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German Pages 1335 Year 2002
PETER SZCZEKALLA
Die sogenannten grundrechtliehen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten
Band 87
Die sogenannten grundrechtliehen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht Inhalt und Reichweite einer "gemeineuropäischen Grundrechtsfunktion"
Von Peter Szczekalla
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme
Szczekalla, Peter:
Die sogenannten grundrechtliehen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht : Inhalt und Reichweite einer "gemeineuropäischen Grundrechtsfunktion" I von Peter Szczekalla. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum europäischen Recht ; Bd. 87) Zug!.: Osnabrück, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10299-1
Alle Rechte vorbehalten
© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-10299-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Für meine Mutter Hedwig Szczekalla und zum Gedenken an meinen Vater Günther Szczekalla (1923-1998)
Vorwort Eine so umfangreiche Arbeit wie die vorliegende kann nicht entstehen, ohne dass der Verfasser vielen Menschen, die ihn während dieser - mitunter schwierigen - Zeit unterstützt haben, zu großem Dank verpflichtet ist. Von ihnen seien - stellvertretend - nur einige genannt: Danken möchte ich zunächst und vor allem Herrn Prof. Dr. Hans- Wemer Rengeling, der diese Arbeit betreut hat. Er hat mir schon in meiner Zeit als studentische Hilfskraft am Institut für Europarecht der Universität Osnabrück Gelegenheit gegeben, mich dem Europarecht, und insbesondere den europäischen Grundrechten, zu nähern. Durch Rechtsprechungs-, Literaturund Grundrechtstextrecherchen für seinen "Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft" (1993) habe ich Einblicke gewinnen können, die für die vorliegende Arbeit eine nahezu unentbehrliche Voraussetzung waren. Spätere Diskussionen, z. B. zur Einführung einer Verfassungsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof (s. Festschrift für Ulrich Everling, Bd. II, S. 1187-1212 [1995]), boten Anlass zur Vertiefung. Dabei hat er mir allen wissenschaftlichen Freiraum zukommen lassen und mich beim Gehen eigener Wege unterstützt. Danken möchte ich ferner Herrn Prof. Dr. Albrecht Weber, der als Mitberichterstatter die Arbeit in nur kurzer Zeit gelesen und votiert hat, nachdem er mir schon bei der Entstehung manchen Hinweis gegeben, sich zuletzt immer wieder nach ihrem Abschluss erkundigt und so sicher auch seinen Teil zu ihrer endgültigen Fertigstellung beigetragen hat. Dafür, dass er sehr kurzfristig den Vorsitz in der mündlichen Prüfung übernommen hat, schulde ich auch Herrn Prof. Dr. Theodor Baums Dank. Damit liegen bei beiden Gründe vor, die auch nach neuerer Ansicht (s. F.-C. Schroeder, JZ 2000, 353; diff. Send/er, JZ 2000, 614) jedenfalls zur Erwähnung im Vorwort einer Dissertation berechtigen dürften. Für aufschlussreiche Gespräche zu Einzelthemen danke ich darüber hinaus den Herren Prof. Dres. Christoph Engel und Joachim Schutz. Für viele Einzelgespräche und - immer aktuelle - Informationen direkt von der "Quelle" bedanke ich mich des Weiteren bei Herrn MR Prof. Reimer von Borries LL.M. (BMWi/BMF, Referat EC 1: Recht der EU). Für unzählige - mitunter überaus kontroverse - Diskussionen zu nahezu allen Fragen dieser Arbeit bin ich überdies meinem langjährigen Kollegen, Herrn Privatdozent Dr. Martin Gellennann, zutiefst verbunden. Gleiches gilt für meinen
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Vorwort
Vorgänger auf der Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut, Herrn RiVG Dr. Andreas Middeke, dem ich die erste Erwähnung der Schutzpflicht als mögliches Dissertationsthema im europarechtlichen Zusammenhang verdanke. Was damit auf mich zukommen sollte, konnte ich damals allerdings noch nicht erahnen. In der - relativen - Endphase dieser Arbeit habe ich schließlich so manche Anregung und/oder Bestärkung aus Gesprächen mit Herrn Privatdozent RiLG Dr. Christian Sehröder gezogen. Als es zum Schluss schon fast danach aussah, als ob das Werk nie würde fertig werden, hat mir RA und Notar Prof. Dr. Bernhard Stüer zweimal, wenn auch das erste Mal erfolglos, in längeren und - in der ihm eigenen Art - überzeugenden Gesprächen seinen Abschluss nahegelegt Dafür und für die angenehme Zusammenarbeit, die ich als Redaktionsassistent beim Deutschen Verwaltungsblatt unter seiner und Prof. Rengelings (Haupt-) Schriftleitung erfahren durfte und gegenwärtig noch erfahren darf, danke ich sehr. Für die Bereitschaft, diese umfangreiche Arbeit trotz ihrer gerade deshalb schwierigen Kalkulation in sein Verlagsprogramm zu übernehmen, danke ich Herrn Prof. Dr. jur. h.c. Norbert Simon. Für die Aufnahme in die von Ihnen herausgegebene Schriftenreihe bin ich überdies den Herren Prof. Dres. Siegfried Magiera und Detlef Merten zu Dank verpflichtet. Dank schulde ich schließlich auch meinem ältesten Bruder, Herrn Dr. phil. Michael Szczekalla, für eine Reihe von Gesprächen über historischphilosophische Themen im Umfeld dieser Arbeit sowie meinem zweitältesten Bruder, Herrn Dipl.-Math. Dipl.-Betriebswirt (BA) Christoph Szczekalla, für die - mehr oder weniger - gemeinsame Übersetzung so mancher schwieriger Passage aus französischen, italienischen und spanischen Aufsätzen, Büchern sowie gerichtlichen Entscheidungen, auch wenn letztlich nicht mehr alles davon verwertet werden konnte. Darüber hinaus hat mich mein Freund, Herr Dipl.-Volkswirt Stephan S. Chrobok, bei der Erstellung der einzigen "Grafik" in dieser Arbeit unterstützt und auch sonst über die Jahre hinweg mit aufmunternden Beistandsleistungen vielfältiger Art versorgt. Herr Marcus Mazik hat mir - last but not least - mit Rat und Tat bei Hard- und Softwarefragen für die endgültige Druckfassung zur Seite gestanden. Für finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung danke ich dem Rotary Club Osnabrück-Nord, der die Arbeit unter der Präsidentschaft von Prof. Dr. Jörn Ipsen mit seinem Promotionspreis 2001 ausgezeichnet hat, sowie dem Bundesinnenministerium für einen Druckkostenzuschuss. Herrn Haivor Halvorsen, Leiter der Niederlassung der Vereins- und Westbank in Osnabrück, und den Gästen seines Dienstjubiläums bin ich für die zahlreichen Spenden zum Zwecke der Veröffentlichung ebenfalls sehr verbunden.
Vorwort
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Ein Vorwort ist der richtige Ort, um das Vorstehende angemessen auszudrücken. Wer meint, dass ihm "Dank-Kaskaden" von vomherein keinen inforrnationellen oder wenigstens ästhetischen Nutzwert bieten (so etwa Küper, JZ 2000, 614), der sollte überhaupt keine Vorworte lesen und gleich auf die informatorische Einleitung zusteuern. Das Werk ist in Rechtsprechung und Literatur (auch unveröffentlichter) im Wesentlichen auf dem Stand vom 01.01.2000. Neuere Entscheidungen und literarische Stellungnahmen konnten nur noch im Ausnahmefall berücksichtigt werden. (Größere) Abweichungen vom hier wiedergegebenen Stand haben sich dabei in der Zwischenzeit jedenfalls nicht ergeben. Über die Verabschiedung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist an anderer Stelle ausführlich berichtet worden (s. DVBI. 2001, 345 ff.; Langfassung im Internet unter "http:/ /www.jura.uos.de/Institut/EUR/PublikPS.html" bzw. "http://www.jura.uos.de/institut/EUR/Wiener_GRTag_lf_korr. htm"). Die Arbeit ist im Wesentlichen in der "neuen" deutschen Rechtschreibung gehalten. Nur ausnahmsweise habe ich mir die - auch grundrechtliche (s. BVerfGE 98, 218, 258 ff., 261 f., 265) - "Freiheit" erlaubt, davon abzuweichen, so insbesondere im Titel, damit eine sinnvolle Abkürzung weiterhin möglich bleibt. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern - mein Vater hat die Entstehung der Arbeit immer mit großem Interesse begleitet, konnte aber leider ihr Erscheinen nicht mehr erleben - und meiner Frau Stefanie Klaes (als kleinen Ausgleich für das, was sie alles haben ertragen müssen). Osnabrück, im November 2001
Peter Szczekalla
Inhaltsübersicht Einleitung
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A. Ziel, Rechtfertigung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ziel der Untersuchung. ... . . ... .. .... ... . . ... .. .... .. .. . . . . .. . . . . . II. Rechtfertigung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorrangige Berücksichtigung der Rechtsprechung........ . . . .. .. . .. . .
71 71 72 74 86
B. Vorbemerkung zum möglichen Ertrag der Untersuchung....... . ......... .
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C. Vorbemerkung zur Einbeziehung rechtstatsächlichen Materials . . . . . . . . . . . .
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Erster Teil Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
A. Die Rechtsprechung des BVerfG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erste Vorbemerkung: Die Abhängigkeit der Schutzpflicht von der I. Weite des Eingriffsbegriffs - Schutzpflicht trotz aktiven Handeins des Staates und "Mitverantwortung". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zweite Vorbemerkung: Schutzpflicht des Staates in Bezug auf nichtstaatliche Beeinträchtigungen oder Gefährdungen von Grundrechtsgütern als Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ableitung der Schutzpflichten................... . ..... . ..... . . . . . Konstruktion von Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. VI. Abgrenzung zu anderen "Schutznormen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Schutzpflichten und Staatszwecke, Staatsziele bzw. Staatsaufgaben ... VIII. Kontrolle der Erfüllung von Schutzpflichten (Von der Evidenzkontrolle zum "Untermaßverbot" und zurück). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Haltung der Literatur im Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Haltung der Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gründe für den "Neu"-Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . li. Irrelevanz wegen Ergebnisäquivalenz - Irrelevanz der Ergebnisäquivalenz: Rationalitätsschub durch gutes grundrechtliches Argumentieren . . III. Die Leistungsfahigkeit des Grundrechts als Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . IV. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92 92 94 96 99 143 150 220 221 223 239 239 244 404 406 426 435 435
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Inhaltsübersicht Zweiter Teil
Die Schutzpflicht im europäischen Recht
459
A. Grundrechte im europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
I. Geschriebene Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 II. Ungeschriebene Grundrechte - Allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . 481
B. Ansätze für gemeinschaftliche Schutzpflichten im europäischen Recht . . . . . Erste Vorbemerkung: Das Bedürfnis nach gemeinschaftlichen SchutzI. pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweite Vorbemerkung: Die rechtliche Möglichkeit von gemeinschaftIl. lichen Schutzpflichten der EU - Unschädlichkeit des fehlenden Gewaltmonopols und der fehlenden Kriminalstrafgewalt der Gemeinschaft................ .. ................ .. .................... . III. Möglicherweise einschlägige Rechtsprechung des EuGH.. .. ....... . IV. Weitere Ansatzpunkte im Gemeinschaftsrecht... .... .. ........... . . V. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verfassungen der Mitgliedstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Sonstige Völkerrechtstexte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Praxis des Schutzes in der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Kontrolldichte ....... ... ........... . ... ...... ........ . ... ... . . .
