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German Pages 210 [211] Year 2021
Comparative Studies in the History of Insurance Law Studien zur vergleichenden Geschichte des Versicherungsrechts Volume / Band 15
Die Ursprünge der Versicherungsaufsicht in Deutschland und Italien aus historischvergleichender Perspektive
Von
Laura Zampano
Duncker & Humblot · Berlin
LAURA ZAMPANO
Die Ursprünge der Versicherungsaufsicht in Deutschland und Italien aus historischvergleichender Perspektive
Comparative Studies in the History of Insurance Law Studien zur vergleichenden Geschichte des Versicherungsrechts Edited by / Herausgegeben von Prof. Dr. Phillip Hellwege
Volume / Band 15
Die Ursprünge der Versicherungsaufsicht in Deutschland und Italien aus historischvergleichender Perspektive
Von
Laura Zampano
Duncker & Humblot · Berlin
The project ‘A Comparative History of Insurance Law in Europe’ has received funding from the European Research Council (ERC) under the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme (grant agreement No. 647019).
Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D 384 Alle Rechte vorbehalten
© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 2625-638X (Print) / ISSN 2625-6398 (Online) ISBN 978-3-428-18301-2 (Print) ISBN 978-3-428-58301-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinem Vater
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/2021 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Die Arbeit wurde im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projektes „A Comparative History of Insurance Law in Europe“ (kurz: „CHILE“) erstellt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. iur. Phillip Hellwege M. Jur. (Oxford), der mir mit seiner Geduld und seinem Rat stets zur Seite gestanden hat und der den Mitarbeitern an seinem Lehrstuhl ein ideales Umfeld zum Wachstum und für den wissenschaftlichen Austausch geschaffen hat. An dieser Stelle möchte ich mich auch herzlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl und aus dem CHILE-Projekt bedanken, insbesondere bei meinen Zimmerkolleginnen Dr. Sinem Ogis und Dr. Silvia Karmann, die mich immer nicht nur fachlich, sondern auch persönlich unterstützt haben. Nicht zuletzt danke ich allen die mich bei dieser Arbeit über den gesamten Zeitraum hinweg mit ihrem Zuspruch und ihrer aktiven Unterstützung, sei es bei fachlichen Fragen, sei es beim Korrekturlesen, oder bei inhaltlichen Diskussionen mit so viel Engagement begleitet haben. Augsburg, August 2021
Laura Zampano
Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Versicherungsaufsicht: Definition, Modelle und heutiger Stand . . . . . . . . . . . . . 19 I.
Die Versicherungsaufsicht und ihre Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
II. Die Theorien der Zwecke der Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Systeme der Staatsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 IV. Heutiges Versicherungsaufsichtsmodell in Deutschland und Italien . . . . . . . . . . 26 C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland . . . . . . 27 I.
Die Geschichte des Versicherungswesens in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
II. Die ersten aufsichtsrechtlichen Gedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen . . . . . . 43 IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 VI. Schlussfolgerungen aus der Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland: Der lange Weg zur materiellen Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . 128 D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien . . . . . . . . . . . 131 I.
Die Geschichte des Versicherungswesens in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
II. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle: Die Aussteuerkassen . . . . . . . . . . . . 145 III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 IV. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 V. Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien: Schlussfolgerungen . . . . 183 E. Berührungspunkte und Unterschiede der Entwicklung der Versicherungsauf sicht in Deutschland und Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I.
Seeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
II. Feuerversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Lebensversicherung und ihre früheren Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 IV. Allgemeine Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
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Inhaltsübersicht
Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Deutsche Gesetzestexte und Gesetzessammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Nicht deutsche Gesetzestexte und Gesetzessammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Versicherungsaufsicht: Definition, Modelle und heutiger Stand . . . . . . . . . . . . . 19 I.
Die Versicherungsaufsicht und ihre Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
II. Die Theorien der Zwecke der Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Die Gefahrentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Die Schutztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Die Strukturtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4. Weitere Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Systeme der Staatsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Das Publizitätssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Das Normativsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3. Das Konzessionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4. Das System der materiellen Staatsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 IV. Heutiges Versicherungsaufsichtsmodell in Deutschland und Italien . . . . . . . . . . 26 C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland . . . . . . 27 I.
Die Geschichte des Versicherungswesens in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Die drei Wurzeln der deutschen Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 a) Die erwerbswirtschaftliche Wurzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Die genossenschaftliche Wurzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Die öffentlich-rechtliche Wurzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Das Versicherungswesen zur Zeit der Kameralisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Das Aufblühen des privaten Versicherungswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
II. Die ersten aufsichtsrechtlichen Gedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen . . . . . . 43 1. Brandgilden in Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Octroi und freiwillige Unterwerfung unter die Staatsaufsicht . . . . . . . . . . . . 48 3. Der Dispacheur in Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Die Hamburger Feuerkontrakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
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Inhaltsverzeichnis IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Preußische Feuersozietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Preußisches Seerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 c) Preußische Assecuranz- und Haverey-Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 d) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Hamburger General-Feuerkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1731 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Verbot von Wettversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg: Heiratskassen . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Öffentlich-rechtliche Feuerversicherungsanstalten in verschiedenen deutschen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Reichsstadt Nürnberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 d) Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5. Ein kurzer Blick auf die deutschen Tontinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 6. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Die Einführung einer Versicherungsaufsicht in den deutschen Staaten: Ende des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Verordnung vom 13. März 1781 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten . . . . . . . . . . . . . 89 b) Reichsstadt Nürnberg (Sterbe-, Aussteuer-, Professionskassen) . . . . . . . 91 c) Bremen (Sterbekassen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 d) Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg (Sterbekassen) . . . . . . . . . . . . . 96 2. Ein Überblick über die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen der deutschen Staaten im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Kabinettsorder vom 29. September 1833: Witwen-, Sterbe- und Aussteuerkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Gesetz über das Mobiliar-Feuer-Versicherungswesen . . . . . . . . . . . . 100 cc) Allerhöchste Kabinettsorder von 1841: Immobiliarfeuerversicherungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 dd) Gesetz über die Aktiengesellschaften von 1843 und MinisterialInstruktion von 1845 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Inhaltsverzeichnis
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ee) Allgemeine Gewerbeordnung von 1845: Konzessionspflicht für alle Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ff) Allerhöchste Kabinettsorder von 1847: Bedürfnisprüfung für Agenten von Feuerversicherungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 gg) Erste Vorschrift in die Gegenrichtung: Verordnung vom 6. April 1848 107 hh) Preußisches Strafgesetzbuch: Konzessionspflicht für alle Versiche rungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 ii) Gesetz von 1853 zur Regelung des Geschäftsverkehrs zwischen den Versicherungsanstalten: Die Ausdehnung der Konzessionspflicht . . 109 jj) Zwei Vorschriften in Richtung Liberalisierung: Aufhebung der Bedürfnisprüfung und der Konzessionspflicht für Agenten . . . . . . . . . . . . . 111 kk) Die Haltung des preußischen Staats gegenüber dem Versicherungs wesen im Laufe des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Die aufsichtsrechtliche Gesetzgebung in einigen deutschen Staaten im 19. Jahrhundert: Konzessionssystem und Präventivkontrolle . . . . . . . . . 115 aa) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Andere deutsche Staaten mit Konzessionssystem . . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Deutsche Staaten mit grundsätzlicher „Freiheit“ des Versicherungswesens 121 aa) Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 d) Die Vielfältigkeit der Aufsichtsmodelle in den deutschen Staaten . . . . . . 123 3. Kurze Darstellung der überstaatlichen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen im 19. Jahrhundert bis zur Einführung der materiellen Versicherungsaufsicht . . 124 4. Überblick über die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 VI. Schlussfolgerungen aus der Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland: Der lange Weg zur materiellen Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . 128 D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien . . . . . . . . . . . 131 I.
Die Geschichte des Versicherungswesens in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Seeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Lebensversicherung und Wetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Feuerversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Andere Arten von Versicherungen: Versicherungen auf Landreisen und Rückversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5. Erste Urkunden und Gesetzestexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 6. Das Betreiben des Versicherungsgeschäfts: Einzelversicherer, Versicherungsgesellschaften und mutue (Versicherungen auf Gegenseitigkeit) . . . . . . . . . . 142
II. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle: Die Aussteuerkassen . . . . . . . . . . . . 145 1. Monte delle doti in Florenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
14
Inhaltsverzeichnis 2. Monti di maritaggio im Königreich Neapel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Monte del matrimonio in Bologna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Gesetzgebung italienischer Städte und Königreiche vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Genua (ab dem 14. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Dekret von 1369 zum nicht wucherischen Charakter der Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 bb) Verbot, ausländische Schiffe zu versichern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Verbot, Schiffe im Hafenbecken zu versichern . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 dd) Verbot, Schiffe über die Hälfte des Wertes hinaus zu versichern . . . . 155 ee) Steuer- und Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 ff) Wettversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 gg) Zuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Maklern . . . . . . . . 158 hh) Gesetzeslage bis zur Vereinigung Italiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Florenz (ab dem 14. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Verbot, ausländische Schiffe und ausländische Waren zu versichern 159 bb) Bestätigung der Gültigkeit der Versicherungsverträge . . . . . . . . . . . . 162 cc) Die Vorschriften der Statuten der Offiziali delle sicurtá . . . . . . . . . . . 162 dd) Gesetzeslage bis zur Vereinigung Italiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 c) Venedig (ab dem 15. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Wettversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Einschränkungen der Möglichkeit, Schiffe und Waren zu versichern 166 cc) Zuständigkeit und Sonderverfahren für Versicherungsangelegenheiten 169 dd) Die Terminazione Veneta von 1771 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 ee) Gesetzeslage bis zur Vereinigung Italiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 d) Neapel (ab dem 17. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Steuer- und Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Gesetzlich vorgegebene Versicherungspolicen . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 cc) Die Reale Compagnia di Assicurazioni Marittime . . . . . . . . . . . . . . . 175 dd) Gesetzeslage bis zur Vereinigung Italiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Ein Überblick über die Gesetzgebung des Königreichs Sardinien und des Königreichs Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Codice Albertino von 1842 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Handelsgesetzbuch von 1865 und die Gesetzgebung nach der Vereinigung Italiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Handelsgesetzbuch von 1882 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
Inhaltsverzeichnis
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IV. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 V. Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien: Schlussfolgerungen . . . . 183 E. Berührungspunkte und Unterschiede der Entwicklung der Versicherungs aufsicht in Deutschland und Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I.
Seeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
II. Feuerversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Lebensversicherung und ihre früheren Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 IV. Allgemeine Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Deutsche Gesetzestexte und Gesetzessammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Nicht deutsche Gesetzestexte und Gesetzessammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Abkürzungsverzeichnis A. L. R. Allgemeines Preußisches Landrecht Abs. Absatz Abt. Abteilung Art. Artikel Aufl. Auflage Bd. Band Begr. Begründer bzw. beziehungsweise CCM Corpus Constitutionum Marchicarum d. h. das heißt ders. / dies. derselbe / dieselbe ebd. ebenda Fn. Fußnote ggf. gegebenenfalls HansRZ Hanseatische Rechtszeitschrift für Handel, Schiffahrt und Versicherung, Kolonial- und Auslandsbeziehungen, sowie für Hansestädtisches Recht Hrsg. Herausgeber i. V. m. in Verbindung mit INA Istituto Nazionale delle Assicurazioni NCC Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium Praecipue Marchicarum o. S. ohne Seite Rep. Repertoire S. Seite s. siehe s. l. sine loco (ohne Erscheinungsort) sog. sogenannt Sp. Spalte StAN Staatsarchiv Nürnberg StdtAN Stadtarchiv Nürnberg u. a. und andere, unter anderem und so weiter usw. VAG Versicherungsaufsichtsgesetz vgl. vergleiche VW Versicherungswirtschaft zum Beispiel z. B. ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht ZVersWiss Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
A. Einleitung Das Versicherungsaufsichtsrecht ist neben dem Versicherungsvertragsrecht ein bedeutender Bestandteil des Privatversicherungsrechts. Es dient primär dem Schutz der Versicherten. In den letzten Jahren war das Versicherungsaufsichtsrecht durch eine zunehmende Europäisierung geprägt, um so die Schaffung eines Versicherungsbinnenmarktes zu ermöglichen. Diese Entwicklungen, wie auch das geltende Versicherungsaufsichtsrecht insgesamt, sind bereits Gegenstand zahlreicher und vertiefter Untersuchungen gewesen. Die Geschichte des Versicherungsaufsichtsrechts ist dagegen bisher nur punktuell erforscht. Zwar hat sich gerade die deutsche Forschung intensiv mit der Geschichte des Versicherungsaufsichtsrechts auseinandergesetzt. Doch beschränken sich diese Arbeiten zumeist auf die Gesetzgebung, welche seit der preußischen Verordnung vom 13. März 17811 und über das 19. Jahrhundert hinweg zur Einführung der modernen Versicherungsaufsicht geführt hat. Weiter zurück geht die Forschung nur selten. Für andere europäische Rechte fehlen historische Darstellungen der Versicherungsaufsicht dagegen fast vollständig, so auch für das italienische Recht. Aber gerade mit Blick auf die zunehmende Europäisierung des modernen Versicherungsaufsichtsrechts ist ein Verständnis der historischen Grundlagen aus vergleichender Perspektive förderlich. Diese Lücke will die vorliegende Arbeit zumindest teilweise schließen. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der historischen Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland und Italien. Der Entwicklung in Deutschland diejenige in Italien gegenüberzustellen schien deshalb reizvoll zu sein, weil Italien als Ursprung der modernen Versicherung gilt. Und mit Blick auf die vielfältigen historischen Verknüpfungen beider Länder schien es zumindest möglich, dass sich die Entwicklungen in beiden Ländern gegenseitig beeinflusst haben – eine Annahme, die sich am Ende dieser Arbeit allerdings nicht bestätigen ließ. Eine historisch-vergleichende Aufarbeitung des Versicherungsaufsichtsrechts in Deutschland und Italien wirft eine Reihe von methodischen Problemen auf. So waren die Rechte in Deutschland und im heutigen Italien lange von einer starken territorialen Fragmentierung geprägt. Hinzu kam eine inhaltliche Fragmentierung: es gab eine Vielzahl von Produkten, die punktuell und ganz unterschiedlich reguliert worden sind. Ein einheitliches Versicherungsrecht fehlte lange Zeit. Schließlich haben sich diese Produkte in Deutschland und Italien nicht parallel entwickelt.
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S. unten C. V. 1. a) aa).
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A. Einleitung
Diese methodischen Probleme verlangen nach (einer Vielzahl von) Mikrostudien, die jeweils für ein klar definiertes Zeitfenster und für eine Stadt oder ein Territorium die Regulierung eines einzigen Versicherungsprodukts untersuchen. Ein solcher Forschungsansatz würde es ermöglichen, alle noch vorhandenen Archivmaterialien aufzuspüren und zu analysieren. Die vorliegende Arbeit hat sich indes für einen anderen Ansatz entschieden: sie möchte einen Überblick über die Entwicklungen verschaffen. Zwar ist es so nicht möglich, alle Aspekte des Themas gleichermaßen vertieft auszuleuchten. Aber nur mit dem hier verfolgten Ansatz können die Ergebnisse historisch und vergleichend eingeordnet werden. Zudem ist es nur so möglich, Forschungsfragen zu identifizieren, deren vertiefte Erörterung in künftigen Arbeiten überhaupt nur gewinnbringend erscheint. Zentral für diese Studie ist der Begriff der Versicherungsaufsicht, und daher war es notwendig, sich zunächst einen Überblick über moderne Definitionen, Modelle, Theorien und Systeme der Versicherungsaufsicht zu verschaffen, um so den Blick für die historische Untersuchung zu schärfen. Doch darf der Blick durch eine solche Darstellung nicht verengt werden. Denn die vorliegende Arbeit setzt zeitlich nicht erst dort an, wo von einer Versicherungsaufsicht im modernen Sinne gesprochen werden kann. Sie will einen Schritt weiter zurückgehen und für beide Länder auch solche Vorschriften untersuchen, die vor der Einführung einer echten Versicherungsaufsicht verabschiedet wurden. Nur so ist es möglich, die Ursprünge, die zur versicherungsaufsichtsrechtlichen Gesetzgebung im eigentlichen Sinn geführt haben, zu rekonstruieren. Um dieses Ziel zu erreichen, wird zum einen nach ersten Ansätzen gesucht, bei denen die staatliche Absicht, eine Kontrolle über das Versicherungswesen zu erlangen, erkennbar ist, zum anderen nach Gesetzgebung, die noch keine Versicherungsaufsicht darstellt, trotzdem aber eine aufsichtsrechtliche Natur zeigt. Dabei soll einerseits von „ersten Ansätzen einer staatlichen Kontrolle“ und von „Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur“ gesprochen werden, ohne dass diese beiden Kategorien definiert werden. Vielmehr werden die verschiedenen gesetzgeberischen Interventionen beschrieben und dann qualitativ einer der beiden Kategorien zugeordnet. Somit wird die gesamte Entwicklung der Gesetzgebung bis zur Einführung einer modernen Versicherungsaufsicht für Deutschland und Italien rekonstruiert.2
2 Diese Arbeit befasst sich nicht mit Sozialversicherungen, daher werden Renten-, Unfallund Krankenversicherung nicht berücksichtigt.
B. Versicherungsaufsicht: Definition, Modelle und heutiger Stand Bevor die verschiedenen Schritte der Entwicklung der Beaufsichtigung des Versicherungswesens, von ihren Ursprüngen bis zur Einführung einer modernen Versicherungsaufsicht, untersucht werden können, sind einige grundlegende Aspekte zu klären, insbesondere was unter Versicherungsaufsicht zu verstehen ist und wie diese konkret umgesetzt werden kann. Die Darstellung der Zwecke und der Modelle der obrigkeitlichen Aufsicht über das Versicherungswesen, die in dieser Dissertation verwendet werden, orientiert sich an der deutschsprachigen Literatur. Diese von der deutschen Literatur ent wickelten Modelle sind bestens geeignet, die Versicherungsaufsicht auch in anderen europäischen Ländern zu beschreiben, einzuordnen und zu klassifizieren.
I. Die Versicherungsaufsicht und ihre Gründe Unter Staats-Aufsicht über das Gebiet des privaten Versicherungswesens sind alle Maßnahmen zu verstehen, durch welche der Staat im Interesse der Versicherten auf den Geschäftsbetrieb der privaten Versicherungsunternehmungen einzuwirken beabsichtigt.1
Die Aufsicht über das Versicherungswesen kann sehr unterschiedlich gestaltet werden, je nach Bedeutung und Rolle in der Gesamtwirtschaft, die man dem Versicherungswesen zuschreibt, und je nach den in einem bestimmten historischen Zeitraum und in einem bestimmten Staat herrschenden wirtschaftspolitischen Überzeugungen. Das Versicherungswesen ist leicht Missbräuchen ausgesetzt, die von allen Beteiligten begangen werden können, und die möglichen Gefahren, die im Versicherungsgeschäft verborgen sein können, können sowohl auf der Seite der Versicherer als auch auf der Seite der Versicherten eintreten. Dies bedeutet, dass eine Aufsicht über das Versicherungswesen nicht nur auf eine Kontrolle über die Versicherer zum Schutz der Versicherten beschränkt werden kann, sondern auch das Verhalten der Versicherungsnehmer berücksichtigen und überwachen muss, um eventuelle betrügerische Aktivitäten von deren Seite zu vermeiden.2 Missbräuche seitens der Versicherten könnten zum Beispiel in Situationen eintreten, in denen ein
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Petersen, Aufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 3. Aufl., Sp. 171–190 (171). Zu dieser doppelten Bedeutung der Versicherungsaufsicht s. Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 150–152; Bánde, Versicherungs-Staatsaufsicht, S. 10; Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 16–17. 2
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B. Versicherungsaufsicht: Definition, Modelle und heutiger Stand
Objekt überversichert wird und dann die Schäden daran selber verursacht werden3. Um solche Fälle zu vermeiden, können besonders strafrechtliche Bestimmungen mit einbezogen werden, die ein betrügerisches Verhalten des Versicherten sanktionieren. Einen Schutz gegen missbräuchliches Verhalten der Versicherten stellen auch alle Rechtsbestimmungen dar, die die Bezahlung der Versicherungssummen an besondere Voraussetzungen knüpfen,4 genauso wie diejenigen der obrigkeitlichen Präventivkontrolle, die feststellen, dass der Inhalt eines Versicherungsvertrages von den Behörden geprüft und für unbedenklich erklärt werden muss, um gültig zu sein.5 Eine oft größere Gefahr stellen die Missbräuche seitens der Versicherer dar, die durch die Gründung unsolider Gesellschaften oder durch einen betrügerischen Geschäftsbetrieb, die finanzielle Lage der Versicherten und somit sogar den Wohlstand einer ganzen Gesellschaft gefährden können. Da zum einen die Rolle des Versicherungswesens in der Wirtschaft und sein Ziel (der finanzielle Schutz eines Interesses gegen eine Gefahr) so wichtig sind, zum anderen es oft für die meisten Versicherten nicht möglich ist, die Glaubwürdigkeit der Versicherer zu prüfen, sollte es Aufgabe des Staates sein, die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen zu übernehmen. Die deutsche Rechtslehre hat verschiedene Modelle der staatlichen Aufsicht über das Versicherungswesen beschrieben, die jeweils unterschiedlichen Zwecken dienen.
II. Die Theorien der Zwecke der Versicherungsaufsicht Um die verschiedenen Arten und Formen der staatlichen Aufsicht über Versicherungen einordnen zu können, haben die deutschen Rechtswissenschaftler die möglichen Zwecke einer Versicherungsaufsicht gründlich erforscht und einige Theorien formuliert, die die verschiedenen Versicherungsaufsichtssysteme begründen können.6
1. Die Gefahrentheorie Der sog. Gefahrentheorie nach hat die Aufsicht als Zweck, den Versicherten vor Gefahren zu bewahren, die aktuell und präsent sind. Der Staat sollte erst beim Eintreten tatsächlicher Schäden und Gefahren eingreifen und nicht schon gegenüber
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Ein solches Risiko zeigt sich am häufigsten bei der Feuerversicherung (Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 151; Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 16). 4 Wie z. B. die Vorschriften, die bei der Immobiliarversicherung festlegen, dass die Versicherungssumme nur für den Wiederaufbau der abgebrannten Gebäude verwendet werden darf. 5 Für Beispiele einer Unbedenklichkeitsbescheinigung s. unten C. V. 2. 6 Aus der umfangreichen Literatur: Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 22–23; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 29–37; Starke, Entwicklungslinien, S. 58–69; Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, S. 1–20.
II. Die Theorien der Zwecke der Versicherungsaufsicht
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Gefahren, die nur potentiell künftig eintreten könnten, aktiv werden.7 Der staatliche Eingriff sollte also „lediglich repressiv oder prohibitiv“ sein.8 Eine Versicherungsaufsicht, die anhand dieser Theorie gestaltet ist,9 hat eine starke polizeiliche Prägung10 und scheint im Endeffekt nicht wirklich effektiv zu sein. Die Gefahrentheorie war schon Anfang des 20. Jahrhunderts kaum im deutschen Schrifttum vertreten.11 Um die Grenzen dieser Theorie zu überwinden, wurde die Schutztheorie entwickelt.
2. Die Schutztheorie Die Schutztheorie stellt eine Erweiterung der Gefahrentheorie dar. Kern der Versicherungsaufsicht sei laut dieser Theorie der Schutz der Versicherungsnehmer, deren Interessen gegenüber möglichen Gefahren, die sowohl seitens der Versicherungsgesellschaften als auch „von außen“12 kommen könnten, gewahrt werden müssen.13 Was an dieser Theorie besonders kritisiert wurde, ist, dass sie nur dazu geeignet ist, individuelle Interessen und Belange zu schützen. In der Literatur ist betont worden, dass, da die Schutztheorie sich auf das Verhältnis zwischen dem Versicherer und dem einzelnen Versicherten konzentriert, sie das Verhältnis zwischen dem Versicherer und der „Masse der Versicherten“ nicht berücksichtigt14 und deshalb nicht geeignet ist, die allgemeinen Interessen aller Versicherungsnehmer zu wahren.15 7
Starke, Entwicklungslinien, S. 58–59; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 30–31; Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, S. 10; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 22. 8 Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 22. 9 Dies war z. B. der Fall bei der Versicherungsaufsicht in einigen deutschen Staaten im 19. Jahrhundert (Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 22). 10 Schako, Staatsaufsicht, S 14; Starke, Entwicklungslinien, S. 58; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 30; Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, S. 10. 11 Starke, Entwicklungslinien, S. 58. Die Gefahrentheorie wurde noch auf dem 6. Internationalen Kongress für Versicherungswesen von 1909 von A. R. Barrand, Mitglied des Kongresses aus England, vertreten: „[…] let us emphatically protest against legislation that will simply hamper us in connection with imaginary difficulties, difficulties which have not yet occurred and which perhaps may never occur. If only State supervision bears such facts as these in mind, […] than I have no fear of State supervision“ (Mathematisch-Statistische Vereinigung des Österreich-Ungarischen Verbandes der Privat-Versicherungs-Anstalten (Hrsg.), Gutachten, Denkschriften und Verhandlungen S. 77); vgl. Schako, Staatsaufsicht, S. 14. 12 Beispiel einer Gefahr, die von außen kommt, ist die Änderung des für die Kalkulation vorgesehenen Zinsfußes (Schako, Staatsaufsicht, S. 13; Starke, Entwicklungslinien, S. 59; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 22). 13 Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 22; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 31–32; Starke, Entwicklungslinien, S. 59–62; Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, S. 10–11. 14 Kilian, Das Gesetz über die privaten Versicherungsunternehmungen, S. 228. 15 Starke, Entwicklungslinien, S. 61–62; Stein, Die Wirtschaftsaufsicht. S. 10–11; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 32.
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B. Versicherungsaufsicht: Definition, Modelle und heutiger Stand
3. Die Strukturtheorie Die Strukturtheorie wurde in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts von Starke entwickelt, der sie als Fortentwicklung der Schutztheorie betrachtete.16 Laut dieser Theorie hat das Versicherungsgeschäft im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen eine besondere Struktur, die es ihm nicht ermöglicht, eingetretene Probleme und Missstände selbst zu lösen. Daher ist der Eingriff einer Aufsichtsbehörde notwendig, die die Schwäche der Versicherungswirtschaft und den Mangel an automatischer Regulierung ausgleichen kann.17 Ziel der Versicherungsaufsicht ist laut dieser Theorie die Bewahrung der Struktur und der Funktionsfähigkeit der Versicherungswirtschaft, unabhängig von den Interessen und dem Schutz der Versicherten und ohne Einfluss auf das Verhältnis zwischen Versicherern und Versicherten.18
4. Weitere Theorien Die deutschen Rechtswissenschaften haben noch weitere Theorien ausgearbeitet, um Inhalt und Form der Versicherungsaufsicht zu definieren. Da diese wenig verbreitet sind, werden hier nur der Vollständigkeit halber die bekanntesten aufgezählt: Die soziale Theorie,19 die hoheitliche Theorie,20 die sozialistische Theorie,21 die wirtschaftspolitische Theorie22 und die Mehrzwecktheorie.23
III. Systeme der Staatsaufsicht Zur umfassenden Beschreibung der unterschiedlichen Formen, in denen eine staatliche Aufsicht über das Versicherungswesen umgesetzt werden kann, haben die deutschen Rechtswissenschaftler vier Modelle ausgearbeitet, mit denen die verschiedenen Aspekte der Versicherungsaufsicht sich klassifizieren lassen und 16
Starke, Entwicklungslinien, S. 65–69; s. auch Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 33. Im Jahr 1967 behauptete Stein, dass die Strukturtheorie „heute als die offiziöse Theorie des Bundesamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen“ galt (Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, S. 11). 17 Starke, Entwicklungslinien, S. 67; s. auch Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, S. 11–14; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 32–34. 18 Starke, Entwicklungslinien, S. 68; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 22–23. 19 Starke, Entwicklungslinien, S. 62–64; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S 22; Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 111; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 34–35. 20 Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 35. 21 Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 35–36. 22 Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 111. 23 Starke, Entwicklungslinien, S. 64; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 23.
III. Systeme der Staatsaufsicht
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die auch in der internationalen Literatur gerne verwendet werden:24 Das Publizitätssystem, das Normativsystem, das Konzessionssystem und das System der materiellen Staatsaufsicht.25 Diese vier Modelle beschreiben die verschiedenen Möglichkeiten, mit denen die Kontrolle des Staates über das Versicherungswesen aufgebaut werden kann, obwohl das Versicherungsaufsichtssystem, das in einer bestimmten Periode in einem bestimmten Staat in der Praxis eingesetzt wird, vom Modell abweichen oder eine Kombination aus verschiedenen Modellen sein kann.
1. Das Publizitätssystem Das Publizitätssystem stellt die einfachste und auch die schwächste Form der Versicherungsaufsicht dar, bei der der Eingriff des Staates darauf beschränkt ist, die periodische Veröffentlichung verschiedener Geschäftsunterlagen (wie z. B. Bilanzen, Tätigkeitsberichte und Geschäftspläne) von den Versicherungsgesellschaften zu verlangen. Eine weitere staatliche Kontrolle über die Versicherungen und deren Geschäftsbetrieb ist nicht vorgesehen.26 Dieses Aufsichtsmodell ist grundsätzlich rein formell, da das Publikum der potenziellen Versicherten auf keine weitere Unterstützung seitens des Staates zählen kann und selber in der Lage sein muss, sich aufgrund der vorhandenen Informationen eine wirklichkeitsnahe Vorstellung über die Zuverlässigkeit der Versicherer zu machen, im besten Falle mit Hilfe von Kommentaren oder Vergleichskriterien von Fachleuten oder Konkurrenzunternehmen. Ein solches Modell der Versicherungsaufsicht kann offensichtlich nicht besonders effektiv sein und weist mehrere Nachteile auf. Erstens kann eine komplette und realitätsnahe Beurteilung der Bonität und Vertrauenswürdigkeit eines Versicherungsunternehmens durch eine einfache Offenlegung von Bilanzen, Tätigkeitsinformationen und Betriebsverhältnissen nicht erreicht werden. Was für Fachleute 24
Vgl. Sciuto / Spada, Il tipo della societá per azioni, S. 23. Aus der umfangreichen Literatur: Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 22–28; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 1; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 23–25; Moldenhauer, Die Aufsicht über die privaten Versicherungsunternehmungen, S. 49–63; Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 31–102; Bánde, Versicherungs-Staatsaufsicht, S. 12–16; Schako, Staatsaufsicht, S. 3; Reuß / Berliner, Aufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 210–233 (211–213). Die meisten der oben genannten Autoren erkennen das Konzessionssystem nicht als eigenständiges System, sondern nur in Verbindung mit der materiellen Staatsaufsicht an. 26 Reuß / Berliner, Aufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 211–212; Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 33–45; Bánde, Versicherungs-Staatsaufsicht, S. 12–14; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 22; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 23. Ein Beispiel des Publizitätssystems stellt die Versicherungsaufsicht in Großbritannien im Zeitraum zwischen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts dar (Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 33). 25
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B. Versicherungsaufsicht: Definition, Modelle und heutiger Stand
schon schwierig wäre, wirkt fast unmöglich für das normale Publikum der potentiellen Versicherungsnehmer, für die also eine solche Versicherungsaufsicht kein passendes Instrument ist. Zweitens wird diesem Versicherungsaufsichtsmodell noch vorgeworfen, dass der Staat die Vollständigkeit und den Wahrheitsgehalt der beigebrachten Informationen nicht sicherstellen kann. Letztlich kann dieses Aufsichtsmodell auch nur dazu dienen, neuen potentiellen Versicherungsnehmern bei der Entscheidung für ein Versicherungsunternehmen zu helfen und nicht diejenigen, die bereits versichert sind, zu schützen.27
2. Das Normativsystem Beim Normativsystem geht der Eingriff des Staates tiefer als im Publizitätssystem. In diesem Modell der Versicherungsaufsicht müssen nämlich die Versicherer nicht nur Publizitätsvorschriften einhalten, sondern auch und vor allem staatliche Bestimmungen befolgen, die ihre Tätigkeiten auf verschiedene Weisen einschränken. Es handelt sich hier um Vorschriften über die Gründung und die Fortführung des Unternehmens (wie z. B. Richtlinien für die Satzung, Eintragungspflichten, Notwendigkeit eines Gründungskapitals und eines Deckungsfonds für die Versicherungsansprüche), denen die Versicherungen unterworfen sind und die den Zweck haben, die Versicherten vor der Gründung und dem Betrieb unseriöser Versicherungen zu schützen.28 Dem Staat obliegt es hier ausschließlich die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen. Somit handelt es sich auch in diesem Fall um eine rein formelle Überprüfung, ohne die Möglichkeit für den Staat, eine materielle Kontrolle über die Versicherungsunternehmen ausüben zu können.
3. Das Konzessionssystem Das Prinzip, auf welchem das Konzessionssystem basiert, ist, dass die Gründung eines Versicherungsbetriebes einer staatlichen Zulassung unterliegt. Die Erteilung einer solchen Zulassung kann die Erfüllung verschiedener Bedingungen voraussetzen, wie z. B. eine positive Prüfung des Versicherungsbedarfs oder des soliden und vertrauenswürdigen Zustandes eines Versicherungsunternehmens.29 Der Nach 27
Reuß / Berliner, Aufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 212; Burger, Der Einfluß, S. 11–12; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 23. 28 Reuß / Berliner, Aufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 212; Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 45–57; Bánde, Versicherungs-Staatsaufsicht, S. 14–15; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 22; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 23–24; Burger, Der Einfluss, S. 12–13. Ein Beispiel des Normativsystems sind die Niederlande im 20. Jahrhundert, obwohl das dortige System mit dem Konzessionsprinzip verbunden ist und nicht alle Versicherungszweige betrifft (Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 45). 29 Reuß / Berliner, Aufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 213; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 24; Gahlen, Die Aufsicht, S. 6.
III. Systeme der Staatsaufsicht
25
teil eines reinen Konzessionssystems besteht darin, dass der Staat grundsätzlich keinen Einfluss auf den laufenden Geschäftsbetrieb der Versicherung nehmen kann,30 obwohl es in der Regel die Möglichkeit gibt, unter bestimmten Umständen die erteilte Bewilligung zu widerrufen. Die Mehrheit der deutschen Rechtslehre ist daher der Ansicht, dass das Konzessionsprinzip grundsätzlich nur in Verbindung mit einer materiellen Staatsaufsicht wirklich effektiv sein kann.31
4. Das System der materiellen Staatsaufsicht Die stärkste und effektivste Form der Versicherungsaufsicht ist die sogenannte materielle Staatsaufsicht. Hauptmerkmale dieses Aufsichtssystems sind eine erweiterte staatliche Kontrolle der Versicherer und deren entsprechend eingeschränktere Gewerbefreiheit. Dieses System hat als Ausgangspunkt die Grundsätze des Publizitäts- und des Normativsystems, geht aber über eine rein formelle Überwachung hinaus, indem es eine fortlaufende materielle Betriebskontrolle miteinschließt. Das System der materiellen Staatsaufsicht entspricht der Schutztheorie der Versicherungsaufsicht und zum Teil auch der Strukturtheorie.32 Eine materielle Staatsaufsicht ist in der Regel mit einer Bewilligung des Staates verbunden, die Rolle des Staates ist aber nicht nur auf die Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften beschränkt, sondern vielmehr besteht seine Aufgabe darin, durch eine fortlaufende und dauerhafte Überwachung des Geschäftsbetriebes die Interessen der Versicherten zu schützen.33 Die Aufsichtsbehörden, die eine solche materielle Überwachung durchführen, sind gegebenenfalls dazu berechtigt, auch unabhängig von spezifischen rechtlichen Maßstäben einzugreifen und Ermessensentscheidungen zu treffen, um Missbräuche seitens der Versicherungsunternehmen zu verhindern.34
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Dieses System der Versicherungsaufsicht stellt daher ein „Präventiv- und nicht bloß Repressivsystem“ dar (Reuß / Berliner, Aufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 213). 31 Reuß / Berliner, Aufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 213; Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 31–32 und 92–95 (diesem Autor nach ist ein reines Konzessionsprinzip nur im Falle eines Staatsmonopols über das Versicherungswesen möglich); Burger, Der Einfluß, S. 13–14; Bánde, Versicherungs-Staatsaufsicht, S. 15–16. 32 Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 25. 33 Reuß / Berliner, Aufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 212–213; Reuß, Staatsaufsicht, in: Manes, Versicherungslexikon, 1. Aufl., Sp. 1152; Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 57–88; Bánde, Versicherungs-Staatsaufsicht, S. 15–16; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 23–28; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 24–25. Beispiele des Systems der materiellen Staatsaufsicht sind die USA, Österreich, die Schweiz und Belgien im 20. Jahrhundert (Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 58). 34 Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 23; Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 25.
26
B. Versicherungsaufsicht: Definition, Modelle und heutiger Stand
IV. Heutiges Versicherungsaufsichtsmodell in Deutschland und Italien Sowohl Deutschland als auch Italien verwenden als aktuelle Form der Versicherungsaufsicht das System der materiellen Staatsaufsicht ergänzt durch das Konzessionsprinzip. In Deutschland wurde dieses System durch das Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG) vom 12. Mai 1901 eingeführt, womit zum ersten Mal im gesamten Gebiet des Deutschen Reichs eine einheitliche Versicherungsaufsicht geschaffen wurde.35 Bezüglich Deutschlands wird dieses Gesetz als zeitlicher Schlusspunkt dieser Arbeit dienen. In Italien wurde das heutige System der materiellen Versicherungsaufsicht mit Konzessionsprinzip später eingeführt, und zwar durch das Gesetzesdekret vom 29. April 1923 Nr. 966,36 das als zeitlicher Schlusspunkt für die Nachforschung über Italien dienen wird.
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S. unten C. V. 3. S. unten D. IV.
C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland Nach der obenstehenden Darstellung der Grundlagen der modernen Klassifizierung der Versicherungsaufsicht1 wird nun der Blick auf Deutschland gerichtet, mit einer detaillierten Untersuchung der Entwicklung der Versicherungsaufsicht. Zunächst werden die Ansätze betrachtet, die als erste Schritte zur Entwicklung einer Aufsicht über das Versicherungswesen angesehen werden können und die ab dem 16. Jahrhundert zu erkennen sind.2 Danach wird gezeigt, wie bereits vor der Einführung einer Versicherungsaufsicht im eigentlichen Sinne am Ende des 18. Jahrhunderts,3 auch Vorschriften aus selbigem Jahrhundert zu finden sind, die eine „aufsichtsrechtliche Natur“ hatten, da sie die Absicht des Staates zeigten, das Versicherungswesen zu kontrollieren und zu überwachen und einen staatlichen Einfluss darauf auszuüben.4 Als Letztes wird die Entwicklung der Gesetzgebung über die Versicherungsaufsicht in den diversen deutschen Staaten vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Versicherungsaufsichtsgesetz von 1901 verfolgt.5 Bei der Untersuchung der Entwicklung der Versicherungsaufsicht ist es notwendig, neben einer Aufsicht, die als Kontrolle des Staates über die Versicherer gedacht ist, um Missbräuche von deren Seite zu vermeiden, auch die staatliche Kontrolle über die Versicherten zu erforschen, die das Ziel hatte, die Versicherer gegen eventuelle Missbräuche durch Versicherungsnehmer zu schützen. Daher wird im Folgenden sowohl auf die Vorschriften, die an Versicherer gerichtet waren, als auch auf diejenige, die ein betrügerisches Verhalten seitens der Versicherten bestraften, eingegangen.
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Deutschland Eine Arbeit, die sich eine Untersuchung der Entwicklung der Versicherungsaufsicht zum Ziel setzt, muss auf der Geschichte des Versicherungswesens aufbauen. Zum besseren Verständnis und zur Rekonstruktion der Kontrolle, die der Staat in verschiedenen Epochen über das Versicherungswesen ausgeübt hat, ist es erforderlich, die Entwicklung und die Gestaltung der Versicherung an sich zu kennen. 1
S. oben B. S. unten C. III. 3 S unten C. V. 1. 4 S. unten C. IV. 5 S. unten C. V. 2
28
C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Deswegen ist es unumgänglich, zunächst die wichtigsten Etappen der Entwicklung des Versicherungswesens in Deutschland kurz anzureißen. Im Folgenden wird die Geschichte der Versicherung anhand der umfangreichen deutschen Literatur rekonstruiert und als Ausgangspunkt für den tatsächlichen Kern dieser Arbeit betrachtet. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Einfluss gewidmet, den die Entwicklung der Versicherungsgeschichte auf die Entstehung und Gestaltung der Versicherungsaufsicht ausübte.
1. Die drei Wurzeln der deutschen Versicherung Die deutsche Rechtslehre ist sich darüber einig, dass das Versicherungswesen keinen einheitlichen Ursprung, sondern unterschiedliche Wurzeln hat, obwohl es Unstimmigkeiten bezüglich der konkreten Identifizierung selbiger gibt. Die Mehrheit der Autoren erkennt drei verschiedene Wurzeln der modernen deutschen Versicherung: Eine erwerbswirtschaftliche, eine genossenschaftliche und eine öffentlich-rechtliche.6 Ein anderer Teil der deutschen Rechtslehre ist dagegen der Ansicht, dass nur zwei separate Wurzeln in der Entstehung und Entwicklung des Versicherungswesens zu erkennen seien, da die genossenschaftliche und die öffentlich-rechtliche Wurzel zwei Aspekte derselben Entwicklungslinie darstellen.7 Nach der Darstellung der Mehrheit der deutschen Rechtslehre entwickelten sich die Wurzeln des Versicherungswesens zunächst für Jahrhunderte unabhängig voneinander und fingen dann zwischen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts an, sich einander anzunähern, ineinander zu verschmelzen und sich anzugleichen.8 Kürzlich wurde diese Rekonstruktion der Entwicklung des Versicherungswesens in Frage gestellt, da sie eine übermäßige Vereinfachung der komplexen Geschichte der Versicherung darstelle, insbesondere weil eine komplett getrennte Entwicklung der drei Wurzeln über einen so langen Zeitraum schwierig nachvollziehbar sei.9 Die drei Wurzeln des Versicherungswesens, wie sie von der deutschen Rechtslehre traditionell ausgearbeitet wurden, werden trotzdem im Folgenden geschildert, um einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Versicherung in Deutschland zu erhalten. 6
Aus der umfangreichen Literatur: Farny, Entwicklungslinien, S. 9–13; Koch, Versicherungswesen, Sp. 815–820; ders., Was bringt die Beschäftigung, S. 10–15; ders., Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 5–6; ders., Der geistesgeschichtliche Hintergrund, S. 152–156; Burger, Der Einfluß, S. 4–10. Vgl. Hellwege, Die historische Rechtsvergleichung, S. 228–235. 7 Aus der umfangreichen Literatur: Mahr, Einführung, S. 39–66; Büchner / Ohlmeier (Hrsg.), 275 Jahre Hamburger Feuerkasse, S. 7; Grosse, Versicherungsgeschichte, S. 213–214; von Gierke, Versicherungsrecht, S. 9–11; Büchner, Geschichte, Sp. 793; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 3; König, Privatversicherungsrecht, S 9–12; Maurer, Stefan, Standorte, S. 9–30. Vgl. Hellwege, Die historische Rechtsvergleichung, S. 232. 8 Farny, Entwicklungslinien, S. 9; vgl. Hellwege, Introduction, S. 13; ders., Germany, S. 180. 9 Hellwege, Germany, S. 171–197.
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Deutschland
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a) Die erwerbswirtschaftliche Wurzel Die erwerbswirtschaftliche Wurzel des Versicherungswesens ist dadurch gekennzeichnet, dass die Initiative zur Gründung der Versicherung auf „erwerbswirtschaftlich orientierte Unternehmen oder Kapitalisten“ zurückzuführen war10 und sie ist diejenige, die später zur Gründung von Versicherungsaktiengesellschaften führte.11 Der Ursprung dieser Wurzel lag im kaufmännischen Handelsverkehr und trat insbesondere in Form der Seeversicherung in Erscheinung,12 die als die älteste Versicherungsart gilt.13 Nach Ansicht des überwiegenden Teils der Rechtslehre entwickelte sich die Seeversicherung aus dem mediterranen Gebiet heraus. Als ihr Vorläufer wird das Seedarlehen, das sog. foenus nauticum, angesehen.14 Das Seedarlehen, bereits im griechischen und römischen Recht bekannt15 und bis zum Mittelalter im Mittelmeerraum weit verbreitet,16 war ein Darlehen zur Finanzierung einer Seereise,17
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Farny, Entwicklungslinien, S. 9. Burger, Der Einfluß, S. 5. 12 Aus der umfangreichen Literatur s. Burger, Der Einfluß, S. 5; Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 6; ders., Versicherungswesen, Sp. 818; ders., Was bringt die Beschäftigung, S. 13–14; Boss, Systeme, S. 9–10; Büchner, Geschichte, Sp. 793; Mahr, Einführung, S. 48–55; Hellwege, Die historische Rechtsvergleichung, S. 229. 13 Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 1120. 14 Aus der umfangreichen Literatur: Lohsse, Vom Seedarlehen zur Versicherung; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 358–363; Hagen, Versicherungsrecht, S. 4–5, Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 26–29 und S. 35–37; Mahr, Einführung, S. 48–49; von Gierke, Versicherungsrecht, S. 11–13; Gahlen, Die Aufsicht, S. 1; Kiesselbach, Die wirtschaftsund rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 1; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 3–4. Diese Rekonstruktion der Seeversicherungsentwicklung stammt aus dem 16. Jahrhundert, als Straccha (1509–1578) behauptete, dass das Seedarlehen der Ursprung der Versicherung sei („Traiectitiam pecuniam instar cuius assecuration inventa est“: Straccha, De assecurationibus, Glossa XV, Nr. 2). Straccha benutzte den Begriff pecunia traiectitia, der das Äquivalent für das foenus nauticum im Römischen Recht war (Serafini, Istituzioni di diritto romano, S. 67). Einige Autoren nennen als Ursprung der Seeversicherung, neben dem foenus nauticum, auch die Gefahrengemeinschaft von Seeschiff und Ladung (König, Privatversicherungsrecht, S. 8–11; Boss, Systeme, S. 9; Frenzl, Seeversicherung, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 1120). Anders: Cassandro bestritt eine Verbindung zwischen dem Seedarlehen und der Versicherung und war der Ansicht, dass die Versicherung ein „ganz neues Institut“ sei (Cassandro, Genesi, S. 240–242). 15 Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 40; Büchner, Geschichte, Sp. 793; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 4. Das Seedarlehen war laut mancher Autoren sogar bereits bei Indern, Babyloniern und Phöniziern bekannt (s. von Gierke, Versicherungsrecht, S. 11; Mahr, Einführung, S. 48). 16 Knoll berichtete z. B., dass allein im Zeitraum von 1155 bis 1164 bei einem Genuesischen Notar ungefähr 500 Seedarlehensverträge unterschrieben wurden (Knoll, Entwicklungs geschichte, S. 11). 17 Im Römischen Recht wurde das foenus nauticum dann auch für lange Landreisen verwendet, das sog. foenus quasi nauticum (Mahr, Einführung, S. 49; Donati, Trattato, I. Bd., S. 57; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 347, Fn. 55). 11
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
das ein Kapitalgeber einem Kaufmann gewährte und das nur beim erfolgreichen Ausgang des Seetransportes zurückzubezahlen war, samt (gewöhnlich hoher) Zinsen. Verunglückte das Schiff, musste der Kapitalgeber sowohl auf das Kapital als auch auf die Zinsen verzichten.18 Das foenus nauticum stellte noch keinen echten Versicherungsvertrag dar,19 zeigte aber zu diesem trotz seiner Natur eines Kreditgeschäfts durchaus Ähnlichkeiten, da die bei erfolgreicher Ankunft des Schiffes fälligen Zinsen mit einer Art Versicherungsprämie vergleichbar waren.20 Das Seedarlehen und die damit verbundenen Zinsen wurden Anfang des 13. Jahrhunderts von Papst Gregor IX. durch die sog. decretale Naviganti21 als wucherisch erklärt und daher verboten.22 Um dieses Verbot zu umgehen, wurden verschiedene Vertragsformen verwendet, wie zum Beispiel ein resolutiv bedingter Kaufvertrag, der das Darlehen decken sollte,23 bis zur Entwicklung eines Versicherungsdarlehens, durch welches ein Kapitalgeber eine Seereise „finanzierte“, das Kapital aber erst mit Eintritt des Schadens ausbezahlte und der Kaufmann, dessen Reise finanziert wurde, eine Prämie als Gegenleistung für die Risikoübernahme bezahlen musste.24 So entwickelte sich im 14. Jahrhundert in den mediterranen Ländern, in erster Linie in Italien, das Rechtsinstitut der Seeversicherung mit Übernahme eines Risikos gegen eine Prämie, die den Ausgangspunkt der Versicherung auf kaufmännischer
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Statt vieler: König, Privatversicherungsrecht, S. 10. von Gierke, Versicherungsrecht, S. 11; König, Privatversicherungsrecht, S. 10; Mahr, Einführung, S. 48. 20 Boss, Systeme, S. 9; Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 27–28; Büchner, Geschichte, Sp. 793; Frenzl, Seeversicherung, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 1120–1121; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 4. 21 Über das genaue Datum dieses päpstlichen Dekrets gibt es in der Literatur Unstimmigkeiten, manchmal sogar beim selben Autor im selben Werk. Manche Autoren legen den Erlass der decretali naviganti in den Zeitraum 1227–1234 oder 1227–1235 (vgl. Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 346, Fn. 52 und S. 363; ders., Zur Geschichte der Seeversicherung, S. 205; Plass / Ehlers, Geschichte der Assecuranz, S. 19); andere nennen dagegen als Erlassjahr das Jahr 1236 (Salvioli, L’assicurazione e il cambio marittimo, S. 240) oder 1237 (ebd., S. 20; Donati, Trattato, I. Bd., S. 60). 22 Aus der umfangreichen Literatur: Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 346, Fn. 52 und S. 363; ders., Zur Geschichte der Seeversicherung, S. 205; Plass / Ehlers, Geschichte der Assecuranz, S. 19; Salvioli, L’assicurazione e il cambio marittimo, S. 20–21 und S. 239–240; Donati, Trattato, I. Bd., S. 60; Brunetti, Sull’origine italiana, S. 578–579. 23 Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 37; Melis, Origini, Urkunden V–VIII; König, Privatversicherungsrecht, S. 10; Manes, Versicherungswesen, I. Bd., S. 37–38; Donati, Trattato, I. Bd., S. 66; Brunetti, Sull’origine italiana, S. 579. 24 Zum Einfluss des kanonischen Zinsverbots auf die Entwicklung der Seeversicherung s. aus der umfangreichen Literatur: Lohsse, Vom Seedarlehen zur Versicherung; Frenzl, Seeversicherung, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 1121; König, Privatversicherungsrecht, S. 10; Goldschmidt, Zur Geschichte der Seeversicherung, S. 205–206; Salvioli, L’assicurazione e il cambio marittimo, S. 20–21. Anders: Hammacher, Die Grundzüge, S. 15; Perdikas, Die Entstehnug der Versicherung (diese zwei Autoren bestreiten die Rolle des kanonischen Zinsverbots und geben als Gründe der Entwicklung der Seeversicherung die Veränderungen der Wirtschaftsstruktur ab dem 12. Jahrhundert an); Valeri, I primordi, S. 628, Fn. 2. 19
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Deutschland
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Grundlage darstellt.25 Zentrum der Verwendung und der Ausbreitung der Seeversicherung waren die oberitalienischen Seestädte,26 vor allem Genua27 und Venedig,28 aber auch toskanische Städte wie Pisa und Florenz,29 und süditalienische Städte wie Palermo.30 Der erste bekannte Seeversicherungsvertrag wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Genua abgeschlossen.31 Von Italien aus verbreitete sich die Seeversicherung bis zur iberischen Halbinsel und fand in Spanien eine vollständige gesetzliche Regelung durch die Ordonnanz von Barcelona von 1435.32 Von Spanien und Portugal aus gelangte die Seeversicherung zwischen dem 15. Jahrhundert33 und Anfang des 16. Jahrhunderts34 nach England, Frankreich und in die Niederlande; von dort aus erreichte sie Deutschland, insbesondere die Hansestädte.35 25 Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 6; ders., Versicherungswesen, Sp. 818; ders., Was bringt die Beschäftigung, S. 13–14; Farny, Entwicklungslinien, S. 9–11; Burger, Der Einfluß, S. 5; Büchner, Die Geschichte der Versicherungsaufsicht, S. 727–728; ders., Geschichte, Sp. 793; Boss, Systeme, S. 9–10; von Gierke, Versicherungsrecht, S. 11–12; Bensa, Contratto di assicurazione, S. 46–57 (dieser Autor unterschied nicht zwischen den verschiedenen Wurzeln des Versicherungswesens, sah aber den Ursprung der Versicherung in der See versicherung, die im 14. Jahrhundert im Mittelmeerraum und insbesondere in den italienischen Seestädten verbreitet war); Donati, Trattato, I. Bd., S. 62. 26 Koch, Versicherungswesen, Sp. 818; ders., Was bringt die Beschäftigung, S. 13; ders., Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 6. Anders: Reatz, Geschichte, S. 13–14, nach dessen Ansicht die Seeversicherung sich erst in Portugal entwickelte. 27 In Genua wurden die Versicherungen meistens notariell beurkundet und in den genuesischen notariellen Archiven sind zahlreiche Versicherungsverträge zu finden (im Detail s. Bensa, Il contratto, S. 48, Fn. 4). Als Zeichen der Häufigkeit, mit der Versicherungsverträge im 14. Jahrhundert in Genua abgeschlossen wurden, wird in der Literatur oft erwähnt, dass 1393 in nur drei Wochen vor einem einzigen Notar 80 Versicherungsverträge abgeschlossen wurden (Bensa, Il Contratto, S. 79; Donati, Trattato, I. Bd., S. 62, Fn. 27; Mahr, Einführung, S. 51; Manes, Versicherungswesen, II. Bd., S. 123). 28 Boss, Systeme, S. 10; Mahr, Einführung, S. 49; Büchner, Geschichte, Sp. 794–795; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 4. 29 von Gierke, Versicherungsrecht, S. 12; Dernburg / Kohler, Versicherungsrecht, S. 350. 30 Tigges, Geschichte. S. 4; Hangartner, Versicherungsgeschichte, S. 218; Büchner, Geschichte, Sp. 795. 31 S. unten D. I. 5. 32 Die Ordonnanz von Barcelona von 1435 ist abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, IV. Bd., S. 493–502. Aus der umfangreichen Literatur über diese Entwicklung der Seeversicherung: Frenzl, Seeversicherung, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 1121. Anders: Hager, Die öffentlich-rechtliche Regelung des Privatversicherungswesens, S. 3. Laut diesem Autor entwickelte sich die Seeversicherung erst in Flandern und Portugal und breitete sich danach ins romanische Südeuropa aus. 33 von Gierke, Versicherungsrecht, S. 13. 34 Frenzl, Seeversicherung, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 1121. 35 Über die Ausbreitung der Seeversicherung in Europa aus der sehr umfangreichen Literatur (mit einigen kleinen Unstimmigkeiten zwischen den Autoren): Burger, Der Einfluß, S. 5–6; Koch, Versicherungswesen, Sp. 818; ders., Was bringt die Beschäftigung, S. 14; Farny, Entwicklungslinien, S. 10–11; König, Privatversicherungsrecht, S. 10–11; von Gierke, Versicherungsrecht, S. 12–13; Mahr, Einführung, S. 52–54; Hangartner, Versicherungsgeschichte, S. 218; Büchner, Geschichte, Sp. 795; Dreyer, Die „Assecuranz und Haverey-Ordnung“, S. 20–21; Bruck, Das Privatversicherungsrecht, S. 6–7; Donati, Trattato, I. Bd., S. 54.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Der erste bekannte deutsche Seeversicherungsvertrag wurde 1588 in Hamburg abgeschlossen.36 Im deutschsprachigen Gebiet waren anfangs hauptsächlich Ausländer als Versicherer tätig und bis Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Versicherung vor allem von Einzelassekuradeuren betrieben.37 Eine der ersten großen deutschen Seeversicherungsgesellschaften wurde 1765 in Hamburg gegründet, die Erste Hamburger Assekuranz-Kompagnie für Seerisiko und Feuersgefahr, sie war die erste deutsche Versicherungsaktiengesellschaft.38 Danach wurden weitere Seeversicherungs gesellschaften auch in anderen deutschen Städten errichtet.39 b) Die genossenschaftliche Wurzel Merkmal der genossenschaftlichen Entwicklungslinie des Versicherungswesens ist, dass die Initiative zur Gründung der Versicherung in den Händen der Risikoträger selbst lag.40 Die genossenschaftliche Wurzel des Versicherungswesens stammt aus Nordeuropa, insbesondere aus England, Skandinavien, Island und Norddeutschland und stellt die Basis dar, auf der sich später nach der traditionellen Rekonstruktion durch die deutsche Rechtslehre die Versicherung auf Gegenseitigkeit entwickelte,41 die ihre Blütezeit zwischen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts hatte.42 Der Ausgangspunkt dieser Wurzel ist das genossenschaftliche Prinzip der gegenseitigen Absicherung der Mitglieder mittelalterlicher Zünfte und Gilden bei Not- und Unglücksfällen, wie z. B. Brand, Schiffbruch, Wassernot, Diebstahl, Raub, Viehverlust oder Tod. Mindestens seit dem 10. Jahrhundert waren in NordEuropa Gilden (oder diesen ähnliche Verbände) bekannt, die den Mitgliedern
36 Kiesselbach beschreibt die Einzelheiten dieses Versicherungsvertrages: Der Versicherte war ein in Hamburg eingewanderter Niederländer und ungefähr die Hälfte der insgesamt 29 Versicherer waren in Hamburg ansässige Assekuradeure (Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 15–16). 37 Burger, Der Einfluß, S. 6; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 41. 38 Im Jahr 1765 wurde auch die Assecuranz-Compagnie zu Berlin gegründet, die ebenfalls eine Aktienversicherungsgesellschaft war, aber keinen besonderen Erfolg hatte und vor dem Ende des Jahrunderts wieder aufgelöst wurde (Evenden, Deutsche Feuerversicherung-Schilder, S. 12). 39 Vgl. Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 113; Bues, Meidung und Unterdrückung, S. 52; Maurer, Stefan, Standorte, S. 66–67; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 23; Burger, Der Einfluß, S. 6. S. auch unten C. I. 3. 40 Farny, Entwicklungslinien, S. 9. 41 Koch, Was bringt die Beschäftigung, S. 11–12; ders., Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 5; ders., Versicherungswesen, Sp. 816; Farny, Entwicklungslinien, S. 11–12; Burger, Der Einfluß, S. 7–8; Boss, Systeme, S. 10; König, Privatversicherungsrecht, S. 11; Gahlen, Die Aufsicht, S. 2. 42 Farny, Entwicklungslinien, S. 12. S. unten C. I. 3.
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Deutschland
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Hilfe in den verschiedensten Notsituationen gewährten.43 Laut einigen Autoren waren solche Gilden sogar bereits im 8. Jahrhundert in Deutschland verbreitet.44 In Deutschland fand die genossenschaftliche Wurzel ihren Ursprung „in dem genossenschaftlichen Geiste des germanischen Volkslebens“ und die Versicherung „trieb ihre ersten Blüten schon in den Gilden des Mittelalters“.45 Ab dem frühen Mittelalter erschienen also im deutschsprachigen Raum die ersten Gegenseitigkeitsvereine, die den Mitgliedern eine Unterstützung insbesondere bei Brandschäden und Viehverlusten,46 aber auch bei Schiffbruch und Todesfällen,47 zusicherten. Ab dem 15. Jahrhundert verbreiteten sich vor allem „auf dem flachen Land“ zahlreiche Versicherungsgilden, die die Mitglieder bei Brand, Tod, Viehverlust und Arm- und Beinbruch unterstützten.48 Besonders nennenswert sind zum einen die Brandgilden, die ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts49 in Schleswig-Holstein gegründet wurden und in der deutschen Literatur als Vorläufer der deutschen Feuerversicherung betrachtet werden,50 zum anderen die Hamburger Feuerkontrakte,51 die zumindest ab dem Jahr 1591 zwischen mehreren Hamburger Hauseigentümern zum gegenseitigen Schutz in Brandfällen abgeschlossen wurden.52 Die Rechtslehre hat betont, dass während die Brandgilden zur Entwicklung der Versicherung auf Gegenseitigkeit führten, bei der die Entwicklungsinitiative bei den Risikoträgern lag, die Feuerkontrakte, dank der treibenden Rolle, die die Obrigkeit dabei spielte, zur öffentlich-rechtlichen Versicherung beitrugen.53 Ein Zeichen dafür, dass bereits sehr früh die verschiedenen Entwicklungslinien des Versicherungswesens eng miteinander verbunden waren.
43 Für eine Darstellung der Nord-Europäischen Gilden s. Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 13–15; von Gierke, Versicherungsrecht, S. 10–11; Manes, Versicherungswesen, I. Bd., S. 35; Mahr, Einführung, S. 40–42; Grosse, Versicherungsgeschichte, S. 213; Hangartner, Versicherungsgeschichte, S. 217–218; Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 1–2; ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 92–94; Bruck, Das Privatversicherungsrecht, S. 8; Donati, Trattato, I. Bd., S. 58, Fn. 14; ders., Trattato, III. Bd., S. 129. 44 Koch, Versicherungswesen, Sp. 815. 45 Hue de Grais, Handbuch, S. 588. 46 Koch, Was bringt die Beschäftigung, S. 11; Burger, Der Einfluß. S. 7. 47 Grosse, Versicherungsgeschichte, S. 213. 48 Farny, Entwicklungslinien, S. 11. 49 Laut einem Teil der Rechtslehre bereits im 15. oder sogar im 14. Jahrhundert (s. unten C. III. 1). 50 Koch, Was bringt die Beschäftigung, S. 11; ders., Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 5; Burger, Der Einfluß, S. 7; Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 19–23; Büchner, Geschichte, Sp. 796. Für eine detaillierte Darstellung der Brandgilden in Schleswig-Holstein s. Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. und II. Bd.; ders., Entstehung und Entwicklung; Maass, Die Brandgilden insbesondere in Schleswig-Holstein. 51 S. unten C. III. 4. 52 von Zedtwitz bezeichnet die Hamburger Feuerkontrakte als „frühe Zeugnisse der Ver sicherung durch genossenschaftliche Zusammenschlüsse“ (von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 131). 53 Farny, Entwicklungslinien, S. 11–12.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Schließlich gehören zur genossenschaftlichen Versicherungswurzel auch die Kassen, die sich aus dem traditionellen Fürsorgewesen der Zünfte für verschiedene Notfälle entwickelten. Bereits im frühen Mittelalter hatten die Zünfte ihre Mitglieder im Alter und bei Todes-, Krankheits- und Invaliditätsfällen unterstützt.54 Aus dieser von den Zünften gewährten Hilfe entwickelten sich dann selbständige Kassen, vor allem Begräbnis-, Sterbe-, Witwen- und Waisenkassen.55 c) Die öffentlich-rechtliche Wurzel Die dritte und jüngste Wurzel des Versicherungswesens ist die öffentlich-rechtliche. Ihr charakteristisches Merkmal ist, dass die Initiative zur Gründung der Versicherung von den Obrigkeiten kam, deren Hauptziel es war, durch den Schutz des Eigentums der Untertanen die wirtschaftliche Entwicklung und die Macht des Staates zu fördern.56 Befürworter der Gründung staatlicher Versicherungen waren in Deutschland vor allem die Kameralisten. Deren Ansicht nach waren Versicherungen ein Mittel zur Verbesserung der Staatsfinanzen und zur Stärkung der Macht des Staates, indem sie den Bürgern einen Schutz ihrer Vermögen gewährleisteten.57 Das Versicherungswesen wurde außerdem im Rahmen der staatspolitischen Überzeugungen des aufgeklärten Absolutismus als geeignetes Mittel für die Landherren erachtet, um die Wohlfahrt der Untertanen zu fördern.58 Aus diesen Gründen wurden von der öffentlichen Hand häufig Versicherungen gegründet, die dem Schutz des wichtigsten Teils des Vermögens der Untertanen dienen sollten, und zwar der Immobilien. Einige der ersten in Deutschland entstandenen öffentlich-rechtlichen Ver sicherungsanstalten waren nämlich Immobilienfeuerversicherungen.59 Die ältesten öffentlich-rechtlichen Feuerversicherungen sind die 1676 in Hamburg gegründete Hamburger General-Feuerkasse60 und die General-Feuer-Cassa der Stadt Magdeburg von 1685.61 Eine der ältesten und noch heute bestehenden Versicherungsanstalten ist die Berliner Feuersozietät von 1718.62 Die Hamburger Feuerkasse fasste 54
Koch, Von der Zunftlade, S. 13–17. Koch, Was bringt die Beschäftigung, S. 11; Burger, Der Einfluß, S. 7; Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 170. Vgl. Neumann, Die Sterbegeldversicherung, S. 87, der behauptet: „Ohne Bedenken muss man sagen, dass das deutsche Sterbekassenwesen seine Wurzel in dem mittelalterlichen Zunftwesen hat“. 56 Farny, Entwicklungslinien, S. 9 und S. 12–13. 57 Farny, Entwicklungslinien, S. 12; Koch, Was bringt die Beschäftigung, S. 12; Burger, Der Einfluß, S. 8. S. auch unten C. II. 58 Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 5; ders., Versicherungswesen, Sp. 817; ders., Was bringt die Beschäftigung, S. 12. 59 Farny, Entwicklungslinien, S. 12. S. unten C. I. 2. 60 S. unten C. IV. 2. a). 61 Hahn, Die Entwicklung, S. 51–52; Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 32. 62 S. unten C. IV. 1. a). 55
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Deutschland
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verschiedene privatrechtliche bereits bestehende Feuerkontrakte zusammen,63 und wird von dem überwiegenden Teil der deutschen Autoren als die erste von öffentlicher Hand getragene Versicherungseinrichtung betrachtet.64 Nach Ansicht anderer Autoren sei aber die Hamburger Feuerkasse nur ein Vorläufer der Entwicklung der Versicherung aus öffentlich-rechtlicher Initiative und das Vorbild für die erste echte öffentlich-rechtliche Feuerversicherungseinrichtung, die Berliner Feuersozietät von 1718.65 Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden dann in Deutschland verschiedene Immobilienfeuerversicherungsanstalten gegründet, die auf eine öffentlich-rechtliche Initiative zurückzuführen waren, wobei ihre Blütezeit mit zahlreichen Gründungen am Ende des 18. Jahrhunderts lag.66 Die Gründung von Brandversicherungsanstalten aus staatlicher Initiative hatte zwei Hauptfolgen: Die Beteiligung der Obrigkeit trug zum einen dazu bei, die Vorurteile der Bevölkerung gegenüber der gesamten Branche der Brandversicherung, die oft als Nährboden für Betrug angesehen wurde, zu überwinden, zum anderen ermöglichte sie die darauffolgende Entwicklung der privaten Feuerversicherungen.67 Von der öffentlich-rechtlichen Hand wurden ab der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einigen deutschen Staaten auch verschiedene Witwen- und Waisenkassen gegründet, anfangs hauptsächlich für bestimmte Professionsgruppen, wie zum Beispiel Geistliche oder Lehrer.68 Mehr darüber wird im folgenden Abschnitt erläutert.
