 519 Davis, Geena 264 Day After, The 121f, 727 Day the Earth Stood Still, The 126 Dead Bang 481 Dead Men Can’t Dance 556 Death Before Dishonor 535, 614-7, 620, 665, 671, 676, 678f, 695, 698, 713 Death Train 189, 224, 286, 585 Deep Impact 240, 244 Deer Hunter, The 91, 298-303 de Gaulle, Charles 191
de Klerk, Frederik Willem 260, 268 Delbanco, Andrew 236f Delta Force, The 535, 538, 612-5, 618f, 627, 647, 665f, 675-9, 698, 713, 715 Delta Force 2 389, 404-9, 411-4, 415, 417f, 506, 508, 512 Delta Force 3 152, 472, 544, 629, 635, 671, 698, 713, 727 Del Toro, Benicio 279, 422 deMause, Lloyd 686 Demme, Jonathan 268 Demolition Man 394 Deng Xiaoping 365 De Niro, Robert 300, 525, 564 Dennehy, Brian 74, 91 Denton, Jeremiah 573f Denzin, Norman, K. 377 De Palma, Brian 317-22 Departed, The 375 Derailed 196, 231 Derickson, Uli 612 Deutch, John 227, 544 Deutsch, Stephen 143 Devil’s Own, The 526-30 Dictator, The 584 Die Another Day 374-6 Die Hard 284, 287f, 339-42, 358, 470-3 Die Hard 2 159f, 391, 473, 478, 507 Die Hard With a Vengeance 287, 290f, 473, 553, 557, 638 Diner, Dan 674 Diplomatic Siege 273f Disclosure 85 Doctor Zhivago 144 Doelker, Christian 41 Doherty, Thomas 316 Dole, Bob 13, 241, 419 Don Camillo 14 Doohan, James 164 Doolittle, James 486 Dornan, Robert K. 467 Dörner, Andreas 43 Double Team 552 Douglas, Michael 85, 203-5, 211, 343, 422, 550
816 | Die USA und ihre Bösen
Douglass, William 701 Dower, John 337 Dracula 680f, 742 Dracula Untold 742f Drago, Billy 404, 413 Dressed to Kill 317 Drop Zone 389 Drucker, Peter 353 Dryer, Fred 615, 620 Dry White Season, A 258-60, 268 Dudikoff, Michael 543, 549 Duggan, Hacksaw Jim 352 Dune 611 Dunn, Nora 589 Duong, Don 327 Duvall, Robert 205, 301 Dye, Dale 304, 312, 320 Dyer, Richard 207 Eagleburger, Lawrence 223 Eastwood, Clint 57-9, 110f, 115, 145, 744 Ebert, Roger 77, 204, 275, 292, 353f, 365, 367, 494, 514, 530, 623f Eco, Umberto 43 Edward I. (von England) 658 Edwards, Blake 342 Egi, Stan 353 Ehrenfeld, Rachel 501f, 506 Eichmann, Adolf 287 Eisele, John 695 Eleni 72f, 254 Elisabeth, Kaiserin von Österreich 441 El Maroudi, Hasna 692 Emerson, Steven 639, 664 Emmerich, Roland 245, 291 Empire Strikes Back, The 113 Enemy Mine 124, 126 Enemy of the State 235 Ernest in the Army 698 Escape: Human Cargo 697 Escobar, Pablo 415 E.T. the Extra-Terrestrial 126 Evens, Patricia 627 ewige Jude, Der 623
Executive Decision 494, 576f, 636f, 640f, 643, 645, 668-71, 673, 679, 698, 704 Exodus 676 Exodus: Gods and Kings 742 Exorcist, The 718 Face/Off 478f, 481f, 550, 638 Faculty, The 246 Fadlallah, Muhammad Hussein 468 Fail-Safe 161 Falcon and the Snowman, The 58, 135 Falling Down 201, 203-15, 217, 246 Faludi, Susan 85 Farnen, Russell 469 Farrell, Colin 316 Fatal Attraction 85 Fatherland 285f Feitshans, Buzz 63 Fernandez, Juan 406, 413 Ferro, Marc 20 Field of Dreams 53 Field, Sally 687 Fifth Element, The 246 Fight Club 206, 246 Finest Hour, The 542f Fiorentino, Linda 264 Fire Birds 401-4, 406f, 412, 415, 508, 519, 556f Firefox 57-9, 70, 110, 168, 725 First Blood 91-3, 95, 97f, 104, 106, 316 First Contact 246 First Knight 291 Fishburn, Lawrence 148 Fleischer, Ari 681 Flight 93 649f, 698 Flight of the Intruder 329 Flight of the Navigator 126 Flightplan 737, 740, 741 Flohr, Anne Katrin 23, 31 Folman, Ari 616 Fonda, Bridget 634 Ford, Gerald 381 Ford, Harrison 182, 414, 523, 526f Ford, John 699
Personen- und Filmregister | 817