549 551
602 610 627 712 909 976 977 1037
C. Ergebnisse der Untersuchung .. . ................. .... .. ... . ..... . . . . .. 1051 I. Der Siegeszug der "objektiven Wertordnung" .. .... . .. .. . . ... . . . . . . . 1051 li. Die Schutzpflicht als "europäisches Gemeingut" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1056
III. Die abwehrrechtliche Lösung .............. . ........... . .. . .. ... .. 1056
D. Exkurs: Eine Allgemeine Gemeinschaftslehre als Desiderat. ........... . .. 1058 I. Das Bedürfnis nach einer Allgemeinen Gemeinschaftslehre ......... . . 1059 II. Übertragung des Vertragsgedankens auf die Gemeinschaft ... .. ... . ... 1061 III. ZWischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1065 Dritter Teil
(Mögliche) Praktische Folgerungen
1067
A. Die Konkurrenz von Schutz-Gemeinschaft und Schutz-Staat ... . .......... 1067 I. Gemeinsame und geteilte Verantwortlichkeiten .. . ... ... .. ...... . .... 1068
II. Die Einhaltung der Kompetenzordnung: Formelles Prinzip versus Effektivität- Ein "Mehrebenenmodell"... . . . . . ........ . . .. .. .. . .... .. 1075 III. Privatisierungs- und Deregulierungspotentiale . ....... . .... ... .... .. . 1075
B. Schutzpflichtkonforme Auslegung .............. .. .. .... .. .. ... . . ..... . 1081 C. Unmittelbare horizontale Richtlinien-Wirkung aus Gründen der (gemeinschafts-) grundrechtliehen Schutzpflicht? ...... . ... . ...... . ...... . .. ... . 1082 I. Gemeinschafts- oder mitgliedstaatsgrundrechtliche Schutzpflichten? .. . 1084
Inhaltsübersicht
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li. Gesetzesmediatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausschließliche Grundrechtsgemäßheit einer Verordnung zur Erfüllung von Schutzpflichten (hier sog. Inkonsequenz-Argument) .............. IV. Besonderes Normgefüge des Art. 249 EGV (ex 189) ................. V. Exkurs: Einsatz der Schutzfunktion zur Vollzugseffektuierung umgesetzten Richtlinienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1085 1092 1093 1096
D. Sekundärer Schutz: Herleitung eines gemeinschaftlichen Rechtsschutzanspruchs aus dem Schutzpflichtgedanken ................................ 1097 I. Ableitung eines gemeinschaftlichen Rechtsschutzanspruchs gegen (gemeinschafts-) grundrechtsgefährdende Mitgliedstaaten aus dem Schutzpflichtgedanken?................................................. 1097 li. Sekundärer Schutz gegen (gemeinschafts-) grundrechtsbeeinträchtigende private Dritte .............................................. 1098 E. Tertiärer Schutz: Gemeinschafts- und Staatshaftung ...................... I. Haftung nur bei Kompetenz ....................................... II. Residualverantwortlichkeit und -haftung der Mitgliedstaaten .......... III. Fortbestehende Vertragsverletzung trotz Schadensersatz oder Entschädigung ...........................................................
1100 1100 1102 1104
F. Schutzpflichten als Argument zur Beschränkung von Grundrechten und Grundfreiheiten ..................................................... 1104 G. Diplomatischer Schutz der Mitgliedstaaten gegen Rechtsakte der EG. bzw. deren Unterlassung? ................................................. 1105 H. Diplomatischer Schutz der Mitgliedstaaten gegen gemeinschafts(grund)rechtswidriges Verhalten anderer Mitgliedstaaten? ....................... 1108 I.
Schutzpflicht gegen Inländerdiskriminierung? ........................... I. Begriff der Inländerdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Ansatzpunkte ................................ III. Einschlägigkeit der Schutzfunktion? ................................
1108 1109 1109 1110
Vierter Teil Zusammenfassung in Thesen
1112
Anhang: Das sog. logische bzw. deontische (oder: Normen-) Quadrat ...... . 1153 Literaturverzeichnis .................................................... 1154 Personen- und Sachverzeichnis .......................................... 1239
Inhaltsverzeichnis Einleitung
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A. Ziel, Rechtfertigung und Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ziel der Untersuchung........................................... . Rechtfertigung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorrangige Berücksichtigung der Rechtsprechung................... .
71 71 72 74 86
B. Vorbemerkung zum möglichen Ertrag der Untersuchung................. .
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C. Vorbemerkung zur Einbeziehung rechtstatsächlichen Materials . . . . . . . . . . . .
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I. II. III. IV.
Erster Teil Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht A. Die Rechtsprechung des BVerfG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I.
Erste Vorbemerkung: Die Abhängigkeit der Schutzpflicht von der Weite des Eingriffsbegriffs - Schutzpflicht trotz aktiven Handeins des Staates und "Mitverantwortung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Il. Zweite Vorbemerkung: Schutzpflicht des Staates in Bezug auf nichtstaatliche Beeinträchtigungen oder Gefährdungen von Grundrechtsgütern als Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beeinträchtigungen oder Gefährdungen von Grundrechtsgütern durch Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beeinträchtigungen oder Gefährdungen von Grundrechtsgütern durch ausländische Staaten und sonstige ausländische Gefahrenquellen . . . 3. Beeinträchtigungen oder Gefährdungen von Grundrechtsgütern durch Naturkatastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausdrückliche Schutzpflicht-Rechtsprechung... . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rolle der Menschenwürde-Garantie in der SchutzpflichtRechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelgrundrechtliche Schutzpflichten........... . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige "Schutzpflichten" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I, 28 I 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzauftrag aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV Art. 4 I und li GG..................................... cc) Beamtenrechtliche Schutz- und Fürsorgepflichten . . . . . . . . .
92 92 94 96 96 96 98 99 99 102 103 106 106 106 107
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Inhaltsverzeichnis dd) Schutzpflichten ohne einzelgrundrechtliche Anbindung.... . d) Schutzpflichtentypische Fallkonstellationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anwendung der allgemeinen Grundrechtsdogmatik auf die Schutzpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Das sog. UntermaßverboL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Vorläufer- und weitere "schutzpflichtenträchtige" Entscheidungen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prozessuale Ansatzpunkte (Verfassungsbeschwerde gegen ein [gesetzgeberisches] Unterlassen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Ansatzpunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz als Oberbegriff für Förderung, Störungs- und Schädigungsabwehr sowie Eingriffsunterlassung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz durch Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ( 1) Schutz durch Haftungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutz durch (zwingendes) Vertragsrecht...... . . . . . . . (3) Schutz durch Kündigungsvorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . (4) Schutz durch Vertretungs- und Sorgerechtsvorschriften. cc) Schutz durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. . . . dd) Das Sozialstaatsprinzip als Anwendungsfall der Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einzelgrundrechte und grundrechtsgleiche Gewährleistungen................................................. . (1) Anspruch auf Schutz aus Art. 1 1 GG.... . . . . . . . . . . . . (2) Anspruch auf Schutz aus Art. 2 1 i. V. m. Art. 1 1 GG . . (3) Presse- und Rundfunkfreiheit Positive Ordnung, Pluralismus und Schutz vor Gefahren aus Meinungs- oder Informationsmonopolen-DerStaat als "Garant"...... (4) Schutz und Förderung der Wissenschafts- und Lehrfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ansprüche bzw. Aufträge aus Art. 6 GG . . . . . . . . . . . . . (a) Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 1 GG.... . (b) Schutz des elterlichen Erziehungsrechts aus Art. 6 11 1 GG...................................... (c) Das staatliche Wächteramt (Art. 6 11 2 GG) als Ausprägung einer Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Anspruch der Mutter auf Schutz und Fürsorge aus Art. 6 IV GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Schutz nichtehelicher Kinder aus Art. 6 V GG . . . . (6) Schutz des Wahlrechts ............................. ff) Entscheidungen zur sog. Drittwirkung der Grundrechte als mögliche Schutzpflicht-Entscheidungen................. . gg) Diplomatischer Schutz oder Auslandsschutz . . . . . . . . . . . . . . hh) Entscheidungen zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen aus Gründen des Schutzes der Grundrechte anderer . . . .
108 108 110 111 113 113 114 115 115 116 117 117 118 119 122 123 123 124 124 126 128 128 129 129 130 130 131 132 133 134
Inhaltsverzeichnis
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(l) Schutz der Menschenwürde........................ . 134
(2) Schutz von Leben und Gesundheit.. . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Jugend- und Minderjährigenschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Schutz der Meinungsvielfalt durch Bewahrung des Pluralismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit.. . . . . . . . . . . . . . (6) Unschuldsvermutung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Gläubigerschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Entscheidungen zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen aus Gründen des Schutzes der Grundrechte ein und desselben Grundrechtsträgers (Schutz vor bzw. gegen sich selbst- "aufgedrängter" Grundrechtsschutz).. . . . . . . . . . . . . jj) Entscheidungen zur Rechtfertigung von Eingriffen in die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 2811 1 GG kk) Entscheidungen zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen aus Gründen des Schutzes kollektiver Güter mit einzelgrundrechtlicher Radizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (l) Sicherheit des Schiffsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit. . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung. . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verbraucherschutz................................ . (5) Unterschied zwischen Schutzpflicht und Schutz kollektiver Güter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ableitung der Schutzpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Wortlautargumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatstheoretische Begründung (Die "Schutz für Gehorsam"-Formel) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Drittveifolgungs-Rechtsprechung als Beispiel für die Anwendung der staatstheoretischen Begründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die objektive Wertordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelgrundrechtlicher Einstieg und Rückbezug - prinzipielle Verstärkung der Geltungs- bzw. Wirkungskraft des Einzelgrundrechts und einzelgrundrechtliche Radizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) "Schutzpflichttauglichkeit" aller Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte sowie aller grundrechtsgleichen Rechte . . . . . . . . . . . V. Konstruktion von Schutzpflichten................................. . l. Adressat der Schutzpflichten... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legislative ("Gesetzesmediatisierung" - "interpositio legislatoris") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungsdichte...................................... . bb) Unzureichende gesetzliche Vorgaben und "allgemeine Rechtsgrundlagen"... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Szczekalla
134 135 135 136 136 136
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Inhaltsverzeichnis (1) "Allgemeine Rechtsgrundlagen" des Arbeits(kampf)-
rechts........................................... . (2) Unanwendbarkeit bloß "allgemeiner Rechtsgrundlagen" im Verhältnis zwischen Staat und "Privatrechtssubjekten"............................................. . (3) Übertragung der Rechtsprechung zu den "allgemeinen Rechtsgrundlagen" auf andere Bereiche des Zivilrechts, insbes. des Familienrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) "Übergangszeit"-Rechtsprechung...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schutzpflichtkonforme Auslegung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Entbehrlichkeit eines Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Sonderfall: Strafgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Ausfüllung formell-gesetzlicher Regelungen durch Rechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Relevanz der Befassung des Bundestags außerhalb konkreter Gesetzgebungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exekutive (Schutzpflicht als "Eingriffstitel"?). . . . . . . . . . . . . . . . . c) Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlende gesetzliche Regelungen: Allgemeine Rechtsgrundlagen und Übergangszeit-Rechtsprechung................ . cc) BVeifG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schutzpflichtadressaten im Bundesstaat - kompetenzielle Mediatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) "Privatisierung" der Schutzpflicht-Erfüllung - "Schutz-Organisationspflicht"- Deregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begünstigter der Schutzpflichten... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Natürliche und juristische Personen......................... . b) Nasciturus............................................... . c) Verstorbene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) (Zu-) Künftige Generationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. "Tatbestand" der Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzbereich... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beeinträchtigung, Gefahr oder Risiko - Schutz vor Angst bzw. Furcht oder bloßen Belästigungen und Unannehmlichkeiten? . . . aa) Schutzbefugnis bei wissenschaftlich ungeklärter Situation . . bb) Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und diesbezügliche Topoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prüfungsstufe: Vorliegen einer "Beeinträchtigung" oder Rechtfertigung unterlassener (ausreichender) Schutzmaßnahmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schutz vor Angst bzw. Furcht?.......................... ee) Schutz vor bloßen Belästigungen und Unannehmlichkeiten? 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
154 155 156 156 158 158 159 160 160 161 162 162 162 163 163 165 169 169 169 170 170 171 171 171 172 173 173 174 174 175
Inhaltsverzeichnis a) Schutzgewährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (l) Tatsächliche Schutzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Geld............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sonstige sachliche Schutzmittel (Einrichtungen und Dienstleistungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Personalleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Aufklärung, Erziehung, Beratung, Nachforschung . (e) Beobachtung und Forschung- Statistik . . . . . . . . . . (2) Rechtliche Schutzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Schutz durch gesetzliche Ge- und Verbote ("Schutz-Eingriffe") -Primärer Schutz . . . . . . . . . . (aa) Primäre Schutznormen.... . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ß) Präventive und repressive Schutzwirkungen............................. (y) Präventive absolute Verbote als ultima ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Kein Vorrang primären Schutzes . . . . . . (E) Faktisches Verbot bei rechtlicher Erlaubnis - (finanzielle) Belastungen als primäres Schutzmittel... . . . . . . . . . . . . . (bb) Sekundäre Schutznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Schutz durch öffentliches, Privat- und Strafrecht................................... . (a) Schutz durch öffentliches Recht...... . (ß) Schutz durch Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . (y) Schutz durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Schutz durch völkerrechtliche Verträge. (b) Durchsetzung gesetzlicher Ge- und Verbote - Sekundärer Schutz.............................. . (aa) Durchsetzung öffentlichrechtlicher Ge- und Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Durchsetzung zivilrechtlicher Ge- und Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Durchsetzung straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlicher Ge- und Verbote. . . . . . . . . . . . . (c) Nachbesserung............................... . (aa) Verfassungswidrig "gewordene" Gesetze. . . . (bb) "Übergangszeit"- bzw. "Näherungs"-Rechtsprechung als Fall der Nachbesserungspflicht (cc) Nachbesserungspflicht als Folge der "Unvereinbarkeits"-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . (dd) Nachbesserungspflicht und Schutzpflicht.. . .