2. Das Versicherungswesen zur Zeit der Kameralisten Das Versicherungsgeschäft in Deutschland erfuhr im Laufe des 18. Jahrhunderts dank der wirtschaftlichen und staatspolitischen Überzeugungen der Kameralisten einen Aufschwung.69 Es ist in der Literatur oft betont worden, dass das Ziel der 63
S. oben C. I. 1. b) und unten C. III. 4. Aus der umfangreichen Literatur: Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 3 und 13–15; Koch, Versicherungswesen, Sp. 816; ders., Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 5; ders., Was bringt die Beschäftigung, S. 12; Grosse, Versicherungsgeschichte, S. 214. Laut Riebesell war die Hamburger Feuerkasse sogar „die älteste Feuerversicherungsanstalt der Welt“ (Riebesell, Geschichte und Bedeutung, Sp. 403; vgl. auch ders., Geschichte der Hamburger Feuerkasse, S. 11). Über die Hamburger Feuerkasse als erste öffentlich-rechtliche Feuerversicherungsanstalt s. auch Hellwege, Germany, S. 178, Fn. 43. Detaillierter über die Hamburger Feuerkasse: unten C. IV. 2. a). 65 Burger, Der Einfluß, S. 8; Farny, Entwicklungslinien, S. 12. Detaillierter über die Berliner Feuersozietät: unten C. IV. 1. a). Diese Autoren berücksichtigen die General-Feuer-Cassa der Stadt Magdeburg von 1685 nicht. 66 S. unten C. I. 2. 67 Koch, Was bringt die Beschäftigung, S. 13. 68 Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 19–20; Schug, Der Versicherungsgedanke, S. 247; Schöpfer, Sozialer Schutz, S. 143–144. Vgl. Hellwege, Germany, S. 179–180. Mehr über öffentlich-rechtliche Witwen- und Waisenkassen im folgenden Abschnitt. 69 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 6–8. 64
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kameralistischen Wirtschaftspolitik war, die Kassen des Staates zu füllen, um dadurch dessen Macht zu stärken und auszudehnen.70 Dazu erschien es den Kameralisten notwendig, einerseits das Wachstum der Bevölkerung zu fördern, die durch mehrere Kriege und Seuchen in den vorangegangenen Jahrhunderten dezimiert worden war, besonders in Norddeutschland, andererseits den Wohlstand der Bevölkerung zu verbessern, „damit sich die Steuerfähigkeit der einzelnen Untertanen verbesserte“.71 Zur Erreichung der gewünschten wirtschaftspolitischen Zwecke erschienen den Kameralisten einige Zweige des Versicherungswesens bzw. einige versicherungsähnliche Anstalten als besonders nützlich: Witwen-, Waisen-, Aussteuer- und Sterbekassen und Immobilienfeuerversicherungen.72 Witwen-, Waisen-, Aussteuer- und Sterbekassen73 wurden von den Kameralisten als das geeignetste Mittel betrachtet, um die „Heiratswilligkeit junger Frauen“74 anzuregen, so die Geburtenrate zu erhöhen und folglich das Bevölkerungswachstum zu fördern.75 Witwen-, Waisen- und Aussteuerkassen wurden oft von der Obrigkeit gegründet, oder zumindest war deren Gründung von den Landesherren gefördert und ihr Geschäftsbetrieb von selbigen unterstützt und überwacht.76 Im Falle der Errichtung 70 von Pfeiffer schreibt bezüglich der „allgemeinen ökonomischen- oder der Staatswirtschafts-Wissenschaft“: „Der Haupt- und eigentliche Gegenstand der vor Augen habenden weitläuftigen Wissenschaft besteht in Erwerbung – dann in Vermehrung, und endlich in Erhaltung des erworbenen allgemeinen Staatsvermögens“ (von Pfeiffer, Grundsätze, S. 1). 71 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 6–7. S. auch Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 169–170; Bánde, Versicherungs-Staatsaufsicht, S. 8; Boss, Systeme, S. 12; Hagena, Die Ansichten der deutschen Kameralisten, S. 15–17. Das Privatvermögen der Bürger wurde von den Kameralisten als Teil des Nationalvermögens betrachtet, zusammen mit dem Vermögen des Staates (von Lamprecht, Entwurf einer Encyclopädie, S. 266; Berg, Handbuch, S. 72). Über die Bedeutung der Größe der Bevölkerung für den Staat nach Ansicht der Kameralisten s. von Lamprecht, Entwurf einer Encyclopädie, S. 256. 72 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 7–8. 73 Die Rechtslehre berichtet, dass bereits am Ende des 17. Jahrhunderts in Hamburg zahlreiche Sterbekassen tätig waren, die aber alle bald aufgrund von Mängeln an Kalkulation oder fehlerhafter Verwaltung aufgelöst wurden (Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 170; Neumann, Die Sterbegeldversicherung, S. 87). 74 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 7. 75 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 7–8. Über die wichtige Rolle der Witwen- und Waisenkassen nach Ansicht der Kameralisten s. von Justi, Grundsätze der Policeywissenschaft, S. 230–231; Berg, Handbuch, III. Teil, S. 203; Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 170–172 und S. 175. 76 Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 170–172. Als Beispiel einer staatlich gegründeten Kasse kann die Königlich Preußische Allgemeine Witwen-Verpflegungs-Anstalt genannt werden, die 1775 von Friedrich dem Großen gegründet wurde (mit dem Patent und Reglement für die Königliche Preußische allgemeine Witwen-Verpflegungs-Anstalt vom 28. Dezember 1775, abgedruckt in: NCC, V. Bd., 1775, S. 381–406). Diese war eine freiwillige Witwenkasse, die allen Bürgern offen stand. Um alle potentiellen Mitglieder zu ermuntern, dieser Kasse beizutreten, wurde im Reglement eine Staatsgarantie für den Fall der Zahlungsunfähigkeit der Kasse vorgesehen. Diese „solidarische Garantie“ für die Witwenkasse übernahmen die Königliche Hauptbank in Berlin und die Kurmärkische Landschaft, die gewährleisteten, dass „den sämtlichen Interessenten die Sicherheit der eingelegten Gelder, die prompte Zahlung der Wittwen-Pensionen, und überhaupt die Erfüllung aller und jeder in dem folgenden
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einer solchen Kasse nicht durch den Staat, sondern durch Privatpersonen wäre laut den Kameralisten eine Überwachung seitens des Staates erforderlich gewesen.77 Zahlreiche Witwen- und Waisenkassen wurden im 17. und 18. Jahrhundert im ganzen deutschen Gebiet gegründet.78 Während einige dieser Kassen freiwillig waren, waren andere durch eine gesetzlich festgelegte Beitrittspflicht gekennzeichnet und nur für bestimmte Kategorien von Bürgern geöffnet (z. B. für Prediger, Professoren, Beamte oder Militärs). Mehrere dieser Kassen waren aber aufgrund von mangelhafter Verwaltung nur von kurzer Dauer.79 Das gleiche Schicksal erfuhren auch die vielen Sterbekassen,80 die am Ende des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert entstanden und oft auch durch Missbräuche und Betrug gekennzeichnet waren.81 Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden zudem auch mehrere Aussteuerkassen gegründet, oft in Verbindung mit Sterbekassen.82 Auch die Gründung von Immobilienfeuerversicherungsanstalten wurde durch die Kameralisten angeregt,83 da sie diese als besonders wirksam und nützlich betrachteten, um den Wohlstand der Bürger und dadurch ihre Zuverlässigkeit als Steuerzahler zu sichern.84 Nicht zu vergessen ist, dass die Immobilienfeuerversieingegangenen Verbindlichkeiten, auf die allervollständigste Art, unwiederruflich gewähret wird“ (Reglement, § 1). Diese Garantie sollte dazu dienen, dass die einbezahlten Summen „getreulich verwaltet“ und die versprochenen lebenslänglichen Renten für die Witwen tatsächlich ausbezahlt wurden. Das Reglement legte außerdem fest, dass eine namentlich genannte Auswahl von Personen aus dem Kreis der Hauptbank und der Kurmärkischen Landschaft die Verwaltung dieser Garantie zu übernehmen hatte, und zwar unter der Oberaufsicht des „Geheimen Staats-Kriegs- und dirigierenden Ministers“ (Reglement, § 31). Diese Vorschriften zeigten die besondere Aufmerksamkeit des Staates auf die Verwaltung dieser Witwenkasse. Der Grund dafür kann in der beträchtlichen Bedeutung gesehen werden, die diese Kasse für den Preußischen Staat hatte, insbesondere aufgrund des positiven Einflusses, die sie „auf die Vermehrung der Ehen und der Bevölkerung“ haben konnte, wie in der Präambel des Reglements selbst erklärt wurde. Über diese Witwenkasse s. Hagena, Die Ansichten der deutschen Kameralisten, S. 16; Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 172; Borowski, Abriß, S. 425. Koch hält die Königlich Preußische Allgemeine Witwen-Verpflegungs-Anstalt sogar für eine der ersten Ansätze zur Versicherungsaufsicht (Koch, Der Weg zur einheitlichen Staatsaufsicht, S. 6–7). 77 S. unten C. II. 78 Für eine Auflistung der wichtigsten Witwen- und Waisenkassen: Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 173. 79 Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 172–174. 80 Für eine Auflistung der wichtigsten Sterbekassen: Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 174. 81 Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 170 und 174–175; Neumann, Die Sterbegeldversicherung, S. 87; Vesper, Die Sterbekassen, S. 35–36; Becker, Rudolph Zacharias, Die Kunst Leute zu schröpfen. Über die Missbräuche bei Witwen-, Waisen- und Sterbekassen in verschiedene deutschen Staaten s. unten C. V. 1. a) aa), C. V. 1. b), C. V. 1. c), C. V. 1. d), und C. V. 2. c) aa). 82 Für eine Auflistung der wichtigsten Aussteuerkassen: Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 175. 83 S. auch oben C. I. 1. c). 84 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 8; Farny, Entwicklungslinien, S. 12.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
cherung auch eine Lösung für das Problem des Brandbettelns darstellen konnte, das in den deutschen Staaten nach den zahlreichen großen Bränden immer mehr verbreitet und sogar zur „Landplage“ geworden war.85 Der Träger, der nach Ansicht der Kameralisten alle diese Anstalten am besten betreiben konnte, war der Staat, der als einziger garantieren konnte, dass sie die wirtschaftspolitischen Ziele der Aufbesserung der Staatskasse und der Stärkung der Staatsmacht erreichen konnten.86 Immobilienfeuerversicherungen hätten nämlich nur wirksam sein können, wenn sie vom Staat eingeführt und von einer Beitrittspflicht gekennzeichnet gewesen wären.87 Die wirtschaftlichen Grundprinzipien des Merkantilismus sprachen gegen eine privat betriebene Versicherung: Die Vorauszahlung der Versicherungsprämien hätte die zu der Zeit unerwünschte Folge gehabt, das entsprechende Geld aus dem Geldumlauf zu ziehen.88 Waren also zur Zeit des Kameralismus privat betriebene Feuerversicherungen, falls überhaupt denkbar, zumindest unerwünscht, wurden durchaus Versicherungen gegründet, die auf eine staatliche Initiative zurückzuführen waren. Die ersten großen und noch bestehenden Feuerversicherungen, die in Deutschland gegründeten wurden, waren, wie oben erwähnt,89 die Hamburger Feuerkasse von 1676 und die Berliner Feuersozietät von 1718. Danach wurden im Königreich Preußen mehrere öffentliche Feuerversicherungen, zunächst in den Städten und dann „auf dem platten Land“, gegründet.90 Weitere öffentliche Feuersozietäten „nach preußischem Muster“ wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts in verschiedenen deutschen Staaten gegründet, so dass „es gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur wenig Gebäudebesitz in Deutschland [gab], der nicht gegen Brand versichert war“, auch aufgrund eines fast überall bestehenden Versicherungszwangs.91 85 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 8; s. auch Nolte, Gründung, S. 376; und die Autoren in: von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 160, Fn. 790. 86 Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 170; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 8.–10. 87 von Justi, Gesammelte Politische und Finanzschriften, S. 111; ders., Staatswirtschaft, S. 246; Berg, Handbuch, III. Teil, S. 72. Berg betonte jedoch, dass es zum Thema der Zwangsmitgliedschaft in solchen Feuerversicherungsanstalten verschiedene Meinungen gab und auch verschiedene Lösungen in der tatsächlichen Gesetzgebung verschiedener Länder: In manchen, wie z. B. Württemberg, Mainz und Würzburg, galt sogar eine volle Versicherungsfreiheit (Berg, Handbuch, III. Teil, S. 73–74). 88 Hagena, Die Ansichten der Kameralisten, S. 43; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 9. 89 S. oben C. I. 1. c). 90 S. unten C. IV. 1. a). 91 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 92. Eine Auflistung der Feuerkassen, die im Zeitraum 1676–1817 gegründet wurden, findet sich in: Zwierlein, Der gezähmte Prometheus, S. 370–372. Was die Versicherung von Fahrnis betrifft, hatte diese im 18. Jahrhundert nur geringen bis keinen Erfolg, obwohl sie in manchen der Reglements für die Gründung von öffentlich-rechtlichen Feuersozietäten bereits vorgesehen war: z. B. im Generalfeuerkassenreglement von 1706 und im Reglement der Feuersozietät für den Holzkreis des Herzogtums Magdeburg vom 24. April 1755 (s. auch Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 93; Hahn, Die Entwicklung, S. 57 und S. 71–72). Die Versicherung beweglicher Güter breitete sich dann erst im 19. Jahrhundert durch die Tätigkeit der großen Privatversicherungsgesellschaften aus (Helmer, Entstehung und Entwicklung S. 93; Tigges, S. 10 und 23).
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Deutschland
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Im 18. Jahrhundert und noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren also die Hauptmerkmale des Immobilienfeuerversicherungswesens das staatliche Monopol und (sehr oft) die Versicherungspflicht der Gebäudeeigentümer.92 Schließlich muss noch erwähnt werden, dass es bereits zur Zeit des Kameralismus erste Stimmen im deutschen Schrifttum gab, die sich offen für einen privaten Betrieb des Versicherungsgeschäfts aussprachen. Bergius erklärte sich zum Beispiel bereits im Jahr 1767 zum Befürworter eines privaten Versicherungswesens statt eines öffentlichen, da er in den privaten Versicherungen viele Vorteile im Vergleich zu den öffentlichen sah. Zunächst weil ein privates Versicherungswesen die Gefahr hätte vermeiden können, dass der Staat durch eine öffentlich betriebene Versicherung versuchte, „aus dem Assecuranzhandel allen möglichen Vortheil zu ziehen, um die landesherrlichen Einkünfte dadurch zu vermehren“, zweitens weil die Kasse einer staatlichen Versicherung in „Kriegszeiten oder anderen Unglücksfällen“ hätte verloren gehen können und schließlich weil ein staatliches Versicherungsmonopol die Steigerung der Prämien hätte verursachen können.93
3. Das Aufblühen des privaten Versicherungswesens In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts94 und dann noch intensiver in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann in Deutschland, in Verbindung mit der Ausbreitung der Idee des wirtschaftlichen Liberalismus, auch die Entwicklung eines starken privat betriebenen Versicherungswesens.95 In Hamburg wurden ab dem Jahr 1765 zahlreiche private Versicherungsgesellschaften errichtet, insbesondere in der Form von Aktiengesellschaften.96 Diese waren im Bereich der Seeversicherung, die vorher ausschließlich von einzelnen Assekuradeuren betrieben wurde, und auch der Mobiliarfeuerversicherung tätig.97 Private See- und Feuerversicherungen wurden auch in Berlin (1765), Bremen 92
Aus der umfangreichen Literatur: Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 10; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 8; Hager, Die öffentlich-rechtliche Regelung des Privatversicherungswesens, S. 4; Farny, Entwicklungslinien, S. 12; ders., Privatversicherung, S. 254; Koch, Was bringt die Beschäftigung, S. 12; ders., Versicherungswesen, Sp. 817; Burger, Der Einfluß, S. 9; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 9–10. 93 Bergius, Neues Policey- und Cameralmagazin, 1. Aufl., I. Bd., S. 56, auch in der dritten erweiterten Auflage auf S. 63 wiederholt. 94 Laut Maurer zeigten sich sogar bereits ab dem Anfang des 18. Jahrhunderts „etwas mehr deutsche Versicherer“ (Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 43). 95 Büchner, Die Geschichte der Versicherungsaufsicht, S.732; ders., Die Entwicklung, S. 2–3; Burger, Der Einfluß, S. 9–10; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 20–21 und S. 86. 96 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 113; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 23; Bues, Meidung und Unterdrückung, S. 52. S. auch oben C. I. 1. a). 97 Büchner, Die Geschichte der Versicherungsaufsicht, S. 732; Büchner, Geschichte, Sp. 798; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 23.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
(1769) und Lübeck (1795) gegründet.98 Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden dann weitere Aktiengesellschaften errichtet, die das Feuerversicherungsgeschäft betrieben,99 sowie einige Lebensversicherungsaktiengesellschaften.100 Außerdem wurden im Zeitraum zwischen dem Ende des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Bereich der Lebens-, Feuer- und Hagelversicherung auch diverse private Versicherungen auf Gegenseitigkeit gegründet,101 die, obwohl von einem starken „Gedanken gegenseitiger Hilfeleistung“ geprägt, auf einem „Erwerbsgedanken“ basiert waren.102 Der Aufschwung der Gründung privater Versicherungsgesellschaften erreichte seinen Gipfel im Laufe des 19. Jahrhunderts,103 als die Privatversicherungen „wie Pilze aus dem Boden schossen“.104 Man spricht daher auch von der „ersten Gründungswelle“ der Versicherungsunternehmungen.105 Dieses Aufblühen von privat betriebenen Versicherungen brachte jedoch auch den Nebeneffekt mehrerer betrügerischer und unsolider Gründungen mit sich, so dass viele Versicherungsgesellschaften tätig wurden, die nicht über ausreichendes Kapital verfügten oder mangelhaft verwaltet wurden und daher nach kurzer Zeit wieder zusammenbrachen.106 98
Büchner, Geschichte, Sp. 798. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 25; Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 131–132; Rellstab, Der Staat, S. 19–20; Büchner, Die Geschichte der Versicherungsaufsicht, S. 732; Bues, Meidung und Unterdrückung, S. 52–53. Im 19. Jahrhundert wurden z. B. die Berlinische Feuerversicherungsanstalt (1812), die Leipziger Feuer Versicherungs-Anstalt (1819), die Vaterländische Feuerversicherungs-Aktiengesellschaft in Elberfeld (1822), die Aachener und Münchner Feuerversicherungsgesellschaften in Aachen (1825) gegründet. Die Leipziger Feuerversicherungsanstalt ist dabei die älteste heute noch bestehende deutsche Versicherungsaktiengesellschaft (Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 64). 100 Zum Beispiel die Deutsche Lebensversicherungsgesellschaft von 1828 in Lübeck (Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 70). 101 Büchner, Die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung, S. 2; ders., Geschichte, Sp. 802; Rellstab, Der Staat, S. 20. Beispiele solcher Versicherungen auf Gegenseitigkeit sind die Mecklenburgische Hagel-Versicherungsgesellschaft (1797) und die zwei Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit im Bereich der Feuer- und Lebensversicherung von Ernst Wilhelm Arnoldi in Gotha (1820 und 1827) gegründet: s. Farny, Entwicklungslinien, S. 12; Büchner, Geschichte, Sp. 802; Burger, Der Einfluß, S. 8; Koch, Versicherungswesen Sp. 816). Insbesondere wird die Gothaer Feuerversicherungsbank für Deutschland als der Anfang der deutschen privaten Feuerversicherung betrachtet (Hager, Die öffentlich-rechtliche Regelung des Privatversicherungswesens, S. 4). Laut Bues und Tigges waren die zwei Versicherungen auf Gegenseitigkeit in Gotha die einzigen, die bei den Gegenseitigkeitsversicherungen von Bedeutung waren (Bues, Meidung und Unterdrückung, S. 53; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 25). 102 Büchner, Die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung, S. 3. 103 Büchner, Geschichte, Sp. 802. 104 Boss, Systeme, S. 16. 105 Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 61. Eine zweite Gründungswelle von Versicherungsunternehmungen erfuhr Deutschland in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts (Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 219). 106 Aus der umfangreichen Literatur: Boss, Systeme, S. 13 und S. 16; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 15; Burger, Der Einfluß, S. 9–10 und S. 15; Büchner, Die Geschichte der Versicherungsaufsicht, S. 732; ders., Die Entwicklung, S. 4; Bánde, Versicherungs-Staatsaufsicht, S. 9. 99
II. Die ersten aufsichtsrechtlichen Gedanken
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II. Die ersten aufsichtsrechtlichen Gedanken Das allgemeine Konzept einer Aufsicht des Staates über die Wirtschaft ent wickelte sich aus dem sogenannten jus supremae inspectionis, der Oberaufsicht des Reichsstaatsrechts.107 Als Oberaufsicht versteht man „ein oberstes, neben Gesetzgebung und Vollziehung jedem Staate zukommendes Regierungsrecht mit dem Inhalte, den jedesmaligen Zustand des Staates und seiner Untertanen insoweit zu erforschen, als der Staatszweck erfordert“.108 Dieses Oberaufsichtsrecht wurde im 16. Jahrhundert als Auswirkung der landesherrlichen Fürsorge gesehen und verwirklichte sich „in einer energischen Aufsicht über Kirchen, Universitäten und Schulen, aber auch über die Erwerbstätigkeiten und den Lebenswandel der Untertanen“.109 Im 18. Jahrhundert war es als „eines der allgemeinen Hoheitsrechte des Monarchen anerkannt“ und bestand „in der Befugnis […], alle das Gemeinwohl berührenden Handlungen der Untertanen oder niederer Amtsträger zu untersuchen und Verstöße gegen das Gemeinwohl zu unterbinden“.110 Beim Versicherungswesen konnten erst aufgrund des Aufkommens und der Ausbreitung privater Versicherungsgesellschaften Gedanken bezüglich der Einführung einer Versicherungsaufsicht im modernen Sinne entstehen.111 Zur Zeit des Kameralismus wurde ein öffentlich betriebenes Versicherungswesen deutlich bevorzugt,112 einige der Kameralisten erkannten jedoch auch die Möglichkeit der Errichtung privater Versicherungen, nur aber unter der Voraussetzung einer strengen Kontrolle durch die Obrigkeit.113 Bergius behauptete bereits im Jahr 1768 bezüglich der Feuerversicherungen, dass diese „allgemein nützlich“ sein sollten, und daher:114 müssen sie zuförderst unter dem Schutz des Landesherrn, und der Aufsicht und Direction der hohen Obrigkeit, und eines wohl eingerichteten Policeywesens gemacht werden, und stehen.
107
Bullinger, Staatsaufsicht, S. 275 und 323; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 12. Triepel, Die Reichsaufsicht, S. 10. 109 Bullinger, Staatsaufsicht, S. 275–276. Bullinger erwähnte auch kurz die Ursprünge des Oberaufsichtsrechts und nahm an, dass diese im Institut der Königsboten aus dem Karolingischen Recht, in den Reiserichtern in England und in der Kontrolle des Lehnsherrn über dem Lehnsmann zu erkennen sein könnten (ders., Staatsaufsicht, S. 275, Fn. 53; vgl. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 12). 110 Bullinger, Staatsaufsicht, S. 277. Der Autor hob außerdem hervor, wie das A. L. R. von dieser Oberaufsicht geprägt war, indem es eine Aufsicht z. B. über Kirchen, Schulen und Zünfte enthielt (ebd., S. 278). 111 Büchner, Die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung, S. 2; ders., Die Geschichte der Versicherungsaufsicht, S. 732; Tigges. Geschichte und Entwicklung, S. 10. 112 S. oben C. I. 2. 113 Hagena, Die Ansichten der deutschen Kameralisten, S. 51. 114 Bergius, Neues Policey- und Cameralmagazin, 1. Aufl., III. Bd., S. 44, auch in der dritten erweiterten Auflage auf S. 70 wiederholt. 108
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Andere Kameralisten sprachen sich für eine obrigkeitliche Aufsicht bezüglich verschiedener Kassen aus.115 Weber war zum Beispiel im Jahr 1805 der Ansicht, dass Aussteuerkassen zweifellos „öffentliche Institute der Staatspolizey“ sein mussten, erkannte aber auch, unter bestimmten Voraussetzungen, die Möglichkeit einer privat betriebenen Versicherung:116 Oder wenn auch wirklich eine solche Anstalt eine Privat-Unternehmung wäre, […] so müßte sie doch stets unter der strengsten Aufsicht der Staatspolizey stehen, die den ganzen Plan und Entwurf derselben zu prüfen, für die gehörige Sicherheit der Theilnehmer zu sorgen, und nur, wenn sie mit der ganzen Einrichtung zufrieden zu seyn Ursache hätte, dieselbe öffentlich zu bestätigen, und dann stets Aufsicht auf ihre Verwaltung zu führen haben würde.
Noch dazu betonte Weber bezüglich der Sterbekassen, die als Privatunternehmen tätig sein sollten, dass diese „wenigstens von der Obrigkeit Bestätigung und Aufsicht erhalten müssen“.117 Die gleiche Meinung vertraten bereits früher auch von Lamprecht und Berg. Ersterer behauptete schon im Jahr 1784, dass die Errichtung von Begräbniskassen eine „obrigkeitliche Erlaubnis“ benötigte118 und dass Witwenkassen „nur unter öffentlicher Autorität des Staats […] errichtet werden dürfen“.119 Berg vertrat in seinem Werk aus dem Jahr 1803 die Ansicht, dass private Witwen und Waisenkassen nur „entweder unter landesherrlicher Autorität und Garantie oder aber bloß mit landesherrlicher Genehmigung“ gegründet werden durften.120 Im Falle einer landesherrlichen Genehmigung sollte gelten:121 Der Landesherr kann die Vorlegung des Vereinigungsvertrages fordern, die Grundsätze desselben prüfen und darnach seine Genehmigung ertheilen oder vermeiden. Auch ist er befugt, darauf zu sehen, daß der ihm vorgelegte und von ihm genehmigte Plan getreu befolgt werde.
Privat gegründete Witwen- und Waisenkassen konnten laut Berg „nur durch den höchsten Grad der Sicherheit“ wirklich effektiv sein und ihre Zwecke erfüllen, daher sollte der Staat „ein aufmerksames Auge“ auf ihren Geschäfts betrieb haben.122 Eine Beaufsichtigung durch den Staat erachtete Berg außerdem auch für Ernteversicherungen als notwendig.123 Darüber hinaus schlugen einige Kameralisten die Einführung von Sondergerichten (den Assekuranz-Kammern) vor, die neben der Zuständigkeit für versicherungsbetreffende Rechtsstreitigkeiten auch eine Überwachungsfunktion über die Versicherungsunternehmen hätten
115
Eine Aufsicht im eigentlichen Sinne über Aussteuer- und Sterbekassen war aber in einigen deutschen Staaten bereits eingeführt worden (s. unten C. V. 1). 116 Weber, Systematisches Handbuch, I. Bd., 2. Abt., S. 107. S. auch oben C. I. 2. 117 Weber, Systematisches Handbuch, I. Bd., 2. Abt., S. 115. S. auch oben C. I. 2. 118 von Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems, § 995, S. 418. 119 von Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems, § 997, S. 420. 120 Berg, Handbuch, III. Teil, S. 203–204. 121 Berg, Handbuch, III. Teil, S. 204. 122 Berg, Handbuch, III. Teil, S. 205–206. 123 Berg, Handbuch, III. Teil, S. 301.
III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen
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ausüben sollen und dadurch den Versicherten einen Schutz gegen die Versicherer bieten.124 Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts war die Diskussion über die Notwendigkeit einer staatlichen Überwachung der privaten Versicherungsunternehmen im Gange und der Weg zur Einführung einer Versicherungsaufsicht geebnet. Die Staaten hatten das Bedürfnis, die Gründung unsolider Versicherungsunternehmen einzudämmen und die damit verbundenen Schäden an der Bevölkerung zu vermeiden,125 was zur Einführung von versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen in verschiedenen deutschen Staaten führte. Bevor aber solche aufsichtsrechtlichen Vorschriften im eigentlichen Sinne verabschiedet wurden, hatten die deutschen Staaten bereits ab dem 16. Jahrhundert angefangen, ihre Absicht zu zeigen, eine staatliche Kontrolle über das Versicherungswesen einzuführen. Dies wird in den folgenden Abschnitten genauer ausgeführt.
III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen Wie im Laufe dieser Arbeit gezeigt werden wird, wurde in Deutschland eine echte Aufsicht über das Versicherungswesen ab dem Ende des 18. Jahrhunderts in einigen Staaten, dann im Laufe des 19. Jahrhunderts in immer mehr Staaten und am Anfang des 20. Jahrhunderts im ganzen deutschen Gebiet eingeführt.126 Um die Ursprünge dieser Entwicklung zu rekonstruieren, sind einerseits Vorschriften aus dem 18. Jahrhundert, die eine aufsichtsrechtliche Natur zeigten, andererseits aber auch noch frühere Ansätze einer Versicherungsaufsicht, die bereits ab dem 16. Jahrhundert in einigen deutschen Staaten zu finden sind, zu berücksichtigen. Bereits vor der Einführung einer Versicherungsaufsicht und auch vor den Vorschriften aufsichtsrechtlichen Charakters127 waren nämlich in einigen deutschen Staaten verschiedene Elemente zu erkennen, die sich potenziell zu einer staatlichen Aufsicht entwickeln konnten und die ebenfalls mit einbezogen werden müssen, um ein umfassendes Bild bei der Untersuchung der Ursprünge der modernen Versicherungsaufsicht zu bekommen. Diese ersten Ansätze einer staatlichen Versicherungsaufsicht sind im Zeitraum zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert einzuordnen.
124
von Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems, S. 412 und S. 416; vgl. Bánde, Versicherungs-Staatsaufsicht, S. 8; Boss, Systeme der Staatsaufsicht, S. 12; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 14, Fn. 63. 125 Burger, Der Einfluß, S. 15; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 14–17. 126 S. unten C. V. 127 S. unten C. IV.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
1. Brandgilden in Schleswig-Holstein Die schleswig-holsteinischen Brandgilden sind ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklung des deutschen Versicherungswesens und ihre vorher nur kurz erwähnte Rolle128 soll nun im Detail dargestellt werden. Nach Ansicht des überwiegenden Teils der Rechtslehre entstanden Brandgilden in Schleswig-Holstein ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts,129 wobei die erste Brandgilde die 1537 gegründete Steinburg Süderauer Dorfgilde gewesen sei.130 Ein anderer Teil der Autoren ist allerdings der Meinung, dass Brandgilden bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein entstanden und im Laufe des 15. und des 16. Jahrhunderts zahlreiche weitere Feuerversicherungsgilden „in allen Landdistrikten und Städten“ hinzu kamen.131 Nach Ansicht dieser Autoren war die älteste bekannte Brandgilde eine „Brand- und Schützengilde“ in Preetz (nahe Kiel), die schon im Jahre 1442 bestand und sich später von der Schützengilde absonderte.132 Von einigen wurde sogar behauptet, dass bereits im 14. Jahrhundert oder früher verschiedene kleine Gilden in Schleswig-Holstein gegründet wurden, bei denen „gleich eine Aufteilung in Brand-, Hagel-, Vieh-, Wind- und Totengilden erfolgte“.133 Am Ende des 16. Jahrhunderts waren auf jeden Fall zahlreiche Brandgilden in Schleswig-Holstein vorhanden: 40 laut einigen Autoren,134 sogar ungefähr 60 laut anderen.135 128
S. oben C. I. 1. b). Grosse, Versicherungsgeschichte, S. 214; Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 5; Büchner / Ohlmeier (Hrsg.), 275 Jahre Hamburger Feuerkasse, S. 9; Koch, Versicherungswesen, Sp. 816; Maass, Die Brandgilden, S. 43–44; Schleswig-Holsteinische Landesbrandkasse (Hrsg.), 1874–1974 Schleswig-Holsteinische Landesbrandkasse, S. 4. 130 Maass, Die Brandgilde, S. 44; Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 216 und S. 274; Koch, Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 26. Die Satzung dieser Gilde ist abgedruckt in: Detlefsen, Geschichte der holsteinischen Elbmarschen, I. Bd., S. 401–409. Für eine neuere Rekonstruktion der Geschichte der Brandgilden s. Hellwege, Germany, S. 175. 131 Bureau des Ausschusses des Verbandes öffentlicher Feuerversicherungsanstalten (Hrsg.), Mitteilungen für die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten, 1882, S. 217; s. auch Hahn, Die Entwicklung, S. 99; von Gierke, Versicherungsrecht, S. 11. Eine Auflistung verschiedener Brandgilden aus dem 15. und dem 16. Jahrhundert, die im Herzogtum Schleswig und im Herzogtum Holstein tätig waren, ist zu finden in: Bureau des Ausschusses des Verbandes öffentlicher Feuerversicherungsanstalten (Hrsg.), Mitteilungen für die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten, 1882, S. 217. Eine ausführlichere Auflistung der schleswig-holsteinischen Brandgilden in: Ebel, Friedrich, Quellennachweis, S. 404–429. 132 Bureau des Ausschusses des Verbandes öffentlicher Feuerversicherungsanstalten (Hrsg.), Mitteilungen für die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten, 1882, S. 217. Vgl. Maass, Die Brandgilden, S. 52. Schaefer stellte aber in Frage, dass die Preetzer Gilde von Anfang an eine Brandgilde gewesen sei (Schaefer. Urkundliche Beiträge, S. 24–25). 133 Wengler, 275 Jahre Schleswig-Holsteinische Brandgilden, S. 6. 134 Maurer, Stefan, Standorte, S. 12, Fn. 2, laut dem 40 Brandgilden in Schleswig-Holstein vor dem Jahr 1591 urkundlich nachweisbar waren. 135 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 34. 129
III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen
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Die Brandgilden waren genossenschaftliche Zusammenschlüsse, die die Brandversicherung auf Gegenseitigkeit betrieben136 und den Zweck hatten, den Gildebrüdern, die ihre Häuser bei einem Brand verloren hatten, Hilfe zu leisten. Anfangs wurde die vorgesehene Entschädigung der Brandschäden in den meisten Fällen durch Sachleistungen und Hilfsdienste geleistet, die den Unterhalt der Geschädigten und den Wiederaufbau der abgebrannten Gebäude unterstützen sollten, nur in einigen Brandgilden war ein finanzieller Beistand vorgesehen.137 Ab dem 17. Jahrhundert erfolgte die Entschädigung dann aber zum größten Teil nur noch monetär.138 Die schleswig-holsteinischen Brandgilden sind in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts von Helmer gründlich erforscht worden.139 Seiner Rekonstruktion nach war der Einfluss der Obrigkeit auf diese Brandgilden so stark, dass ihnen eine öffentlich-rechtliche Natur zugeschrieben werden konnte,140 obwohl sie „aus dem freien Willen der Beteiligten hervorgegangen“ waren,141 denn „sie sind öffentlichrechtliche Anstalten und konnten nur öffentlich-rechtlich sein“.142 Laut diesem Autor war außerdem „eine privatrechtliche Ordnung der Brandversicherung damals in Schleswig-Holstein schlechterdings undenkbar“.143 Helmers Darstellung ist umstritten,144 da die Brandgilden von der Mehrheit der Rechtslehre in die genossenschaftliche Wurzel des Versicherungswesens eingeordnet werden.145 Man kann dennoch in einigen Aspekten der Struktur und der Verwaltung der schleswig-holsteinischen Brandgilden, die sich dank Helmers detaillierter Arbeit gut rekonstruieren lassen, Ansätze einer staatlichen Kontrolle erkennen, die als Vorläufer der künftigen Versicherungsaufsicht bezeichnet werden können. Zunächst ist hervorzuheben, dass die Brandgilden oft von den entsprechenden Gebietsgemeinden (oder durch von diesen bestellte Organe) verwaltet wurden und diese somit eine Kontrolle über verschiedene Aspekte der Tätigkeit der Brandgilden ausübten.146 In den holsteinischen Elbmarschen, wo die Brandgilden 136
Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 23–32. Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 35–36; Schaefer. Urkundliche Beiträge, I. Bd., S. 42; Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 29; ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II. Bd., S. 693. 138 Schaefer. Urkundliche Beiträge, S. 42. 139 Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. und II. Bd. 140 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 23–32. 141 Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II. Bd., S. 28. 142 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 24. 143 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 24. 144 Vgl. Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 3; Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 30, Fn. 1. 145 S. oben C. I. 1. b). Dies ist die Haltung der Mehrheit der Rechtslehre, auch wenn sie anerkennt, dass eine Brandgilde „nur mit ausdrücklichem Wissen und Willen der Obrigkeit“ gegründet werden konnte (Schaefer. Urkundliche Beiträge, S. 34). Helmer selber behauptete, dass die schleswig-holsteinischen Brandgilden ihren öffentlich-rechtlichen Charakter mit der Zeit verloren (Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 31). 146 Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II Bd., S. 62–74; ders., Ent stehung und Entwicklung, S. 31; Schleswig-Holsteinische Landesbrandkasse (Hrsg.), 1874– 137
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
hauptsächlich die Form der Dorfbrandgilde hatten, waren sie zum Beispiel sehr stark vom Einfluss der jeweiligen Gemeinden geprägt. Dort war die Dorfschaft der Gründer und der Träger der Dorfbrandgilde, die Verfassung der Brandgilde ähnelte oft derjenigen der örtlichen Gemeinde sehr und der Ältermann147 der Dorfgemeinde war oft auch Ältermann der Brandgilde.148 Im Statut der Dodenkoper Brandgilde aus dem Jahr 1631 war beispielsweise festgelegt, dass der Hauptmann und die Geschworenen des Dodenkoper Rechts auch Hauptmann und Vorsteher der Brandgilde waren.149 In anderen schleswig-holsteinischen Gebieten hatten die Brandgilden häufig die Form der Kirchspielsbrandgenossenschaft und waren von den Beamten des Kirchspiels verwaltet. Beispiele dafür sind die Tetenbüller Kirchspiels Feuerbeliebung,150 die vor dem Jahr 1575 gegründet wurde, sowie die Eiderstedter Kirchspielsbrandgilden aus dem 17. Jahrhundert.151 Auch in der 1648 gegründeten Holländer Mobiliengilde gab es (zumindest in ihrer zweiten Satzung aus dem Jahr 1773, da der Text der ersten Satzung von 1648 nicht überliefert wurde)152 einige Elemente, die eine Kontrolle des Staates zeigten. Zunächst war diese Gilde von drei Älterleuten, die durch Organe der Landschaft Eiderstedt bestellt wurden, verwaltet.153 Außerdem musste jeder, der in die Holländer Brandgilde aufgenommen werden wollte, der Gilde einen „Schein“ vorlegen, der von den Lehnsleuten seines Kirchspiels oder vom zuständigen Bürgermeister (in den Städten) ausgestellt wurde und seine Vermögensverhältnisse nachwies und so die „Classe“ der Brandgilde zeigte, in die er aufgenommen werden sollte.154 Darüber hinaus musste die Buchführung der Brandgilde in jedem Jahr, in dem Feuerschäden entstanden waren, von vier von der Landschaft bestellten Rechnungsprüfern geprüft 1974 Schleswig-Holsteinische Landesbrandkasse, S. 4. Ebel hob jedoch hervor, dass nur in wenigen Fällen das Amt der Älterleute der Brandgilde „zugleich in den Händen des Gemeindeältesten“ lag (Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 36). 147 Der Vorsteher der Gemeinschaft, ursprünglich „ältester von mehreren Brüdern“ (Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II Bd., S. 104, Fn. 175). 148 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 25–26; Detlefsen, Geschichte der holsteinischen Elbmarschen, II. Bd., S. 368–369. 149 Statut der Dodenkoper Brandgilde aus dem Jahr 1631 abgedruckt in: Kähler, Die Gilden, S. 172–173. Über diese Vorschrift des Statutes dieser Brandgilde s. auch Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II Bd., S. 64. 150 Satzung der Tetenbüller Kirchspiels Feuerbeliebung aus dem Jahr 1575 abgedruckt in: Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 543–546. Über diese Vorschrift des Statutes dieser Brandgilde s. auch ders., Entstehung und Entwicklung, S. 27; ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II. Bd., S. 79–80. 151 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 27. 152 Confirmation der von den Vorstehern der Landschaft Eyderstedt, Everschop und Uthol, rectificirten und erweiterten Holländer Mobilien-Brand-Gilden vom 3. September 1773, abgedruckt in: Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 563–571. Über diese Brandgilde s. auch ders., Entstehung und Entwicklung, S. 28–29. 153 Satzung der Holländer Mobilien-Brand-Gilden, Cap. 5, § 1 und 2 (Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 569). S. auch ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II. Bd., S. 96. 154 Satzung der Holländer Mobilien-Brand-Gilden, Cap. 2, § 1–3 (Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 564–565).
III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen
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werden.155 Zuletzt waren Streitigkeiten bezüglich der Brandgilde von fünf Gildebrüdern zu entscheiden, die von der „Landes-Versammlung“ bestellt wurden.156 Ähnlich war auch die Struktur der 1656 von der Landschaft Eiderstedt gegründeten Gebäudebrandversicherungsanstalt, die trotz des Namens eine Brandgilde war und von den „Landespfennigmeistern“ (Vorsteher der ständischen Finanzverwaltung) verwaltet wurde.157 An zweiter Stelle ist hervorzuheben, dass bei den schleswig-holsteinischen Brandgilden oft das Ersuchen um eine obrigkeitliche Bestätigung vorkam. Diese Bestätigung wurde bereits in den Statuten einiger Brandgilden aus dem 16. und 17. Jahrhundert erwähnt.158 Bei der Mehrheit der Brandgilden wurde um diese erst nachträglich ersucht, wie zahlreiche Konfirmationsurkunden, meistens aus dem 18. Jahrhundert, beweisen.159 Der Grund für die Einholung einer Bestätigung der örtlichen Obrigkeit lag in der Absicht „das Wirken der Brandgilden noch mehr zu sichern“160 und die Unterstützung der Obrigkeit „bei der Durchführung aller Regeln gegen widerspenstige Elemente“ zu bekommen.161 In den Konfirmationsurkunden war das Versprechen einer obrigkeitlichen Unterstützung stets enthalten.162 Das Ersuchen um eine „Confirmation“ lag aber in der freien Entscheidung der Mitglieder der Brandgilden, da es keine gesetzliche Pflicht dazu gab.163 155 Satzung der Holländer Mobilien-Brand-Gilden, Cap. 5, § 9 (Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 570–571). 156 Satzung der Holländer Mobilien-Brand-Gilden, Cap. 5, § 3 (Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 570). 157 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 29. 158 Zum Beispiel im Statut der Oelixdorfer Gilde aus der Herrschaft Breitenburg aus dem Jahr 1566 (Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II Bd., S. 30) und im Statut der Eiderstedter Landschafts-Brandgilde aus dem Jahr 1656 (ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II Bd., S. 31–32). 159 Auflistung mehreren Konfirmationsurkunden aus dem 18. Jahrhundert in: Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II Bd., S. 29–31. Einige dieser Urkunden sind dort abgedruckt: Königliche Confirmation der Brand-Gilde-Articuln für die Landschaft Eyderstedt, Everschop und Utholm vom 26. November 1742 (abgedruckt in ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 546–561); Confirmation der von den Vorstehern der Landschaft Eyderstedt, Everschop und Uthol, rectificirten und erweiterten Holländer Mobilien-Brand-Gilden vom 3. September 1773 (abgedruckt in: ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 563–571); Königliche Confirmation der Mobilgilde für die Ahrensharde Amts Gottorff vom 6. Oktober 1741 (abgedruckt in: ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 595–596); Königliche Confirmation der Flensburger Hospitals Brandkasse vom 9. April 1759 (abgedruckt in: ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, I. Bd., S. 599–602). 160 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 24. S. auch ders., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II. Bd., S. 29–32. 161 Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II. Bd., S. 32. 162 S. Auszüge aus verschiedenen Konfirmationsurkunden in Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II. Bd., S. 32–33. 163 Maass, Die Brandgilden, S. 62; Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II. Bd., S. 31. In Schleswig-Holstein gab es auch mehrere gut funktionierende Brandgilden, die keine obrigkeitliche Bestätigung beantragten (ebd., S. 33).
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Vor der Erteilung der Bestätigung übte die Obrigkeit anfangs keine echte Kontrolle über die Statuten der Brandgilden aus, da die einzige Voraussetzung, die erfüllt werden musste, die Bezahlung entsprechender Gebühren war. Erst ab un gefähr der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Erteilung der „Confirmation“ (und die Möglichkeit für die um Bestätigung ersuchenden Brandgilden weiter tätig zu sein) von der Übereinstimmung der Statuten der Brandgilde mit der örtlichen Gesetzgebung abhängig gemacht, wie zum Beispiel in einer „Confirmation“ aus dem Jahr 1742 klargestellt wurde:164 So haben wir jedoch […] nach Anleitung der beiden ersten Theile des von Uns Allergnädigst approbirten Projects zu einer generalen Brand-Verordnung, wie nämlich der BrandSchade, so viel Menschmöglich zu verhüten, und zweytens eine etwanige Feuers-Brunst bald wieder gelöscht werden könne, so viel es die Umstände zugelassen, gesäubert, und da auch sonsten die, zu Wiederaufhelfung eines Abgebrannten, darin falls geäußerten allerheilsamsten Absicht ziemlich übereinkommen, in Königlichen Gnaden resolviert, diese großentheils uralte Landschafts- und Kirchspiels-Gilden auf den itzigen verbesserten Fuß Allerhuldreichest zu bestätigen.
Alle genannten Elemente, die bei der Verwaltung und dem Betrieb der schleswigholsteinischen Brandgilden vorgesehen waren, können als erste Ansätze der Versicherungsaufsicht, die in diesem Staat später eingeführt werden wird, gesehen werden. Die weitere Entwicklung des Feuerversicherungswesens und die damit verbundene Versicherungsaufsicht in Schleswig-Holstein werden später in dieser Arbeit dargestellt.165
2. Octroi und freiwillige Unterwerfung unter die Staatsaufsicht In der Zeit vor der Einführung einer gesetzlichen staatlichen Überwachung des Versicherungswesens sind in den deutschen Staaten noch weitere obrigkeitliche Einflüsse zu erkennen, die von Versicherern selbst gefordert wurden. Auf dem Weg zur Einführung einer Versicherungsaufsicht ist das sogenannte Octroi166 einer der wichtigsten Meilensteine. Das Octroi-Verfahren wird als „ein Bestandteil der merkantilistischen Wirtschaftspolitik“ betrachtet,167 da es in Verbindung mit der wirtschaftspolitischen Überzeugung der Merkantilisten (und der Kameralisten in Deutschland) stand, laut der jede gewerbliche Tätigkeit der Bevölkerung auch eine Bedeutung für den Staat und seinen Wohlstand hatte und daher unter einem staatlichen Einfluss stehen sollte.168 In Deutschland war das 164 Königliche Confirmation der Brand-Gilde-Articuln für die Landschaft Eyderstedt, Everschop und Utholm vom 26. November 1742 (s. oben Fn. 159); s. auch Helmer, Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, II. Bd., S. 34–35. 165 S. unten C. IV. 4. a). 166 Oft auch als Octroy oder Oktroy bezeichnet. 167 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 18. 168 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 18 und 43. Vgl. Bullinger, Staatsaufsicht, S. 278. S. oben C. I. 2.
III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen
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Octroi-Verfahren bereits ab dem 17. Jahrhundert in der Praxis verbreitet, kodifiziert wurde es aber erst 1794 in Preußen durch das Preußische Allgemeine Landrecht.169 Das Octroi war170 die über die Genehmigung einer privilegierten Handelsgesellschaft ausgestellte obrigkeitliche Urkunde, durch welche alle den Betheiligten und deren Rechtsnachfolgern verwilligten Ausnahmen von der Anwendung des allgemeinen Rechts fixiert waren.
Mit einem Octroi, das jeder Handelsgesellschaft (darunter also auch Versicherungsgesellschaften) erteilt werden konnte, gewährte die Obrigkeit einer Gesellschaft die Rechte einer Korporation171 und bestimmte Privilegien,172 wie zum Beispiel die Befreiung von Steuern und anderen Abgaben, die Ausschließung der Haftung der handelnden Vorstände, die Befreiung des Personals von Militärpflichten und die Erteilung von Monopolrechten.173 Durch das Octroi bekam eine Gesellschaft die Rechtsfähigkeit und wurde somit zu einer für den Geschäftsbetrieb „geeigneten Organisationsform“,174 die mit einer modernen Aktiengesellschaft vergleichbar ist.175 Das Ersuchen um ein Octroi war eine freie Entscheidung jeder Gesellschaft, die freiwillig eine solche staatliche Genehmigung erbitten konnte, um die damit verbundenen Vorteile zu erhalten.176 Die Erteilung des Octroi lag im freien Ermessen der Obrigkeit und war hauptsächlich mit der Erkennung eines Nutzens der betroffenen Gesellschaft für das Gemeinwohl verbunden. In den verschiedenen deutschen Staaten gab es für die Erteilung des Octroi kein einheitliches Verfahren, was bedeutete, dass sie von der Haltung der verschiedenen Regierungen gegenüber dem Versicherungswesen im Allgemeinen und den einzelnen Versicherungszweigen im Speziellen abhängig war.177 Unabhängig von der Erteilung eines Octroi forderten viele solide Versicherungen im 18. Jahrhundert in Hamburg oft freiwillig eine staatliche Genehmigung des Geschäftsbetriebs, um damit ihre Solidität vor dem Publikum der potenziellen Versicherten zu beweisen. Die Genehmigung des Staates sollte als eine Art Wer 169
S. unten C. V. 1. a) bb). Primker, Die Aktiengesellschaft, S. 487. Vgl. Baums, Gesetz, S. 13. 171 Durch die sog. costitutio personalis, die im Octroi enthalten war. 172 Lehmann, Das Recht, S. 61 und S. 285; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 18–19. 173 Baums, Gesetz, S. 13; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 19. Büchner hob hervor, dass vor der Einführung einer Versicherungsaufsicht das Octroi-Verfahren nicht nur in deutschen Staaten, sondern auch in anderen Ländern verbreitet und oft mit gewissen Anforderungen seitens der Obrigkeit, besonders bezüglich der Satzungen der betroffenen Gesellschaften, verbunden war (Büchner, Die Geschichte der Versicherungsaufsicht, S. 730). 174 Insbesondere geeigneter als andere zu der Zeit mögliche Gesellschaftsformen, wie z. B. die „Gemeinen Handlungsgesellschaften“, die „Stillen Gesellschaften“ und die „Gemächlichkeits-Handelsgesellschaften“ (Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 18–19). 175 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 18; vgl. auch Sciuto / Spada, Il tipo della societá per azioni, S. 22: Laut diesen Autoren waren die privilegierten Gesellschaften „morphologisch“ anders als die modernen Aktiengesellschaften aber diesen „funktional“ ebenbürtig. 176 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 43. 177 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 43–44. 170
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
bung dienen, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Dies zeigt, wie die Einführung einer Aufsicht auch im Interesse solider Versicherungsgesellschaften war. Eine staatliche Genehmigung konnte nämlich ein Beweis für die Öffentlichkeit sein, dass die genehmigte Versicherungsgesellschaft solide und zuverlässig war und unter dem „Siegel“ des Staates ihre Geschäfte betrieb.178 In solchen Fällen bestand aber auch das Risiko, dass der Staat die ersuchte Genehmigung ablehnte und sogar die Gründung der Versicherungsgesellschaft verbot. Dies geschah zum Beispiel 1720, als zwei „Assekuranzgesellschaften auf Aktien“ vor ihrer Gründung den Hamburger Senat um seine obrigkeitliche Bestätigung baten, der Senat diese aber ablehnte und die beiden Gesellschaften aufgrund ihrer vermeintlich spekulativen Charaktere verbot, um die Bürger vor potentiellem Betrug zu schützen.179 Ein ähnlicher Fall ereignete sich 1765 bei der Gründung der Ersten Hamburger Assekuranz-Kompagnie für Seerisiko und Feuersgefahr,180 einer Aktiengesellschaft, die See- und Feuerversicherung betrieb. Bei ihrer Gründung wurde ein Antrag auf „Genehmigung der Rechtsfähigkeit“ gestellt, der aber weder bewilligt noch abgelehnt wurde, da der Hamburger Senat sich zurückhaltend verhielt, um keine Verantwortung tragen zu müssen, weder gegenüber den Versicherten, falls sich die Versicherungsgesellschaft später als unsolide erweisen sollte, noch gegenüber einer potentiell soliden Versicherungsgesellschaft, deren Geschäfte verboten würden.181 Diese Versicherungsgesellschaft erhielte also kein Privileg, wurde aber trotzdem gegründet, was den Einzelversicherern in der Stadt Hamburg indirekt erlaubte, das Seeversicherungsgeschäft weiter zu betreiben.182 In der Literatur wird außerdem berichtet, dass in einigen Fällen die Versicherungsgesellschaften dem Staat „ein gewisses Maß von Aufsichtsrechten“ durch ihre Statuten gewährten, mit dem Ziel eine staatliche Genehmigung leichter zu bekommen und gleichzeitig ein „zugkräftiges Reklamemittel“ zu haben, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen.183
178
Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 46; Burger, Der Einfluß, S. 15. Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 46. Vgl. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 44. Kiesselbach hob außerdem hervor, dass der Hamburger Senat nicht die Absicht hatte, das Versicherungsgeschäft in der Stadt zu fördern, da es seiner Ansicht nach besser gewesen wäre, „wenn die hiesigen Bürger sich im Auslande versichern liessen und bei Eintritt von Schäden von dort Ersatz erhielten, als wenn die Fremden hier zeichneten und in Havariefällen das Geld aus der Stadt zögen, da die Erfahrung gelehrt habe, dass die Assekuranzen sowohl schon an und für sich, als auch ganz besonders, wenn die hiesigen Assekuradeure mit Fremden und Unbekannten Assekuranzen eingingen, mehr Schaden als Gewinn einbrächten“ (Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 46). 180 S. oben C. I. 1. a). 181 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 44–45. 182 Manes, Versicherungswesen, II. Bd., S. 124. 183 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 46–47. Es konnten leider keine Beispiele dieser Gesellschaftsstatuten gefunden werden. 179
III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen
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Obwohl eine Versicherungsaufsicht in keinem dieser Fälle vorhanden war, können das System des Octroi und die anderen Beispiele einer freiwilligen Unterwerfung unter die Kontrolle der Obrigkeit als erste Ansätze der künftigen Entwicklung einer staatlichen Aufsicht über das Versicherungswesen erachtet werden.
3. Der Dispacheur in Hamburg Eine weitere Form staatlicher Einflüsse kann im 16. und 17. Jahrhundert in der Stadt Hamburg festgestellt werden. Wie bereits gesehen,184 entwickelte sich die Seeversicherung im deutschsprachigen Gebiet zuerst in Hamburg, wo am Ende des 16. Jahrhunderts der erste bekannte deutsche Seeversicherungsvertrag abgeschlossen wurde. Auf die Entwicklung der Gesetzgebung bezüglich des Versicherungsgeschäfts in Hamburg wird später in dieser Arbeit näher eingegangen,185 es ist aber wichtig zu erwähnen, dass dort bereits vor einer gesetzlich geregelten staatliche Überwachung dieser Wirtschafsbranche Ansätze einer Aufsicht über das Versicherungswesen gefunden werden konnten. Vermutlich bereits im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts186 waren in Hamburg187 die Untersuchung von Havarien und Seeschäden und die Feststellung von Beiträgen und Entschädigungssummen einem Dispacheur überlassen. Die Dispacheure, die Notare oder Kaufmänner waren, wurden anfangs von Kaufleuten erwählt und vom Rat der Stadt bestätigt, ab dem Jahr 1639 wurden sie direkt vom Rat „erwehlt“ und „beeidigt“188 und ab 1653 von der Hamburger Admiralität189 ernannt.190 Aufgaben des Dispacheurs waren:191 Dokumente und alle anderen in Betracht kommenden Schriftstücken die ihm zum Beweise von Seeschäden eingereicht werden, zu untersuchen, und die daraus hervorgehenden Schäden und Havarien (grosse und besondere Havarien) noch den gesetzlichen Vorschriften und
184
S. oben C. I. 1. a). S. unten C. IV. 2 und C. V. 2. c) aa). 186 Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 123 und S. 130. 187 Und in Lübeck, da dort das Hamburgische Seeversicherungsrecht ebenfalls zur Anwendung kam und der Hamburgische Dispacheur auch dort tätig war (Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 42; Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 131). 188 Mandat des Hamburger Senats vom 30. August 1639, abgedruckt in: Plass / Ehlers, Geschichte der Assecuranz, S. 102; Langenbeck, Anmerkungen, S. 202–203. 189 Die Hamburgische Admiralität wurde 1623 gegründet und war eine Hafenbehörde der Stadt Hamburg, die sich „um das Seewesen und alles, was damit zusammenhing, zu kümmern hatte“ (Jahn, Ökonomie, S. 229). 190 Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 131; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 42. Detaillierter über die Rolle des D ispacheurs in Hamburg in: Plass / Ehlers, Geschichte der Assecuranz, S. 102–121; Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 120–123 und S. 130–131. 191 Plass / Ehlers, Geschichte der Assecuranz, S. 112; vgl. Hammacher, Die Grundzüge, S. 70. 185
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland unter Beiseitesetzung aller persönlichen Rücksichten, mit gewissenhafter Unparteilichkeit nach seiner Ueberzeugung aufzumachen und zu repartieren, sowie für die Aufmachung solcher Dispachen die gesetzlich festgestellten Gebühren zu erheben.
Im Falle von Havarien oder Seeschäden musste sich der Geschädigte an den Dispacheur wenden, unter Androhung von gewissen Konsequenzen für den Fall der Missachtung, wie der Hamburger Rat in seinem Mandat vom 30. August 1639 betonte:192 E. E. Rath will hiermit allen und jeden Bürger, Einwohner und Jedermänniglich erinnert, vermahnet und denselben ernstlich geboten haben, daß ein jeder, der havarie oder Seheschaden hat, sich desfals bey dem von E. E. Rath hierzu erwehlten und hierzu absonderlich beeydigten Hans Behnen angeben und von demselben all solche havarie und Sehe-Schaden berechnen und abthun lassen solle; Mit der Verwarnung, woferne jemand deme zuwieder handeln würt, daß alsolche havarie und Sehe-Schaden so wohl in den Gerichten dieser Stadt, als auch auf der Admiralität allhie nicht allein nicht erkannt, sondern auch der Contravenient seines Ungehorsambs halber mit gebührend wilkürlicher Straffe ohnnachlässig belegt werden solle, Wornach sich einjeder zu richten und vor Schaden zu hüten.
Auch das Mandat des Senats vom 2. April 1672 enthielt die „Verwarnung“, dass im Falle von Havereyen die Dispachen, die nicht von dem vom Rat vereidigten Dispacheur erfasst wurden, „von keinen Würden seyen auch im Gericht nicht attendiret werden, und darzu der, so dieselbe nach dato dieses machen wird, in willkührlicher Straffe verfallen seyn soll“.193 Durch die Figur des Dispacheurs wurde also ein obrigkeitlicher Einfluss auf das Versicherungswesen ausgeübt, der zwar nicht besonders stark war aber trotzdem als Indiz einer zukünftigen Versicherungsaufsicht gesehen werden kann.
4. Die Hamburger Feuerkontrakte Weitere Elemente, die bei dieser Suche nach Ansätzen einer Versicherungsaufsicht zu berücksichtigen und ebenso in Hamburg zu finden sind, sind die Hamburger Feuerkontrakte, die bisher nur kurz erwähnt wurden194 und nun aus aufsichtsrechtlicher Sicht genauer betrachtet werden. 192
Mandat des Hamburger Senats vom 30. August 1639 (s. oben Fn. 188). Maurer behauptet dagegen, dass die Versicherer frei entscheiden konnten, „sich zur Ermittlung des Schadens nach ihrer Wahl der obrigkeitlichen Schätzung oder des Verkaufs vermittels öffentlichen Aufrufs bedienen konnten“. Die Einführung einer Klausel in die Versicherungspolice, die die Mitwirkung des Dispacheurs vorschrieb, sei laut Maurer eine freiwillige Entscheidung der Parteien, da „ein Recht des Staates, eine derartige Mitwirkung zu verlangen, […] gesetzlich nicht begründet“ gewesen sei (Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 41–42). Diese Behauptungen Maurers scheinen aber in Kontrast mit den im Mandat des Rats festgelegten Konsequenzen der Unterlassung der Mitwirkung des Dispacheurs zu stehen. 193 Mandat des Hamburger Senats vom 2. April 1672, abgedruckt in: Langenbeck, Anmerkungen, S. 203. 194 S. oben C. I. 1. c).
III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen
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Die Hamburger Feuerkontrakte, die als „private Feuerversicherungsvereine“ bezeichnet worden sind,195 wurden ab dem Ende des 16. Jahrhunderts von Hamburger Hauseigentümern abgeschlossen, um sich gegenseitig einen Schutz im Falle eines Brandes zu gewährleisten.196 Jeder Feuerkontrakt hatte durchschnittlich etwa 100 Mitglieder.197 Die Mitglieder der ersten Feuerkontrakte waren ausschließlich Eigentümer von Brauhäusern, später wurden aber auch Feuerkontrakte für Wohnhäuser oder gleichzeitig für beide Arten von Gebäuden abgeschlossen.198 Der erste bekannte Feuerkontrakt stammte aus dem Jahr 1591199 und die weiteren Kontrakte, die bis 1620 abgeschlossen wurden, ähnelten diesem sehr.200 Der Feuerkontrakt von 1620/1622201 enthielt eine umfangreichere und in Artikeln strukturierte Regelung und diente als Vorbild für die späteren Feuerkontrakte bis zum Jahr 1676.202 In diesem Jahr entstand dann aus den Feuerkontrakten die Hamburger Generalfeu-
195
Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 17. Detaillierteres über die Hamburger Feuerkontrakte in: Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 5–50; Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 4–13; Büchner / Ohlmeier (Hrsg.), 275 Jahre Hamburger Feuerkasse, S. 12–17; Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 166–173; von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 126–131. Was den Ursprung der Feuerkontrakte betrifft, gibt es keine Einstimmigkeit in der Literatur. Ein Teil der Autoren ist der Ansicht, dass ihr Ursprung in den Niederlanden liegen könnte; andere Autoren sind dagegen der Meinung, dass die Schleswig-holsteinischen Brandgilden als Vorbild für die Hamburger Feuerkontrakte gedient haben sollen; schließlich glauben wieder andere Autoren, dass die Feuerkontrakte, wie die Brandgilden, sich aus dem allgemeinen Gildenwesen entwickelten. Detaillierteres über diese verschiedenen Meinungen in: Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 33–38; Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 163–168; Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 31–43; Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 16–17; Riebesell, Geschichte und Bedeutung, Sp. 401–402; ders., Geschichte der Hamburger Feuerkasse, S. 8–9; Morstein Marx, Zur Entstehungsgeschichte, in: HansRZ 1927, Sp. 648–650. 197 Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 4 und S. 10; vgl. Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 7–13 und S. 26; Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 15–16; Riebesell, Geschichte und Bedeutung, Sp. 402. 198 Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 9; Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 16. Vgl. Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 7–13. 199 Feuerkontrakt vom 3. Dezember 1591, abgedruckt in: Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 66–68; Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 202–205. Aus der umfangreichen Literatur über diesen Feuerkontrakt s. Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 7; Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 32; Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 4; Verein für Hamburgische Geschichte (Hrsg.), Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte, 12. Band, Heft 1, 34. Jahrgang (1914), S. 93–99. 200 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 9–10. Dieser Autor spricht bei einigen der Feuerkontrakte sogar von einer „fast oder ganz wörtliche[n] Übereinstimmung“ mit dem Feuerkontrakt von 1591 (S. 10). 201 Füer Ordnung unde Contract, Anno 1620 unde Anno 1622, abgedruckt in: Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 69–77. 202 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 10–12; Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 33 und S. 43; von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 128. Für eine Auflistung der zugänglichen Drucke der Feuerkontrakte s. Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 6, Fn. 3. Für eine Auflistung und Beschreibung aller bekannten Feuerkontrakte s. ders., Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 7–17. 196
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
erkasse, die deren Regelung übernahm.203 Nach dem Vorbild der Feuerkontrakte der Stadt Hamburg wurden Feuerkontrakte und „Brandversicherungskorporationen“ auch in den Vorstädten und auf dem Hamburger Landgebiet abgeschlossen.204 Die Hamburger Feuerkontrakte hatten zwar eine privat-rechtliche Natur, in ihren Regelungen sind jedoch einige Elemente enthalten, die später in gesetzlichen Vorschriften aufsichtsrechtlicher Natur verschiedener deutscher Staaten gefunden werden können. Insbesondere zwei von den in den Feuerkontrakten enthaltenen Klauseln sind hier von Interesse. Die erste war in allen Feuerkontrakten vorgesehen und legte fest, dass die Einschätzung von (meistens Teil-) Schäden durch die ältesten und vornehmsten Kontraktskonsorten zusammen mit beeidigten „Zimmer- und Mauerleuten“ erfolgen sollte.205 Die zweite unterwarf die Bezahlung der Entschädigungssumme einer Wiederaufbaupflicht, die in der Regel innerhalb eines Jahres erfüllt werden musste und deren Nichterfüllung mit dem Verfall der Entschädigung bestraft werden konnte.206 Beide Kontraktsbedingungen waren schon im ersten Feuerkontrakt von 1591 enthalten:207 Alßdann ock de eigentliche upsicht dorch de Eltisten unnd Vornehmsten Eigendöhmere diesser Consorten thodragende / dat ungesümet vor alle düth ingebrachte Gelt / Steine / Kalck / Holdt und dergelyken materie, tho schlüniger (als benantlich binnen Jahr und Dage) wedder Erbuwinge eines oder mehr affgebranten Hüser gekofft und beschaffet / Sonsten averst düth Geldt (by vorlust dessülvigen) tho keinem andern Ende bestediget werden schöle. […] Ferners / dewyle alle Unheil des Füres nicht glyk / sondern bißweilen dat gamze BruwHuß twischen den Brandmühren oder Scherwenden (darvan obgedacht) affbrendt / bißweilen allein baven oder unden / oder thorügge / als eigentlich ohn abgesonderte thobehörungen des BruwErves schwerer Füresschade geschicht / up düsseb fall schölen de Oldesten und Vornembsten disser Consorten als Eigendöhmere den erledenen Brandschaden am under oder obern deele des Bruwhuses oder dessen ohnabgesonderten Thobehörungen in Gegenwart des Erbahren Rathes dieser Stadt beeideten Timmer: und Mawrmennere ahne affecten besichtigen / taxiren und na befindung und billicher ermessunge dem oder denen beschedigten Eigendöhmer oder Eigendöhmeren die erstatting des Schadens up gelickmetigen quotam aller und jeder Consorten (doch dat nemandt düsser Eigendöhmer aver Tein Ricksdahler van jedem synem hyrunder beschrevenen BruwErve beschweret werde) bejegnen lahten.
203
S. unten C. IV. 2. a). Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 44–50; Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 17–18. Diese nicht-städtischen Feuerkontrakte wurden 1676 nicht in die Generalfeuerkasse zusammengefasst und lebten weiter (Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 44). 205 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 8; s. auch Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 167. 206 Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 166; Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 26–27; von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 127–128. 207 Feuerkontrakt vom 3. Dezember 1591, wie abgedruckt in Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 67–68; s. auch ebd., S. 7–9. 204
III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen
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Diese Regeln wurden in den späteren Feuerkontrakten, manchmal mit fast identischen Formulierungen, übernommen,208 wie zum Beispiel in den Feuerkontrakten von 1596,209 von 1609,210 von 1614,211 von 1620,212 von 1637213 und von 1664.214 Das Ziel der Wiederaufbaupflicht war mit dem Ziel der Versicherung selber verbunden, welche nicht nur „zur Sicherung der eigenen Arbeitsstätte (Brauhaus) oder Wohnung abgeschlossen“ wurde, sondern, „wie die Kontrakte ausdrücklich hervorheben, ebenso der Sicherheit der Realgläubiger und damit der Hebung des Realkredits, in der üblichen Form von Renten, dienen“ sollte.215 Diese zwei Regelungen (die Beteiligung vereidigter Handwerker bei der Einschätzung der Schäden und die Wiederaufbaupflicht) findet man später nicht nur, was zu erwarten war, in den Ordnungen der Hamburger General-Feuerkasse,216 sondern auch, zum Teil oder im Ganzen, in den Gesetzgebungen verschiedener deutscher Staaten, und zwar in den Regelungen der Preußischen Feuersozietäten aus dem 18. Jahrhundert,217 im Allgemeinen Preußischen Landrecht218 und in den Regelungen mehrerer Feuerversicherungsanstalten weiterer Staaten aus dem 18. Jahrhundert.219 Ein direkter Einfluss der Hamburger Feuerkontrakte auf die Entwicklung dieser späteren Gesetzgebungen kann nicht schlüssig nachgewiesen werden, kann aber mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden. In Hamburg zeigte sich außerdem von Anfang an die obrigkeitliche Absicht, einen gewissen Einfluss auf die Feuerkontrakte auszuüben. Die Feuerkontrakte wurden nämlich bereits ab 1591 im „Denkelbuch“ der Stadt Hamburg registriert und ab 1620 vom Rat der Stadt bestätigt.220 Die Eintragung ins Ratsdenkelbuch war ausdrücklich schon im Feuerkontrakt von 1591 erwähnt, sogar an zwei Stellen. In der Einleitung:221 208
Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 26. Feuerkontrakt von 1596, abgedruckt in: Schaefer, Urkundliche Beiträge, I. Bd., S. 205–207 (206). 210 Feuerkontrakt von 1609, abgedruckt in: Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 207–210 (208–209). 211 Feuerkontrakt von 1614, abgedruckt in: Werner / Gerckens, Abtruck, o. S. 212 Feuerkontrakt von 1620/1622 (s. oben Fn. 201; Art. 4 und 6). 213 Feuerkontrakt von 1637, abgedruckt als „Copia“ vom 19. Februar 1640 in: Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 77–83 (Art. II und IV). 214 Feuer-Versicherungs-Contract von 1664, abgedruckt in: Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 210–217 (Art. 2 und Art. 4). 215 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 26–27; s. auch von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 127–128; Riebesell, Geschichte der Hamburger Feuerkasse, S. 12. 216 S. unten C. IV. 2. a). 217 S. unten C. IV. 1. a). 218 S. unten C. IV. 1. d). 219 S. unten C. IV. 4. a), C. IV. 4. b), C. IV. 4. c), C. IV. 4. d). 220 Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 13; Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 22–23; Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 17. 221 Feuerkontrakt von 1591 (s. oben Fn. 199: Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 66). 209
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland […] auff befelch E. E. Hochw. Raths dieser Stadt DenckelBuch zu den Interessenten Nachricht ist einverleibet worden,
und am Ende des Kontrakts:222 […] folgendes doch sonderbahren Befehl eines Erbahren Rades in düsser Stadt gewöhnlich Denckel tho wehrender nachrichtung […].
In den späteren Feuerkontrakten wurde die Aufnahme in das Denkelbuch bestätigt, wie zum Beispiele in den Feuerkontrakten von 1596,223 von 1609224 und von 1614.225 Was die obrigkeitliche Bestätigung der Feuerkontrakte durch den Rat betrifft, war der Feuerkontrakt von 1620 der erste, der am 7. Juni 1622 „dorch einen Ehrenvesten / Hochweisen Radt Confirmiret“ wurde.226 Damit bestätigte der Rat, dass es keine Bedenken seitens der Obrigkeit gegen diesen Feuerkontrakt gab.227 Den weiteren Feuerkontrakten wurde auch eine Bestätigung des Rates erteilt, der nach Ansicht der Rechtslehre eine „gewisse sachliche Nachprüfung ihrer Wirtschaftlichkeit vorangegangen“ war.228 Zum Beispiel wurde im Feuerkontrakt von 1637 klargestellt, dass er „einem Ehrb. Rathe ad confirmandum von den Interessenten exhibirt und darauff durchgesehen und confirmirt“ wurde.229 In der Einleitung dieses Feuerkontrakts wurde außerdem deutlich betont, dass auch die vorherigen Feuerkontrakte vom Rat bestätigt wurden:230 Kundt und zu wissen sey hiemit Jedermänniglichen / Nach deme newlicher Jahr / unter dieser Stadt vornehmen Bürgern und Eigentümbern / wegen ihrer Erbe und Wohnhäuser / unterschiedliche Brandtordnungen auffgerichtet / selbige auch von einem Edlen und Hochweisen Rathe großgünstiglich ratificirt und confirmirt worden […].
Im Feuerkontrakt von 1637 war ferner klargestellt, dass er erst nach der „Confirmirung“ als verbindlich anzusehen war:231
222
Feuerkontrakt von 1591 (s. oben Fn. 199: Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 68). 223 Feuerkontrakten von 1596 (s. oben Fn. 209: Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 207). 224 Feuerkontrakten von 1609 (s. oben Fn. 210: Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 210). 225 Feuerkontrakten von 1614 (s. oben Fn. 211: Werner / Gerckens, Abtruck, o. S.). 226 Einleitung des Feuerkontrakts von 1620, auch am Ende wiederholt (Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 69 und 77); s. oben Fn. 201; s. auch Verein für Hamburgische Geschichte, Mitteilungen, 12. Bd. Heft 3, 36. Jahrgang (1916), S. 280, wo von einer „Genehmigung […] durch den Rat“ gesprochen wird. 227 Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 13. 228 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 13. 229 Feuerkontrakt von 1637 (s. oben Fn. 213: Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 77). 230 Feuerkontrakt von 1637 (s. oben Fn. 213: Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 78). 231 Feuerkontrakt von 1637 (s. oben Fn. 213: Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 78).
III. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle über das Versicherungswesen
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Haben derowegen nachfolgende Articul (welchere auch nach confirmirung dieses Contracts, in allen Punkten und Clauseln zu ewigen Zeiten festgehalten werden sollen / wie dann auch nach unterschreibung deroselben ein Ehrnv: Hochw: Rath dieser Stadt / umb selbige großgönstiglich zu confirmiren, von diesen vereinigten Eigentümbern unterdienstlich ersucht und gebeten werden soll) einhellig sich belieben und gefallen lassen.
Der Feuerkontrakt von 1664 übernahm diese Einleitung bezüglich des vorliegenden und der vorherigen Kontrakte fast wörtlich:232 […] sey hiemit Jedermänniglichen nach deme neulicher Jahre unter dieser Stadt Vornehme Bürgern und Eigenthümern jhre Brau-Erbe, wie auch Wohnäuser, unterschiedliche Brand-Ordnungen auffgerichtet, selbige auch von einem Ehrenvesten Hochweisen Rahte grossgünstig ratificiret und confirmiret worden […] haben derowegen nachfolgende Articul (welche nach Confirmirung dieses Contracts in allen Puncten und Clausulen zu ewige Zeiten festglich gehalten werden sollen) wie denn auch nach Unterschreibung deroselben Ein Ehrenvest. Hochweiser Raht dieser Stadt, umb selbe grossgünstiglich zu Confirmiren, von diesen vereinigten Eigenthümern unterdienstlich ersuchet und gebeten werden soll einhellig sich belieben und gefallen lassen […].
Für die Interpretation der Natur und der Wirkung dieser Bestätigung des Rats bezog sich Ebel auf Baumeister, der 1856 für das allgemeine Privatrecht der Stadt Hamburg feststellte, dass „die Vorlegung der Statuten, und Approbirung derselben durch den Senat“ das einzige Ziel haben konnte, „die Unbedenklichkeit des Unternehmens im polizeilichen Interesse außer Zweifel zu setzen“.233 Den vorhandenen Quellen ist leider nicht zu entnehmen, ob die Eintragung ins Denkelbuch und die Bestätigung des Rates eine gesetzliche Pflicht und eine Voraussetzung für die Wirksamkeit aller Feuerkontrakte darstellten. Beide sind aber Zeichen dafür, dass die Obrigkeit ein besonderes Interesse am Feuerversicherungswesen zeigte und eine gewisse Kontrolle darüber ausüben wollte.