Forrest, Frederic 209 Forrest Gump 215, 315 Forster, Robert 614 Forsyth, Frederick 61, 138, 191, 455 For Your Eyes Only 69 Foster, Jodie 288, 444 Four Feathers, The 660f, 670, 690, 698 Fourth Protocol, The 137 Fourth War, The 167f Fox, James 523 Fox, Michael J. 317, 320 Fox, Vivica A. 241f Francis, Samuel 448 Frankenheimer, John 167 Frantic 635, 698 Freedom Strike 548-50, 574f, 585, 644 Freeman, Morgan 232, 261, 642 Freeman, Paul 406 Frei, Daniel 24, 26, 29 French Connection, The 380 Freud, Sigmund 22 Frey, Sami 617 Friedkin, William 279, 380, 620, 716-8, 722f Friedman, George 349 Friedman, Thomas 197, 661 Friesendorf, Cornelius 433, 510 Frogmen Operation Stormbringer 195 Frost, Charles C. 504 Frum, David 489, 559, 639, 677, 707 Fukuyama, Francis 167, 222f Full Metal Jacket 106, 305f, 310f, 318, 326, 346 Fuller, Robert C. 31 Furie, Sidney J. 539 Gaddafi, Muamar al- 444, 466, 535f, 550, 561, 574, 624 Gage, Nicholas 73 Gaghan, Stephen 736 Galloway, Joseph 325, 328 Gandhi 256 Gandolfini, James 173
Garcia, Andy 343 Garofalo, Jeneane 582 Garten, Jeffrey 283, 286 Garthoff, Raymond 51, 155 Garwood, Robert 97 Gates, Daryl 390 Gates, Philippa 238 Gedrick, Jason 537 Geffen, David 177 Gephardt, Richard A. 487, 573 Gere, Richard 365, 531 Gerhard, Ute 660 Gerke-Unger, Kinka 349 Ghostbusters 745 Gibson, James William 96, 99, 407, 455f, 619 Gibson, Mel 266f, 291, 326, 658, 659 Giesen, Rolf 645 G.I. Jane 533, 557, 566 Gingrich, Newt 253, 419 Glaspie, April 541 Globus, Yoram 627 Glover, Danny 261, 265, 267, 394 Gods of Egypt 742 Godunov, Alexander 288 Goetsch, Paul 307 Golan, Menahem 627, 697 Goldblum, Jeff 242 GoldenEye 179, 287, 373 Goldhagen, Daniel Jonah 278 Goldwyn, Samuel 13 Gomery, Douglas 40 Good Day to Die Hard, A 473 Good Kill 740 Good Morning, Vietnam 322f Gorbatschow, Michail 68-70, 88f, 131-6, 138, 148f, 152, 155-8, 162f, 168-70, 192, 244, 268, 466, 726 Gorbatschowa, Raisa 132 Gordon, Diana 381, 432 Gordon, Lincoln 449 Gore, Al 194, 600, 716 Goren, Roberta 449 Göring, Hermann 653
818 | Die USA und ihre Bösen
Gorky Park 73f, 80, 146, 366, 369, 733 Gossett, Louis, Jr. 150, 289, 406, 537 Gotcha! 71, 287 Göttler, Fritz 36, 66 Grace Is Gone 742 Grace, Topher 430 Graham, Franklin 682 Grant, Ulysses S. 136 Gray, John 31 Great Wall, The 738, 739 Green Berets, The 91, 299, 307 Greengrass, Paul 649 Greenwood, Bruce 648, 715 Green Zone 742 Gregg, Robert W. 353, 417 Greiner, Bernd 16 Grenier, Richard 39, 215, 238, 256, 396, 618 Grey, Joel 330 Griffith, D.W. 12 Grisham, John 620 Gritz, James (Bo) 97 Gromyko, Andrei 130, 131 Guelke, Adrian 441, 450, 477, 497 Guess Who’s Coming to Dinner? 165 Guevara, Ernesto (Che) 442 Guillot-Lara, Jaime 503 Gül, Abdullah 36 Gung Ho 333-5, 344 Gunmen 389 Guns of Navarone, The 58 Gutiérrez Rebollo, Jesús 426 Guy de Lusignan 684 Guzmán, Abimael 511 Habash, George 680 Hackford, Taylor 78-80 Hackman, Gene 158, 179, 262, 280, 284, 303 Haig, Alexander 183, 446f, 449, 454 Halberstam, David 305 Hall, Arsenio 261 Hamburger Hill 303, 305f, 309, 315, 319, 326
Handelman, Stephen 171 Hand That Rocks the Cradle, The 85 Hanks, Tom 238, 315 Hannibal 27 Hanoi Hilton, The 319 Harle, Vilho 600 Harrington, Richard 390 Harris, Ed 478 Harris, Richard 525 Harris, Robert 285 Hart’s War 240 Harvey, Don 318 Haskell, Molly 85 Hatch, Orrin 423, 431, 554 Hauer, Rutger 288, 455 Hawkins, Paula 502 Hayslip, Le Ly 324 Headey, Lena 654 Hearst, Patty 470 Hearst, William Randolph 470 Heartbreak Ridge 105, 110f Heat 530 Heat, The 713 Heaven and Earth 323-5 Heche, Anne 564 Hellmann, John 116 Henn, Carrie 308 Henriksen, Lance 312 Henry O. 368 Her Alibi 167 Herbert, Frank 611 Herodot 607, 655, 657 Herrero, Subas 405 Herring, Richard 297 Herrnstein, Richard 264 Hersh, Seymour 171f, 176 Hershey, Barbara 206 Heslov, Grant 643 Heston, Charlton 643 Heydrich, Reinhard 458 Hiep Thi Le 324 Highlander 113 Hill, Dilys M. 114 Hill, George Roy 617f Hill, Walter 144, 346 Hinckley, John 444 Hinckley, Robert 469
Personen- und Filmregister | 819