19 175 175 177 177 179 180 180 182 186 186 186 186 187 188 188 189 190 192 192 193 193 194 195 196 197 198 198 198 200 200 201
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Inhaltsverzeichnis (d) Beseitigung der Folgen unterlassenen Schutzes Tertiärer Schutz-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Schadensersatz bzw. Entschädigung - Tertiärer Schutz-li . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Rechtsschutz als Schutzmittel und Schutzkontrolle. (aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde im Besonderen und der Verfassungsgerichtsbarkeit im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Umfassender und wirksamer Rechtsschutz: Vorrang des fachgerichtlichen Rechtsschutzes ..................................... bb) Bestmöglicher Schutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abstufung des Schutzes - Situationsgebundenheit- Art. 3 I GG .................................................. dd) Schutzpflicht-Erfüllung durch private Dritte . . . . . . . . . . . . . . b) Subsidiarität staatlichen Schutzes - Vorrang von Selbstschutz; Refinanzierung staatlichen Schutzaufwands. . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) "Restrisiko" und "Sozialadäquanz"....................... . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) "Restrisiko" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) "Sozialadäquanz"..................................... . 5. Prüfungsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das subjektive Recht auf Schutz als Selbstverständlichkeit... . . . . . . VI. Abgrenzung zu anderen "Schutznormen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 20a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Schutzpflichten und Staatszwecke, Staatsziele bzw. Staatsaufgaben . . . . VIII. Kontrolle der Erfüllung von Schutzpflichten (Von der Evidenzkontrolle zum "Untermaßverbot" und zurück). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bisherige Kontrolle - Evidenzkontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompromisscharakter. . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . c) Angemessene Erfahrungs- und Anpassungsspielräume . . . . . . . . . d) Evidenzkontrolle als Schutzpflicht-Spezifikum? . . . . . . . . . . . . . . . e) Praxis der Evidenzkontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anwendung der Kontrollmaßstäbe auf das "Ob" und das "Wie" der Schutzpflicht-Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. "Untermaßverbot" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückkehr zur bisherigen Kontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dreistufige Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. (Noch weiter) Eingeschränkte Kontrolle bei Sachverhalten mit Auslandsberührung und bei außenpolitischen Zwängen . . . . . . . . . . . . . . .
201 202 205 205 205 207 207 211 213 213 214 214 215 216 217 217 220 220 221 221 223 223 223 225 228 228 229 230 230 231 232 233
Inhaltsverzeichnis 6. Wahrung der Verantwortung für den Staatshaushalt als weitere Begrenzung der Kontrolldichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Experimentelle Gesetzgebung als Grund für eine weitere Beschränkung der Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Unterschiedliche Kontrolldichte bei Abwehr- und Schutzrechten?.. . 9. Kontrolldichte als zutreffender Ansatzpunkt?..... . . . . . . . . . . . . . . . . I 0. "Abwägungsfehlerlehre"?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Haltung der Literatur im Überblick.......................................................... . I. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Landesverfassungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fachgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kontroversen im Gefolge des sog. Gentechnik-Beschlusses des hessVGH .................................................... II. Die Haltung der Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zustimmung im Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Offene Streitfragen- Einzelkritik.............................. . a) Das Verhältnis von Schutzpflicht und sog. Drittwirkung. . . . . . . . aa) (Hier sog.) Absolute und relative Identitäts- bzw. Unterfallthesen ................................................ bb) (Hier sog.) Strikte Trennungsthese...................... . cc) (Hier sog.) Ergänzungsthese........................... . dd) (Hier sog.) Begründungsthese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) (Hier sog.) Partielle Erklärungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) (Hier sog.) Voraussetzungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) (Hier sog.) Überschneidungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) (Hier sog.) These von der Drittwirkung als Schutz-Mittel. . . ii) Drittwirkung der Schutzpflicht selbst?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) "Schutz-Eingriff' ohne Gesetz?............................ . aa) Erforderlichkeit eines Gesetzes in Eingriffsfällen als Grundsatz .................................................. bb) Kein Gesetzesvorbehalt beim Einsatz tatsächlicher Schutzmittel als Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausnahmekonstellationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesetz im formellen oder materiellen Sinne - schutzrechtliches Delegationsverbot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Delegationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einhaltung der Zuständigkeitsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzlich keine kompetenz- bzw. zuständigkeitsbegründende Funktion der Schutzpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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235 235 236 237 238 239 239 239 240 242 244 244 247 248 250 251 251 252 252 252 253 253 253 254 258 260 262 264 265 269 269 270 271 272
Inhaltsverzeichnis
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e) f)
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k)
bb) "Notkompetenz" des Bundes für überregional bedeutsame Warnungen .... . .................. . ............. . ... . . cc) Durchbrechung der Sperrwirkung des Art. 72 l GG aus Gründen der grundrechtliehen Schutzpflichten? . . . . . . . . . . . dd) Staatsorganisationsrechtliche Implikationen. . . . . . . . . . . . . . . Schutz vor "Naturkatastrophen" als Fall der grundrechtliehen Schutzpflichten?... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diplomatischer bzw. Auslandsschutz als Fall der grundrechtliehen Schutzpflichten?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz (zu-) künftiger Generationen als Fall der grundrechtliehen Schutzpflichten?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz nur der heute grundrechtsbewehrten Güter . . . . . . . . . bb) Objektivrechtliche Einbeziehung des Generationen-Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausschließlich objektivrechtlicher Schutz der "zeitlosen" Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unzulässiger Schutz des Grundrechtsträgers vor bzw. gegen sich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Sozialstaatsprinzip als "Bumerang". . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Sozialstaatsargument und die "frei verantwortliche Selbstgefahrdung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die "Restfälle" eines möglichen Schutzes vor bzw. gegen sich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präexistenz bzw. Latenz der Schutzpflicht . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . Beeinträchtigung, Gefahr oder Risiko - Schutz vor Angst bzw. Furcht oder bloßen Belästigungen und Unannehmlichkeiten? . . . aa) Beeinträchtigung, Gefahr oder (Rest-) Risiko . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz vor Angst bzw. Furcht?..... .. ....... . .. . ..... . . . cc) Schutz vor bloßen Belästigungen und Unannehmlichkeiten? Subjektives Recht auf Schutz.......... .. .................. . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mehrheitliche Bejahung eines subjektiven Rechts auf Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) (Teilweise) Zurückhaltung, Kritik und (gänzliche) Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelfragen . .. .. .. . .. .. .. .. . .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . (1) Subjektives Recht auf Strafnormerlass und -durchsetzung bzw. Strafverfolgung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Subjektives Recht auf Schutz beim "Restrisiko" oder bei der bloßen "Besorgnis"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) "Normbestandsschutz " für einfachgesetzlichen (öffentlichrechtlichen) Drittschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis I) Die aa) bb) cc) dd) ee)
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p) q) r) s)
t) u) v) w)
Bedeutung des Untermaßverbots. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Hier sog.) Absolute Kongruenzthese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Hier sog.) Absolute Divergenzthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Hier sog.) Relative Kongruenzthese..... . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelkritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutzminimum?................................. . (2) Freiheit im Übermaß - Schutz im Untermaß?. . . . . . . . . (3) Die Unausweichlichkeit von Abwägungen beim Abwehrrecht und bei der Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschied zwischen Schutzpflicht und Schutz kollektiver Güter aa) Schutzpflicht zugunsten kollektiver Güter? . . . . . . . . . . . . . . . bb) "Kollektivierungsrisiko"..................... . . . . . . . . . . . Art. 1 1 2 GG als "Basisnorm" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzpflichtuntaugliche Grundrechte?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzpflicht des Gesetzgebers aus Art. 14 1 1 GG?...... . bb) Schutzpflicht aus Gleichheitsgrundrechten?.............. . (1) Allgemeiner Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besondere Diskriminierungsverbote........... . . . . . . . cc) Schutzpflicht für Verfahrensgarantien und grundrechtsgleiche Rechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schutzpflicht aus Art. 2 1 GG?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Differenzierung zwischen zu- bzw. besitzstands- und handlungsfreiheitsverbürgenden Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Sonstige Grundrechte, Paralleldiskussion bei der sog. Drittwirkung, "Wert(e)hierarchie" bzw. "Wert(e)rangordnung" und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrung der Gewaltenteilung.............................. . Auseinanderfallen von Handlungs- und Kontrollnorm?. . . . . . . . . "Mitverantwortung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umstrittene Schutzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz durch Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme: Die Missverständnisse . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das Strafrecht als schärfste Waffe?..... . . . . . . . . . (b) Die selbstverständliche Ergänzungsbedürftigkeit strafrechtlichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die (Wieder-) Entdeckung der Genugtuungsfunktion des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz durch Förderung und Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . "Restrisiko" und "Sozialadäquanz" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz und/oder Förderung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbehalt amtlicher Erkenntnis............................. . Subsidiarität staatlichen Schutzes?... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 323 323 323 324 324 325 325 326 329 330 330 331 332 335 336 338 338 341 344 346 349 350 352 353 355 357 357 357 358 358 360 364 366 367 370 371 373
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Inhaltsverzeichnis aa) Differenzierung zwischen prima facie und definitivem Schutz; Verfügbarkeil der Haushaltsmittel und Eigensicherungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mobilisierung des Risikovermeidungspotentials "mündiger Bürger" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) (Ausdrückliche) Anordnungen im Grundgesetz. . . . . . . . . . . . dd) Keine allgemeine Subsidiarität, aber Grundsatz schutzfunktionaler Subsidiarität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . x) Erosion des einfachen Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . y) Schutzfunktion bei Schaffung von Einrichtungen?... . . . . . . . . . . z) Begriffsklärung: Schutzfunktion oder -dimension? . . . . . . . . . . . . . 3. Ergänzende Erklärungsansätze.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. "Fundamentalkritik" - die sog. abwehrrechtlichen Lösungen (insbes. Schwabe, Murswiek, Griller).... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewaltmonopol und Duldungspflicht - Nicht-Verbieten als (schwache) Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) "Restfälle" einer Schutzpflicht nach Schwabe . . . . . . . . . . . . . . . . . c) (Fehlende) Reaktionen in Rechtsprechung und Literatur. . . . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) "Glaubensfragen" und (Be-) Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die "Restfälle" grundrechtlicher Schutzpflichten nach Schwabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I) Verbotsdurchsetzung als Schutzpflicht-Fall? . . . . . . . . . . (2) Sanktionsbewehrung von Verbotsnormen und sonstige Schutz-Mittel als Schutzpflicht-Fälle?.... . . . . . . . . . . . . (3) Mitwirkung des Geschädigten und "Abkaufen des Rechtsguts" als Schutzpflicht-Fälle? . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ausräumung des Inkonsequenzarguments............ . (5) Absolute Grenzen jeder Abwehrrechtslösung: Schutz vor "Natur"-Katastrophen und Generationenschutz sowie diplomatischer Schutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gründe für den "Neu"-Ansatz.................................... . 1. Hierarchisierung der Grundrechtsfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Abhängigkeit vom Eingriffsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwirrung durch Ausweichen und Offenhalten des dogmatischen Ansatzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. "Mitverantwortung" als "Verlegenheitsbegriff' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Mythos vom (grund-) rechtsfreien Raum und die Leistungsfähigkeit einer geschlossenen (Grund-) Rechtsordnung............. . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erlaubnis bei Abwesenheit von Verboten .................. . .. c) Vorliegen einer entwickelten Rechtsordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . .
373 374 375 375 377 378 379 381 390 391 392 393 396 396 401 401 402 402 403 403 404 406 406 406 408 408 409 409 413 414
Inhaltsverzeichnis d) Materielle Irrelevanz der formellen Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsgebiet.................................... . e) Verbleibende Rechtsunsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Grenzen der Regelungsfähigkeit?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Keine grundrechtliehen Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Die "Gesetze der Logik" - das sog. logische bzw. deontische (oder: Normen-) Quadrat als Hilfsmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erste Vorbemerkung: Notwendige Beschränkungen . . . . . . . . bb) Zweite Vorbemerkung: Grenzen der Logik . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausschließlichkeit von Verbot und Erlaubnis.. . . . . . . . . . . . . dd) Gesetzliche Erlaubnisse und grundrechtliche Eingriffsverbote ................................................. ee) Zwischenergebnis ..................................... 6. Abgrenzung von Staatszwecken und -zielen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Il. Irrelevanz wegen Ergebnisäquivalenz - Irrelevanz der Ergebnisäquivalenz: Rationalitätsschub durch gutes grundrechtliches Argumentieren . . 1. Gutes grundrechtliches Argumentieren und die Leistungskraft des abwehrrechtlichen Prüfungsschemas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beachtung der Gesetze der Logik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ill. Die Leistungsfähigkeit des Grundrechts als Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . IV. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die sog. Drittwirkung und die sog. Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das sog. Untermaßverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der diplomatische Schutz bzw. Auslandsschutz ................... a) Fall einer "echten" Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Besonderheiten bei Auslieferung, Ausweisung und Abschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutzkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz von deutschen Staatsangehörigen bzw. juristischen Personen mit Sitz in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz von Ausländern bzw. juristischen Personen mit Auslandssitz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz von Ausländern im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutz von Ausländern im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schadensersatz und Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutz vor "Natur"-Katastrophen und Generationenschutz . . . . . . . . . 5. Die Wahrung des Gestaltungsspielraums von Gesetzgebung und Verwaltung durch die Gerichtsbarkeit, insbes. durch die Verfassungsgerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Untauglichkeit eines Abwehrrechtsmodells beim Handeln unter Ungewissheitsbedingungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Folgeprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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415 417 417 420 420 420 421 423 424 424 424 426 427 433 435 435 435 437 437 437 442 444 444 444 444 445 451 452 454 454 456 456
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Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil
Die Schutzpflicht im europäischen Recht
A. Grundrechte im europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschriebene Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Grundfreiheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Diskriminierungsverbote und Art. 141 EGV (ex 119) .. 3. Unionsbürgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige vertragliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ungeschriebene Grundrechte- Allgemeine Rechtsgrundsätze ......... 1. Begriff und Geltungsgrund der allgemeinen Rechtsgrundsätze. . . . . . 2. Funktion der allgemeinen Rechtsgrundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorrats- bzw. Lückenfüllungsfunktion............. . . . . . . . . . . . b) "Kompassfunktion"....................................... . c) Konkretisierungsbedürftigkeit.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erkenntnismethode ................................ . ........... a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Minimal- oder Maximalstandard - Kernbereichsgarantie oder arithmetisches Mittel- Mehrheitslösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wertende Rechtsvergleichung ............................... d) Modellhaftes Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtserkenntnisquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EMRK ................................................... aa) EMRK als vorrangige Rechtserkenntnisquelle ......... . ...
bb) Bedeutung der EMRK .................................. (l) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Divergenzgefahr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Literatur. . .. .. . . . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme................................... . (a) Keine direkte Bindung der EU an die EMRK.... . (b) Völkerrechtliche Residualverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zulässigkeit einer Menschenrechtsbeschwerde bei mitgliedstaatlichem Spielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) EG-(Grund-)Rechtseffektuierung durch die EMRK (aa) Prozessual (Vorabentscheidungsverfahren und fair trial-Gebot aus Art. 6 1 1 EMRK). . . . . . . (bb) Materiell (Art. 16 EMRK und Gesetzesvorbehalte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Wahlrecht zum EP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Vorrang-Teilhabe und "gespaltener" Rang ........
459 459 461 462 477 478 480 481 481 485 485 486 487 491 491 491 494 495 500 500 501 501 507 507 507 509 517 518 518 521 522 524 524 526 527 528
Inhaltsverzeichnis
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c) Verfassungen der Mitgliedstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonstige Völkerrechtstexte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besondere Bedeutung des /PbürgR?......... . ... . . . .... . (1) Gegenwärtige Rechtslage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mögliche und notwendige Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . (3) Art. 177 EGV (ex 130u) als neues Anwendungsfeld für den JPbürgR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Weitere Entscheidungen von Treaty Bodies als Rechtserkenntnisquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sekundärrecht.. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Selbstbindung und Soft Iaw. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rang............... .. ....... . ........ .. ................. .. . . a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
529 529 529 531 531 533
B. Ansätze für gemeinschaftliche Schutzpflichten im europäischen Recht . . . . . I. Erste Vorbemerkung: Das Bedürfnis nach gemeinschaftlichen Schutzpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die schwerpunktmäßige Festlegung der Gemeinschaft auf den Bereich der Wirtschaftsliberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung des BVerfG, Literatur und Stellungnahme..... . aa) Kompetenzerweiterungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Neue Gefährdungen durch Grundfreiheitsgebrauch . . . . . . . . cc) Gefährdungen durch wirtschaftsrechtliche Regelungen mit Binnenmarktbezug. . ........ .. . . . . .... . .. . ... . ........ . dd) Der ethisch entkleidete homo oeconomicus- (k)ein Leitbild der Gemeinschaft?(!) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Grundsätzliche Unschädlichkeit (gesamt-) wirtschaftlicher Begründungsalternativen für den Rechtsgüterschutz. . . . . . . . 2. Die weitgehende Beschränkung gemeinschaftlicher Tätigkeit auf grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die ausschließliche Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für das "Wohl und Wehe" des Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grenzüberschreitende Probleme, Risiken und Gefahren: Die Schutz-Gemeinschaft als (gemeinsame) Antwort der SchutzStaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unschädlichkeit mangelnder Problemlösungskapazitäten für alle "weltumspannenden" Schutz-Aufgaben: Der Subsidiaritätsgrundsatz im Verhältnis internationaler/supranationaler Organisationen und Potenzierung zunächst mediatisierter Einflussnahmemöglichkeiten der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis c) Die Gemeinschaftsrechtsordnung als (Teil-) Antwort auf Globalisierung (des Rechts) und "Selbstdekonstruktion der Rechtspraxis" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kompetenzübergänge und "Sperrwirkung" des (sekundären) Gemeinschaftsrechts: Die Altemativlosigkeit der SchutzpflichtÜbernahme durch die Gemeinschaft und "geteilte" bzw. "gemeinschaftlich ausgeübte" Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) "Garantenstellung" durch risikoerhöhende Grenzöffnung und Schaffung von Marktzutrittsberechtigungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verlagerung von Staats-Aufgaben auf die Gemeinschaft und Europäisierung der Staatsziel- oder -zweckerfüllung: Unschädlichkeit des FehJens eines umfassenden Status-, Schutz- und Gehorsamsverhältnisses zwischen Unionsbürger und Gemeinschaft . . . g) Identifikations- und Legitimationsbedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Abhängigkeit der rechtlichen Möglichkeit zur Schutzpflicht-Erfüllung von der Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zweite Vorbemerkung: Die rechtliche Möglichkeit von gemeinschaftlichen Schutzpflichten der EU- Unschädlichkeit des fehlenden Gewaltmonopols und der fehlenden Kriminalstrafgewalt der Gemeinschaft. . . . . I. Fehlendes Gewaltmonopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlende Kriminalstrafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verzahnung der Rechtsordnungen und Grundrechte als Schutzpflicht-Grund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Möglicherweise einschlägige Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . l. Schutz des Pluralismus....................................... . a) Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens...... . b) Aufrechterhaltung des Pluralismus bei Zeitschriftenperiodika.. . c) Praxisre1evanz: Rechte auf Schutz und deren Durchsetzung auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) (Objektivrechtliche) Grundrechtskonflikte und konkurrierende Schutzpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spielerschutz bzw. Bekämpfung der Spielsucht.................. . 3. Schutz von "Leib und Leben" bei der Ausübung von Grundfreiheiten .......................................................... 4. Schutz vor Diskriminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beamtenrechtliche Fürsorgepflicht........................... . . . IV. Weitere Ansatzpunkte im Gemeinschaftsrecht...................... . l. Die Grundfreiheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Schutzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmeklauseln........................................ . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzpflicht-Relevanz am Beispiel des staatlichen Gewaltmonopols und privater Sicherheitsdienste. . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme und Ausblick.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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597 600 60 I 602 602 602 607 609 610 612 612 614 616 617 618 620 622 625 627 627 629 630 630 631 633
Inhaltsverzeichnis c) Schutzpflicht für die Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pönalisierungspflichten und präventiv-polizeilicher Schutz . bb) Schutz vor Angst und Furcht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beispiele für grundfreiheitliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . (I) Anwendungsbereich der Schutzfunktion . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendungsbereich der "normalen" Abwehrfunktion. . 2. Diskriminierungsverbote und Art. 141 EGV (ex 119) . . . . . . . . . . . . . . a) Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 141 EGV (ex 119).................................... . aa) Schutz vor schwangerschaftsbedingten Nachteilen: direkter Schutz vor Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und indirekter Schutz des ungeborenen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bisherige Rechtsprechung: Schutzpflichtkonforme Auslegung und Gesetzesmediatisierung - Fairness-Argument und Vorteile eines (Gemeinschafts-) Gesetzgebungsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Neuere Entwicklungen: Schutzpflichtkonforme Rechtsprechungs-Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz vor Diskriminierungen aufgrund einer Geschlechtsumwandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schutz vor Diskriminierungen wegen der sexuellen Orientierung, Ausrichtung oder Neigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schutz vor weiteren Diskriminierungen und Schutz-Grenzen .................................................. 3. Der diplomatische und/oder konsularische Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines; Adressaten und Begünstigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Diplomatische Schutzpflicht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . aa) Doppelte Rechtsgrundlage aus verschiedenen Rechtsquellen bb) Unmittelbare Anwendbarkeit und Recht auf diplomatischen Schutz ............................................... (1) Haltung des EuCH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erfordernis einer Notifikation oder (abgeschlossener) Verhandlungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entschädigung und Schadensersatz bei Nichtgewährung diplomatischen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I) Entschädigung bei rechtmäßiger Schutzversagung.... . (2) Schadensersatz bei rechtswidriger Schutzversagung. . . . dd) Ausschluss der Möglichkeit zum diplomatischen Schutz durch die "nationality rule"?.......................... . ee) Mangelnde Praxisrelevanz?............................ . c) Diplomatische Schutzpflicht der Gemeinschaft?. . . . . . . . . . . . . . . aa) Begründung einer eigenständigen diplomatischen Schutzpflicht der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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649 650 652 652 662 663 663 664 664 666 669 670 671 671 671 672 674 676 676 679
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Inhaltsverzeichnis cc) Indirekter Schutz aus Art. 130u li EGV.. . . . . . . . . . . . . . . . . (1) (Objektive) Verfassungsrechtliche Pflicht zur Aufnahme von "Menschenrechtsklauseln" . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine selbständige menschenrechtliche Kompetenz. . . . (3) Reaktionsmöglichkeiten bei Fehlen einer Menschenrechtsklausel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Bedeutung des IPbürgR........................... . dd) Schadensersatz und Entschädigung bei Nichtgewährung diplomatischen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mögliche Synergieeffekte, Kohärenz und Sichtbarkeit gemeinschaftlicher und mitgliedstaatlicher Schutztätigkeit . . . . . . . . . . . . e) Exkurs: Diplomatischer Schutz und Beitrittsverhandlungen . . . . . 4. Schutz vor Naturkatastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bisherige Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzpraxis............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Heranziehung des Schutzstandards der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schutz künftiger Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. "Drittwirkung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verhältnismäßigkeit von Schutz und Eingriff (Übermaß-, nicht Untermaßverbot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)................... . 1. Die Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abhängigkeit der positiven Pflichten von der Weite des Eingriffsbegriffs. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . aa) Kein Eingriff bei Streit zwischen Privatpersonen?........ . bb) Differenzierung zwischen "Eingriff' und "Eingreifen".... . cc) Einschlägigkeil der Abwehrfunktion auch bei einem Streit zwischen privaten Individuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsprechung der KomMR (insbes. zum [Individual-] Arbeitsvertrags- bzw. Kündigungsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Vorliegen einer direkten Beeinträchtigung: Zur klaren Abgrenzung untauglicher, wertungsausfüllungsbedürftiger Begriff ff) Zwischenergebnis: Keine klare Abgrenzung zwischen positiven Pflichten und Eingriffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rolle des Art. I EMRK .................................... d) "Positive Pflichten" aus Einzelgarantien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 2 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . (2) Einzelfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0
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726 726 727 729 730 730 734
Inhaltsverzeichnis
bb) Art. (1)
(2)
(3)
(4)
cc) Art. (1)
(2) (3) (4)
dd) Art. (1)
(2)
(a) Schwangerschaftsabbruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Arzthaftung.................................. . (c) Ableitung allgemeiner organisations- und verfahrensrechtlicher Anforderungen aus positiven Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) "Öffentliches Interesse" am Lebensschutz bzw. "Recht" der Vertragsstaaten zum Schutz vor Selbstmord ......................................... (e) "Auslieferungsfälle" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 EMRK ......................................... Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prügelstrafen-Fälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Staatliche Prügelstrafen und Prügelstrafen in staatlichen Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Prügelstrafen in Privatschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Prügelstrafen durch (Stief-) Eltern oder andere Private. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslieferung, Ausweisung und Deportation bzw. Abschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Schutz vor Grundrechtsverletzungen durch Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schutz vor Grundrechtsverletzungen durch private Dritte im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Schutz vor unpersonalen Risiken.. . . . . . . . . . . . . . . (d) Einzelfallabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Irrelevanz der Bedrohungsherkunft und Übertragung auf weitere Einzelgarantien. . . . . . . . . . . . . . . . Ableitung allgemeiner organisations- und verfahrensrechtlicher Anforderungen aus positiven Pflichten . . . . . 5 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . "Grundrecht auf Sicherheit" - Schutz vor Angst bzw. Furcht?... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Positive Pflichten aus Art. 5 EMRK? . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung der Soering-Rechtsprechung auf Art. 5 I EMRK ............. .............................. Art. 5 V EMRK.................................. . 6 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Schutzpflichten aus Art. 6 EMRK? . . . . . . . . . . . . . . (b) Prozesskostenhilfe als Eingriffskompensation und Gerichtsgebühren als Eingriff in das Recht auf Zugang zu Gericht gern. Art. 6 I EMRK. . . . . . . . . . Schutzpflicht für die Unschuldsvermutung aus Art. 6 II EMRK? ............ ..............................