5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Ab dem 16. Jahrhundert und bis ins 18. Jahrhundert sind in der Geschichte des deutschen Versicherungswesens erste Ansätze der zukünftigen Entwicklung der Versicherungsaufsicht zu finden. Zunächst können sie in den schleswig-holsteinischen Brandgilden erkannt werden. Zum einen wurden diese oft durch Gebietsgemeinden oder Kirchspiele verwaltet und ihre Tätigkeit wurde in verschiedenen Weisen durch die örtlichen Obrigkeiten beeinflusst. Zum anderen wurde von verschiedenen Brandgilden um eine obrigkeitliche Bestätigung ersucht, was das Ziel hatte, durch diese Bestätigung die Unterstützung der Obrigkeit zu bekommen. Während die Erteilung der Bestätigung 232
Feuerkontrakt von 1664 (s. oben Fn. 214: Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 210–211). Baumeister, Das Privatrecht, S. 61, Fn. 2; vgl. Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 22. 233
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
am Anfang nur die Bezahlung einer Geldsumme voraussetzte, wurde ab der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Nachprüfung der Übereinstimmung des Statuts der um Bestätigung ersuchenden Brandgilde mit der örtlichen Gesetzgebung erforderlich. Das Ersuchen um Bestätigung der Obrigkeit blieb bei den Brandgilden freiwillig, zeigte aber viele Ähnlichkeiten zu dem Konzessionssystem mit Präventivkontrolle, das in der versicherungsaufsichtsrechtlichen Gesetzgebung aus dem 19. Jahrhundert von vielen deutschen Staaten zu finden ist.234 Weitere Beispiele für einen geforderten obrigkeitlichen Eingriff und für eine freiwillige Unterwerfung unter den staatlichen Einfluss sind im Zeitraum zwischen dem 17. und dem 18. Jahrhundert zu finden. Erstens ist das System des Octroi zu berücksichtigen, um welches von Versicherungsgesellschaften ersucht werden konnte, um bestimmte Privilegien zu bekommen und so effektiver das Versicherungsgeschäft betreiben zu können. Zweitens gab es im 18. Jahrhundert in der Stadt Hamburg die Möglichkeit für Versicherungsgesellschaften, eine staatliche Genehmigung des Geschäftsbetriebs zu beantragen, um dem Publikum der potenziellen Versicherten einen Beweis ihrer Solidität zu liefern. Die freiwillige Forderung nach staatlichem Einfluss zeigte, wie ein Eingriff des Staates im Versicherungsbereich von soliden Versicherungen begrüßt wurde. Noch weitere Ansätze, die auf die Anfänge der Entwicklung einer Versicherungsaufsicht zurückgeführt werden können, sind in Hamburg zu finden: Die Figur des Dispacheurs und die Hamburger Feuerkontrakte. Der Dispacheur war bereits ab dem Ende des 16. Jahrhunderts in Hamburg der Alleinzuständige für die Einschätzung der Schäden und die Feststellung der Entschädigungssumme bei einer Seeversicherung. Er war von der Obrigkeit bestätigt und ab 1639 auch von ihr erwählt. Der Dispacheur, der zwangsläufig an dem Entschädigungsverfahren bei Seeversicherungen teilnehmen musste, zeigte, wie der Staat bei der Seeversicherung einen direkten Einfluss auf das Versicherungsgeschäft ausüben konnte, obwohl das noch keine Versicherungsaufsicht darstellte. Was die Hamburger Feuerkontrakte betrifft, die auf das 16. und 17. Jahrhundert zurückgehen und privat-rechtlicher Natur waren, waren in ihren Regelungen mehrere Klauseln enthalten, die für erste Spuren auf dem Weg einer Versicherungsaufsicht gehalten werden können. Erstens waren die Feuerkontrakte ab dem 17. Jahrhundert der obrigkeitlichen Bestätigung unterworfen, zweitens enthielten sie einige Bestimmungen, die die Absicht des Staates zeigten, eine gewisse Kontrolle und Überwachung über die Beteiligten einer Versicherung auszuüben. Es handelte sich um die Bestimmungen bezüglich der Einschätzung der Brandschäden und des Wiederaufbaus der geschädigten Gebäude, die Bedingung für die Auszahlung der Entschädigungssumme war. Ähnliche Bestimmungen können im 18. Jahrhundert in zahlreichen gesetzlichen Vorschriften aufsichtsrechtlicher Natur in verschiedenen deutschen Staaten gefunden werden.235 234 235
S. unten C. V. S. unten C. IV.
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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Diese Ansätze stellen die ersten Versuche der Obrigkeit dar, ein wachsames Auge auf das Versicherungswesen zu haben und sich so auf den Weg zur Einführung einer echten Versicherungsaufsicht zu machen.
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur Wie im Folgenden gezeigt werden wird, erfolgte die Einführung einer Versicherungsaufsicht in der Form des Konzessionssystems erst ab dem Ende des 18. Jahrhunderts in einigen der deutschen Staaten.236 Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich dann die Versicherungsaufsicht auch im restlichen deutschsprachigen Raum.237 Bereits ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden aber gesetzliche Bestimmungen verabschiedet, die das Ziel hatten, die Tätigkeit von Versicherungen einzuschränken und zu kontrollieren und das Versicherungswesen im Allgemeinen zu überwachen. Obwohl diese Vorschriften noch keine echte Versicherungsaufsicht darstellten, sind sie trotzdem zu berücksichtigen, um die gesamte Entwicklung der deutschen Gesetzgebung bezüglich der Beaufsichtigung der Versicherungen verstehen zu können, da sie zeigen, wie sich die Gesetzgebungen der deutschen Staaten in Richtung einer Überwachung und einer Kontrolle des Versicherungswesens bewegten.
1. Preußen Der erste deutsche Staat, in dem eine staatliche Kontrolle über das Versicherungswesen gesetzlich geregelt wurde, war Preußen. Vor der Einführung einer Versicherungsaufsicht im eigentlichen Sinne238 wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts im Königreich Preußen einige Gesetze verabschiedet, die einen aufsichtsrechtlichen Charakter hatten, da sie die Absicht der preußischen Regierung zeigten, sich auf den Weg der Einführung einer obrigkeitlichen Kontrolle über das Versicherungswesen zu machen, und zwar über alle Versicherungszweige hinweg. a) Preußische Feuersozietäten Im Jahr 1718 wurde die Berliner Feuersozietät, eine öffentlich-rechtliche Feuerversicherungseinrichtung, gegründet. Zuvor blieben in Preußen mehrere Versuche, öffentlich-rechtliche Feuerkassen zu gründen, ohne Erfolg oder die gegründeten 236
S. unten C. V. 1. S. unten C. V. 2. 238 S. unten C. V. 1. a). 237
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Kassen wurden kurz danach wieder aufgelöst, da diesen ein großer Widerstand der Bevölkerung entgegentrat, hauptsächlich weil sie betrügerisch verwaltet wurden.239 Erst mit dem Reglement vom 29. Dezember 1718 konnte eine öffentlich-rechtliche Feuerversicherungsanstalt erfolgreich errichtet werden.240 Die so gegründete Berliner Feuersozietät diente dann als Vorbild für verschiedene Feuersozietäten, die im Laufe des 18. Jahrhunderts gegründet wurden: Die Gründungen erfolgten zwischen 1719 und 1723 in fast allen Städten des Königreichs Preußen und ab der Mitte des 18. Jahrhunderts auch in ländlichen Gebieten.241 Alle Preußischen Feuersozietäten wurden mittels Reglements gegründet, die ihre Gestaltung und ihren Betriebsablauf detailliert regelten.242 Eine Beitrittspflicht bestand für alle Feuersozietäten, die in den Städten tätig waren. Auf dem Land war dagegen in vielen Fällen eine Beitrittspflicht sogar ausgeschlossen, und zwar in der Regel für Adelige, Ritter und „die sonstigen Personen eximierten Standes“.243 Eine Beitrittspflicht galt außerdem meistens nur für Gebäude und nicht für bewegliche Güter.244 Einige der in den Reglements zur Gründung der Feuersozietäten enthaltenen Regelungen zeigten, dass trotz der öffentlich-rechtlichen Natur der Feuersozietäten, die eine Staatsaufsicht im eigentlichen Sinne unnötig machte, die Obrigkeit eine umfassende Überwachungsstruktur über ihre Tätigkeit und über die Abwicklung der Schadensfälle gestaltete. Einerseits waren nämlich die Feuersozietäten meistens von den Königlichen Kriegs- und Domänenkammern beaufsichtigt, andererseits waren in den Reglements Bestimmungen bezüglich der Einschätzung der Brandschäden und der Bezahlung der Entschädigungssummen enthalten, die aus einer aufsichtsrechtlichen Perspektive betrachtet werden sollten. Was die Beaufsichtigung seitens der Kriegs- und Domänenkammern betrifft, wurde zum Beispiel im Reglement vom 12. August 1756245 vorgesehen, dass der 239 Diese Versuche interessierten sowohl Brandenburg-Preußen (Edikt vom 12. Mai 1685 und Feuer-Ordnung vom 26. Januar 1701) als auch ganz Preußen (Feuerkassenreglement vom 15. Oktober 1705 und Generalfeuerkassenreglement vom 1. Juni 1706). Darüber im Detail s. Hahn, Die Entwicklung, S. 52–61; s. auch Koch, Ansätze zum Versicherungsgedanken, S. 374–375. 240 Reglement, wie es bey der in denen Residenzien augerichteten Societät mit dem von denen Eigenthümern derer Häuser zur Ersetzung eines Feuer-Schadens aufzubringenden Beytrag zu halten, vom 29. Dezember 1718, abgedruckt in: CCM, 5. Teil, 1. Abteilung, Sp. 249–254; Moser, Schwäbische Nachrichten, S. 898–906. 241 Für eine detailliertere Darstellung der Preußischen Feuersozietäten s. Hahn, Die Entwicklung, S. 61–74; s. auch Koch, Ansätze zum Versicherungsgedanken, S. 374–375; ders., Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 33–34; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 10. 242 Ein Überblick des Inhalts dieser Reglements in: Hahn, Die Entwicklung, S. 70–74. 243 Hahn, Die Entwicklung, S. 72. 244 Wenn kein Versicherungszwang bestand, war zumindest eine zeitlich beschränkte Einund Austrittmöglichkeit vorgesehen, meistens für einen Zeitraum von einem Jahr, aber in Einzelfällen variierte dieser Zeitraum zwischen einem halben Jahr und sechs Jahren. 245 Feuer-Societäts-Reglement, für das platte Land der Grafschaft Hohenstein, vom 12. August 1756, abgedruckt in: NCC, II Bd., 1756, Sp. 151–158.
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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Brandschaden vom Geschädigten der Obrigkeit und dem Landrat und dann vom Landrat den Königlichen Kriegs- und Domänenkammern sofort gemeldet werden sollte. Die Kriegs- und Domänenkammern mussten dann, zusammen mit dem Landrat, die Berechnung der Entschädigung und den Prozess der Bezahlung von Entschädigungsgeldern beaufsichtigen.246 Was die Einschätzung der Brandschäden und die Bezahlung der Entschädigungssummen betrifft, waren die Brandschäden von der Obrigkeit festzustellen, wie es bei öffentlich-rechtlichen Anstalten wie den Feuersozietäten zu erwarten war, und diese Einschätzung erfolgte in der Regel in Zusammenarbeit mit Fachexperten. Das Reglement von 1718 legte zum Beispiel fest, dass der Schaden eines Brandes „von vier Deputirten, wovon zwey wegen der Eximirten, und zwey wegen der Bürgerschafft aus dem Magistrat zu nehmen, mit Zuziehung vier Zimmer-Leuten und vier Maurer […] taxiert werden“ sollte.247 Ähnliche Vorschriften waren auch im Reglement vom 15. Oktober 1705248 und im Reglement vom 1. Juni 1706249 enthalten, die von einer Einschätzung „durch jedes Orts beeydigte Leute“ sprachen. Schließlich war in den Reglements auch stets vorgesehen, dass die Entschädigungssummen ausschließlich für den Wiederaufbau der abgebrannten oder beschädigten Gebäude verwendet werden durften.250 Im Reglement von 1756 wurde ausdrücklich festgelegt, dass die Überwachung der Verwendung der ausbezahlten Entschädigungsgelder dem Landrat und der Obrigkeit jedes Ortes oblag.251 Ähnliche Regelungen bezüglich der Einschätzung der Brandschäden und der Bezahlung der Entschädigungssummen waren bereits in den Hamburger Feuerkontrakten aus dem 16. und 17. Jahrhundert zu finden, die aber eine privat-rechtliche Natur hatten,252 sowie in der Hamburger General-Feuerkasse aus dem Jahr 1676.253 Das ist offensichtlich ein Zeichen dafür, dass die Obrigkeiten in mehreren deutschen Staaten bei Feuerversicherungen Bedenken wegen möglichen Betrugs seitens der Versicherten hatten und es stets für nötig hielten, eine Überwachung von Schäden und Entschädigungen durchzuführen. Diese Haltung der deutschen Regierungen gegenüber dem Feuerversicherungswesen änderte sich auch in den folgenden Jahrhunderten nicht und war noch in den Gesetzgebungen aus dem 19. Jahrhundert zu finden, wie im Laufe dieser Arbeit noch dargestellt wird.254 246
Reglement vom 12. August 1756, § 5. Reglement vom 29. Dezember 1718, § 6. 248 Feuer-Cassen-Reglement vom 15. Oktober 1705, abgedruckt in: CCM, V. Teil, 1. Abteilung, Sp. 173–176 (§ 10). 249 General-Feuer-Cassen-Reglement vom 1. Juni 1706, abgedruckt in: CCM, V. Teil, 1. Abteilung, Sp. 175–182 (§ 11). 250 Einige Beispiele davon: Reglement vom 15. Oktober 1705, § 8, 9 und 11; Reglement vom 1. Juni 1706, § 9, 10 und 12; Reglement vom 29. Dezember 1718, § 11 und § 12; Reglement vom 12. August 1756, § 7. 251 Reglement vom 12. August 1756, § 7. 252 S. oben C. III. 4. 253 S. unten C. IV. 2. a). 254 S. unten C. V. 247
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
b) Preußisches Seerecht Auch im Bereich der Seeversicherung verabschiedete die Preußische Regierung im 18. Jahrhundert einige Gesetze mit aufsichtsrechtlicher Natur. Das erste war das Preußische Seerecht vom 1. Dezember 1727.255 Im 18. Jahrhundert war das Seegeschäft in Preußen zwar weder besonders verbreitet noch blühend, dennoch stellt das Preußische Seerecht die erste gesetzliche Regelung des Seeversicherungsgeschäfts im deutschsprachigen Raum dar. Das VI. Kapitel des Gesetzes regelte die Seeversicherung256 und ähnelte inhaltlich der französischen Ordonnance de la marine von 1681257 sehr.258 Es zeigte aber nach Ansicht einiger Autoren eine sehr geringe Nähe zur Praxis des Seeversicherungsgeschäfts, was sich in einer manchmal lückenhaften Regelung der Seeversicherung und in einem Mangel an angehängten Musterpolicen widerspiegelte.259 Das Preußische Seerecht enthielt noch keine Aufsicht über das Versicherungswesen, stellte jedoch einen ersten Versuch dar, dieses einzugrenzen und zu kontrollieren. Neben einer generellen Freiheit, Versicherungen abzuschließen, führte dieses Gesetz eine Einschränkung der Möglichkeit ein, als Versicherer tätig zu werden und sich versichern zu lassen, indem es Maklern das Betreiben des Versicherungsgeschäfts und generell das Abschließen von Versicherungen untersagte:260 Gleichwie ein jeder, der gemäß Rechtens mit seinem Eigenthum zu gebahren befugt ist; er sey einheimisch oder fremde, ausgenommen die Mackler, in den Königlichen Landen Macht und Freyheit haben soll, Assuranzen zu schliessen, oder allerhand Schiffe und Güter zu versichern und versichern zu lassen.
Der Verstoß gegen dieses Verbot hatte jedoch keine Rechtsfolgen. Solche Einschränkungen des Kreises der Versicherungsberechtigten waren bereits seit dem 16. Jahrhundert in der niederländischen Gesetzgebung bekannt261 und 255
Preußisches Seerecht vom 1. Dezember 1727, abgedruckt in: Königlich-Preussisches SeeRecht nebst Beylagen, S. 1–106. 256 Kapitel VI, mit dem Titel „Von der Assuranz oder Versicherung“, in: Königlich-Preussisches See-Recht nebst Beylagen, S. 47–58; Magens, Versuch, S. 719–733. 257 Die Ordonnance de la marine, 1681 von Ludwig XIV. erlassen, enthielt eine umfassende Regelung des Seetransports und ist das erste französische staatliche Gesetz zum Thema Versicherungsrecht (Buch III, „Des contrats maritimes“, Titel VI, „Des Assurances“ abgedruckt in: Magens, Versuch, S. 674–703). Für eine kurze Darstellung der Ordonnance de la Marine in deutscher Sprache s. Hubrecht, Zur Geschichte, S. 356–358; Dreyer, Die „Assecuranz- und Haverey-Ordnung“, S. 66–68; Hammacher, Die Grundzüge, S. 54–55. 258 Hammacher, Die Grundzüge, S. 55 und S. 64. 259 Hammacher ist insbesondere der Meinung, dass, „das Versicherungsrecht nur in das Gesetz aufgenommen wurde, um die Vollständigkeit der gesetzlichen Regelung zu erreichen“ (Hammacher, Die Grundzüge, S. 64–65). 260 Preußisches Seerecht, Kapitel VI, Art. 1, in: Königlich-Preussisches See-Recht nebst Beylagen, S. 47. S. auch Hammacher, Die Grundzüge, S. 46 und S. 69–72. 261 Ordonnanz vom 27. Oktober 1570 von Phillip II., Art. 17–19, abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, IV. Bd., S. 103–119 (110–111). Diese Ordonnanz enthielt verschiedene Be-
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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auch in anderen europäischen Gesetzesbestimmungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert enthalten.262 Auch in der französischen Ordonnance de la marine von 1681 war eine Einschränkung dieser Art festgelegt: Verschiedenen Berufsgruppen, wie „Greffiers de Police, Commissen der Assekuranz-Cammer, Notarien und Maklern“, war es verboten „Policen […] zeichnen zu lassen“, mit der Drohung im Falle des Verstoßes „allen Schaden samt Zinsen zu tragen“.263 Der Grund dieser Einschränkungen war die Befürchtung mehrerer europäischer Gesetzgeber, dass es bei verschiedenen Personen bzw. Berufsgruppen zu Interessenkonflikten und dadurch zu Missbräuchen oder zur untreuen Verwaltung staatlicher Gelder kommen könnte.264 Das Preußische Seerecht legte außerdem das Verbot von Wettversicherungen fest:265 Alle Versicherungen über verhofte Gewinne, allerley Wetten oder dergleichen Erfindungen zu verdienende Schiffsfrachten, Heuer der Schiffsleute und Leben des Menschen sollen durchgehends unerlaubt und ohne Kraft seyn.
Der Grund für die Einführung dieses Verbots lag in der großen Ausbreitung der Wettversicherungen im 18. Jahrhundert. Trotz des Verbots von Lebensversicherungen, das im 16. und 17. Jahrhundert266 in vielen europäischen Ländern galt,267 stimmungen, die dafür gedacht waren, Missbräuche seitens der Versicherung zu vermeiden. Insbesondere wurde mit der Ordonnanz Zollbeamten, Hafenoffizierern und denjenigen, die das Generalregister führten, verboten, Versicherungen abzuschließen. 262 Ordonnanz von Middelburg von 1698 (abgedruckt in: Magens, Versuch, S. 520–542; Verbot im Art. 29); Ordonnanz von Rotterdam von 1721 (abgedruckt in: Magens, Versuch, S. 543–616; Verbot im Art. 80); Ordonnanz von Amsterdam von 1744 (abgedruckt in: Magens, Versuch, S. 620–667; Verbot im Art. 39); Schwedische Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1750 (abgedruckt in: Magens, Versuch, S. 816–957; Verbot im Art. 2). 263 Ordonnance de la marine, Buch III, Titel VI, Art. 68, deutsche Übersetzung zitiert aus: Magens, Versuch, S. 701. 264 Generell zur Einschränkung des Kreises der Versicherungsberechtigten in der europäischen Gesetzgebung und insbesondere in der deutschen Gesetzgebung s. Hammacher, Die Grundzüge, S. 69–72. 265 Preußisches Seerecht, Kapitel VI, Art. 10 „Worüber eine Versicherung geschlossen werden mag“, in: Königlich-Preussisches See-Recht nebst Beylagen, S. 47; Magens, Versuch, S. 723. Laut Braun handelte es sich bei dieser Bestimmung um ein Verbot von Wettversicherungen (Braun, Heinrich, Geschichte, S. 107), nach Ansicht von Elsholz im Gegenteil um ein Verbot der Lebensversicherung im Allgemeinen (Elsholz, Die Versicherung, S. 11–12). Dieser Artikel des Preußischen Seerechts erlaubte allerdings Versicherungen auf die Freiheit von Menschen, um ein mögliches Lösegeld für sich selbst oder für einen Dritten für den Fall einer Gefangennahme zu sichern. 266 Diese Jahrhunderte wurden als Höhepunkt der „Wettleidenschaft“ bezeichnet (Elsholz, Die Versicherung, S. 8). 267 In der Ordonnanz von Philipp II. von 1570 (s. oben Fn. 261; Verbot im Art. XXXII). In Frankreich war das Verbot von Lebensversicherungen zuerst im Guidon de la mer (eine Sammlung von in der Handelspraxis üblichen Gebräuchen und Gewohnheiten aus dem 16. Jahrhundert, abgedruckt in: Pardessus, Collection, II. Bd., S. 377–432) und dann in der Ordonnance de la marine von 1681 (Buch III, Titel VI, Art. 10) enthalten. Das Verbot von
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nahmen nämlich die Wettversicherungen am Anfang des 18. Jahrhunderts „einen neuen Aufschwung“.268 Daher entstand ein erneutes Interesse verschiedener europäischer Gesetzgeber diese zu verbieten.269 c) Preußische Assecuranz- und Haverey-Ordnung Im Laufe des 18. Jahrhunderts wuchs der Seeversicherungsmarkt in Preußen weiter. Im Jahr 1765 wurde in Berlin die Assecuranz-Compagnie (anfangs eine See- und Transportversicherungs-Gesellschaft auf Aktienbasis) gegründet270 und am 18. Februar 1766 die Preußische Assekuranz- und Haverey-Ordnung verabschiedet.271 Das Ziel, das durch die Ordnung von 1766 angestrebt wurde, war den Handel zu fördern, indem man den Bürgern eine sichere Rechtsgrundlage bot, um sie damit zu ermutigen, Versicherungen abzuschließen. Diese Motivation war selbst in der Präambel der Ordnung erwähnt:272 Da Wir den grossen Einfluß der Assecuranzen in das Aufnehmen der Commercien Unserer Staaten in Erwägung gezogen, auch in der Absicht, denselben hinlängliche AssecuranzAnstalten zu verschaffen, und Unsere Unterthanen zu dieser Art der Handlung aufzumuntern, eine Assecuranz- und Versicherungs-Gesellschaft gestiftet, und sie mit reizenden und vortheilhaften Privilegien begnadigt haben, so wollen wir auch nicht an weislichen, und Lebensversicherungen war auch in der Ordonnanz von Amsterdam von 1598 (abgedruckt in: Pardessus, Collection, IV. Bd., S. 122–136; Verbot im Art. 24), in der Ordonnanz von Middelburg von 1600 (abgedruckt in: Pardessus, Collection, IV. Bd., S. 167–182; Verbot im Art. 2) und in der Ordonnanz von Rotterdam von 1604 (abgedruckt in: Pardessus, Collection, IV. Bd., S. 152–164; Verbot im Art. 10) enthalten. In Skandinavien wurde im 17. Jahrhundert ein Lebensversicherungsverbot festgelegt, zunächst in Schweden durch das Seegesetz von Karl XI. von 1667 (abgedruckt in: Pardessus, Collection, III. Bd., S. 134–204; Verbot im Teil 6, Kapitel 5) und dann im dänischen Gesetzbuch von 1683 (abgedruckt in: Pardessus, Collection, III. Bd., S. 268–308; Verbot im Buch IV, Kapitel VI, Art. V). Für einen Überblick über die Entwicklung des Lebensversicherungsverbots zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert in Europa s. Braun, Heinrich, Geschichte, S. 60–61; Elsholz, Die Versicherung, S. 9–12. 268 Elsholz, Die Versicherung, S. 11. 269 Beispiele dafür sind: die Ordonnanz von Rotterdam von 1721 (s. oben Fn. 262) und die Schwedische Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1750 (s. oben Fn. 262); s. auch Elsholz, Die Versicherung, S. 11–12; Braun, Heinrich, Geschichte, S. 107. Das Verbot von Wettversicherungen wurde laut der deutschen Rechtslehre 1746 auch in Hamburg eingeführt (s. unten C. IV. 2. c)). Für Italien s. unten D. III. 1. a) ff) und D. III. 1. c) aa). 270 Die Assecuranz-Compagnie zu Berlin konnte dank eines königlichen Privilegiums ab dem Jahr 1770 auch die Mobiliarfeuerversicherung betreiben (Evenden, Deutsche Feuer versicherung-Schilder, S. 12). 271 Assecuranz- und Haverey-Ordnung für sämtliche Königl. Preuß. Staaten nebst dem Rescrito Publicationi, vom 18. Februar 1766 abgedruckt in: NCC, IV Bd., 1771, Sp. 83–148. Die preußische Assekuranz- und Haverey-Ordnung wurde von der Hamburgischen Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1731 (s. unten C. IV. 2. b)) beeinflusst (Bruck, Das Privatver sicherungsrecht, S. 7; Hammacher, Die Grundzüge, S. 60–61). 272 NCC, IV Bd., Sp. 83. S. auch Hammacher, Die Grundzüge, S. 65–66.
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den billigsten Gebräuchen Seehandelnder Völcker gemässen, Gesetzen ermangeln lassen, wodurch die Rechte und Verbindlichkeiten der Assecuranz-Geber und Nehmer auf das genaueste bestimmt, weitläuftigen und verwickelten Irrungen vorgebeuget, und danach deren Vorschrift die aus dem Versicherungs-Vertrage entstehende Streitigkeiten kurz, billig und gerecht entschieden werden möchten.
Unter Berücksichtigung dieser Absicht sind auch jene Vorschriften der preußischen Assekuranz- und Haverey-Ordnung zu verstehen, die zwar keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen enthielten, aber den Willen des Staates zeigten, eine Kontrolle über das Versicherungsgeschäft auszuüben. Diese Assekuranzund Haverey-Ordnung bestätigte und erweiterte nämlich die Beschränkungen der Möglichkeit als Versicherer tätig zu werden, die mit dem Preußischen Seerecht eingeführt worden waren. Neben den allgemeinen Voraussetzungen für das Abschließen aller Verträge, volljährig zu sein und die freie Verwaltung des eigenen Vermögens zu haben,273 legte dieses Gesetz eine Erweiterung des Kreises der Berufe fest, die von der Tätigkeit als Versicherer ausgeschlossen waren. Nicht nur Maklern, sondern auch Schiffs-Clarierern,274 Dispacheuren, Taxatoren der Schäden, Richtern in Versicherungsstreitigkeiten, Angestellten („Vorstehern und Bedienten“) der Königlichen Bank und von octroiierten Assecuranz-Compagnien und allen, die im Bereich der Aufsicht und der Einnahmen von Zöllen, Akzisen und sonstigen öffentlichen Einnahmen beschäftigt waren, wurde „untersagt zu versichern, Versicherung zu geben, oder daran Theil zu nehmen“.275 Die preußische Ordnung stellte auch die Folge der Missachtung des Verbotes fest: Eine durch die genannten Personen abgeschlossene Versicherung war als „nichtig und ungültig“ anzusehen und die vorgesehene Prämie dem preußischen Fiskus zu übertragen.276 Auch der Versicherte, der ohne eigene Schuld den Vertrag abgeschlossen hatte, hatte keinen Anspruch auf Schadensersatz.277 Die Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1766 erweiterte außerdem die Beschränkung der Möglichkeit, Versicherungen zu nehmen, und legte auch für Schiffs-Clarierer (und nicht nur für Makler, wie im Preußischen Seerecht) das Verbot fest, sich versichern zu lassen.278 Das Verbot für die beiden Berufsgruppen wurde später im Preußischen A. L. R. wiederholt.279 Bezüglich des Versicherungsobjekts, verbot dieses Gesetz, alle Gegenstände zu versichern, die „erklärten Feinden“ gehörten, ein Verbot, das besonders in Kriegs 273
Preußische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, § 16. Schiffs-Clarierer waren diejenigen, die den Zoll für die auf einem Schiff befindlichen Waren eingenommen hatten (Allgemeine Encyclopädie für Kaufleute und Fabrikanten, S. 243). 275 Preußische Assekuranz- und Haverey-Ordnung, § 19. Das Verbot war für Makler und Schiffs-Clariere auch im § 20 und nur für Makler noch einmal im § 193 wiederholt. 276 Preußische Assekuranz- und Haverey-Ordnung, § 19, letzter Satz. 277 Der Anspruch auf Schadensersatz wurde erst mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 eingeführt (s. unten C. IV. 1. d)). 278 Preußische Assekuranz- und Haverey-Ordnung, § 20. 279 S. unten C. IV. 1. d). 274
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zeiten mehr als verständlich war. Der vorsätzliche Verstoß gegen diese Vorschrift wurde ausdrücklich bestraft.280 Was die Makler betrifft, legte die Preußische Assecuranz- und Haverey-Ordnung fest, dass für den Abschluss eines gültigen Versicherungsvertrages grundsätzlich kein Makler notwendig war, falls dennoch eine Vermittlung durch einen Makler in Anspruch genommen wurde, musste dieser bei sonstiger Nichtigkeit des Vertrages vereidigt sein.281 Alle oben dargestellten Vorschriften stellten noch keine Versicherungsaufsicht dar, zeigten aber, dass die preußische Regierung eine zunehmend wichtige und gleichzeitig für potenzielle Missbräuche offene Wirtschaftsbranche wie das Versicherungswesen sich nicht ohne ein Mindestmaß an staatlicher Kontrolle entwickeln lassen wollte. d) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Das Preußische Allgemeine Landrecht (A. L. R.) wurde im Jahr 1794 verabschie det282 und wird in der deutschen Literatur als Beginn der modernen deutschen Versicherungsgesetzgebung bezeichnet.283 Es enthielt eine umfangreiche versicherungsvertragsrechtliche Regelung mit Berücksichtigung aller Aspekte eines Versicherungsvertrages und regelte See-, Lebens- und Mobiliarfeuerversicherung, mit Ausschluss nur der Immobiliarfeuerversicherung.284 Das A. L. R., das von manchen Autoren für „ungemein liberal“ gehalten wurde,285 legte eine grundlegende Versicherungsfreiheit fest, indem es Folgendes vorschrieb:286 Einem jeden steht frey, Versicherungen da zu nehmen, wo er es am rathsamsten findet.
280 Preußische Assekuranz- und Haverey-Ordnung, § 38. Über dieses Verbot s. Hammacher, Die Grundzüge, S. 76 und S. 84. Ein derartiges Verbot war auch im A. L. R. enthalten (s. unten C. IV. 1. d)). 281 Preußische Assekuranz- und Haverey-Ordnung, § 192. Die Ordnung enthielt auch verschiedene Verpflichtungen für Makler in den § 193–201, die den Bestimmungen der Assecuranz- und Haverey-Ordnung von Hamburg von 1731 ähnelten (s. unten C. IV. 2. b)). 282 Abgedruckt in: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, 1.–4. Teil, Berlin 1794. Das A. L. R. ähnelte im Allgemeinen der Regelung der Hamburgischen Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1731 (Bruck, Das Privatversicherungsrecht, S. 8–9; von Gierke, Versicherungsrecht, S. 16; s. unten C. IV. 2. b)). 283 Gerhard / Hagen, Kommentar, S. VII. Koch bezeichnete das A. L. R. als die „erste gesetzliche Regelung des Versicherungsrechts“ (Koch, Zur Geschichte, S. 303). 284 A. L. R., II. Teil, 8. Titel, Abschnitt XIII. „Von Versicherungen“, § 1934–2358. Vgl. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 16; Bruck, Das Privatversicherungsrecht, S. 9; Atzpodien, Die Entwicklung, S. 7. 285 Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 39–40. Vgl. Gahlen, Die Aufsicht, S. 2, der betonte, dass das A. L. R. eine Beaufsichtigung des Versicherungswesens ablehnte. 286 A. L. R., II. Teil, 8. Titel, Abschnitt XIII, § 1943.
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Diese Versicherungsfreiheit war jedoch nach Ansicht der Rechtslehre287 eher als Schein zu betrachten, da das A. L. R. verschiedene Bestimmungen enthielt, durch welche der Staat eine Kontrolle über das Versicherungswesen ausüben konnte: Einerseits Bestimmungen aufsichtsrechtlicher Natur, die die früheren preußischen Gesetzestexte über das Seeversicherungswesen288 wiederholten oder ihnen ähnelten, andererseits echte aufsichtsrechtliche Vorschriften. Die Letzteren werden später im Verlauf dieser Arbeit ausgeführt werden.289 Was Erstere betrifft, bestätigte das A. L. R. das Verbot für Makler und Schiffsklarierer Versicherungen zu nehmen290 und schränkte die Möglichkeit ein, als Versicherer tätig zu werden.291 Der Kreis der Personen, denen das Ausüben des Versicherungsgeschäfts untersagt wurde, ähnelte demjenigen, der bereits in der Preußischen Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1766 enthalten war,292 und war dazu gedacht, Interessenkonflikte und Veruntreuung von Geldern zu vermeiden.293 Dieser Kreis umfasste:294 Mäkler, Schiffsklarirer und Abrechner; öffentlich bestellte Dispascheurs, Schadentaxato ren, und richterliche Personen in Assekuranzstreitigkeiten; Vorsteher und Bediente der Bank; Vorsteher und Bediente der Assekuranzkompagnie; Officianten, sowohl bey Landesherrlichen, als andern öffentlichen Cassen; ingleichen Zoll- und Accisebediente.
Die von solchen Personen abgeschlossenen Versicherungsverträge waren nichtig und die vereinbarte Prämie wurde dem Fiskus zugewiesen. Zudem legte das A. L. R. fest, dass der „unbefugte Versicherer“ seines Amtes enthoben werden sollte und dass er den Versicherten, der ohne Verschulden in Unkenntnis des unzulässigen Verhaltens des Versicherers war, zu entschädigen hatte.295 Im A. L.R gab es außerdem Einschränkungen bezüglich des Versicherungsobjekts. Verboten war es, gewisse Objekte, wie zum Beispiel Heuer und Lohn der Schiffsleute,296 „mit verbotenen Handlungen verknüpft[e]“ Risiken297 und in Kriegszeiten alle Waren (inklusive Lebensmittel), die feindlichen Bürgern gehörten oder feindlichen Kriegsbedürfnissen dienen konnten,298 zu versichern, bei sonstiger Nichtigkeit des Vertrages.299 Maurer hielt solche Verbote sogar für klare Beispiele 287
Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 16–19; Atzpodien, Die Entwicklung, S. 6–9. S. oben C. IV. 1. b) und C. IV. 1. c). 289 S. unten C. V. 1. a) bb). 290 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1936. 291 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1939. 292 S. oben C. IV. 1. c). 293 Vgl. Atzpodien, Die Entwicklung, S. 9; Hammacher, Die Grundzüge, S. 72. 294 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1939. 295 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1940 und § 1941. 296 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1937. 297 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1953. 298 Wie bereits bei der Preußischen Assekuranz und Haverey-Ordnung von 1766: s. oben C. IV. 1. c). 299 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1959–1962; s. auch Hammacher, Die Grundzüge, S. 76 und S. 84. Was unter dem Begriff „Kriegszeiten“ genau zu verstehen war, war ausdrücklich festgelegt: A. L. R., II. Teil, 8. Titel, XIII. Abschnitt, § 1966–1967. 288
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einer Staatsaufsicht über das Versicherungswesen.300 Da der Verstoß meistens mit einer Geldstrafe zumindest in Höhe der bezahlten Prämie bestraft wurde301 und das A. L. R. oft auf das Kriminalrecht verwies,302 vermutete er sogar, dass trotz mangelnder spezifischer Bestimmungen bezüglich der Überwachung der Ein haltung dieser Verbote die Behörden zumindest beim Verdacht einer Missachtung eine gewisse Einschreitebefugnis hatten. Maurer behauptete daher, im A. L. R. eine Aufsicht erkennen zu können, die „weitergehend als die Bestimmungen der Verordnung von 1781, die nur zum Beginn eines Geschäftsbetriebs die staatliche Erlaubnis verlangte“, war.303 In diesem Punkt teilen andere Autoren aber die Ansicht Maurers nicht, mit der Begründung, dass, wenn eine solche Kontrolle von der Obrigkeit gewünscht oder gewollt gewesen wäre, sie auch ausdrücklich genannt worden sei.304 Weitere Vorschriften mit aufsichtsrechtlichen Natur sind diejenigen, die festlegen, dass bei der Seeversicherung die eingetretenen Schäden von beeidigten Sachverständigen zu bewerten waren, die entweder von den Interessenten gewählt oder von der Obrigkeit genannt wurden, wenn es keine Übereinstimmung der Parteien gab,305 und dass diese Würdigung unter gerichtlicher Aufsicht erfolgen musste (§ 2260).306 Diese Bestimmungen ähnelten den Regelungen der Hamburger Feuerkontrakte und der Hamburger Feuerkasse bezüglich der Abschätzung der Schäden.307 Nach Maurers Ansicht stellten solche Vorschriften „eine Weiterbildung der Aufsicht auf dem Gebiet der Schadensermittlung“ dar.308 Um sich ein komplettes Bild der allgemeinen Haltung des A. L. R. bezüglich des Versicherungswesens verschaffen zu können, sollten auch die echten aufsichtsrechtlichen Vorschriften berücksichtigt werden. Es wird daher auf den entsprechenden Abschnitt verwiesen.309
2. Hamburg Die Hansestadt Hamburg wird stets als Beispiel einer grundsätzlichen Versicherungsfreiheit genannt, dort sind aber bereits ab dem 17. Jahrhundert Versuche seitens der Obrigkeit festzustellen, eine Art Überwachung über das Versicherungswesen mittels Vorschriften zu gestalten, die eine aufsichtsrechtliche Natur hatten. 300
Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 49–50. A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1954 und § 1963–1964. 302 Z. B. in: A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1965. 303 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 49–50; s. auch S. 23–24. 304 Atzpodien, Die Entwicklung, S. 8; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 16, Fn. 77. 305 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII Abschnitt, § 2248. 306 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII Abschnitt, § 2260. 307 S. oben C. III. 4 und unten C. IV. 2. a). 308 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 50. Vgl. Atzpodien, Die Entwicklung der preußischen Staatsaufsicht, S. 8. 309 S. unten C. V. 1. a) bb). 301
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a) Hamburger General-Feuerkasse Die Hamburger General-Feuerkasse wurde im Jahre 1676 gegründet, indem alle 46 in Hamburg bestehenden Feuerkontrakte310 in dieser Kasse zusammengefasst wurden.311 Als Auslöser für die Gründung der Feuerkasse werden in der Literatur sowohl der Große Londoner Brand von 1666,312 als auch verschiedene Brände in den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts in Hamburg, darunter besonders ein schwerer Brand im Juni 1676,313 genannt. Diese Brände verursachten beträchtliche Schäden und zeigten deutlich, dass die Feuerkontrakte aufgrund der zu niedrigen Anzahl von Mitgliedern (durchschnittlich 100 für jeden Feuerkontrakt) keinen ausreichenden Schutz gegen solche Großereignisse, die sehr viele Gebäude betrafen, bieten konnten.314 Infolgedessen schlug im September 1676 der Stadtrat der Bürgerschaft vor, eine „Deputation zur General-Feuer-Cassa“ einzusetzen, die eine „Ordnung“ ausarbeiten sollte, mit dem Ziel die Feuerkontrakte zu ersetzen.315 Schon am 30. November 1676 wurden vom Rat die „Puncta der General Feuer-OrdnungsCassa“ der Bürgerschaft vorgelegt. Nach einigen Verhandlungen zwischen Rat und Bürgerschaft, billigte Letztere die „Puncta“, die dann am 17. Dezember 1676 bekannt gemacht wurden.316 So wurde die Hamburger Feuerkasse gegründet, „eine freiwillige Interessengemeinschaft von städtischen Grundeigentümern“.317 Die Feuerkasse nahm dann am 28. Februar 1677 ihren Betrieb auf.318 310
S. oben C. III. 4. Über die genaue Anzahl der damals bestehenden Feuerkontrakte s. Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 17, Fn. 2. 312 Büchner / Ohlmeier (Hrsg.), 275 Jahre Hamburger Feuerkasse, S. 17; Koch, Auswirkungen, in: ZVersWiss, 58. Bd., 1969, S. 162; Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 44 und 55; Riebesell, Geschichte der Hamburger Feuerkasse, S. 11. Der Einfluss des Großen Brandes von London von 1666 wurde kürzlich von Zwierlein bestritten (Zwierlein, Der gezähmte Prometheus, S. 226). 313 Die Brände ereigneten sich im April 1672, Oktober 1673, Januar 1675, April und Juni 1676 (Büchner / Ohlmeier (Hrsg.), 275 Jahre Hamburger Feuerkasse, S. 17); s. auch Riebesell, Geschichte der Hamburger Feuerkasse, S. 11; Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 11 (laut Büchner fand der große Brand von 1676 im August und nicht im Juni statt). 314 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 51–53; von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S.156–157; Koch, Auswirkungen, in: ZVersWiss, 58. Bd., 1969, S. 162; Büchner / Ohlmeier (Hrsg.), 275 Jahre Hamburger Feuerkasse, S. 15–17; Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 43–45. 315 Beschluss vom 21. September 1676, abgedruckt in: Sammlung von Materialien, 1897, S. 2–3. 316 Puncta der General Feuer-Ordnungs-Cassa abgedruckt in: Sammlung von Materialien, 1897, S. 3–3b; Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 226–230; Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 83–85. 317 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 52. 318 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 5; Büchner / Ohlmeier (Hrsg.), 275 Jahre Hamburger Feuerkasse, S. 18. Ausführlich über die Gründung der Hamburger Feuerkasse und ihren Betriebsablauf, aus der umfangreichen Literatur: Büchner / Ohlmeier (Hrsg.), 275 Jahre 311
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Der Großteil der Rechtslehre bezeichnet die Hamburger Feuerkasse als die erste öffentlich-rechtliche Feuerversicherungsanstalt in Deutschland.319 Für ihre öffentlich-rechtliche Natur spricht, obwohl keine Beitrittspflicht320 und keine öffent liche Finanzierung bestanden, ihre „Art der Verwaltung und Leitung“,321 sodass sie als „selbständige Körperschaft unter Leitung einer Staatsbehörde“ bezeichnet wurde.322 Die Verwaltung der General-Feuerkasse war sechzehn „Verordneten“ überlassen, unter diesen auch zwei Mitglieder des Rats, zwei Oberalte und zwei „Cämerey-Bürgere“,323 so stellte die Obrigkeit „einen dauernden Einfluß auf die Verwaltung der Feuerkasse“ sicher.324 Hatte dieser öffentlich-rechtliche Charakter der General-Feuerkasse als Folge, dass keine echte Aufsicht seitens des Staates notwendig war, waren trotzdem in den „Puncta“ einige Vorschriften enthalten, die deutlich zeigten, wie die Obrigkeit ihren Einfluss und ihre Kontrolle über die Feuerkasse ausübte. Da die Feuerkasse vom materiellen Versicherungsrecht profitieren konnte, das sich dank der Feuerkontrakte entwickelt hatte, und da für die Ordnung der Feuerkasse „die versicherungsrechtlichen Grundsätze“ der Feuerkontrakte übernommen wurden,325 ähnelten die Vorschriften aufsichtsrechtlichen Charakters der Ordnung der Feuerkasse den Regelungen der Feuerkontrakte sehr.326 Bezüglich der Einschätzung der Teilschäden eines Brandes war in der Ordnung der Feuerkasse die Beteiligung vereidigter Handwerker festgelegt:327 Sollte einem sein Hauss durch Feuers-Brunst / so Gott gleichfalls gnädig abwenden wolle / beschädiget werden / so soll derselbe Schade durch die verordnete Herrn und Bürgere der Feur-Ordnung / mit zuziehung einiger Zimmer- und Maur-Leuten / so absonderlich dazu beeydiget / getaxiert, und alsdann der Schade aus der Feur-Ordnungs Cassa auch bezahlet werden.
Hamburger Feuerkasse; Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 51–56; Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 9–34; Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 43–48. 319 S. oben C. I. 1. c). 320 Ein Versicherungszwang wurde erst 1817 eingeführt (Riebesell, Geschichte und Bedeutung, in: HansRZ 1926, Sp. 403). 321 von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 158–159; s. auch die von diesem Autor genannte Literatur auf S. 159, Fn. 783. 322 Riebesell, Geschichte und Bedeutung, Sp. 404. 323 Puncta der General Feuer-Ordnungs-Cassa, § 14. Außerdem befand sich die Kasse im Rathaus und ihr Schlüssel wurde von den ältesten Verordneten verwahrt (Puncta der General Feuer-Ordnungs-Cassa, § 15). 324 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 55. 325 Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 25; s. auch ders., Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 6 und S. 55. 326 S. oben C. III. 4. 327 Puncta der General Feuer-Ordnungs-Cassa, § 8. Über diese Regelung s. auch Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 176.
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Die Pflicht zum Wiederaufbau, die in allen Feuerkontrakten vorgesehen war, wurde ebenso auch in der General-Feuerkasse von 1676 übernommen, obwohl ohne ausdrückliche Androhung des Verfalles der Entschädigung:328 Sollte einem ein Unglück von Feurs-Brunst / welches GOTT in Gnaden abwenden woll / überkommen / dass sein Hauss oder Erbe gantz in die Asche gelegt würde / und selbiges in der Feuer-Ordnung geschrieben were / so soll er die Summam, so hoch das Hauss oder Erbe eingeschrieben ist / aus der Feuer-Ordnungs-Cassa zugeniessen haben / und solches ihme innerhalb 4. Wochen bezahlet / und hernacher auch würklich zum Bau angewendet werden.
Die General-Feuerkasse fungierte als Vorbild bei der Gründung verschiedener Feuerordnungen, meistens im Hamburger Landgebiet,329 bei welchen auch ähnliche Regelungen bezüglich der Abschätzung der Brandschäden und der Wiederaufbaupflicht zu finden waren.330 Die Ordnung der Hamburger Feuerkasse wurde im Jahr 1753 revidiert.331 Auch in dieser neuen Fassung waren sowohl eine Einschätzung des Schadens durch beeidigte Handwerker332 als auch eine Wiederaufbaupflicht vorgesehen, inklusive einer präzisen Regelung für die Bezahlung der Entschädigungssumme, um die Einhaltung dieser Pflicht zu garantieren.333 Aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Natur kann bei der Hamburger Feuerkasse nicht von einer Versicherungsaufsicht gesprochen werden, die oben dargestellten Regelungen zeigen aber, wie in der Ordnung dieser Versicherungsanstalt bereits Bestimmungen enthalten waren, die einen aufsichtsrechtlichen Charakter hatten und im Rahmen der Absicht des Staates zu verstehen sind, eine strengere Kontrolle über das Versicherungswesen zu entwickeln.
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Puncta der General Feuer-Ordnungs-Cassa, § 6. Über diese Regelung s. Ebel, Wilhelm, Die Hamburger Feuerkontrakte, S. 26; Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 177. 329 Der Einfluss der Hamburger Feuerkasse erreichte aber auch fernere Städte: Nach dem Vorbild der Hamburger Feuerkasse wurde nämlich 1685 die Brandkasse der Stadt Magdeburg gegründet (von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 159; Büchner, Die Entstehung der Hamburger Feuerkasse, S. 15; Büchner / Ohlmeier (Hrsg.), 275 Jahre Hamburger Feuerkasse, S. 20). 330 Im Detail über diese Feuerordnungen: Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 178–182. 331 Neue General-Feuer-Cassa-Ordnung vom 28. September 1753, abgedruckt in: Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 232–239. 332 Neue General-Feuer-Cassa-Ordnung, § 13. Über diese Regelung s. Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 192. 333 Neue General-Feuer-Cassa-Ordnung, § 12, der die Bezahlung der Entschädigungsgelder in 1/3 Schritten entsprechend der Fortschritte des Wiederaufbaus vorsah.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
b) Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1731 Im 16. Jahrhundert verbreitete sich aus den Niederlanden kommend in den Hansestädten und insbesondere in Hamburg das Seeversicherungsgeschäft. Der erste bekannte deutsche Versicherungsvertrag war, wie bereits gesagt, ein 1588 in Hamburg abgeschlossener Seeversicherungsvertrag.334 Am Anfang wurden in Hamburg die Policenformulare verwendet, die in den Niederlanden üblich waren, bis ins 18. Jahrhundert sogar in niederländischer Sprache.335 Diese Policenformulare waren auf den niederländischen Ordonnanzen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts basiert.336 In den in Hamburg verwendeten Policen wurde aber jeder Bezug auf die Verbindlichkeit der niederländischen Ordonnanzen gestrichen und stattdessen der Satz eingefügt, dass die Gewohnheiten der Antwerpener Börse maßgebend sein sollten, die sog. Costumen der Stadt Antwerpen, die hauptsächlich privat-rechtliche Vorschriften enthielten und im Jahr 1609 zusammengestellt worden waren.337 Im Laufe des 17. Jahrhunderts löste sich das Versicherungsgeschäft in der Hansestadt von den niederländischen Einflüssen, auch dank verschiedener privater Vereinbarungen, die die Hamburger Versicherer im Zeitraum zwischen 1677 (wahrscheinlich aber schon früher) und 1704 untereinander schlossen, um bestimmte Aspekte und Probleme des Versicherungsgeschäfts verbindlich zu regeln.338 334
S. oben C. I. 1. a). Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 11. Die Pflicht, die Formulare in der deutschen Sprache zu verfassen, wurde mit der Assekuranz- und Haverey-Ordnung von 1731 eingeführt (s. unten in diesem Abschnitt). 336 Für eine Zusammenfassung der niederländischen Gesetzgebung zum Versicherungswesen s. Hammacher, Die Grundzüge, S. 40–50; Dreyer, Die „Assecuranz- und Haverey-Ordnung“, S. 21–24. Aus dieser Gesetzgebung sind insbesondere zu nennen: Die Ordonnanz vom 31. Oktober 1563 von König Philipp II. (Auszug abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, IV. Bd., 64–102; Magens, Versuch, S. 397–425), die festlegte, dass alle Versicherungsverträge den Costumen der Börse von Antwerpen folgen sollten (Titel VII., Art. 2 der Ordonnanz); die Ordonnanz vom 31. März 1569 von Herzog von Alba, Statthalter der Niederlande für Philipp II. (abgedruckt in: Goudsmit, Zeerecht, S. 273–280), die alle Versicherungen verbot (s. Hammacher, Die Grundzüge, S. 45); die Ordonnanz vom 27. Oktober 1570 von Philipp II. (s. oben C. IV. 1. b), Fn. 261), mit der dieses Verbot insbesondere aufgrund der Proteste der Kaufleute wieder aufgehoben wurde (Dreyer, Die „Assecuranz und Haverey-Ordnung“, S. 22–23; Plass / Ehlers, Geschichte der Assekuranz, S. 32–33; Hammacher, Die Grundzüge, S. 45–46), außer für Lebensversicherungen, die ausdrücklich verboten wurden (Art. XXXII der Ordonnanz; s. Elsholz, Die Versicherung auf fremden Tod, S. 9–10). Weitere Proteste der Kaufleute führten am 20. Januar 1571 zur erneuten Publikation dieser Ordonnanz mit einigen Änderungen (Hammacher, Die Grundzüge, S. 46–47; Plass / Ehlers, Geschichte der Assekuranz, S. 33, Dreyer, Die „Assecuranz und Haverey-Ordnung“, S. 22–23; Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 110). 337 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 41; Kiesselbach, Die wirtschaftsund rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 109–110; Hammacher, Die Grundzüge, S. 44, Fn. 7. 338 Diese Vergleiche zwischen Hamburger Versicherern sind abgedruckt in: Dreyer, Die „Assecuranz- und Haverey-Ordnung“, S. 253–263; mehr zu diesen Vereinbarungen in: Dreyer, 335
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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In Hamburg wurde die erste gesetzliche Regelung des Versicherungsgeschäfts im Jahr 1731 mit der Assecuranz- und Haverey-Ordnung eingeführt.339 Dieses Gesetz fasste das bis dahin in Hamburg geltende Gewohnheitsrecht zusammen, das somit nun eine gesetzliche Form bekam, und stellte auch die formelle Trennung vom niederländischen Recht dar, indem es festlegte, dass die Costumen von Antwerpen nicht mehr anzuwenden waren340 und dass die Policen in deutscher Sprache verfasst werden sollten.341 Die Assecuranz- und Haverey-Ordnung sah eine allgemeine Freiheit der Versicherungstätigkeit vor, indem sie Folgendes bestimmte:342 Allen und jeden Personen, die zu ihren mündigen Jahren gekommen, und mit denen derjenige, der die Versicherung thun lassen will, zufrieden ist, stehet frey zu assecuriren.
Der Gesetzgeber schränkte diese Freiheit aber sofort wieder ein und verbot allen Maklern und Dispacheuren, als Versicherer tätig zu werden.343 Diese Vorschrift ähnelte dem Verbot für Makler, als Versicherer zu dienen, die in Preußen ab dem Seerecht von 1727 galt.344 Der Kreis der Personen, deren Versicherungsfreiheit eingeschränkt war, war nur leicht erweitert. Es sei hier zudem erwähnt, dass die Einschränkungen der niederländischen Gesetzgebung des 16. Jahrhunderts345 umfangreicher als diejenigen der Hamburgischen Assecuranz- und Haverey-Ordnung waren. Im Gegenteil zum Preußischen Seerecht waren die Rechtsfolgen der Missachtung des Verbotes in der Assecuranz- und Haverey-Ordnung festgelegt: Der Versicherungsvertrag, der trotzdem abgeschlossen wurde, war als „nichtig und kraftlos“ zu betrachten und die missachtenden Makler oder Dispacheure waren „willkürlich“ zu bestrafen.346 Die Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung regelte außerdem auch ausführlich die Tätigkeit und die Verpflichtungen
Die „Assecuranz- und Haverey-Ordnung“, S. 52–66; s. auch Hammacher, Die Grundzüge, S. 57–58; Bruck, Das Privatversicherungsrecht, S. 7; Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 34–35. 339 Stadt Hamburg Assecuranz- und Haverey-Ordnung vom 3. September 1731, publiziert am 10. September 1731, abgedruckt in: Sammlung der hamburgischen Gesetze und Verfassungen, I. Teil, S. 28–86. Nach Ansicht der Rechtslehre beeinflusste diese Ordnung die Preußische Assekuranz- und Haverey-Ordnung (s. oben C. IV. 1. c)) und auch verschiedene andere europäische Gesetzgebungen, wie die Dänische Assecuranzordnung von 1746 und die Schwedische Assecuranzordnung von 1766 (Bruck, Das Privatversicherungsrecht, S. 7). 340 Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, Titel I, Art. 2; s. auch Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 134; Hammacher, Die Grundzüge, S. 59–60; Bruck, Das Privatversicherungsrecht, S. 7; Koch, Zur Geschichte, S. 302. 341 Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, Titel I, Art. 3; s. Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 11. 342 Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, Titel II, Art. 1. 343 Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, Titel II, Art. 2; s. Hammacher, S. 70. 344 S. oben C. IV. 1. b). 345 S. oben C. IV. 1. b), Fn. 261. 346 Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, Titel II, Art. 2.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
der Makler,347 insbesondere legte sie fest, dass nur „geschworene und in der Ordnung stehende, im Schreiben und Rechnen wohl geübte Makler, die dieser Stadt Bürger sind und ihre beständige Wohnung allhier haben“ Versicherungsverträge abschließen durften.348 Alle diese Vorschriften zeigten eine aufsichtsrechtliche Natur und die Absicht der Hamburger Obrigkeit, einen Einfluss über das Versicherungswesen auszuüben. Im Gegensatz zum Preußischen Seerecht verbot die Assecuranz- und HavereyOrdnung die Wettversicherungen nicht. Die Ordnung von 1731 ließ die Lebensversicherung im allgemeine zu, ohne etwas Spezifisches über die Versicherung auf das Leben von Dritten vorzuschreiben.349 Schließlich ist noch hervorzuheben, dass die Assecuranz- und Haverey-Ordnung eine weitere Regelung enthielt, die einen potenziell aufsichtsrechtlichen Charakter haben konnte. Der Ordnung waren nämlich sieben Musterversicherungspolicen im Zusammenhang mit folgender Vorschrift beigefügt:350 Es sollen in allen Assecuranz-Contracten keine andere, als die, in dem folgenden dritten Artikel beliebten, und am Ende angedruckten sieben Arten der Policen inskünftige gebraucht werden.
Den Parteien stand es aber frei, von diesen Policen abzuweichen, sogar durch Klauseln, die dem Gesetz widersprachen, wenn diese „deutlich“ angefügt wurden und solange alle Abweichungen und Änderungen mit „Vorwissen und Mit-Einwilligung“ aller Beteiligten gemacht wurden.351 Demzufolge waren die der Ordnung beigefügten Policen beim Abschluss eines Versicherungsvertrages als reine „Empfehlungen“ zu betrachten352 und stellten kein echtes Beispiel einer staatlichen Überwachung der Versicherungsgeschäfte dar.
347
Bezüglich ihres Verhaltens gegenüber beiden Vertragsparteien (Titel XXIII, Art. 6), der Verwendung der Policen (Titel XXIII, Art. 4), der zu verlangenden Provisionen (Titel XXIII, Art. 5), der Verwaltung der ausbezahlten Prämien (Titel XXIII, Art. 7) und der Aufzeichnungspflichten (Titel XXIII, Art. 3). 348 Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, Titel XXIII, Art. 1. 349 Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, Titel III, Art. 1; s. Elsholz, Die Versicherung, S. 12. Kiesselbach berichtet, dass das niederländische Verbot von Wettversicherungen eines der Verbote war, die in Hamburg bald außer Gebrauch kamen, und dass dort „auch das Leben und die Freiheit von Personen häufig Gegenstand der Seeversicherung“ wurde (Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 124). 350 Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, Titel I, Art. 1. 351 Hamburgische Assecuranz- und Haverey-Ordnung, Titel IV, Art. 1 und Titel I, Art. 5; s. Hammacher, Die Grundzüge, S. 137; Koch, Zur Geschichte, S. 302. 352 Koch, Zur Geschichte, S. 302.
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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c) Verbot von Wettversicherungen Die deutsche Rechtslehre berichtet oft von einem Verbot von Wettversicherungen auf das Leben von Menschen, das 1746 in Hamburg erlassen wurde.353 Nach Ansicht dieser Autoren lagen die Gründe dieses Verbotes, wie für das preußische Wettversicherungsverbot,354 in der erneuten Zunahme von Wettversicherungen im Laufe des 18. Jahrhunderts, die viele europäische Gesetzgeber dazu brachte, diese zu verbieten, mit dem Ziel Missbräuchen vorzubeugen.355 Die genaue gesetzliche Quelle eines solchen Verbots konnte aber leider nicht ermittelt werden.
3. Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg: Heiratskassen Die Absicht des Staates, einen Einfluss auf das Versicherungsgeschäft auszuüben, um die Interessen der Vertragsparteien und die der Obrigkeit zu wahren, kann auch in Braunschweig vor der Einführung einer echten Versicherungsaufsicht beobachtet werden, und zwar bei den Feuerversicherungen und den Heiratskassen. Hier werden erst die Heiratskassen dargestellt, für die braunschweigischen Feuerversicherungsanstalten aus dem 18. Jahrhundert wird auf einen separaten Abschnitt in diesem Kapitel verwiesen.356 Im selben Zeitraum griff die Kurbraunschweigische Regierung außerdem auch bei Sterbekassen ein, wie im nächsten Kapitel ausgeführt werden wird.357 Im Bereich der Heiratskassen griff das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit einer Vorschrift aufsichtsrechtlicher Natur ein. Im Jahr 1788 wurde mittels eines Regierungsausschreibens ein allgemeines Verbot von Heiratskassen erlassen.358 Die Gründe dieser Maßnahme lagen, wie im Regierungsschreiben selbst dargelegt wurde, in einem Aufblühen von Heiratskassen in den vorangegangenen Jahren, die aber keine echte mathematische Grundlage hatten und sich daher eher als Hasardspiele herausstellten, die zu Spekulationen und zur Schädigung zahlreicher Untertanen führten:359 Wir vernehmen, daß neuerlich in den hiesigen Landen verschiedentlich Leute sich beygehen lassen eigenmächtig und ohne Unser Verwissen und Genehmigung so-genannte Heyrathscassen zu errichten oder auch für dergleichen auswärtige Institute Recrute zu sammeln.
353
Büchner, Die Geschichte der Versicherungsaufsicht, S. 728; Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 107; Elsholz, Die Versicherung auf fremden Tod, S. 12. 354 S. oben C. IV. 1. b). 355 Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 107; Elsholz, Die Versicherung auf fremden Tod, S. 11–12. 356 S. unten C. IV. 4. c). 357 S. unten C. V. 1. d). 358 Regierungsausschreiben vom 24. Mai 1788, abgedruckt in: von Bibra, Journal, V. Jahrgang, 8. Stück, S. 133. 359 Regierungsausschreiben vom 24. Mai 1788.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland Da jedoch dergleichen Heyrathscassen schon an und für sich überall keine richtige Berechnung des Gewinnes und Verlustes zulassen, vielmehr als bloße Hazardspiele anzusehen sind, wobey insonderheit unkundige und unerfahrne Leute, durch den Schein und die Vorspiegelung eines großen schnellen und mühlosen Gewinnes inducirt, am Ende in Schaden und Nachtheil gebracht werden, andern Theils aber unter den geringern Volksclassen zu schädlichem Spielgeist, falscher Speculation, zu Versäumniß der Mittel eines redlichen Erwerbes und mancher andern Unordnung Anlaß geben, endlich aber auch zu manchen unüberlegten nachtheiligen und dem Publicum zur Last fallenden Ehen die Hand bieten […].
Daher wurde beschlossen, „dergleichen Instituten hiermit gänzlich aufzuheben und zu verbieten.“ Denjenigen, die trotz Verbotes eine solche Kasse errichtet oder für eine bereits bestehende Heiratskasse Geld gesammelt hatten, wurde eine „nachdrückliche Strafe“ angedroht. Der Eingriff der Kurbraunschweigische Regierung rührte also von der Ansicht her, ihre Bürger gegen mögliche Missbräuche zu schützen. Laut Maurer stimmte diese Entscheidung mit der „damaligen Ansicht über die Versicherungsunternehmungen“ überein, die noch von Misstrauen gegen solche Geschäfte geprägt war.360 Wie aber in der Folge dieser Arbeit erläutert wird, traf die Kurbraunschweigische Regierung bereits ein Jahr später eine zum Teil andere Entscheidung bezüglich der (genauso unsoliden) Sterbekassen, die nicht einfach wie die Heiratskassen generell verboten wurden, sondern nur bei fehlender obrigkeitlicher Genehmigung, was die erste echte aufsichtsrechtliche Maßnahme in diesem Staat darstellte.361
4. Öffentlich-rechtliche Feuerversicherungsanstalten in verschiedenen deutschen Staaten Öffentlich-rechtliche Feuerversicherungsanstalten wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts nicht nur in Preußen362 und in Hamburg363 gegründet, sondern auch in anderen Staaten des deutschsprachigen Gebiets. Aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Natur war eine Aufsicht über diese Anstalten nicht nötig, die gesetzlichen Regelungen, die verschiedene Staaten verabschiedeten, hatten aber als gemeinsames Kennzeichen, dass sie eine Struktur errichteten, die die Absicht der Obrigkeiten zeigte, die Feuerversicherungsbranche zu überwachen, um Missständen sowohl seitens der Versicherer als auch der Versicherten vorzubeugen. Neben der Unterwerfung unter die Verwaltung und die Aufsicht des Staates waren nämlich in den Regelungen der meisten dieser Feuerversicherungsanstalten auch Vorschriften bezüglich der Einschätzung der Brandschäden und der Wiederaufbaupflicht der geschädigten Gebäude enthalten, die den Regelungen der Hamburger
360
Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 48. S. unten C. V. 1. d). 362 S. oben C. IV. 1. a). 363 S. oben C. IV. 2. a). 361
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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Feuerkontrakte sowie denjenigen anderer Feuerversicherungsanstalten ähnelten.364 Hier werden die bedeutendsten dieser Regelungen im Detail betrachtet.365 a) Schleswig-Holstein Die Brandgilden, die sich zumindest seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein verbreiteten,366 zeigten sich im 18. Jahrhundert immer mehr als Nährboden für Missbräuche, insbesondere seitens der Gebäudeeigentümer, die sehr häufig mehreren Brandgilden beitraten, um mehrfach die Entschädigungsgelder zu kassieren. Man konnte erkennen, dass die Brandgilden „ihren Zweck nur mangelhaft erfüllten und zum Theil gänzlich verfehlten“.367 So fühlte sich die schleswig-holsteinische Regierung dazu gezwungen, einzugreifen, um einerseits die genannten Missstände zu beseitigen, andererseits das Monopol auf das Immobilienfeuerversicherungswesen zu erreichen. Ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden daher vom schleswig-holsteinischen Staat viele Brandgilden aufgelöst und mehrere „Brandassekuranzkompagnien“ gegründet, auch in Bezirken, in denen es zuvor keine Brandgilde gab.368 In einigen Fällen wurden bereits bestehende Brandversicherungsanstalten zusammengeschlossen und kurz danach wieder getrennt. Die resultierende Situation war, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein drei Immobilienfeuerversicherungsanstalten tätig waren, eine für die Kirchen auf dem Land, eine für die Städte und eine für die Landdistrikte.369 Aus einem aufsichtsrechtlichen Standpunkt sind die Verordnungen, die die letzten zwei Versicherungsanstalten regelten, von Bedeutung. 364
S. oben C. III. 4, C. IV. 1. a) und C. IV. 2. a). Für eine ausführliche Darstellung des kompletten deutschen Feuerversicherungswesens im 18. Jahrhundert wird auf die zahlreiche Literatur verwiesen (etwa: Gesellschaft für feuerversicherungsgeschichtliche Forschung (Hrsg.), Das Deutsche Feuerversicherungswesen). 366 S. oben C. III. 1. 367 Bureau des Ausschusses des Verbandes öffentlicher Feuerversicherungsanstalten (Hrsg.), Mitteilungen für die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten, 1882, S. 217. 368 Missbräuche waren als Grund der Errichtung von Brandassekuranzkassen in den Einleitungen aller Brandverordnungen erwähnt: s. z. B. die Einleitung der Königlichen generalen Brand-Gilde und Assecurantz-Casse-Verordnung für die Herrschaft Pinneberg vom 29. August 1739 (abgedruckt in: Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 59–61; Bureau des Ausschusses des Verbandes öffentlicher Feuerversicherungsanstalten (Hrsg.), Mitteilungen für die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten, 1882, S. 218). Ausführlich über das Feuerversicherungswesen in Schleswig-Holstein: Schaefer, Urkundliche Beiträge, S. 58–88 (für das 18. und 19. Jahrhundert); Hahn, Die Entwicklung, S. 99–106 (für das 18. Jahrhundert). 369 Hahn, Die Entwicklung, S. 103; Bureau des Ausschusses des Verbandes öffentlicher Feuerversicherungsanstalten (Hrsg.), Mitteilungen für die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten, 1882, S. 219. Die Brandversicherungsanstalt für die Kirchen auf dem Land wurde durch das königliche Reskript vom 17. Januar 1758 geregelt, zusammengefasst in: Chronologische Sammlung 1758 und 1759, S. 2; über diese Versicherungsanstalt s. auch Hahn, Die Entwicklung, S. 103 und S. 106. Für die anderen beiden Brandversicherungsanstalten s. unten in diesem Abschnitt. 365
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Die Brandversicherungsanstalt für die Städte wurde durch eine Verordnung von 1769370 geregelt, die die Anstalt unter die Aufsicht der Regierung stellte und insbesondere Folgendes festlegte:371 Die Brandversicherungs-Anstalt, überhaupt genommen, stehet unter der Direction und Aufsicht des ganzen Magistrats, welcher durch zwey Rathsverwandte, den jedesmaligen Richter, den Stadtsyndicum und die Repräsentanten der Bürgerschaft, insbesondere zwey sogenannte Baudeputierte und sechs Deputierte zum Behuf der Brandversicherungs-Anstalt, dasjenige besorgete, was in gegenwärtigem Regulativ näher bestimmet ist.
Diese Verordnung regelte alle Aspekte der Verwaltung und des Geschäftsablaufs der Versicherungsanstalt. Sie enthielt eine Versicherungspflicht für alle Gebäude im Stadtbezirk und das Verbot diese durch irgendwelche anderen Versicherungsanstalten zu versichern.372 Außerdem stellte sie fest, dass die Abschätzung des Wertes des zu versichernden Gebäudes durch vom Magistrat beeidigte Handwerker erfolgen musste373 und die Entschädigungssumme für den Fall eines Brandes ausschließlich zum Wiederaufbau verwendet werden durfte.374 Für die Geschädigten gab es aber noch die Möglichkeit zu entscheiden, mehrere statt eines, oder nur eines statt mehrerer abgebrannter Gebäude wiederaufzubauen, jedoch nur nach vorheriger Genehmigung der Veränderungen durch den Magistrat und die deputierten Bürger.375 Die Ordnung der Brandversicherung für die Landgebäude war in einer Verordnung von 1776 enthalten.376 Im Vergleich zur Verordnung aus dem Jahr 1769 bestand die Verordnung von 1776 aus ähnlichen aber ausführlicheren Vorschriften bezüglich der Kontrolle, die die Regierung über diese Brandversicherung ausübte. Auch die Brandversicherungsanstalt für die Immobilien auf dem Land war der staatlichen Aufsicht unterworfen377 und für alle Arten von Gebäuden auf dem Land bestand Versicherungszwang,378 mit ausdrücklichem Verbot diese durch andere Versicherungsanstalten oder Brandgilden zu versichern.379 Der Wert der ver 370 Verordnung, betreffend die Trennung der Städte von den Aemtern und Landschaften, in Absicht auf ihre bisherige allgemeine Brandversicherungs-Verbindung, für die Herzogthümer Schleswig und Holstein, vom 16. Mai 1769, abgedruckt in: Chronologische Sammlung 1769, S. 30–43. 371 Verordnung von 1769, Kapitel „Von der Verwaltung der Brandversicherungs-Anstalt“, § 1. 372 Verordnung von 1769, Kapitel „Von der Versicherung der Gebäude und ihren Folgen“, § 1 und 2. 373 Verordnung von 1769, Kapitel „Von der Versicherung der Gebäude und ihren Folgen“, § 3. 374 Verordnung von 1769, Kapitel „Von der Versicherung der Gebäude und ihren Folgen“, § 12. 375 Verordnung von 1769, Kapitel „Von der Versicherung der Gebäude und ihren Folgen“, § 18. 376 Verordnung, wodurch die angeordnete Brandversicherung der Landgebäude auf die Aemter Kiel, Bordesholm, Cronshagen, Neumünster, Eismar, Tremsbüttel, Trittau und Reinbeck, imgleichen auf die Landschaf Norderdithmarschen extendiret wird, und diese Landdistricte mit der allgemeinen Brandkasse verbunden werden, vom 20. Juni 1776, abgedruckt in: Chronologische Sammlung 1776, S. 66–136. 377 Verordnung von 1776, I. Teil, § 1. 378 Verordnung von 1776, VI. Teil, § 1. 379 Verordnung von 1776, VI. Teil, § 4.