Hines, Gregory 77 Hinson, Hal 389f Hippokrates 607 Hitchcock, Alfred 219, 284 Hitler, Adolf 64, 112, 153, 164, 180f, 236f, 240, 266, 271, 277, 282, 284f, 290, 407, 451, 587f, 600 Hitlerjunge Quex 12 Hitman, The 389, 395, 507, 621-3, 627 Hochgeschwender, Michael 18, 30f, 116 Hoff, Peter 80, 83, 89 Hoffman, Dustin 564 Hoffmann, Stanley 674 Hong, James 368 Hopkins, Anthony 288, 477 Horman, Ed 119 Horton, Willie 264 Hot Shots! 584 Hot Shots! Part Deux 584 House of Sand and Fog 689 Howe, Desson 317, 365, 528, 623 Hughes, William 39 Human Shield, The 542f Hunt for Red October, The 168 Hunted, The 279 Hunter, I.Q. 246 Hunter, Stephen 238, 515 Huntington, Samuel 220-2, 630f, 632, 636, 647, 657, 662, 681 Hurt, John 72 Hurt Locker, The 605, 742 Hurt, William 73 Hussein, Saddam 42, 158, 216, 472, 540-3, 551f, 560, 562, 574-6, 578, 587f, 591-3, 596, 598, 599, 600, 602f, 610, 616, 632, 644, 650, 661-3, 699, 702, 714, 733, 747 Hyams, Peter 124, 126 Hyland Wang, Jennifer 215 Iacocca, Lee 336 Ice Cube 591 Ikle, Fred 612 In Country 306f, 318
Independence Day 241-5, 601 Independence Day: Resurgence 601 Indiana Jones and the Last Crusade 113, 116, 621 Indiana Jones and the Temple of Doom 113, 116, 621 Indyk, Martin 551 Interview, The 739 In the Army Now 550 In the Heat of the Night 256 In the Line of Duty: Ambush in Waco 481 In the Valley of Elah 742 Into the Night 621, 698 Invasion U.S.A. 68, 136, 413, 462-4, 505, 627, 644, 713 Inwood, Steve 543 Iron Eagle 149, 150, 289, 536-40, 602, 610, 722 Iron Eagle II 143, 148-52, 158, 167, 191, 289, 544, 566, 572, 578, 629, 635, 727 Iron Eagle III ĺ Aces Iron Eagle IV 191, 556 Iron Man 647 Iron Sheik, The 465, 542 Irons, Jeremy 287 Iron Triangle, The 323f Irvin, John 315 Irving, Amy 422 Isaacs, Jason 291 Ishtar 621 I Spy 196, 376 Jackal, The 191-3, 531, 638, 728 Jackman, Hugh 490 Jack Ryan: Shadow Recruit 739 Jackson, Michael 264, 596 Jackson, Peter 282 Jackson, Samuel L. 226, 264, 290, 715, 722 Jaeckel, Richard 404 James, Caryn 204 Jarhead 590f, 600f Jaruzelski, Wojciech 61 Jeffords, Susan 95, 97, 213, 318
820 | Die USA und ihre Bösen
Jelzin, Boris 169-71, 181, 189, 192, 194, 450 Jenkins, Brian 483 Jennings, Peter 584 Jewel of the Nile 621, 698 JFK 160, 234f Jiang Zemin 365 John, Gottfried 287 Jones, James Earl 414 Jones, Simon 529 Jones, Tommy Lee 159, 226, 530, 716 Jonze, Spike 591 Jowett, Garth 260 Judge Dredd 287 Jud Süß 12 Juergensmeyer, Mark 481, 651, 675, 683, 691f, 703, 747 Julia, Raul 288 Junker, Detlef 221, 234 Jussef, Ramzi 639 Just Another Secret 158 Kaczynski, Theodore 474f Kagan, Robert 233, 278, 372 Kahane, Meir 452 Kahl, Martin 495 Kaplan, Robert 286 Kapur, Shekhar 661 Karate Kid, The 339 Karis, Tim 29 Katsulas, Andreas 637 Katzenberg, Jeffrey 177 Kaufman, Philip 352f Kaye, Heidi 246 Keaton, Diane 117, 617, 694 Keaton, Michael 333 Keitel, Harvey 356 Keith, Brian 617 Kelley, DeForest 163 Kellner, Douglas 115, 148, 539 Kelly, Robert J. 23, 33f Kempley, Rita 318, 623, 689 Kennedy, John F. 116, 160, 234f, 285 Kennedy, Joseph 285 Kennedy, Paul 202
Kensit, Patsy 267 Kerry, John 229, 392, 393, 397, 403, 413, 417f, 511, 651 Khaled, Leila 458 Khambatta, Persis 457 Khan, Abdul Q. 578f Khartoum 661 Khatami, Mohammed 554 Khomeini, Ruhollah 51, 464, 466, 534f, 540, 574, 609, 614, 616, 631f, 662, 691 Kidman, Nicole 177 Kilmer, Val 190 Kim Il Sung 555, 561, 567, 575 Kim Jong Il 561, 567, 569-71, 574f, 580-6 Kim Jong Un 575, 739 King Arthur 292, 659 Kingdom, The 741f Kingdom of Heaven 683-5 King, Erik 319 King, Larry 723 King, Rodney 204, 597 Kinney, Kathrine 316 Kinski, Klaus 617 Kinski, Nastassja 173 Kirkpatrick, Jeane 120, 453 Kissinger, Henry 49f, 53, 451 Klare, Michael 546 Klavan, Ross 316 Kline, Kevin 254 Koch, Edward 391, 393 Koch, Markus 245, 246 Koch, Michael 21, 28, 32 Koenig, Walter 162 Koppel, Ted 460 Koslo, Paul 284 Kosyrew, Andrej 193 Koteas, Elias 516 Kovic, Ron 316 Kracauer, Siegfried 17f Krauthammer, Charles 54, 201f, 216, 226, 227, 306, 460f, 544, 587f, 616 Kristol, William 233, 278, 372 Kruger, Jimmy 254 Kubrick, Stanley 124, 310
Personen- und Filmregister | 821