31 734 737 737 741 741 744 744 748 748 748 750 752 755 755 762 767 768 770 771
771 773 776 776
777 777 777 779 780
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Inhaltsverzeichnis (3) "Indirekter"
Schutz von Grundrechtsgütern durch 6 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Opferentschädigung und Schadensersatzprozesse . . Mietstreitigkeiten und Kündigungsschutzprozesse . (Atomrechtliches) Genehmigungsverfahren und Nachbarklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Kein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter aus Art. 6 I EMRK - Rechte des Opfers im Strafverfahren ........................................ (e) Allgemeine Weiterungen in der Rechtsprechung: Grundrechte als "civil rights" .................. . Art. 6 EMRK als sekundäres Schutzmittel........... . Schutz vor privaten Behinderungen gerichtlicher Geltendmachung von Rechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 EMRK ......................................... Pönalisierungspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Abstrakte Gefährdungsdelikte.. . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Gesamtbetrachtung der Schutzmaßnahmen....... . (aa) Gesamtbetrachtung gesetzlicher Schutzmittel aus verschiedenen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . (bb) Strafrechtsimmanente Gesamtbetrachtung . . . (d) Subjektives Recht auf Strafverfolgung und prozessuale Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Unverhältnismäßiger Schutz durch Kriminalisierung (auch) des "Opfer"-Verhaltens. . . . . . . . . . . . . . (f) Beachtung des Grundsatzes nulla poena sine lege (Art. 7 I EMRK).. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . . Familienrecht i. w.S ................................ (a) Entwicklung familiärer Verbundenheit . . . . . . . . . . . (b) Rechte des Vaters beim Schwangerschaftsabbruch. (c) "Familienfreundliche" Arbeitszeiten . . . . . . . . . . . . . (d) Schutz der "Restfamilie" nach Scheidung oder Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Familiennachzug............................. . (f) Sonstiges........................ . .. . . . . . . . . . . Transsexuellenrecht.......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehrenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . Umweltrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz der Privatsphäre und Pressefreiheit am Beispiel der Paparazzi-Praxis ............................... Schutz vor Telefonterror und sonstigen "Belästigungen"............................................ . Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. (a) (b) (c)
(4) (5)
ee) Art. (I)
(2)
(3) (4) (5) (6) (7) (8)
782 783 784 786 789 791 792 793 794 796 796 798 799 799 800 80 1 801 803 803 803 805 806 806 807 807 809 810 811 812 813 816
Inhaltsverzeichnis (9) Durchsetzung von Räumungsansprüchen und Mieterschutz........................................... . (10) Ärztliche Heilbehandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Art. 9 EMRK ......................................... (1) Schutz vor Prosei ytismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutz vor (sog. Jugend-) Sekten (und [sonstigen] Psychogruppen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Sorgerechtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Warnung vor Jugendsekten.................... . (c) Staatliche präventive Kontrollbefugnisse im Hinblick auf Sekten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schutz vor Fundamentalismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Schutz "religiöser Gefühle"?....................... . (a) Schutz vor (ungewollter) Konfrontation mit antireligiösen (medialen) Meinungsäußerungen oder antireligiöser (Film-) Kunst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schutz vor Anti-Sekten-Kampagnen . . . . . . . . . . . . . (c) Schwangerschaftsabbruch und Religionsfreiheit . . . (5) "Religiöser" Kündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) "Religiöse Grundversorgung" in "Sonderstatusverhältnissen". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Art. 10 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz bzw. Aufrechterhaltung des Pluralismus . . . . . . . (2) Recht auf Information. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Objektivrechtliche Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Positive Pflichten aus Art. 10 II EMRK im Hinblick auf andere Konventionsgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Schutz vor privaten gewalttätigen Angriffen auf die Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Art. 11 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Art. 12 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Art. 13 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . kk) Art. 14 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I) Ansätze für positive Pflichten aus Art. 14 EMRK ...... (2) Skepsis in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Art. 34 S. 2 EMRK (ex 25 1 2)......................... . mm) Art. 1 1. ZP EMRK ....................... . ........... nn) Art. 2 1. ZP EMRK ........................ . ........... oo) Art. 3 1. ZP EMRK .................................... (1) Repräsentation als Bestandteil des Rechts auf Schutz Minderheitenschutz und "positive Diskriminierungen" . (2) Positive Pflicht der Vertragsstaaten zur Organisierung demokratischer Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Szczekalla
33
818 819 819 821 822 823 824 827 827 829 830 834 835 835 837 837 838 839 841 842 843 843 844
844 846 846 849 850 852 853 856 857 857 859
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Inhaltsverzeichnis e) Schutz vor Naturkatastrophen... . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatsächlicher Schutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtlicher (gesetzlicher) Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Diplomatische Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Schutz künftiger Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Schutz vor bzw. gegen sich selbst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Beobachtungs- und Forschungs- sowie Nachbesserungspflichten. j) Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgerneines zur Margin-Rechtsprechung: Grundsätzliche Abhängigkeit der Kontrolldichte von der Intensität der Grundrechtsbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fallgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Internationalgerichtliche Besonderheiten... . . . . . . . . . . . (a) Grundsätzlich bessere Eignung nationaler Instanzen .......................................... (b) Kein gerneinsamer europäischer Standard . . . . . . . . (2) Sachliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Übergangs-Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Sachverhalte mit Auslandsberührung - diplomatischer bzw. Auslandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Kein (oberstes) Rechtsmittelgericht............. . (e) Abhängigkeit von der Haushaltslage..... . . . . . . . . (f) Evidenzkontrolle: Subjektiver (innerer) und objektiver (äußerer) Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Willkürkontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (h) Grundsatz des praktischen, adäquaten und effektiven Schutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (i) Wahrung der Gewaltenteilung in den Vertragsstaaten ........................................... (j) Subsidiarität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (k) Wesensgehalt als Grenze des rnargin?........... . 2. Die Haltung der Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle und materielle Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) "Formelle" Ableitung (Lebensschutz als allgerneines Rechtsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) "Materielle" Ableitung ("Drittwirkung" - Menschenwürde - Effektivitätsargurnent)............................... . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 1 EMRK ............................................. aa) (Hier sog.) Garantenthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) (Hier sog.) Relative Redundanzthese...... . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dynamische Auslegung und Effektivitätsprinzip.............. .
859 860 861 862 865 866 867 869 871 873 874 875 876 882 882 883 885 885 887 887 888 888 889 890 890 890 890 891 891 892 893 894 894 894 895
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Inhaltsverzeichnis
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d) Abwehrrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung oder Konvergenz von positiven und negativen Pflichten? ......................................................... a) Beschränkung der negativen Pflichten auf unmittelbares behördliches Handeln oder Nichthandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dreistufige Prüfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme: Die Abhängigkeit vom Eingriffsbegriff und von diesem ausfüllenden Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. "Drittwirkung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) (Hier sog.) Ablösungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) (Hier sog.) Aufgehungsthese............................... . c) Positive Pflichten als Gegenstand der Drittwirkung - (hier sog. umfassende Drittwirkungsthese) ............................ . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis............................................ . VI. Verfassungen der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahlgesichtspunkte....................................... . a) Ländergruppen.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Irland... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Objektives Grundrechtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . (b) Subjektivierungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Durchsetzungsproblem....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einzelfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unergiebigkeit der ausdrücklich gewährleisteten "Sicherheit" in Art. 2 S. 2 MRE. . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schutz vor Fundamentalismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Pluralismus als Verfassungswert. . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sonderstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutzpflicht-Entscheidungen-derSache nach...... . b) Themengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abtreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umweltschutz........................................ . cc) Terrorismus.............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Diplomatischer Schutz bzw. Auslandsschutz. . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Pluralismus....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
896 898 898 898 899 900 900 901 903 903 909 909 910 911 911 917 919 920 920 921 921 923 923 923 925 926 927 927 931 933 933 939 941 948 948 949 953 953
36
Inhaltsverzeichnis (2) Weitere Ansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954 ff) Pönalisierungspflichten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 gg) Schutzpflichten aus dem Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 959 2. Gemeinsame Problemlösungsstrategien: Technikfolgenabschätzung als Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 960 3. "Drittwirkung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963 4. Kontrolldichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 967 5. Durchsetzungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 968 6. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975 VII. Sonstige Völkerrechtstexte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976 VIII. Praxis des Schutzes in der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 977 1. Rechtlicher Schutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 978 a) Vorbemerkung: Irrelevanz der Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsgebiet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 978 b) Rechtliche Instrumente des Schutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 982 aa) Grundsatz der Wahlfreiheit... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 982 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 982 (2) Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 (3) Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 bb) Uneigentliche Rechtsinstrumente....................... . 985 cc) Nachbesserung durch Wechsel des Rechtsinstruments. . . . . . 987 c) Beispiele des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 988 aa) Nichtraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 988 bb) Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 990 cc) Strafrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992 dd) Diplomatischer bzw. Auslandsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995 2. Tatsächlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 997 a) Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 997 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 997 bb) Kein Vorbehalt amtlicher Erkenntnis ..................... 1001 b) Beobachtung .............................................. 1003 aa) Allgemeines .......................................... 1003 bb) Berichtspflichten ...................................... 1004 cc) Eigenständige Beobachtungsstellen oder Agenturen ........ 1005 dd) Einbeziehung Privater in die Beobachtung ................ 1008 c) Statistik .................................................. 1008 d) Aufklärung und Information, Erziehung, Aus- und Fortbildung .. 1012 aa) Aufklärung und Information ............................ 1012 bb) Erziehung ............................................ 1013 ( 1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 13 (2) Europäische und/oder mitgliedstaatliche Erziehungsziele ............................................. 1014 cc) Aus- und Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 15
Inhaltsverzeichnis
37
e) Andere tatsächliche Schutzmittel ........... . ................ 1016 3. Nachbesserung ............................................... 1016 a) Rechtsprechung ........................................... 1016 aa) Allgemeines .......................................... 1016 bb) Aufrechterhaltung der Wirkungen eines für nichtig erklärten Rechtsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1020 cc) "Nachbesserung" durch Mitgliedstaaten nach Art. 95 EGV (ex JOOa) - Schutz-Effektivität versus Missbrauchskontrolle und Einhaltung des Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1022 (1) Konstitutive oder deklaratorische Wirkung der Prüfungs-Entscheidung der Kommission? ................ 1023 (2) Stellungnahme aus schutzrechtlicher Sicht. ........... 1024 b) Praxis der Gemeinschaftsorgane ............................. 1025 4. Abgestufter Schutz und Gleichheitssatz .......................... 1026 a) Allgemeines .............................................. 1026 b) Sachmaterienbezogener abgestufter Schutz ................... 1028 c) "Mindestharmonisierung" .................................. 1029 d) Mitgliedstaatendifferenzierter Schutz ......................... 1031 e) Gleichbehandlung von Frauen und Männem .................. 1033 5. Bemühens- und/oder Erfolgspflichten? ............ . ............. 1034 IX. Kontrolldichte ................................................... 1037 1. Allgemeines: Evidenzkontrolle als Grundsatz .................... I 038 2. Anwendung der Evidenzkontrolle auf gemeinschaftliche Schutzpflichten ..................................................... 1040 3. Evidenzkontrolle bei der Erfüllung von Schutzpflichten aus Grundfreiheiten durch die Mitgliedstaaten ............................. 1045 4. Evidenzkontrolle bei der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht. ...... 1047 5. Evidenzkontrolle bei der "abwehrrechtlichen Lösung" ............. 1047 6. Kontrolldichte bei Sachverhalten mit Auslandsberührung .......... 1049 7. Auseinanderfallen von Handlungs- und Kontrollnorm ............. 1050 C. Ergebnisse der Untersuchung ......................................... I. Der Siegeszug der "objektiven Wertordnung" ....................... II. Die Schutzpflicht als "europäisches Gemeingut" ..................... III. Die abwehrrechtliche Lösung .....................................