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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sicherten Gebäude und dadurch die Versicherungssumme wurden von Oberbeamten und beeidigten Fachleuten eingeschätzt.380 Nach einem Brand war es Aufgabe der Branddirektoren dessen Ursachen genau zu ermitteln und die Schäden einzuschätzen,381 sowie eventuelle Missachtungen der Vorschriften zur Vermeidung und Auslöschung eines Feuers aufzudecken.382 Auch die Verordnung von 1776 stellte fest, dass die Entschädigungssumme nur unter der Bedingung des Wiederaufbaus des abgebrannten Gebäudes bezahlt werden konnte,383 der so bald wie möglich zu erfolgen hatte.384 Auch bei dieser Gesetzesbestimmung wurde dem Geschädigten die Möglichkeit gewährt, die Modalitäten des Wiederaufbaus zu gestalten (ein oder mehrere Gebäude aufzubauen oder andere noch stehende Gebäude zu erweitern).385 Bei den schleswig-holsteinischen Brandversicherungen handelte es sich um öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalten, die aufgrund ihrer Natur unter der obrigkeitlichen Aufsicht standen. Die von der schleswig-holsteinischen Regierung verabschiedeten Bestimmungen zeigten jedoch bereits, bei welchen Aspekten der Versicherung es der Obrigkeit am wichtigsten war, eine Kontrolle auszuüben, um den richtigen Ablauf des Feuerversicherungsgeschäfts zu gewährleisten. b) Reichsstadt Nürnberg Auch in der Gesetzgebung der Reichsstadt Nürnberg aus dem 18. Jahrhundert sind Vorschriften bezüglich der Feuerversicherung zu finden, die eine aufsichtsrechtliche Natur hatten. Mit einem Dekret vom 22. Juli 1782386 entschloss sich der Rat der Stadt mit Effekt zum 1. Januar 1783 eine Brand-Assekurations-Gesellschaft unter der Leitung einer extra zu diesem Zweck eingerichteten Generaldirektion zu gründen. Ursprünglich war diese Anstalt als Immobilienfeuerversicherung ausschließlich für Gebäude auf dem Land gedacht, nach Druck der städtischen Hauseigentümer wurde aber am 30. Dezember 1782 von der Generaldirektion eine Brand-Assekurations-Ordnung erlassen, die die Versicherung auch auf Immobilien in der Stadt erweiterte.387 Diese Nürnbergische Brand-Assekurations-Gesellschaft war eine 380
Verordnung von 1776, VI. Teil, § 6. Verordnung von 1776, V. Teil, § 8. 382 Verordnung von 1776, V. Teil, § 11. 383 Verordnung von 1776, VII. Teil, § 1. 384 Verordnung von 1776, VII. Teil, § 10. 385 Verordnung von 1776, VII. Teil, § 11. 386 Mandat des Senates der Stadt Nürnberg vom 22. Juli 1782, abgedruckt in: Stadtarchiv Nürnberg, Bestandssignatur E 6/803; über dieses Mandat s. Fiedler, Die Geschichte, S. 83–84. Laut Stör wurde das Mandat im Juni und nicht im Juli 1782 verabschiedet (Stör, Die LandesBrandversicherungsanstalt, S. 171). 387 Reichs-Stadt Nürnbergische Brand-Assekurations-Ordnung vom 30. Dezember 1782, abgedruckt in: Reichs-Stadt Nürnbergische Brand-Assekurations-Ordnung, S. l. 1783, Stadtarchiv Nürnberg, Bestandssignatur E 6/803. Ein Auszug dieser Ordnung ist abgedruckt in: 381
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Anstalt des öffentlichen Rechts unter „obrigkeitlicher Leitung“.388 Es bestand keine Beitrittspflicht, obwohl zur Zeit ihrer Gründung die Gewährung von Steuerfrei jahren und die Erteilung von Brandbettelbriefen, die bisher üblichen Mittel zur Hilfe von Brandopfern, eingestellt wurden, um Hauseigentümern einen Anreiz zu geben, in die Gesellschaft einzutreten. Trotz ihres öffentlich-rechtlichen Charakters ist die Nürnberger Brand-Assekurations-Gesellschaft aus einem aufsichtsrechtlichen Standpunkt relevant, weil in ihrer Ordnung Vorschriften vorgesehen waren, die die Absicht der Stadt Nürnberg zeigten, eine Kontrolle über das Versicherungswesen auszuüben. Im Mandat vom 22. Juli 1782 und in der Nürnberger Brand-Assekurations-Ordnung vom 30. Dezember 1782 waren nämlich Vorschriften bezüglich der Einschätzung der Schäden und des Zwecks der Entschädigungssumme enthalten, die eine aufsichtsrechtliche Natur aufwiesen und auch bei anderen Feuerversicherungsanstalten aus dem 18. Jahrhundert in verschiedenen deutschen Staaten vorhanden waren.389 Was die Bewertung der Brandschäden und die Quantifizierung der Entschädigung betrifft, war in beiden Mandaten festgelegt, dass die Höhe der Schäden durch die Behörden unter Hinzuziehung von dazu bestellten „sachverständigen Personen“ erfolgen sollte.390 Die Entschädigungssumme sollte nur zum Wiederaufbau des abgebrannten Gebäudes verwendet werden.391 Insbesondere legte die BrandAssekurations-Ordnung fest, dass die Entschädigungssumme nur „gegen leistende Sicherheit“ seitens der Geschädigten ausbezahlt werden konnte, dass das Geld „zu nichts anderes, als zur Wiederaufbauung des abgebrannten oder eingerissenen oder beschädigten Gebäudes“ verwendet werden würde und dass beim Wiederaufbau feuerpolizeiliche Vorschriften eingehalten werden würden (z. B. die Anwendung steinerner Grundmauern und Dachziegel).392 Lahner, Real Index, S. 46–49. Für eine Untersuchung dieser Brand-Assekurations-Ordnung s. Fiedler, Die Geschichte, S. 83–89; Braun, Friedrich, Der Feuerschutz, S. 144–149; Miller, Die Entwicklung, S. 74–75; Stör, Die Landes-Brandversicherungsanstalt, S. 171. 388 Fiedler, Die Geschichte, S. 90. 389 S. oben C. IV. 1. a) für die Preußischen Feuersozietäten, C. IV. 2. a) für die Hamburger General-Feuerkasse, C. IV. 4. a) für die Brandversicherungen in Schleswig-Holstein, unten C. IV. 4. c) für die Feuerversicherungsanstalten im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg und C. IV. 4. d) für Feuerversicherungsanstalten im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Wie schon mehrmals hervorgehoben, waren diese zwei Aspekte auch in den Hamburger Feuer kontrakten reguliert worden: s. oben C. III. 4. 390 Mandat vom 22. Juli 1782, § IV, 2; Mandat vom 30. Dezember 1782, § 10; s. Fiedler, Die Geschichte, S. 87; Braun, Friedrich, Der Feuerschutz, S. 145. 391 Mandat vom 22. Juli 1782, § V, 1; Mandat vom 30. Dezember 1782, § 13. 392 Mandat vom 30. Dezember 1782, § 13; s. Fiedler, Die Geschichte, S. 87–88; Braun, Friedrich, Der Feuerschutz, S. 147; Stör, Die Landes-Brandversicherungsanstalt, S. 173. Laut Stör wurde die Nürnberger Brand-Assekurations-Ordnung nach Vorbild der Kurfürstlich-Mainzischen Feuer-Assekuranz-Ordnung vom 15. Juli 1780 verfasst (Stör, Die Landes-Brandversicherungsanstalt, S. 171; Ordnung von 1780 abgedruckt in: Kurfürstlich-Mainzische FeuerAssekuranz-Ordnung vom 15. Juli 1780, S. l. 1780; Meister, Geschichte, S. 64–83). Bezüglich der zwei oben genannten Aspekte legte diese Ordnung fest, dass die Abschätzung der Schäden durch die Ortsobrigkeit zusammen mit drei bausachverständigen Handwerksleuten erfolgen
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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c) Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg Auch im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg wurden im 18. Jahrhundert öffentlich-rechtliche Feuerversicherungsanstalten gegründet. Diese standen, wie einige Autoren betonten, „unter der Oberaufsicht der K. Regierung durch die Landschaften“.393 Die erste dieser Feuerversicherungen wurde mit der Verordnung vom 16./ 27. März 1750 gegründet,394 die den Geschäftsbetrieb und die Modalität der Entschädigung der Brandschäden regelte. Diese Brand-Assecurations-Societät war eine „freiwillige Vereinigung öffentlichen Rechts“,395 die unter der Aufsicht der Regierung stand. Die Calenbergische „Landrenterey“ diente als Kreditinstitut für die Feuerversicherungsanstalt und die Calenbergische Landschaft (mittels Landund Schatzräten sowie Schatzdeputierten) übernahm die Leitung und Verwaltung der Sozietät.396 Die Einschätzung der Brandschäden erfolgte durch die Obrigkeit, in Zusammenarbeit mit einem oder mehreren „Bauverständigen“.397 Eine Pflicht, die abgebrannten Gebäude wieder aufzubauen, bestand aber in diesem Fall nicht. Die Verordnung von 1750 wirkte als Vorbild für weitere Brandsozietäten, die im Laufe des 18. Jahrhunderts im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg gegründet wurden und ihre Vorschriften fast wörtlich übernahmen.398 Neben dem öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Feuerversicherungsanstalten und der konsequenten obrigkeitlichen Aufsicht über ihre Verwaltung und ihren Geschäftsablauf, kann man auch im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg die ersten, wenn auch nur schwachen, Schritte in Richtung einer zukünftigen Versicherungsaufsicht erkennen. Die Bestimmungen zur Gründung dieser Feuerversicherungsanstalten zeigten nämlich die Absicht der Regierung, einerseits die Interessen der Versicherten zu wahren und diese vor Missbräuchen zu schützen, andererseits auch Betrügereien seitens der Versicherten selber zu vermeiden.
sollte (Art. IX) und dass die Entschädigungsgelder nur zum Wiederaufbau des abgebrannten Gebäudes verwendet werden durften (Art. XII). Im Detail über die Kurfürstlich-Mainzische Feuer-Assekuranz-Ordnung von 1780 und die danach gegründete Kurfürstlich-Mainzische Brandversicherungs-Gesellschaft in: Meister, Geschichte, S. 36–52. 393 Berg, Handbuch, III. Bd., S. 73, Fn. t); s. auch Moser, Von der Landes-Hoheit, S. 367. 394 Königl. Großbritannische und Churfürstl. Braunschweigische Verordnung, die Brandassecurationssocietät betreffend, vom 16./27. März 1750, abgedruckt in: Bergius, Sammlung, S. 10–16; Meister, Geschichte, S. 87–97. Über diese Brandassecurationssocietät s. Hahn, Die Entwicklung, S. 106–111. 395 Hahn, Die Entwicklung, S. 107. 396 Verordnung von 1750, § I. 397 Im Falle eines nur zum Teil abgebrannten Gebäudes: Verordnung von 1750, § XIII. 398 Hahn, Die Entwicklung, S. 107. Die Verordnung von 1750 beeinflusste außerdem auch einige Verordnungen zur Gründung von Feuersozietäten in anderen deutschen Staaten (ders., Die Entwicklung, S. 111–112).
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
d) Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel Im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel wurde mit einer Verordnung von 1753 die erste Brandversicherungsgesellschaft gegründet.399 In dieser Verordnung wurde festgelegt, dass die Versicherungsanstalt unter der „Landesherrlichen Autorität“ stand.400 Ähnlich wie in der Kur-Braunschweigischen Verordnung von 1750401 wurde diese Brandversicherungsgesellschaft durch den Kredit der „Landrenterei-Kasse“ abgesichert und vom Fürstlichen Schatzcollegium verwaltet.402 Ein allgemeiner Versicherungszwang bestand nicht, nur die Besitzer von Bauernhöfen waren dazu verpflichtet, diese zu versichern.403 Die Höhe der Versicherungssumme konnte von den Eigentümern der Gebäude selber bestimmt werden, außer die Obrigkeit betrachtete diese als zu gering und forderte eine Einschätzung des Wertes der Immobilie durch „Werkverständige“.404 Diese Verordnung von 1753 legte außerdem fest, dass die Entschädigungssummen nur für den Wiederaufbau der abgebrannten Gebäude verwendet werden durften, was von der Obrigkeit überwacht werden sollte.405 Bei der braunschweigischen Verordnung von 1753, wie bei der Kurbraun schweigischen Verordnung von 1750, konnte man noch nicht von aufsichtsrecht lichen Maßnahmen sprechen, da es sich auch hier um eine von der Obrigkeit gegründete Versicherungsanstalt handelte. Trotzdem zeigte diese Verordnung die Absicht des Staates, den Überblick über das Betreiben des Feuerversicherungsgeschäfts behalten zu wollen und seine Kontrolle zumindest über einige Aspekte auszuüben, um diesen Bereich von möglichen Missständen und Missbräuchen freizuhalten.
5. Ein kurzer Blick auf die deutschen Tontinen Bevor im nächsten Kapitel die Gesetzgebung untersucht wird, mit der eine echte Aufsicht über das Versicherungswesen eingeführt wurde, ist es noch wichtig einen kurzen Blick auf die sogenannten Leibrentengesellschaften oder Tontinen zu werfen, obwohl die genaue Rolle dieser Einrichtungen in der Entwicklung der
399
Verordnung, die Errichtung einer Brandversicherungsgesellschaft betreffend, vom 18. Juli 1753, abgedruckt in: Braunschweigische Anzeigen für das Jahr 1753, 67. Stück, Sp. 1321–1332. Die Verordnung trat am 1. Juli 1754 in Kraft. Über diese Brandversicherungsanstalt s. Nolte, Gründung und geschichtliche Entwicklung, S. 377–378. 400 Verordnung von 1753, § 1. 401 S. vorherigen Abschnitt. 402 Verordnung von 1753, § 3. 403 Verordnung von 1753, § 4 und 5. 404 Verordnung von 1753, § 5. 405 Verordnung von 1753, § 13.
IV. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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Lebensversicherung und ihr Charakter zwischen Versicherung und Glücksspiel nicht Objekt dieser Arbeit sind.406 Tontinen,407 die ihren Namen und ihre ursprüngliche Gestalt dem Italiener Lorenzo Tonti (1602–1684) verdanken,408 wurden zunächst in Frankreich und in den Niederlanden gegründet. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert wurden einige Tontinen auch von verschiedenen deutschen Staaten errichtet. Aus der aufsichtsrechtlichen Perspektive sind zwei Arten von Vorschriften, die in den Regelungen vieler deutscher Tontinen enthalten waren, relevant und zwar zum einen die Bestimmungen bezüglich der staatlichen Garantie der Leistungen der Tontinen, zum anderen die Bestimmungen, die Transparenzpflichten festlegten. Eine gemeinsame Eigenschaft vieler deutscher Tontinen war, dass ihre Leistungen vom Staat durch sein eigenes Vermögen garantiert waren. Eine solche Garantie war zum Beispiel bei der Tontine, die 1698 in Preußen von Friedrich III. von Brandenburg gegründet wurde, in der Präambel des Patents, mit dem sie errichtet wurde, vorgesehen.409 Auch in der im Jahr 1752 in Gotha gegründeten Tontine410 waren die Auszahlungen an die Mitglieder durch die Staatskasse garantiert.411 In Nürnberg wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, nach einigen erfolglosen Versuchen, vom Rat der Stadt zwei Tontinen gegründet, eine im Jahr 1777412 und eine im Jahr 1783.413 Die Stadt Nürnberg garantierte die Leistungen 406
Allgemein anerkannt in der Literatur ist Folgendes: „Das Tontinenwesen des 17. und 18. Jahrhunderts hat unstreitig den Versicherungsgedanken verbreitet und weite Kreise für die Versicherung reif gemacht“ (Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 69). Über die Tontinen in Deutschland s. Hellwege, A History of Tontines; ders., Tontines in German-Speaking Territories; Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 63–69 und S. 151–162; Schöpfer, Sozialer Schutz, S. 129–143; von Zedtwitz, Die Rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 138–143. 407 In ihrer originären Form war eine Tontine „eine Erlebensfallsversicherung mit Einmalprämie“ und diese Einrichtung konnte in verschiedenen Weisen gestaltet werden (Riebesell, Tontine, in: Manes, Versicherungslexikon, 3. Aufl., Sp. 1572). 408 Zu Tonti Rietsch / Gallais-Hamonno, Lorenzo Tonti. 409 Patent wegen der einzurichtenden Leib-Renten vom 30. Dezember 1698, abgedruckt in: CCM, 6. Teil, 1. Abteilung, 1736, Sp. 653–658. Als „Leibrenten-Reglement welches vormals Se. Königliche Majestät in Preussen A. 1698 in dero Churfürstenthum, Ländern, und Provinzien publicieren lassen“ vom 30. September 1698 abgedruckt in: Marperger, Monte Pietatis, S. 302–308. 410 Plan zur Gründung dieser Tontine und ihre Regelung abgedruckt in: Krünitz, Encyklopädie, S. 295–303. 411 Regelung der Tontine von 1752, § 19. 412 Dekret vom 20. Oktober 1777 mit Vorbericht und Statuten, abgedruckt in: Gründliche Nachricht, 1777. 413 Dekret vom 14. Juli 1783 mit Vorbericht und Statuten, abgedruckt in: Gründliche Nachricht und Statuten 1783. Über die Nürnberger Tontinen s. Hellwege, A History of Tontines, S. 76–79; Fiedler, Die Geschichte, S. 53–67; Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 155–158; Schöpfer, Sozialer Schutz, S. 138–140; von Zedtwitz, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 141.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
der beiden Leibrentengesellschaften mit ihrem eigenen Vermögen. Das Dekret von 1777 zur Einrichtung der ersten Tontine legte fest, dass Bürgermeister und Rat der Stadt nicht nur die Statuten der Leibrentengesellschaft „genehmigen und garantieren“ sollten, sondern auch „Sicherleistung, Trauen und Glauben gänzlich übernehmen“414 und dass daher die Stadt mit ihrem ganzen Vermögen „unter allgemeiner und besonderer Verpfändung aller hiesigen Gemeinen Wesens Haab und Gütter, und alles desselben Einkommens, es mag Namen haben, wie es wolle“ für die Einhaltung von allem, „was in nachstehenden Statuten versprochen und zugesichert“ wurde, haftete.415 Diese Garantie wurde auch im Statut der Tontine von 1777 bestätigt.416 Im Dekret von 1783 zur Gründung der zweiten Tontine wurden die Vorschriften bezüglich der von der Stadt gewährleisteten Garantie mit dem fast identischen Wortlaut wiederholt,417 genauso auch im Statut dieser Tontine.418 Schließlich wurde eine ähnliche Vorschrift auch bei der im Jahr 1788 gegründeten preußischen Tontine vorgesehen.419 Die Ausbezahlung der den Tontinenmitgliedern zustehenden Renten wurde bei dieser Tontine durch die Staatskasse abgesichert, indem der Gesetzgeber „die bündigste und unwiderruflichste Versicherung“ gab, dass alle Summen, die den Tontinisten versprochen wurden auf staatliche „Fonds in der Haupt-Banque zu Berlin“ bezahlt werden sollten.420 Relevant aus einer aufsichtsrechtlichen Perspektive sind noch die Vorschriften, die Transparenzpflichten für einige deutsche Tontinen gegenüber den Mitgliedern der Tontine und dem allgemeinen Publikum festlegten. Bei der Preußischen Tontine von 1698 wurde zum Beispiel vorgesehen, dass ein Jahresabschluss vorgelegt werden musste.421 Im Statut der Nürnberger Tontine von 1783 wurde vorgesehen, dass jedes Jahr die Liste der Mitglieder und der ausbezahlten Summen sowie eine Berechnung der zu zahlenden Summen „in öffentlichem Druck“ bekanntgemacht werden sollten und allen Teilnehmern das Mitgliedsverzeichnis der eigenen Tontinenklasse mitgeteilt werden sollte.422 Die Regelungen dieser Leibrentengesellschaften aus dem 18. Jahrhundert zeigten, wie die Regierungen versuchten, Missbräuche auch bei diesen Einrichtungen, die mit der Entwicklung der Lebensversicherung eng verbunden waren, zu verhindern.
414
Dekret von 1777, I. Dekret von 1777, II. 416 Statut der Tontine von 1777, § 30. 417 Dekret vom 14. Juli 1783, § I und II. 418 Statut der Tontine von 1783, § 30. 419 Patent wegen Errichtung einer wachsenden Leibrenten-Anstalten zum Betrieb des Chaussee-Baues im Magdeburgischen und Halberstädtschen vom 28. Oktober 1788, abgedruckt in: NCC, 8. Band, 1788, Sp. 2257–2268. 420 NCC, 8. Band, 1788, Sp. 2257–2258. 421 Patent vom 30. Dezember 1698, § 8. 422 Statut der Tontine von 1783, § 26 und 29. 415
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
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6. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die deutsche Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts kannte bis 1781423 noch keine Versicherungsaufsicht im eigentlichen Sinne, zeigte aber, dass die Regierungen verschiedener deutscher Staaten nicht die Absicht hatten, den Akteuren in dieser Wirtschaftsbranche unbegrenzte Freiheit zu lassen, so übten die deutschen Gesetzgeber ihren Einfluss sowohl auf privat-rechtliche Versicherungen, wie bei der Seeversicherung in Preußen und in Hamburg, als auch bei öffentlich-rechtlichen Anstalten, wie Heiratskassen, Brandversicherungssozietäten und Tontinen, entsprechend aus. Bei privat-rechtlichen Seeversicherungen schränkten die Staaten einerseits die Möglichkeit ein, als Versicherer tätig zu werden oder sich versichern zu lassen, andererseits stellten sie die Schadensabschätzung unter gerichtliche Aufsicht und überließen sie einem ggf. von der Obrigkeit genannten Sachverständigen. Auch bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten ergriffen die Regierungen verschiedene Maßnahmen, insbesondere verboten sie die Gründung von Heiratskassen, regelten bei den Feuerversicherungen die Abschätzung der Brandschäden und die Wiederaufbaupflicht und legten bei den Tontinen Transparenzpflichten und die staatliche Garantie der Leistungen dieser Leibrentengesellschaften fest. Die Absicht der Staaten war, mittels dieser Bestimmungen die Versicherungsbranche so weit wie möglich vor Missbräuchen und Missständen zu bewahren, die sich wegen eines jeden Beteiligten eines Versicherungsverhältnisses ereignen konnten. Im Laufe des 18. Jahrhunderts zeigte sich jedoch, dass die bisher verabschiedeten Vorschriften nicht ausreichend waren, um dieses Ziel zu erreichen. Somit war die Tür zur Einführung einer echten Versicherungsaufsicht geöffnet.
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne Die Gründe, die für die Einführung einer staatlichen Beaufsichtigung über das Versicherungswesen sprachen, waren vielfältig. Selbstverständlich war der Schutz des Versicherungsnehmers als schwächerer Partei des Versicherungsvertrages eines der wichtigsten Anliegen bei der Versicherungsaufsicht. Einer der Hauptgründe, der zu den ersten Gedanken über eine Versicherungsaufsicht führte, war nämlich, dass das Versicherungsgeschäft, ausgenommen die Seeversicherung, bis mindestens zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hauptsächlich von unter staatlichem Einfluss stehenden Anstalten betrieben wurde,424 weshalb es keinen Anlass zur Einführung einer Versicherungsaufsicht gab. Erst mit der Ausbreitung von pri-
423 424
S. unten C. V. 1. a) aa). S. oben C. I. 2 und C. I. 3.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
vaten Versicherungen war der Bedarf für eine Beaufsichtigung des Versicherungswesens gegeben.425 Beginnend mit dem Ende des 18. Jahrhunderts und zunehmend in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Versicherungsgeschäft immer mehr von privaten Versicherern betrieben und war durch das Blühen unsolider und betrügerischer Unternehmen gekennzeichnet.426 Ein solcher Zustand gefährdete in erster Linie die Versicherten, indirekt aber auch den Staat, da sein allgemeiner Wohlstand durch die Verarmung von Untertanen beeinträchtigt wurde. Ein zweiter und ebenso wichtiger Grund, der für die Einführung einer Versicherungsaufsicht sprach, war die dadurch gebotene Möglichkeit, einheimische Gesellschaften zu fördern und vor ausländischen Konkurrenten zu schützen.427 Durch die Einführung besonderer Voraussetzungen für die Gründung einer Versicherungsgesellschaft und durch eine strenge Überwachung der Geschäfte nicht einheimischer Assekuradeure konnte man auch das Ziel erreichen, die Konkurrenz, welche diese auf dem inländischen Markt darstellten, deutlich zu schwächen. Eine, wenn auch eher weniger bedeutende, Rolle bei der Einführung einer Versicherungsaufsicht spielte nach Ansicht einiger Autoren auch die Absicht des Staates, eine Erleichterung der Besteuerung der Versicherungsunternehmungen mittels der Beaufsichtigung des Versicherungswesens zu schaffen.428 Die ersten echten versicherungsaufsichtsrechtlichen Bestimmungen wurden am Ende des 18. Jahrhunderts verabschiedet. Die meisten dieser Vorschriften griffen im Bereich der Sterbekassen, manchmal in Verbindung mit Aussteuerkassen, ein. Mehrere Sterbekassen wurden am Ende des 17. Jahrhunderts und dann im Laufe des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum gegründet,429 oft zeigten sich diese Kassen aber als unsolide und verschleierten Betrugsversuche,430 weshalb sie häufig nur von begrenzter Dauer waren.431 Dieser Zustand veranlasste die Regierungen mehrerer deutscher Staaten dazu, die Sterbekassen entweder im Allgemeinen zu verbieten oder eine mehr oder weniger strenge Überwachung über diese auszuüben, um weitere Missstände zu vermeiden.432 Von einem aufsichtsrechtlichen
425
Büchner, Die Geschichte der Versicherungsaufsicht, S. 731–732; vgl. Tigges. Geschichte und Entwicklung, S. 10. 426 S. oben C. I. 3. 427 Der Schutz vor ausländischer Konkurrenz war besonders beim Mobiliarfeuerversicherungswesen wichtig, da in dieser Branche ausländische Versicherer oft eine sehr wichtige Rolle spielten (vgl. Atzpodien, Die Entwicklung, S. 34–35). 428 Burger, Der Einfluß, S.17; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 24. 429 S. oben C. I. 2. 430 Aus der umfangreichen Literatur über Missbräuche bei den Sterbekassen s. Lüders, Über die Misbräuche, Sp. 401–412; Neumann, Aus den Urkunden, S. 1202–1203; Vesper, Die Sterbekassen, S. 44–57; Anonymus, Wucherlicher Mißbrauch in: Gelehrte Beyträge zu den Braunschweigischen Anzeigen, Band 25, S. 329–368. 431 Neumann, Die Sterbegeldversicherung, S. 87; Braun, Heinrich, Die Geschichte der Lebensversicherung, S. 170; Kritter, Geschichte, S. 20–21. 432 Neumann, Die Sterbegeldversicherung, S. 87; ders., Aus den Urkunden, S. 1203–1204; Vesper, Die Sterbekassen, S. 36–57.
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
87
Standpunkt aus sind insbesondere die Gesetzgebungen von Preußen, Nürnberg, Bremen, Kur-Braunschweig, und Hamburg nennenswert. Die ersten wurden am Ende des 18. Jahrhunderts verabschiedet,433 die Hamburger Vorschriften erschienen erst im 19. Jahrhundert.434 Weitere Gesetze aus dem 18. Jahrhundert, die aufsichtsrechtliche Maßnahmen enthielten, bezogen sich auf die Seeversicherung oder auf das Versicherungswesen im Allgemeinen.435 Schließlich wurde das Feuerversicherungswesen erst im 19. Jahrhundert in verschiedenen deutschen Staaten das Objekt mehrerer aufsichtsrechtlicher Bestimmungen.436
1. Die Einführung einer Versicherungsaufsicht in den deutschen Staaten: Ende des 18. Jahrhunderts Obwohl in der deutschen Literatur zunächst behauptet wurde, dass „die Anfänge der Versicherungsaufsicht […] auf die erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts“ zurückgehen,437 ist es heute unumstritten, dass eine echte Versicherungsaufsicht bereits am Ende des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Gebiet eingeführt wurde. Zu dieser Zeit begannen verschiedene deutsche Gesetzgeber, neben den im vorigen Kapitel beschriebenen Vorschriften mit aufsichtsrechtlicher Natur438 auch echte versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen zu verabschieden. a) Preußen Preußen spielte eine Vorreiterrolle bei der Einführung der Versicherungsaufsicht. Die ersten gesetzlichen Regelungen, die eine staatliche Aufsicht über das Versicherungswesen vorsahen, wurden in Preußen verabschiedet und sind in der Verordnung von Friedrich dem Großen von 1781 und im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zu finden.
433
S. unten C. V. 1. a) aa), C. V. 1. b) C. V. 1. c), C. V. 1. d) (in Preußen und in der Stadt Nürnberg betrafen die Vorschriften nicht nur Sterbekassen). 434 S. unten C. V. 2. c) aa). 435 S. unten C. V. 1. a) bb). 436 S. unten C. V. 2. a), C. V. 2. b) und C. V. 2. c) bb). 437 Burger, Einfluß, S. 10; vgl. Rohrbach, Ära des klassischen Versicherungswesens, S. 2; Büchner, Entwicklung der deutschen Gesetzgebung, S. 6; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 29. 438 S. oben C. IV.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
aa) Verordnung vom 13. März 1781 Die Verordnung „Wiederholtes Verboth aller und jeder Collecten, wozu keine Königl. Approbation ertheilet ist“ vom 13. März 1781439 von Friedrich dem Großen wird von der deutschen Rechtslehre als die erste gesetzliche Bestimmung betrachtet, die versicherungsaufsichtsrechtliche Vorschriften enthielt.440 Der Grund, der zum Erlass dieser Bestimmung führte, war die Absicht des Staates die Missstände und Missbräuche abzustellen, die sich in den vorherigen Jahren in Preußen bei Aussteuer- und Begräbniskassen ereignet hatten, sogar trotz zweier Edikte aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts,441 die alle Privat-Collecten in den Städten und auf dem Land ohne „Allerhöchste Einwilligung“ verboten hatten. Der Wortlaut der Verordnung von 1781 erklärte deutlich, welcher der Auslöser zum Erlass dieser Vorschrift war:442 […] So haben wir dennoch mißfällig in Erfahrung gebracht, daß diese heilsame Verordnungen fast gänzlich außer Acht gekommen, und allerhand Arten von Collecten eingesammelt werden, auch sogar Gesellschaften eigenmächtig zusammengetreten sind, die zu wechselseitiger Aufbringung der Aussteuer- oder Begräbniskosten sich verbunden haben, von welchen, sonderlich die Interessenten der Aussteuer-Cassen durch üble Entwürfe und Einrichtungen, die keinen soliden Bestand haben können, und durch daher entstandene gehäufte Beyträge dergestalt angestrenget worden, daß sie endlich davon abgehen müssen, und also nicht allein ihre Beyträge, sondern auch diejenigen, so bereits zur Hebung hätten kommen sollen, die so theuer erkaufte Hofnung des Gewinstes verloren habe, mithin in viele Beschwerden und großen Schaden gesetzt worden.
Um solche Missbräuche zu beseitigen wurde verordnet:443 daß von nun an, ohne Unsere vorher erhaltene Genehmigung, weder in den Städten, noch auf dem Lande Geldsammlungen geschehen sollen, es sey von Aussteuer-Begräbniß- oder andern Gesellschaften zu welchem Zweck, und unter welchem Vorwanden es seyn mag.
Mit dieser Verordnung wurde also festgelegt, dass für den Betrieb von Aussteuer- und Begräbniskassen die Erteilung einer staatlichen Genehmigung erforderlich war. Für den Fall der Missachtung dieser Vorschrift war vorgesehen, dass444
439 Verordnung Wiederholtes Verboth aller und jeder Collecten, wozu keine Königl. Approbation ertheilet ist, vom 13. März 1781, abgedruckt in: NCC, VII. Bd., Nr. XIII, Sp. 181–186. Als Auszug abgedruckt auch in: Neumann, Aus der Urkunden, S. 1229; Vesper, Die Sterbekassen, S. 40–41. 440 Aus der umfangreichen Literatur: Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 47–48; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 15. 441 Edikt vom 4. März 1728, abgedruckt in: Rabe, Sammlung, I. Bd., II. Abt., S. 62–63; Edikt vom 4. September 1738 Abgedruckt in: ders., Sammlung, I. Bd., II. Abt., S. 124–127. 442 Präambel der Verordnung vom 13. März 1781. 443 Verordnung vom 13. März 1781, § 1. 444 Verordnung vom 13. März 1781, § 1.
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
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alle colligierte Gelder nicht nur confiscirt werden, und der Generalstraf-Casse zufallen, sondern auch die Vorstehere, Rendanten und Collecteurs noch besonders nachdrücklich bestraft werden sollen.
Was die bereits bestehenden Aussteuerkassen betraf, legte die Verordnung Folgendes fest:445 so soll die Einrichtung derselben so wohl, als ihre Verwaltung und ihr Cassen-Zustand untersucht und demnächst darüber: ob und in welcher Art solche Gesellschaften ferner zugelassen werden sollen, verfüget werden […].
Bis diese Überprüfung erfolgte, mussten die Aussteuerkassen alle Tätigkeiten einstellen, von der Geldeinsammlung über die Annahme neuer Mitglieder bis zur Auszahlung geschuldeter Summen.446 Auch das Weiterbetreiben bereits errichteter Sterbekassen wurde von der Verordnung reguliert, aber in diesem Fall:447 sind wir zu approbieren allergnädigst geneigt, da dergleichen Unterstützungen den Sterbefällen denen hinterlassenen Erben des Verstorbenen sehr zu statten kommen, und die Anzahl der Sterbefälle und dadurch entstehender Beytrag, nach der gewöhnlichen Ordnung der Sterblichkeit mit mehrerer Wahrscheinlichkeit überrechnet werden, und alsdenn nicht zu oft kommen kann. Wir gestatten daher, daß die Beyträge zu den Sterbe-Cassen ferner eingesammelt, und neue Mitglieder aufgenommen werden. Jedoch behalten Wir Uns vor, die Einrichtung jeder Sterbe-Gesellschaft untersuchen, und nöthigenfalls zu einer bessern Einrichtung auch Sicherheit der Gesellschaft, die diensamen Verfügungen treffen zu lassen.
Mit dieser Verordnung wurde zum ersten Mal das Konzessionsprinzip für private (d. h. weder öffentliche noch auf staatliche Gründung zurückgehende) Versicherungen eingeführt. Daher wird diese Rechtsbestimmung als „Ursprung des deutschen Versicherungsaufsichtsrechts“ bezeichnet.448 Die Verordnung enthielt allerdings keine Bedingungen für die Gewährung der Genehmigung, die somit dem Ermessen der Behörden überlassen war.449 bb) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten enthielt neben den Vorschriften, die einen aufsichtsrechtlichen Charakter hatten, und die vorher bereits erläutert wurden,450 auch einige Maßnahmen, die eine echte Versicherungsaufsicht 445
Verordnung vom 13. März 1781, § 2. Verordnung vom 13. März 1781, § 2. 447 Verordnung vom 13. März 1781, § 3. 448 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 16; vgl. auch Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 47–48. 449 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 49; Atzpodien, Die Entwicklung. S. 6. 450 S. oben C. IV. 1. d). 446
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
darstellten. Die erste Bestimmung, die aus dieser Perspektive zu betrachten ist, ist im Abschnitt mit dem Titel „Von gewagten Geschäften und ungewissen Erwartungen“ zu finden und nicht im Abschnitt über das Versicherungswesen, wie zu erwarten wäre. Der § 651 legte Folgendes fest:451 Gemeinschaftliche Wittwen- Sterbe und Aussteuerkassen dürfen ohne Landesherrliche Genehmigung nicht errichtet werden.
Mit dieser Festlegung der Konzessionspflicht für Witwen-, Sterbe- und Aussteuerkassen bestätigte und erweiterte das A. L. R. die durch die Verordnung von 1781 eingeführte aufsichtsrechtliche Vorschrift bezüglich Aussteuer- und Begräbniskassen.452 Die Konsequenzen für die Nichterfüllung der Konzessionspflicht legte das A. L. R. ebenfalls fest:453 § 250. Wer öffentliche Aussteuer-, Wittwen- oder Sterbecassen ohne ausdrückliche Genehmigung des Staats errichtet, der soll den Interessenten ihre Einsätze zurückgeben, und den doppelten Betrag des an Besoldung, Provision, oder sonst gezogenen Vortheils, an die Armencasse des Orts bezahlen. § 251. Ist dergleichen Anstalt, vorsätzlich zum Nachtheile oder zur Berückung einfältiger Leute, errichtet worden: so soll der Stifter, außer vorstehender Strafe, als ein Betrüger öffentlich ausgestellt, und auf sechs Monathe bis zwey Jahre zur Festung oder ins Zuchthaus gebracht werden.
Eine weitere Bestimmung, die aus einem aufsichtsrechtlichen Standpunkt berücksichtigt werden muss, ist der § 13 im II. Teil, XIII. Titel des A. L. R. Dieser Paragraf betraf im Allgemeinen alle privaten Gesellschaften, einschließlich der Versicherungsgesellschaften, die einer polizeilichen Kontrolle unterworfen waren:454 Alle im Staate vorhandene und entstehende Gesellschaften, und öffentliche Anstalten, sind der Aufsicht des Landesherrn, nach dem Zwecke der allgemeinen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung unterworfen.
Zuletzt ist auch noch anzumerken, dass das A. L. R. sich bei den Versicherungsgesellschaften auf das Octroi-Verfahren bezog, indem es festlegte:455 451
A. L. R., I. Teil, XI. Titel, VI. Abschnitt, § 651. Diese Bestimmung wurde von Maurer in seiner Darstellung der Versicherungsaufsicht im A. L. R. nicht berücksichtigt (s. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 17, Fn. 81; vgl. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 20–24 und S. 49–50). 452 S. oben C. V. 1. a) aa). 453 A. L. R., II. Teil, XX. Titel („Von den Verbrechen und deren Strafen“), VII. Abschnitt, § 250 und § 251. Beide Bestimmungen wurden dann durch das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten von 1851 aufgehoben, das festlegte, dass die Gründung von Aussteuer-, Wittwen- und Sterbekassen ohne Genehmigung der Staatsbehörden „mit Geldbuße bis zu fünfzig Thalern oder Gefängniß bis zu sechs Wochen“ zu bestrafen war (§ 340). Das Strafgesetzbuch von 1851 ist abgedruckt in: Müller, Das Strafgesetzbuch (S. 95). S. auch Jacobi, Beiträge, S. 12. 454 A. L. R., II. Teil, XIII. Titel, § 13. Vgl. Atzpodien, Die Entwicklung, S. 9; Rosin, Zur Lehre von der Korporation, S. 112. 455 A. L. R., II. Teil, VIII. Titel, XIII. Abschnitt, § 1944.
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
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Die Rechte einer zu Versicherungen besonders privilegierten Gesellschaft sind aus dem ihr ertheilten Privilegio zu beurtheilen.
Das Octroi-Verfahren, obwohl vor dem A. L. R. noch nicht kodifiziert, fand in der Praxis bereits Anwendung, das Allgemeine Landrecht gewährte ihm somit also eine indirekte gesetzliche Anerkennung.456 Mit dem Octroi konnte eine Versicherungsgesellschaft besondere Privilegien bekommen und nur so wirklich Geschäftsbetriebsfähig werden.457 Diese Privilegien konnten aber nur den Gesellschaften eingeräumt werden, die laut dem freien Ermessen des Staates „einem fortdauernden gemeinnützigen Zwecke“ dienten.458 Da aber nach den noch herrschenden wirtschaftspolitischen Überzeugungen der Kameralisten eine Versicherung dem Gemeinwohl nur wirklich dienen konnte, wenn sie von öffentlicher Hand betrieben wurde, hält die Rechtslehre das Verleihen von Privilegien an private Versicherungsgesellschaften für schwer vorstellbar.459 Aus dieser Darstellung echter aufsichtsrechtlicher Vorschriften, in Verbindung mit denjenigen, die aufsichtsrechtliche Natur hatten und bereits dargestellt wurden,460 geht deutlich hervor, dass das Allgemeine Preußische Landrecht keine allgemeine liberale Haltung gegenüber dem Versicherungswesen hatte, sondern vielmehr „die restriktive Versicherungspolitik der Kameralisten“ beibehielt.461 Es ist dennoch wahr, dass es keine ausführliche und umfangreiche Aufsicht über das Versicherungswesen im Allgemeinen vorsah und eine klare Stellung nur gegenüber Witwen-, Sterbe- und Aussteuerkassen einnahm. Das kann mit der Tatsache erklärt werden, dass das private Versicherungswesen zu dieser Zeit (Ende des 18. Jahrhunderts) noch keine besonders bedeutsame Rolle spielte, da einerseits die Feuerversicherung immer noch hauptsächlich öffentlich betrieben wurde, andererseits die anderen Versicherungszweige noch belanglos waren.462 Entsprechend gab es keinen Anlass, das Versicherungswesen an sich und die Aufsicht über selbiges umfangreich zu regeln. b) Reichsstadt Nürnberg (Sterbe-, Aussteuer-, Professionskassen) Auch in der Reichsstadt Nürnberg wurden bereits am Ende des 18. Jahrhunderts einige aufsichtsrechtliche Bestimmungen verabschiedet.
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S. oben C. III. 2. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 18–19; vgl. Baums, Gesetz, S. 20–22; Atzpodien, Die Entwicklung, S. 9; s. auch oben C. III. 2. 458 A. L. R., II. Teil, VI. Titel, § 25. Das Octroi-Verfahren wurde dann durch das Gesetz über die Aktiengesellschaften von 1843 abgelöst (Burger, Einfluß, S. 46; s. unten C. V. 2. a) dd)). 459 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 19. 460 S. oben C. IV. 1. d). 461 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 19. 462 Jacobi, Beiträge, S. 12; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 17. 457
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Dort wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts463 zahlreiche Sterbe-, Aussteuer- und Professionskassen gegründet.464 Fast alle diese Kassen zeigten sich aber bald als unsolide und wurden von den verschiedensten Missständen gekennzeichnet. Oft wurden sie ohne die notwendigen mathematischen Grundlagen gegründet, ihre Verwaltung war häufig schwer mangelhaft und viele Kassenvorsteher veruntreuten das einbezahlte Geld. Außerdem kam es häufig vor, dass die Versicherten gleichzeitig Mitglieder mehrerer Kassen waren oder dass sie ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen konnten.465 Die meisten dieser Kassen wurden daher kurz nach der Gründung wieder aufgelöst und häufig einfach in einer anderen Form kurze Zeit später wieder gegründet.466 Im November 1785 beleuchtete ein Bericht des Vormundschaftsamts der Stadt diese Missstände und gab als Ursache dafür den Mangel einer präventiven obrigkeitlichen Prüfung und Genehmigung der Statuten dieser Kassen an.467 Anhand dieses Berichts wurden Kirchenpfleger und Rat der Stadt Nürnberg aktiv und legten fest, dass die rückständigen Kassenbeiträge bis zum Ende des Jahres eingezogen werden mussten und dass die danach noch offenen Summen durch das Vormundschaftsamt zu vollstrecken waren.468 Da aber trotz dieser Maßnahmen keine Besserung der Situation eintrat, erließ der Stadtrat am 1. Juni 1786 ein Dekret,469 das alle diese Kassen betraf. Zunächst wurde im Dekret die Schwere der Lage betont, und zwar, dass: die sogenannte Leichen- Hochzeit- Kindbett- Gesellen und Jungen-Kassen, welche seit einiger Zeit von unterschiedlichen der Sache sowohl, als der Rechnungs-Führung unkundigen Privat-Personen allhier in grosser Anzahl errichtet worden, und welche schon an und vor sich, in mancherley Rücksicht, besonders aber in Ansehung der Dienstboten, für schädliche und gefährliche Instituten zu halten sind, bereits gröstentheils nicht nur zu vielfältigen Irrungen und Klaghändeln, sondern sogar auch zu andern thätlichen Vorgängen, Anlaß gegeben haben. 463
Ein erstes Projekt für die Gründung einer Sterbekasse stammte bereits aus dem Jahr 1730, es ist aber unklar, ob diese tatsächlich errichtet wurde (Fiedler, Die Geschichte, S. 17). 464 Fiedler, Die Geschichte, S. 17–27. Die Aussteuerkassen traten immer nur als „kombinierte Hochzeits- und Leichenkassen auf“. Die Professionskassen, die das Ziel hatten, jungen Männern bei der Ausbildung und allgemein bei ihrem beruflichen Leben zu helfen, waren immer „einer Hochzeits- und Leichenkasse angegliedert“ (Fiedler, Die Geschichte, S. 26). 465 Fiedler, Die Geschichte, S. 27–28; vgl. Koch, Versicherungsplätze, S. 73–74; ders., Nürnberger Versicherungswesen, S. 270. 466 Fiedler, Die Geschichte, S. 27. 467 Bericht des Vormundschaftsamts der Reichsstadt Nürnberg von November 1785, in: StAN, Rst. Nürnberg, Kirchen- und Vormundamt 1861 (Archivische Altsignatur: Reichsstadt Nürnberg, Kirchen und Vormundamt S II L 19, Nr. 21). 468 Fiedler, Die Geschichte, S. 28. 469 Dekret vom 1. Juni 1786, abgedruckt in: Nachdem Ein Hochlöblicher Rath, 1786, in: StAN, Rst. Nürnberg, Kirchen- und Vormundamt 1861 (Archivische Altsignatur: Reichsstadt Nürnberg, Kirchen und Vormundamt S II L 19, Nr. 21). Als Auszug abgedruckt in: Lahner, Real Index, S. 167 und S. 190. Über dieses Dekret s. Fiedler, Die Geschichte, S. 28; Koch, Nürnberger Versicherungswesen, S. 270; ders., Der Weg zur einheitlichen Staatsaufsicht, S. 7; ders., Geschichte der Versicherungswirtschaft, S. 25; ders., Versicherungsplätze in Deutschland, S. 74.
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
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Dann wurde im Dekret klargestellt, dass sein Ziel war, einerseits der Errichtung aller solcher Kassen „gemessene Schranken zu setzen“, andererseits die bereits vorhandenen Kassen „unschädlicher“ zu machen. Aus diesem Grund legte es fest, dass die Gründung aller Sterbe-, Aussteuer- und Professionskassen „ohne Obrigkeitliche Authorität und ausdrückliche Erlaubnis und Ratification der hierzu eigens ernannten Löbl. Deputation“ verboten war. Die Missachtung dieses Verbotes wurde „mit einer empfindlichen Geld- und Leibes-Straffe“ geahndet. Für die bereits bestehenden Kassen wurde vorgesehen, dass „Vorsteher oder sogenannte Executoren“ dazu verpflichtet waren, diese innerhalb von vier Wochen bei der Deputation anzuzeigen und die geführten Rechnungen vorzulegen und dann „nach erfolgter Untersuchung ihres bisherigen Verhaltens und der Grundgesetze bey ihrer Gesellschaft das weitere gewärtigen“. Schließlich legte das Dekret von 1786 auch das Verbot für die Bürger fest, mehr als einer Kasse beizutreten, unter Androhung des Verlustes sowohl der einbezahlten Beiträge als auch der Ansprüche gegenüber den Kassen, sowie einer Geld- und Freiheitsstrafe. Eine Strafe war auch für die Kassenvorsteher vorgesehen, die „sich gegen diese Verordnung wissentlich verfehlt“ und eine doppelte Mitgliedschaft toleriert hatten. Auch dieses Dekret hatte nicht die erhoffte Wirkung und zeigte sich als unzureichend, um die Missstände bei den Kassen beseitigen zu können, daher griff der Rat der Stadt Nürnberg mit dem Dekret vom 17. April 1787 erneut ein.470 Auch in diesem Dekret stellt der Rat fest, dass Hochzeits-, Leichen- und Professionskassen „wegen ursprünglich fehlerhafter Einrichtung, von keiner langen und zuverlässigen Dauer seyn“ konnten und „einige davon, besonders die Hochzeit-Kassen, […] für gefährlich zu halten“ waren. Aus diesem Grund beschloss der Rat alle Hochzeits- und Professionskassen abzuschaffen und die Leichenkassen nur unter bestimmten Voraussetzungen weiter zu erlauben. Insbesondere wurden die Leichenkassen unter die Aufsicht einer Deputation gestellt, die jährlich Bücher und Rechnungen der Kassen überprüfen sollte („ob bey der Einnahm und Ausgab gehörig verfahren und die Oberherrliche im Mittel liegende Verordnungen und Vorschriften pflichtschuldig beobachtet werden“) und dem Kassenvorsteher verbindliche „Verhaltungs-Befehle“ geben konnte. Zudem legte das Dekret fest, dass die Kassenvorsteher dazu verpflichtet waren, eine Kaution zu hinterlegen, und drohte alle gegenseitigen Ansprüche zwischen Kassenmitgliedern und Vorstehern nicht mehr anzuerkennen, falls die Sterbekasse ohne Einhaltung dieser Vorschriften weiterbetrieben worden wäre.471 470
Dekret vom 17. April 1787 „Nachdem sich auf nähere Untersuchung derjenigen PrivatInstitute, welche seit einiger Zeit allhier unter dem Nahmen der Leichen- Hochzeit KindbettGesellen- und Jungen-Kassen errichtet worden sind, genugsam bestättiget hat, daß sie nicht nur alle, wegen ursprünglich fehlerhafter Einrichtung, von keiner langen und zuverlässigen Dauer seyn können […]“, in: Online-Archiv der Bayerischen Staatsbibliothek. Über dieses Dekret s. Fiedler, Die Geschichte, S. 29; Koch, Nürnberger Versicherungswesen, S. 270. 471 Mit dem Dekret von 1787 gründete der Rat die Reichsstadt Nürnbergische BegräbnisSozietät, eine staatliche Sterbekasse, welche die noch bestehenden privaten Leichenkassen hätte ersetzen sollen. Dieser Versuch hatte, trotz einer echten Kampagne des Rats bei der Be-
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
Diese zwei Dekrete der Stadt Nürnberg, die auf dem Konzessionsprinzip basierten, gehören zweifellos zu den ersten aufsichtsrechtlichen Vorschriften, die im deutschsprachigen Raum verabschiedet wurden und zeigen, wie auch in dieser Stadt die Anfänge der Versicherungsaufsicht bereits ins Ende des. 18. Jahrhunderts zurückzuführen sind.472 Mit dem Dekret von 1787 wurde zudem eine aktivere Rolle der Rats-Deputation eingeführt, die den Kassenvorstehern „Befehle“ bezüglich des Betreibens der Anstalt erteilen konnte. Obwohl hier noch nicht von einer materiellen staatlichen Aufsicht die Rede sein kann, ist trotzdem klar, welchen hohen Stellenwert auf dem Weg der Entwicklung der modernen deutschen Versicherungsaufsicht die Nürnberger Gesetzgebung aus dem 18. Jahrhundert hatte. c) Bremen (Sterbekassen) In der Stadt Bremen wurden ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mehrere Sterbekassen gegründet.473 Auch diese wurden schwer von Betrügereien und Missbräuchen gekennzeichnet,474 was zum Einschreiten des Rats der Stadt durch die Verkündung eines Erlasses im Jahr 1789 führte.475 In seiner Einleitung zu diesem Erlass äußerte sich Schlözer drastisch gegenüber den Sterbekassen, die sich seiner Meinung nach in „ware RäuberCassen“ verwandelt hatten:476 Beigehendes, zur Freude aller Rechtschaffenen heute erschienenes (in Patent Form gedrucktes) Proclama, verdient vielleicht nicht mit Unrecht einen Platz in Erwr. Stats-Anzeigen, da es einem Übel Schranken setzt, das sich nicht blos in hiesiger Stadt, sondern auch in den angränzenden Ländern, mit einer unbeschreiblichen Wut, seit einigen Jahren verbreitet hat. Einige in dieser obrigkeitlichen Verordnung vorkommende ausdrücke geben hinlängliche Winke, welcher Unfug dabei vorgegangen, und wie man die aus guter Absicht anfängliche errichteten SterbeCassen in ware RäuberCassen verwandelt hat. Vielleicht bin ich so glücklich, Erwr. Künftig eine mit Acten Stücke belegte nähre Nachricht davon mitteilen zu können. Bis dahin mag diese obrigkeitliche Bekanntmachung genug seyn, auch Auswärte vor diesem, ärger als alle Lotto’s seienden GlückSpiele, zu warnen.
Der Erlass von 1789 hob deutlich hervor, dass sich beim Betrieb der Sterbekassen zahlreiche Missbräuche eingestellt hatten:477 völkerung gegen die privaten Leichenkassen, keinen Erfolg und die Sozietät erreichte die zur Eröffnung notwendige Anzahl von Mitgliedern nicht (vgl. Fiedler, Die Geschichte, S. 29–34). 472 Vgl. Koch, Nürnberger Versicherungswesen. S. 270. 473 Eine der ersten bekannten Bremer Sterbekassen war der 1711 gegründete „Todten-laden Soli deo Gloria“ (Koch, Versicherungsplätze, S. 94; Vesper, Die Sterbekassen, S. 132). 474 Vesper, Die Sterbekassen, S. 39; Koch, Versicherungsplätze, S. 94. 475 Erlass vom 21. März 1789, abgedruckt in: Schlözer, Staats-Anzeigen, XIII. Bd., 1789, S. 77–83; Vesper, Die Sterbekassen, S. 36–39; Neumann, Die Sterbegeldversicherung, S. 87–88. 476 Schlözer, Staats-Anzeigen, XIII. Bd., 1789, S. 77–78. 477 Einleitung des Erlasses von 1789 (Schlözer, Staats-Anzeigen, XIII. Bd., 1789, S. 78; Vesper, Die Sterbekassen, S. 37; Neumann, Die Sterbegeldversicherung, S. 88).
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Es ist allgemein bekannt, welchergestalt bei den sich immer häufenden Einrichtungen von sogenannten TodtenCassen, SterbeDenkThaler- und TrauerPfennigsGesellschaften, der eigentliche Endzweck, um unvermögenden Personen die Verpflegung auf dem SterbeLager, und bei ihrem Ableben die Beerdigungskosten, damit zu verschaffen, aus den Aigen gesetzt, im Gegenteil durch den Zusammenschluß Teilnemender Interessenten ein Gewinn gesucht, und ein ordentlicher SpeculationsHandel getrieben wird; wenn nicht blos auf seine eigene Person, sondern auch auf den Namen anderer angeworbener, der Absicht entsprechender Leute, in so viel Cassen als möglich, Actien bezeichnet, und bei deren Absterben große Capitalien eingezogen werden. – Die vielfältige, zugleich eingerissene Misbräuche, und ausgeübte schändliche Kunstgriffe durch Erschleichung, Zerstümmelung und Verfälschung der Geburts-, Gesundheits, Receptions-, und TodtenScheine, sind nicht weniger bekannt.
Um diesen Zustand zu beseitigen, legte der Erlass zunächst im 1. Punkt fest, dass: die bisher hier bewilligten SterbeCassen unter eine obrigkeitliche Inspection gesetzt werden, um deren bisheriges eigenmächtiges Verfahren einzuschränken, und denenjenigen, welche dadurch sich beschwert findet, die Hilfe angedeihen zu lassen.
Nach der Festlegung der Pflicht für alle bereits bestehenden Sterbekassen, sich einer obrigkeitlichen Inspektion zu unterwerfen, wurde im 2. Punkt des Erlasses auch deutlich gemacht, dass nur die von der Regierung genehmigten Sterbekassen ihr Geschäft weiter betreiben durften, da: keine andere, als obrigkeitlich zugestandene Gesellschaften dieser Art, hieselbst geduldet werden sollen.
Mit dem Erlass von 1789 wurde also auch in Bremen eine staatliche Aufsicht über die Sterbekassen eingeführt, mit dem ausdrücklich angekündigten Ziel, die Missbräuche in dieser Versicherungsbranche zu beseitigen. Auch in diesem Fall, wie in Preußen,478 waren es also die Fehlverhalten und die Betrugsversuche seitens der Versicherer, die die Einführung einer ersten Form der Versicherungsaufsicht veranlassten.479 Der Bremer Erlass von 1789 hatte später einen Einfluss auf die versicherungsaufsichtsrechtliche Gesetzgebung einiger anderer deutscher Staaten,480 zum Beispiel auf die Verordnung von Hamburg vom 7. April 1813,481 die nach Ansicht der Rechtslehre neben der französischen Gesetzgebung und dem preußischen A. L. R. auch von diesem Erlass beeinflusst wurde.482 Bezüglich der bremischen versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschriften aus dem 19, Jahrhundert wird auf den entsprechenden Abschnitt nach unten verwiesen.483 478
S. oben C. V. 1. a) aa). Neumann, Aus den Urkunden, S. 1203. 480 Koch, Versicherungsplätze, S. 94. 481 S. unten C. V. 2. c) aa). 482 Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 97–99. 483 S. unten C. V. 2. c) bb). 479
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
d) Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg (Sterbekassen) Die zahlreichen und verschiedensten Missbräuche, die im 18. Jahrhundert die Verwaltung der Sterbekassen gekennzeichnet hatten,484 ereigneten sich auch im Kurfürstentum Braunschweig und brachten die Regierung dazu, einzuschreiten und drastische Maßnahmen zu ergreifen. Auch in diesem Fall reagierte der Staat mit der Einführung versicherungsaufsichtsrechtlicher Vorschriften. Folglich lassen sich die Anfänge einer Versicherungsaufsicht auch in Kur-Braunschweig bereits auf das Ende des 18. Jahrhunderts datieren. Am 27. März 1789, wenige Tage nach dem Erlass von Bremen,485 wurde auch in Hannover eine Verordnung bezüglich der Sterbekassen verabschiedet.486 Diese Verordnung verbot das Betreiben inländischer „Todtenkassen, Sterbe-, Denkthaler- und Trauerpfennigsgesellschaften, und diesen ähnliche Institute“, „so wie das Colligiren für alle auswärtigen“, wenn diese ohne ausdrückliche obrigkeitliche Genehmigung erfolgten. Alle ohne Genehmigung errichteten Kassen oder Institute waren „gänzlich aufzuheben und zu verbieten“. Der Grund dieser Vorschrift war auch in diesem Fall in der Prämbel erwähnt:487 Es sind in den neueren Zeiten, sowol in den hiesigen Landen, als auch in den benachbarten fremden Provinzen mehrere sogenannte Todtenkassen, Sterbe-, Denkthaler- und Trauer pfenningesellschaften errichtet worden, welche außerdem, daß sie fast insgesamt auf unrichtige den Untergang der Institute über kurz oder lang von selbst notwendig nach sich ziehende Berechnungen gegründet sind, wegen der beträchtlichen Vortheile, die sich die Unternehmer auf jeden sich ereignenden Sterbefall ausbedungen haben, und der sich darauf beziehenden Nachsicht und Sorglosigkeit bei den Beweisen des Gesundheitszustandes der aufgenommenen Mitglieder, und wegen des darin erlaubten, in mancher Rücksicht bedenklichen und verderblichen Spiels auf das Leben einer dritten Person zu gefährlichen Betrügereien und manchem andern unerlaubten Unfug Veranlassung gegeben haben, und solchergestalt in höchst schädliche Hazardspiele ausgeartet sind. […] so können Wir auf der andern Seite doch auch keinesweges gestatten, daß unter diesem letzteren Vorwande solche Institute geduldet werden, durch deren Vorschub Unwissenheit und Unerfahrenheit gemißbraucht und List und Betrug auf eine ungerechte Weise bereichert werden.
Der Verstoß gegen das Verbot, Sterbekassen oder ähnliche Kassen ohne Genehmigung zu errichten und zu betreiben, wurde schwer bestraft, und zwar mit einer sehr hohen Geldstrafe (50 Thaler) oder einer „zu bestimmenden empfind 484
S. oben C. V. 1. S. oben C. V. 1. c). 486 Verordnung vom 27. März 1789, abgedruckt in: Hannoverische Anzeigen vom Jahre 1789, Stück 30, Sp. 593–596. Über diese Verordnung s. Neumann, Aus den Urkunden, S. 1203; Vesper, Die Sterbekassen, S. 41–43. 487 Verordnung vom 27. März 1789, Einleitung (Hannoverische Anzeigen vom Jahre 1789, Sp. 593–595). 485
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lichen Leibesstrafe“, die die Verordnung für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Übertreters vorsah.488 Der Gesetzgeber machte am Ende der Verordnung jedoch klar, dass, da es keine Absicht seitens der Obrigkeit gab, die Bürger daran zu hindern, bei Todesfällen für die Hinterbliebenen zu sorgen, es weiter verfügt wurde, eine Sterbekasse „mit unserer Genehmigung und unter obrigkeitlicher Aufsicht“ zu gründen. Diese Sterbekasse sollte die „von Sachkundigen nach richtigen Grundsätzen berechnete, und entweder auf ein, ein für allemal, zu erlegendes Capital, oder auf jährliche bestimmte Beiträge reducirte Sterbekasse unter allen sonst zugleich nöthigen Vorschriften errichtet werden“.489 Die Verordnung von 1789 zeigt, wie das Kurfürstentum Braunschweig ein weiteres klares Beispiel dafür ist, dass die Missstände, die am Ende des 18. Jahrhunderts die Sterbekassen gekennzeichnet hatten, ein solches Ausmaß angenommen hatten, dass die Regierungen dazu gezwungen waren, einzugreifen und eine staatliche Aufsicht einzuführen, um ihre Untertanen (und dadurch wiederum indirekt ihre eigene Macht) zu schützen.490
2. Ein Überblick über die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen der deutschen Staaten im 19. Jahrhundert Waren bereits am Ende des 18. Jahrhunderts erste aufsichtsrechtliche Vorschriften in der Gesetzbebung einiger deutscher Staaten zu finden,491 muss eine Reise durch die Ursprünge der modernen Aufsicht über das Versicherungswesen auch einen Blick auf die Gesetzgebung aus dem 19. Jahrhundert werfen, um vollständig zu sein. Im Laufe des 19. Jahrhunderts breiteten sich nämlich obrigkeitliche Kontrolle und staatliche Aufsicht über Versicherungsunternehmungen stark in Deutschland aus. Diese Gesetzgebung ist zwar in der Literatur bereits detailliert
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Verordnung vom 27. März 1789 (Hannoverische Anzeigen vom Jahre 1789, Sp. 595–596). Verordnung vom 27. März 1789, Einleitung (Hannoverische Anzeigen vom Jahre 1789, Sp. 596). 490 In der Literatur wird von zwei weiteren Vorschriften berichtet, die die Braunschweigische Regierung kurz nach der Verordnung von 1789 aufgrund der noch bestehende Missbräuche bei Sterbekassen verabschiedet hätte, und zwar zwei Erlasse aus dem Jahr 1792, einer bezüglich der Livree-bedienten-Todtenkasse und einer bezüglich der Todtenkasse der Stadt Oldendorf. Für die erste Kasse sei festgelegt worden, dass die Sterbegelder nur an die nächsten Erben ausbezahlt werden sollten, unabhängig davon wer der Inhaber der Kassenbücher war, da diese oft versetzt wurden. Was die andere Kasse betrifft, habe die Regierung eine sehr genaue Prozedur für die Eintragung der Geburts- und Gesundheitsscheine der Mitglieder verlangt, da mehrere vorausgegangene Todesfälle unter dem Verdacht standen, einen Betrug zu verschleiern (Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 174–175; Vesper, Die Sterbekassen, S. 43–44). Von diesen beiden Erlassen konnte leider keine Originalquelle gefunden werden. 491 S. oben C. V. 1. 489
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
erforscht worden, sie wird hier aber dennoch geschildert, um die Entwicklung bis zur modernen Versicherungsaufsicht umfassend zu erläutern. Im 19. Jahrhundert nahm in Deutschland die Anzahl privater Versicherungen zu,492 was oft einerseits mit der Gründung unsolider Versicherungsaktiengesellschaften, andererseits mit einer immer wichtigeren Rolle ausländischer Versicherer verbunden war.493 Dies hatte eine Erhöhung des Bedarfs an obrigkeitlicher Aufsicht über diese Wirtschaftsbranche zur Folge, da „mit dem Beginn des modernen Versicherungswesens […] auch die Entwicklung der Staatsaufsicht in regelrechterer Weise, wie seither, gefordert werden“ musste.494 Die Vorschriften, die im 19. Jahrhundert in mehreren deutschen Staaten verabschiedet wurden, betrafen verschiedene Versicherungszweige aber insbesondere das Feuerversicherungswesen. Die Gründe dafür waren zum einen die größere Verbreitung dieses Versicherungszweigs im 19. Jahrhundert im Vergleich zu den anderen, zum anderen das Misstrauen der Regierungen gegen die Feuerversicherung und insbesondere gegen die Mobiliarversicherung, aufgrund des hohen Risikos von Betrügereien und Missbräuchen seitens aller Beteiligten (Versicherungsgeber, Versicherungsnehmer und Agenten).495 In der allgemeinen Vorstellung war „jemand, der sein Mobiliar gegen Feuer versicherte, ein potentieller Brandstifter“496 und auch gegen Agenten war das Misstrauen groß, sodass diese sogar als „geborene Begünstiger der Brandstiftungen“ bezeichnet wurden.497 Aus diesem Grund führten im 19. Jahrhundert mehrere Regierungen im Bereich der Feuerversicherung aufsichtsrechtliche Maßnahmen ein, die an alle Beteiligten eines Versicherungsgeschäfts gerichtet waren. Preußen ist der Staat, der in der Literatur als Vorreiter bei der Entwicklung der deutschen Versicherungsaufsicht gilt und die preußische Gesetzgebung wird stets als Vorbild für die deutschen aufsichtsrechtlichen Vorschriften gesehen. Im 19. Jahrhundert waren aber auch in verschiedenen anderen deutschen Staaten aufsichtsrechtliche Maßnahmen anzutreffen. In den meisten Fällen waren die aufsichtsrechtlichen Vorschriften so gestaltet, dass sie ein Konzessionssystem verbunden mit einer Präventivkontrolle darstellten.498 Einige deutsche Staaten gewährten 492
S. oben C. I. 3. Burger, Einfluß, S. 10. Vgl. Büchner, Die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung, S. 4 und S. 7. 494 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 29. 495 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 30 und S. 38. 496 Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 42; vgl. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 30. 497 Württembergische Feuerversicherung AG, Denkschrift zur Hundertjahrfeier, S. 78; vgl. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 31. 498 S. unten C. V. 2. b). Die Präventivkontrolle hatte als Ziel die Vermeidung und Verfolgung von Straftaten und wurde von Tigges als „polizeistaatliche Überreaktion“ bezeichnet, im Vergleich zu England im 18. Jahrhundert, wo trotz Missbräuchen die Versicherungsbranche grundsätzlich frei von obrigkeitlicher Kontrolle blieb (Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 30). 493
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
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dem Versicherungswesen dagegen eine größere Freiheit und etablieren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kein echtes versicherungsaufsichtsrechtliches System.499 Zunächst wird die sehr umfangreiche preußische Gesetzbebung aus dem 19. Jahrhundert geschildert, danach wird auch ein Überblick über die aufsichtsrechtlichen Gesetzgebungen anderer deutscher Staaten aus dem 19. Jahrhundert gegeben. a) Preußen Im Königreich Preußen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts verschiedene versicherungsaufsichtsrechtliche Bestimmungen verabschiedet, die mehrere Aspekte des Versicherungswesens betrafen. aa) Kabinettsorder vom 29. September 1833: Witwen-, Sterbe- und Aussteuerkassen Die erste Vorschrift, die zu erwähnen ist, ist die Allerhöchste Kabinettsorder vom 29. September 1833 bezüglich Witwen-, Sterbe- und Aussteuerkassen.500 Durch diese Vorschrift wurde die Konzessionspflicht, die bereits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bestand501 und auch im A. L. R. enthalten war,502 „wieder aufgefrischt und ferner bestimmt“.503 Die Kabinettsorder bestätigte, dass für die Gründung dieser Kassen504 eine „landesherrliche Genehmigung“ notwendig war, und präzisierte zudem, dass diese Genehmigung vom Oberpräsidenten bzw. vom Minister des Innern und der Polizei zu erteilen war, je nachdem, in welchem Bezirk die zu gründende Kasse tätig sein wollte und welche Mitglieder sie hatte.505 Die Kabinettsorder bestätigt ein weiteres Mal, wie deutsche Witwen-, Sterbe- und Aussteuerkassen Nährboden für Missbräuche waren und wie die Zustände in diesem Bereich noch im 19. Jahrhundert einen Eingriff des Staates notwendig machten. 499
S. unten C. V. 2. c). Allerhöchste Kabinettsorder vom 29. September 1833, abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1833, Stück 18, Nr. 1464, S. 121; Mannkopff, Ergänzungen und Abänderungen, I. Bd., I. Teil, 11. Titel, S. 213; Ergänzungen und Erläuterungen zum Allgemeinen Landrecht, S. 816–817. Zu dieser Kabinettsorder s. Kummer, Die Gesetz gebung, S. 48–49; Jacobi, Beiträge, S. 13; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 51–53; Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 134–135; Burger, Der Einfluß, S. 19; Tigges, Geschichte S. 28–29; Koch, Bilder zur Versicherungsgeschichte, Nr. 560, S. 215. 501 S. oben C. V. 1. a) aa). 502 S. oben C. V. 1. a) bb). 503 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 51. 504 Die Kabinettsorder von 1833 machte zudem klar, welche Anstalten als Sterbekassen klassifiziert werden konnten, und zwar diejenigen „aus welchen für den Sterbefall eines Mitgliedes der Gesellschaft eine Zahlung zu irgend einem Zwecke zu leisten ist“. 505 Vgl. Jacobi, Beiträge, S. 12. 500
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
bb) Gesetz über das Mobiliar-Feuer-Versicherungswesen Ein weiterer Versicherungsbereich, in dem der preußische Staat im 19. Jahrhundert seine Aufsicht durch verschiedene Vorschriften ausbaute, ist das Feuerversicherungswesen. Zuerst griff die preußische Regierung in das Mobiliarfeuerversicherungswesen ein. Die Anfänge des privaten Mobiliarfeuerversicherungswesens im Königreich Preußen gehen auf den Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Ab dem Jahr 1820 erfuhr Preußen eine Ausbreitung privater, meistens ausländischer Gesellschaften, die in dieser Versicherungsbranche tätig waren.506 Unter der Bezeichnung „ausländisch“ waren alle nicht einheimischen Versicherungen zu verstehen, inklusive derjenigen, die aus anderen deutschen Staaten stammten.507 Die preußische Regierung duldete diese nicht inländischen Gesellschaften zunächst, nach den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts schien ein Eingriff des Staates in diese Wirtschaftsbranche jedoch notwendig geworden zu sein.508 Einerseits weil es Schwierigkeiten für die preußischen Versicherungsnehmer gab, ausländische Versicherungsgesellschaften außerhalb Preußens zu verklagen, da die Rechtsstreite sehr kosten- und zeitaufwändig waren. Andererseits weil sich der Gedanke verbreitete, dass es für den Staat vorteilhafter sei, inländische Versicherungsgesellschaften zu fördern, um das Geld der Versicherungssummen nicht ins Ausland abfließen zu lassen.509 Hinzu kommt, dass die Mobiliarversicherungsbranche am Anfang des 19. Jahrhunderts so sehr durch Missstände, insbesondere durch die verbreiteten „unsoliden und mißbräulichen Geschäftspraktiken“510 aber auch aufgrund betrügerischen Verhaltens der Versicherten, gekennzeichnet war, dass einige Provinzialregierungen und Kommunen (wie zum Beispiel Königsberg und Stettin) polizeiliche Maßnahmen eingeführt hatten511 506
Brüggemann, Die Mobiliar-Versicherung, S. 3; Atzpodien, Die Entwicklung, S. 12–13. Während am Anfang des 19. Jahrhunderts nur zwei private Versicherungen das Mobiliarfeuerversicherungsgeschäft in Preußen betrieben, gab es 1830 bereits 31 private Gesellschaften, die in diesem Bereich tätig waren (Brüggemann, Die Mobiliar-Versicherung, S. 4; Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 132; Atzpodien, Die Entwicklung, S. 12–14). Jacobi berichtete, dass im Jahr 1837 in Preußen 27 ausländische Feuerversicherungsgesellschaften tätig waren (Jacobi, Beiträge, S. 13). 507 Statt vieler: Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 51. Nur Bayern, Württenberg, Oldenburg und Elsaß-Lothringen behandelten sich gegenseitig nicht als „Ausland“ (Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 9; vgl. Burger, Der Einfluß, S. 22). 508 Bergmann, Geschichte, S. 61. 509 Bergmann, Geschichte, S. 61; Atzpodien, Die Entwicklung, S. 15. 510 Atzpodien, Die Entwicklung, S. 21. 511 Mit dem Erlass des Königlichen Polizei-Präsidenten zu Königsberg an die Vertreter der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt vom 3. März 1819 (abgedruckt in: Berlinische Feuer-Versicherungs-Anstalt, Denkschrift, S. 30–31) wurde die Pflicht für die Agenten festgelegt, „der Orts-Polizei-Behörde jedesmal ungesäumt davon Anzeige zu machen, wenn Ortseinwohner Mobilien gegen Feuergefahr versichern lassen“. Das ausdrücklich genannte Ziel dieses Erlasses war „den Mißbräuchen, welche in einigen Gegenden durch übertriebene Versicherung von Mobilien bei Privat-Feuer-Assecuranz-Anstalten stattgefunden haben, Einhalt zu thun“. Der Erlass der Königlich Preußischen Regierung in Stettin an die Berlinische Feuer-Versi-
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und die preußische Regierung selbst schon im Jahr 1823 ein Gutachten zu den Missbräuchen bei der „Versicherung des Mobiliarvermögens“ erstellen ließ.512 Die erste Vorschrift aus dem 19. Jahrhundert bezüglich dieses Versicherungszweigs, die aus einem aufsichtsrechtlichen Standpunkt wichtig ist, ist das Gesetz über das Mobiliar-Feuer-Versicherungswesen von 1837.513 Das Ziel dieses Gesetzes war in seiner Präambel zusammengefasst, da es ausdrücklich „zur Abwendung von Missbräuchen bei der Versicherung von Gegenständen des Mobiliar-Vermögens gegen Feuergefahr“ verabschiedet wurde. Die Gründe hinter dem Gesetz wurden auch in der begleitenden Ministerial-Instruktion vom 10. Juni 1837 deutlich erklärt:514 Das Gesetz vom 8. Mai d. J. über das Mobiliar-Versicherungswesen hat seine Entstehung gefunden in der Nothwendigkeit, den Mißbräuchen Einhalt zu thun, zu denen eine allzu große Ungebundenheit der Mobiliar-Feuerversicherung geführt hatte. Der Mangel an genügender Kontrolle hat die Möglichkeit einer Ueberversicherung möglich gemacht, und erzeugte diese auch nicht immer den Weg zum Verbrechen, so verminderte sie doch in einem bedenklichen Grade Vorsicht und Aufmerksamkeit. In einigen Provinzen war dies so sehr bemerkbar geworden, daß die Regierungen dem Uebel durch verschiedenartige, in der bestehenden Gesetzgebung mehr oder minder begründete Maßregeln entgegenzutreten versucht hatten; theils aber blieb dies unauslänglich, theils führte es zu einer nachtheiligen Verschiedenartigkeit des Zustandes. Das neue Gesetz beseitigt diese Mängel; es ertheilt den Behörden die nöthigen Ermächtigungen zur strengen Beaufsichtigung eines wichtigen und immer mehr sich ausdehnenden Geschäftes; es will aber das Publikum keinen größeren Beschränkungen unterwerfen, als sie zur Erreichung dieses Zweckes unumgänglich nöthig sind.
cherungs-Anstalt vom 4. Juni 1819 (abgedruckt in: Berlinische Feuer-Versicherungs-Anstalt, Denkschrift, S. 31) legte fest, dass eine Versicherung gegen Feuergefahr „für Pächter, Müller, Bauern, Kolonisten und Kossäthen“ nur übernommen werden konnte, wenn „die Richtigkeit der Aufgaben der zu versichernden Gegenstände und des für selbige angenommenen Werthes durch ein Zeugnis der Landräthlichen Behörde bescheinigt“ wurde. S. auch Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 28. 512 „Gutachten der vereinigten Abtheilungen des Königlichen Staatsrathes für die Inneren und Justiz-Angelegenheiten für die Gewerbe- und Handelsangelegenheiten über die Verordnung zur Verhütung der Mißbräuche, welche die Versicherung des Mobiliarvermögens bei den Privat-Feuer-Sozietäten herbeiführen kann“ vom 11. November 1823, in: Koch, Bilder zur Versicherungsgeschichte, Nr. 560, S. 215. S. auch Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 28. 513 Gesetz über das Mobiliar-Feuer-Versicherungswesen vom 8. Mai 1837 abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1837, Stück 13, Nr. 1807, S. 102– 108. Das Gesetz zusammen mit der begleitenden Ministerial-Instruktion auch abgedruckt in: Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 136–184. 514 Ministerial-Instruktion vom 10. Juni 1837 abgedruckt in separaten Teilen in: Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 136, 140, 144–145, 151, 153–155, 163–165, 170–172 (136). Die Notwendigkeit, Missbräuchen beim Feuerversicherungswesen „Einhalt zu thun“, als Grund des Gesetzes von 1837 wurde auch im Cirkular-Rescript des Ministeriums des Innern vom 27. Mai 1861 wiederholt (s. unten C. V. 2. a) kk)).