Kundun 365 Kuroi ame 348 Kurtlar vadisi: Filistin 36 Kurtlar vadisi: Irak 11f, 36, 37, 38 Kurtlar vadisi: Vatan 36 Kushner, Harvey 498 Kyle, Chris 744 LaFeber, Walter 193 Lake, Anthony 229, 236, 545f, 551 Lampton, David 370 Landes, David 686 Lane, Diane 264, 556 Lang, Daniel 317f Laqueur, Walter 228, 438, 496 Lara Croft Tomb Raider: The Cradle of Life 231, 287, 362 Last of the Mohicans, The 307 Last Samurai, The 359f Last Starfighter, The 69 Laxalt, Paul 563 Le Carré, John 135, 161, 617f Lebard, Meredith 349 Lebovic, James H. 575 Ledeen, Michael 650f Lee, Christopher 189 Lee, Robert 331, 354f Lee, Spike 332 Lee, Will Yun 375 Leen, Jeff 424 Legionnaire 660, 698 Leguizamo, John 518 Lehder Rivas, Carlos 403 Lemmon, Jack 119 Lenin, Wladimir 131, 181, 192, 455 Leonidas 653 LeSueur, Stephen C. 81, 86 Lethal Weapon 144, 265f, 376, 389 Lethal Weapon 2 144, 265-7, 268, 290, 342, 389, 396, 407, 507 Lethal Weapon 4 362 Lewinsky, Monica 564 Lewis, Bernard 630, 664 Li Chi Yu 368 Licence to Kill 390, 411-3, 506, 508 Lincoln, Abraham 75 Link, Jürgen 232, 660
Linville, Susan E. 589 Lion King, The 288 Lions for Lambs 742 Little Big Man 299 Little Drummer Girl, The 617-9, 627, 740 Little Nikita 136-8, 139 Litwak, Robert 546 Live Free or Die Hard 473 Living Daylights, The 137f, 143, 390f, 504, 611 Livingstone, Neil C. 501 Livius, Titus 27 Lockhart, Joe 277f London Has Fallen 743 Lone, John 360 Lone Survivor 743 Long Kiss Goodnight, The 218f, 234, 264, 640, 703 Loose Cannons 283-5 Lord of the Rings: The Two Towers, The 282 Lords of Discipline, The 105 Lucas, George 116, 123 Ludlum, Robert 456 Lugar, Richard 175 Lundgren, Dolph 81 Lyman, Princeton N. 251 Lynch, Jessica 604, 605 Lynch, Richard 136, 462 Mabry, David 573 Macdonald, Andrew ĺ Pierce, William MacDonnell, Mary 243 Magnificent Seven, The 413 Mahmoody, Betty 687, 688, 692, 696 Mahmoody, Sayyed Bozorg 687 Mako 353, 486 Malik, Art 635 Mamet, David 698 Manchurian Candidate, The (1962) 375, 649 Manchurian Candidate, The (2004) 268 Mandela, Nelson 260, 268
822 | Die USA und ihre Bösen
Mandelbaum, Michael 564 Mann, Byron 368 Mann, Michael 307, 530 Mansuri, Mariam al- 695f Man Who Knew Too Little, The 219 Man Who Knew Too Much, The 219 Mao Zedong 64 Margolis, Mark 404 Maria Full of Grace 430f Marines 195 Marked for Death 394 The Marksman 195 Marlowe, Andrew 191 Mars Attacks! 246 Marsh, Matthew 278 Martian, The 738f Martin, Andrew 101 Martin, David 443, 461, 665 Marvin, Lee 73, 613 Maslin, Janet 710 Matsuda, Yusaku 343 Mattis, James 686, 745 May, Mathilda 531 Mazursky, Paul 74-6, 80 McAlister, Melanie 296, 618, 643, 696 McCaffrey, Barry 420, 431, 511f McCain, John 397 McCarthy, Joseph 372 McCarthy, Melissa 713 McCorkle, Suzanne 524, 635 McCormack, Gavon 567, 570 McCrisken, Trevor 41f McDermott, Dylan 315 McElhone, Natasha 527 McGregor, Ewan 723 McKinley, William 441 McLish, Rachel 409 McMullen, Francis, Jr. 502 McNamara, Robert S. 328 McNeill, William 113 McTiernan, John 470, 472 McVeigh, Timothy 478, 479f, 482, 639, 669 Mearsheimer, John 223 Medved, Michael 39, 101f, 103, 105, 215, 319, 674, 693, 723
Megiddo: The Omega Code 2 480 Melanson, Richard 109f, 114 Menace II Society 395 Meng, Jessey 365 Men in Black 246f, 264 Mercury Rising 234f, 481, 552 Messenger, The 742 Metz, Christian 20 Metzler, Jakob von 713 Meyers, Jason 34 Miami Vice 433 Midnight Express 367 Milian, Tomas 422 Milius, John 38, 60f, 65, 67, 301f, 329, 418, 650 Miller, Frank 653 Miller, Judith 489, 629 Millowitsch, Willy 287 Milosevic, Slobodan 269, 271f, 276f Ministry of Vengeance 472, 619, 680, 685f, 698, 721 Mirren, Helen 125f Missing 118-20 Missing in Action 96f, 537 Missing in Action 2 96 Mission: Impossible 196, 219 Mission: Impossible II 11, 179, 231 Mission: Impossible III 231 Mississippi Burning 262f, 318, 712 Moffat, Donald 414 Mohammed VI. (von Marokko) 717 Mohammed, Khalid Scheich 639 Mokae, Zakes 259 Molina, Alfred 687 Monaco, Paul 20, 44, 116 Montesinos, Vladimiro 426 Moore, Demi 533 Moore, Harold 325, 328 Moore, Jon 280, 281 Morales, Evo 411, 520 Morrell, David 91 Morricone, Ennio 322 Moscow on the Hudson 74-7, 79, 80, 88, 733 Mountbatten, Louis 523 Moynihan, Daniel Patrick 453 Mr. Baseball 344