1051 1051 1056 1056
D. Exkurs: Eine Allgemeine Gemeinschaftslehre als Desiderat ............... I. Das Bedürfnis nach einer Allgemeinen Gemeinschaftslehre ........... II. Übertragung des Vertragsgedankens auf die Gemeinschaft ............ 1. Regulative Ideen: Vertrag der Bürger oder Vertrag der Mitgliedstaaten als Stellvertreter der Bürger ................................ 2. Brauchbarkeit des Vertragsgedankens in der "Risiko-Gemeinschaft". 3. Erheblichkeit grundsätzlicher Bedenken gegen die Hobbessche Staatsphilosophie? ............................................ III. Zwischenergebnis ................................................
1058 1059 1061 1061 1063 1063 1065
38
Inhaltsverzeichnis Dritter Teil
(Mögliche) Praktische Folgerungen A. Die Konkurrenz von Schutz-Gemeinschaft und Schutz-Staat .............. I. Gemeinsame und geteilte Verantwortlichkeiten ...................... 1. Rechtliche Möglichkeit zum Schutz als Grund und Grenze der Schutzpflicht. ................................................ 2. Reservefunktion bzw. Garantenstellung der Gemeinschaft ......... 3. Vollzugskontrolle schutzpflichtrelevanter Gemeinschaftsmaßnahmen durch die Kommission ........................................ 4. Notkompetenzen bzw. Sachwalterschaft der Mitgliedstaaten ....... 5. Kollektive Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten ................. 6. Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in schutzpflichtrelevanten Fällen ....................................................... II. Die Einhaltung der Kompetenzordnung: Formelles Prinzip versus Effektivität- Ein "Mehrebenenmodell" ............................... III. Privatisierungs- und Deregulierungspotentiale ....................... 1. Allgemeines .................................................. 2. Schutzpflicht-Erfüllung durch "freiwillige" Selbstverpflichtungen ... 3. Richtlinienumsetzung durch Private ............................. 4. Europäische Normung ......................................... 5. Privatisierung und positive Pflichten aus der EMRK .............. 6. Zwischenergebnis .............................................
1067 1067 1068 1069 1070 1070 1072 1074 1074 1075 1075 1076 1077 1078 1079 1079 1081
B. Schutzpflichtkonforme Auslegung ..................................... 1081 C. Unmittelbare horizontale Richtlinien-Wirkung aus Gründen der (gemeinschafts-) grundrechtliehen Schutzpflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gemeinschafts- oder mitgliedstaatsgrundrechtliche Schutzpflichten? ... 1. Erforderlichkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Auslegung ......... 2. Sperrwirkung ................................................. II. Gesetzesmediatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Veröffentlichung .............................................. 2. Rechtssicherheit .............................................. 3. Demokratietheoretische Bedenken .............................. 4. Zwischenergebnis ............................................. III. Ausschließliche Grundrechtsgemäßheit einer Verordnung zur Erfüllung von Schutzpflichten (hier sog. Inkonsequenz-Argument) .............. IV. Besonderes Normgefüge des Art. 249 EGV (ex 189) ................. V. Exkurs: Einsatz der Schutzfunktion zur Vollzugseffektuierung umgesetzten Richtlinienrechts ...........................................
1082 1084 1085 1085 1085 1087 1088 1089 1092 1092 1093 1096
D. Sekundärer Schutz: Herleitung eines gemeinschaftlichen Rechtsschutzanspruchs aus dem Schutzpflichtgedanken ................................ 1097
Inhaltsverzeichnis
39
I.
Ableitung eines gemeinschaftlichen Rechtsschutzanspruchs gegen (gemeinschafts-) grundrechtsgefährdende Mitgliedstaaten aus dem Schutzpflichtgedanken?................................................. 1097 II. Sekundärer Schutz gegen (gemeinschafts-) grundrechtsbeeinträchtigende private Dritte ................................................. 1098 E. Tertiärer Schutz: Gemeinschafts- und Staatshaftung ...................... I. Haftung nur bei Kompetenz ....................................... II. Residualverantwortlichkeit und -haftung der Mitgliedstaaten .......... 1. Haftung nach der Franeovieh-Doktrin ............... ............ 2. Haftung nach nationalen Rechtssätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung für rechtswidrige Schutzversagung bei bestehendem Gestaltungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung für rechtmäßige Schutzversagung nach dem Aufopferungsgedanken ............................................ III. Fortbestehende Vertragsverletzung trotz Schadensersatz oder Entschädigung ...........................................................
1100 1100 1102 1102 1103 11 03 1103 1104
F. Schutzpflichten als Argument zur Beschränkung von Grundrechten und Grundfreiheiten ..................................................... 1104 G. Diplomatischer Schutz der Mitgliedstaaten gegen Rechtsakte der EG bzw. deren Unterlassung? ................................................. 1105 H. Diplomatischer Schutz der Mitgliedstaaten gegen gemeinschafts(grund)rechtswidriges Verhalten anderer Mitgliedstaaten? ....................... 1108 I.
Schutzpflicht gegen Inländerdiskriminierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff der Inländerdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Ansatzpunkte ................................ III. Einschlägigkeit der Schutzfunktion? ................................ 1. Schutzpflichttauglichkeit des Gleichheitssatzes ................... 2. Einschlägigkeit der Abwehrfunktion ............................
1108 1109 1109 1110 1110 1110
Vierter Teil
Zusammenfassung in Thesen
1112
A. Deutsches Recht- Erster Teil. ........................................ 1112
B. Die abwehrrechtliche Lösung- Erster Teil: B.ll.4. und C................. 1125 C. Gemeinschaftsrecht - Zweiter Teil ..................................... 1127 D. Recht der EMRK (rechtsgrundsätzlich)- Zweiter Teil: B.V ............... 1135 E. Recht der Mitgliedstaaten (rechtsgrundsätzlich) -Zweiter Teil: B.VI. ...... 1144 F. Schutzpraxis der Gemeinschaft und Kontrolldichte - Zweiter Teil: B.VIII. und IX .............................................................. 1146 G. Ergebnisse zum Gemeinschaftsrecht-Zweiter Teil: C .................... 1148
40
Inhaltsverzeichnis
H. Allgemeine Gemeinschaftslehre als Desiderat- Zweiter Teil: D ........... 1149 I.
Praktische Folgerungen -Dritter Teil ... . ...... . ....................... 1149
Anhang: Das sog. logische bzw. deontische (oder: Normen-) Quadrat ...... . 1153 Literaturverzeichnis .................................................... 1154 Personen- und Sachverzeichnis .... . ............. . ............. . .... . .... 1239
Abkürzungen und Erläuterungen 1 a.(ao.) AB(-Rep.) Abg. abgedr. AbkVerz. a/Abl. a/Abschl. abspr. abst. AC a.d. ADG AdR Adr. A-Drs. ä/Ähnl. AEMR AFA
and (another); auch Appellate Body (Report [Ber.d. Berufungsinstanz im WTO-Streitbeilegungsverfahren - wto.orgl]); Aktiebolag (schwed. AG) Abgeordnete/r abgedruckt Abkürzungsverzeichnis ablehnend/ Ablehnung abschließend/ Abschluss absprechend abstellend/abstellt Appeal Cases (Z., VK) 2 an der AntidiskriminierungsG Aussch.d. Regionen (EG) Adresse (BT/BR-) Aussch.-Drucksache ähnlich/ Ähnliches Allg. Erkl.d. Menschenrechte (Universal Declaration of Human Rights) d. VN Anti-Folterausschuss
1 Einschließlich der - soweit vorhanden - Internet-Adressen. (URL; jew. ohne "http://www."). Diese finden sich bei den jew. Abk.d. (meist) zit. Tages- u. Wochenzeitungen sowie -Zeitschriften mit - (noch) gebührenfreiem - online-Angebot. in Klammem. Gleiches gilt für die "Homepages" ("Heimatseiten") von Gerichten, Behörden u.dgl.m. Ihre zwischenzeitliche Änderung ist angesichts der Schnelllebigkeit dieses Mediums zwar jederzeit möglich. Sie werden hier gleichwohl aufgenommen, weil ihre Inhalte u. U. über Internet-Archivdienste wie z. B. ALEXA (alexa.com) auch noch nach ihrem "Verschwinden" aus dem Netz aufgefunden werden können. Dem AbkVerz. liegen i. Ü. u. a. zugrunde: - Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4., em. u. erw. Auf!., Berlin/New York 1993, - BERTELSMANN - Die neue deutsche Rechtschreibung, Gütersloh 1999, sowie - Rat der EU, Abkürzungen. Mehrsprachiges Abkürzungsverzeichnis, Brüssel/Luxemburg 1994. Allgemein gebräuchliche u. in diesen Werken o. w. auffindbare Abk. wurden hier i. d. R. nicht eigens aufgenommen. 2 Bei aus!. Zeitschriften (Z.). wird a. E. des Klammerzusatzes das Erscheinungsland angeführt. Gleiches gilt für aufgenommene Schriftenreihen (SR).
42 afr. Afz.(i.O.) (HM) A.G. AI AJIL AK akt. AKU al. All(.)E(.)R(.) allenf. allerd. allg.(d.) Alt. (us-) am. ami AMRK Anfr. angebl. anges. a/Anh. anl. a/Ans. ans. anschauI. a/Anschl. Anspr. Antw.(v.) a.o. appl. APuZ
ARA
ArbR/arbrl. a/Arg. Art. 26
Abkürzungen und Erläuterungen afrikan. Anführungszeichen (im Original) (engl. [Her Majesty's]/ir.) Attorney General (Generalstaatsanwalt) Amnesty International; Auslandsinformationen (Z., s. KAS-AI) American Journal of Internat. Law (Z., USA) Alternativkomm.; Arbeitskreis aktualisiert Arbeitskreis f. UmweltR alinea (frz. f. Abs.) (The) All England (Law) Reports (Annotated; Z., VK) allenfalls allerdings allgemein (dazu) Alternative (us-) amerikan. antimilitarismus information. MonatsZ. f. Friedensforschung u. Friedensbewegung Am. Konv. über Menschenrechte Anfragein angeblich angesichts anband/ Anhang anlässlich ansehend/ Ansicht ansonsten anschaulich anschließend/ Anschluss Anspruch AntwortJen (von) and others applicant (ASt., Kl.) Aus Pol. u. Zeitgeschichte. Beil. zur Wochenzeitung Das Parlament Anti-Rassismusausschuss ArbeitsR/arbeitsrechtl. argentin./ Argument/e Gesetzesprüfungsverf. nach Art. 26 irV (präventive Normenkontrolle) Aktieselskab (dän. Aktiengesellschaft) association sans but lucratif (frz. G.o.E.)