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Um Lösungen für die Missbräuche sowohl seitens der Versicherten als auch seitens der Versicherungsgesellschaften zu schaffen, führte der preußische Gesetzgeber zahlreiche aufsichtsrechtliche Maßnahmen ein. Was die Versicherten betrifft, verbot das Gesetz das Abschließen von Versicherungen über eine Summe höher als den Wert des Versicherungsgegenstandes (§ 1) und von Doppelversicherungen (§ 2). Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften und die eventuelle Verminderung der Versicherungssummen innerhalb der Obergrenze des zugelassenen Wertes war Aufgabe der „Orts-Polizei-Behörde“,515 die dafür ein Einsichtsrecht in die Policen und in die Bücher der Versicherungsgesellschaften bekam (§ 4). Ein Einsichtsrecht der Polizeibehörde in die Bücher der Versicherten war außerdem im Falle von Versicherungen „bei Waa renlägern, großen Naturalien-Vorräthen und ähnlichen Gegenständen, welche zum Verkauf oder zum Verbrauch zusammengebracht zu werden pflegen, und deren Bestand nach Größe und Werth daher einem steten Wechsel unterworfen ist,“ vorgesehen, „um sich von der gehörigen Anlegung und Fortführung zu überzeugen“ (§ 5). Das Gesetz von 1837 enthielt außerdem einige Maßnahmen bezüglich Agenten und ausländischer Mobiliarfeuerversicherungen, um die Versicherten gegen Betrügereien und Fehlverhalten der Versicherungsgesellschaften zu schützen. Das Gesetz legte zunächst fest, dass Versicherungen bei ausländischen Mobiliarfeuerversicherungsgesellschaften nur durch die „Vermittlung eines bestätigten, inländischen Agenten“ abgeschlossen werden durften (§ 3), unter Androhung einer Geldstrafe im Falle der Missachtung dieser Vorschrift (§ 25). Für alle Agenten von Mobiliarfeuerversicherungen führte das Gesetz eine Konzessionspflicht ein, indem es festlegte, dass, um als Agent tätig sein zu dürfen, eine „Bestätigung“ des Wohnsitzes durch die Regierung notwendig sei (§ 7 und 9), die nur „Personen von gutem Ruf und Zuverlässigkeit“ und mit Wohnsitz in Preußen erteilt werden konnte (§ 8). Diese „Bestätigung“ konnte jederzeit widerrufen werden (§ 10). Zudem waren die Agenten dazu verpflichtet, Bücher zu führen, die dem Einsichtsrecht der Polizeibehörde unterlagen (§ 13). Eine Konzessionspflicht wurde durch das Gesetz von 1837 auch für ausländische Mobiliarfeuerversicherungen eingeführt. Zum Geschäftsbetrieb benötigten sie die Erlaubnis des Ministeriums des Innern und der Polizei, die jederzeit widerrufen werden konnte (§ 6). Diese Maßnahme hatte als Ziel hauptsächlich den Schutz einheimischer Versicherungsgesellschaften gegen die ausländische Konkurrenz und schien Erfolg zu haben, da sich infolge ihres Inkrafttretens die Anzahl ausländischer Feuerversicherungsgesellschaften in Preußen um zwei Drittel reduzierte.516
515
Burger betont, wie bis Mitte des 19. Jahrhunderts der Begriff „Polizei“ für „die gesamte Staatstätigkeit, d. h. die öffentliche Verwaltung, insbesondere die der Gefahrenabwehr entgegengesetzte Tätigkeit“, verwendet wurde (Burger, Der Einfluß, S. 20). 516 Von 27 ausländischen Feuerversicherungsgesellschaften, die bis dahin in Preußen tätig waren (s oben Fn. 506), blieben nur neun im Geschäft (Jacobi, Beiträge, S. 13; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 36; vgl. Kummer, Die Gesetzgebung, S. 49).
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Schließlich wurde mit dem Gesetz von 1837 auch eine polizeiliche Präventivkontrolle über das Mobiliarfeuerversicherungswesen eingeführt, die sich in der Befugnis der „Polizei-Obrigkeit“ verkörperte, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen. Diese war von den Agenten vor dem Aushändigen von Policen oder Prolongationsscheinen517 einzuholen und konnte erst ausgestellte werden, nachdem die „Polizei-Obrigkeit“ des Wohnorts des Versicherungssuchenden den Versicherungsantrag, die damit verbundene Deklaration des Versicherungsnehmers und die Angemessenheit des Versicherungsbetrages überprüft hatte, was auch „durch Besichtigung an Ort und Stelle oder durch andere ihr dienlich scheinende Mittel“ erfolgen konnte (§ 14). Die gleiche Pflicht zur Einholung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung galt für inländische Versicherungsgesellschaften, die einen Versicherungsvertrag ohne Vermittlung eines Agenten abschließen wollten (§ 15). Das Ziel dieser Präventivkontrolle wurde in der Ministerial Instruktion vom 10. Juni 1837 deutlich gemacht:518 In der gehörigen Prüfung der Versicherungs-Anträge soll die hauptsächlichste Garantie gefunden werden gegen die aus leichtfertigen Versicherungen zu besorgenden Nachtheile und gegen strafbare Absichten der Versicherungsuchenden. Die Königl. Regierung hat daher die Polizeibehörden auf die genauste Beobachtung der deshalb ertheilten Vorschriften aufmerksam zu machen.
Darüber hinaus führte das Gesetz von 1837 auch eine „nachträgliche Kon trolle“519 ein: Der Versicherte konnte erst die Entschädigung bekommen, wenn die örtliche Polizeibehörde binnen acht Tagen nach der Anzeige bezüglich Feststellung und Höhe der Entschädigungssumme keinen Einspruch gegen die Auszahlung eingelegt hatte (§ 18).520 cc) Allerhöchste Kabinettsorder von 1841: Immobiliarfeuerversicherungswesen Wenige Jahre später griff die preußische Regierung auch in das Immobiliarfeuerversicherungswesen ein. In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts waren viele private Gesellschaften auch in dieser Versicherungsbranche tätig geworden, was die Notwendigkeit einer staatlichen Kontrolle schuf.521 Aus diesem Grund wurde 517
In der Ministerial Instruktion vom 10. Juni 1837 wurde klargemacht, dass „unter dem Ausdruck „Policen“ oder „Prolongationsschein“ jedes Versicherungs-Dokument verstanden wird, welchen Namen es auch führen möge“ (s. oben Fn. 514: Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 155). 518 Auszug aus der Ministerial-Instruktion vom 10. Juni 1837 (s. oben Fn. 514: Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 153–154). 519 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 52. 520 Über diese Vorschrift s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 52–53; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 29, Fn. 83. 521 Stündt, Empfiehlt sich, S. 43–45.
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am 30. Mai 1841 die Allerhöchste Kabinettsorder verabschiedet,522 die die Vorschriften des Gesetzes vom 8. Mai 1837 bezüglich der Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 14 und § 15)523 auf inländische und ausländische Immobilien-Feuerversicherungsgesellschaften erweiterte. Durch diese Vorschrift wurde also zum Betreiben der Immobilienfeuerversicherung eine Präventivkontrolle erforderlich, mit der Pflicht für Agenten und Versicherungen (im Falle eines Vertragsabschlusses bei inländischen Versicherern ohne Vermittlung eines Agenten) eine polizeiliche Erklärung bezüglich der Unbedenklichkeit von Policen und Prolongationsscheinen zu erhalten. dd) Gesetz über die Aktiengesellschaften von 1843 und Ministerial-Instruktion von 1845 Das Gesetz über die Aktiengesellschaften vom 9. November 1843524 betraf alle Aktiengesellschaften, unabhängig von der Wirtschaftsbranche in der sie tätig waren, somit also auch die Versicherungsaktiengesellschaften. Dieses Gesetz hob das Octroi-Verfahren auf, indem es das Konzessionsprinzip für alle Aktiengesellschaften einführte (§ 1): Aktiengesellschaften mit den im gegenwärtigen Gesetze bestimmten Rechten und Pflichten können nur mit landesherrlicher Genehmigung errichtet werden. Der Gesellschaftsvertrag (das Statut) ist zur landesherrlichen Bestätigung vorzulegen.
Die Genehmigung hatte für die Gesellschaft als Folge die Erlangung der Eigenschaften einer juristischen Person (§ 8) und konnte jederzeit vom Landesherren widerrufen werden, eventuell aber gegen eine Entschädigung (§ 6 und § 7). Auch jede Veränderung und Verlängerung des Gesellschaftsvertrages musste genehmigt werden (§ 4). Die Konzessionspflicht fand, wie gesagt, auf alle Versicherungen Anwendung, die die Form der Aktiengesellschaft hatten, während bis zu diesem Zeitpunkt nur ausländische Mobiliar-Feuerversicherungen dazu verpflichtet gewesen waren, eine obrigkeitliche Erlaubnis einzuholen, um ihre Geschäfte in Preußen betreiben zu dürfen.525 Die Einführung der Konzessionspflicht für Aktiengesellschaften in Preußen erfolgte nach Ansicht der Rechtslehre aufgrund des Vorbildes des französischen Code de Commerce aus dem Jahr 1807, der für die Gründung von Ak 522
Allerhöchste Kabinettsorder vom 30. Mai 1841, abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1841, Stück 10, Nr. 2172, S. 122. Über diese Kabinettsorder s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 53; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 49. 523 S. oben C. V. 2. a) bb). 524 Gesetz vom 9. November 1843, abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1843, Stück 31, Nr. 2391, S. 341–346. 525 Gesetz vom 8. Mai 1837, § 6 (s. oben C. V. 2. a) bb)).
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tiengesellschaften eine spezielle Erlaubnis der Staatsregierung vorsah (Art. 37).526 Das Gesetz von 1843 wurde nach der Meinung mehrerer Autoren auch von der inländischen Gesetzgebung beeinflusst, insbesondere vom A. L. R.: Einerseits löste das Gesetz über die Aktiengesellschaften „das Octroi-Verfahren durch das Konzessionssystem“ ab,527 andererseits „baute“ es „offensichtlich auf dem A. L. R. auf“,528 insbesondere auf dem § 25 im II. Teil, VI. Titel des Allgemeinen Landrecht. Diese Vorschrift des A. L. R. bezog sich auf das Octroi-Verfahren und unterwarf die Verleihung der staatlichen Genehmigung der Feststellung eines gemeinnützigen Zwecks der zu genehmigenden Gesellschaft.529 Nach dem Gesetz von 1843 war die Gemeinnützigkeit des Zwecks einer Gesellschaft zwar keine Bedingung für die Erteilung der Konzession mehr, der Widerruf der Konzession konnte aber „aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls“ erfolgen (§ 6).530 In der Literatur ist allerdings betont worden, dass sich mit dem Gesetz von 1837 die Situation der Versicherungsunternehmen im Wesentlichen nicht änderte und die bis dahin übliche Praxis, die Form einer staatlichen Beaufsichtigung der Versicherungsgesellschaften ggf. in den Konzessionsurkunden festzulegen, weiterhin Bestand hatte.531 Eine spätere Ministerial-Instruktion von 1845532 präzisierte die Bedingungen für die Konzessionierung einer Gesellschaft, indem sie diese der Bedürfnisprüfung (d. h. der Berücksichtigung des Bedürfnisses an Versicherungen, das die Be-
526 Code de Commerce von 1807 in französischer und deutscher Fassung in: Erhard, Handelsgesetzbuch; s. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 47. Auch zu berücksichtigen ist, dass die rheinischen Gebiete bis 1815 unter französischer Herrschaft standen und daher dort die französische Gesetzgebung Anwendung fand (Baums, Gesetz, S. 24–26; Atzpodien, Die Entwicklung, S. 15, Fn. 4). 527 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 46. Über das Octroi-Verfahren s. oben C. III. 2. 528 Bullinger, Staatsaufsicht in der Wirtschaft, S. 279, Fn. 75. 529 S. oben C. V. 1. a) bb). 530 Über diese Vorschrift s. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 47; Baums, Gesetz, S. 34. 531 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 47–48; vgl. Bullinger, Staatsaufsicht, S. 279. Die Haltung der Regierung gegenüber den Versicherungsgesellschaften war und blieb wechselhaft, da nur in einigen Konzessionsurkunde vorgesehen wurde, ob und in welcher Form die Gesellschaft einer staatlichen Aufsicht unterlag. In manchen Fällen wurde auch vorgesehen, dass diese staatliche Beaufsichtigung durch von der Regierung bestellte Kommissare erfolgen sollte. Die Bestellung von Kommissaren wurde 1852 mit dem Cirkular-Rescript vom 8. Juni 1852 (abgedruckt in: Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 78–79) ausdrücklich bestätigt. Darüber s. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 44 und S. 47. 532 Ministerial-Instruktion vom 22. April 1845, abgedruckt in: Doehl, Das VersicherungsWesen, S. 74–75. Diese Ministerial-Instruktion wird auch als „Circularverfügung an sämtliche Kgl. Oberpräsidenten, die Konzessionierung von Aktiengesellschaften betreffend“ vom 22. April 1845 zitiert (Bösselmann, Die Entwicklung, S. 73; Bullinger, Staatsaufsicht in der Wirtschaft, S. 279; Mestmäcker, Verwaltung, S. 18). Über diese Ministerial-Instruktion s. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 47–48; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 49; Maurer, Georg H., Über die Historische Entwicklung, S. 56; vgl. Bösselmann, Die Entwicklung, S. 73; Mestmäcker, Verwaltung, S. 18.
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völkerung eines bestimmten Ortes haben konnte)533 und der Bewertung des Aktienkapitals der Gesellschaft unterwarf. Der § I der Ministerial-Instruktion legte Folgendes fest: Der Antrag auf Genehmigung der Errichtung einer Aktiengesellschaft ist überhaupt nur dann zur Berücksichtigung geeignet, wenn der Zweck des Unternehmens: 1. an sich aus allgemeinen Gesichtspunkten nützlich und der Beförderung werth erscheint, und zugleich 2. wegen der Höhe des erforderlichen Kapitals, oder nach der Natur des Unternehmens selbst das Zusammenwirken einer größeren Anzahl von Theilnehmern bedingt oder doch auf diesem Wege eher und sicherer, als durch Unternehmungen Einzelner zu erreichen ist.
Bullinger hat hervorgehoben, dass der gemeinnützige Zweck einer Aktiengesellschaft oft in ihrem Statut betont wurde, in der Hoffnung, die Genehmigung mit höherer Wahrscheinlichkeit zu bekommen.534 ee) Allgemeine Gewerbeordnung von 1845: Konzessionspflicht für alle Ausländer Die Allgemeine Gewerbeordnung von 1845535 war an alle Gewerbe gerichtet, ist aber aus einem versicherungsaufsichtsrechtlichen Standpunkt trotzdem wichtig. Der § 18 des Gesetzes legte Folgendes fest:536 Ausländer dürfen, sofern nicht durch Staatsverträge ein Anderes bestimmt ist, nur mit Erlaubniß der Ministerien in Unsern Staaten ein stehendes Gewerbe betreiben.
Mit diesem Paragrafen wurde also eine Konzessionspflicht für alle Ausländer eingeführt, die ein Geschäft in Preußen betreiben wollten, und damit für Ausländer die Ausübung aller Gewerbetätigkeiten erschwert, mit der Absicht inländische Betriebe zu fördern und diese vor ausländischer Konkurrenz zu schützen.537 Diese Vorschrift betraf selbstverständlich auch alle ausländischen Agenten und kam noch erschwerend zu der damaligen Rechtslage hinzu, in der bereits die Möglichkeit bestand, dank der mit dem Gesetz über das Mobiliarfeuerversicherungswesen von 1837 eingeführten Konzessionspflicht für alle ausländischen Mobiliarfeuerversicherungen538 und der im Gesetz über die Aktiengesellschaften von 1843 vorgesehenen Konzessionspflicht für alle (Versicherungs)aktiengesellschaften,539 ausländische Versicherer aus dem Markt auszuschließen. 533
Burger, Der Einfluß, S. 19–20. Bullinger, Staatsaufsicht, S. 279, Fn. 75. 535 Allgemeine Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845, abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1845, S. 41–78. 536 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1845, S. 44. 537 Vgl. Luttenberger, Die Entwicklung, S. 483–484. 538 S. oben C. V. 2. a) bb). 539 S. oben C. V. 2. a) dd). 534
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Der § 18 der Allgemeinen Gewerbeordnung wurde dann durch das Gesetz vom 22. Juni 1861 geändert und damit die Konzessionspflicht für Agenten aufge hoben.540 ff) Allerhöchste Kabinettsorder von 1847: Bedürfnisprüfung für Agenten von Feuerversicherungsgesellschaften In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es übliche Praxis der preußischen Konzessionsbehörden bei allen Versicherungszweigen die Prüfung der Bedürfnisfrage als eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung durchzuführen.541 Gesetzliche Anerkennung fand die Bedürfnisprüfung bezüglich Agenten von Feuerversicherungen durch die Allerhöchste Kabinettsorder vom 5. Januar 1847, die festlegte, dass:542 das bisherige Verfahren, wonach bei der den Regierungen zustehenden Bestätigung von Agenten der Feuer-Versicherungs-Gesellschaften auch das für eine Vermehrung solcher Agenturen obwaltende Bedürfnis in Betracht gezogen werde und die Bestätigung derartiger Agenten versagt worden ist, wenn nach einer allgemeinen Würdigung der Verhältnisse des Orts und der Umgegend anzunehmen war, daß für die Bedürfnisse des Publikums durch die vorhandenen Agenturen bereits hinreichens gesorgt sei, auch ferner beibehalten werden sollte.
Die Bedürfnisprüfung wurde dann aber durch den Allerhöchsten Erlass vom 2. Juli 1859 wieder aufgehoben.543 gg) Erste Vorschrift in die Gegenrichtung: Verordnung vom 6. April 1848 Eine Gegentendenz zur Entwicklung in die Richtung einer allgemeinen Verschärfung der Kontrolle des Staates über die Versicherungen zeigte die Verordnung vom 6. April 1848,544 deren § 4, Abs. 2 lautete:
540
S. unten C. V. 2. a) jj). Jacobi, Beiträge, S. 13; Luttenberger, Die Entwicklung, S. 484; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 31 und S. 51. 542 Allerhöchste Kabinettsorder, betreffend die Prüfung des Bedürfnisses bei Konzessionierung von Agenten der Feuer-Versicherungs-Gesellschaften, vom 5. Januar 1847, abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1847, Stück 3, Nr. 2790, S. 32. Über diese Kabinettsorder s. Jacobi, Beiträge, S. 13; Luttenberger, Die Entwicklung, S. 484; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 31 und S. 51. 543 S. unten C. V. 2. a) jj). 544 Verordnung über einige Grundlagen der künftigen Preußischen Verfassung vom 6. April 1848, abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1848, S. 87–88. 541
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Eben so sind alle Preußen berechtigt, zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, sich ohne vorgängige polizeiliche Erlaubniß in Gesellschaften zu vereinigen.
Diese Aufhebung der polizeilichen Präventivkontrolle zeigte einen kleinen Schritt in Richtung Freiheit beim Betreiben von Geschäften, hatte jedoch meistens keine praktische Wirkung auf die Versicherungsunternehmen. Zum einen mussten die größeren Versicherungen zwangsläufig ihre Geschäfte durch Agenten betreiben, die weiterhin eine staatliche Zulassung brauchten, zum anderen waren alle Versicherungsaktiengesellschaften noch der Konzessionspflicht unterworfen. In beiden Fällen war die Existenz der Versicherungen selber immer noch vom Ermessen der Behörden abhängig. Nach Ansicht einiger Autoren konnten sich die Vorschrift vom 6. April 1848 nur kleine Gegenseitigkeitsversicherungen zu Nutze machen.545 hh) Preußisches Strafgesetzbuch: Konzessionspflicht für alle Versicherungen In dieser Darstellung der preußischen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen über das Versicherungswesen ist auch das Preußische Strafgesetzbuch von 1851546 zu berücksichtigen. Der § 340, Nr. 6 des Strafgesetzbuchs drohte mit einer Geldstrafe bis zu fünfzig Talern oder einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen Gefängnis, wer ohne Genehmigung der Staatsbehörde Aussteuer-, Sterbe- und Wittwenkassen oder anderen der gleichen Gesellschaften oder Anstalten errichtet, welche bestimmt sind, gegen Zahlung eines Einkaufsgeldes oder gegen Leistung von Geldbeiträgen, beim Eintritt gewisser Bedingungen oder Termine, Zahlungen an Kapital oder Renten zu leisten.
Mit dieser strafrechtlichen Vorschrift legte der Gesetzgeber zum ersten Mal die Notwendigkeit zur Einholung einer staatlichen Genehmigung fest, um jede Art Versicherung (oder jedes versicherungs-ähnliche Unternehmen) zu gründen. „Damit war erstmals ein speziell für Versicherungsunternehmungen geltendes Konzessionserfordernis aufgestellt worden“.547 Die Erste Kammer zur Prüfung des Strafgesetzbuches fügte hinzu, dass:548
545
Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 51; Jacobi, Beiträge, S. 13. Laut Jacobi wurden viele Gegenseitigkeitsversicherungen im Bereich der Lebens- und Feuerversicherung aufgrund der mit diesem Artikel festgelegten „Freiheit“ gegründet. 546 Preußisches Strafgesetzbuch vom 14. April 1851, abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1851, S. 101–178. 547 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 52; s. auch Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 54; Jacobi, Beiträge, S. 13; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 49. 548 Commissionsbericht der Ersten Kammer zur Prüfung des Strafgesetzes-Buchs wie zitiert in: Jacobi, Beiträge, S. 13.
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eine besondere staatliche Genehmigung aller solcher Kassen eine unleugbare, mehrere Garantie für ihre Solidität und Lebensfähigkeit darbiete.
Der Hintergrund dieser Vorschrift war laut dem Commissionsbericht der Zweiten Kammer zur Prüfung des Strafgesetzbuchs, dass:549 erfahrungsmässig solche Anstalten, welche durch Anbieten grosser Vortheile gegen geringe Beiträge eine grosse Anzahl von Theilnehmern, besonders aus der weniger wohlhabenden Bevölkerung herbeilocken, meistens nur zum Nutzen weniger Speculanten errichtet würden, selten die erforderlichen Garantien für ihre Lebensfähigkeiten enthielten, und dass die Straatsregierung vielfach um Ueberwachung angegangen wäre, dass sie sich auch nicht auf die Grenzen einzelner Gemeinden beschränkten, sondern ihre Wirksamkeit grade in weiten Kreisen suchten.
ii) Gesetz von 1853 zur Regelung des Geschäftsverkehrs zwischen den Versicherungsanstalten: Die Ausdehnung der Konzessionspflicht Die Konzessionspflicht wurde zwei Jahre später durch das Gesetz vom 17. Mai 1853550 auf alle bereits bestehenden Versicherungen erweitert, die ihr Geschäft in Preußen weiter betreiben wollten. § 1 des Gesetzes dehnte die Anwendung des § 340, Nr. 6 des preußischen Strafgesetzbuchs551 auf „Unternehmer von Versicherungsanstalten jeder Art, und ebenso auch auf diejenigen […], welche den Geschäftsbetrieb der vor dem 1. Juli 1851 errichteten, noch nicht genehmigten Anstalten fortsetzen,“ aus. Das Gesetz präzisierte auch, dass „die danach erforderliche Genehmigung der Staatsbehörde“ erst erteilt werden konnte, „wenn die Regierung sich von der Unbescholtenheit und Zuverlässigkeit des Unternehmers überzeugt“ hatte. Somit wurde die obrigkeitliche Genehmigung für alle Versicherungsunternehmen, also auch für inländische Versicherungen und für Einzelunternehmen, die bisher der Pflicht nicht unterlagen, erforderlich. Die Genehmigung war jederzeit widerrufbar und diejenigen, die ausländischen Unternehmen erteilt worden waren, konnten sogar ohne Angabe von Gründen widerrufen werden (§ 5). Die genauen Bedingungen für die Erteilung dieser nun für alle Versicherungen notwendigen Genehmigung waren im Gesetz nicht enthalten. Einige Aspekte des Verfahrens zur Erteilung der Genehmigung, wie zum Beispiel die Zuständigkeit 549
Commissionsbericht der Zweiten Kammer zur Prüfung des Strafgesetzes-Buchs, wie zitiert in: Jacobi, Beiträge, S. 13. 550 Gesetz betreffend den Geschäfts-Verkehr der Versicherungs-Anstalten vom 17. Mai 1853, abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1853, S. 293–295; Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 51–80. Über das Gesetz von 1853 s. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 50–53; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 49–50; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 54–56; Jacobi, Beiträge, S. 13–14; Burger, Der Einfluß, S. 19–20; Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 9; Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 134. 551 S. oben C. V. 2. a) hh).
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verschiedener Behörden in unterschiedlichen Fällen, die Angemessenheit der Erörterung der Bedürfnisfrage und die Notwendigkeit der Vorlage von Jahres berichten und jährlichen Bilanzen der Gesellschaften, wurden jedoch von mehreren späteren Vorschriften, die zur Ausführung dieses Gesetzes verabschiedet wurden, präzisiert.552 Für ausländische Versicherungsunternehmen bestätigte das Gesetz von 1853 die Anwendung des § 18 der Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845,553 indem es die Notwendigkeit einer „Erlaubnis der Ministerien“ als Voraussetzung für einen Geschäftsbetrieb in Preußen für alle ausländischen Versicherungen, die Agenten in Preußen bestellen wollten, wiederholte (§ 2). Für die Agenten aller Versicherungsgesellschaften legte dieses Gesetz eine Konzessionspflicht fest (§ 3).554 Agenten durften ihre Tätigkeit erst nach Erteilung einer Konzession der Regierung des Bezirks, in dem sie das Geschäft betreiben wollten, ausüben. Die Konzession konnte nur erteilt werden, „wenn die Regierung sich von der Unbescholtenheit und Zuverlässigkeit des Bewerbers überzeugt“ hatte. Die Konzessionspflicht für Agenten wurde einige Jahre später mit dem Gesetz vom 22. Juni 1861 aufgehoben.555 Schließlich ist es noch wichtig zu erwähnen, dass das Gesetz von 1853 die Regelung von Versicherungsaktiengesellschaften und von Feuerversicherungen ausdrücklich ansprach. Der § 9 legte fest, dass für die Versicherungsaktiengesellschaften das Gesetz über die Aktiengesellschaften von 1843, das bereits eine Konzessionspflicht eingeführt hatte,556 weiter zur Anwendung kam. Was das Feuerversicherungswesen betrifft, schrieb der § 10 vor, dass „das gegenwärtige Gesetz“ auch auf Feuerversicherungen anzuwenden sei, jedoch nur insoweit das Gesetz vom 8. Mai 1837557 und die Kabinettsorder vom 30. Mai 1841558 „nicht abweichende Bestimmungen enthalten“. Dieser kurzen Darstellung des Gesetzes von 1853 ist klar zu entnehmen, dass es noch keine Einheitlichkeit in der Beaufsichtigung des Versicherungswesens schaffen konnte, insbesondere aufgrund der fehlenden einheitlichen Zuständigkeit bei der Erteilung der Genehmigung und der Anwendung verschiedener Vorschriften
552 S. verschiedene Erlasse und Reskripte ab dem Jahre 1853, abgedruckt in: Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 53–63. S. auch Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 52; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 49–50; Jacobi, Beiträge, S. 13–14. Insbesondere zum Erlass vom 2. Juli 1859 s. unten C. V. 2. a) jj). 553 S. oben C. V. 2. a) ee). 554 Bisher war eine Konzession nur für Agenten von Mobiliarfeuerversicherungen gemäß dem Gesetz von 1837 erforderlich (s. oben C. V. 2. a) bb). 555 S. unten C. V. 2. a) jj). 556 S. oben C. V. 2. a) dd). 557 S. oben C. V. 2. a) bb). 558 S. oben C. V. 2. a) cc).
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bei verschiedenen Rechtsformen der Versicherungsgesellschaften (ob Aktiengesellschaften oder nicht).559 jj) Zwei Vorschriften in Richtung Liberalisierung: Aufhebung der Bedürfnisprüfung und der Konzessionspflicht für Agenten Die preußische Gesetzgebung fing in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an, einige Schritte in Richtung einer gewissen Freiheit bei der Ausübung von Versicherungsgeschäften zu gehen. Diesbezüglich sind zwei Vorschriften besonders relevant: ein Erlass von 1859 und ein Gesetz von 1861. Der Erlass vom 2. Juli 1859560 hob die Bedürfnisfrage, sowohl bei der Zulassung neuer Versicherungen als auch bei der Errichtung neuer Agenturen von bereits bestehenden Versicherungen, auf.561 Diese Vorschrift legte fest, dass: fortan die Erörterung der Bedürfnisfrage bei Versicherungsgesellschaften aller Art, namentlich auch bei Lebens- und Feuer-Versicherungsgesellschaften nicht mehr eintreten soll, gleichviel, ob es sich um die Konzessionierung und resp. um die Zulassung derselben zum Geschäftsbetriebe, oder um die Errichtung neuer Agenturen handelt.
In der Literatur wurde dieser Erlass sogar als derjenige beschrieben, der „den Grundsatz der völligen Freiheit des Geschäftsbetriebs im Versicherungswesen einführte“.562 Von dieser „Erleichterung“ für das gesamte Versicherungswesen machten einige Versicherungsgesellschaften sofort gebraucht, wie z. B. die Berlinische Feuer-Versicherungs-Anstalt, in deren Bericht vom 27. Februar 1860 Folgendes zu lesen war:563 Dadurch erhalten wir Gelegenheit, alle diejenigen Orte, an welchen uns bisher Agenten fehlten, und wo wir wegen des Widerspruchs der Behörden dieselben nicht erlangen konnten, damit zu besetzen. Wir haben deshalb auch schleunigst die nöthigen Bereisungen vornehmen lassen und einige Hunderte neue Agenten engagiert.
In der Literatur gab es andererseits auch Stimmen, die diese Vorschrift in der Praxis als wirkungslos betrachteten, insbesondere bei der Konzessionierung aus-
559
Vgl. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 53. Allerh. Erlaß vom 02. Juli 1859 abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1859, S. 394; Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 59. 561 Kummer, Die Gesetzgebung, S. 50; Burger, Der Einfluß, S. 20; Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 9–10; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 59; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 56; Jacobi, Beiträge, S. 14. 562 Helmer, Entstehung und Entwicklung, S. 121. Auch Kummer hob hervor, dass dieser Erlaß „bedeutend grössere Freiheit im Betriebe der Versicherung“ herbeiführte (Kummer, Die Gesetzgebung, S. 50). 563 Bericht der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt vom 27. Februar 1860, wie zitiert in: Berlinische Feuer-Versicherungs-Anstalt (Hrsg.), Hundertfünfzig Jahre, S. 78. 560
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
ländischer Versicherungen, die laut einigen Autoren keine echten Veränderungen erfuhren.564 Die zweite Vorschrift ist das Gesetz vom 22. Juni 1861,565 das die Konzessionspflicht für Versicherungsagenten aufhob.566 Durch dieses Gesetz wurden einige Vorschriften der Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845567 geändert. Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive sind insbesondere die Änderungen der §§ 18 und 22 relevant. Die neue Fassung des § 18 der Allgemeinen Gewerbeordnung lautete nun: Juristische Personen des Auslandes dürfen, sofern nicht durch Staatsverträge ein Anderes bestimmt ist, nur mit Erlaubniß der Ministerien in Preußen ein stehendes Gewerbe betreiben. Hinsichtlich ausländischer Unternehmer von Versicherungsanstalten, sowie hinsichtlich ausländischer Auswanderungsunternehmer bewendet es bei den bestehenden Gesetzen.
Aufgrund der Änderung dieses Paragrafen benötigten nicht mehr alle Ausländer, sondern nur ausländische juristische Personen eine staatliche Genehmigung zum Betreiben eines Gewerbes in Preußen. Für Ausländer, die als Versicherungsagenten tätig sein wollten, bedeutete das die Aufhebung der Konzessionspflicht. Ausländische Agenten mussten allerdings weiter die Normativbedingungen erfüllen, die im Titel II der Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845 festgelegt waren, wie z. B. den Wohnsitz in Preußen und einen guten Ruf zu haben. Das Gesetz von 1861 änderte auch den § 22 der Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845 und legte fest, dass „wer Versicherungen für eine Mobiliar- oder Immobiliar-FeuerversicherungsAnstalt als Agent oder Unteragent vermitteln will, vor Uebernahme der Agentur, und derjenige, welcher dieses Geschäft wieder aufgiebt, oder welchem die Versicherungsanstalt den Auftrag wieder entzieht, innerhalb der nächsten acht Tage der Polizeiobrigkeit seines Wohnortes davon Anzeige zu machen“ hatte.568 Dies wurde auch durch den Circular-Erlass vom 16. Juli 1861569 bestätigt, der betonte, dass alle Vorschriften bezüglich der Voraussetzungen, unter welchen Ausländer sich in Preußen aufhalten durften, genauso wie die Voraussetzungen für den Be 564
Masius, Rundschau, 1861, S. 5; s. auch Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 59. Gesetz, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Allgemeinen GewerbeOrdnung vom 17. Januar 1845, vom 22. Juni 1861, abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1861, Stück 26, Nr. 5405, S. 441–445. 566 Zu diesem Gesetz s. Jacobi, Beiträge, S. 14; Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 190–191; Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 10; Burger, Der Einfluß, S. 20; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 56–57. 567 S. oben C. V. 2. a) ee). 568 Änderung des § 22 der Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845 durch das Gesetz vom 22. Juni 1861, § 1. 569 Circular-Erlaß an sämmtliche Königliche Regierungen und an das Polizei-Präsidium, hierselbst, betreffend die Ausführung des Gesetzes vom 22. Juni 1861, bezüglich auf einige Abänderungen der Allgemeinen Gewerbe Ordnung, vom 16. Juli 1861, abgedruckt in: Ministerial-Blatt für die gesammte innere Verwaltung, 1861, S. 134–137. Über diesen Erlass s. Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 52; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 56–57. 565
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
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trieb eines Gewerbes, weiter eingehalten werden mussten. Versicherungsagenten mussten also keine Konzession mehr beantragen und nur die allgemeinen Voraussetzungen wie alle anderen Gewerbe erfüllen.570 Die Aufhebung der Bedürfnisprüfung und der Konzessionspflicht für Agenten sind als Folge der liberalen Strömungen zu sehen, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausbreiteten.571 kk) Die Haltung des preußischen Staats gegenüber dem Versicherungswesen im Laufe des 19. Jahrhunderts Die obige Darstellung der preußischen Rechtsvorschriften aus dem 19. Jahrhundert zeigt, wie aufgrund eines grundsätzlichen Misstrauens gegenüber dem Versicherungswesen im Allgemeinen, und insbesondere gegenüber Feuerversicherungen und Witwen-, Waisen- und Sterbekassen, der preußische Staat anfangs eher restriktive Bestimmungen bezüglich selbiger verabschiedete. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts änderte der Staat seine Einstellung und zeigte eine weniger skeptische Haltung gegenüber dem Versicherungsgeschäft, die zur Liberalisierung einiger Aspekte führte. Die ersten Zeichen dieser Liberalisierung gehen auf das Jahr 1856 zurück, als, wie Masius im selben Jahr berichtete, die preußische Staatsregierung „eine Revision der Bestimmungen wegen Anstellung von Agenten für Versicherungsgesellschaften“ und gleichzeitig die Prüfung der Frage, „in wieweit es zweckentsprechend sei, die Zulassung solcher Agenten nicht ferner von dem oft einseitigen Gutachten der Localbehörden über das Vorhandensein oder Mangel eines Bedürfnisses abhängig zu machen“, beabsichtigte.572 Die Aufhebung der Erörterung der Bedürfnisfrage sowohl für Agenten als auch für Versicherungen erfolgte dann tatsächlich 1859.573 Die Tendenz in Richtung Liberalisierung der Versicherungsbranche führte der preußische Staat in den folgenden Jahren fort: Im Jahr 1861 erfolgte die Aufhebung der Konzessionspflicht für Agenten.574 Masius berichtete auch im Jahr 1861, „dass die Regierung beabsichtige, von dem bisherigen Verfahren, wonach auswärtige Gesellschaften bei deren Concessionierung in Preussen erhebliche Summen als Caution stellen mussten, abzugehen“.575 Im selben Jahr wurden in einem CirkularRescript des Ministeriums des Innern576 die Gründe für diese progressive Ände 570
Burger, Der Einfluß, S. 20–21. Für die Entwicklung der Haltung des Preußischen Königsreichs gegenüber dem Versicherungswesen s. folgenden Abschnitt. 572 Masius, Rundschau, 1856, S. 5; s. auch Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 59. 573 S. oben C. V. 2. a) jj). 574 S. oben C. V. 2. a) jj). 575 Masius, Rundschau, 1861, S. 250; s. auch Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 59. 576 Cirkular-Rescript des Ministeriums des Innern vom 27. Mai 1861, abgedruckt in: Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 185–187. 571
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
rung in der Haltung des preußischen Staates gegenüber dem Versicherungswesen (insbesondere dem Feuerversicherungswesen) klargestellt. Sie waren in den „Bedürfnissen“ zu finden, zum einen die zu dieser Zeit geltenden Rechtsvorschriften über das Versicherungswesen „auf Grund der bisherigen praktischen Erfahrung, einer Prüfung zu unterziehen“,577 zum anderen „aus der Vielfältigkeit und Verschiedenheit der Reglementsvorschriften über die allgemeine Befugnis der ImmobiliarVersicherungsnahme zu einer einheitlichen Behandlung dieses an und für sich zu einer wesentlich gleichartigen Auffassung und Ordnung geeigneten Gegenstandes zu gelangen“.578 Insbesondere wurde in diesem Cirkular-Rescript deutlich gemacht, dass als „leitender Gesichtspunkt“ bei der Überarbeitung der Rechtsvorschriften über das Versicherungswesen „die Beseitigung der bisherigen Einschränkungen des Geschäftsbetriebs der Privatgesellschaften bezweckt“ werden sollte.579 Noch im Jahr 1861 legte der Gesetzgeber außerdem durch Erlass des Ministers des Innern vom 21. Mai 1861580 fest, dass ein Eingreifen des Staates im Bereich der Sterbekassen zu vermeiden sei, da „nicht außer Betracht bleiben“ durfte,581 daß ein allseitiges und lebhaftes Streben, im Wege genossenschaftlicher Selbsthülfe die Unfälle des menschlichen Lebens zu lindern, im höchsten Interesse des gemeinen Wesens liegt, und die Staatsbehörde wird sich deshalb umso mehr zu hüten haben, daß nicht dieses gemeinnützige Streben durch ihre Fürsorge in schädlicher Weise zurückgedrängt werde.
Die liberalen Strömungen, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausbreiteten, riefen auch nach einer Abschaffung der Konzessionspflicht für Versicherungsunternehmen in Preußen. Aus diesem Grund wurde in den nach 1866 neu gewonnenen Provinzen des Königreichs Preußen keine Konzessionspflicht für Versicherungen eingeführt, was zu einer Vielfalt von Aufsichtssystemen innerhalb des Königreichs führte.582 Diese Entwicklung in der Haltung der preußischen Regierung gegenüber dem Versicherungswesen wurde aber nicht nur von den „Einwirkungen des Liberalismus“,583sondern auch von einem „Wandel des Rufs der Versicherungen in der Bevölkerung“ beeinflusst.584 Die Versicherungen wurden nicht mehr als gefährliche 577
Cirkular-Rescript von 1861 (Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 185). Cirkular-Rescript von 1861 (Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 187). 579 Cirkular-Rescript von 1861 (Doehl, Das Versicherungs-Wesen, S. 187); s. Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 60. 580 Erlaß an den Königlichen Ober-Präsidenten der Provinz N., die staatliche Genehmigung und Beaufsichtigung älterer Sterbe- und Begräbnis-Kassen-Vereine betreffend, vom 21. Mai. 1861, abgedruckt in: Ministerial-Blatt, 1861, S. 120–121. Zu diesem Erlaß s. Knebel Doeberitz, Die Sterbekassen, S. 2; Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 38; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 60. 581 Ministerial-Blatt, 1861, S. 121. 582 Eine Konzessionspflicht für alle Versicherungen galt in Hannover und in einigen Teilen von Hessen-Nassau, in Schleswig-Holstein galt sie dagegen nicht (Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 10; Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 155; Burger, Der Einfluß, S. 35). 583 Atzpodien, Die Entwicklung, S. 84. 584 Burger, Der Einfluß, S. 22. 578
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
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Fallen für die Bürger und den Wohlstand eines Staates angesehen, sondern als wichtige Hilfsmittel gegen alle Art von Unglücksfällen und sogar als Quelle eines „erzieherischen Einflußes“ für die Versicherten.585 b) Die aufsichtsrechtliche Gesetzgebung in einigen deutschen Staaten im 19. Jahrhundert: Konzessionssystem und Präventivkontrolle Wie im Königreich Preußen waren auch die versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschriften, die im 19. Jahrhundert in mehreren deutschen Staaten verabschiedet wurden, durch die Konzessionierung der Versicherungen und eine obrigkeitliche Präventivkontrolle charakterisiert. Die meisten dieser Gesetze wurden bereits in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts verabschiedet und betrafen am Anfang hauptsächlich Mobiliarfeuerversicherungen.586 aa) Bayern Das Königreich Bayern ist einer der Staaten, die im 19. Jahrhundert ein Konzessionssystem verbunden mit einer polizeilichen Präventivkontrolle gestalteten.587 Die Konzessionspflicht war in Bayern anfangs nur auf ausländische Feuerversicherungen beschränkt. Sie wurde 1833 eingeführt und im Zeitraum bis 1835 weiter präzisiert.588 Aufgrund dieser Konzessionspflicht war im Königreich Bayern der Geschäftsbetrieb ausländischer Feuerversicherungen erst nach dem Erhalten einer „Ermächtigung“ des Ministeriums des Innern erlaubt. Diese Ermächtigung war in der Regel auf bestimmte Bezirke und bestimmte Gegenstände beschränkt.589 Agenten ausländischer Feuerversicherungen mussten vom Ministerium „bestätigt“ werden und durften nur im in der Bestätigungsurkunde genannten Bezirk tätig werden.590 Ausländische Feuerversicherungen wurden zudem einer Präventivkontrolle durch die Polizeibehörden unterworfen, da sie erst gültige Versicherungsverträge 585
Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 33; vgl. Burger, Der Einfluß, S. 22. 586 Eine Übersicht in: Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 29, Fn. 80. 587 Für eine detaillierte Darstellung der aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung im 19. Jahrhundert im Königreich Bayern s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 61–68; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 51–53. 588 Verordnung die auswärtigen Brandversicherungs-Gesellschaften betr. vom 30. November 1833, abgedruckt in: Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern, 1833, Sp. 1367–1373; Verordnungen vom 10. Februar 1834, vom 2. Oktober 1834 und vom 10. März 1835 abgedruckt als Auszug in: Masius, Lehre der Versicherung, S. 143. Über diese Gesetzgebung s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 61; Burger, Der Einfluß, S. 22. 589 Verordnung vom 30. November 1833, § I. 590 Masius, Lehre der Versicherung, S. 143.
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abschließen konnten, wenn sie eine Erklärung „der inländischen Brandversicherungs-Angelegenheiten beauftragten Behörde“ bekommen hatten, „daß von Polizey wegen nichts zu erinnern sey“.591 Mit diesen Vorschriften hätte die bayerische Regierung die einheimischen Gesellschaften zum Nachteil der ausländischen fördern können, das Resultat der so gestalteten Konzessionierung schien aber eher den Zweck zu haben, „einige Gesellschaften zu bevorzugen, und weniger zur Sicherung der bayerischen Staatsbürger“.592 Durch die Verordnung vom 10. Februar 1865593 wurde das Konzessionsprinzip auf alle (inländischen und ausländischen) Mobiliarfeuerversicherungen erweitert, indem die Notwendigkeit einer staatlichen Genehmigung für die Errichtung aller Mobiliarfeuerversicherungen und für jede Abänderung ihrer Statuten und Versicherungsbedingungen eingeführt wurde (§ 1). Alle Mobiliarfeuerversicherungen waren außerdem einer ausführlichen polizeilichen Präventivkontrolle unterworfen (§ 7). In bestimmten Fällen, wie zum Beispiel bei der Versicherung von Warenlagern, hatten die Polizeibehörden ein Einsichtsrecht in die Bücher der Versicherten, um eine eventuelle Überversicherung bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen (§ 24). Eine nachträgliche polizeiliche Kontrolle vor der Auszahlung der Entschädigungssumme war ebenfalls vorgesehen (§ 29) und ähnelte derjenigen, die in Preußen mit dem Gesetz von 1837 eingeführt worden war.594 Was die Agenten betrifft, benötigten diese eine obrigkeitliche „Bestätigung“, um ihr Geschäft zu betreiben, wofür sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen mussten (wie u. a. in Bayern ansässig zu sein und einen guten Ruf zu haben) (§ 4).595 Die Verordnung von 1865 enthielt auch die Einführung des Publizitätsprinzips für alle Mobiliarfeuerversicherungen, da diese verpflichtet waren, jährlich Rechnungsabschlüsse und Bilanzen einzureichen (§ 32). Diese Vorschriften bestätigen auch für Bayern ein anfängliches Mistrauen der Regierung gegenüber der Feuerversicherung im Allgemeinen und insbesondere der Mobiliarfeuerversicherung, einer Branche, in der immer eine hohe Gefahr von Betrug und Schwindel vermutet wurde. Wenige Jahre später wurde mit der Allerhöchsten Verordnung vom 4. Januar 1872596 die Konzessionspflicht auf die Gründung und den Betrieb aller „Aus 591 Verordnung vom 30 November 1833, § II; s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 61–62. 592 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 62. 593 Königlich Allerhöchste Verordnung, die Mobiliar-Feuerversicherungen betr., vom 10. Februar 1865, abgedruckt in: Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern, 1865, Sp. 193–218. Im Detail über diese Verordnung: Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 63–65. 594 S. oben C. V. 2. a) bb). 595 S. auch: Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 63; Burger, Der Einfluß, S. 22–23. 596 Königlich Allerhöchste Verordnung vom 4. Januar 1872, abgedruckt in: Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern, 1872, I. Bd., Sp. 25–38. Über diese Verordnung s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 66; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 51.
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steuer-, Sterbe- oder Wittwencassen oder Anstalten, welche bestimmt sind, gegen Zahlung eines Einkaufsgeldes oder gegen Leistung von Geldbeiträgen beim Eintritte gewisser Bedingungen oder Fristen, Zahlungen an Capital oder Renten zu leisten“ erweitert (§ 4). Auf alle diese Kassen und Versicherungen wurde auch die Einreichungspflicht von Rechnungsabschlüssen und Bilanzen erweitert. Die Verordnung von 1872 wurde in Durchführung des bayerischen Polizeistrafgesetzes vom 26. Dezember 1871 verabschiedet und ähnelte den Vorschriften des preußischen Strafgesetzbuches von 1851, das ebenfalls eine Konzessionspflicht für alle Versicherungen in Preußen eingeführt hatte.597 Noch im Jahr 1872 wurde aber eine weitere Verordnung verabschiedet, die nur Mobiliarfeuerversicherungen betraf.598 Diese Vorschrift hob die Präventivkontrolle für den Betrieb von Mobiliarfeuerversicherungen auf und sah stattdessen nur eine nachträgliche und nicht zwangsläufig durchzuführende Kontrolle vor. Die Präventivkontrolle hatte sich nämlich als nicht besonders wirksam erwiesen, da sie die Gründung unsolider Versicherungen nicht verhindern konnte, und wurde daher als unnötig, wenn nicht sogar schädlich, betrachtet.599 Die mit der Verordnung von 1865 eingeführte Präventivkontrolle hatte sich als Hindernis für Handelsgeschäfte gezeigt, da die Kaufleute hauptsächlich steuerliche Zwecke hinter den polizeilichen Kontrollen vermuteten, und verwandelte sich später in eine einfache Anzeigepflicht für Feuerversicherungsverträge.600 Nach kurzer Zeit verschwand auch die allgemeine nachträgliche Kontrolle für die Mobiliarfeuerversicherungen: Sie wurde durch das Gesetz vom 3. April 1875 abgeschafft und blieb nur für einige Sonderfälle bestehen.601 bb) Andere deutsche Staaten mit Konzessionssystem Auch andere deutsche Staaten verfügten im 19. Jahrhundert über ein versicherungsaufsichtsrechtliches System. In manchen Fällen betrafen die Maßnahmen alle Versicherungen, in anderen nur die Feuerversicherungen.602 Im Königreich Hannover wurde im Jahre 1828 eine Konzessionspflicht für alle (inländischen und ausländischen) privaten Feuerversicherungen eingeführt, mit 597
S. oben C. V. 2. a) hh). Königlich Allerhöchste Verordnung vom 11. September 1872, abgedruckt in: Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern, 1872, II. Bd., Sp. 2113–2122. Über diese Verordnung s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 67–68; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 52; Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 11; Hager, Die öffentlich-rechtliche Regelung des Privatversicherungswesens, S. 23. 599 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 60–61; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 53. 600 Burger, Der Einfluß, S. 36. 601 Gesetz die Brandversicherungsanstalt für Gebäude in den Landestheilen rechts des Rheines betr. vom 3. April 1875, abgedruckt in: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern, 1875, S. 269–297; s. Kummer, Die Gesetzgebung, S. 52–53. 602 Eine Übersicht in: Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 155–157. 598
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dem Ziel „die immer sich ausbreitenden Privat-Feuer-Versicherungs-Anstalten einer polizeilichen Aufsicht und Controlle zu unterwerfen“.603 Jede Feuerversicherung brauchte eine obrigkeitliche Erlaubnis, um ihre Geschäfte in Hannover zu betreiben. Die Konzessionspflicht wurde später durch die Gewerbe Ordnung von 1847 auf alle Versicherungsgesellschaften erweiterte, die nun zu ihrer Errichtung einer „Genehmigung des Ministeriums“ bedurften.604 Ein Konzessionssystem war im 19. Jahrhundert auch im Königreich Sachsen in Kraft und betraf nur die Feuerversicherungen.605 Die sächsische Regierung griff ab dem Anfang des 19. Jahrhunderts mit verschiedenen Vorschriften in den Bereich des Feuerversicherungswesens ein.606 Das sächsische aufsichtsrechtliche System war als Konzessionssystem gestaltet und die Konzessionspflicht betraf alle privaten Feuerversicherungsgesellschaften.607 Zusätzliche Voraussetzungen waren für ausländische Versicherungen vorgesehen. Neben der Konzessionspflicht war auch eine „doppelte Präventivkontrolle“, zum einen auf das Vorhaben der Versicherung und zum anderen auf die Police selbst, vorgesehen.608 Für Agenten von Feuerversicherungen waren außerdem eine obrigkeitliche Erlaubnis609 und die Durchführung einer Bedürfnisprüfung610 erforderlich.
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Verordnung, die Beaufsichtigung der Privat-Feuer-Versicherungs-Anstalten betreffend, vom 24. Januar 1828 (§ 1), abgedruckt in: Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1828, S. 3–9 (3). 604 Gewerbe-Ordnung vom 1. August 1847 (§ 43), abgedruckt in: Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1847, S. 215–257 (226). 605 Für eine detaillierte Darstellung der aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung im 19. Jahrhundert in Sachsen s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 68–74; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 54–55. 606 Die relevantesten Vorschriften sind: Verordnung der Landesregierung vom 23. Juli 1828 (abgedruckt in: Gesetzsammlung für das Königreich Sachsen, 1828, S. 187–190); Gesetz die Einrichtung der altersländischen Immobiliar-Brandversicherungs-Anstalt betreffend vom 14. November 1835 (abgedruckt in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1835, S. 523–546); Ministerialverordnung vom 13. Dezember 1836 (abgedruckt in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1836, S. 326–337); Gesetz das Mobiliar- und Privat Feuerversicherungswesen betreffend vom 28. August 1876 (abgedruckt in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1876, S. 427–432). 607 Die Konzessionspflicht war im Gesetz vom 28. August 1876 vorgesehen. Darüber s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 72. Einige Autoren behaupten allerdings, dass nur Mobiliarfeuerversicherungen konzessionspflichtig gewesen seien (Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 11; Burger, Der Einfluß, S. 23.). 608 Burger, Der Einfluß, S. 23; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 69. 609 In der Verordnung vom 23. Juli 1828 vorgesehen; s. auch Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 69. 610 In der Ministerialverordnung vom 13. Dezember 1836 vorgesehen; s. auch Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 70; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 31; Burger, Der Einfluß, S. 23.
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Im Königreich Württemberg611 bestand ab 1830612 eine Konzessionspflicht für alle (inländischen und ausländischen) Mobiliarfeuerversicherungen, denen nur durch eine „ausdrückliche Anerkennung der Staatsregierung“ erlaubt war, im Königreich Versicherungen abzuschließen. Die Mobiliarfeuerversicherungen unterlagen außerdem einer eingehenden Präventivkontrolle, hauptsächlich um Überversicherungen zu vermeiden. Strengere Vorschriften waren für ausländische Versicherungen vorgesehen. Agenten brauchten keine Genehmigung, waren aber einer polizeilichen Kontrolle unterworfen. Mit einem Gesetz von 1852 wurde der Konzessionspflicht auch ein Bedürfnisnachweis hinzugefügt und eine Bestätigungspflicht für Agenten eingeführt.613 Eine Erweiterung der Regelung erfolgte durch ein Gesetz aus dem Jahr 1865,614 welches eine Konzessionspflicht auch für Sach- und Lebensversicherungen, die ihren Sitz nicht in einem deutschen Staat hatten, sowie für alle Feuerversicherungen festgelegt. Auch im Großherzogtum Baden war im 19. Jahrhundert eine Konzessionspflicht mit Präventivkontrolle für Feuerversicherungen vorgesehen, zunächst nur für Mobiliarfeuerversicherungen, danach auch für Immobiliarfeuerversicherungen.615 Durch das Gesetz vom 30. Juli 1840616 wurde festgelegt, dass alle Mobiliarfeuerversicherungen „der polizeilichen Aufsicht und Controle“ unterlagen, was bedeutete, dass inländische Versicherungsgesellschaften eine „Staatserlaubnis“ und ausländische eine „Staatsbewilligung“ benötigten, um ihre Geschäfte in Baden betreiben zu können.617 Zusätzlich zur Konzessionspflicht waren die Mobiliarfeuerversicherungen einer polizeilichen Präventivkontrolle unterworfen, da die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung zum Betrieb notwendig war. Schlussendlich benötigten auch alle Agenten eine obrigkeitliche Genehmigung. Konzessionsprinzip und Präventivkontrolle wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts durch verschiedene Vorschriften auch auf die Immobilienfeuerversicherungen
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Im Detail über die Versicherungsaufsicht im 19. Jahrhundert im Königreich Württemberg s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 74–78; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 55–56. 612 Gesetz, betreffend die polizeiliche Beschränkung der Versicherung des Beweglichen Vermögens gegen Feuers-Gefahr, vom 25. Mai 1830, abgedruckt in: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, 1830, S. 207–213. 613 Gesetz vom 19. Mai 1852, abgedruckt in: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, 1852, S. 125–132; s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 76. 614 Gesetz vom 13. August 1865, abgedruckt in: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, 1865, S. 211–234. 615 Im Detail über die Versicherungsaufsicht im 19. Jahrhundert in Baden s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 79–83; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 56–57. 616 Gesetz vom 30. Juli 1840, abgedruckt in: Masius, Lehre der Versicherung, S. 130–132. Die Vorschriften dieses Gesetzes wurden mit der darauffolgenden Vollzugsverordnung des Ministeriums des Innern vom 3. November 1840 präzisiert (Vollzugsverordnung abgedruckt in: Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungs-Blatt, 1840, S. 275–289). 617 Nur Inhaber von größeren Vermögen (über 30.000 Gulden) durften sich bei nicht konzessionierten Feuerversicherungen versichern lassen (Gesetz vom 30. Juli 1840, § 3).
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ausgedehnt.618 Im Jahre 1896 wurde eine Anzeigepflicht für Lebens-, Aussteuer-, Militärdienst-, Vieh- und Hagelversicherungen eingeführt.619 Im Großherzogtum Hessen620 wurde sehr früh eine Konzessionspflicht für ausländische Feuerversicherungen eingeführt und zwar bereits mit der Brand-Assekuranzordnung vom 18. November 1816.621 Diese Versicherungen durften außerdem nur von Agenten vertrieben werden, die ein Gewerbepatent erhalten hatten. Um Überversicherung zu vermeiden war auch in Hessen eine Präventivkontrolle vorgesehen.622 Im Jahr 1871 wurde die Konzessionspflicht auch auf inländische Mobiliarfeuerversicherungen erweitert.623 In diversen anderen deutschen Staaten bestand im 19. Jahrhundert eine Konzessionspflicht für alle Versicherungen, und zwar in Sachsen-Weimar, Braunschweig, Anhalt, Sachsen-Meinigen, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sonderhausen, Reuß jüngere Linie und Waldeck.624 In einigen anderen Fällen waren nur Feuerversicherungen konzessionspflichtig, und zwar in Mecklenburg, Reuß ältere Linie, Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe.625 In Elsaß-Lothringen waren nur Lebensversicherungen konzessionspflichtig.626 In Coburg-Gotha war eine Konzessionspflicht, die erst im Jahr 1863 eingeführt wurde, nur für nichteinheimische Versicherungsgesellschaften vorgesehen.627
618
Gesetz vom 29. März 1852, abgedruckt in: Großherzoglich Badisches Regierungs-Blatt, 1852, S. 85–103; Gesetz vom 15. Dezember 1884, abgedruckt in: Gesetzes- und VerordnungsBlatt für das Großherzogthum Baden, 1884, S. 619–626. 619 Verordnung vom 26. August 1896, abgedruckt in: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogthum Baden, 1896, S. 309–310. 620 Im Detail über die Versicherungsaufsicht im 19. Jahrhundert im Großherzogtum Hessen s. Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 83–88; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 57–58. 621 Verordnung vom 18. November 1816, abgedruckt in: Sammlung der in der Großherzogl. Hessischen Zeitung vom Jahr 1818 publizirten Verordnungen und höheren Verfügungen, S. 49–64. 622 Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 83. 623 Gesetz vom 25. November 1871 und Vollzugsverordnung vom 11. Dezember 1871, beide abgedruckt in: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, 1871, S. 437–438 und S. 438–442. 624 Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 155–156; Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 12; Burger, Der Einfluß, S. 24. Im Einzelnen über die jeweiligen Gesetzgebungen: Kummer, Die Gesetzgebung, S. 58–61; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 89–95. 625 Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 156–157; Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 12; Burger, Der Einfluß, S. 24–25. Im Einzelnen über die jeweiligen Gesetzgebungen: Kummer, Die Gesetzgebung, S. 58 und 61–63; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 88 und 93–97. 626 Ehrenberg, Versicherungsrecht, I. Bd., S. 156–157; Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 12. Im Einzelnen über die Gesetzgebung: Kummer, Die Gesetzgebung, S. 64–65. 627 Gewerbeordnung für das Herzogtum Gotha vom 21. März 1863, § 7, abgedruckt in: Gesetzsammlung für das Herzogthum Gotha, Nr. 726, S. 73–108 (S. 78); s. auch Kummer, Die Gesetzgebung, S. 60; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 92.
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
121
c) Deutsche Staaten mit grundsätzlicher „Freiheit“ des Versicherungswesens In einigen deutschen Staaten herrschte dagegen im 19. Jahrhundert eine grundsätzliche Freiheit des Versicherungswesens. In Oldenburg bestand zum Beispiel keine Konzessionspflicht, weder für inländische noch für ausländische Versicherungen.628 In der Literatur wird außerdem oft betont, dass in den Hansestädten kein echtes Aufsichtssystem über das Versicherungswesen vorgesehen war und eine grundsätzliche „Aufsichtsfreiheit der Versicherungsunternehmen“ galt.629 In Lübeck waren nur einige Meldepflichten für ausländische Feuerversicherungsgesellschaften vorgesehen.630 Hamburg und Bremen verfügten jedoch im 19. Jahrhundert über einige aufsichtsrechtliche Vorschriften und haben daher einen genaueren Blick verdient. aa) Hamburg Während mehrere Autoren das Fehlen von versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschriften in Hamburg betont haben,631 haben andere hervorgehoben, dass Anfang des 19. Jahrhunderts einige echte aufsichtsrechtliche Vorschriften verabschiedet wurden, die insbesondere Sterbekassen betrafen, bei welchen in den vorangegangenen Jahren in der Stadt „eine große Zahl von Mißständen aller Art festgestellt“ wurde,632 „Unterschlagungen, Bestechungen, Urkundenfälschungen scheinen an der Tagesordnung gewesen zu sein“.633 Aus der Zeit der französischen Besatzung Hamburgs stammt die erste dieser Vorschriften, die Anordnung vom 4. Oktober 1812.634 Mit dieser wurden die Vorsteher von Bruderschaften, Sterbekassen und Totenladen dazu aufgefordert 628 Ausländische Versicherungen waren lediglich dazu verpflichtet, sich im Handelsregister eintragen zu lassen und am Wohnsitz der Bevollmächtigten Recht zu nehmen: § 22, Gesetz, betreffend die Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, vom 18. April 1864, abgedruckt in: Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg von den Jahren 1862, 1863 und 1864, S. 813–828 (820). Im Einzelnen: Kummer, Die Gesetzgebung, S. 59; Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 89–90. 629 Burger, Der Einfluß, S. 23; s. auch Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 45 und S. 60. 630 Kummer, Die Gesetzgebung, S. 64. 631 Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 12; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 64; Burger, Der Einfluß, S. 23. 632 Vesper, Die Sterbekassen, S. 31; s. auch Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 7; Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 106–107. 633 Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 107. 634 Anordnung des Maire Amandus Augustus Abendroth vom 4. Oktober 1812, abgedruckt in: Hamburger Nachrichten (Affiches, Annonces et Avis divers de Hambourg), 239. Stück vom 7. Oktober 1812, S. 1. Zu dieser Anordnung s. Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 93; Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 7; Koch, Der Weg zur einheitlichen Staatsaufsicht, S. 7–8; Vesper, Die Sterbekassen, S. 31–32.
122
C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
innerhalb von 8 Tagen, also spätestens bis zum 10ten Oktober, in dem Certifikat-Bureau der Mairie, sowohl ihre Artikel, als eine Copie der letzten Rechnung und des letzen NamenRegisters, einzuliefern. Da keine Vereinigung, deren Mitglieder der Staat nicht kennt geduldet werden dürfen: so wird eine Vernachläßigung dieser Anzeige die Aufhebung dieser Vereinigung unmittelbar zur Folge haben.
Erklärter Zweck dieser Anordnung war, „den Klagen und Mißbräuchen abzuhelfen, die sich bey diesen Gesellschaften finden werden“. Obwohl es einerseits keine Beweise gibt, dass diese Vorschrift tatsächlich durchgeführt wurde, und andererseits die Anordnung keine „eigentliche[n] Aufsichtsmaßnahmen“ enthielt,635 ist sie trotzdem relevant, da die französische Verwaltung damit in Hamburg eine Beaufsichtigung des Versicherungswesens einführen wollte.636 Bereits nach wenigen Monaten waren „genaue Aufsichtsvorschriften“637 in einer Verordnung vom 2. April 1813 enthalten.638 Auch diese Verordnung betraf Totenladen und Sterbekassen und setzte sich das Ziel, diese „provisorisch unter policeyliche Aufsicht zu stellen, um den zeither dabey eingerissen Misbräuchen zu steuern“.639 Aus diesem Grund wurden mit dieser Verordnung alle Totenladen und Sterbekassen unter die unmittelbare Aufsicht einer zu ernennenden Kommission gestellt, zudem wurden ihnen genaue Rechnungslegungsvorschriften und Anweisungen bezüglich des Geschäftsbetriebs vorgegeben.640 Die in der Verordnung von 1813 vorgesehene Kommission wird als „die erste deutsche Aufsichtsbehörde“ betrachtet.641 Das Erlassen der hamburgischen Verordnung von 1813 wurde sehr wahrscheinlich von der französischen Gesetzgebung beeinflusst (die Stadt Hamburg blieb bis 1814 unter französischer Herrschaft), aber auch von der preußischen Verordnung vom 1781642 und vom Erlass von Bremen vom 21. März 1789.643 Alle diese Vorschriften hatten ihren Grund in der „aufgetretene[n] Mißwirtschaft auf dem als volksnützlich anerkannten Gebiet des Versicherungswesens“.644 Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der Verordnung von 1813 durch verschiedene weitere Verordnungen ergänzt und revidiert, da die Missstände beim Betreiben von Toten- und Sterbekassen nicht, oder zumindest nicht ganz, beseitigt werden konnten.645 635
Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 110. Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 93. 637 Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 110. 638 Verordnung wegen der Todtenladen und Sterbecassen vom 2. April 1813, abgedruckt in: Sammlung der Verordnungen der Freyen Hanse-Stadt Hamburg, 1. Bd., S. 84–94. 639 Einleitung der Verordnung vom 2. April 1813. 640 Im Detail über die Verordnung vom 2. April 1813: Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 7–8; Vesper, Die Sterbekassen, S. 32–33; Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 93–96 und 110–112. 641 Koch, Der Weg zur einheitlichen Staatsaufsicht, S. 8. 642 S. oben C. V. 1. a) aa). 643 S. oben C. V. 1. c). 644 Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 94–99 (99). 645 Insbesondere wurde die Verordnung von 1813 zunächst im Jahre 1821 (mit der Verordnung vom 29. November 1821, abgedruckt in: Sammlung der Verordnungen der freyen HanseStadt Hamburg, VII. Bd., 1823, S. 162–183) revidiert und verfeinert und dann 1828 (mit der 636
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
123
Die Gründe der Einführung und der Entwicklung der hamburgischen aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts können in der „allgemeine[n] wirtschaftliche[n] Bedeutung der vorhandenen Versicherungseinrichtungen und d[em] Auftreten gemeingefährlicher Mißstände“ gefunden werden.646 bb) Bremen In Bremen waren bereits am Ende des 18. Jahrhunderts versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen eingeführt worden, und zwar bezüglich der Sterbekassen.642 Ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestanden dort auch einige Normativbestimmungen bezüglich Immobiliarfeuerversicherungen, die im Jahr 1846 eingeführt643 und dann im Laufe des 19. Jahrhunderts wiederholt und präzisiert wurden.644 Insbesondere durften Immobilien in Bremen nur von Feuerversicherungen versichert werden, die der bremischen Gerichtsbarkeit unterworfen waren oder die sich dieser freiwillig unterworfen hatten, und die von Geschäftsführern vertreten waren, die die deutsche Staatsangehörigkeit hatten. Außerdem unterlagen die Immobilienfeuerversicherungsgesellschaften einigen Mitteilungspflichten.645 d) Die Vielfältigkeit der Aufsichtsmodelle in den deutschen Staaten Wie diese kurze Darstellung der aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung der verschiedenen deutschen Staaten gezeigt hat, war die Versicherungsaufsicht im 19. Jahrhundert in Deutschland durch eine große Vielfalt gekennzeichnet.
Verordnung vom 15. Dezember 1828, abgedruckt in: Sammlung der Verordnungen der freyen Hanse-Stadt Hamburg, X. Bd., 1829, S. 224–253) erweitert. Die Verordnung von 1828 blieb dann bis zum Jahre 1898 in Kraft, obwohl sie im Laufe der Jahre vielen Änderungen unterlag. Für die Entwicklung der aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung von Hamburg im 19. Jahrhundert s. Heyn, Das schaffende Hamburg, S. 8–9; Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 99–112; Vesper, Die Sterbekassen, S. 33–34. 646 Ipsen, Zur Entwicklung, Sp. 105–106. 642 S. oben C. V. 1. c). 643 Verordnung in Betreff der Versicherungen gegen Brandschäden vom 21. Dezember 1846, abgedruckt in: Sammlung der Verordnungen und Proclame des Senats der Freien Hansestadt Bremen im Jahr 1846, S. 66–72. 644 Gesetz vom 13. März 1873, abgedruckt in: Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen, 1873, S. 33–35; Gesetz vom 12. März 1879, abgedruckt in: Gesetzblatt der freien Hansestadt Bremen, 1879, S. 9–11; Gesetz vom 12. Mai 1892, abgedruckt in: Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen, 1892, S. 93–95. 645 Im Detail über die aufsichtsrechtliche Gesetzgebung von Bremen aus dem 19. Jahrhundert: Maurer, Georg H., Über die historische Entwicklung, S. 45 und S. 60; Kummer, Die Gesetzgebung, S. 64.