Personen- und Filmregister | 823
Mr. Dynamit – Morgen küsst euch der Tod 15 Mr. Smith Goes to Washington 103 Mueller, John 578 Mueller, Karl 578 Muir, Adam 15 Müller-Stahl, Armin 177 Mummy, The 660, 698 Mummy Returns, The 660 Munich 451, 736, 740 Munro, Ross 372 Murder at 1600 264, 556 Murder in the Air 123 Murphy, Eddie 144, 264f Murray, Charles 264 Murray, Shoon Kathleen 34 Muse, Eben J. 298, 316 Mussolini, Benito 451 Nadel, Alan 635 Nadelmann, Ethan 379, 404, 489 Naked Gun, The 466 Nasser, Gamal Abdel 662 National Lampoon’s European Vacation 287 Navy Seals 472, 619, 621, 622, 643, 669, 704, 722f Naziri, Gérard 235 Negroponte, John D. 487, 646, 699 Neri, Francesca 515 Netanyahu, Benjamin 612, 614 Netanyahu, Jonathan 612 Neumann, Peter R. 441, 664 Never Say Never Again 695, 698 New Jack City 395 Nguyen Ngoc Loan 300, 593, 720 Nichols, Terry 482, 639 Nicklas, Hans 32 Nickles, Donald Lee 423 Nidal, Abu 536 Nielsen, Brigitte 85 Nielsen, Leslie 466 Night Crossing 70-2, 76, 254, 733 Nighthawks 288, 455-64, 478, 504, 523, 525, 615f, 695, 713 Nikita 634 Nimoy, Leonard 163
Nixon, Richard 49f, 53, 96, 164, 380, 442, 609, 705 Nolan, Christopher 734, 736 Nolte, Nick 144 No Retreat, No Surrender 84, 138 Noriega, Manuel 159, 391, 401, 507 Norris, Chuck 68, 96, 141, 404, 462, 505, 512, 613, 622, 644, 669 North, Oliver 105f, 160 Not Without My Daughter 687-92, 696f Notorious 284 Novick, Bruce 669 Novick, Peter 111 No Way Out 135 Noyce, Philip 187f, 189, 414 Nunn, Sam 175 Obama, Barack 264, 709 O’Connor, Derrick 266 O’Connor, John E. 40 Octopussy 69 Odinochnoye Plavanye 104 Officer and a Gentleman, An 105 O’Grady, Scott 279 Oldman, Gary 184f Olympus Has Fallen 739 O’Neill, Tip 574 Operation Delta Force 231, 268 Operation Delta Force 2 179, 552 Operation Delta Force 3 418 Operation Delta Force 4 278, 547 Operation Delta Force 5 671f Orwell, George 214, 278 Osterman Weekend, The 58 Ostermann, Änne 32 Otto, Götz 288 Outbreak 230 Package, The 158-60, 219, 727 Packard, George 335f Pacula, Joanna 73, 366, 615 Pahlavi, Mohammad Reza 443, 540, 688, 691f Palcy, Euzhan 259 Palmer, William 74, 76, 118, 124, 137, 146, 455, 504f
824 | Die USA und ihre Bösen
Paolino, Joseph 393 Parillaud, Anne 634 Parker, Alan 262f Parker, Trey 580, 582f Paschen, Joachim 44 Passenger 57 288, 472, 638, 731 Passion of the Christ, The 659 Pastrana, Andrés 421 Patriot, The (1998) 231, 481 Patriot, The (2000) 291f Patriot Games 473, 523-7, 529, 550, 638 Patterson, James 216, 476, 494 Paul, Gerhard 716 Paxton, Bill 309, 635 Peacemaker, The 177-9, 197, 227f, 232, 273f, 287, 553, 566, 713, 728 Pearce, Guy 716 Pearl Harbor 359f, 486 Pelican Brief, The 620, 698 Penn, Arthur 135 Penn, Sean 317, 582 Pepper, Andrew 41f Pepper, Barry 325 Peres, Shimon 224 Perkins, Edward 253 Perle, Richard 489, 559, 586, 639, 677, 707 Perri, Paul 404 Perry, Matthew 295 Persepolis 692 Petersen, Wolfgang 124, 184f, 187, 189, 552, 649 Pfeiffer, Christian 686 Phoenix, River 136, 139 Piaget, Jean 22 Pickering, Michael 29 Pierce, William 479 Peterson, Hector 255 Pike, Rosamund 376 Pillar, Paul 497 Pinochet, Augusto 120 Pipes, Daniel 661, 674 Pipes, Richard 193 Pitt, Brad 373, 527, 528, 530