AIS (a/s) ASBLI a(.)s(.)b(.)l(.) a/Ass. assistanti Assemblee Ast. Antragsteller Assistententagung AT
Abkürzungen und Erläuterungen AU Auditor IV aufgr. Aufs. ausdr. ausf.(d.[u./o.u.; zul.]) Ausg. a/Ausl. A/ausn(w). ausr. Aussch. ausweisl. auszw. AV B(. [GE]) bailii BALE bayPAG baySchwHEG bayV bayVerfGH bayVGH BaZ bbgPolG bbgV bbgVerfG BBS BBU BC BdV BE B/begr.(v.) Beh. bej. bekr. belgCE belgV Bem. b/Ber(spez).
43
(Rep.) Österreich (od. Öst.) "Geistlicher der Stufe IV" (Scientology-Slang) aufgrund Aufsatz ausdrücklich/en ausführt. (dazu [unten/oben unter; zuletzt]) Ausgabe ausländ./ Ausland Ausnahme/ ausnahmsweise ausreichend Ausschuss ausweislich auszugsweise Amsterdamer Vertrag Belgien; Bericht (d. KomMR [über gütliche Einigung gern. Art. 28 II EMRK a.F.]); Verlagsbeilagenseite (F.A.Z.); Beschluss British And Irish Legal Information Institute (bailii.org) Bundesanstalt f. Landwirtschaft u. Ernährung bay. PolizeiaufgabenG bay. SchwangerenhilfeergänzungsG bay. Verf. bay. VerfassungsaH bay. VerwaltungsaH Basler Zeitung (baz.ch) brandenburg. PolizeiG bbg. Verf. bbg. Verfassungsger. Baby-Bottle-Syndrom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Banjul Charta d. Menschenrechte u. Rechte d. Völker Bund d. Vertriebenen Begründungserwägung (Erwägungsgrund); Berichterstatter; Entsch. d. HCR zur Begründetheit Begriff; Begründer/begründet (von)/Begründung Behörde bejahend bekräftigt belg. Conseil d'Etat (Staatsrat - raadvst-consetat.be/) (Koordinierte) belg. Verf. v. 1994 Bemerkung berechtigt; bereichsspezif.; bereits; Bericht (z. B. d. KomMR, aber a. Zeitungs- sowie Berichte d. Korn.)
44
Abkürzungen und Erläuterungen
Ber.d. dt. Gesellschaft f. VR (SR) Beschwerde (Nummer) Besprechungsaufsatz bestätigt (durch [den]); bestimmt between (zw.) bezeichnend/Bezeichnung "Bund freier Bürger. Offensive für Deutschland - Die Freiheitlichen" (schweiz.) Bundesger. (bger.ch) BGer Föderation v. Bosnien u. Herzegowina BH BI Bürgerinitiative bibl. bibliographisch (26.) BlmSchV VO zur Durchführung d. BlmSchG (über elektromagnet. Felder) BJC Boletfn de jurisprudencia Constitucional (Z., SP) (öst.) Bundeskanzleramt BKA BLM Bay. Landeszentrale f. neue Medien BMO Bananenmarktordnung Boletin Oficial del Estrado (Z., SP) BOE BSE Bovine Spongiforme Enzephalopathie (Rinderenzephalopathie, ugs. sog. Rinderwahnsinn - eng!.: "mad cow", frz.: "Ia vache folle") Beamtenstatut (d. EG) BSt. (Dt.) Bundestag BT bürgerlich bürgerl. Bulgarien BUL bulgarisch bulg. Bulletin des droits de l'homme et des libertes fondamentales (Z., Bull.dr.h. Lux.) Bilder u. Zeiten (Tiefdruckbeil. d. F.A.Z.) BuZ BundesverfassungsgeL - bverfg.de (alle Entsch. seit 1998 im VollBVerfG text) BVerwG-DAT Rspr.d. BVerwG auf CD-ROM. Konzentrierte Darstellung v. Urt. u. Beschl. mit VeröffNachw. Hrsg.v. den Mitgliedern d. Ger. (öst) Bundes-VerfassungsG (1920 i.d.F.v. 1929). B-VG (öst) BundesverfassungsG BVG BVG-UU (öst) BundesverfassungsG über den umfassenden Umweltschutz bwStGH baden-württemberg. StaatsGH bwVGH bw. VerwaltungsGH BZ Berliner Zeitung (BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/) c. considerant (BE in frz. Entsch.) c Cour (in Am. d. EuGH) (eng!.) Court of Appeal (Criminal Division) - Courtservice. CA (CD) gov.uk/judgments/judg_home.htm; s. a. bailii.org. BerDtGesVR Beschw. (Nr.) Bespr.-Aufs. best.(d.[d.]) betw. b/Bez. BfB
Abkürzungen und Erläuterungen CAN
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CJ CJK CKS CLJ C.M.L.R. CML Rev. Co(.) CO concl. CR
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45
Kanada (s.a. Kan.) (frz.) Code Constitutionnel; (frz.) Conseil Constitutionnel (s. dort) Commissioners of Customs and/& Excise (eng!. Zoll- u. Steuerbeb.) Collection of Decisions/Recueil de Decisions. European Commission of Human Rights/Commission Europeenne des Droits de l'Homme (amtl.Slg.d. Entsch.d. KomMR v. 1960 bis Dezember 1974; ab 1975: DR, s. ebd.) Cahiers de Droit Europeen (Z., B) (frz.) Conseil d'Etat (conseil-etat.fr.) Cuadernos Europeos de Deusto (Z., SP) Conference Europeenne des Ministres des Transport (Eur. Verkehrsministerkonferenz) Commission europeenne contre le racisme et l'intolerance (s. KomRI) Carl Friedrich v. Siemens Stiftung (frz.) Commissaire du Gouvernement Commission on Global Governance (cgg.ch) cum grano salis (mit Einschränkung[en]; nicht ganz wörtl.) Schweiz chilenisch chinesisch Common Heritage of (European) Mankind Commission internat. de I' etat civil s. IGH Chief Justice (IRL) Kreuzfeldt-Jacob-Krankheit (eng!.: CJD) Constantinesco/Kovar/Simon (Komm. zum EUV- s. LitVerz.) Cambridge Law Journal (Z., VK) Common Market Law Reports (Z., NL) Common Market Law Review (Z., NL) Compagnie; Company Concluding Observations (abschl. Bem., z. B. d. ARA) conclusion Calliess/Ruffert (Komm. zum EU/EGV- s. LitVerz.) (schott.) Court of Session (lnner/Outer House) - scotcourts.gov.uk/ pages/supreme_opinions.htm; s.a. bailii.org. (frz.) Conseil Superieur de I' Audiovisuel. (BR) Dtschl. dän. Verf. dagegen
46
Abkürzungen und Erläuterungen
Department of Agriculture for Northem Ireland (Fischereiabteilung f. Nordirland) Decisions concemant Ia conformite a la Constitution (art. 54, 61) DC (Entsch. d. frzCC betr. die Verfassungsmäßigkeit nach Art. 54, 61 frzV); Divisional Court (VK) (frz.) Declaration des Droits de l'Homme (et du Citoyen; s. DDH MRE) Verf. d. DDR v. 1974 DDRV 1974 demokratisch dem. demnächst demn. deshalb desh. deswegen deswg. deutlich deutl. dezidiert dez. Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG Directorate-General (Generaldirektion d. EP/d. Korn.) DG DGHS Dt. Gesellschaft f. Humanes Sterben diesbzgl. diesbezüglich differenzierend/ differenziert; Differenzierung d/Diff. Digest Council of Europe. Digest of Strasbourg Case-Law relating to the European Convention on Human Rights, Vol. 1 (Art. 1-5), Köln u.a. 1984 dipl. diplomatisch Disk. Diskussion Disk.-Beitr./-Ber. Diskussionsbeitrag/beriebt diss. dissenting diverse/Division d/Div. Droit et Justice (SR; B) DJ (Kgr.) Dänemark DK Dogmatik, dogmatisch D/dogm. Dokument Dok. Dominikan. Rep. Dom.Rep. Discussion Paper/Diskussionspapier DP Decisions et rapports/Decisions and Reports (amtl.Slg.d. Entsch.d. DR KomMR seit 1975; s.a. CD); Diario da Republica (Z., P.) GO-Komm. (s. LitVerz.) Dreier Dtsch. Allg. Sonntagsblatt (sonntagsblatt.de/) DS Dispute Settlement (Body- Streitbeilegungsorgan d. WTO, s. AB) DS(B) (öst.) DatenschutzG DSG der Sache nach d.S.n. des Tenors d.T. (amtl.) Entscheidung(ssammlung) (-)E(.) DANI
Abkürzungen und Erläuterungen EAA
47
Eur. Arzneimittelagentur (Eur. Agentur f. die Beurteilung v. Arzneimitteln; frz.: EMEA [Agence europeenne pour l'evaluation des medicaments]) EAGFL Eur. Ausrichtungs- u. Garantiefonds f. die Landwirtsch. Eur. Agentur f. Sicherheit u. Gesundheit am Arbeitsplatz EASGA Eur. Beobachtungsstelle f. Drogen u. Drogensucht EBDD ebf. ebenfalls Eur. Beobachtungsstelle f. Rassismus u. Fremdenfeindlichkeit EBRF (z. T.) European (Economic) Community (Treaty - Vertr. zur E(E)C Gründung d. E[W]G) Amt d. EG f. humanitäre Hilfe (guropean fommunity [!umanitarian ECHO Qffice) European Convention for the Protection of Human Rights and ECHR Fundamental Freedoms (EMRK) Fach-Z. f. WirtschaftsR (AU) ecolex European Court of Justice Reports ECR European Commission against Racism and Intolerance (s. ECRI KomRI) edited; edition; (assistant) editor/s (ass.) ed(s). ed(s). edite; editeur/s; edition Europol Drugs Unit (Europol-Drogenstelle) EDU European Environmental Law Review (Z., VK) EELR Entscheidungsformel Ef. European Free Trade Association (Eur. Freihandelsorg. - efta.int/) EFfA EFfA-GH EFfA-GH (efta.int/docs/Court/Publications/Decision/) e(.)g(.) exempli gratia (engl.Abk.f. "for example" = z. B.) E-Geld-Produkte Produkte, bei denen elektron. Geld eingesetzt wird EGMR s. EuGHMR European Group of Public Law/Groupe Europeen de Droit Public EGPLIGEDP EHB Bastern Health Board (ir. Gesundheitsbeh.) EheschlRG G zur Neuordnung d. EheschließungsR (EheschließungsRG) ERLASS European Horne and Leisure Accident Surveillance System (Gern!. Informationssystem über Haus- u. Freizeitunfälle) E.H.R.L.R. European Human Rights Law Review (Z., VK) e/Einf. einführend/Einführung eingel. eingeleitet EinlPrALR Einleitung zum Preuß. Allg. LandR (v. 1794 [Allg. LandR f. die Preuß. Staaten]) e/Einschl. einschlägig/einschließlich/Einschluss e/Einschr. einschränkend/Einschränkung EJIL European Journal of Internat. Law (Z., VK) European Law Journal. Review of European Law in Context (Z., ELJ VK) ELR European Law Reporter (Z., CH)
48 E.L.Rev. (HR[C]) Empf. endg. entgg. Entschl.( -Antr.) entspr. EP EPIL EPTA EPZ ER erg. (Antw.[v.]) ErgLief. e/Erkl. ERPLIREDP ersch. ersl. ERStW Abt. RW erw. ESAK ESC est. ESt. ESTO ESVLA ET EtA ETAN ETS EUDUR e.Ü. EuGH EuGHE ÖD EuGHMR EUI
Abkürzungen und Erläuterungen European Law Review (Human Rights Survey issue [Checklist] - Z., VK) Empfehlung endgültig entgegen Entschließung(santrag) entsprechend; entspricht Eur. Parlament (europarl.eu.int/) Encyclopedia of Public Internat. Law European Parliamentary Technology Assessment Network (TANetzwerk d. eur. Parlamente) Eur. Pol. Zusammenarbeit Europarat ergänzt; ergänzende (Antwort [von]) Ergänzungslieferung erklärt/Erklärung European Review of Public Law/Revue Europeenne de Droit Public/Eur. Z. d. öffentl. RechtstRivista Europea di Diritto Pubblico (VK) erschienen ersichtlich Enzyklopädie d. Rechts- u. Staatswiss. Abt. Rechtswiss. erweitert ESA-Konvention (Convention for the Establishment of a European Space Agency) Eur. Sozialcharta (v. 1961) einstimmig Einkommen( s)steuer European Science and Technology Observatory Eur. Stiftung zur Verbesserung d. Lebens- u. Arbeitsbedingungen The (Electronic) Telegraph (telegraph.co.uk) Euzkadi ta Azkatasuna (bask. Abk. f. "Baskenland und Freiheit" - bask. Separatistenorg. [z. T.a.: ETA/Eta]) European Technology Assessment Network European Treaty Series Hdb. zum eur. u. dt. UmweltR (s. LitVerz. unter Rengeling) eigene Übers. Eur. GH (curia.eu.int/; neueste Entsch. im Volltext unter: curia.eu.int/jurisp/cgi -bin/form.pl ?lang=de) Amtl.S1g.d. Entsch.d. EuGH - Amtl.Slg. Öffentl. Dienst Eur. GH f. Menschenrechte (echr.coe.int/) European University Institute (iue.it/)
Abkürzungen und Erläuterungen EUIWP RSC/LAW EUK EU-Nachr. Europol EUROSTAT Eur. Rat Eur. VerwR EUV EV EvBI. EVMR ew.Ao. EWI ex p. F(.)