124
C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
In den meisten deutschen Staaten gab es Versicherungsaufsichtssysteme, manche davon ähnelten sich, keines glich aber genau einem anderen. Einige Staaten, wie z. B. Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg,646 hatten bereits im 19. Jahrhundert ein System, das der materiellen Staatsaufsicht nahe kam,647 andere dagegen, wie Oldenburg, Coburg-Gotha und die Hansestädte,648 waren bei der Beaufsichtigung der Versicherungsbranche noch von „liberalen Strömungen“649 beeinflusst. Insbesondere beim Feuerversicherungswesen war die Situation noch komplizierter, da es neben den verschiedenen Aufsichtssystemen für private Versicherungsunternehmen auch noch öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalten gab.650 Im Laufe des ganzen 19. Jahrhunderts und bis zur Vereinheitlichung der Versicherungsaufsicht durch das Versicherungsaufsichtsgesetz von 1901651 wurden also in den verschiedenen deutschen Staaten unterschiedliche Lösungen bezüglich der staatlichen Kontrolle und der Überwachung des Versicherungswesens entwickelt. Das Vorliegen so vieler unterschiedlicher Systeme für die Aufsicht über das Versicherungswesen konnte trotz der Vereinigung verschiedener deutschen Staaten zunächst zum Deutschen Bund und danach zum Deutschen Reich für mehrere Jahrzehnte nicht überwunden werden, wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird.
3. Kurze Darstellung der überstaatlichen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen im 19. Jahrhundert bis zur Einführung der materiellen Versicherungsaufsicht In dieser so bunten versicherungsaufsichtsrechtlichen Gesetzgebungslandschaft der deutschen Staaten setzte kurz nach der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Prozess ein, der im 20. Jahrhundert zur Vereinheitlichung der Versicherungsaufsicht in Deutschland führte. Der erste Schritt dieses Prozesses ist in der Verfassung des Norddeutschen Bundes652 zu finden, die am 1. Juli 1867 in Kraft trat. Sie enthielt die erste überregionale Regelung bezüglich der Versicherungsaufsicht, indem sie die Vorschriften über den Betrieb der Versicherungen der Beaufsichtigung und der Gesetzgebung des Bundes unterstellte (Art. 4, Ziffer 1). Damit stellte sie die erste „verfassungsrechtliche Grundlage für eine einheitliche Gesetzgebung“ dar.653 Diese Vorschrift der 646
S. oben C. V. 2. a) und C. V. 2. b). Vgl. Büchner, Die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung, S. 7; Bürger, Der Einfluß, S. 26. 648 S. oben C. V. 2. c). 649 Bürger, Der Einfluß, S. 26. 650 Vgl. Moldenhauer, Die Aufsicht, S. 12–13; Burger, Der Einfluß, S. 26. 651 S. unten C. V. 3. 652 Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867, abgedruckt in: Verfassung des Norddeutschen Bundes nebst Publications-Patent vom 24. Juni 1867. 653 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 57. Über diesen Artikel s. auch Büchner, Die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung, S. 10; Bürger, Der Einfluß, S. 29. 647
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
125
Verfassung des Norddeutschen Bundes wurde dann in der Verfassung des Deutschen Reichs von 1871654 übernommen. Die Reichsverfassung enthielt außerdem ein Gleichbehandlungsgebot für alle Bürger der anderen Bundesstaaten, die fortan als „Inländer“ zu behandeln waren (Art. 3), was zur Folge hatte, dass die unterschiedlichen aufsichtsrechtlichen Gesetzgebungen der verschiedenen Staaten des Reichs, die eine Genehmigung für nicht einheimische Versicherungen vorsahen,655 nun nicht mehr verfassungskonform waren.656 Trotz der Verfassungsvorschriften blieben aber die bereits vorhandenen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der deutschen Staaten bestehen, es wurden sogar einige neue eingeführt.657 Da es also trotz der Verfassungsgrundlage kein einheitliches Versicherungsaufsichtssystem für das gesamte Reichsgebiet gab, sahen sich alle Versicherungsunternehmen mit einer Situation konfrontiert, in der sie der Vielfältigkeit der Gesetzgebung der verschiedenen Staaten gerecht werden mussten. Eine Konsequenz daraus war, dass jede Versicherung sich in jedem Staat des Reiches die notwendige Genehmigung einholen und die unterschiedlichen Voraussetzungen jeder partikulären Aufsichtsgesetzgebung erfüllen musste.658 Bis zur Einführung der ersten einheitlichen Versicherungsaufsicht würde es noch dreißig Jahre dauern und zwar bis das Versicherungsaufsichtsgesetz vom 12. Mai 1901 verabschiedet wurde.659 Mit diesem Gesetz wurden dann schließlich für das gesamte Reichsgebiet das System der materiellen Versicherungsaufsicht verbunden mit Konzessionsprinzip und die Zentralisierung des Zulassungsverfahrens eingeführt. Damit wurden Konzessions- und Aufsichtsverfahren transparenter und berechenbarer gemacht. So hatte der deutsche Weg der Versicherungsaufsicht zu einem modernen Aufsichtssystem geführt.
654
Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871, abgedruckt in: Verfassung des Deutschen Reichs (gegeben Berlin, den 16. April 1871), Berlin 1878. 655 Ein Jahr zuvor war mit dem Gesetz vom 11. Juni 1870 (Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, vom 11. Juni 1870, abgedruckt in: Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, 1870, S. 375–386) die Konzessionspflicht für alle Aktiengesellschaften aufgehoben worden, was aber keine Änderung in der Versicherungsbranche brachte, denn das Gesetz legte gleichzeitig fest, dass „die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Genehmigung bedarf, und das Unternehmen der staatlichen Beaufsichtigung unterliegt“ unberührt blieben (§ 3; s. auch Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 35; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 64). 656 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 64. 657 S. oben C. V. 2. b) und C. V. 2. c); s. auch von Gierke, Versicherungsrecht, S. 20; vgl. Büchner, Die Versicherungsaufsicht, S. 8. 658 Vgl. Büchner, Die Versicherungsaufsicht, S. 8–9. 659 Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen vom 12. Mai 1901. Der lange politische Prozess, der zu diesem Gesetz geführt hat, ist mehrmals in der Literatur geschildert und erläutert worden, u. a. in: Büchner, Die Versicherungsaufsicht, S. 7–11; Büchner, Die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung, S. 10–19; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 46–88; Burger, Der Einfluß, S. 28–93.
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
4. Überblick über die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Die Einführung eines Konzessionsprinzips für alle Aussteuer- und Begräbniskassen im Jahr 1781 in Preußen markiert den Beginn der Versicherungsaufsicht im eigentlichen Sinne im deutschsprachigen Gebiet.660 Diese Vorschrift war die Reaktion der preußischen Regierung auf die Missbräuche, die diese Versicherungszweige in den vorangegangen Jahren geprägt hatten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es eine ähnliche Situation auch in anderen deutschen Staaten, insbesondere in der Reichsstadt Nürnberg, in Bremen und im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg.661 Dies führte die jeweiligen Regierungen dazu, ähnliche Vorschriften zu verabschieden, die alle versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen im eigentlichen Sinne enthielten: In Bremen und im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg wurde eine Konzessionspflicht für alle Sterbekassen eingeführt, in Nürnberg für alle Sterbe-, Aussteuer- und Professionskassen. Aufsichtsrechtliche Vorschriften sind am Ende des 18. Jahrhunderts auch bei der Seeversicherung festzustellen: Im A. L. R. wurde insbesondere eine polizeiliche Kontrolle aller privaten Gesellschaften, inklusive der Versicherungsgesellschaften, vorgesehen. Die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, die von deutschen Staaten verabschiedet wurden, mehrten sich im 19. Jahrhundert und betrafen meistens zum einen Feuerversicherungen, zum anderen Witwen-, Waisen- und Sterbekassen. Trotz der Unterschiede der vielen versicherungsaufsichtsrechtlichen Systeme der deutschen Staaten waren aber Konzessionspflicht und Präventivkontrolle, wenn auch unterschiedlich gestaltet, eine Konstante.662 Die Konzessionspflicht wurde in den meisten Staaten so strukturiert, dass sie der Förderung einheimischer Versicherungsgesellschaften dienen sollte, während die Präventivkontrolle hauptsächlich das Ziel hatte, bei Feuerversicherungen Überversicherungen und damit verbundene Brandstiftungen zu vermeiden. Die Einführung einer Konzessionspflicht für ausländische Versicherungsunternehmungen zeigte sehr oft einen schnellen Erfolg bei der Förderung einheimischer Gesellschaften zum Nachteil der ausländischen.663 Bei ausländischen Versicherungen wurde nämlich das Konzessionsprinzip im Allgemeinen „stark durchgeführt“.664 Die Notwendigkeit einer staatlichen Genehmigung wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts in einigen deutschen Staaten auch auf inländische Gesellschaften, 660
S. oben C. V. 1. a) aa). S. oben C. V. 1. 662 S. oben C. V. 2. 663 Als Beispiel Preußen: s. oben C. V. 2. a) bb). 664 von Gierke, Versicherungsrecht, S. 20. Arps spricht sogar von „Konzessionskriegen“, da in einigen Fällen Konzessionen an ausländische Gesellschaften nur auf Reziprozitätsbasis erteilt wurden, d. h. erst wenn einheimische Versicherungen im Heimatland der beantragenden Versicherungen auch eine Konzession bekamen. Wenn dagegen Konzessionsanträge von einheimischen Versicherungen in einem anderen Staat abgelehnt wurden, wurde den Versiche 661
V. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
127
meistens Mobiliarfeuerversicherungen, die stets mit Misstrauen betrachtet wurden, erweitert.665 Das Konzessionssystem wurde aber in der Praxis zum perfekten Instrument für Missbräuche durch die Behörden. Die Erteilung der Konzessionen erfolgte nämlich sehr oft willkürlich, die Versicherungsgesellschaften mussten die verschiedensten Voraussetzungen und Bedingungen erfüllen, die häufig keine versicherungstechnische Grundlage hatten, sondern eher nur mit dem Kriterium des Nutzens für das Gemeinwohl verbunden waren.666 Sehr oft war die Genehmigung außerdem mit der Bezahlung erheblicher Geldsummen an die Behörden verbunden.667 Die Präventivkontrolle zeigte sich in allen Staaten wenig effektiv und konnte meistens ihr Ziel nicht erreichen und das Problem der Überversicherung und der „Spekulationsbrände“ nicht lösen.668 Zudem war mit der Präventivkontrolle eine ganze Reihe von Nachteilen verbunden. Zum einen nahm die Überprüfung der Verträge durch die Behörden viel Zeit in Anspruch, oft aufgrund eines Mangels an Beamten oder deren Unerfahrenheit auf dem Versicherungsgebiet,669 zum anderen waren die potentiellen Versicherungsnehmer misstrauisch gegenüber dieser „Einmischung“ der Behörden in die eigenen privaten Entscheidungen, oft mit dem Verdacht, dass diese Kontrolle aus steuerlichen Gründen durchgeführt werden konnte.670 Die Präventivkontrolle wirkte daher oft als Hindernis für den Abschluss neuer Versicherungen und brachte sogar viele dazu, sich im Ausland versichern zu lassen.671 Kurz nach der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich die Haltung der deutschen Regierungen gegenüber dem Versicherungswesen zu ändern. Die Effekte des sich verbreitenden wirtschaftlichen Liberalismus auf das Versicherungswesen zeigten sich zunächst in Preußen672 und danach im restlichen deutschen Gebiet. Eingeläutet wurde diese Veränderung durch die Aufhebung der Bedürfnisprüfung für Versicherungen und Agenten (1859) und der Konzessionspflicht für Agenten (1861)673 in Preußen und die Abschaffung der Präventivkontrolle in Bayern (1875).674 Bald entfielen Bedürfnisprüfung, Präventivkontrolle und Konrungen aus diesem Staat die Genehmigung ebenfalls verweigert (Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 47; s. auch Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 37). 665 S. oben C. V. 2. 666 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 43–44. 667 Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 45–47; Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 36–37 und S. 44. 668 Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 52; s. auch Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 34. 669 Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 52; Württembergische Feuerversicherung AG, Denkschrift zur Hundertjahrfeier, S. 49. 670 Württembergische Feuerversicherung AG, Denkschrift zur Hundertjahrfeier, S. 49; Burger, Der Einfluß, S. 36. 671 Tigges, Geschichte und Entwicklung, S. 34–35. 672 S. oben C. V. 2. a) kk). 673 S. oben C. V. 2. a) jj). 674 S. oben C. V. 2. b) aa).
128
C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
zessionspflicht für Agenten fast überall. In den meisten Staaten blieb dagegen die Notwendigkeit einer Konzession, meistens für nicht einheimische Versicherungen, bestehen,675 was in der Literatur für ein Zeichen des Vorherrschens restaurativer Überzeugungen auf politischer Ebene gehalten wurde.676
VI. Schlussfolgerungen aus der Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland: Der lange Weg zur materiellen Versicherungsaufsicht Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland von ihren Ursprüngen bis zur Einführung der materiellen Versicherungsaufsicht am Anfang des 20. Jahrhunderts war ein langer Prozess, der sich über mehrere Jahrhunderte zog. Die obenstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass dieser Prozess oft nicht linear verlief und die verschiedenen deutschen Staaten oft einige Versuche benötigten, bevor sie den richtigen Weg zu Realisierung einer effektiven Kontrolle und Überwachung über das Versicherungswesen gestalten konnten. Erste „Keime“ dieser Entwicklung entstanden in einigen deutschen Staaten schon im Zeitraum zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert. Sie finden sich in den Regelungen der Brandgilden in Schleswig-Holstein,677 im Prozess für die Erteilung des Octroi einer Versicherungsgesellschaft,678 in Hamburg in der Möglichkeit für die Versicherer, sich freiwillig der staatlichen Aufsicht zu unterwerfen,679 in den Vorschriften bezüglich der Figur des Dispacheurs680 und in den Regelungen der Hamburger Feuerkontrakte.681 Ab dem Anfang des 18. Jahrhunderts zeigten viele deutsche Regierungen die Absicht, eine breitere Kontrolle über eine so wichtige Wirtschaftsbranche wie das Versicherungswesen auszuüben. Gesetzliche Eingriffe aufsichtsrechtlicher Natur fanden bei allen Versicherungszweigen statt: Bei der Seeversicherung (in Preußen und Hamburg),682 bei der Feuerversicherung (wieder in Preußen und Hamburg, aber auch in Schleswig-Holstein, Nürnberg, Kur-Braunschweig, Herzogtum Braun-
675
S. oben C. V. 2. b) und C. V. 2. d). Burger, Der Einfluß, S. 27–28 und S. 35. Für eine detaillierte Darstellung der wirtschaftlichen und politischen Strömungen, die die Entwicklung der deutschen aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung bis zur Einführung der materiellen Versicherungsaufsicht 1901 durchsetzten, wird auf die zahlreiche Literatur verwiesen (einige Beispiele: Burger, Der Einfluß; Tigges, Geschichte und Entwicklung; Atzpodien, Die Entwicklung). 677 S. oben C. III. 1. 678 S. oben C. III. 2. 679 S. oben C. III. 2. 680 S. oben C. III. 3. 681 S. oben C. III. 4. 682 S. oben C. IV. 1. b), C. IV. 1. c), C. IV. 1. d) und C. IV. 2. b). 676
VI. Schlussfolgerungen aus der Entwicklung der Versicherungsaufsicht
129
schweig und in vielen anderen deutschen Staaten)683 und bei der Lebensversicherung (bezüglich der Wettversicherung, in Preußen und, vermutlich, in Hamburg, bezüglich der Heiratskassen in Kur-Braunschweig und bezüglich der Tontinen in verschiedenen Staaten).684 Die Gründe, die die deutschen Gesetzgeber dazu brachten, in die verschiedene Versicherungszweige einzugreifen, waren unterschiedlich. Bei der Seeversicherung sahen sich die Obrigkeiten keiner besonders gravierenden Situation gegenüber, deswegen beschränkten sich die gesetzlichen Eingriffe darauf, die Freiheit der Versicherungsparteien zu kontrollieren und zu begrenzen, indem sie die Möglichkeit einschränkten, als Versicherer oder Makler tätig zu werden oder sich versichern zu lassen. Was die Feuerversicherung betrifft, gab es im 18. Jahrhundert in den deutschen Staaten hauptsächlich öffentlich-rechtliche Anstalten. Da aber das Feuerversicherungswesen so wichtig für den Wohlstand der Bevölkerung und folglich für die Wirtschaft des Staates war, hielten es die Regierungen bei den Feuerversicherungsanstalten trotz ihres öffentlich-rechtlichen Charakters für notwendig, zum einen die Kontrolle des Staates genau zu gestalten und diese Anstalten unter die Beaufsichtigung verschiedener Gremien oder Organe des Staates zu stellen, zum anderen bezüglich der Einschätzung der Schäden und der Wiederaufbaupflicht Vorschriften in die Regelungen dieser Brandversicherungsanstalten mit einzubeziehen, die Missbräuchen seitens der Versicherten vorbeugen sollten, insbesondere um Überversicherungen und die damit verbundenen Brandstiftungen zu vermeiden. Bei der Lebensversicherung griffen die Staaten am tiefgreifendsten ein: Wettversicherungen und Heiratskassen, bei denen Missbräuche verbreitet und häufig waren, wurden in einigen Staaten in Gänze verboten. Diese Vorschriften stellten noch keine Versicherungsaufsicht dar, hatten aber zweifellos eine aufsichtsrechtliche Natur und zeigten, dass bei den meisten deutschen Staaten die Überzeugung vorherrschte, dass in der Versicherungsbranche staatliche Kontrolle und Überwachung unabdingbar waren. Die Bestimmungen, die im Laufe des 18. Jahrhunderts verabschiedet wurden, erwiesen sich jedoch als nicht ausreichend und bei mehreren Versicherungszweigen blieben Missbräuche und Betrug noch zu verbreitet und häufig. Verschiedene deutsche Staaten fingen daher an, aufsichtsrechtliche Maßnahmen im eigentlichen Sinne zu ergreifen. Als erstes wurde mit aufsichtsrechtlichen Vorschriften bei den Aussteuer- und Sterbekassen angesetzt, da bei diesen die Situation der Missbräuche besonders schwerwiegend war, oder dies zumindest so empfunden wurde, wie den Präambeln vieler Gesetze zu entnehmen ist. Für diese Kassen wurde am Ende des 18. Jahrhunderts erstmalig in Preußen ein Konzessionssystem eingeführt.685 Andere deutsche Staaten folgten in den darauffolgenden Jahren und führten eben-
683
S. oben C. IV. 1. a), C. IV. 2. a) und C. IV. 4. S. oben C. IV. 1. b), C. IV. 2. c), C. IV. 3 und C. IV. 5. 685 S. oben C. V. 1. a) aa). 684
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C. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland
falls Konzessionspflichten für diese Kassen ein.686 Auch bezüglich der Seeversicherung wurden am Ende des 18. Jahrhunderts aufsichtsrechtliche Vorschriften verabschiedet, und zwar im Allgemeinen Preußischen Landrecht.687 Ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde auch für die Feuer-versicherung eine Aufsicht im eigentlichen Sinne eingeführt, so dass in den meisten deutschen Staaten ein Konzessionssystem oft verbunden mit einer polizeilichen Präventivkontrolle in Kraft war, obwohl die Aufsichtssysteme der verschiedenen Staaten viele Unterschiede aufwiesen.688 Generell zeigte die aufsichtsrechtliche Gesetzgebung der deutschen Staaten im Laufe des 19. Jahrhunderts, dass die verschiedenen Versicherungsaufsichtssysteme sehr abweichend und mit unterschiedlichen Freiheitsstufen für die Versicherungsbranche gestaltet waren.689 Auch nach der Vereinigung der deutschen Staaten, zuerst im Deutschen Bund und dann im Deutschen Reich, blieben die Unterschiede zwischen den Aufsichtsmodellen in den verschiedenen Staaten für Jahrzehnte bestehen. Erst im Jahr 1901 konnte man durch das Versicherungsaufsichtsgesetz vom 12. Mai, das eine materielle Versicherungsaufsicht verbunden mit einem Konzessionssystem für ganz Deutschland einführte, zu einer Vereinheitlichung der Versicherungsaufsicht kommen.
686
S. oben C. V. 1. b), C. V. 1. c) und C. V. 1. d). S. oben C. V. 1. a) bb). 688 S. oben C. V. 2. a) und C. V. 2. b). 689 Für einen Überblick s. oben C. V. 2. d). 687
D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien Auch für Italien wie für Deutschland werden die verschiedenen Etappen in der Entwicklung der Versicherungsaufsicht, von ihren Ursprüngen bis zur Einführung einer materiellen Versicherungsaufsicht verbunden mit dem Konzessionsprinzip im 20. Jahrhundert, untersucht. Eine Versicherungsaufsicht im modernen Sinne wurde in Italien im Vergleich zu Deutschland später eingeführt und zwar erst mit dem Gesetz von 1923.1 Ab dem 14. Jahrhundert sind allerdings in Italien zahlreiche Gesetze aufsichtsrechtlicher Natur zu finden, die zeigen, wie die verschiedenen italienischen Gesetzgeber auf unterschiedliche Weise im Laufe der Jahrhunderte versuchten, eine gewisse Kontrolle über das Versicherungswesen auszuüben. Bevor die Entwicklung der Versicherungsaufsicht erforscht werden kann, ist es erforderlich die Entwicklung des Versicherungswesens in Italien kurz zu schildern, um die Rolle der Staaten und ihre Eingriffe in diese Wirtschaftsbranche besser verstehen zu können.
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Italien Die wichtigsten Schritte der allgemeinen Entwicklung des Versicherungswesens im europäischen Raum sind oben bereits dargestellt worden,2 nun soll der Fokus besonders auf Italien gelegt werden. Im italienischen Schrifttum wird die deutsche Darstellung der Geschichte des Versicherungswesens in drei Entwicklungslinien zwar meistens nicht verwendet, die Entstehung und Entwicklung der Versicherung in Italien können aber durch eine Betrachtung der wichtigsten Versicherungszweige nachvollzogen werden. Da die Geschichte der Versicherung nicht den Kern dieser Arbeit bildet, wird ihre Darstellung nur einen Überblick über die Entwicklung der Versicherung in Italien anhand der bestehenden Literatur geben und jene Aspekte darlegen, die für die Rekonstruktion der Geschichte der Versicherungsaufsicht in Italien relevant sind.
1 2
S. unten D. IV. S. oben C. I.
132
D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
1. Seeversicherung Die Seeversicherung entwickelte sich mindestens Anfang des 14. Jahrhunderts im Mittelmeerraum, insbesondere in Italien, von wo aus sie weitere südeuropäische und letztlich auch nordeuropäische Länder erreichte. Neben der bereits oben dargestellten Entwicklung der Seeversicherung,3 ist hier noch zu ergänzen, dass es in Italien bereits im frühen Mittelalter einige genossenschaftliche Zusammenschlüsse, die im Bereich der Seegeschäfte tätig waren, gab, bei welchen erste Ansätze der Entwicklung des Versicherungswesens gesehen werden konnten.4 Beispiele dafür sind zum einen die sog. mutue von Fischern, deren Ziel es war, den in Not geratenen Mitgliedern zu helfen und insbesondere diejenigen zu entschädigen, die ihre Boote verloren hatten,5 zum anderen die sog. colonna. Diese war „eine Rechtsgenossenschaft sämmtlicher Interessenten einer Seereise (Rheder, Schiffer und Schiffsmannschaft, der mehreren Ladungsbetheiligten [Commendatoren]) auf Gewinn und Verlust nach bestimmten Antheilen unter Leitung nur des Schiffers“.6 Laut einigen Autoren war die colonna bereits vor dem 12. Jahrhundert in der süditalienischen Stadt Amalfi verbreitet und wurde noch im 19. Jahrhundert, wenn auch selten, verwendet.7 Neben Amalfi war sie, zumindest am Anfang, noch in Genua und in anderen Regionen (wahrscheinlich Sizilien und Griechenland) bekannt.8 Bei einer colonna steuerten die Seeleute ihre Arbeit, die anderen Interessenten Geld, Waren oder das Schiff für den Transport zur Genossenschaft bei. Nach erfolgreichem Ausgang der Seereise wurde der Nettoverdienst zwischen allen Beteiligten verteilt. Bei einer nicht erfolgreichen Reise waren die Seeleute von der Aufteilung des Verlustes ausgenommen. Eine colonna konnte auch für mehrere Reisen abgeschlossen werden, in diesem Fall konnten an ihr auch See- oder Kaufleute teilnehmen, die an einer einzelnen Reise nicht direkt beteiligt waren. Goldschmidt beschrieb die colonna als einen Vertrag der „der heutigen Kommanditgesellschaft auf Aktien wirtschaftlich verwandt“ war.9 Die colonna wies außerdem auch Ähnlichkeiten mit dem foenus nauticum10 auf, da der Unterschied 3
S. oben C. I. 1. Über diese genossenschaftlichen Zusammenschlüsse s. Donati, Trattato, I. Bd., S. 59. 5 Solche mutue waren z. B. in kleinen Seestädten wie dem toskanischen Viareggio, dem ligurischen Camogli und der kleinen süditalienischen Insel Procida aktiv. 6 Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 271. 7 Alianelli, Delle antiche consuetudini, S. 93–95. Die colonna wurde zum ersten Mal in der sog. Tavola amalfitana (auch Tabula de Amalfa genannt) erwähnt, eine Sammlung der Seerechtsgewohnheiten von Amalfi, die vor dem 12. Jahrhundert zusammengestellt wurde. Die colonna musste also bereits vorher bekannt und verbreitet gewesen sein (ebd., S. 88). Die Vereinbarungen bezüglich der colonna wurden laut der Rechtslehre hauptsächlich mündlich getroffen, es gibt daher wenige Urkunde, die diese beweisen könnten. 8 Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 270–271; Alianelli, Delle antiche consuetudini, S. 95, Fn. 1. Über die colonna s. auch Targa, Ponderazioni, S. 133–137; Alianelli, Delle antiche consuetudini, S. 88–99; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 336 und S. 355. 9 Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 270. 10 S. oben C. I. 1. a). 4
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Italien
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zwischen den beiden nur darin lag, dass das foenus nauticum von einer im V oraus fest bestimmten Summe gekennzeichnet war, während bei der colonna die Summe zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unbestimmt und davon abhängig war, wie viel mit der Reise verdient wurde.11 Der tatsächliche Einfluss dieser Art von Verträgen auf die Entwicklung der Seeversicherung in Italien ist noch tiefgehender zu erforschen. Die italienische Rechtslehre hat mehrmals betont, dass die Seeversicherung eine Schöpfung der Kaufleute war und eine Antwort auf die Bedürfnisse darstellte, die mit ihren erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten verbunden waren.12 Aus diesem Grund wurde die Seeversicherung am Anfang durch die Praxis und die Gewohnheiten der Märkte reguliert, denn es waren „die Leute aus der Praxis, die ihr die erste Gestalt gaben, und die Policen, die ihr die erste Regelung gaben“ („Sono i pratici che le danno la prima linea, sono le polizze che le danno la prima disciplina“).13 Die gesetzliche Regelung der Versicherung wurde auf dieser Grundlage aufgebaut.14 Die Seeversicherung ist die erste Versicherungsart, die sich in Italien entwickelte und bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war sie die vorherrschende Form der Versicherung in Italien. Die ersten bekannten Urkunden und Gesetzestexte, in denen von Versicherungen die Rede war, bezogen sich meistens auf die Seeversicherung.15 Ab dem 14. Jahrhundert wurden aber auch erste kleine Schritte auf dem Weg zur Entwicklung anderer Versicherungsarten, wie der Lebensversicherung und der Feuerversicherung, gemacht.16
2. Lebensversicherung und Wetten Erste Beispiele von Versicherungen auf das Leben von Menschen sind in Italien im 14. und 15. Jahrhundert in der Form von Versicherungen auf die Freiheit von Menschen und auf das Leben von Dritten zu finden. Die Versicherung auf das Leben von auf Schiffen transportierten Sklaven fiel nicht unter die Lebensversicherung, da sie als Versicherung auf Waren betrachtet wurde und in der See versicherung bereits mit eingeschlossen war.17 11
Targa, Ponderazioni, S. 137. Aus der umfangreichen Literatur: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, I. Bd., S. 1; Donati, Trattato, I. Bd., S. 63–64; s. auch Fortunati, „Non potranno essere gettati“, S. 52, Fn. 2 und die dort genannte Literatur. 13 Donati, Trattato, I. Bd., S. 64. 14 Donati, Trattato, I. Bd., S. 63–64. 15 S. unten D. I. 5. 16 S. unten D. I. 2 und D. I.4. 17 Baldasseroni, Delle assicurazioni, I. Bd., S. 222–225; Bensa, Il contratto, S. 129; Piattoli, L’assicurazione di schiavi imbarcati, S. 868–869; Donati, Trattato, I. Bd., S. 63. Über die Versicherung auf Sklaven s. Fortunati, „Non potranno essere gettati“. 12
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
Versicherungen auf die Freiheit von Menschen wurden in Italien ab dem 14. Jahrhundert und ungefähr bis zum 19. Jahrhundert18 abgeschlossen und versicherten das Risiko versklavt zu werden, wobei die Versicherungssumme meistens dazu gedacht war, den Versklavten wieder freizukaufen.19 Oft wurden aber auch Verträge abgeschlossen, mit denen das Leben von Dritten abgesichert wurde. Erste Beispiele dafür sind Verträge, mit denen das Leben schwangerer Frauen gegen die Risiken bei Schwangerschaft und Geburt versichert wurde,20 der erste bekannte Versicherungsvertrag dieser Art wurde am 10. April 1427 in Genua abgeschlossen.21 Der Rechtslehre nach waren solche Verträge noch im 17. Jahrhundert zumindest in Rom sehr häufig.22 Weitere Verträge, mit denen das Leben einer dritten Person abgesichert wurde, stammen aus dem 15. Jahrhundert. Die zwei bekanntesten Beispiele dafür sind ein Vertrag auf das Leben eines Mannes (vermutlich der Schuldner des Versicherten) mit einer Vertragsdauer von einem Jahr23 und ein Vertrag, mit dem das Leben eines Mädchens ebenfalls für ein Jahr versichert wurde.24 Diese Verträge waren dadurch gekennzeichnet, dass sie zeitlich begrenzt waren (bis zur Geburt, oder auf einen bestimmten Zeitraum), dass ein finanzielles Interesse des Versicherten am Leben des Dritten vorlag (aufgrund von bestehenden Schulden oder ehelichen oder familiären Bindungen)25 und dass sie die Form eines Kaufvertrages hatten, in dem der Versicherer als Käufer erschien und sich verpflichtete, den Kaufpreis zu einem späteren Zeitpunkt zu bezahlen. Wenn die abgesicherte Person zum vereinbarten Zeitpunkt noch am Leben war, endete die Zahlungsverpflichtung.26 Später wurden auch Versicherungsverträge auf das Le 18
Fortunati, „Non potranno essere gettati“, S. 65. Bonolis, Svolgimento storico, S. 100; Donati, Trattato, I. Bd., S. 63; Fortunati, „Non potranno essere gettati“, S. 64–66. Über die Freiheitsversicherung, nicht nur in Italien, s. Baldas seroni, Delle assicurazioni, I. Bd., S. 303–310. 20 Bensa, Il contratto, S. 129–131; Jack, An introduction, S. 201–202; Donati, Trattato, I. Bd., S. 63; Piattoli, L’assicurazione di schiavi imbarcati, S- 866, Fn. 7. Vorbild für diese Versicherungen waren die Versicherungen auf das Leben schwangerer Sklavinnen, die im Mittelalter relativ häufig abgeschlossen wurden (Fortunati, „Non potranno essere gettati“, S. 58). 21 Damit versicherte ein Mann das Leben seiner im achten Monat schwangeren Frau gegen die Risiken der Schwangerschaft und der Geburt (abgedruckt in: Bensa, Il contratto, Anlage 19, S. 228–229); dazu s. Elsholz, Die Versicherung auf fremden Tod, S. 7. 22 Bensa, Il contratto, S. 129; Jack, An introduction, S. 201–202. 23 Vertrag vom 17. August 1427, abgedruckt in: Bensa, Il contratto, Anlage 20, S. 230. Über diesen Vertrag s. ebd., S. 132; Elsholz, Die Versicherung auf fremden Tod, S. 7; Bonolis, Svolgimento storico, S. 90 (Bonolis vermutete, dass der Mann, dessen Leben abgesichert wurde, ein Schuldner des Versicherten war und seine Schulden innerhalb eines Jahres begleichen musste). 24 Vertrag vom 5. Januar 1428, abgedruckt in: Bensa, Il contratto, Anlage 22, S. 232–233. Über diesen Vertrag s. edb., S. 131–132; Bonolis, Svolgimento storico, S. 90; Elsholz, Die Versicherung auf fremden Tod, S. 7. Laut der Rechtslehre, handelte es sich vermutlich um ein vom Versicherten entführtes Mädchen, von dem aber er behauptet, es sei seine Frau geworden (Bensa, Il contratto, S. 131–132; Bonolis, Svolgimento storico, S. 90). 25 Bonolis, Svolgimento storico, S. 11–12; Sanzin, Storia, S. 18. 26 Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 382, Fn. 146; Bonolis, Svolgimento storico, S. 90; Elsholz, Die Versicherung auf fremden Tod, S. 7; Ehrenberg, Neue Literatur, S. 284. Während die Mehrheit der Rechtslehre diese Verträge für Lebensversicherungsverträge hält, ist Elshloz 19
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Italien
135
ben von Dritten abgeschlossen, die die Form eines echten Versicherungsvertrages hatten. Zahlreiche solcher Verträge sind zum Beispiel im 17. Jahrhundert in Neapel zu finden: Auch diese waren zeitlich begrenzt und zeigten ein finanzielles Interesse des Versicherten am Leben des Dritten, der meistens in irgendeinem Maße sein Schuldner war.27 Neben Versicherungen auf das Leben einer dritten Person, an dem der Versicherungsnehmer ein Interesse hatte, wurden ab dem 15. Jahrhundert in Italien immer mehr Verträge abgeschlossen, die als Wetten auf das Leben von Personen gestaltet waren (meistens angesehene und berühmte Persönlichkeiten),28 deren Existenz mit dem Versicherten keine Verbindung hatte und an deren Leben er kein konkretes Interesse hatte.29 Die große Verbreitung solcher Wettversicherungen brachte einige italienische Gesetzgeber dazu, einzugreifen und mit Einschränkungen und Verboten zu versuchen, diese zu verhindern oder zumindest einzudämmen.30 Am Anfang war also die Lebensversicherung in Italien entweder als Risikolebensversicherung oder als Wettversicherung gestaltet, je nachdem ob der Versicherte ein Interesse an dem versicherten Leben (das eigene oder das von Dritten) hatte oder nicht. Erst ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Italien eine moderne Art der Lebensversicherung, die als Altersvorsorge gestaltet wurde.31 Ab dem 15. Jahrhundert sind in einigen italienischen Staaten mehrere Institute verschiedener Art zu finden, die auch als Schritt in der Entwicklung einer Lebensversicherung im modernen Sinn gesehen werden sollten:32 Aussteuerkassen wie
der Ansicht, dass sie keine Lebensversicherungen darstellten, sondern „reine Wetten“ (Elsholz, Die Versicherung auf fremden Tod, S. 8). 27 Viele Beispiele von solchen Versicherungsverträgen aus dem 17. Jahrhundert aus Neapel in: Cassandro, Note storiche, S. 289–290. 28 Einige Beispiele solcher Wettversicherungen aus dem 15. Jahrhundert (auf das Leben des Herrn von Piombino, des Papstes Nikolaus V. und des Königs von Aragon) sind abgedruckt in: Melis, Origini, Urkunden 27, 28 und 29, S. 214–217. 29 Bonolis, Svolgimento storico, S. 94; Vivante, Le assicurazioni sulla vita, S. 133. Die Ausbreitung solcher Wettversicherungen interessierte nicht nur die italienische Halbinsel, sondern auch andere europäische Länder und erfuhr ihren Höhepunkt im 16. und 17. Jahrhundert (s. oben C. IV. 1. b); s. auch Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 33; Elsholz, Die Versicherung auf fremden Tod, S. 8). 30 S. unten D. III. 1. a) ff), D. III. 1. c) aa). Darüber s. auch Donati, Trattato, I. Bd., S. 68–69. 31 Donati, Trattato, III. Bd., S. 564; Bonolis, Svolgimento storico, S. 99–100 und 120–122. Für eine Erklärung der Gründe der verspäteten Entwicklung der Lebensversicherung als Altersvorsorge in Italien s. Baglioni, L’assicurazione in Italia, S. 46–50. Die 1825 gegründete Compagnia d’assicurazioni aus Mailand ist die erste Versicherungsgesellschaft, die in Italien das Lebensversicherungsgeschäft betrieb. Kurze Zeit später folgte die Assicurazioni Generali aus Triest, deren erste Lebensversicherungsverträge im modernen Sinn aus dem Jahr 1832 stammten (Donati, Trattato, III Bd., S. 564, Fn. 18). 32 De Simone, Breve storia, S. 36; Donati, Trattato, I. Bd., S. 74–75; Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 24; Sanzin, Storia, S. 19–20.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
die sog. Monti delle doti,33 Sterbekassen,34 Leibrenten35 und Tontinen.36 Die Untersuchung der Rolle dieser Anstalten bei der Entwicklung der Lebensversicherung in Italien ist jedoch bisher noch nicht umfassend erfolgt.37 In Italien wurde die Lebensversicherung im Allgemeinen nie verboten.38 Im 18. Jahrhundert erinnerte Baldasseroni daran, dass es üblich war, eine Versicherung auf das Leben eines Menschen abzuschließen, solange ein Interesse des Versicherten am Überleben dieser Person vorlag:39 per quanto sia vero, che la Vita degl’Uomini non possa, né deva essere un oggetto di Commercio, […]. Tuttavolta a Napoli, a Venezia, a Livorno, in Inghilterra, ed in molti altri luoghi è permesso di fare delle Sicurtá sopra la vita delle Persone relativamente all’interesse, che si puó avere sulla più lunga conservazione delle medesime, dalla mancanza delle quali ne derivi un positivo danno a quello che li fa assicurare. auch wenn es wahr ist, dass mit dem Leben der Menschen weder gehandelt werden darf noch soll, […]. Dennoch ist es in Neapel, in Venedig, in Livorno, in England, und in vielen anderen Orten erlaubt, Versicherungen auf das Leben von Menschen abzuschließen, bezüglich des Interesses, das man an der längeren Bewahrung von diesen haben kann, in Ermangelung dessen ein positiver Schaden an dem Versicherten erfolgen kann.
Die gesetzlichen Maßnahmen der verschiedenen italienischen Regierungen bezüglich Lebens- und Wettversicherungen, sowie die Kontrolle, die die Obrigkeiten über Aussteuerkassen ausgeübt hatten, werden im Laufe dieser Arbeit aus einer aufsichtsrechtlichen Perspektive betrachtet.40
33
Über Monti delle doti und ähnliche Aussteuerkassen s. unten D. II. Über die Monti di pietá und deren Tätigkeit auch als Aussteuerkassen s. Gebauer, Die sogenannte Lebensversicherung, S. 53–54; Jack, An introduction, S. 191–195. 34 Vivante erinnert daran (leider ohne Zeitangabe) dass es Versicherungen auf Gegenseitigkeit in Dörfern gab, die zwischen Menschen aus demselben Kreis „aus Mitleid und Barmherzigkeit“ („per senso di pietà e di beneficienza“) abgeschlossen wurden und das Ziel hatten, Ältere zu unterstützen, Beerdigungen von Armen zu bezahlen und die Aussteuer für enterbte Mädchen aufzubringen (Vivante, Le assicurazioni sulla vita, S. 109). 35 Leibrentengeschäfte waren in Italien seit dem Mittelalter bekannt und wurden hauptsächlich mit Klöstern und kirchlichen Einrichtungen abgeschlossen (Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 382; Pertile, Storia del diritto italiano, S. 574–578). 36 Erste Pläne für die Errichtung von Tontinen wurden bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Piemont der Obrigkeit vorgelegt (Fortunati, Tontines in Italy, S. 213). Die erste (erfolglose) Tontine stammte aus dem Jahr 1706 und wurde in Turin gegründet (Prato, Gli albori delle assicurazioni in Piemonte, S. 30; De Simone, Breve storia, S. 39; Fortunati, Tontines in Italy, S. 214). Im Detail zu den Tontinen in Italien: Fortunati, Tontines in Italy. 37 Fortunati, Italy, S. 44. 38 Aus der umfangreichen Literatur: Bonolis, Svolgimento storico, S. 95 und 120; Pene Vidari, Il contratto d’assicurazione nell’età moderna, S. 252. 39 Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, I. Bd., S. 301 (mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache). 40 S. unten D. II und D. III. 1.
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Italien
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3. Feuerversicherung Während die Italienische Halbinsel bei der Entwicklung der Seeversicherung die Rolle des Vorläufers in Europa spielte, war dies für die Feuerversicherung nicht der Fall. Die italienische Rechtslehre ist sich darüber einig, dass die Feuerversicherung ihren Ursprung in den genossenschaftlichen Zusammenschlüssen aus Nordeuropa hat.41 In Italien war die Brandgefahr zwar nicht unbekannt, auch in italienischen Städten fanden Brände statt,42 trotzdem gab es nach dem Untergang des Römischen Reichs und im Mittelalter kein richtiges oder strukturiertes Abwehrsystem gegen Feuer mehr, sondern waren Brandprävention und Feuerbekämpfung den Bürgern, beziehungsweise bestimmten Gruppen von Bürgern, überlassen, aber keinen dafür spezialisierten Einheiten.43 Im Mittelalter (und in manchen Fällen bis zum 18. Jahrhundert) oblag in einigen italienischen Städten die Verpflichtung, die Besitzer brandbeschädigter oder abgebrannter Gebäude zu entschädigen, der Obrigkeit. In Turin war die Stadt beispielsweise seit 1326 zur Entschädigung von Brandschäden verpflichtet,44 und noch im 18. Jahrhundert wurden dort Brandschäden „durch Spenden von Nachbarn oder die Hilfe des Königs“ entschädigt.45 Aufgrund dieser staatlichen Verpflichtung war es im Interesse der Obrigkeiten, Brandverhütungs- und Brandlöschsysteme einzuführen oder diese zu verbessern, genauso wie Regelungen festzulegen, um Ausbrüche von Bränden zu vermeiden oder um ihre möglichen Schäden zu minimieren, was ab dem Anfang des 16. Jahrhunderts in einigen Städten auch geschah.46 Trotz Schwere der Schäden von Bränden waren im Mittelalter in Italien Spuren weder von Feuerversicherungen noch von etwas, was den deutschen Brandgilden ähnelte, zu finden.47 Das Risiko von Feuer auf Schiffen war eines der Risiken, die in den Seeversicherungsverträgen miteingeschlossen waren, die Feuerversicherung
41
Aus der umfangreichen Literatur s. Donati, Trattato, I. Bd., S. 58 und S. 74; ders., Trattato, III. Bd., S. 127–130; Baglioni, L’assicurazione in Italia, S. 37–39; s. oben C. I. 1. b). 42 Bekannt sind zum Beispiel zwei Brände in Genua, an Weihnachten 1154 und am Heiligabend 1181, bei denen ganze Stadtteile niederbrannten (Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 28). 43 Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 27–28. 44 Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 29. 45 Auszug aus dem Projekt aus dem Jahr 1734 zur Gründung einer Bank in Turin, die auch Immobilienfeuerversicherung hätte betreiben sollen, zitiert in: Prato, Gli albori delle assicurazioni in Piemonte, S. 26; s. auch Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 34. 46 Das war z. B. am Anfang des 16. Jahrhunderts in Mailand oder in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Turin der Fall. In beiden Städten wurden die sog. brentadori mit der Feuerlöschung beauftragt und hatten die Verpflichtung, in Bereitschaft zu sein, um sofort Wasser zur Löschung von Bränden zu beschaffen. Außerdem wurden im 17. und 18. Jahrhundert in Italien einige Gesetze verabschiedet, die z. B. regelten, an welchen Orten Holz oder andere brennbare Gegenstände gelagert werden durften, oder wie man Wasser zur Löschung der Brände benutzen sollte (Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 29). 47 Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 30–31.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
war aber in Italien für lange Zeit kein separater Versicherungszweig48 und entwickelte sich als solcher erst später als in vielen anderen europäischen Ländern. Die Rechtslehre hat diese verspätete Entwicklung mit der Tatsache begründet, dass generell in den südlichen Ländern die Gefahr des Brandes von Häuser geringer als in den nördlichen Ländern sei, erstens weil bei einem wärmeren Klima die Notwendigkeit Häuser zu heizen geringer und zeitlich begrenzt war, zweitens weil in vielen südlichen Ländern, somit auch in Italien, die Gebäude meistens nicht aus Holz oder anderen brennbaren Materialien, sondern größtenteils aus Stein und Ziegeln gebaut worden waren.49 In den italienischen Städten waren daher Brände weniger häufig im Vergleich zu anderen Ländern, infolgedessen gab es für mehrere Jahrhunderte weder seitens der Bevölkerung noch seitens der Obrigkeiten ein echtes Bedürfnis, oder irgendeinen zwingenden Grund, eine Entwicklung der Feuerversicherung voranzutreiben.50 Die ersten Gedanken, eine Versicherung zu gründen, die gegen das Risiko von Feuer schützen könnte, gehen in Italien auf das 18. Jahrhundert zurück.51 Es handelte sich um Projekte zur Gründung von Feuerversicherungsanstalten, die in Piemont der Obrigkeit vorgelegt wurden, dann aber nie zustande kamen, weil sie aus verschiedenen Gründen abgelehnt wurden.52 Die ersten Versicherungen, die auch die Feuerversicherung betrieben, stammten aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die erste soll nach Ansicht eines Teils der Rechtslehre die 1751 in Neapel gegründete Reale Compagnia di assicurazioni marittime gewesen sein, die die Feuerversicherung aber nur am Rande neben ihrem Hauptgeschäft, der Seeversicherung, ausgeübt haben soll.53 Von einem anderen Teil der Autoren wurde dagegen die im Jahr 1786 gegründete Banco di Assicurazioni e Cambi Marittimi aus Triest (zu der Zeit unter habsburgisch-österreicher Herrschaft) als das erste italienische Versicherungsunternehmen betrachtet, das die Feuerversicherung auf Immobilien und Mobiliar betrieb.54 Eine maßgebliche Entwicklung der Feuerversicherung in Italien fand erst ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt, mit der Gründung mehrerer Feuerversi-
48
Sanzin, Storia, S. 21. Maass, Die Brandgilden, S. 13; Sanzin, Storia, S. 22. 50 Sanzin, Storia, S. 22; Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 34; Baglioni, L’assicurazione in Italia, S. 39. 51 Donati, Trattato, III. Bd., S. 131. 52 Es wurden z. B. in Turin verschiedene Projekte vorgelegt: Eins im Zeitraum 1713–1720 (das genaue Datum ist unbekannt), eins im Jahr 1734 und eins in Jahr 1778 (Prato, Gli albori delle assicurazioni in Piemonte, S. 25–29; Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 34–35). 53 Donati, Trattato, III. Bd., S. 131; Hangartner, Versicherungsgeschichte, S. 220; Gasperoni, Assicurazioni contro gli incendi, S. 878. Über die Reale Compagnia di Assicurazioni Marittime von Neapel s. unten D. III. 1. d) cc). 54 Basilio, Le assicurazioni marittime, S. 33; Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 35–36. 49
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Italien
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cherungsgesellschaften, zum Beispiel in Triest (1822 und 1838), in Mailand (1825), in Neapel (1825) und in Turin (1828), die zum Teil heute noch tätig sind.55 Schließlich sollte bezüglich der Feuerversicherungen in Italien noch erwähnt werden, dass ab dem Ende des 19. Jahrhunderts alle Feuerversicherungsgesellschaften eine Musterpolice verwendeten, die 1884 vom Concordato Italiano incendi (ein Zusammenschluss von verschiedenen Versicherungsgesellschaften, gegründet im Jahr 1883) unter Beachtung aller gesetzlichen Vorschriften verfasst wurde. Die Musterpolice wurde allgemein verwendet, obwohl es keine gesetzliche Pflicht dazu gab.56
4. Andere Arten von Versicherungen: Versicherungen auf Landreisen und Rückversicherungen Neben der Seeversicherung und nach ihrem Vorbild entstand im 14. Jahrhundert in Italien auch die Versicherung auf Landreisen.57 Versicherungen auf Landreisen wurden nämlich zur gleichen Zeit der ersten Seeversicherungen abgeschlossen, da die Kaufleute ihre Waren aus den italienischen Städten nicht nur zur See, sondern manchmal auch auf dem Landweg transportierten.58 In Florenz wurden zum Beispiel Versicherungsverträge auf Landreisen bereits zumindest ab der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts abgeschlossen. Dies ist einigen Urkunden zu entnehmen, wie den sog. libri della compagnia Del Bene aus dem Zeitraum 1318–1320 und den sog. Statuti di Calimala (Statuten der Arte di Calimala, eine Gilde von Kaufleuten in Florenz, die mit Stoffen handelten), die ebenfalls aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammten.59 Auf diese beiden Urkunden wird im nächsten Abschnitt genauer eingegangen.60 In der Literatur ist es aber umstritten, ob diese Verträge echte Versicherungsverträge waren, da sie noch die Form eines Kaufvertrages oder eines Darlehens hatten. Einige Autoren sind daher der Meinung, dass erst ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von Versicherungsverträgen gesprochen werden kann.61
55 Donati, Trattato, III. Bd., S. 131–132, Fn. 19 und S. 20; Sanzin, Storia, S. 24; vgl. E ditrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 36; Gasperoni, Assicurazioni contro gli incendi, S. 878. Es ist interessant noch hervorzuheben, dass im 19. Jahrhundert einige Beispiele für Zwangsfeuerversicherungen zu finden sind: Eine Pflicht, Immobilien und Mobiliar gegen Feuer zu versichern, wurde z. B. 1850 in der Stadt Parma eingeführt, sie wurde aber 1860 wieder abgeschafft (Sacerdoti, Il contratto, S. 56, Fn. 1). 56 Donati, Trattato, III. Bd., S. 132, Fn. 23. 57 Donati, Trattato, I. Bd., S. 63. 58 Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 381; Bonolis, Svolgimento storico, S. 11; Piattoli, L’assicurazione contro i danni, S. 422. 59 Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 381, Fn. 144; Bonolis, Svolgimento storico, S. 11. 60 S. unten D. I. 5. 61 Vgl. Piattoli, L’assicurazione contro i danni, S. 423.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
Versicherungen auf Landreisen waren im Mittelalter aber auf jeden Fall seltener als Seeversicherungen, was sich daran zeigt, dass einerseits nicht viele mittelalterliche Verträge dieser Art in den Archiven vorhanden sind62 und es andererseits entsprechend wenige Gesetze gab, die diesen Versicherungszweig regelten oder einschränkten.63 Die italienische Rechtslehre identifiziert grundsätzlich zwei Gründe dafür. Erstens wurde im Mittelalter der Transport von Waren auf dem Seeweg bedeutend häufiger als der Transport auf dem Landweg verwendet, zweitens war für die Kaufleute die Versicherung eines Transports auf dem Landweg oft gar nicht erforderlich, da verschiedene italienische Städte Entschädigungssysteme für Verluste von Waren auf den Straßen ihrer Gemeinden besaßen. Nachdem in so einem Fall eine Entschädigung für den Verlust des Transportes bereits garantiert war, gab es folglich auch kein Bedürfnis, einen separaten Versicherungsvertrag abzuschließen. Nur in Sonderfällen, in denen eine Stadt eine Entschädigung im Voraus ausdrücklich ausschloss (zum Beispiel aufgrund eines Verbotes auf besonders gefährlichen Strecken zu reisen), war eine Versicherung wieder sinnvoll.64 Aber auch in diesen Fällen mag auf eine Versicherung verzichtet worden sein, denn zum einen waren die Risiken beim Landtransport geringer, zum anderen bestand nicht die Gefahr, bei einem Ereignis größere Summen zu verlieren, wie dies beim Untergang eines Schiffes der Fall war. Auch die Rückversicherung stammt in Italien aus dem 14. Jahrhundert65, war aber nicht besonders verbreitet. Der erst bekannte Rückversicherungsvertrag wurde am 12. Juli 1370 in Genua abgeschlossen.66 Außerdem konnte ein Versicherungsnehmer, der Zweifel an der Zahlungsfähigkeit eines Versicherers hatte, auch zwei separate Versicherungen auf denselben Gegenstand abschließen, wenn dies in den Verträgen ausdrücklich vermerkt war.67
5. Erste Urkunden und Gesetzestexte Die ersten Verträge, die im Großteil der Literatur als Versicherungen bezeichnet werden, stammen aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Für lange Zeit wurde ein am 23. Oktober 1347 in Genua unterschriebener Seeversicherungsvertrag als
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Bensa, Il contratto, S. 137, Fn. 2; Piattoli, L’assicurazione contro i danni, S. 423. Piattoli, L’assicurazione contro i danni, S. 431, Fn. 2. 64 Piattoli, L’assicurazione contro i danni, S. 423–432. 65 Bensa, Il contratto, S. 76; Donati, Trattato, I. Bd., S. 63; Editrice la compagnia, Nel primo centenario, S. 37–38. 66 Vertrag abgedruckt in: Bensa, Il contratto, Urkunde VIII, S. 200. Auch in diesem Fall wurde der Vertrag als resolutiv bedingter Kaufvertrag formuliert. Laut Bensa waren allerdings Rückversicherungsverträge in Genua sehr selten (ebd., S. 76). 67 Bensa, Il contratto, S. 76. Laut einem Teil der Literatur ist die sog. documento grossetano (s. unten D. I. 5) das erste Beispiel einer solchen Versicherung (vgl. Valeri, I primordi, S. 638 und die dort genannte Literatur). 63
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Italien
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der erste bekannte Versicherungsvertrag angesehen.68 Ein noch älterer, auch in Genua unterschriebener Seeversicherungsvertrag wurde dann von Melis entdeckt: Ein Vertrag vom 18. Februar 1343.69 In beiden Fällen (wie in allen anderen genuesischen Verträgen aus dieser Zeit) hatte der Vertrag die Form eines Darlehens, das eine Versicherung tarnte. Seeversicherungsverträge wurden aber vermutlich schon vorher abgeschlossen, wie einigen Urkunden datiert auf den Anfang des 14. Jahrhunderts entnommen werden kann. Zunächst sind die sog. libri della compagnia Del Bene aus Florenz zu berücksichtigen, Buchungsunterlagen aus dem Zeitraum 1318–1320 von einem gewissen Francesco Del Bene und seinen Genossenschaftlern, in denen auch Ausgaben aufgelistet waren, die sich auf Versicherungen auf den Transport von Waren zu beziehen schienen.70 Außerdem ist auch eine notarielle Urkunde aus dem Jahr 1329 aus der südtoskanischen Stadt Grosseto bekannt, das sog. documento grossetano, das die Quittungen diverser Zahlungen enthielt, unter anderem auch einer Zahlung in Erfüllung eines in Genua unterschriebenen Vertrages zur Versicherung eines Seetransports zwischen Tunis und Grosseto.71 Ob die oben genannten Urkunden als Beispiele oder Beweise für Versicherungsverträge gelten können, ist in der Literatur umstritten.72 Während manche Autoren die Ansicht vertreten, dass diese Urkunden beweisen, dass es Versicherungsverhältnisse bereits zumindest Anfang des 14. Jahrhunderts gab,73 sind andere der Meinung, dass erst ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von echten Versicherungsverträgen gesprochen werden kann, da die früheren Verträge noch die Form eines Darlehens oder eines Kaufvertrages hatten.74 Bei diesen Autoren wird als ältester bekannter italienischer Versicherungsvertrag eine notarielle Urkunde vom 15. März 1350 aus Palermo genannt, die die älteste Urkunde ist, die ausdrücklich und explizit von Versicherung sprach.75 68
Vertrag abgedruckt in: Bensa, Contratto di assicurazione, Urkunde III, S. 192–193. Aus dem deutschen Schrifttum s. Frenzl, Seeversicherung, in: Manes, Versicherungslexikon, 2. Aufl., Sp. 1121; von Gierke, Versicherungsrecht, I. Hälfte, S. 12; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 364–365; Hagen, Versicherungsrecht, S. 5. 69 Vertrag abgedruckt in: Melis, Origini, S. 184–185 und Urkunde III. 70 Auszüge aus den libri della compagnia Del Bene abgedruckt in: Bensa, Il contratto, Urkunde I, S. 183–189. Über die libri della compagnia Del Bene s. auch ebd., S. 50–52; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione medievale, S. 11. 71 Documento grossetano abgedruckt in: Bensa, Contratto di assicurazione, Urkunde II, S. 190–191; Melis, Origini, S. 183–184 und Urkunde II. Über das documento grossetano s. Bensa, Il contratto, S. 53; Goldschmidt, Zur Geschichte der Seeversicherung, S. 207–208; Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 1; Valeri, I primordi. 72 Über diese Debatte berichten z. B.: Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione medievale, S. 9–13; Donati, Trattato, I. Bd., S. 61, Fn. 25. 73 Aus der umfangreichen Literatur: Bensa, Contratto di assicurazione, S. 51–54; Valeri, I primordi, S. 601–603; Goldschmidt, Zur Geschichte der Seeversicherung, S. 208. 74 Aus der umfangreichen Literatur: Schaube, Die wahre Beschaffenheit; Knoll, Entwicklungsgeschichte, S. 11; Hammacher, Die Grundzüge, S. 10; Mahr, Einführung, S. 51–52 und die dort genannten Autoren; Checchini, I precedenti, S. 352–355. 75 Vertrag abgedruckt in: Zeno, Documenti, Urkunde CXC, S. 229–230; Melis, Origini, S. 185–186 und Urkunde IV. Über diesen Vertrag s. Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione,
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
Aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts stammen auch die ersten Gesetzestexte, die Spuren der Existenz der Versicherung enthielten, da diese dort reguliert oder zumindest erwähnt wurde. Die bekanntesten davon sind die bereits erwähnten76 Statuti di Calimala aus Florenz (1301–1302 und 1332)77 und der sog. Breve Portus Kallaretani (1318),78 ein Statut über die Regelung der Tätigkeiten des Hafens Cagliari (zu der Zeit unter pisanischer Herrschaft) von der Stadt Pisa erlassen.79 Auch bezüglich dieser Gesetzestexte ist es allerdings in der Literatur umstritten, ob es sich tatsächlich schon um Versicherungen handelte.80
6. Das Betreiben des Versicherungsgeschäfts: Einzelversicherer, Versicherungsgesellschaften und mutue (Versicherungen auf Gegenseitigkeit) Das Versicherungsgeschäft betrieben in Italien am Anfang nur Einzelversicherer, in der Hauptsache Kaufleute, für die die Versicherung nur eines von mehreren Geschäften war, die sie ausübten.81 In den Quellen sind aber nur wenige Beispiele von Versicherungsverträgen zu finden, die nur von einem einzelnen Versicherer abgeschlossen wurden.82 Das Versicherungsgeschäft war so riskant, dass die einS. 131; Hangartner, Versicherungsgeschichte, S. 218. Frühere Versicherungsverträge (aus den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts) hatten auch in Palermo die Form eines Darlehens (Schaube, Versicherungsgedanke, S. 165; ders., Die Wahre Beschaffenheit, S. 473 und S. 482–490. Nach Schaubes Ansicht waren daher diese noch keine echten Versicherungs verträge. 76 S. oben D. I. 4. 77 Die Statuti di Calimala waren Statuten einer florentinischen Gilde von Kaufleuten und hatten in der Stadt Florenz Gesetzeskraft. Über diese Statuti s. Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 13; Donati, Trattato, I. Bd., S. 61; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 167–169; Bonolis, Svolgimento storico, S. 9–10; Filippi, L’arte dei mercanti di calimala. S. auch oben D. I. 4. 78 In der Literatur auch Breve Portus Kallaritani genannt und auch auf 1317 oder 1319 datiert. 79 Breve Portus Kallaretani abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 284–315; Bonaini, Statuti inediti, S. 1110–1131. 80 Über diese Debatte berichten z. B.: Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione medievale, S. 9–13; Bonolis, Svolgimento storico, S. 8–11; Donati, Trattato, I. Bd., S. 61, Fn. 25. Die Autoren, die diese Gesetzestexte als Beweis für die Existenz von Versicherungen schon am Anfang des 14. Jahrhunderts halten, sind u. a.: Bensa, Il contratto, S. 55–57; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 359–361 (obwohl dieser Autor in einem anderen Werk seine Zweifel über die Rolle dieser Gesetzestexte als Beweise der Existenz der Versicherung äußert: Goldschmidt, Zur Geschichte, S. 209–210); Dernburg / Kohler, Versicherungsrecht, S. 350; Kiesselbach, Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung, S. 1; Cassandro, Genesi, S. 243; Mahr, Einführung, S. 51. Die Autoren, die hingegen die Rolle dieser Gesetzestexte als Beweis der Versicherung anfangs des 14. Jahrhunderts ablehnen, sind u. a.: Reatz, Geschichte, S. 31–38; Salvioli, L’assicurazione e il cambio marittimo, S. 29–35. 81 Donati, Trattato, I. Bd., S. 68; Cassandro, Genesi, S. 251–252. 82 La Torre, Assicurazione, S. 124, Fn. 245.
I. Die Geschichte des Versicherungswesens in Italien
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zelnen Kaufleute sich lieber zusammenschlossen, um ein Risiko gemeinsam zu versichern, und somit „das Risiko in ausreichender Menge zu vermindern, um sie [die Versicherung] als Geschäft praktikabel zu machen“ („attenuare l’alea quanto bastava per renderla [l’assicurazione] praticabile come affare di commercio“).83 Solche Verträge, in denen das Risiko von mehreren Versicherern abgesichert wurde, stellten Beispiele von coassicurazione (Mitversicherung) dar und wurden bereits ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts abgeschlossen.84 Ab dem Anfang des 15. Jahrhunderts wurden von Kaufleuten erste Gesellschaften mit dem Ziel gegründet, das Versicherungsgeschäft zu betreiben:85 Der erste bekannte Vertrag zur Gründung einer solchen Gesellschaft wurde am 16. August 1424 in Genua abgeschlossen.86 Es handelte sich oft um „atypische“ Gesellschaften, die nur schwer von der einfachen coassicurazione zu unterscheiden waren.87 Eine echte Versicherungsgesellschaft, die Societá di assicurazioni pei casi di naufragio, di preda ed altri rischi marittimi e terrestri (Versicherungsgesellschaft für Fälle von Schiffbruch, Seeräuberei und andere Risiken auf dem See und auf dem Land), soll 1558 in Neapel gegründet worden sein.88 Es ist aber unklar, ob diese Gesellschaft wirklich existiert hat, und selbst wenn, soll sie nur ein kurzes Leben gehabt haben.89 Erst ab dem Ende des 16. Jahrhunderts wurden in einigen italienischen Städten, wie z. B. Venedig, echte Versicherungsgesellschaften gegründet, die als Alleinziel hatten, das Versicherungsgeschäft zu betreiben.90 Die ersten großen Versicherungsgesellschaften mit einer soliden Struktur wurden erst nach der
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La Torre, Assicurazione, S. 125; s. Bensa, Il contratto, S. 80; Bonolis, Svolgimento storico, S. 50–51; Pene Vidari, Il contratto d’assicurazione nell’età moderna, S. 220; Donati, Trattato, I. Bd., S. 68; La Torre, La disciplina giuridica, S. 3; Sanzin, Storia, S. 15. 84 S. verschiedene Verträge abgedruckt in: Bensa, Il contratto, Urkunde XI (S. 210–212), Urkunde XIII (S. 215–216) und Urkunde XIV (S. 217–220). Eine Rekonstruktion der Anzahl der Mitversicherer und die Häufigkeit, mit der Versicherungsverträge mit mehreren Versicherern abgeschlossen wurden, ist in Melis, Origini, zu finden: S. 271 für den Zeitraum 1427–1431 in Genua, S. 283 für den Zeitraum 1524–1526 in Florenz. In einer Versicherungsurkunde vom 19. Dezember 1431 aus Genua erschienen sogar 51 Versicherer (ebd., S. 12 und Urkunde XII). 85 Bensa, Il contratto, S. 80; Bonolis, Svolgimento storico, S. 50–51; La Torre, Assicurazione, S. 126; Cassandro, Genesi, S. 252; Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 42; Donati, Trattato, I. Bd., S. 68; Sanzin, Storia, S. 15. 86 Vertrag abgedruckt in: Bensa, Il contratto, Urkunde XV, S. 221–222. 87 La Torre, Assicurazione, S. 126. 88 Bianchini, Della storia delle finanze, S. 297. 89 Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 43; Sanzin, Storia, S. 16; vgl. Assante, Il mercato, S. 77. 90 La Torre, Assicurazione, S. 126. Über die Versicherungsgesellschaften im 16. Jahrhundert in Venedig s. Schwarzenberg, Ricerche sull’assicurazione, S. 62–69. In der damaligen Stadt Ragusa (dem heutigen Dubrovnik, damals unter venezianischer Herrschaft) wurden im 16. Jahrhundert einige Versicherungsgesellschaften formell gegründet, es gib aber keine Beweise dafür, dass sie tatsächlich operierten, und es wird in der Literatur vermutet, dass trotz der Existenz solcher Gesellschaften die Versicherungsverträge in der Stadt weiter nur von einzelnen Kaufleuten abgeschlossen wurden (Tenenti / Tenenti, Il prezzo del rischio, S. 176–180).
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtet91 und hatten den Höhepunkt ihrer Ausbreitung im 19. und 20 Jahrhundert.92 Ab dem Mittelalter gab es in den verschiedenen italienischen Städten und Staaten genossenschaftliche Zusammenschlüsse verschiedener Art93 und Versicherungen auf Gegenseitigkeit (mutue assicuratrici oder ähnlich bezeichnet).94 Diese spielten auch in der Entwicklung des Versicherungswesens in Italien eine Rolle, die aber noch nicht gründlich erforscht wurde.95 Um die Entwicklung von Versicherungswesen und Form der Versicherungsunternehmen in Italien zu verstehen, muss schließlich auch noch erwähnt werden, dass die Krise des Handelsverkehrs und der Handelsgeschäfte ab dem Ende des Mittelalters auf der italienischen Halbinsel selbstverständlich auch eine Auswirkung auf das Versicherungswesen hatte, das in Italien einen Rückschlag erlebte, während die Versicherung sich in anderen europäischen Ländern weiter entwickelte und blühte.96 Schließlich noch ein kurzes Wort zur Rolle der sog. sensali (Makler). Seit den Anfängen der Versicherung in Italien im 14. Jahrhundert und bis zur Gründung der ersten großen Versicherungsgesellschaften im 18. Jahrhundert spielten die sensali eine Schlüsselrolle für die Versicherungsgeschäfte.97 Wie zentral die Rolle der Makler beim Abschluss von Versicherungsverträgen war, zeigt sich auch bei den 91
Einige dieser Versicherungsgesellschaften hatten das Privileg des Monopols des Betreibens des Versicherungsgeschäfts, wie z. B. die 1742 gegründete Compagnia generale delle assicurazioni marittime aus Genua und die 1751 gegründete Reale Compagnia di Assicurazioni Marittime aus Neapel (über die Reale Compagnia s. unten D. III. 1. d) cc)). Andere wichtige Versicherungsgesellschaften, die im 18. Jahrhundert gegründet wurden, sind die Compagnia Anconetana aus Ancona (1761), die Compagnia Triestina aus Triest (1764) und die Compagnia Veneziana aus Venedig (1787) (Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 54–58; Sanzin, Storia, S. 24). Laut einiger Autoren wurde bereits am Ende des 17. Jahrhunderts in Venedig eine Versicherungsgesellschaft gegründet, die eine solide finanzielle Struktur hatte: Die Compagnia d’Assicuratori von 1681. Es ist aber unklar, ob sie tatsächlich aktiv wurde und Versicherungsgeschäfte betrieb (über die Compagnia d’Assicuratori s. Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 43–44; Pene Vidari, Il contratto d’assicurazione, S. 220–221; Sanzin, Storia, S. 22). 92 La Torre, Assicurazione, S. 127; ders., La disciplina giuridica, S. 3. 93 Für einige Beispiele s. oben D. I. 1. 94 Über die Entwicklung der Versicherungen auf Gegenseitigkeit in Italien s. La Torre, Assi curazione, S. 76–86; Vivante, Le assicurazioni sulla vita, S. 109–117; ders., Trattato, II. Bd., S. 408–416; Donati, Trattato, I. Bd., S. 203–297; Piergiovanni, Alle origini delle societá mutue; Volpe Putzolu, Societá di mutuo soccorso, S. 763–771; Porri, Lo sviluppo, S. 114–115. 95 Fortunati, Italy, S. 44. Bonolis ist jedoch der Ansicht, dass die mittelalterlichen genossenschaftlichen Zusammenschlüsse keine Verbindung zu den modernen Versicherungen auf Gegenseitigkeit hatten (Bonolis, Svolgimento storico, S. 124). 96 Aus der umfangreichen Literatur: Bonolis, Svolgimento storico, S. 124. 97 La Torre, La disciplina giuridica, S. 319–320. Über die Rolle des Versicherungsmaklers in Italien s. auch Daveggia, L’intermediazione assicurativa, S. 326–359; Pene Vidari, Il contratto d’assicurazione, S. 223–236.
II. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle: Die Aussteuerkassen
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Eingriffen einiger italienischer Gesetzgeber, die in einigen Fällen die Notwendigkeit der Mitwirkung von Maklern festgelegten und diesen sogar die Befugnisse eines Amtsträgers gewährten.98
II. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle: Die Aussteuerkassen In Italien kann man nur sehr spät, sogar erst im 20. Jahrhundert, von einer Versicherungsaufsicht im eigentlichen Sinne sprechen.99 Diese Arbeit wird die Entwicklung der Eingriffe der italienischen Staaten im Bereich des Versicherungswesens rekonstruieren, um zu zeigen, wie die Obrigkeit im Laufe der Jahrhunderte versuchte, eine gewisse Kontrolle und Überwachung über diesen Geschäftsbereich auszuüben, bis die Einführung einer echte Versicherungsaufsicht erreicht war. Um erste Ansätze einer staatlichen Absicht zu finden, sich auf den Weg der Einführung einer Versicherungsaufsicht zu machen, sind verschiedenste Einrichtungen betrachtet worden, um mögliche Parallelen zu der deutschen Entwicklung der Versicherungsaufsicht zu entdecken. Einige interessante Aspekte hierzu konnten bei den Aussteuerkassen, die ab dem 15. Jahrhundert in Italien gegründet wurden, festgestellt werden.100 Hier werden insbesondere die drei bekanntesten Aussteuerkassen Italiens berücksichtigt: Der Monte delle doti in Florenz, die Monti di maritaggio in Neapel und der Monte del matrimonio in Bologna. Aus dieser Untersuchung wird sich ergeben, dass im Gegenteil zu Deutschland die Aussteuerkassen in Italien generell keinen Nährboden für Missbräuche boten und daher keinen Bereich darstellten, in dem sich die obrigkeitliche Aufsicht früh entwickeln musste. Obwohl in einigen Fällen eine obrigkeitliche Kontrolle auf diese Aussteuerkassen vorgesehen war, wurde diese nur in einem Fall tatsächlich umgesetzt. Andere Arten von Kassen, wie Witwen-, Waisen- und Sterbekassen, werden in dieser Arbeit nicht dargestellt, da bei diesen anhand der untersuchten Quellen und Literatur keine Ansätze einer zukünftigen Aufsicht festgestellt werden konnten.