Platoon 106, 303-7, 309, 312-5, 318f, 322f Plaza, Begonia 405 Plummer, Christopher 164 Podhoretz, Jonathan 319 Podhoretz, Norman 652, 677, 680, 691, 714, 721 Point of No Return 634 Poitier, Sidney 136f, 139, 253, 256 Pol Pot 50, 64, 302 Pork Chop Hill 375 Poseidon 649 Poseidon Adventure, The (1972) 649 Poseidon Adventure, The (2005) 649, 679 Power of One, The 260f, 268 Powell, Colin 560, 573 Powers, Stephen 39, 85, 101, 103, 105 Predator 311, 393 Predator 2 246f, 393-5 President’s Man, The 329, 477, 512f, 644 President’s Man: A Line in the Sand, The 644f, 669f, 673, 701 Presley, Elvis 281 Preston, Richard 230f Price, Jonathan 374, 525 Primakow, Jewgeni 193f Prince, Stephen 35, 115, 457, 478, 514, 638, 641, 643f, 647, 649, 668, 671, 684 Prochnau, William 161 Prochnow, Jürgen 182, 185f, 259, 287 Proof of Life 509 Prosky, Robert 283 Pullman, Bill 242 Punisher, The 433, 713f Putin, Wladimir 181, 194f Quaid, Dennis 274, 339, 427 Quaid, Randy 242 Rabe, David 321 Raiders of the Lost Ark 113, 116, 620, 698
Personen- und Filmregister | 825
Rambo: First Blood Part II 42, 81, 93-105f, 110, 113, 115f, 127, 141f, 145, 230, 292, 301, 303, 307-9, 314f, 464, 480, 537, 584, 600, 602, 725 Rambo III 106-10, 113, 167, 584, 602, 611 Ramírez Berg, Charles 413 Ramírez Sánchez, Ilich 455-7 Ramji, Rubina 598, 636 Rangel, Charles B. 392, 403, 508 Rangers 644 Ranke, Leopold von 304 Rapid Fire 472 Rapoport, David 441 Reagan, Nancy 130, 381, 383, 386, 388 Reagan, Ronald 29, 34, 53-6, 59-62, 64-6,68, 70, 72, 79f, 85, 87, 89, 94-6, 99, 101-5, 107-10, 112-4, 116, 118, 120-5, 129-134, 136, 143, 153, 155-9, 201, 210, 218, 236f, 244, 250-3, 264, 299, 335, 362, 381-3, 386-9, 391, 398, 420, 437, 443-6, 452-4, 464f, 467-9, 488, 502, 523, 534, 536, 538-41, 544, 559, 563, 574, 587, 602, 613, 658, 671, 698f, 725f Red Corner 365-9, 374, 697, 728 Red Dawn (1984) 60-8, 70, 77, 80f, 89, 98, 110, 113, 127, 135, 140, 147, 292, 301, 464, 480, 600f, 650, 725 Red Dawn (2012) 601, 739 Redford, Robert 373 Red Heat 143-9, 151f, 158, 174, 264, 346-8, 390, 403f, 644, 727 Red King, White Knight 158 Reds 117f Red Scorpion 88, 167 Red Scorpion 2 481 Reed, John 117 Rehaief, Mohammed Odeh al- 604 Rehberger, Dean 81, 86 Reich, Robert 348f, 352 Reid, Harry 423 Reiser, Paul 313
Remo Williams 330 Rendition 736f, 740 Replacement Killers, The 287 Requiem for a Dream 430 Rescue Force 472 Return of the Jedi 113 Rhames, Ving 320 Rice, Condoleezza 222, 372, 485, 558, 573, 603f Richman, Alvin 157 Rickman, Alan 287f, 339 Ridley, John 738 Rieber, Robert W. 23, 33f Riederer, Günter 18, 19 Rising Sun 352-9, 375, 711 Robbins, Tim 582 Robert the Bruce 658 Robertson, Pat 682 Robin Hood: Prince of Thieves 642 Robinson, Phil Alden 292f, 644 RoboCop 113 Rock, The 228, 272, 478, 488, 576f, 648 Rocky 81, 95 Rocky II 81, 95 Rocky III 81, 83, 86, 95 Rocky IV 80-9, 95f, 110, 135, 156, 288, 599, 658, 725 Rodat, Robert 291 Rodríguez Orejula, Gilberto 403 Rogin, Michael 242, 337f Rogue One 739 Rohmer, Sax 354f Rollins, Peter C. 319, 418 Rollover 609 Romancing the Stone 413 Romero 118 Ronin 525f Rookie, The 288 Roosevelt, Theodore 66 Rosenbaum, Jonathan 39 Rosenstone, Robert A. 17, 19, 117, 118f Rosselini, Isabella 77 Rothman, David J. 39, 85, 101, 103, 105
826 | Die USA und ihre Bösen
Rothman, Stanley 39, 85, 101, 103, 105 Rourke, Mickey 360f Rove, Karl 14 Royce 272 Rudolph, Eric Robert 475 Rules of Engagement 39, 225, 644, 715-23, 747 Rumsfeld, Donald 556f, 559f, 652 Rushdie, Salman 631f Russell, David O. 595, 603 Russell, Kurt 637, 713 Russia House, The 161 Russians Are Coming! The Russians Are Coming!, The 352 Russkies 139-43, 146, 152 Ryan, Meg 589 Sabotage 272 Sadat, Anwar as- 611 Sahara 698 Said, Edward 295f Saint, The 187-91, 728 Saksena, Ritu 710, 711 Saladin 684, 685 Salameh, Ali Hassan 451 Salt 739 Salvador 118, 120 Samper, Ernesto 400 Sandoval, Miguel 415 Sands of Iwo Jima 615 Santner, Eric 234 Sarandon, Susan 258 Sarasin, Philip 20f Sartelle, Joseph 90, 126 Satrapi, Marjane 692 Saving Jessica Lynch 604f, 698 Saving Private Ryan 237-40, 275f, 291, 604 Savior 274-6 Scarborough, Joe 12 Scarface 413, 505 Schaffner, Franklin 135 Scheider, Roy 125 Scherz, Harald 35 Schewardnadse, Eduard 131 Schickel, Richard 528
Schiffer, Michael 179, 191 Schild, Georg 193 Schirinowski, Wladimir 180f Schlesinger, Arthur, Jr. 220 Schlussel, Debbie 740 Schönbohm, Jörg 11 Schöne, Reiner 287 Schrage, Eva-Maria 21 Schumacher, Joel 203, 205, 211, 214f, 316 Schwarzenegger, Arnold 140, 144, 146, 393, 514, 519, 635 Schwarzkopf, Norman 679f Schweiger, Till 287, 292 Schweitzer, Carl-Christoph 29 Schwentke, Robert 737 Schygulla, Hanna 612 Scorsese, Martin 91, 365 Scott, Ridley 308, 330, 346f, 663f, 683, 719, 742 Scott, Tony 373 Scruggs, Jan 321 Seagal, Steven 394 Seal Team Six: The Raid on Osama Bin Laden 743 Search and Destroy 464 Seidensticker, Tilman 610 Semmerling, Tim Jon 213, 590, 598f, 609, 718 Sena, Dominic 493 Serbedzija, Rade 188 Sergeant Slaughter 542 Seven Years in Tibet 365 Shadow Conspiracy 234 Shaheen, Jack 541, 598, 602, 608, 616, 621, 626, 628, 641, 642, 668, 705, 722 Shalhoub, Tony 626, 643, 704f Shambaugh, David 370 Shapiro, Jerome 176, 179 Shattner, William 163 Shaw, Deborah 428 Shay, Don 308 Shea, John 119 Sheen, Charlie 173, 304, 622 Sheen, Martin 301 Shepard, Sam 492
Personen- und Filmregister | 827
She Wore a Yellow Ribbon 699 Shigeta, James 339 Shohat, Ella 694 Shootdown 59f Showalter, Elaine 234 Showdown in Little Tokyo 396 Shue, Elisabeth 190 Shultz, George 89, 130, 133, 453f, 563 Siege, The 637f, 640f, 643, 701-12, 715f, 722, 723, 737, 741 Silence of the Lambs, The 288 Silver, Joel 36, 191 Simpson, Don 226 Sinatra, Frank 156 Single White Female 85 Sinise, Gary 315 Sinner, Eberhard 12 Sjuganow, Gennadi 181 Skarsgaard, Stellan 292 Sklar, Robert 104 Slade, Shelley 535, 628 Slotkin, Richard 30, 98f, 298, 355, 413 Slovo, Shawn 258 Smith, Ebbe Roe 211 Smith, Jedidiah 66 Smith, Will 242, 264 Snake Eyes 234, 640 Sniper 389, 414, 507f Sniper 2 278f Sniper 3 316, 329 Snipes, Wesley 264, 288, 352, 355, 394, 556 Snow Falling on Cedars 339 Snyder, Zack 655 Soderbergh, Steven 421, 425, 427, 430 Soldier, The 466 Soldier Blue 299 Soldiers Pay 603 Sorlin, Pierre 16 Soufan, Ali 715 Southern Comfort 316 Space Cowboys 197 Spacek, Sissy 119 Spartan 698
Specialist, The 389 Species 246 Species II 246 Sphere 246 Spider-Man 2 52 Spielberg, Steven 116, 177, 237f, 240, 305, 451, 740 Spies Like Us 123f, 127 Spillmann, Kati 22 Spillmann, Kurt 22 Spy Game 373 Spy Who Came in from the Cold, The 135 Spy Who Loved Me, The 69, 374 Stalin, Josef 24, 64, 181, 192 Stallone, Sylvester 80f, 91, 95, 97, 104, 108, 394, 455, 713 Stargate 246f Starman 126 Starship Troopers 245 Star Trek III 69, 164 Star Trek IV 53 Star Trek VI 162-8, 362, 727 Star Wars (A New Hope) 42, 69, 113, 116, 123, 242, 480, 582 Stebbins, John 723 Stempel, Tom 39, 41 Stephens, Toby 375 Sterling, Claire 172, 392, 447-9, 456, 536 Stewart, Kristen 740 Stewart, Potter 439 Stockwell, Stephen 15 Stoiber, Edmund 11 Stoker, Bram 742 Stone, Matt 580, 582f Stone, Oliver 274, 303f, 307, 313, 316, 318, 323-5, 360f, 657 Stöver, Bernd 18, 33 Strike Zone 552, 698, 713 Strübel, Michael 15 Suchet, David 537, 637 Sudden Impact 104 Sulfaro, Valerie 350 Sum of all Fears, The 179, 232, 268, 287f, 292f, 494, 644 Superman II 49, 52, 56f, 96, 113, 482
828 | Die USA und ihre Bösen
Superman IV 113, 134 Sutherland, Donald 258 S.W.A.T. 395 Swayze, Patrick 62 Swetow, Joel 644 Swofford, Anthony 590 Swordfish 179, 490-4 Syriana 736, 737 Syska, Alicja 196 Tagawa, Cary-Hiroyuki 354 Tahawy, Miral al- 692 Takakura, Ken 343 Taking of Flight 847, The 612, 676 Tango & Cash 713 Target 135 Tarkington, Rockne 615 Tasker, Yvonne 395 Taxi Driver 91, 444, 572 Team America: World Police 580-6, 595, 744 Tears of the Sun 679 Tenet, George 487f, 560 Tepes, Vlad 681 Terminal Velocity 172-4, 178, 191 Terry, Belaunde 498 Thatcher, Margaret 63, 132, 523 Themistokles 655 Theweleit, Klaus 96 Thin Red Line, The 240 Thompson, Lea 67 Thornton, Billy Bob 486 Thorsen, Sven-Ole 288 Three Days of the Condor 58 Three Kings 589-99, 601f, 667 Thurman, Maxwell 399 Thurmond, Strom 501 Thuy Tu Le 317, 322 Ticotin, Rachel 206 Tigerland 316f To Live and Die in L.A. 620, 671 Tolkien, J.R.R. 282 Tolstoi, Leo 142 Tomorrow Never Dies 179, 288, 373f Top Gun 54, 105, 110, 149, 402, 584, 643