1. Monte delle doti in Florenz Die bekannteste und älteste italienische Aussteuerkasse ist der Monte delle doti, der 1425 von der Stadt Florenz errichtete wurde101 und im 15. und 16. Jahrhundert aktiv war. Das Ziel des florentinischen Gesetzgebers bei der Gründung dieser Aussteuerkasse war, Geld in die Stadtkasse fließen zu lassen, das die Stadt 98 S. unten D. III. 1; s. auch Donati, Trattato, I. Bd., S. 69; Salvioli, L’assicurazione e il cambio marittimo, S. 76–82. 99 S. unten D. IV. 100 S. oben D. I. 2. 101 Verfügung vom 23. Februar 1425, abgedruckt in: Kirshner, Pursuing Honor, S. 60–65.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
dringend brauchte, um die hohen Ausgaben zu decken, die mit den seit Jahren fast ununterbrochen andauernden Kriegen verbunden waren. Dies hätte ermöglicht, die Steuerlast auf die Bürger zu senken und somit eine Erleichterung für die Bevölkerung zu schaffen, die in den letzten Jahren nicht nur durch Kriege, sondern auch durch die Pest dezimiert worden war.102 Die Idee hinter dem Monte delle doti war, dass die Stadt Florenz sowohl für den Schutz ihrer Bürger verantwortlich war, als auch dafür, dass ihre „Kinder“ eine gute Ehe schließen konnten.103 Mit der Gründung des Monte delle doti wurden die florentinischen Väter aufgefordert, eine bestimmte Summe für jede Tochter in den Monte einzuzahlen, die für eine bestimmte, feste und vorher vereinbarte Anzahl von Jahren104 im Monte verbleiben musste. Nach der vereinbarten Ablaufzeit und nur wenn das betroffene Mädchen geheiratet hatte und die Ehe vollzogen war, wurde das Geld einschließlich Zinsen dem Ehemann ausbezahlt.105 Dank hoher fester Zinsen konnten die Familien mit guten Aussteuern für ihre Töchter rechnen, die Zinsen des Monte waren nämlich höher als die zu dieser Zeit in Florenz üblichen Marktzinsen.106 Nach seiner Gründung, änderte die Stadt mehrmals die Regeln zum Betrieb des Monte delle doti, um die Leute dazu zu bringen, Geld in den Monte einzubezahlen.107 Zunächst war diese Aussteuerkasse nicht besonders erfolgreich und in den ersten Jahren zahlten nur wenige Familien für ihre Töchter in den Monte ein.108 Danach konnte er sich aber etablieren und im Laufe des 15. Jahrhunderts wurden ungefähr 20.000 Mädchen dort angemeldet.109 Im Gegenteil zu den deutschen Staaten, wo sehr häufig die Aussteuerkassen von Missbräuchen gekennzeichnet waren, was zum Erlass der ersten versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen in diesem Bereich führte,110 war die Situation beim Monte delle doti anders. Hier gab es keinen Anlass zu einer obrigkeitlichen Kontrolle, nicht nur aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur des Monte, dessen
102 Molho, Marriage alliance, S. 27–30; ders., Firenze nel quattrocento: politica e fiscalitá, I. Bd, S. 115; Kirshner, Pursuing Honor, S. 16. 103 Becker, Marvin B., Florence in transition, S. 72 und S. 236. 104 Zwischen mindestens 7,5 und 15 Jahre. 105 Wenn das Mädchen vor dem Ablauf des vereinbarten Zeitraums gestorben oder in ein Kloster eingetreten war, wurde nur ein Teil der einbezahlten Summe ausbezahlt und der Rest fiel an die Stadt. Wenn es aber eine heiratsfähige Schwester hatte, konnte die Summe durch einen neuen Vertrag (mit leicht schlechteren Bedingungen) auf deren Konto übertragen werden (Becker, Marvin B., Florence in transition, S. 72 und S. 236.). 106 Über den Betrieb des Monte delle doti s. Molho, Marriage alliance, S. 30–79; ders., Firenze nel quattrocento: politica e fiscalitá, I. Bd, S. 115–117; Kirshner, Pursuing Honor, S. 16–18; zu Fürstenberg, Die Wechselwirkung, S. 123. 107 Molho, Marriage alliance, S. 30–38. 108 Im Jahr 1425 wurden nur zwei Mädchen beim Monte angemeldet und in den darauffolgenden drei Jahren sogar keins (Molho, Marriage alliance, S. 32). 109 Molho, Firenze nel quattrocento: politica e fiscalitá, I. Bd, S. 116. 110 S. oben C. V. 1.
II. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle: Die Aussteuerkassen
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Zahlungsfähigkeit von der Stadt Florenz garantiert wurde,111 sondern auch weil die einzigen Missbräuche, die sich beim Monte delle doti ereigneten, seitens der Stadt erfolgten, die oft die Zahlungen an den Monte, der das Geld für die Aussteuer hätte zahlen müssen, verzögerte.112
2. Monti di maritaggio im Königreich Neapel Ab dem 16. Jahrhundert entstanden im Königreich Neapel, sowohl in der Hauptstadt als auch in kleineren Städten und Dörfern des Königreichs, zahlreiche Monti di maritaggio. Es handelte sich um privat gegründete Aussteuerkassen, die entweder von Großfamilien113 oder von Zünften114 gegründet wurden und für die Auszahlung von Aussteuern an die Mitglieder der jeweiligen „Gruppe“ gedacht waren.115 Die Monti di maritaggio waren also Aussteuerkassen, die unabhängig von staatlicher Initiative gegründet wurden, was grundsätzlich eine kulturelle und soziale Begründung hatte. Sich keine Aussteuer verschaffen zu können, war mit dem schlechten finanziellen Zustand einer Familie verbunden und in dieser Region Italiens war es nicht Aufgabe des Staates, sich in solche familiären und privaten Angelegenheiten „einzumischen“. Der Grund dafür war, dass bis zumindest Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts im Königreich Neapel (in der Stadt Neapel, aber besonders in den Provinzen) die Verbindungen innerhalb einer Zunft und insbesondere innerhalb einer Großfamilie sehr stark waren und sogar die Basis der Sozialstruktur des Königreichs selbst darstellten. Schwierigkeiten bei der Bezahlung von Aussteuern und das damit verbundene Problem der Armut der Familien waren nicht vom Staat, sondern nur innerhalb der Familien bzw. der Zünfte zu lösen. Die Solidarität innerhalb der Gruppe war einer der Hauptgründe der Existenz der Gruppe selbst, egal ob diese auf familiären oder auf geschäftlichen Bindungen basierte. In diese Angelegenheiten einzugreifen, hätte für den Staat bedeutete, „sich dem Fundament der Gesellschaft offen zu widersetzen“ („opporsi apertamente a una delle basi fondamentali della societá“).116 Diese Situation führte zwangsläufig zu einem Mangel an Aufsicht oder Kontrolle seitens des Staates über die Monti
111 Delille, Un esempio, S. 279; Carboni, Le doti, S. 15; vgl. Becker, Marvin B., Florence in transition, S. 71–72 und S. 236–237. 112 Becker, Marvin B., Florence in transition, S. 72 und S. 237. 113 Mehrere Familien, oft aus gleicher Abstammung, miteinander verwandt oder anderweitig verbunden. In diesen Fällen wird von Monti di famiglia gesprochen. 114 In diesen Fällen wird von Monti di corporazioni di mestiere gesprochen. 115 Delille, Un esempio, S. 276–279; Carboni, Le doti, S. 15; Iampieri, I „Monti di maritaggio“, S. 9–39. Die von Zünften gegründeten Monti di maritaggio hatten neben dem Hauptziel, den Mitgliedern Aussteuer auszuzahlen, auch zusätzliche Aufgaben, wie z. B. das Geld zu beschaffen, um gefangene Seeleute aus der Sklaverei frei zu kaufen (im Falle von Zünften von Seeleuten), oder um arme Mitglieder zu unterstützen (Delille, Un esempio, S. 278). 116 Delille, Un esempio, S. 279–280.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
di maritaggio, und dies obwohl bei diesen Aussteuerkassen sehr oft Betrug und Missbräuche an der Tagesordnung waren.117 Eine zweite Art von Monti di maritaggio wurde ab dem Ende des 17. Jahrhunderts, dann insbesondere im 18. Jahrhundert und noch im 19. Jahrhundert im Königreich Neapel gegründet.118 Diese Monti funktionierten, im Gegensatz zu den früheren Monti, eher wie karitative Institutionen und waren für alle geöffnet, die arm oder in Not waren, unabhängig von familiären oder geschäftlichen Bindungen. Die neuen Monti die maritaggio entstanden, als das System der Abstammungen anfing, in eine Krise zu geraten. Mit der Zeit und insbesondere im Laufe des 18. Jahrhunderts lockerten sich nämlich die Verbindungen innerhalb der Großfamilien und waren nicht mehr so eng wie bislang, wodurch die einzelnen kleinen Familien eine zunehmend wichtigere Rolle spielten. Bei diesen neuen Monti di maritaggio wurden Betrieb und Verwaltung zuverlässigen Personen anvertraut, die derselben sozialen Klasse des Gründers des Monte angehörten, wie zum Beispiel dem Bürgermeister, dem Pfarrer oder anderen „aufrichtigen und wohlhabenden Menschen“ („uomini probi e benestanti“).119 Auch bei dieser zweiten Art von Monti di maritaggio fehlte also eine zentrale Kontrolle seitens des Staates, da die Überwachung dieser Aussteuerkassen ausschließlich innerhalb der Gemeinschaft stattfand. Eine wichtige Änderung in der Verwaltung der Monti di maritaggio fand im 19. Jahrhundert während der französischen Herrschaft (1806–1815) statt. Es wurde vom Gesetzgeber versucht, so weit wie möglich private Einflüsse in der Verwaltung und Führung wohltätiger Einrichtungen, wie den Monti di maritaggio, zu vermeiden und diese stattdessen unter staatliche Kontrolle zu stellen.120 Mit einem Dekret von 1809 wurde in jeder Provinz des Königreichs Neapel ein Rat mit der Aufgabe eingerichtet, alle privaten wohltätigen Einrichtungen, daher auch die Monti di maritaggio, zu überwachen.121 Die Absicht des Staates, über alle diese Einrichtungen eine Kontrolle auszuüben, wurde in den darauffolgenden Jahren mehrmals bestätigt,122 auch durch die Einführung der Befugnis jeder Gemeinde des Königreichs in die Verwaltung der Einrichtungen und deren Vermögen einzugreifen.123 Die staatliche Intention zur Überwachung dieser Kassen wurde auch nach dem Ende der französischen Herrschaft vom Gesetzgeber mittels mehrerer Gesetze, die grundsätzlich die Gesetzgebung des sog. „französischen Jahrzehnts“ 117
Einige Beispiele dieser Missbräuche in: Delille, Un esempio, S. 280. Einige Monti di Maritaggio waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts tätig. 119 Delille, Un esempio, S. 276 und S. 280–282 (282). 120 Über die Monti di maritaggio während der französischen Herrschaft in Neapel und der darauffolgenden Restauration s. Iampieri, I „Monti di maritaggio“, S. 20–30. 121 Königliches Dekret vom 16. Oktober 1809, Nr. 493, abgedruckt in: Bullettino delle leggi del Regno di Napoli, 1809, II. Bd., S. 996–998. 122 Zunächst mit dem Königlichen Dekret vom 1. Oktober 1811, Nr. 1083, abgedruckt in: Bullettino delle leggi del Regno di Napoli, 1811, II. Bd., S. 157–161. In den darauffolgenden Jahren wurden dann mehrere weitere Gesetze diesbezüglich verabschiedet. 123 Königliches Dekret vom 27. Februar 1812, Nr. 1263, abgedruckt in: Bullettino delle leggi del Regno di Napoli, 1812, I. Bd., S. 245–246. 118
II. Erste Ansätze einer staatlichen Kontrolle: Die Aussteuerkassen
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beibehielten, weiter fortgesetzt.124 Obwohl sie nicht ausschließlich die Monti di maritaggio betraf, war diese obrigkeitliche Kontrolle, die im 18. Jahrhundert im Königreich Neapel eigeführt wurde, der erste Ansatz einer zukünftigen staatlichen Überwachung, der sich auf diese Aussteuerkassen bezog.
3. Monte del matrimonio in Bologna Im Jahr 1583 wurde von einem Kaufmann in Bologna der Monte del matrimonio gegründet. Dieser wurde vom Monte delle doti in Florenz inspiriert, war aber so gestaltet, dass er nicht als Investment für die Reichen zu sehen war, sondern eher als Hilfsmittel für ärmere Familien. Auch das Ziel des Monte del matrimonio war es Mädchen zu ihren Aussteuern zu verhelfen, sein Betrieb war aber flexibler als der des florentinischen Monte delle doti. Beim Monte del matrimonio war es nämlich auch möglich, kleine Summen einzubezahlen, der Zeitraum der Geldeinlage war nicht im Voraus bestimmt, sondern jeweils zu vereinbaren, und die Zinsen waren variabel und nicht fest wie in Florenz.125 Der Monte del matrimonio wurde einer gewissen staatlichen Kontrolle unterworfen, obwohl die obrigkeitlichen Einflüsse nie tiefgehend waren. Im 16. Jahrhundert gehörte die Stadt Bologna zum Kirchenstaat und der Monte del matrimonio bekam bei seiner Gründung 1583 eine päpstliche vorübergehende Genehmigung zur Durchführung seiner Tätigkeiten. Erst 1586 wurde das Statut des Monte durch eine päpstliche Bulle nachträglich bestätigt und genehmigt.126 Diese Bulle erlaubte zukünftige Änderungen des Statutes, mit der einzigen Einschränkung der Einhaltung der Konformität mit dem kanonischen Recht. Obwohl in der Bulle festgelegt wurde, dass der Senat der Stadt Bologna eine Kontrolle über den Monte ausüben sollte, wurde dies nie umgesetzt. Kontrolle seitens des Senat über Bilanz, Bestellung von Geschäftsführern und Tätigkeiten des Monte del matrimonio fanden ebenfalls nicht statt und bereits im Jahr 1587 wurde dem Monte die Natur des „Laienorts“ zugesprochen, was ihn von jeglicher bischöflicher Inspektion befreite. Der Monte del matrimonio übte also seine Tätigkeit im Prinzip unabhängig vom Kirchenstaat aus.127 Die Ursache dafür, dass der Staat weder eine Kontrolle noch einen Einfluss über die Tätigkeiten dieses Monte für nötig hielt, kann mit der Tatsache erklärt werden, dass dieser laut Literatur und Quellen tatsächlich umsichtig und sorgfältig betrieben wurde, ohne jegliches Anzeichen für Missbräuche oder Betrug.128 124
Eine ausführliche Darstellung dieser Gesetzgebung in: Iampieri, I „Monti di maritaggio“, S. 26–28. 125 Carboni, Le doti, S. 16, S. 50–52 und S. 65. 126 Päpstliche Bulle vom 9. Mai 1586, abgedruckt in: Maragi, Il Monte del matrimonio, S. 200–201. 127 Carboni, Le doti, S. 69–70. 128 Carboni, Le doti, S. 89–97.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Im Gegensatz zur Entwicklung der Versicherungsaufsicht im deutschsprachigen Gebiet, wo einige der ersten aufsichtsrechtlichen Vorschriften, die ab dem Ende des 18. Jahrhunderts in verschiedenen Staaten verabschiedet wurden,129 Aussteuer kassen betrafen, fand bei den italienischen Aussteuerkassen kaum ein obrigkeit licher Eingriff statt. Was sich zeigt ist, dass, während die Aussteuerkassen in mehreren deutschen Staaten oft von Missbräuchen seitens aller Beteiligten geprägt waren, was den Staat zwang, Maßnahmen zu ergreifen, bei den italienischen entweder der Betrieb reibungslos und ohne Missstände lief (wie in Florenz und Bologna) oder die kulturellen Umstände der Region den Staat von Eingriffen abhielten (wie im Königreich Neapel). Erst im 19. Jahrhundert und nur bei den Monti di maritaggio im Königreich Neapel zeigte sich die Absicht des Staates, eine gewisse Kontrolle über die Monti auszuüben, was aber in diesem Fall eine generelle Haltung des Staates gegenüber wohltätigen Einrichtungen widerspiegelte. Im Allgemeinen kann behauptet werden, dass bei den italienischen Aussteuerkassen keine bedeutungsvollen Indizien einer künftigen Entwicklung der Versicherungsaufsicht festgestellt werden können.
III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur Die ersten italienischen Gesetze über das Versicherungswesen stammen aus dem 14. Jahrhundert.130 Anfangs wurde die Versicherung aber hauptsächlich durch das Gewohnheitsrecht reguliert, daher enthielt diese Gesetzgebung keine allgemeine Regelung des Versicherungswesens, sondern eher einzelne gezielte Eingriffe seitens der Obrigkeiten, meistens aus Gründen der öffentlichen Ordnung.131 Einige gesetzliche Bestimmungen zeigten eindeutig eine aufsichtsrechtliche Natur,132 die aus der Absicht der Obrigkeit hervorging, eine gewisse Kontrolle über das Versicherungswesen auszuüben. Vorschriften solcher Art sind ab dem 14. Jahrhundert in verschiedenen italienischen Städten und Königreichen zu finden. Insbesondere waren die Ziele der italienischen Gesetzgeber: Missbräuche zu verhindern,133 die eigenen Kaufleute gegenüber Ausländern zu fördern und zu unter
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S. oben C. V. 1. S. oben D. I. 5. 131 Bonolis, Svolgimento, S. 13; Cassandro, Genesi, S. 250; Donati, Trattato, I. Bd., S. 64. 132 Kraus spricht von „versicherungsaufsichtsähnlichen Maßnahmen“ (Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 5). 133 Zum Beispiel durch Wettversicherungsverbote: s. unten D. III. 1. a) ff) für Genua und D. III. 1. c) aa) für Venedig. 130
III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
151
stützen,134 die Erfüllung der Versicherungsverträge135 und die ordnungsgemäße Bezahlung von Steuern und Gebühren sicher zu stellen.136 Vorschriften aufsichtsrechtlicher Natur wurden auch noch nach der Vereinigung Italiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verabschiedet, als noch keine Versicherungsaufsicht im eigentlichen Sinne eingeführt worden war.137
1. Gesetzgebung italienischer Städte und Königreiche vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert Die ersten Eingriffe der italienischen Gesetzgeber, die eine versicherungsaufsichtsrechtliche Absicht der Obrigkeiten zeigten, gehen auf das 14. Jahrhundert zurück und setzten sich bis ins 19. Jahrhundert fort. Sie betrafen insbesondere die Seeversicherung, zum Teil aber auch die Lebensversicherung und die Wettversicherungen, wie aus der obigen Darstellung der Geschichte des Versicherungswesens in Italien zu erwarten war.138 Um die Entwicklung dieser gesetzlichen Bestimmungen mit aufsichtsrechtlichem Charakter darzustellen, werden in den nächsten Abschnitten die Gesetzgebungen der Städte und Königreiche berücksichtigt werden, die eine führende Rolle in der Geschichte der Versicherung in Italien gespielt haben: Genua, Florenz, Venedig und Neapel. a) Genua (ab dem 14. Jahrhundert) Wie die ersten italienischen Versicherungsverträge aus Genua stammten, so wurden hier auch die ersten Gesetze verabschiedet, die in einer Darstellung der Entwicklung der Versicherungsaufsicht berücksichtigt werden müssen.
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Zum Beispiel durch Gesetze, die die Versicherung ausländischer Schiffe oder Waren verboten oder einschränkten: s. unten: D. III. 1. a) bb) für Genua, D. III. 1. b) aa) für Florenz und D. III. 1. c) bb) für Venedig. 135 Zum Beispiel durch Gesetze, die die Anfechtung von Versicherungsverträgen aufgrund ihres angeblich wucherischen Charakters verboten: s. unten D. III. 1. a) aa) für Genua und D. III. 1. b) bb) für Florenz. 136 S. unten D. III. 1. a) ee) für Genua und D. III. 1. d) aa) für Neapel. 137 S. unten D. III. 2. 138 S. oben D. I. 1 und D. I. 2.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
aa) Dekret von 1369 zum nicht wucherischen Charakter der Versicherungen Das erste Gesetz, das zu beachten ist, ist ein Dekret des Dogen der Republik von Genua, Gabriele Adorno, aus dem Jahr 1369,139 das eines der ältesten bekannten italienischen Gesetze über das Versicherungswesen ist. Mit diesem Dekret bestätigte der Staat, dass alle abgeschlossenen Versicherungen140 nicht wucherisch und daher vollumfänglich gültig und zu erfüllen waren. Jeder Versuch, einen abgeschlossenen Versicherungsvertrag aufgrund seines vermeintlich wucherischen Charakters vor einem Kirchengericht anzufechten, um den daraus entstehenden Verpflichtungen zu entkommen, wurde bestraft. Durch diese Vorschrift versuchte der Staat, Versicherungsnehmer (d. h. die genuesischen Kaufleute, die ihre Schiffe oder Waren versichert hatten) vor Missbräuchen seitens der Versicherer zu schützen.141 Letztere versuchten durch Anfechtung von Versicherungsverträgen wegen Wuchers, ihren vertraglichen Verpflichtungen zu entkommen, wurden aber mit dem Dekret von 1369 dazu gezwungen, diese ordnungsgemäß zu erfüllen. Eine ähnliche Vorschrift mit dem gleichen Ziel verabschiedete einige Jahre später auch der florentinische Gesetzgeber.142 bb) Verbot, ausländische Schiffe zu versichern Das Verbot, Versicherungen auf ausländische Schiffe abzuschließen, ist ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in verschiedenen genuesischen Vorschriften enthalten. Der Hauptgrund dieses Verbotes war die Absicht der Obrigkeit, die eigenen Bürger zu fördern und sowohl vor ausländischer Konkurrenz143 als auch vor potentiellen finanziellen Gefahren zu schützen, denen sie bei der Versicherung ausländischer Schiffe und Waren ausgesetzt werden konnten.144 Diese Ziele schienen jedoch nicht wirklich erreicht worden zu sein, wie die Entwicklung der genuesischen Gesetzgebung zeigt.
139 Dekret vom 22. Oktober 1369, abgedruckt in: Bensa, Il contratto, S. 149–151. Über dieses Dekret s. ebd., S. 83–84; Bonolis, Svolgimento storico, S. 14–15; ders., Contributo, S. 315; Cassandro, Genesi, S. 250; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 93; Goldschmidt, Zur Geschichte, S. 217; ders., Universalgeschichte, S. 374, Fn. 119; Hammacher, Die Grundzüge, S. 31. Über dieses Dekret spricht auch Schewe in seinem umstrittenen Werk: Schewe, Geschichte, S. 190–191. 140 Das Dekret betraf Versicherungen auf See- und Landreisen. 141 Das Dekret ist als „das erste Schutzgesetz für „Versicherungsnehmer“ bezeichnet worden“ (Schewe, Geschichte, S. 191). 142 S. unten D. III. 1. b) bb). 143 Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 215. 144 Bonolis, Contributo, S. 313.
III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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Nach Ansicht der Mehrheit der Rechtslehre wurde das Verbot erst in den sog. Regole (Regeln) des Uffizio di Mercanzia von Genua festgelegt.145 Das Uffizio di Mercanzia war eine typische mittelalterliche Institution, die nicht nur in Genua, sondern auch in vielen anderen italienischen Städten angesiedelt war.146 Es war eines der Organe der Stadt, von den wichtigsten Zünften der Kaufleute gegründet, durfte Gesetze verabschieden und war für Angelegenheiten zuständig, die den Schutz des Handels der Stadt betrafen, unter anderem auch für Versicherungsangelegenheiten.147 Die Regole des Uffizio di Mercanzia von Genua wurden vermutlich zwischen 1369 und 1380 verabschiedet148 und enthielten ein Kapitel über die Versicherung, von dem aber nur der Titel überliefert wurde („De assecuramentis contra contenta in presenti regula non faciendies“). Der Inhalt dieses Kapitels wurde von Bensa anhand eines der Consilia des genuesischen Juristen Bartolomeo Bosco aus dem Jahr 1420 rekonstruiert.149 Dieser Rekonstruktion nach legte das Kapitel fest, dass die Versicherung ausländischer Schiffe bei sonstiger Nichtigkeit des Vertrages verboten war, dass kein Makler beim Abschließen solcher Versicherungsverträge mitwirken durfte und dass die damit verbundenen Streitigkeiten weder von städtischen Gerichten noch von Schiedsgerichten entschieden werden durften. Das Verbot ausländische Schiffe zu versichern wurde zum ersten Mal mit einem Dekret vom 23. Januar 1408 aufgehoben,150 allerdings nur für das laufende Jahr 1408. Durch die Aufhebung des Verbotes wollte die Stadt zum einen eine Verschlechterung der Geschäfte ihrer Kaufleute vermeiden, zum anderen die Einnahmen aus Steuern auf Versicherungsverträge151 wieder steigen lassen, da diese aufgrund des Verbotes erheblich gesunken waren, und gleichzeitig die Voraussetzung schaffen, um einen höheren Preis für die Erteilung des Auftrags zur Erhebung dieser Steuern verlangen zu können.152 Am Ende des Jahres trat das Verbot zwar wieder in Kraft, aber bereits im Jahr 1414 war es komplett außer Gebrauch gekommen, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Aufhebung. Ausländische Schiffe
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Bensa, Il contratto, S. 85–86; vgl. Bonolis, Svolgimento, S. 16; Schewe, Geschichte, S. 189. Piergiovanni ist dagegen der Ansicht, dass das Verbot, ausländische Schiffe zu versichern, erst 1403 in Kraft trat (Piergiovanni, Bartolomeo Bosco, S. 752–753 und S. 767–784). 146 Piergiovanni, Bartolomeo Bosco, S. 762. Das Uffizio della Mercanzia von Genua existierte bereits am Anfang des 14. Jahrhunderts (Bensa, Della giurisdizione mercantile, S. 285). 147 Eine detaillierte Darstellung der Geschichte und der Rolle des Uffizio della Mercanzia in: Bensa, Della giurisdizione mercantile; Piergiovanni, Bartolomeo Bosco, S. 762–769. 148 Das genaue Datum ist unbekannt (Bensa, Il contratto, S. 84–86). 149 Bosco, Consilia, Nr. 450, S. 705. 150 Dekret der genuesischen Regierung vom 23. Januar 1428, abgedruckt in: Bensa, Il contratto, S. 157–158. 151 Auf alle Versicherungsverträge waren in Genua Steuern zu entrichten (s. unten D. III. 1. a) ee)). 152 Bensa, Il contratto, S. 87–88; Bonolis, Svolgimento storico, S. 17; Piergiovanni, Barto lomeo Bosco, S. 780; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 95.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
wurden häufig versichert und über solche Versicherungen fällte das Uffizio di Mercanzia regelmäßig Urteile.153 Einige Jahre später, mit einem Gesetz vermutlich aus dem Jahr 1420,154 wurde das Versicherungsverbot auf ausländische Schiffe geregelt und eingeschränkt. Dieses Gesetz legte fest, dass nur ausländische Schiffe versichert werden konnten, die auf ozeanischen Seerouten (von Cádiz bis zum Ozean und zurück) oder von Genua ab oder bis Genua segelten.155 Auf allen anderen Seerouten, sowohl innerhalb des Mittelmeers als auch Richtung Orient, blieben Versicherungen auf ausländische Schiffe verboten. Offensichtlich kollidierte die Absicht, die eigenen Bürger zu fördern und sie gegen alle Ausländer und Feinde zu schützen, in der Realität mit den finanziellen Schäden, die diese Politik der Stadt Genua verursacht hatte, was zur Entscheidung führte, nur auf einigen (wenigen) Seerouten das Verbot beizu behalten.156 In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war aber das Verbot von Versicherungen auf ausländische Schiffe wieder generell außer Gebrauch gekommen und ausländische Schiffe wurden erneut regelmäßig versichert. Eine ausdrückliche Aufhebung des Verbotes erfolgte nie.157 Die Absicht des Staates seine eigenen Bürger zu schützen, indem er die Ver sicherung von ausländischen Schiffe oder Waren verbot, war im gleichen Zeitraum auch in anderen europäischen Gesetzgebungen vorhanden, wie zum Beispiel in Florenz (ab dem Ende des 14. Jahrhunderts),158 in Venedig (ab dem 15. Jahrhundert)159 und in Spanien,160 während in Preußen die Versicherung von Waren von „erklärten Feinden“ durch die Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1766 verboten war.161
153 Bensa, Il contratto, S. 88, der sich auf das Consilium Nr. 450 von Bosco bezog (Bosco, Consilia, Nr. 450, S. 705); Piergiovanni, Bartolomeo Bosco, S. 778, der sich auf das Consilium Nr. 21 von Bosco bezog (Bosco, Consilia, Nr. 21, S. 26). 154 Gesetz abgedruckt in: Bensa, Il contratto, S. 159–160. Das genaue Datum des Gesetzes ist unbekannt. Über das Gesetz von 1420 s. Bensa, Il contratto, S. 88–89; Bonolis, Svolgimento, S. 17; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 95; Piergiovanni, Bartolomeo Bosco, S. 778. 155 Auf den ozeanischen Seerouten konnten Schiffe nur bis zur Hälfte des Wertes, inklusive Schiffsausrüstung, versichert werden (s. unten D. III. 1. a) dd)). 156 Piergiovanni, Bartolomeo Bosco, S. 783. Laut Piergiovanni hatten die ausgewählten Routen auch einen politischen Hintergrund, und zwar die Absicht den katalanischen Versicherern zu schaden. 157 Bensa, Il contratto, S. 121. 158 S. unten D. III. 1. b) aa). 159 S. unten D. III. 1. c) bb). 160 Zum Beispiel in den verschiedenen Ordonnanzen von Barcelona ab dem Jahr 1435 (s. oben C. I. 1. a)); s. auch Bensa, Il contratto, S. 94; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 378, Fn. 135. 161 S. oben C. IV. 1. c).
III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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cc) Verbot, Schiffe im Hafenbecken zu versichern Eine weitere Vorschrift aus dem 14. Jahrhundert, die eine aufsichtsrechtliche Natur zeigen könnte, ist ein genuesisches Statut, vermutlich aus dem Jahr 1390, das das Verbot festlegte, Schiffe im Hafenbecken zu versichern.162 Der Grund dieses Verbotes wurde im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt und kann nur vermutet werden. Es konnte sein, dass es im Hafenbecken kein echtes zu versicherndes Risiko gab und daher kein Interesse, eine Versicherung abzuschließen, da die Schiffe dort in Sicherheit waren. Das Verbot konnte aber auch mit der obrigkeitlichen Absicht begründet werden, Missbräuche seitens der Versicherten zu vermeiden, da diese die Schiffe im Hafen leicht verbrennen oder versenken hätten können, um die Entschädigungssumme zu bekommen. Der Großteil der Autoren neigt allerdings zum ersten Motiv,163 was einen aufsichtsrechtlichen Charakter der Vorschrift widersprechen würde. dd) Verbot, Schiffe über die Hälfte des Wertes hinaus zu versichern Das bereits erwähnte genuesische Gesetz von 1420164 legte auch fest, dass alle (einheimischen und ausländischen) Schiffe, die auf ozeanischen Seerouten segelten, nur bis zur Hälfte ihres Wertes, inklusive Schiffsausrüstung, versichert werden konnten.165 In der italienischen Literatur wird eine Einschränkung des versicherbaren Wertes mit der Notwendigkeit des Vorliegens eines berechtigten Interesses zum Abschluss einer Versicherung verbunden, und zwar des Interesses an der Vermeidung des Schadensfalles. Denn nur beim Vorliegen eines solchen Interesses würde sich der Versicherte dazu angeregt und gedrängt fühlen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um den Versicherungsfall zu vermeiden.166 Eine Beschränkung des versicherbaren Wertes war auch in anderen europäischen Gesetzen aus dem 15. und 16. Jahrhundert enthalten, insbesondere in Spanien (in den Ordonnanzen von Bar 162
Statut „De non assecurando pro navigatis in Darsina collocatis“ abgedruckt in: Historiae Patriae Monumenta, XVIII. Bd., Sp. 571–572. Über dieses Statut s. Bensa, Il contratto, S. 152. Im Gegensatz zu allen anderen Autoren, die sich Bensa anschließen und das Statut auf das Jahr 1390 datierten, behauptet La Torre, dass es bereits 1380 verabschiedet wurde (La Torre, Cinquant’anni col diritto, S. 78, Fn. 167). 163 Über die zwei möglichen Gründe des Verbotes s. Bensa, Il contratto, S. 87. Bensa tendierte zur ersten Begründung (das Fehlen eines Risikos und daher eines versicherbaren Interesses), sowie: Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 94; Bonolis, Svolgimento, S. 16; Piergiovanni, Bartolomeo Bosco, S. 772–773. 164 S. oben D. III. 1. a) bb). 165 Über diese Vorschrift s. Bensa, Il contratto, S. 89; Piergiovanni, Bartolomeo Bosco, S. 778; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 95. 166 La Torre, Assicurazione, S. 125; Fanelli, Saggi, S. 464–465; Donati, Trattato, I. Bd., S. 67 und S. 71.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
celona von 1435167 und 1484168, in der Ordonnanz von Burgos von 1538169 und in der Ordonnanz von Sevilla von 1552170) und in den Niederlanden (Ordonnanz von 1549171). In Venedig wurde eine Einschränkung des versicherbaren Wertes für ausländische Schiffe zum ersten Mal im Jahr 1602 eingeführt.172 In Deutschland war dagegen die Versicherung über den vollen Wert der versicherten Schiffe und Waren von Anfang an üblich, sowohl in Hamburg als auch in Preußen.173 ee) Steuer- und Meldepflichten In Genua war seit dem Jahr 1400 eine Steuer in Höhe von einem halben Prozent der Versicherungssumme auf alle abgeschlossenen Versicherungsverträge zu bezahlen.174 Nachdem aber nicht klar war, welcher der Vertragsparteien die Bezahlungspflicht oblag, präzisiert ein Jahr später das Dekret vom 2. Februar 1401 (das sog. Decreto dei Consoli delle Calleghe),175 dass die Steuern komplett von den Versicherten zu entrichten waren. Das Dekret legte außerdem fest, dass Notare und Makler dazu verpflichtet waren, den für die Steuererhebung zuständigen Behörden auf Anfrage alle abgeschlossenen Versicherungen bekannt zu geben und Einsicht in die entsprechenden Urkunden zu gewähren.176 Mit dieser Vorschrift kombinierte die Obrigkeit die Erleichterung der Steuererhebung mit der Absicht, einen Überblick über alle Versicherungsverträge zu bekommen.
167
S. oben C. I. 1. a); s. auch Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 108–109; Bensa, Il contratto, S. 94–95. 168 Ordonnanz von 1484, abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 523–543. 169 Ordonnanz von 1538, Abschnitt über die Seeversicherung („Para los seguros maritimos“) abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, VI. Bd., S. 135–194. 170 Ordonnanz von Karl V. von 1552, Abschnitt über die Versicherung („Seguros“) abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, VI. Bd., S. 68–69. 171 Ordonnanz vom 29. Januar 1549, abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, IV. Bd., S. 38–44. 172 S. unten D. III. 1. c) bb). 173 Hammacher, Die Grundzüge, S. 92–95. 174 Goldschmidt, Zur Geschichte, S. 218; Hammacher, Die Grundzüge, S. 32. 175 Dekret „Quod omnes persone que se fecerint assecurare sint obligate ut infra“ vom 2. Februar 1401, abgedruckt in: Bensa, Il contratto, S. 155–156. Die Consoli delle Calleghe (auch consules calegarum) waren zwei Beamte, die die Aufgabe hatten, die Aufträge zur Erhebung der Steuer zu erteilen und deren Ausführung zu überwachen (Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 94). 176 Über das Dekret von 1401 s. Bensa, Il contratto, S. 86–87; Bonolis, Svolgimento, S. 16; Piattoli, Ricerche, S. 384; Goldschmidt, Zur Geschichte, S. 218; Hammacher, Die Grundzüge, S. 32.
III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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ff) Wettversicherungen Die genuesische Regierung ergriff im Laufe der Jahrhunderte mehrmals Maßnahmen bezüglich Wettversicherungen. Dies zeigt deutlich, dass die starke Ausbreitung von Verträgen dieser Art von der Obrigkeit als besorgniserregend erachtet wurde. Eine erste Vorschrift, die relevant in dieser Darstellung ist, ist das Gesetz De assecuratione super peste, von dem uns nur der Titel überliefert wurde, während sein Text verloren ging und sein Datum ebenfalls unbekannt ist.177 In der Literatur wird vermutet, dass dieses Gesetz das Verbot enthielt, Wettversicherungen auf das mögliche Geschehen einer Pestepidemie abzuschließen. Ein Verbot, das der Obrigkeit vermutlich aufgrund der rasanten Ausbereitung von Wetten dieser Art als notwendig erschien.178 Zwei weitere Vorschriften, die die Ausbreitung von Wettversicherungen einschränkten, stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts: Ein Dekret von 1467179 und ein Dekret von 1475.180 Auch von diesen beiden Gesetzen ist nur der Titel (oder nur ein Teil davon) bekannt. Der Inhalt von beiden konnte aber von den Titeln abgeleitet werden und die Rechtslehre ist der einstimmigen Ansicht, dass diese Gesetze ein Verbot von Versicherungen auf das Leben von hochgestellten Persönlichkeiten und auf das Schicksal von Städten und Königreichen enthielten.181 In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde dieses Verbot oft nicht beachtet und kam mit der Zeit immer wieder außer Gebrauch, daher musste es mehrmals erneut wiederholt und bestätigt werden, auch unter Androhung von Geldstrafen für den Fall der Nichteinhaltung. Zuerst mit einer Proclama des Gouverneurs von Genua von 1494,182 dann mit weiteren anderen Gesetzen im Laufe des 16. Jahrhunderts183, dann erneut mit einem Statut von 1588184 und schließlich noch mit einem Statut von 1610.185
177
Bensa, Il contratto, S. 132; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 382, Fn. 147; Ehrenberg, Neue Literatur, S. 284. 178 Bonolis, Svolgimento storico, S. 12. 179 „Decretum ne assecuratio fieri possit super vita principum et locorum etc. mutationes“ vom 28. April 1467, s. Bensa, Il contratto, S. 125, Fn. 4. 180 Dekret „De non faciendis assecurationibus super partitis“ vom 4. August 1475, s. Bensa, Il contratto, S. 126, Fn. 1. 181 Bensa, Il contratto, S. 125–126; Bonolis, Svolgimento, S. 18; Goldschmidt, Universal geschichte, S. 382, Fn. 147. 182 Proclama vom 15. September 1494, abgedruckt in: Bensa, Il contratto, S. 178. 183 Von einigen berichten z. B. Bensa und Bonolis (Bensa, Il contratto, S. 126; Bonolis, Svolgimento, S. 18). 184 Statut vom 16. Dezember 1588, Buch V, Kapitel XVII „De Securitatibus“ abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, IV. Bd., S. 532–534. 185 Statut von 1610, Buch IV, Kapitel XVII „Concernente le Sicurità“, abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 567–576.
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
Diese Gesetze sind aus einer aufsichtsrechtlichen Perspektive besonders wichtig, da sie eine obrigkeitliche Genehmigung für den Abschluss der Wettversicherungen einführten. Die Proclama von 1494 legte fest, dass der Abschluss von Wettversicherungen nicht im Allgemeinen verboten war, sondern nur wenn dieser „ohne Genehmigung des Gouverneurs und der Ältesten der Stadt“ („senza licentia del prefato Illustre Signor Governatore et Magnifici Antiani“) erfolgte. Das Statut von 1588 wiederholte noch einmal das Verbot von Wettversicherungen und bestimmte, dass die Genehmigung vom Senat der Stadt zu erteilen war. Dieses Statut enthielt außerdem eine detaillierte Auflistung der einzelnen Fälle von Wetten, die von dem Verbot betroffen waren.186 Das Statut von 1610 wiederholte die Vorschrift von 1588 in italienischer Sprache statt auf Lateinisch. Auch in diesem Statut wurden alle möglichen Wetten aufgelistet, und es wurde vorgeschrieben, dass sie nur mit der Erteilung einer Genehmigung des Senates der Stadt Genua gestattet werden konnten.187 Die genuesische Obrigkeit, ebenso wie die preußische und (vermutlich) die hamburgische im 18. Jahrhundert,188 versuchte durch ein einfaches Verbot die Ausbreitung der Wettversicherungen aufzuhalten. Da dies aber keinen Erfolg zeigte, wurde danach auch eine Genehmigungspflicht eingeführt. Die Notwendigkeit einer staatlichen Genehmigung für die Wettversicherungen konnte sogar als echte Aufsichtsmaßnahme betrachtet werden, obwohl hinter ihr wahrscheinlich hauptsächlich finanzielle Gründe und keine aufsichtsrechtliche Absicht standen, da ihre Erteilung in der Regel gegen eine entsprechende Zahlung erfolgte.189 gg) Zuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Maklern Eine weitere genuesische Rechtsvorschrift aus dem 15. Jahrhundert, die eine aufsichtsrechtliche Natur aufwies, ist ein Gesetz von 1434, das die Zuständigkeit bei allen Rechtsstreitigkeiten regelte, bei denen Versicherungsmakler (sensali di sicurtá) beteiligt waren, mit dem Zweck einer schnellen Erledigung solcher Angelegenheiten durch ein vereinfachtes Verfahren.190 186 Wetten auf das Leben von bestimmten berühmten und hochgestellten Persönlichkeiten (wie Päpsten, Kaisern, Königen, Kardinälen, Bischöfen oder anderen Herrschaften oder Personen der Kirchenhierarchie) oder auf Krieg, Pest, Eheschließungen, auf das Schicksal eines Reichs, auf ein mögliches Schiffsunglück, etc. Über das Statut von 1588 s. Bonolis, Svolgimento, S. 19 und S. 94–95; Bensa, Il contratto, S. 126; Dernburg / Kohler, Versicherungsrecht, S. 355; Gebauer, Die sogenannte Lebensversicherung, S. 62–63. 187 Statut von 1610 (s. oben Fn. 185: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 574). 188 S. oben C. IV. 1. b) und C. IV. 2. c). 189 Braun, Heinrich, Geschichte der Lebensversicherung, S. 60. 190 Gesetz vom 27. August 1434, abgedruckt in: Bensa, Il contratto, S. 161–163. Über dieses Gesetz s. auch ders., Il contratto, S. 116–117; Bonolis, Svolgimento, S. 17; Piattoli, Ricerche, S. 384–385.
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hh) Gesetzeslage bis zur Vereinigung Italiens Die genuesische Gesetzgebung bezüglich des Versicherungswesens blieb im Wesentlichen vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis zur Zeit der französischen Revolution unverändert.191 Danach wurde Genua unter französische Herrschaft gebracht, zuerst als separate Republik (die sog. Repubblica Ligure, errichtet 1797) und ab dem Jahr 1805 als Teil des französischen Kaiserreichs, mit der konsequenten Anwendung des französischen Rechts. Nach den Beschlüssen des Wiener Kongresses wurde Genua ein Teil des Königreichs Sardinien (das Regno di Sardegna, das Ligurien, Sardinien und Piemont zusammenschloss). Die französische Gesetzgebung galt aber auch nach dem Anschluss an das Regno di Sardegna bis zum Jahr 1842, als das Handelsgesetzbuch des Königreichs Sardinien (Codice Albertino) verabschiedet wurde, das dem französischen Recht sehr ähnelte192 und bis zur Vereinigung Italiens 1861 in Kraft blieb. Der Codice Albertino von 1842 und die Gesetzgebung des Königreichs Italien mit Bezug auf aufsichtsrechtlich relevante Vorschriften werden im nächsten Kapitel dargestellt.193 b) Florenz (ab dem 14. Jahrhundert) Auch in Florenz wurden, wie in Genua, bereits ab dem 14. Jahrhundert Gesetze verabschiedet, die das Versicherungswesen betrafen. Diejenigen, die eine aufsichtsrechtliche Natur zeigten, werden in den folgenden Abschnitten ausgeführt. aa) Verbot, ausländische Schiffe und ausländische Waren zu versichern Die Geschichte des florentinischen Verbotes, ausländische Schiffe oder Waren zu versichern, ist lang und zählt in einem Zeitraum von circa 70 Jahren zahlreiche Gesetze und Gesetzesänderungen. Die erste florentinische Rechtsvorschrift über das Versicherungswesen wurde am 9. Mai 1393 vom Uffizio della Mercanzia der Stadt verabschiedet194 und enthielte das Verbot, Seeversicherungen auf Waren abzuschließen, die auf auslän dischen Schiffen geladen waren oder die Ausländern gehörten.195 Die Nichteinhal-
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Bonolis, Svolgimento, S. 20. Eine Untersuchung der französischen aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung fällt nicht in den Bereich dieser Arbeit, weshalb hier auf die umfangreiche Literatur zum Thema verwiesen wird (u. a.: Leitenbacher, Die Entwicklung). 193 S. unten D. III. 2. 194 Gesetz vom 9. Mai 1393, abgedruckt in: Bonolis, Contributo, S. 319–320. Über die Rolle des Uffizio di Mercanzia in den italienischen mittelalterlichen Städten s. oben D. III. 1. a) bb). 195 Dieses Gesetz und die darauffolgenden, die in diesem Abschnitt betrachtet werden, bezogen sich ausdrücklich ausschließlich auf Seeversicherungen, mit der einzigen Ausnahme 192
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
tung des Verbotes war mit einer Geldstrafe und mit der Nichtigkeit des Vertrages geahndet. Außerdem war die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens betreffend Versicherungsverträge, die im Verstoß gegen das Verbot abgeschlossen worden waren, nicht erlaubt. Das Gesetz von Mai 1393 wurde zehn Monate später in ein Statuto des Uffizio di Mercanzia von Florenz integriert, das mit 17. März 1393 datiert ist. Da dieses Datum aber mit dem florentinischen Kalender gerechnet wurde, der nicht mit dem gregorianischen Kalender übereinstimmte, stammte dieses Statut eigentlich aus dem Jahr 1394 und wurde folglich nach dem Gesetz vom Mai 1393 verabschiedet.196 Das Statut vom 17. März 1393197 wiederholte den Inhalt des Gesetzes vom Mai und bestätigte das Verbot, ausländische Schiffe und Waren zu versichern, und alle Konsequenzen bei seiner Nichteinhaltung.198 In den darauffolgenden Jahren wurden verschiedene Ausnahmen von diesem Verbot eingeführt, womit es zum Teil aufgehoben wurde.199 Zunächst wurde das Verbot 1405 durch eine Correzione (Berichtigung)200 zum Statut vom 17. März 1393 ansatzweise aufgehoben und zwar für alle Waren, die in Florenz gekauft oder verzollt wurden.201 Eine weitere Correzione aus dem Jahr 1407202 hob das Verbot für katalanische Kaufleute, aber nur bezüglich besonderer Waren,203 auf.204 Die Ausnahme für die Katalanen wurde 1439 abgeschafft, vermutlich weil in der spanischen Ordonnanz des Gesetzes von 1419, das generell von securitas sprach. Es ist aber durchaus legitim zu behaupten, dass auch dieses Gesetz nur die Seeversicherung regelte (Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 257). 196 Bonolis, Contributo, S. 313; Bonolis, Svolgimento, S. 15; Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 217, Fn. 2. Über Jahrzehnte wurde das Statut mit dem Datum 17. März 1393 für das älteste florentinische Gesetz über das Versicherungswesen gehalten (Bonolis, Contributo, S. 312). 197 Statuto dell’Uffizio di Mercanzia vom 17. März 1393 (1394), Buch III, Kapitel X abgedruckt in: Bensa, Il contratto, S. 153–154; Bonolis, Contributo, S. 320. Über dieses Statuto s. auch Bensa, Il contratto, S. 86; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 378, Fn. 135; ders., Zur Geschichte, S. 215–216. 198 Das Statut vom März 1393 enthielt auch eine weitere Vorschrift bezüglich Versicherungsverträgen, die im folgenden Abschnitt erläutert wird (s. unten D. III. 1. b) bb)). Außerdem legte dieses Statut fest, dass alle Streitigkeiten, die mit Versicherungsverträgen verbunden waren, vom Uffizio della Mercanzia zu entscheiden waren (Bonolis, Contributo, S. 315). 199 Über die allgemeine Entwicklung des florentinischen Verbotes, ausländische Schiffe und Waren zu versichern, s. Bonolis, Contributo, S. 315–318; Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 205–257; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 97–99; Bensa, Il contratto, S. 86 und S. 121–122; von Pöhlmann, Wirtschaftspolitik, S. 127–129. 200 Correzione von Dezember 1405, abgedruckt in: Bonolis, Contributo, S. 321. 201 Laut der Rechtslehre war der Grund dieser Änderung, die Absicht der Obrigkeit den Handel zu unterstützen und zu fördern (Bonolis, Contributo, S. 317; Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 220–226; vgl. Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 98). 202 Correzione vom 31. Dezember 1407 abgedruckt in: Bonolis, Contributo, S. 321. 203 Waren, die in Florenz, Pisa (seit dem Jahr 1406 unter florentinischer Herrschaft) oder an der Mündung des Flusses Arno geladen oder entladen, wurden. 204 Laut einigen Autoren war der Grund dieser Ausnahme eine politische und kommerzielle „Annährung“ zwischen Florenz und Katalonien gegen Genua (Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 98; s. auch Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 232–233). Laut Bonolis war dagegen der Hauptgrund, die Absicht Vergeltung seitens der Katalanen zulasten der Florentiner zu vermeiden (Bonolis, Contributo, S. 316).
III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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von Barcelona von 1435205 die Versicherung ausländischer Schiffe im Allgemeinen verboten wurde, ohne eine gegenseitige Ausnahme für die Florentiner.206 Das Verbot wurde dann in den darauffolgenden Jahren wieder geändert und abgemildert: 1441 wurde erlaubt, ausländische Waren zu versichern, wenn diese auf florentinischen Schiffen geladen waren, um damit die Entwicklung des florentinischen Seehandels zu fördern,207 und im Jahr 1464 wurde das Verbot für alle ausländischen Waren aufgehoben, die in Pisa importiert oder exportiert wurden.208 Nach der Darstellung der gesetzlichen Entwicklung ist es wichtig, auch die Motive dieses Verbotes zu rekonstruieren. Der Grund für die Einführung des Verbotes, ausländische Schiffe und Waren zu versichern, wurde bereits im Text des Gesetzes von 1393 ausdrücklich genannt: Die Absicht der Stadt, sich ein Mittel gegen die Gefahren und die Schäden zu verschaffen, die die florentinischen Kaufleute „aufgrund ihrer eigenen Gier“ treffen konnten. Ein Teil der italienischen Rechtslehre schloss sich der Erklärung der Gründe dieses Verbotes an, wie sie im Gesetz enthalten war, und erkannte daher im florentinischen Verbot dasselbe Motiv wie in dem der Stadt Genua ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.209 Auch in Florenz hätte die Regierung also damit die Absicht gehabt, die eigenen Bürger vor den Risiken zu bewahren, die mit der Versicherung ausländischer Schiffe und Waren verbunden waren, insbesondere vor Missbräuchen oder Betrug, auf die die florentinischen Versicherer stoßen konnten.210 Ein anderer Teil der Rechtslehre hielt dagegen diese Erklärung für mangelhaft und nicht plausibel. Diese Autoren waren der Ansicht, dass in den zwei Städten das Verbot aus unterschiedlichen Gründen eingeführt wurde, da die wahre Absicht des florentinischen Staates eigentlich der Schutz der Staatskasse war, indem er das Abfließen von Geld aus Florenz ins Ausland vermeiden wollte, vermutlich aufgrund einer schweren finanziellen Krise, die die Stadt Anfang 1393 traf.211
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Über die Ordonnanz von 1435 s. oben C. I. 1. a). Bonolis, Contributo, S. 318; ders., Svolgimento, S. 20. 207 Der Text dieses Gesetzes von 1441 ist in einem Statut vom 3. Februar 1463 enthalten, abgedruckt in: Bensa, Il contratto, S. 165–167 (165–166). Über das Gesetz von 1441 s. Bonolis, Svolgimento, S. 20–21; Stefani, Insurance in Venice, S. 89. 208 Statuto vom 20. Oktober 1464, abgedruckt in: Bensa, Il contratto, S. 168–170. Dieses Statut enthielt Änderungen am Statut vom 3. Februar 1463. Über das Statut von 1464 s. Bonolis, Svolgimento, S. 21; Stefani, Insurance in Venice, S. 89. Piattoli berichtet auch von einer Provvisione vom 23. Dezember 1419, die bereits die Versicherungen auf alle Waren erlaubte, die in Pisa importiert oder exportiert wurden, und das zumindest bis ins Jahr 1439 in Kraft gewesen war (Provvisione von 1419 als Auszug abgedruckt in: Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 236, Fn. 1; vgl. Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 98). 209 S. oben D. III. 1. a) bb). Ein ähnliches Versicherungsverbot für ausländische Schiffe gab es ab dem 15. Jahrhundert auch in Venedig (s. unten D. III. 1. c) bb)). 210 Bonolis, Contributo, S. 312–313 und S. 317; Hammacher, Die Grundzüge, S. 31–32. 211 Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 205–216. 206
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
bb) Bestätigung der Gültigkeit der Versicherungsverträge Die italienische Rechtslehre hält für wahrscheinlich, dass im 14. Jahrhundert in Florenz, wie in Genua,212 die Versicherer häufig versuchten, ihren Zahlungs verpflichtungen zu entkommen, indem sie die Versicherungsverträge vor Kirchengerichten aufgrund eines vermeintlich wucherischen Charakters anfochten.213 Im Statuto dell’Uffizio di Mercanzia vom 17. März 1393214 war daher neben dem Versicherungsverbot für ausländische Schiffe und Waren auch eine weitere Vorschrift enthalten, die klarstellte, dass alle abgeschlossenen Versicherungsverträge, die nicht gegen das Statut verstießen (d. h. Verträge zwischen florentinischen Bürgern und auf Waren florentinischer Bürger), gültig waren und die daraus resultierenden Verpflichtungen erfüllt werden mussten.215 Auch in Florenz, wie in Genua, beabsichtigte die Obrigkeit mit dieser Bestimmung, Missbräuchen seitens der Versicherer vorzubeugen und Klarheit in den geschäftlichen Beziehungen zu gewährleisten. cc) Die Vorschriften der Statuten der Offiziali delle sicurtá Im Jahr 1522 wurde in Florenz ein Sondergericht von fünf florentinischen Kaufleuten (die sog. Offiziali delle sicurtá oder Deputati di sicurtá) errichtet.216 Dieses war für alle Angelegenheiten, die das Versicherungswesen betrafen, zuständig und hatte zudem die Befugnis, Gesetze zu verabschieden. Diese Gesetze mussten dann von den sog. Statutari della Mercanzia, den zuständigen Richtern für alle Handelsstreitigkeiten zwischen Mitgliedern der florentinischen Gilden und Zünfte, bestätigt und genehmigt werden („debbino essere confermati, et approvati“).217 Die Gesetze, die von den Offiziali delle sicurtá in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts verabschiedet wurden, enthielten einige Vorschriften, die eine aufsichtsrechtliche Natur aufwiesen, insbesondere bezüglich der Versicherungspolicen und der Rolle der Versicherungsmakler. Die ersten Statuten der Offiziali delle sicurtà wurden im Oktober 1522 und im Januar 1523 verabschiedet und beide am 212
S. oben D. III. 1. a) aa). Bonolis, Contributo, S. 314–315; ders., Svolgimento, S. 15–16. 214 S. oben D. III. 1. b) aa). 215 Über diese Vorschrift s. Bonolis, Contributo, S. 314–315; ders., Svolgimento, S. 15–16; Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 217. 216 Statut vom 13. März 1522, abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marit time, III. Bd., S. 500–501; ders., Delle assicurazioni marittime, V. Bd., S. 233–234; Giorgi, Collezione degli ordini municipali di Livorno, S. 31–33. Über die deputati di sicurtá s. auch Bonolis, Svolgimento, S. 21. 217 Aus dem Statut vom 13. März 1922 (Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 501). 213
III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
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28. Januar 1523 von den Statutari della Mercanzia genehmigt.218 Das Statut vom Oktober 1522 enthielt mehrere versicherungsbezogene Bestimmungen, einige davon mit einem aufsichtsrechtlichen Charakter. Erstens legten die Offiziali delle sicurtà fest, dass, um eine Versicherung abzuschließen, ausschließlich die von ihnen vorgegebene Versicherungspolice219 zu verwenden war und die Einführung neuer Klauseln nur mit ihrer Genehmigung erfolgen konnte. Im Statut war ausdrücklich vorgesehen, dass220 qualunque persona di che qualità, o condizione si sia, che per l’avvenire si voglia assicurare nella Giurisdizione Fiorentina di qualunque rischio corresse, o sperasse correre in Mare sopra qualunque sorte di mercanzie, denari, o altri beni, non lo possa, né lo debba fare, salvo sotto il tenore della sicurtà generale, et universale, che al presente è usata senza potervi arrogere cosa alcuna, eccetto che quando bisognasse alcuna condizione non contenuta in detta scritta si possa fare con licenza e partito sufficiente di detti cinque deputati, et non altrimenti […]. jede Person, egal von welcher Qualität oder von welchem Stand, die sich für die Zukunft in der Florentinischen Zuständigkeit gegen irgendwelches Risiko, das sie eingeht oder eingehen möge, auf irgendeine Art von Waren, Geldern oder anderen Gütern versichern möchte, kann und darf dies nicht tun, außer mit dem Wortlaut der allgemeinen und universalen Versicherung, die derzeit verwendet wird. Wenn man aber eine Bedingung bräuchte, die nicht in der schriftlichen Form bereits enthalten ist, ist diese mit der Genehmigung und ausreichender Mehrheit der oben genannten fünf Deputati möglich und nicht anders […].
Die Offiziali delle sicurtà durften auch die Höhe der Versicherungsprämie bestimmen:221 quando a detti Deputati, o altri Successori per i tempi esistenti paresse a benefizio universale della Città dover lor porre il prezzo a ciascuna sicurtà che si facesse, lo possin fare sotto la forma, et modo, che per il partito loro fosse stabilito […]. wenn die oben genannten Deputati, oder ihre Nachfolger für die jeweiligen Zeiten, der Ansicht wären, dass es zu allgemeinen Gunsten der Stadt wäre, dass sie die Prämie jeder
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Statut der Offiziali delle sicurtà vom 13. Oktober 1522 und Statut der Offiziali delle sicurtà vom 23 (oder 27.) Januar 1523, beide abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 501–509; ders., Delle assicurazioni marittime, V. Bd., S. 234–242; Giorgi, Collezione degli ordini municipali di Livorno, S. 33–43; Pardessuss, Collection de lois, IV Bd., S. 598–602 (das zweite Statut nur als Auszug). Pardessus behauptete, ein Fehler sei in der Datierung des Gesetzes aufgetreten, er hatte aber nach Ansicht von Bonolis nur die Bestätigung der Statutari della Mercanzia übersehen (Bonolis, Svolgimento, S. 21). 219 Die Police ist abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 514–515; ders., Delle assicurazioni marittime, V. Bd., S. 247–248; Giorgi, Collezione degli ordini municipali di Livorno, S. 49–51; Pardessuss, Collection de lois, IV Bd., S. 605–607. 220 Auszug aus dem Statut der Offiziali delle sicurtà vom 13. Oktober 1522 (s. oben Fn. 218: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 502) mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. 221 Auszug aus dem Statut der Offiziali delle sicurtà vom Oktober 1522 (s. oben Fn. 218: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 502–503) mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache.
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abzuschließenden Versicherung bestimmen würden, dürften sie dies in der Art und Weise tun, die sie bestimmen wollten […].
Darüber hinaus benannten die Offiziali delle sicurtà einen sensale (Makler), der für ein Jahr (oder einen kürzeren Zeitraum) als Einziger dazu berechtigt war, gültige Versicherungsverträge abzuschließen, bei sonstiger Nichtigkeit der Versicherung. Das Statut bestimmte, dass die Offiziali delle sicurtà:222 per loro partito vinto possino eleggere un Sensale, che per un anno, et per manco tempo paresse loro, il quale Sensale abbia a fare tutte le scritte di sicurtá nei modi sopradetti, né per altra mano, che la sua si possa fare sicurtá di nessuna sorte sopra il Mare […]. Item, che qualunque persona si facesse assicurare per altre mani, che per detto Sensale […] s’intenda la sicurtá di nessun valore, et che in giudizio alcuno non se ne possa tenere ragione. durch ihre Entscheidung einen Makler erwählen können, der für ein Jahr oder für einen kürzeren Zeitraum, den sie als angemessen ansehen, alle Versicherungsverträge gemäß den oben genannten Vorschriften erstellen muss und Seeversicherungen aller Art dürfen nur durch seine Hand und keine andere abgeschlossen werden. Ebenfalls wird die Versicherung, mit der jedwelche Person sich durch jemand anderen als den oben genannten Makler versichern lässt, keinen Wert haben und kein Gerichtsverfahren kann über sie eingeleitet werden.
Der benannte sensale musste sich von den Vertragsparteien eine bestimmte Summe bezahlen lassen, von der er zwei Drittel als seine Entlohnung behalten durfte und ein Drittel der Magistratur der Offiziali delle Sicurtá entrichten musste, unter Androhung einer Geldstrafe oder sogar des Amtsverlusts bei Missachtung. Im Statut vom Januar 1523 wurde betont, dass die Offiziali delle Sicurtá die alleinige Zuständigkeit für alle versicherungsbezogenen Angelegenheiten hatten und bestimmt, dass sie nicht nur einen, sondern zwei oder mehrere sensali benennen und die Dauer ihres Amtes bestimmen konnten. Auch in diesem Statut wurde hervorgehoben, dass gültige Versicherungsverträge nur mit der Mitwirkung dieser sensali abgeschlossen werden durften. Ein späteres Statut von 1526223 präzisierte die Rolle der Makler weiter und legte fest, dass diese dazu verpflichtet waren, der Obrigkeit alle abgeschlossenen Versicherungen, mit allen Details der Verträge, bekannt zu machen.224 All diesen Vorschriften kann eine aufsichtsrechtliche Natur zugeschrieben werden, obwohl sie noch keine Versicherungsaufsicht darstellten. Durch das Vorgeben der anzuwendenden Versicherungspolicen, die Bestellung der Makler, die Festlegung ihrer Meldepflichten und die Möglichkeit, die Höhe der Versicherungsprä 222
Auszug aus dem Statut der Offiziali delle sicurtà vom Oktober 1522 (s. oben Fn. 218: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 503) mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. 223 Statut vom 15. Juni 1526, abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 509–513; Giorgi, Collezione degli ordini municipali di Livorno, S. 43–48; Pardessuss, Collection de lois, IV Bd., S. 602–605 (nur als Auszug). 224 Über die Rolle der sensali in Florenz s. Salvioli, L’assicurazione e il cambio marittimo, S. 77; Bonolis, Svolgimento, S. 45; Schupfer, Il diritto delle obbligazioni, S. 233.
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mie zu bestimmen, verfolgte die florentinische Obrigkeit im 16. Jahrhundert das Ziel, eine Kontrolle über das Versicherungswesen auszuüben und damit für mehr Rechtssicherheit bei der Abwicklung von Versicherungsgeschäften zu sorgen, um den Handelsverkehr zu fördern. dd) Gesetzeslage bis zur Vereinigung Italiens Die oben geschilderten Vorschriften225 stellten grundsätzlich die toskanische Gesetzgebung dar, die im Allgemeinen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts das Versicherungswesen regelte. Danach fielen Florenz und die Toskana unter französische Herrschaft, mit entsprechender Anwendung des französischen Rechts. Auch nachdem das Großherzogtum Toskana wieder unabhängig von Frankreich wurde und bis zum Anschluss an das Königreich Italien im Jahr 1861, wurde das französische Handelsgesetzbuch weiter angewendet.226 Die Gesetzgebung des Königreichs Italien mit Bezug auf aufsichtsrechtlich relevante Vorschriften wird im nächsten Kapitel dargestellt.227 c) Venedig (ab dem 15. Jahrhundert) In Venedig wurden Gesetze über das Versicherungswesen etwas später als in Genua und Florenz verabschiedet, und zwar ab der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten venezianischen Vorschriften mit aufsichtsrechtlicher Natur dargestellt. aa) Wettversicherungen Das erste bekannte venezianische Gesetz über das Versicherungswesen wurde 1419 vom Senat der Stadt verabschiedet.228 In dieser Vorschrift wies der venezianische Senat darauf hin, dass im Stadtteil Rialto immer mehr securitates (Versi 225 Zusätzlich noch ein weiteres Statut der Offiziali delle sicurtá vom 23. Februar 1528, das aber keine für diese Arbeit relevanten Vorschriften enthielt (abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 513–514; Giorgi, Collezione degli ordini municipali di Livorno, S. 48–49). 226 Eine Untersuchung der französischen aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung fällt nicht in den Bereich dieser Arbeit, weshalb hier auf die umfangreiche Literatur zum Thema verwiesen wird (u. a.: Leitenbacher, Die Entwicklung). 227 S. unten D. III. 2. 228 Gesetz vom 22. Juni 1419, abgedruckt in: Stefani, Insurance in Venice, S. 237, Nr. 20. Über dieses Gesetz s. ders., Insurance in Venice, I. Bd., S. 88; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 100. Für lange Zeit herrschte jedoch im großen Teil der Rechtslehre die Ansicht, dass der erste Eingriff des venezianischen Gesetzgebers das Statut über die Seeversicherung vom 25. Juli 1468 sei (u. a.: Reatz, Geschichte, S. 172; Bensa, Il contratto, S. 118–119). Goldschmidt
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D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
cherungen) auf das Leben des Papstes abgeschlossen wurden, was aber „schlecht war und dem Papst nicht gefallen hätte, falls er dies gewusst hätte“ („quod est male factum et si pervenerit ad aures dicti domini ape, credendum est quod remaneret male contentus“). Demnach verbot der Senat für die Zukunft securitates dieser Art und legte fest, dass die bereits abgeschlossenen Verträge nichtig waren und alle bereits einbezahlten Versicherungssummen zurückgezahlt werden mussten. Dieses Gesetz wird in der Literatur als eines der ältesten Verbote von Wetten auf das Leben des Papstes angesehen.229 bb) Einschränkungen der Möglichkeit, Schiffe und Waren zu versichern Auch die Stadt Venedig, wie bereits vorher Genua230 und Florenz,231 verbot, Versicherungen auf ausländische Schiffe abzuschließen. Dieses Verbot wurde zum ersten Mal mit einem Gesetz aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts mit dem Titel „securitates super navigiis forensibus non fiat neque de ipsis fiat aliquod ius“ eingeführt. Für Jahrzehnte wurde in der Literatur behauptet, dass dieses Gesetz im Jahr 1411 verabschiedet wurde,232 Stefani bewies aber, dass es aus dem Jahr 1421 stammte.233 Das Gesetz legte fest, dass ab dem 1. Juni 1421 in Venedig und in allen Orten unter venezianischer Herrschaft der Abschluss von Versicherungen auf ausländische Schiffe oder auf Waren, die mit ausländischen Schiffen transportiert wurden, verboten war. Das Verbot kannte keine Ausnahmen.234 Jeder Verstoß wurde mit einer Geldstrafe in Höhe von einem Viertel der versicherten Summe bestraft und alle Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen, die trotzdem abgeschlossen wurden, konnten nicht von einem Gericht entschieden werden. Hohe Strafen waren auch für mitwirkende Makler vorgesehen. Gegen dieses Verbot wurde aber angeblich oft verstoßen, sodass der Senat der Stadt es für notwendig hielt, es wenige Jahre später mit einem Dekret aus dem Jahr 1424 zu wiederholen und zu bestätibezog sich dagegen auf ein Gesetz vom 15. Mai 1411 (Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 378, Fn. 135), dessen Datum aber vermutlich falsch war (s. unten in diesem Abschnitt). Vgl. Bonolis, Svolgimento, S. 22. Über das Dekret von 1468 s. unten D. III. 1. c) cc). 229 Nehlsen-von Stryk, Rechtsnorm und Rechtspraxis, S. 53. 230 S. oben D. III. 1. a) bb). 231 S. oben D. III. 1. b) aa). 232 Aus der umfangreichen Literatur: Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 378, Fn. 135; ders., Zur Geschichte, S. 215; Dernburg / Kohler, Versicherungsrecht, S. 351; Bonolis, Svolgimento, S. 22; Piattoli, Il contratto di assicurazione marittima, S. 327. 233 Gesetz vom 15. Mai 1421, abgedruckt in: Stefani, Insurance in Venice, S. 238, Nr. 21. Über dieses Gesetz s. ebd., S. 88–89; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 100–101; Nehlsenvon Stryk, Rechtsnorm und Rechtspraxis, S. 31; La Torre, Cinquant’anni col diritto, S. 78–79, Fn. 168; ders., Assicurazione, S. 112, Fn. 174; Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 10–11; Goldschmidt, Zur Geschichte, S. 215. 234 Einige Tage vor seinem Inkrafttreten, am 27. Mai 1421, wurde dem Senat ein Antrag vorgelegt, um eine Ausnahme für katalanische Schiffe einzuführen, der aber abgelehnt wurde (Stefani, Insurance in Venice, S. 89, Fn. 1 und S. 238–239, Nr. 22; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 101).
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gen.235 In den darauffolgenden Jahrzehnten gewährte die venezianische Regierung allerdings, immer mehr Ausnahmen von diesem Verbot und erlaubte die Versicherung von ausländischen Schiffen und Waren auch in relativ großem Umfang, was die Rechtslehre mit dem ständig wachsenden venezianischen Handelsverkehr und dem Mangel an venezianischen Schiffen, die dafür verwendet werden konnten, begründete, eine Motivation die tatsächlich auch in einer der darauffolgenden Vorschriften erwähnt wurde.236 Diese Lage führte zum Erlass einer weiteren Vorschrift, dem Gesetz vom 26. September 1586.237 Der Gesetzgeber von 1586 legte ein strengeres Verbot fest, das sich nicht mehr nur auf ausländische Schiffe bezog und verbot alle (venezianischen oder ausländischen) Schiffe zu versichern, außer denjenigen, die auf bestimmten Routen segelten, und zwar von oder nach Venedig oder von oder zu Orten unter venezianischer Herrschaft:238 per l’avvenire non possa alcuna persona, sia di che condition esser si voglia, nobile, cittadino, suddito, o habitante in questa cittá, et stato nostro, o altro che sia, assicurare, o farsi assicurare di robba, over navilio, cosí Venetiano, come forestiero […] che non venga in questa cittá, o non si parte da esse, per andar dove si voglia, o da altri luochi sudditi nostri che vada in Levante, o in Ponente fuor di questo nostro golfo […]. für die Zukunft ist es jedermann, egal von welchem Stand, ob Adeliger, Bürger, Untertan oder Bewohner dieser Stadt und unseres Staats oder irgendeines anderen, verboten, Waren oder Schiffe zu versichern oder versichern zu lassen, seien diese venezianisch oder fremd, die nicht zu dieser Stadt hin oder von dieser Stadt ab segelten, um dahin zu fahren, wohin man möchte, oder von unseren anderen Orten nach Osten oder nach Westen außerhalb unseres Meerbusens segelten […].
Für die Nichteinhaltung dieses Verbotes waren schwere Strafen für alle Vertragsparteien vorgesehen und Streitigkeiten bezüglich im Verstoß gegen das Verbot abgeschlossener Versicherungen konnten, auch in diesem Fall, nicht vor Gericht gebracht werden. Das Gesetz von 1586 blieb bis zum Erlass eines Gesetzes vom 31. August 1602 in Kraft,239 das erneut die Regelung änderte und das Verbot enthielt, ausländische Schiffe, die von Venezianern gekauft worden waren, zu versichern, außer die Versicherung wurde für maximal zwei Drittel des Wertes des Schiffes abgeschlossen. Die Abschätzung des Wertes erfolgte durch die sog. Savi 235
Dekret vom 8. Juni 1424, abgedruckt in: Stefani, Insurance in Venice, S. 239, Nr. 23. Über dieses Gesetz s. ders., Insurance in Venice, I. Bd., S. 89; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 101; Bonolis, Svolgimento, S. 22; Nehlsen-von Stryk, Rechtsnorm und Rechtspraxis, S. 31, Fn. 24; Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 378, Fn. 135; ders., Zur Geschichte, S. 215. 236 Im Gesetz vom 26. September 1586, wie weiter unten erläutert werden wird. 237 Gesetz vom 26. September 1586, abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 77–79. Über dieses Gesetz s. Salvioli, L’assicurazione e il cambio marittimo, S. 116–118; Bonolis, Svolgimento, S. 23. 238 Auszug aus dem Gesetz vom 26. September 1586 (s. oben Fn. 237: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 78) mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. 239 Gesetz vom 31. August 1602, abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 84–88. Über dieses Gesetz s. Salvioli, L’assicurazione e il cambio marittimo, S. 117–118; Bonolis, Svolgimento, S. 23.