Toplin, Robert Brent 33, 39, 119 Top Secret! 71 Towering Inferno, The 646 Traffic 421-31, 736 Traitor 741 Transformers 601 Transformers: Age of Extinction 601 Transformers: Dark of the Moon 601 Transformers: Revenge of the Fallen 601 Transformers: The Last Knight 601 Travolta, John 179, 490, 494 Trotzki, Leo 77 Troy 684 True Lies 228, 494, 513, 635-7, 640, 643, 645, 666-8, 673, 694f, 697, 713, 723 Truman, Harry S. 53f Trump, Donald 739, 744-6 Tschernenko, Konstantin 131 Tucker, David 440, 450,469, 474 Tudjman, Franjo 271 Tung Thanh Tran 322 Twelve Monkeys 231, 527 U-571 240 Uncommon Valor 96 Under Fire 118, 120 Under Siege (1986) 620 Under Siege (1992) 273, 472, 556, 638 Under Siege 2 265, 556, 638 Unforgiven 480 United 93 649f Universal Soldier 316, 620 Vance, Cyrus 443 Van Damme, Jean-Claude 138 Vanhala, Helena 35, 187, 453, 473, 537, 638f, 662, 679, 704f, 710f van Wolferen, Karel 353 Vals Im Bashir 616 Vargas, Jacob 423 Venora, Diane 192 Verhoeven, Paul 245 V for Vendetta 737f, 741
Personen- und Filmregister | 829
Viceiros, Carlton 393 Vice Versa 54 View to a Kill, A 69 Vineberg, Steve 77 Virus 246 Vlahos, Michael 114 Voight, Jon 219 Volkoff, Nikolai 465 Von Raab, William 407, 500, 502 Vorster, Baltazar Johannes 260 Vosloo, Arnold 660 Voyagis, Yorgo 617 Wagenlehner, Günther 29 Wagner, Carsten 35 Wagner, Richard 301 Wag the Dog 279, 564-6, 576 Wahlberg, Mark 591 Wakayama, Tomisaburo 344 Walcott, James 443, 461, 665 Walker 118, 120 Walker, Kasey 616 Walker, Polly 525 Wallace, Randall 325, 327, 328 Wallace, William 658 Walter, Marco 748 Wanted: Dead or Alive 620f, 665, 676f, 713, 715 WarGames 122 War of the Worlds 242 Warren, Spencer 301 Warry, John 656 Washington, Denzel 179, 254, 589, 702, 722 Watanabe, Gedde 333 Wayne, John 16, 147, 299, 615 Weathers, Carl 82 Weaver, Sigourney 308 Webb, James 717 Weigel-Klinck, Nicole 99 Weinberger, Caspar 55f, 59, 62, 398, 455 Weld, Tuesday 206 Weller, Christoph 153f, 155, 633f Wells, H.G. 242 Wendt, Dirk 27 West, Dominic 654
Westmoreland, William C. 328 We Were Soldiers 238, 325-9 Whatley, Liem 323 White Nights 77-80, 88, 108, 366, 725, 733 Wicker, Tom 397 Wiesel, Elie 271 Wigham, Shea 317 Wilby Conspiracy, The 253 Wilhelm, Charles 403 Williams, Billy Dee 459 Williams, Phil 114 Williams, Robin 74, 322, 624 Williams, Treat 529 Willis, Bruce 192, 288, 306, 339, 341f, 702 Wilson, Owen 279f Wilson, Pete 336 Wilson, Woodrow 221 Wilzewski, Jürgen 561 Wind and the Lion, The 60, 66 Windtalkers 240 Wing Commander 246 Winter, Rainer 43 Wise, Ray 358 Wolfowitz, Paul 226, 559, 560, 603 Woods, Donald 254, 256 Woolsey, James 233, 574 Working Girl 85 World Apart, A 258 World Is Not Enough, The 638 World War III 57, 61 World War Z 739 Wright, Lawrence 641 Wright, Robin 315 Xerxes 657 X Files, The 246 Yamamoto, Isoroku 486 Yamamura, Soh 334 Yasuhiro, Nakasone 358 Year of the Dragon 360f, 376, 395 Yeoh, Michelle 374 Yulin, Harris 414 Zane, Billy 12
830 | Die USA und ihre Bösen
Zemeckis, Robert 215 Zero Dark Thirty 715, 743 Zeta-Jones, Catherine 422 Zuckerman, Mortimer B. 629 Zulaika, Joseba 701
Zwick, Edward 640f, 702, 709, 716 Zywietz, Bernd 35, 273f, 472, 523, 526, 528, 583, 620, 636, 645, 667, 670, 703, 711, 712, 736, 737, 741
Geschichtswissenschaft Reinhard Bernbeck
Materielle Spuren des nationalsozialistischen Terrors Zu einer Archäologie der Zeitgeschichte 2017, 520 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 39,99 € (DE), 978-3-8376-3967-4 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3967-8
Gertrude Cepl-Kaufmann
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