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alla Mercanzia (Magistraten der Stadt). Das Verbot wurde mit einem Gesetz von 1624 wiederholt und bestätigt.240 Das Gesetz von 1602 legte außerdem noch fest, dass die zu versichernden Schiffe ausschließlich von venezianischen oder griechischen Offizieren hätten geführt werden dürfen und die Besatzung zumindest zu zwei Dritteln aus venezianischen oder griechischen Bürgern hätte bestehen sollen. Beim Verstoß gegen diese Vorschrift waren die Versicherungen als nichtig zu betrachten. Die Gründe des gesetzlichen Verbotes, ausländische Schiffe zu versichern, waren oft in den Gesetzestexten ausdrücklich erwähnt. Das Gesetz von 1421 nannte als Grund für das Verbot die Absicht des Senates, venezianische Versicherer vor potenziellen Schäden zu schützen, da es gefährlich und schädlich („periculosum et damnosum“) für sie gewesen wäre, fremde Schiffe und Ware zu versichern, ohne ihren realen Zustand kennen zu können. Das Gesetz von 1586 wiederholte diese Erklärung und erinnerte ausdrücklich daran, dass die Versicherung ausländischer Schiffe sehr riskant war, da den Versicherern der tatsächliche Zustand der Schiffe nicht bekannt sein konnte, und dass es darum durch mehrere frühere Gesetzte verboten wurde, solche Schiffe und die damit transportierten Waren zu versichern. Außerdem wurde im Gesetz auf Folgendes hingewiesen:241 ma perche il mancamento de’ navilii venetiani, per necessità di alcune robbe, che bisognavano alla città, molte volte era necessario valersi di essi [navilii forestieri], però in diversi tempi questa prohibitione per parte di questo conseglio, fu dispensata in casi particolari. da es infolge des Mangels an venezianischen Schiffen und aufgrund des Bedarfs an einigen Waren, die von der Stadt benötigt wurden, oft erforderlich war, von diesen [fremden Schiffen] Gebrauch zu machen, wurde man zu manchen Zeiten durch diesen Rat in Sonderfällen von diesem Verbot befreit.
Das Gesetz betonte dann, dass sich aus dieser Situation mehrere Missbräuche und folglich auch Schäden für die venezianischen Kaufleute ereignet hatten, insbesondere:242 che ben spesso gli uomini senza alcun rispetto, postponendo ogni obligo di coscienza, si fanno assicurar sopra navilii che quasi non possono star sopra acqua, et che a pena sono fuori delli porti, che vanno a fondo, con esterminio di questa piazza, cittadini, et sudditi nostri […]. dass oft rücksichtslose Menschen, die jede Verpflichtung ihres Gewissens hintanstellen, Schiffe versichern lassen, die sich kaum über Wasser halten können und sinken, sobald sie aus dem Hafen sind, mit großen Schäden dieses Markts, der Bürger und unserer Unter tanen […]. 240
Gesetz vom 12. März 1624, abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 92–93. Über dieses Gesetz s. Bonolis, Svolgimento, S. 23. 241 Auszug aus dem Gesetz vom 26. September 1586 (s. oben Fn. 237: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 77) mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. 242 Auszug aus dem Gesetz vom 26. September 1586 (s. oben Fn. 237: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 78) mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache.
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Während ein Teil der Rechtslehre sich dieser Motivation anschließt,243 betont ein anderer Teil, dass dieser eine „staatliche Intervention“ darstellte, die hinter einer Art „väterlichen Sorge für private Interessen“ versteckt war,244 und die im Gesetzt enthaltene Erklärung ein reiner Vorwand war, um die wahren protektionistischen Motive der Obrigkeit zu überdecken.245 Schließlich zeigte das weitere Gesetz von 1602 auch in Venedig eine generelle Feindseligkeit der Obrigkeit gegenüber ausländischen Kaufleuten und die damit einhergehende Absicht, die eigenen Bürger zu schützen und zu fördern. cc) Zuständigkeit und Sonderverfahren für Versicherungsangelegenheiten Das Dekret vom 25. Juli 1468,246 das für lange Zeit als das älteste venezianische Gesetz über das Versicherungswesen angesehen wurde,247 stellte klar, dass der Hauptgrund, der zu seiner Verabschiedung geführt hatte, das Verhalten der Versicherer war, die ständig versuchten, ihren Vertragsverpflichten zu entkommen, indem sie die Bezahlung der Entschädigungssummen so lang wie möglich hinauszögerten:248 […] sia stato introdutto una mala, et pessima condition, che quelli, li quali assegurano coloro, che hanno mercantie sopra nave, & navili, & ogni altro fusto, si per essi fusti, intervenuto el naufragio, over captura, de li detti navilii, ardiscono con modi dishonesti, et nove cavilation andar a litigio con le longhezze, et nove dilation; che non solum passano, et dilatano el termine statuido per le leze, ma reducono le cose in difinition perpetua […]. […] eine schlechte und schlimme Gewohnheit ist eingeführt worden, und zwar, dass es die, die jene, die Waren auf Schiffen, Booten oder anderen Wasserfahrzeugen haben, gegen den Untergang dieser Schiffe oder gegen die Gefangennahme besagter Boote versichern, in ehrloser Weise und mit neuen Vorwänden wagen, Verfahren mit Länge und neuen Aufschüben einzuleiten, die nicht nur die gesetzliche Frist dehnen, sondern die Angelegenheiten nie abschließen lassen […].
Ziel des venezianischen Gesetzgebers mit dem Dekret von 1468 war, einer solchen „schlechten Gewohnheit“ zahlreicher Versicherer Einhalt zu gebieten und somit einen schnellen Abschluss von versicherungsbezogenen Verfahren und den ordentlichen Ablauf der Versicherungsgeschäfte zu garantieren. Mit diesem Gesetz wurde für alle Versicherungsangelegenheiten die Zuständigkeit eines Sonder gerichts (sog. Consoli dei Mercanti oder Consoli d’i Mercadanti) statt, wie bisher, 243
Piattoli, Le leggi fiorentine, S. 216–217; s. auch Hammacher, Die Grundzüge, S. 32, Fn. 1. Stefani, Insurance in Venice, S. 88: „The first State intervention was masked by a somewhat paternal concern for private interests“. 245 Stefani, Insurance in Venice, S. 89; vgl. Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 100–101. 246 „Decreto del Maggior Consiglio“ vom 25. Juli 1468, abgedruckt in: Novissimum statutorum ac Venetarum legum volumen, S. 264; Stefani, Insurance in Venice, S. 239–240. 247 S. oben D. III. 1. c) aa), Fn. 224; vgl. Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 99–100. 248 Dekret vom 25. Juli 1468 (s. oben Fn. 246) mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. 244
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die der ordentlichen Gerichte (sog. Corti di Palazzo) eingeführt. Die Consoli dei Mercanti mussten außerdem ein Schnellverfahren durchführen, mit kurzen Fristen und der Möglichkeit für die Versicherten auch einen Eid abzulegen, um die Schäden zu beweisen.249 dd) Die Terminazione Veneta von 1771 Ein aus aufsichtsrechtlicher Perspektive sehr wichtiges Gesetz ist die sog. Terminazione Veneta vom 31. August 1771,250 da diese einige Vorschriften mit aufsichtsrechtlicher Natur bezüglich verschiedener Aspekte der Versicherung enthielt. Erstens legte die Terminazione fest, dass für alle Versicherungen ausschließlich zwei offizielle Policen (sog. formulari) verwendet werden durften, die mit einem Dekret vom 10. Mai 1770 veröffentlicht worden waren, und zwar eine für Schiffe und deren Ausrüstung251 und eine für Waren252. Bei der Nichteinhaltung dieser Vorschrift wurde Folgendes vorgesehen:253 […] saranno considerate espressamente irrite, e di niun valore, come se fatte non fossero, le polizze tutte, che estese non apparissero sopra di esse Formule con tal metodo, e con la propria firma, e registro del Mezzano approvato. […] alle Policen, die den Eindruck erwecken sollten, dass sie nicht durch diese Formulare, mit dieser Methode und mit eigener Unterschrift und durch den autorisierten Makler verfasst wären, werden als ausdrücklich falsch, wertlos und nichtig betrachtet.
Änderungen oder weitere Klauseln, die nicht rechtswidrig waren, konnten in die vorgegebenen Policen eingefügt werden, aber nur mit der Bestätigung und der Unterschrift eines zugelassenen Maklers254 und der Eintragung in sein Register.255 Ein gleicher obrigkeitlicher Eingriff war für Lebensversicherungen nicht vorgesehen. Diese durften auf einem leeren Blatt verfasst werden, das aber mit einem Dienstsiegel (bollo pubblico) abgestempelt sein musste.256
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Über dieses Schnellverfahren s. Stefani, Insurance in Venice, S. 89–91; Spagnesi, Aspetti dell’assicurazione, S. 101–102 und S. 117–118; Bonolis, Svolgimento, S. 22–23; Bensa, Il contratto, 118–119; Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 11. 250 „Terminazione sopra sicurtá segnata dagl’Illustriss. ed Eccellentiss. Sigg. Cinque S avij alla Mercanzia, Deputati alla regolazione di Marina Mercantile, e Consoli de’ Mercanti“ vom 31. August 1771, abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 807–813. 251 Abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 813–816. 252 Abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 816–819. 253 Terminazione, § I, mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. 254 Über die Zulassung von Makler s. unten in diesem Abschnitt. 255 Terminazione, § VI und VII. Über diese Policen s. Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 21. 256 Terminazione, § IX; s. auch Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, I. Bd., S. 303; Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 16.
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Die venezianische Obrigkeit wollte auch auf alle abzuschließenden Versicherungen ein waches Auge haben und schrieb daher vor, dass die formulari nur von einem Stampatore Ducale (Herzoglicher Drucker) gedruckt und ausschließlich zugelassenen Maklern (oder deren Bevollmächtigten oder Agenten) ausgehändigt werden durften.257 Um Fehler seitens des Herzoglichen Druckers zu vermeiden, waren ihm offiziell von den Consoli dei mercanti die Namen aller zugelassenen Makler mitgeteilt.258 Der Stampatore musste außerdem ein Register führen, in dem er die Anzahl aller ausgehändigten Policen, deren Art und die Makler, welchen er sie ausgehändigt hatte, notierte.259 Die Terminazione legte zudem das Verfahren und die Voraussetzungen für die Zulassung von Maklern detailliert fest. Insbesondere schrieb dieses Gesetz vor, dass die Zulassung von den Consoli dei mercanti erteilt werden musste und sie nur „ehrlichen“ Menschen mit gutem Ruf, die aus Venedig stammten oder seit mindestens 15 Jahren venezianische Bürger waren, gewährt werden konnte.260 Die Pflichten der Makler wurden ebenfalls festgelegt: Sie mussten alle abgeschlossenen Versicherungen in ein Register eintragen261 und dieses am Ende des Jahres den Savi alla Mercanzia vorlegen.262 Die Rechtslehre ist jedoch der Ansicht, dass die Makler in Venedig im Allgemeinen einer weniger strengen obrigkeitlichen Kontrolle als in anderen italienischen Städten unterlagen, insbesondere weil sie nie zu einer Beteiligung an der Steuerzahlung bezüglich abgeschlossener Verträge verpflichtet wurden, wie es dagegen in Florenz oder Neapel der Fall war.263 Im Gesetz von 1771 war schließlich auch eine Begrenzung des versicherbaren Wertes vorgesehen: Die Versicherung auf Schiffe und auf ihre Ausrüstung konnte nicht mehr als zwei Drittel des abzusichernden Risikos decken.264 Diese Vorschrift wurde aber einige Jahre später vom Codice per la Veneta Mercantile Marina von 1786265 aufgehoben, der die Versicherung auf den ganzen Wert des Schiffes ausdrücklich erlaubte.266
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Terminazione, § II. Terminazione, § III. 259 Terminazione, § IV. 260 Terminazione, § XVII–XX. 261 Terminazione, § I. 262 Terminazione, § XIII–XIV. 263 Cassandro, Genesi, S. 251. Für Florenz s. oben D. III. 1. b) cc); für Neapel s. unten D. III. 1. d) aa). 264 Terminazione, § XI; s. auch Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 20. 265 Codice per la Veneta Mercantile Marina vom 21. September 1786, abgedruckt in: Codice per la veneta mercantile marina, approvato dal decreto dell’eccellentissimo senato, 1786; s. unten D. III. 1. c) ee). 266 Codice per la Veneta Mercantile Marina von 1786, II. Teil, VI. Titel, § 21. 258
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ee) Gesetzeslage bis zur Vereinigung Italiens Außer einiger weniger Vorschriften wurde die Regelung der Terminazione von 1771 fast gänzlich im Codice per la Veneta Mercantile Marina vom 21. September 1786 übernommen.267 Dieser Codice blieb aber nicht lange in Kraft, da Venedig 1797 unter österreichische Herrschaft fiel, mit der konsequenten Anwendung des österreichischen Rechts als Folge bis zum Anschluss an das Königreich Italien im Jahr 1866.268 Die Gesetzgebung des Königreichs Italien mit Bezug auf aufsichtsrechtlich relevante Vorschriften wird im nächsten Kapitel dargestellt.269 d) Neapel (ab dem 17. Jahrhundert) Die erste Gesetzgebung des Königreichs Neapel über das Versicherungswesen stammt aus dem 17. Jahrhundert, sehr spät im Vergleich zu anderen italienischen Städten und Staaten. Versicherungsgeschäfte liefen dort zwar bereits viel früher,270 wurden aber bis dahin hauptsächlich durch das Gewohnheitsrecht der Kaufleute reguliert.271 Die ersten neapolitanischen Gesetze über die Versicherung enthielten keine echte Regelung der Materie, sondern hatten hauptsächlich steuerliche Zwecke.272 Auch in diesen Gesetzen sind aber einige Vorschriften mit aufsichtsrechtlicher Natur zu finden, die eine Absicht der Obrigkeit zeigten, eine Überwachung des Versicherungswesens auszuführen. aa) Steuer- und Meldepflichten Das erste bekannte neapolitanische Gesetz über das Versicherungswesen ist die sog. Prammatica vom 23. September 1622.273 Die Vorschriften aufsichtsrechtlichen Charakters, die in diesem Gesetz enthalten waren, betrafen die Bezahlung 267 Codice per la Veneta Mercantile Marina, II. Teil, VI. Titel, s. oben Fn. 265 (Codice per la veneta mercantile marina, approvato dal decreto dell’eccellentissimo senato, S. 176–193). 268 Eine Untersuchung der österreichischen aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung fällt nicht in den Bereich dieser Arbeit, weshalb hier auf die umfangreiche Literatur zum Thema verwiesen wird. 269 S. unten D. III. 2. 270 Versicherungspolicen sind z. B. bereits in den Akten von Gerichtsverfahren aus dem Ende des 15. Jahrhunderts zu finden (Cassandro, Note storiche, S. 260). 271 Cassandro, Note storiche, S. 260–261. Salvioli hob hervor, dass aufgrund der politischen Zusammenhänge zwischen Spanien und Neapel die Ordonnanzen von Barcelona in Neapel als ius comune verwendet wurden (Salvioli, L’assicurazione e il cambio marittimo, S. 55; vgl. Bonolis, Svolgimento, S. 24; Assante, Il mercato, S. 80). 272 S. unten D. III. 1. d) aa). 273 Prammatica vom 23. September 1622, abgedruckt in: Nuova collezione delle prammatiche del Regno di Napoli, III. Bd., S. 3–5; als Auszug abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 263–264. Über dieses Gesetz s. auch Bianchini, Della storia delle finanze, S. 297; Cassandro, Note storiche, S. 261; Assante, Il mercato, S. 78.
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von Steuern auf Versicherungen und die Meldepflichten für die Beteiligten beim Abschluss eines Versicherungsvertrages. Die Prammatica von 1622 führte die Pflicht ein, auf jede „Versicherung, die man abschließen wird, sowohl auf Waren als auch auf Geld, oder Versicherungen auf das Leben jeglicher Person“ („sicurtá, seu assicurazione, che si facesse, tanto sopra mercanzie, quanto sopra contanti, o assicurazioni di vita di qualsivoglia persona“) Steuer zu bezahlen. Um diese Steuereinnahmen effektiv zu gestalten, wurde für jeden Notar („Notaio, o Mastro d’Atti“) und Makler, der an dem Abschluss einer Versicherung mitgewirkt hatte, eine Meldepflicht festgelegt:274 Et acciochè di tutte le sicurtà, ed assicurazioni si possa aver certa notizia, vogliamo, ed ordiniamo, che gli Officiali, o Mastro d’Atti, che le ricevesse, ed i Sensali, o altri, per mano di quali passassero, abbiano obbligo di dare in nota a detti Officiali, o persone, ut supra deputande, il Sabbato di ciascheduna settimana tutte le sicurtà, seu assicurazioni, che avranno negoziate quella settimana […]. Und um von allen Versicherungen eine sichere Kenntnis haben zu können, möchten und befehlen wir, dass die Amtsträger oder der Aktenmeister, die sie angenommen hatten, und die Makler, durch deren Hände sie gegangen waren, dazu verpflichtet sind, am Samstag jeder Woche den Beamten oder den Personen, die, wie oben dargelegt, zu bestimmen sind, alle Versicherungen bekannt zu geben, die sie in der Woche verhandelt haben […].
Notare und Makler mussten also jede Woche den für die Steuern zuständigen Behörden alle unterschiebenen Versicherungsverträge melden. Die Nichteinhaltung dieser wöchentlichen Pflicht wurde mit einer Geldstrafe für Notare und Makler sowie mit der Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages bestraft. Im Jahr 1623 wurde eine weitere Prammatica verabschiedet,275 die die wöchentliche Meldepflicht aller abgeschlossenen Versicherungen bestätigte und bestimmte, dass die Meldung an den sog. Arrendatore (den Beauftragten für die Erhebung der Gebühr) oder seine Stellvertreter zu erfolgen hatte. Die Steuerpflicht bezüglich der Versicherungen und die Meldepflicht, der Notare und Makler unterworfen waren, erwiesen sich allerdings für das Königreich Neapel eher als kontraproduktiv und führten zu finanziellen Schäden. Die neapolitanischen Kaufleute hielten diese Pflichten nämlich für „Schikanen“ („vessazioni“), die den Handel behinderten und sie dazu brachten, sich verstärkt im Ausland versichern zu lassen, hauptsächlich um der Bezahlung der einheimischen Steuer zu entgehen.276 Steuer- und Meldepflicht der Prammatica von 1622 wurden zwar auch in weiteren Gesetzen im Jahr 1637 und im Jahr 1650 bestätigt,277 jedoch immer wieder missachtet. Mit einer Pram 274 Auszug aus der Prammatica von 1622 (Nuova collezione delle prammatiche del Regno di Napoli, III. Bd., S. 5) mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. 275 Prammatica vom 23. Dezember 1623, abgedruckt in: Nuova collezione delle prammatiche del Regno di Napoli, III. Bd., S. 5–7; als Auszug abgedruckt in: Pardessus, Collection de lois, V. Bd., S. 264–266. 276 Bianchini, Della storia delle finanze, S. 297–298; s. auch Assante, Il mercato, S. 78. 277 Cassandro, Note storiche, S. 262. Die zwei Gesetze wurden in der Präambel der Prammatica von 28. September 1660 erwähnt (s. folgende Fußnote).
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matica von 1660278 wurden sie daher erneut wiederholt und durch die Einführung einer Haftstrafe für alle beteiligten (Notar, Versicherer und Versicherten), neben der bereits vorgesehenen Geldstrafe, verstärkt. Die Prammatica von 1660 legte auch die neue Pflicht fest, alle Mietverträge von Schiffen wöchentlich zu melden, da die damit verbundenen Versicherungsverträge oft durch sog. „polizze private“ („private Policen“) abgeschlossen wurden, deren Meldung an die Arrendatori die Notare oft versäumten.279 Diese gesetzlichen Eingriffe der neapolitanischen Regierung hatten das Ziel, eine ordnungsgemäße Steuereinnahme auf das Versicherungswesen zu sichern, und versuchten, Betrug seitens aller Beteiligten bei allen Versicherungsgeschäften zu verhindern. bb) Gesetzlich vorgegebene Versicherungspolicen Die oben genannte Prammatica vom 23. Dezember 1623280 enthielt eine weitere aus aufsichtsrechtlicher Perspektive wichtige Vorschrift. In der Einleitung des Gesetzes wurde erwähnt, dass der derzeitige Beauftragte für die Erhebung der Steuer auf Versicherungen (der Arrendatore) die neapolitanische Regierung ersuchte, ihn mit „besseren Instrumenten“ („migliori espedienti“) auszustatten, um seinen Auftrag effizienter durchführen zu können. Um seinem Ersuchen nachzukommen, wurde mit der Prammatica von 1623 beschlossen,281 Che tutte le sicurtá, seu assicurazioni, che si faranno da qua in avanti, in questa Città, e Regno tanto sopra Vascelli, quanto sopra Mercanzie, Noli, Avarie, Getto, Vite, ed ogni altra cosa, si debbano fare, e notare ne’ fogli di Stampa, che dal detto Arrendatore si faranno stampare, e saranno sottoscritti di sua mano, e non in altra scrittura; quali fogli si consegneranno dal detto Arrendatore a’ Notai, ed Attuarj […]. Dass alle Versicherungen, die von nun an in dieser Stadt und in diesem Königreich sowohl auf Schiffe als auch auf Waren, Frachten, Havereien, Seewurf, Leben und alle anderen Sachen gemacht werden, auf Vordrucken gemacht und niedergeschrieben werden müssen. Diese Vordrucke sind vom genannten Beauftragten zu drucken und von eigener Hand und mit keiner anderen Schrift zu unterzeichnen; sie werden vom genannten Beauftragten den Notaren und Aktuaren überreicht […].
278 Prammatica vom 28. September 1660, abgedruckt in: Nuova collezione delle pramma tiche del Regno di Napoli, III. Bd., S. 7–10. 279 Assante, Il mercato, S. 79; Cassandro, Note storiche, S. 262. 280 S. oben Fn. 275. 281 Prammatica von 1623 (s. oben Fn. 275: Nuova collezione delle prammatiche del Regno di Napoli, III. Bd., S. 5–6) mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache.
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Mit dem Hauptziel der Verbesserung der Steuereinnahme führte also das Königreich Neapel die Pflicht ein, vorgefertigte Policen für den Abschluss von Versicherungen aller Art zu verwenden.282 cc) Die Reale Compagnia di Assicurazioni Marittime Einen wesentlichen Schritt bei der Entwicklung des Versicherungswesens in Neapel stellte die Gründung der Reale Compagnia di Assicurazion Marittime durch das Edikt vom 11. April 1751 dar.283 Die Reale Compagnia war eine privilegierte Seeversicherungsaktiengesellschaft mit einem zehnjährigen Monopol auf alle Versicherungsgeschäfte:284 Goderá la Compagnia per li detti dieci anni l’ius privativo di fare le sicurtá in questa Piazza, e Regno, ad esclusione di qualunque altro Assicuratore […]. Die Gesellschaft wird für die oben genannten zehn Jahre das Privileg haben, Versicherungen in diesem Markt und in diesem Königreich abzuschließen, mit Ausschluss von jedem anderen Versicherer […].
Für die Verletzung des Monopols der Reale Compagnia war eine Geldstrafe vorgesehen, dennoch hinderte dies scheinbar die neapolitanischen Kaufleute nicht, weiter „private“ Versicherungen abzuschließen,285 die nicht über die Reale Compagnia liefen. Der Hauptgrund für die Errichtung der Reale Compagnia war in der Präambel des Edikts ausführlich erklärt und lag in den Missbräuchen seitens der Versicherer, die sich in der Zeit zuvor ereigneten hatten. In den vorangegangenen Jahren waren nämlich im Königreich Neapel immer häufiger Kaufleute als Versicherer tätig geworden, ohne ausreichendes Kapital zu haben, und versuchten nach Eintritt des Versicherungsfalles mit verschiedenen Ausreden, der Bezahlung der Entschädigungssumme zu entkommen. Um eine solche Situation, die potenziell gefährlich für den Handel des Königreichs war, zu bekämpfen, wurde entschieden, eine 282
Über die Gründe dieser Prammatica s. Bonolis, Svolgimento, S. 43; Cassandro, Note storiche, S. 261; Assante, Il mercato, S. 78. 283 „Editto di S. M. il Re delle Due Sicilie per lo stabilimento di una Compagnia d’Assicurazioni marittime in questa Capitale, e suoi regolamenti per facilitare il Commercio, con Bando del Supremo Magistrato di Commercio per la pubblicazione, ed osservanza del medesimo Editto“ vom 11. April 1751, abgedruckt in: Baldasseroni, Delle assicurazioni marittime, III. Bd., S. 638–648. Über die Reale Compagnia di Assicurazioni Marittime aus der umfangreichen Literatur: Assante, Il mercato, S. 77–284; Editrice la Compagnia, Nel primo centenario, S. 52–54; Bonolis, Svolgimento storico, S. 23–24, S. 51 und S. 123; Vivante, Trattato, IV. Bd., S. 336; Cassandro, Note storiche, S. 278–279 und S. 298–299; ders., Genesi, S. 252; Pene Vidari, Il contratto d’assicurazione, S. 221; Sanzin, Storia, S. 24. 284 Edikt vom 11. April 1751 (s. oben Fn. 283), § 13, mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. 285 Cassandro, Note storiche, S. 299.
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Versicherungsgesellschaft durch staatliche Initiative zu gründen (obwohl hauptsächlich durch privates Kapital finanziert)286 und sie unter die Überwachung des Staates zu stellen. Das Edikt von 1751 gestaltete die Struktur, die Verwaltung und die Buchhaltung der Versicherungsgesellschaft im Detail, sodass diese im Allgemeinen unter der permanenten Kontrolle des Staates stand. Einige der Vorschriften aufsichtsrechtlichen Interesses betrafen insbesondere die Versicherungsprämie und die gerichtliche Zuständigkeit in Versicherungsangelegenheiten. Was die Prämie betrifft, mussten die Geschäftsführer der Reale Compagnia zusammen mit einigen Kaufleuten, die nicht in einer Geschäftsbeziehung mit dieser Gesellschaft standen, alle sechs Monate eine Übersicht über die zu bezahlenden Prämien vorbereiten, die von der Conferenza di Commercio (beratendes Gremium für Handelsangelegenheiten) geprüft und dann vom König genehmigt werden musste. Ziel dieser Vorschrift war die Versicherten zu schützen, da die Versicherungsprämie „auf einer niedrigeren Summe, als die die heutzutage auf diesem Markt üblich ist“ („a minor prezzo di quello si pratica presentemente in questa Piazza“) festgelegt werden sollte.287 Das Gesetz von 1751 bestimmte außerdem, dass die Zuständigkeit in allen versicherungsbezogenen Angelegenheiten dem Consolato di Mare e Terra oblag, einem Gericht, das für alle Land- und Seehandelsangelegenheiten zuständig war.288 dd) Gesetzeslage bis zur Vereinigung Italiens Ab dem Anfang des 19. Jahrhunderts stand das Königreich Neapel für circa ein Jahrzehnt unter französischer Herrschaft und dementsprechend unter der Anwendung französischen Rechts.289 1816 ging dann das Königreich Neapel im Königreich beider Sizilien (Regno delle due Sicilie) auf, eine Veränderung der Gesetzgebung bezüglich der Kontrolle des Staates über das Versicherungswesen gab es aber in dieser Zeit nicht. Das Königreich beider Sizilien bestand bis zur Vereinigung Italiens 1861. Die Gesetzgebung des Königreichs Italien mit Bezug auf aufsichtsrechtlich relevante Vorschriften wird im nächsten Kapitel dargestellt.290
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Der König persönlich zeichnete 10 % der Aktien, die anderen wurden von verschiedenen Kaufleuten gezeichnet (Assante, Il mercato, S. 93). 287 Edikt vom 11. April 1751, § 10. 288 Edikt vom 11. April 1751, § 13. 289 Eine Untersuchung der französischen aufsichtsrechtlichen Gesetzgebung fällt nicht in den Bereich dieser Arbeit, weshalb hier auf die umfangreiche Literatur zum Thema verwiesen wird (u. a.: Leitenbacher, Die Entwicklung). 290 S. unten D. III. 2.
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2. Ein Überblick über die Gesetzgebung des Königreichs Sardinien und des Königreichs Italien Die italienische Halbinsel war für Jahrhunderte in viele verschiedene Staaten geteilt. Die erste Teilwiedervereinigung einiger dieser Staaten erfolgte nach dem Wiener Kongress mit der Annektierung der Republik Genua durch das Königreich Sardinien, das somit aus Ligurien, Sardinien und Piemont bestand. Im Jahr 1861 entstand aus dem Königreich Sardinien das Regno d’Italia (Königreich Italien), das nach und nach alle italienischen Staaten vereinigte. Die Vorschriften des Regno di Sardegna und des Regno d’Italia, die aus einer versicherungsaufsichtsrechtlichen Perspektive relevant sind, werden in den folgenden Abschnitten dargestellt. Es handelt sich um keine versicherungsspezifischen Vorschriften, dennoch ist in diesen eine versicherungsaufsichtsrechtliche Natur erkennbar. a) Codice Albertino von 1842 Das Handelsgesetzbuch des Königreichs Sardinien, der sog. Codice Albertino, wurde 1842 verabschiedet.291 Er war stark vom französischen Code de Commerce von 1807292 beeinflusst293 und wie dieser regelte er nur die Seeversicherung. Der Codice Albertino enthielt keine versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen im eigentlichen Sinne, einer seiner Vorschriften kann jedoch eine aufsichtsrechtliche Natur zugeschrieben werden. Es handelt sich um eine Bestimmung, die nicht spezifisch an die Versicherungen, sondern an alle Aktiengesellschaften (zu der Zeit societá anonime genannt) gerichtet war, daher aber auch bei Versicherungsaktiengesellschaften zur Anwendung kam. Der Codice Albertino bestimmte Folgendes:294 La società anonima non può esistere se non è autorizzata con Regie Patenti, previo il parere del Consiglio di Stato, e se non è in pari modo approvato l’atto che la costituisce. Die anonyme Gesellschaft kann nicht existieren, wenn sie nicht durch eine königliche Zulassung nach Stellungnahme des Staatsrates genehmigt wird und wenn ihre Satzung gleichermaßen nicht genehmigt wird.
Eine staatliche Genehmigung war also für alle Aktiengesellschaften erforderlich, was auch alle Versicherungen einschloss, die diese Gesellschaftsform hatten.
291 Codice Albertino vom 1842, abgedruckt in: Codice di Commercio per gli Stati di S. M. il Re di Sardegna, 1842. 292 S. oben C. V. 2. a) dd), Fn. 526. 293 Über den Einfluss des französischen Code de Commerce auf den Codice Albertino s. Bonolis, Svolgimento, S. 20; Donati, Trattato, I. Bd., S. 90. 294 Codice Albertino, Art. 46, mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. Auch die Gründung von Kommanditgesellschaften auf Aktien musste staatlich genehmigt werden (Codice Albertino, Art. 47).
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b) Handelsgesetzbuch von 1865 und die Gesetzgebung nach der Vereinigung Italiens Nach der Vereinigung Italiens, die im Jahr 1861 erfolgte, wurde die Anwendung des Codice Albertino auch auf die neu zusammengeschlossenen Regionen erweitert, bis zur Einführung des Codice di Commercio (Handelsgesetzbuch) des Königreichs Italien im Jahr 1865.295 Dieser ähnelte dem Codice Albertino von 1842 inhaltlich sehr (und dadurch auch dem französischen Code de Commerce).296 Wie der Codice Albertino regelte der Codice di Commercio nur die Seeversicherung und enthielt keine versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen, sondern eine Vorschrift aufsichtsrechtlichen Charakters, die aber auch in diesem Fall allgemein für alle Handelsgesellschaften galt. Der Codice di Commercio von 1865 bestätigte nämlich die Notwendigkeit einer Genehmigung für alle Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaften auf Aktien:297 La società in accomandita per azioni e la società anonima non possono esistere, se non sono autorizzate con decreto reale e se non è in pari modo approvato l’atto di loro costituzione. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die anonyme Gesellschaft können nicht existieren, wenn sie nicht durch ein königliches Dekret genehmigt werden und wenn ihre Satzung gleichermaßen nicht genehmigt wird.
Damit bestand auch für alle Versicherungsaktiengesellschaften die Genehmigungspflicht weiter. Der Codice di Commercio sah aber keine Aufsicht über den Betriebsablauf der genehmigten Gesellschaften vor, wie einige Jahre später bei einer Debatte im italienischen Parlament betont wurde:298 Il Codice di commercio nell’articolo 156 dispone che le società in accomandita per azioni, e le società anonime debbano ricevere dal Governo l’autorizzazione per costituirsi. Ma il Codice di commercio non entra in guisa alcuna a determinare se, una volta che esse hanno ricevuto l’autorizzazione, debbano essere sopravvegliate, e con quali mezzi a questo intento possa pervenirsi. Das Handelsgesetzbuch bestimmt im Artikel 156, dass Kommanditgesellschaften auf Aktien und anonyme Gesellschaften für ihre Gründung die Genehmigung der Regierung benötigen. Das Handelsgesetzbuch bestimmt aber in keiner Weise, ob diese, nachdem sie die Genehmigung erhalten haben, überwacht werden müssen und wie das erreicht werden könnte. 295
Codice di commercio vom 25. Juni 1865, abgedruckt in: Codice di Commercio del Regno d’Italia corredato dalla relazione, S. 48–297. 296 Über den Einfluss des französischen Code de Commerce auf den Codice di Commercio von 1865 s. Bonolis, Svolgimento, S. 27. 297 Codice di commercio von 1865, § 156, mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache. 298 Rede des Abgeordneten Minghetti (1818–1886) während der Debatte zur Verabschiedung des Haushaltes des Ministeriums für Landwirtschaft und Handel für das Jahr 1870, in: Discorsi parlamentari di Marco Minghetti, S. 90 (Auszug aus der Rede, mit nicht wörtlicher Übersetzung in deutscher Sprache).
III. Gesetzliche Bestimmungen mit aufsichtsrechtlicher Natur
179
Eine gewisse Aufsicht über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien war bereits auch in einem Dekret aus dem Jahr 1864299 vorgesehen, das festgestellt hatte, dass diese Gesellschaften durch sog. Commissari Governativi (Regierungskommissare) überwacht („invigilate“) werden sollten, ohne jedoch diese Überwachung weiter zu erläutern. Außerdem legte ein königliches Dekret aus dem Jahr 1865300 einige Rechnungslegungspflichten für Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien fest, denen selbstverständlich auch Versicherungsgesellschaften unterlagen. Das Ziel dieser Aufsicht war hauptsächlich die Aktionäre der Gesellschaften zu schützen, während keine Maßnahmen zum Schutz der Versicherten oder zur Kontrolle des Versicherungsmarktes vorgesehen waren. c) Handelsgesetzbuch von 1882 Während der Codice di Commercio von 1865 praktisch eine einfache Überarbeitung des Codice Albertino des Königreichs Sardinien aus dem Jahr 1842 war, wurde das erste echte italienische Handelsgesetzbuch im Jahr 1882 verabschiedet.301 Der Codice di Commercio von 1882 wurde vom französischen Code du Commerce und vom belgischen Gesetz über das Versicherungswesen von 1874302 beeinflusst.303 Der neue Codice di Commercio regelte nicht nur die Seeversicherung, sondern auch alle anderen Versicherungsbranchen, enthielt aber weiterhin keine Versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen. Einige Vorschriften zeigten zwar einen aufsichtsrechtlichen Charakter, waren aber nur an Versicherungsaktiengesellschaften gerichtet. Insbesondere legte der Codice di Commercio von 1882 für diese Gesellschaften einige Voraussetzungen für die Gründung und einige Pflichten fest. Für die Gründung von Versicherungsaktiengesellschaften wurde eine Mindestkapitaleinlage vorschrieben, allerdings niedriger als bei den anderen Aktiengesellschaften,304 und für Lebensversicherungsgesellschaften (und Tontinen) die zusätzliche Voraussetzung, dass die Kapitaleinlage zum Teil aus Werten öffentlicher Hand bestehen musste.305 Versicherungsgesellschaften unterlagen außerdem
299
Königliches Dekret vom 14. Januar 1864, Nr. 1062, veröffentlicht in: Gazzetta Ufficiale del Regno d’Italia vom 20. Februar 1864, Nr. 44. 300 Königliches Dekret vom 30. Dezember 1865, Nr. 2727, veröffentlicht in: Gazzetta Ufficiale del Regno d’Italia vom 23. Januar 1866, Nr. 23. 301 Codice di Commercio vom 31. Oktober 1882, abgedruckt in: Codice di Commercio del Regno d’Italia con la correlazione de’ suoi articoli, 1883, S. 1–418. 302 Belgisches Gesetz vom 11. Juni 1874, abgedruckt in: Guyot, E. (Hrsg.), Almanach Royal official, 1875, S. 126–128. 303 Über ausländische Einflüsse auf den Codice di Commercio von 1882, aus der umfangreichen Literatur: Donati, Trattato, I. Bd., S. 90–91. 304 Codice di Commercio von 1882, Art. 131. 305 Codice di Commercio von 1882, Art. 145.
180
D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
der Plicht, ihre Bilanzen nach einem vorgeschriebenen Modell anzufertigen.306 Die Verordnung zur Durchführung des Codice di Commercio307 bestimmte zudem, dass die Versicherungsgesellschaften zur Einhaltung ihrer Pflichten der Aufsicht des Ministeriums für Landwirtschaft, Industrie und Handel unterworfen waren.308
3. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Der obigen Darstellung ist deutlich zu entnehmen, dass die Gesetzgeber der italienischen Staaten im Vergleich zu den deutschen der Thematik der Versicherungsaufsicht im Laufe der Jahrhunderte viel weniger Aufmerksamkeit gewidmet hatten. In der Gesetzgebung der italienischen Staaten bezüglich des Versicherungswesens zwischen dem 14. und dem 18. Jahrhundert war noch keine Versicherungsaufsicht festzustellen, es waren jedoch einige Vorschriften aufsichtsrechtlichen Charakters enthalten. Diese betrafen meistens die Seeversicherung und nur am Rande die Lebensversicherung.309 Die Hauptziele der Gesetzgeber waren zum einen Rechtssicherheit bezüglich des Versicherungswesens zu schaffen, oft auch durch das Vorsehen gesetzlich vorgegebener Versicherungspolicen, zum anderen eine Kontrolle über das Versicherungswesen auszuüben, einerseits um die eigenen Bürger und insbesondere die einheimischen Kaufleute zu schützen, andererseits um die regelmäßigen Steuereinnahmen auf Versicherungsgeschäfte zu garantieren. Die Entscheidung, einheimische Versicherer gegenüber ausländischen zu fördern war stets mit politischen und kommerziellen Überlegungen verbunden, da die Allianzen zwischen den verschiedenen Ländern im Mittelmeerraum zu berücksichtigen waren und sich oft hinter angeblichen „paternalistischen Sorgen“ die protektionistischen Absichten der Staaten versteckten. Für das Erreichen einer regelmäßigen Steuereinnahme legten die Regierungen außerdem Meldepflichten für alle an einem Versicherungsgeschäft Beteiligten fest. In einigen Fällen schien der Eingriff der italienischen Gesetzgeber auch durch bei den Versicherungsgeschäften vorgefallene Missbräuche motiviert zu sein und das Ziel zu haben, die Versicherten davor künftig zu schützen, und zwar durch die Bestätigung der Gültigkeit der Versicherungsverträge, durch einige Verbote bezüglich des Versicherungsobjektes und in Neapel am Ende des 18. Jahrhunderts sogar durch die Gründung einer Versicherungsgesellschaft seitens des Staates.310 306
Codice di Commercio von 1882, Art. 176 und 177. Durchführungsverordnung vom 27. Dezember 1882, Nr. 1139, abgedruckt in: Codice di Commercio del Regno d’Italia con la correlazione de’ suoi articoli, 1883, S. 439–473. 308 Durchführungsverordnung von 1882, Art. 55–61. 309 Bei den Wettversicherung konnte in Genua sogar von einer echten aufsichtsrechtlichen Maßnahme gesprochen werden, da für diese dort am Ende des 16. Jahrhunderts eine Konzessionspflicht eingeführt wurde, obwohl der Grund dieser Bestimmung vermutlich eher finanzieller als aufsichtsrechtlicher Natur war (s. oben D. III. 1. a) ff)). 310 Ein detaillierterer Überblick unten E. I. 307
IV. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne
181
Auch das Königreich Sardinien, das als erstes einen Teil Italiens vereinigte, und das spätere Königreich Italien verfügten im 19. Jahrhundert über keine versicherungsaufsichtsrechtliche Gesetzgebung im eigentlichen Sinne, sondern nur über einige Vorschriften, denen eine aufsichtsrechtliche Natur zugeschrieben werden kann. Bis zum Handelsgesetzbuch von 1882 waren diese Vorschriften aber nicht direkt auf die Versicherungen bezogen, sondern im Allgemeinen auf alle Gesellschaften. Laut der Rechtslehre war dies ein Zeichen der Einflüsse des „liberalen Geistes des französischen Code de Commerce“, von dem die italienische Gesetzgebung im 19. Jahrhundert geprägt war.311 Auch die Zeit nach dem Codice di Commercio von 1882 und bis 1912312 war von einem grundsätzlichen Mangel an staatlichen Eingriffen bezüglich des Versicherungswesens gekennzeichnet: Es gab keine Beschränkungen für die Ausübung eines Versicherungsgeschäfts und die Versicherungsgesellschaften waren grundsätzlich (nur mit einigen Unterschieden) den allgemeinen Regelungen aller Handelsgesellschaften unterworfen. Die Haltung des italienischen Staates gegenüber dem Versicherungswesen bis 1912 wurde daher in der Literatur als „agnostisch“ bezeichnet.313 Im Jahr 1912 griff der italienische Staat in das Versicherungswesen ein, aber nur in Bezug auf die Lebensversicherung, während die anderen Versicherungszweige nicht betroffen waren, wie im folgenden Abschnitt zu sehen ist.314
IV. Aufsichtsrechtliche Bestimmungen im eigentlichen Sinne Um versicherungsaufsichtsrechtliche Vorschriften im eigentlichen Sinne in Italien zu finden, muss man bis zum zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts warten. Noch am Anfang des 20. Jahrhunderts war nämlich im Königreich Italien keine echte Versicherungsaufsicht vorhanden, sondern nur gesetzliche Bestimmungen aufsichtsrechtlicher Natur. Hier wird ein kurzer Blick auf die versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschriften geworfen, die im 20. Jahrhundert bis zur Einführung der materiellen Versicherungsaufsicht verabschiedet wurden. Die ersten Gesetze, die eine echte Aufsicht einführten, betrafen nur die Lebensversicherung, erst später wurden aufsichtsrechtliche Vorschriften verabschiedet, die das Versicherungswesen im Allgemeinen unter Aufsicht stellten.315
311
Schmidt / Bühnemann (Hrsg.), Europäisches Versicherungsaufsichtsrecht, II. Bd., S. 562. Über das Gesetz von 1912, Nr. 305 s. unten D. IV. 313 Donati, Trattato, I. Bd., S. 166. 314 S. unten D. IV. 315 Ein Überblick über die Entwicklung der aufsichtsrechtlichen italienischen Gesetzgebung im 20. Jahrhundert, aus der umfangreichen Literatur, in: Volpe Putzolu, L’evoluzione della legislazione, S. 5–12; Donati, Trattato, I. Bd., S. 91–93; Schmidt / Bühnemann (Hrsg.), Europäisches Versicherungsaufsichtsrecht, II. Bd., S. 561–563. 312
182
D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
Der erste staatliche Eingriff im 20. Jahrhundert, der aus einer aufsichtsrechtlichen Perspektive relevant ist, ist das Gesetz vom 4. April 1912, Nr. 305,316 mit dem das Istituto Nazionale delle Assicurazioni (INA) gegründet wurde. Das INA war eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit Monopol auf die Lebensversicherung. Das Gesetz von 1912 schrieb aber eine zehnjährige Übergangszeit vor, während der auch private Lebensversicherungsgesellschaften tätig sein durften.317 Das INA hatte zweifellos eine beherrschende Position auf dem italienischen Lebensversicherungsmarkt, ein Monopol entstand jedoch in Wirklichkeit nie, da es kurz nach Ablauf der zehnjährigen Frist aufgehoben wurde.318 Ein Teil der Rechtslehre ist der Ansicht, dass der Grund für die Errichtung des INA war, dass der italienische Staat die Bedeutung der Lebensversicherung als Altersvorsorge erkannt hatte, dieser daher eine staatliche Garantie geben und sie nicht von ausländischen Versicherern ausüben lassen wollte (und gleichzeitig auch von den Einnahmen des INA profitieren wollte).319 Andere Autoren sind jedoch der Ansicht, das Gesetz von 1912 sei hauptsächlich wirtschafts- und sozialpolitisch motiviert gewesen, da auf dem italienischen Markt immer mehr kleine Versicherungsgesellschaften tätig geworden waren, die oft versicherungstechnisch unbedarft waren und potentiell dem Versicherungsmarkt schaden konnten.320 Die Errichtung des Monopols des INA stellte an sich keine versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahme dar, das Gesetz von 1912 legte aber den Grundstein für die Entwicklung einer echten Versicherungsaufsicht, indem es aufsichtsrechtliche Vorschriften für alle Lebensversicherungen einführte, die in der zehnjährigen Übergangszeit in Italien tätig sein wollten. Um in dieser Zeit das Lebensversicherungsgeschäft ausüben zu können, benötigten die Versicherungen eine staatliche Zulassung, sie waren dazu verpflichtet, die Hälfte der Prämie in Staatsanleihen oder staatlich garantierte Anleihen zu investieren, und ihre Tarife mussten vom Ministerium für Landwirtschaft, Industrie und Handel genehmigt werden.321 In den folgenden Jahren wurden durch ein Dekret von 1915322 und eines von 1920323 weitere aufsichtsrechtliche Vorschriften verabschiedet, die eine Aufsicht über ausländische Versicherungen vorsahen. Durch diese Dekrete wurden zuerst 316
Gesetz vom 4. April 1912, Nr. 305, veröffentlicht in: Gazzetta Ufficiale del Regno d’Italia vom 22. April 1912, Nr. 96. 317 Tontinen wurden aber mit diesem Gesetz verboten (§ 22). 318 Mit dem Königlichen Gesetzesdekret vom 29. April 1923, Nr. 966; s. unten in diesem Abschnitt. 319 Volpe Putzolu, L’evoluzione della legislazione, S. 5. 320 Schmidt / Bühnemann (Hrsg.), Europäisches Versicherungsaufsichtsrecht, II. Bd., S. 562–563; Donati, Trattato, I. Bd., S. 91. 321 Gesetz von 1912, Nr. 966, § 29. 322 Dekret des Statthalters vom 29. Juli 1915, Nr. 1167, veröffentlicht in: Gazzetta Ufficiale del Regno d’Italia vom 7. August 1915, Nr. 196. 323 Königliches Gesetzesdekret vom 29. Januar 1920, Nr. 115, veröffentlicht in: Gazzetta Ufficiale del Regno d’Italia vom 19. Februar 1920, Nr. 41.
V. Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien: Schlussfolgerungen
183
alle ausländischen Versicherungen unter die Aufsicht des Ministeriums für Landwirtschaft, Industrie und Handel gestellt, dann wurde die Notwendigkeit einer staatlichen Genehmigung für alle in Italien tätigen ausländischen Versicherungen eingeführt. Diese Vorschriften zeigten ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber ausländischen Unternehmungen, was als Konsequenz des ersten Weltkriegs gesehen werden kann. Kurz danach, im Jahr 1923, wurde ein Gesetzesdekret verabschiedet,324 mit dem das Monopol von INA auf die Lebensversicherung aufgehoben und damit der Wettbewerb auf dem Lebensversicherungsmarkt wieder eingeführt wurde. Gleichzeitig wurden mit diesem Dekret alle Lebens- und Schadensversicherungsunternehmen, die in Italien tätig waren, unter staatliche Aufsicht gestellt. Zum Geschäftsbetrieb privater Versicherungsunternehmungen (mit wenigen Ausnahmen) war eine Erlaubnis des Ministeriums für Industrie und Handel erforderlich und die Versicherungsgesellschaften standen ausdrücklich unter der Aufsicht dieses Ministeriums. Das Dekret von 1923 stellte den Beginn einer modernen Versicherungsaufsicht auch in Italien dar, indem es im Regno d’Italia eine materielle Versicherungsaufsicht verbunden mit Konzessionsprinzip einführte.
V. Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien: Schlussfolgerungen Erste gesetzliche Bestimmungen aufsichtsrechtlicher Natur können in den italienischen Staaten ab dem 14. Jahrhundert gefunden werden. Der Weg zur Einführung einer Versicherungsaufsicht im eigentlichen Sinn in Italien war allerdings noch sehr lang, da es bis zum zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts dauerte, bis die ersten echten aufsichtsrechtlichen Vorschriften verabschiedet wurden. Die italienischen Vorschriften aufsichtsrechtlichen Charakters, die im Zeitraum zwischen der zweiten Hälften des 14. Jahrhunderts und der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingeführt wurden, betrafen größtenteils die Seeversicherung und in geringerem Maße die Lebensversicherung und trugen hauptsächlich protektionistische und steuerliche Züge.325 Es waren in den italienischen Gesetzgebungen keine Vorschriften vorhanden, die eine Kontrolle über die Feuerversicherung beabsichtigten, da dieser Versicherungszweig noch keine bedeutende Rolle erreicht hatte.326 Auch die Gesetzgebungen des Königreichs Sardinien und des im Jahr 1861 gegründeten Königreichs Italien, die im 19. Jahrhundert verabschiedet wurden, 324
Königliches Gesetzesdekret vom 29. April 1923, Nr. 966, veröffentlicht in: Gazzetta Ufficiale del Regno d’Italia vom 14. Mai 1923, Nr. 112. 325 S. oben D. III. 3. 326 S. oben D. I. 3.
184
D. Entstehung und Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien
enthielten keine spezifischen versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen. Zu dieser Zeit waren die Versicherungsgesellschaften nur den Regelungen unterworfen, die generell für alle Handelsgesellschaften galten. Es dauerte noch bis zum Jahr 1912 bis schließlich auch in Italien erste aufsichtsrechtliche Maßnahmen im eigentlichen Sinne verabschiedet wurden und noch mehr als zehn weitere Jahre bis auch dort 1923 eine materielle Versicherungsaufsicht eingeführt wurde.327 Die größeren und bedeutungsvolleren Unterschiede zwischen den Ursprüngen und der Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Italien und denjenigen in Deutschland werden im nächsten Kapitel erläutert.
327
S. oben D. IV.
E. Berührungspunkte und Unterschiede der Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland und Italien Den obigen Kapiteln ist klar zu entnehmen, dass die Ursprünge und die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland und in Italien auf sehr unterschiedlichen Wegen verliefen, obwohl beide Länder letztendlich zum gleichen Ergebnis kamen, und zwar der Einführung einer materiellen Versicherungsaufsicht verbunden mit dem Konzessionsprinzip. Durch eine kurze Zusammenfassung der Maßnahmen in den verschiedenen Versicherungszweigen kann man am besten die Unterschiede und auch die wenigen Berührungspunkte erkennen.
I. Seeversicherung Die Seeversicherung ist der Versicherungszweig, der sich in Italien als erster entwickelte und am meisten verbreitet war. Fast alle der ersten gesetzlichen Maßnahmen mit aufsichtsrechtlichem Charakter, die ab dem 14. Jahrhundert in den italienischen Staaten verabschiedet wurden, betrafen somit verständlicherweise das Seeversicherungswesen. Auch in Deutschland griffen einige der ersten Vorschriften aufsichtsrechtlicher Natur in die Seeversicherung ein, zumeist jedoch auf andere Weise als die italienischen. Hauptsächlich betrafen die ersten versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen der deutschen Gesetzgeber allerdings die anderen Versicherungszweige. Aufgrund dieser großen Verbreitung der Seeversicherung in Italien im Mittelalter ist es nicht überraschend, dass sich auch praktisch alle italienischen Vorschriften mit aufsichtsrechtlicher Natur ab dem 14. Jahrhundert auf die Seeversicherung bezogen. Es handelte sich erstens um Bestimmungen, mit denen die Regierungen eine Bekämpfung von Missbräuchen seitens aller Parteien des Versicherungsgeschäfts und zugleich die Schaffung von Rechtssicherheit in der Versicherungsbranche beabsichtigten. Gegen Missbräuche seitens der Versicherer wurde dies mittels verschiedener Vorschriften verwirklicht: Einige, die die ordnungsgemäße Erfüllung der versicherungsvertraglichen Pflichten garantierten (durch die Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Versicherungen und das Verbot, diese Verträge vor kirchlichen Gerichten anzufechten),1 andere, die die Anwendung vorgegebener 1
In Genua 1369 und in Florenz 1393 (s. oben D. III. 1. a) aa) und D. III. 1. b) bb)).
186
E. Berührungspunkte und Unterschiede der Entwicklung
Policen vorschrieben,2 und schließlich noch eine, die die Gründung einer Versicherungsgesellschaft öffentlicher Hand vorsah.3 Missbräuche seitens der Versicherten wurden durch verschiedene Verbote bekämpft, wie das Verbot Schiffe im Hafenbecken oder Schiffe über die Hälfte des Wertes zu versichern.4 Zweitens gab es auch mehrere Vorschriften, die die Versicherungen auf ausländische Schiffe und Waren verboten oder in verschiedenen Umfängen einschränkten5 und dabei darauf abzielten, einheimische Versicherer gegenüber ausländischen Konkurrenten zu fördern. Drittens traten auch Steuer- und Meldepflichten in mehreren Staaten in Kraft, die dem Ziel der Staaten entsprachen, sich regelmäßige Steuereinnahmen auf Versicherungsgeschäfte zu sichern.6 Zuletzt wurden auch Bestimmungen bezüglich Versicherungsmakler verabschiedet: Sowohl in Florenz ab dem 16. Jahrhundert als auch in Venedig ab dem 18. Jahrhundert wurde festgelegt, dass gültige Versicherungsverträge nur durch die Mitwirkung eines von der Obrigkeit bestellten Maklers abgeschlossen werden durften.7 Für die Bestellung von Maklern waren besondere Voraussetzungen vorgesehen, es gab aber in keinem der italienischen Staaten eine Einschränkung des Kreises der Personen, die als Makler tätig werden durften, anders als in einigen der Gesetzgebungen der deutschen Staaten.8 In den italienischen Vorschriften aufsichtsrechtlicher Natur können nur wenige kleine Ähnlichkeiten mit den deutschen Gesetzesbestimmungen festgestellt werden und zwar eine bezüglich der Mitwirkung von vereidigten Maklern beim Abschluss von Versicherungsverträgen und eine andere bei den Versicherungsverboten bezüglich Ausländern, wie später noch einmal erwähnt wird.9 Im deutschsprachigen Gebiet war die Seeversicherung ebenfalls früh, wenn auch später als in Mittelmeerraum, verbreitet.10 Bereits einige der Ansätze, die auf die zukünftige Entwicklung einer Versicherungsaufsicht hindeuteten, bezogen sich auf die Seeversicherung. Zum einen der Dispacheur, der seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Hamburg für die Feststellung von Beiträgen und Entschädigungssummen bei Havarien und Seeschäden zuständig war und von der Obrigkeit anfangs nur bestätigt und ab ungefähr der Hälfte des 17. Jahrhunderts auch ernannt wurde.11 2
In Florenz ab dem 16. Jahrhundert (s. oben D. III. 1. b) cc)) und in Venedig ab dem 18. Jahrhundert (s. oben D. III. 1. c) dd)). 3 Die Reale Compagnia in Neapel (s. oben D. III. 1. d) cc)). 4 S. oben D. III. 1. a) cc) und D. III. 1. a) dd). 5 In der genuesischen Gesetzgebung aus dem 14. und 15. Jahrhundert (s. oben D. III. 1. a) bb)), in der florentinischen ab dem Ende des 14. Jahrhunderts und im 15. Jahrhundert (s. oben D. III. 1. b) aa)) und in der venezianischen aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert (s. oben D. III. 1. c) bb)). 6 In Genua ab dem Anfang des 15. Jahrhunderts (s. oben D. III. 1. a) ee)) und in Neapel ab dem 17. Jahrhundert (s. oben D. III. 1. d) aa)). 7 S. oben D. III. 1. b) cc) und D. III. 1. c) dd). 8 S. weiter in diesem Abschnitt. 9 S. weiter in diesem Abschnitt. 10 S. oben C. I. 1. a). 11 S. oben C. III. 3.
I. Seeversicherung
187
Zum anderen das Ersuchen um ein Octroi, das ab dem 17. Jahrhundert im deutschsprachigen Gebiet verbreitet war, sowie andere Arten freiwilliger Unterwerfung der Versicherungsgesellschaften unter eine staatliche Aufsicht, da eine obrigkeitliche Genehmigung als Beweis der Solidität der Versicherung dienen sollte, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.12 Auch einige der Vorschriften aufsichtsrechtlicher Natur, die ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Preußen und in Hamburg verabschiedet wurden, betrafen die Seeversicherung.13 Es handelte sich hauptsächlich um Maßnahmen, die, um mögliche Missbräuche bei der Seeversicherung zu vermeiden, den Kreis der Personen, die als Versicherer tätig werden und sich versichern lassen konnten, einschränkten. Solche Einschränkungen waren in den vorangehenden Jahrhunderten schon in den Gesetzgebungen anderer europäischer Länder, wie zum Beispiel Frankreichs und der Niederlande, bekannt, in den Gesetzgebungen der italienischen Staaten jedoch nicht vorhanden. Das preußische A. L. R. schrieb außerdem vor, dass bei Seeversicherungen die Würdigung der Schäden durch einen Sachverständigen, der von der Obrigkeit bestellt werden konnte, und unter gerichtlicher Aufsicht zu erfolgen hatte.14 Darüber hinaus gab es in der preußischen Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts einige Vorschriften aufsichtsrechtlicher Natur, die ebenfalls die Seeversicherung betrafen und die Versicherungen auf einige Objekte verboten, u. a. Gegenstände, die Feinden gehörten. Bezüglich dieses letzten Verbots kann eine Parallel zu den italienischen Gesetzgebungen gezogen werden, die in unterschiedlichem Umfang die Versicherung auf Waren, die ausländischen Feinden gehörten, verboten. Schließlich betrafen einige deutsche Gesetze auch die Makler. In den deutschen Vorschriften war generell keine Notwendigkeit der Mitwirkung eines Maklers vorgesehen, nach der Preußischen Assecuranz- und Haverey-Ordnung von 1766 musste aber jeder Makler, der dennoch in Anspruch genommen wurde, zwingend vereidigt sein.15 Diese Bestimmung ähnelte in gewisser Weise den oben genannten Vorschriften aus Florenz aus dem 16. Jahrhundert und aus Venedig aus dem 18. Jahrhundert, wo ebenfalls die Makler von der Obrigkeit bestellt werden mussten. Obwohl gewisse Ähnlichkeiten zwischen den italienischen und deutschen Vorschriften über das Seeversicherungswesen bestehen, sind diese bei weitem zu gering, um eine direkte Beeinflussung zwischen den Gesetzgebungen der verschiedenen Staaten schlüssig beweisen zu können.
12
S. oben C. III. 2. S. oben C. IV. 1. b), C. IV. 1. c) und C. IV. 1. d) für Preußen und C. IV. 2. b) für Hamburg. 14 S. oben C. V. 1. a) bb). 15 S. oben C. IV. 1. c). 13
188
E. Berührungspunkte und Unterschiede der Entwicklung
II. Feuerversicherung Beim Feuerversicherungswesen sind die aus einer versicherungsaufsichtsrechtlichen Perspektive relevanten Vorschriften, im Gegensatz zur Seeversicherung, viel früher in Deutschland zu finden als in Italien, was den unterschiedlichen Entwicklungen dieses Versicherungszweigs in den beiden Ländern geschuldet ist. Während sich im deutschsprachigen Gebiet das Feuerversicherungswesen sehr früh entwickelte und im 19. Jahrhundert der bedeutendste Versicherungszweig war, gehen in den italienischen Staaten die ersten Versuche, Feuerversicherungen zu etablieren, erst auf das 18. Jahrhundert zurück.16 Bei der Feuerversicherung können in den deutschen Staaten sowohl einige der ersten Indizien der zukünftigen Entwicklung einer Versicherungsaufsicht17 als auch mehrere der gesetzlichen Eingriffe aufsichtsrechtlicher Natur, die das Ziel hatten, eine staatliche Überwachung dieser Versicherungsbranche zu garantieren und Missbräuche durch alle Parteien zu vermeiden, festgestellt werden. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, als die Feuerversicherung meistens noch von öffentlichrechtlichen Anstalten betrieben wurde, gestalteten nämlich die deutschen Gesetzgeber genaue Verwaltungssysteme und regelten die Einschätzung der Brandschäden und die Wiederaufbaupflicht für die Versicherten.18 Ab dem 19. Jahrhundert wurde in den meisten deutschen Staaten für die Feuerversicherung eine echte Versicherungsaufsicht durch das Konzessionsprinzip eingeführt und diese auch oft mit einer obrigkeitlichen Präventivkontrolle, am Anfang meistens nur für ausländische Versicherungen, später auch für inländische, verbunden.19 In Italien entwickelte sich die Feuerversicherung dagegen später als in Deutschland. Die ersten Feuerversicherungen entstanden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und erst im 19. Jahrhundert wurden mehrere weitere Versicherungsgesellschaften gegründet.20 Speziell mit Bezug auf die Feuerversicherungen wurden keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen ergriffen, weder in den Gesetzgebungen der verschiedenen italienischen Staaten noch im Königreich Italien. Auf die Feuerversicherungsgesellschaften fanden ausschließlich die allgemeinen Vorschriften für alle Handelsgesellschaften Anwendung.21 Bei der Feuerversicherung kommt die unterschiedliche Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Deutschland und Italien noch deutlicher zum Vorschein als bei der Seeversicherung, weshalb keine verwertbaren Parallelen erkennbar sind.
16
S. oben C. I. 1, C. I. 3 und D. I. 3. Bei den Brandgilden in Schleswig-Holstein und bei den Hamburger Feuerkontrakten (s. oben C. III. 1 und C. III. 4). 18 S. oben C. IV. 1. a), C. IV. 2. a), C. IV. 4. 19 S. oben C. V. 2. a) und C. V. 2. b). 20 S. oben D. I. 3. 21 S. oben D. III. 2. 17
IV. Allgemeine Schlussfolgerungen
189
III. Lebensversicherung und ihre früheren Formen Mehrere der ersten Eingriffe aufsichtsrechtlichen Charakters seitens der deutschen Gesetzgeber fanden bei einigen der früheren Formen der Lebensversicherung statt, bei Witwen-, Waisen-, Aussteuer-, Sterbekassen und Wettversicherungen. Insbesondere gehen die deutschen Verbote von Wettversicherungen auf die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück,22 die Verbote von Heiratskassen auf die zweite Hälfte23 und die ersten deutschen aufsichtsrechtlichen Vorschriften im eigentlichen Sinne, die zum ersten Mal das Konzessionsprinzip bei Witwen-, Sterbe- und Aussteuerkassen einführten, auf das Ende des 18. Jahrhunderts.24 In den Gesetzgebungen der italienischen Staaten findet man auch Wettversicherungsverbote, und zwar bereits im 15. Jahrhundert.25 Bei Witwen-, Waisen-, und Sterbekassen konnte dagegen kein aufsichtsrechtlich relevanter obrigkeitlicher Eingriff ermittelt werden. Bei den Aussteuerkassen konnte in einem Fall (bei den Monti di maritaggio im 19. Jahrhundert im Königreich Neapel) eine staatliche Kontrolle festgestellt werden, die aber im Rahme eines allgemeinen Eingriffs des Staates gegenüber allen wohltätigen Einrichtungen zu verstehen war.26 Der Grund dieses Mangels an obrigkeitlicher Aufsicht bei den verschiedenen Kassen liegt vermutlich an der geringeren Verbreitung solcher Kassen in Italien im Gegensatz zu Deutschland, sodass, auch wenn sich gelegentlich Missbräuche ereigneten, die Situation folglich weniger besorgniserregend für die Obrigkeiten war, als in den deutschen Staaten, wo die Vielzahl der Missbräuche stets der Hauptgrund für die Eingriffe der Gesetzgeber gewesen war. Außer bei den Verboten von Wettversicherungen kann also auch bei der Lebensversicherung keine bedeutende Ähnlichkeit bei der Entwicklung der Versicherungsaufsicht zwischen der deutschen und der italienischen Gesetzgebung festgestellt werden.
IV. Allgemeine Schlussfolgerungen Obwohl die deutsche und die italienische Versicherungsaufsicht im 20. Jahrhundert bei einem ähnlichen System der materiellen Versicherungsaufsicht verbunden mit Konzessionsprinzip angelangt waren, sind die Ursprünge und die grundsätzlichen Entwicklungen, die dorthin führten, sehr unterschiedlich. In den italienischen Staaten konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Gesetzgeber auf die Seeversicherung und die Grundmotive, die die Obrigkeiten dabei 22
S. oben C. IV. 1. b) und C. IV. 2. c). S. oben C. IV. 3. 24 S. oben C. V. 1. 25 S. oben D. III. 1. a) ff) und D. III. 1. c) aa). 26 S. oben D. II. 23
190
E. Berührungspunkte und Unterschiede der Entwicklung
leiteten, waren hauptsächlich protektionistischer und steuerlicher Natur. In den deutschen Staaten hingegen waren die Anstrengungen der Staaten meistens auf die Feuerversicherung und auf Aussteuer- und Sterbekassen konzentriert, Bereiche bei denen sich am meisten Missstände und Betrügereien ereignet hatten. Die Ursprünge der modernen Versicherungsaufsicht haben sich über viele Jahrhunderte in Deutschland und Italien separat und unterschiedlich entwickelt, nichtsdestotrotz ist das Resultat in beiden Ländern eine materielle Versicherungsaufsicht mit Konzessionsprinzip. Die geringen Ähnlichkeiten, die oben hervorgehoben wurden, reichen nicht aus, um eine gegenseitige Beeinflussung beider Länder nachweisen zu können. Obwohl eine Verbindung zwischen den Gesetzgebungen der zwei Staaten zu erwarten gewesen wäre, da das Ergebnis in beiden Ländern heute ein ähnlich gestaltetes System der Versicherungsaufsicht ist, konnte dies anhand der durchgeführten Nachforschungen nicht bewiesen werden. Der Grund dafür könnte in Querverbindungen über dritte Länder liegen, es wird daher empfohlen, den Rahmen für die Suche nach gegenseitigen Einflüssen bei den Entwicklungen der beiden Versicherungsaufsichtssysteme auf den gesamteuropäischen Kontext auszudehnen.
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Sachverzeichnis Agenten 98, 100, 102, 104, siehe auch Versicherungsmakler, Sensale und Konzessionspflicht für Agenten Allgemeines Preußisches Landrecht 55, 66–68, 89–91, 99, 105, 130, 187
Hamburger Feuerkontrakte 33, 35, 52–57, 58, 61, 69, 128, 188 Hamburger General-Feuerkasse 32–33, 38, 53, 55, 61, 69–71 Jus supremae inspectionis 41
Bedürfnisprüfung 105–106, 107, 111, 113, 118–119, 127–128 Berliner Feuersozietät 34–35, 38, 59–60 Brandbetteln 38, 80 Costumen von Antwerpen 72–73 Dispacheur 51–52, 58, 128, 186 Einreichungspflichten 116–117, siehe auch Publizitätssystem Einschätzung der Brandschäden durch Fachleute 54–55, 58, 61, 68, 70–71, 80, 81, 85, 129, 188 Einschätzung der Versicherungssumme durch Fachleute 78, 79, 82 Einschränkungen der Möglichkeit, als Versicherer tätig zu werden oder Versicherung zu nehmen 62–63, 65, 67, 73, 85, 129, 186–187 Einsichtsrecht 102, 116 Einzelassekuradeure 32, 142–143 Feuerversicherung 98, 126, 128–129, 137–139, 188 – Mobiliarfeuerversicherungen 39, 98, 100–103 – öffentlich-rechtliche Feuerversicherungs anstalten 34–35, 36–39, 55, 76–82, 85, 129, 138 – private Immobilienfeuerversicherungen 103–104, 123 Foenus nauticum, siehe Seedarlehen Gilden 32–33, 44, 162, siehe auch Schleswig-holsteinische Brandgilden
Kameralisten 34, 35–39, 41–42, 48, 91 Kassen – Aussteuerkassen 36–37, 42, 86, 88–89, 90–91, 92–93, 99, 116–117, 126, 129, 135–136, 145–150, 189, 190 – Begräbniskassen 34, 42, 88–89, 90, 126 – Heiratskassen 75–76, 85, 129 – Professionskassen 92–93, 126 – Sterbekassen 34, 36–37, 42, 86, 88–89, 90–91, 92–93, 94–95, 96–97, 99, 114, 117, 121–122, 126, 129, 136, 189, 190 – Waisenkassen 34, 35, 36–37, 42, 126, 189 – Witwenkassen 34, 35, 36–37, 42, 90–91, 99, 117, 126, 189 Konzessionspflicht – für Agenten 102, 106–107, 110, 112–113, 113, 115–116, 118, 120, 127–128 – für alle Feuerversicherungen 117–118, 119, 120 – für alle Versicherungen 109–110, 114, 117 – für Ausländer 106–107, 111 – für ausländische Feuerversicherungen 102, 106, 115, 120, 126 – für Mobiliarfeuerversicherungen 116, 120 – für (Versicherungs)aktiengesellschaften 104–106, 110, 177, 178–179 – siehe auch Staatliche Genehmigung Konzessionsprinzip 24–25, 89, 90, 94, 98, 99, 102, 104–105, 106–107, 108, 108–109, 109–111, 112–113, 115–117, 117–120, 125, 126, 128–130, 188
210
Sachverzeichnis
Lebensversicherung 74, 129, 133–136, 181–182, 189 – Lebensversicherungsverbot 63–64, 72 Materielle Versicherungsaufsicht 25, 125, 128 – Materielle Versicherungsaufsicht verbunden mit Konzessionsprinzip 26, 125, 130, 131, 185, 190 Meldepflichten 121, 156, 164, 172–174, 180, 186 Mitteilungspflichten 123 Musterpolicen 74, 139, 163–164, 170–171, 174–175, 180, 185–186 Normativsystem 24 Obrigkeitliche Inspektion 95 Octroi-Verfahren 48–51, 58, 90–91, 104–105, 128, 187 Polizeiliche nachträgliche Kontrolle 103, 116–117 Polizeiliche Präventivkontrolle 20, 98, 103, 104, 108, 115–117, 118, 119, 126–128, 130, 188 Preußische Feuersozietäten 55, 58, 59–61 Publizitätssystem 23–24, siehe auch Einreichungspflichten Schleswig-Holsteinische Brandgilden 33, 44–48, 57–58, 77, 128 Seedarlehen 29–30, 132–133 Seeversicherung 29–32, 39, 50, 51–52, 58, 62–64, 64–66, 67–68, 72–74, 85, 126, 128–130, 132–133, 185–187 Sensale 144–145, 158, 164, siehe auch Agenten, Versicherungsmakler und Konzessionspflicht für Agenten Staatliche Bestätigung, freiwillig ersuchte 47, 57–58
Staatliche Genehmigung – freiwillig ersuchte 49–51, 58, 128 – notwendige 88–89, 90, 93, 95, 96, 99, 104–106, 108–109, 109–111, 112, 116, 118–119, 126–127, 177, 178–179, 183 – siehe auch Konzessionspflicht Steuerpflichten 153, 156, 172–174, 186 Tontinen 82–84, 85, 129, 136 Versicherung auf Gegenseitigkeit 32–33, 40, 108, 142–144 Versicherungsaktiengesellschaft 29, 32, 40, 98, 104–106, 110, 177, 178, 179 Versicherungsmakler – Notwendigkeit der Mitwirkung eines Versicherungsmakler 66, 102, 164, 170, 186–187 – Voraussetzungen 66, 74, 171, 186–187 – siehe auch Agenten, Sensale und Konzessionspflicht für Agenten Versicherungsverbot 67–68 – bezüglich Wertes des Schiffes 155–156, 171, 186 – für ausländische Schiffe und / oder Waren 152–154, 159–161, 166–169, 186–187 – für Gegenstände/Waren von Feinden 65–67, 154, 187 – für Schiffe im Hafenbecken 155, 186 Versicherungsverträge, Bestätigung der Gültigkeit 152, 162, 185 Wettversicherungen 63–64, 73, 75, 129, 135–136, 157–158, 165–166, 189 Wiederaufbaupflicht 54–55, 58, 61, 71, 78, 79, 80, 82, 85, 129, 188 Wirtschaftlicher Liberalismus 39, 114, 127