f. F.A.M. Fass. F.A.Z. FDA FF FG FGM FI fin. FIN finRF FinV FJ FL FluglG FNP form. Forts. FP FR Frakt. 4 Szczekalla
49
EUI working papers of the Robert Schuman Centre/in Law (SR, lt.) Komm. zur Eur. Union EU-Nachrichten (Dokumentationsdienst d. Korn.) Eur. Polizeiamt Statist. Amt d. EG (s.a. SAEG) Eur. Rat (d. Staats- u. Regierungschefs) Eur. VerwaltungsR Vertrag über die Eur. Union Vertr. zw. d. BR Dtschl. u. d. DDR über die Herstellung d. Einheit Dtschl. (Einigungsvertr.) Evidenzblatt d. Rechtsmittelentsch. (i.d. ÖJZ) Europees Verdrag tot Bescherming van de Rechten van de Mens (EMRK) einstweilige Anordnung Eur. Währungsinstitut ex parte (seitens) (Rep.) Frankreich; Fach folgend; für Frankfurter Allgemeine Magazin Fassung Frankfurter Allgemeine Zeitung Food and Drug Administration (us-am. Lebens- u. Arzneimittelbeh.) Fremde Federn (i.d. F.A.Z.) Festgabe female genital mutilation (eng!. f. Geschlechtsverstümmelung bei Frauen- [verharmlosend:] "weibliche Beschneidung") Firenze (Florenz) finnisch Finnland fin. Regierungsform (fin. Verf. - Suomen Hallitusmuoto/Regeringsform för Finland, Nr. 9411919, i.d.F.d. ÄndG Nr. 969/95) Finanzvertrag Fundamento Juridico (s. BE) Fürstentum Liechtenstein G zum Schutz gegen Fluglärm (FluglärmschutzG) Frankfurter Neue Presse (fnp.de) formell Fortsetzung Fakultativprot. (zum IPbürgR) Frankfurter Rundschau (fr-aktuell.de) Fraktion
50 Freih. FrG frzCC frzStPO frzV PS FTG
FZ FZK GA gänzl. GAP GASP GB GBA GD GdP GE GEDP gek. gem.(Antw.[v.]) Gem([G]R). gem.(teilw.) abw.Mein./Akt. Gem.Akt. gemeur. gern!. gernrl. Gem.StdPkt. (erst!letzt)gen. gerl. ges/1. Ges.m.b.H. Gespr. GF/gfl. GFK
G/gg(.)ü/s/w. GgAns./Krit. Giur.Cost.
GI.
glltd.
Abkürzungen und Erläuterungen Freiheit (a. in Wortzus.) Freundesgabe frz. Conseil Constitutionnel (conseil-constitutionnel.fr/) französ. StPO (Code de Procedure Penale [CPP]) frz. Verf. (Verf. d. [Fünften] Rep. Frankreich v. 4.10.1958) Festschrift; Fundstelle FeiertagsG Fuldaer Zeitung (fuldaerzeitung.de) Forschungszentrum Karlsruhe Generalanwalt; General-Anzeiger; Gutachten gänzlich Gern. Agrarpol.; Gern. Aktionsprogramm (jew.d. EG) Gemeinsame Außen- u. SicherheitspoL (Titel V EUV) Gerichtsbescheid; Großbritannien (England, Schottland u. Wales; s.a. VK); Grünbuch (d. Korn.) Generalbundesanwalt Generaldirektion (d. EP/d. Korn.- s.a. DG) Gewerkschaft d. Polizei gütliche Einigung (gern. Art. 28 II EMRK a. F.) s. EGPL gekürzt gemäß; gemeinsam (e Antwort [von]) Gemeinschaft(s[grund]recht) gern. (teilweise) abweichende Meinung/Gern. Aktion (GASP) Gemeinsame Aktionen gemeineuropäisch gemeinschaftl. gemeinschaftsrechtl. Gemeinsamer Standpunkt (erst/letzt)genannt gerichtlich gesamt/ gesetzl. GmbH (öst.Abk.) Gespräche Grundfreiheit (a. in Wortzus.); grundfreiheitl. Abkommen über die Rechtsstellung d. Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention); Gern!. Förderkonzept gegen(über/seitig/wärtig); Gegensatz Gegenansicht/kritik Giurisprudenza Costituzionale (Z., lt.) Glosse gleichlautend
Abkürzungen und Erläuterungen
51
GMO
Gerneinsame Marktorg.
G.o.E.
Gesellschaft ohne Erwerbszweck
GR/grl.
General Recornrnendations (Allg. Ernpf., z. B. d. ARA, s.ebd.); (Rep.) Griechenland; GrundR/grundrechtl.
Gr.
Gruppe Große Anfrage
Gr.Anfr. g/Grd(l/s.)
grundsätzlich/Grundsatz; Grundlage
GREUSA
GR in Europa u. USA (s. LitVerz. unter Grabitz)
Grimm GrK
Dt. Wörterbuch (s. LitVerz.) Große Kammer (d. EuGHMR [17 Ri])
grundfreihl.
grundfreiheitlich
GSG
GerätesicherheitsG
GTE
Groeben/Thiesing!Ehlermann (Komm. zum EWGV /EGV /EUV s. LitVerz.)
GV(R)
Gerneur. VerfassungsR; GerichtsverfassungsR
GWJILE
The George Washington Journal of Internat. Law and Econornics (Z., USA; off.Abk.: Geo. Wash. J. Int'l. L. & Econ.)
H.
Heft
Habil.
Habilitationsschrift
HarvJMCWPS
Harvard Jean Monnet Chair Working Paper Series (SR, USA - "law.harvard.edu!Prograrns/JeanMonnet/papers/" od. "-/jrnpapers.htrnl" bzw. "jeanrnonnet-prograrn.org") Herri Batasuna (bask.Abk.f. "Vereinigung des Volkes"- bask. Separatistenpartei)
HB
HCFC
(eng!.) High Court; House of Cornrnons (brit. Pari. [Unterhaus] parliarnent. uk/) ( teilhalogenierte) Fluorchlorkohlenwasserstoff
H.D.
(schwed.) Högsta Dornstolen (Oberster GH- hogstadornstolen.se)
Hdb. H.d.V. hessStGHIVGH
Handbuch Hervorhebung d. Verfassers hessischer StaatsGH/VerwaltungsGH (a.: VGH Kassel)
HFR
Hurnboldt Forum Recht Uur. Internet-Z. - rewi.hu-berlin.de)
H.C.
HGlG
(hess.) GleichbehandlungsG
hilfsw. hingg.
hilfsweise
H/hins(l).
Hinsicht (hinsieht!.)
H/hinw.
H/hinweis/end/t
H.Uew.).i.O. hist.
Hervorhebung Ueweils) im Original historisch
HKEUV
Handkomm. zum Vertr. über die EU (s. LitVerz. unter Hailbronner/Klein!Magiera!Müller-Gra.ff)
4*
hingegen
52 H.L.
HM HmbPrivSchuiG hoheitl. "HOSI" Hptm. Hpts. H.R. HRC
HRLJ HStR htm(l) http HUR HVR i.A.a./d. IAT i.A.z. i.B.a. IBA i.B.g. ICC ICCPR ICJ ICTY
i.d. IDA i. d. S./Z. i.E.(a.) IE
Abkürzungen und Erläuterungen House of Lords (brit. Pari. [Oberhaus] u. höchstes Ger. - parliament. uk/ bzw. parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld/ ldhome.htm; die Entsch. seit dem I 6. I I. I 996 im Volltext unter parliament. the-stationery -office.co. uk. pa/ldlld I 99697 /ldjudgmt/ ldjudgmt.htm) Her Majesty('s) PrivatschulG d. Freien u. Hansestadt Harnburg hoheitlich "Homosexuelle Initiative Wiens" Hauptmann Hauptsache (nl.) Hoge Raad (rechtspraak.nl/hoge_raad/) Human Rights Chamber ([-BH]; Menschenrechtskammer f. Bosnien u. Herzegowina nach Annex 6 d. Dayton-Abk. - gwdg.de/ -ujvr/hrch/hrch.htm); Human Rights Survey issue (Checklist; s. E.L.Rev. - Z., VK) (The) Human Rights Law Journal (Z., div.) Hdb. d. StaatsR d. Bundesrep. Dtschl. (s. LitVerz. unter /sensee/ Kirchhof) Hypertext Markup (Language - Sprache zum Publizieren im Internet) hypertext transfer protocol. Hdb. d. UmweltR (s. LitVerz. unter Himmelmann/Pohl/TünnesenHarmes) Hdb. d. VerfassungsR (s. LitVerz. unter Benda/Maihofer/Vogel) im Anschluss an/daran Immigration Appeal Tribunal (Einwanderungsberufungsger., VK) in Abgrenzung zu/r in Bezug auf Important Bird Areas; Inventory of Important Bird Areas in the European Community v. Juli I989 in Bezug genommen Internat. Criminal Court. Internat. Covenant on Civil and Political Rights (s. IPbürgR) s. IGH Internat. Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (internat. Strafger. f. das ehemalige Jugoslawien; frz.: TPIY [s. dort] un.org/icty) in dem/der Interchange of Data betw. Administrations (Datenaustausch zw. Verwaltungen) in diesem Sinn(e)/Zushg. im Ergebnis (auch); im Erscheinen Ius Europaeum (SR)
Abkürzungen und Erläuterungen I.G. Farben IGH
53
Interessengemeinschaft Farben(industrie AG [in Abwicklung]) Internat. GH (off.: Cour Internat. de Justice [CIJ]/Internat. Court of Justice [ICJ] - icj-cij.org/) im Gegensatz zu/m/r i.G.z. im Hinblick auf i.H.a. InvestitionshilfeG IHG Internat. Komm. zur EMRK (s. LitVerz.) IKEMRK Internat. Law Commission/Commission du Droit Internat. (CDI, ILC un.org/law/ilc/index. htm) Internat. Legal Materials (Z., USA) I.L.M. ILRM Irish Law Reports Monthly (Z., IRL) Inoffizieller Mitarbeiter (d. Stasi) IM Information Note (PM d. KomMR, ab 1.11.1998 d. neuen EuGHI.N. MR) Internet-Fassung INF infolge inf. inländisch inl. insofern/weit insof./sow. Instalment; Instanz Inst. international int(ernat). inzwischen mzw. im Original i.O. Internat. Pol. (Z., vormals Europa-Archiv [EA]) IP Internat. Pakt über bürgerl. u. pol. Rechte (s.a. ICCPR) IPbürgR Institute for Prospective Technological Studies (JRC) IPTS IPwirtR Internat. Pakt über wirtschl., soz. u. kulturelle Rechte im Rahmen (de-r/s; eine-r/s; von) i. R.(d.; e.; v.) Irish Reports (Z., IRL) I.R. ir. High Court (bailii.org/ie/cases!IEHC/) irHC (The) Irish Times ir. Tageszeitung (irish-times.com/) IRL (Rep.) Irland ir. Law Reform Commission irLRC ir. Supreme Court (bailii.org/ie/cases/IESC/) irSC irV ir. Verf. i.R.v.V.R.MS im Rat vereinigte Vertreter d. Regierungen d. MS i.S.(d.; e.; v.) im Sinne (de-r/s, eine-r/s, von) Integrated Services Digital Network (diensteintegrierendes digitaISDN les Telekommunikationsnetz) lt(.) (Rep.) Italien Austrian Academy of Science (öst. Akademie d. Wissenschaften ITA - öst. TA-Einrichtung) Institut f. Technikfolgenabschätzung u. Systemanalyse ITAS itCC it. Corte Costituzionale (cortecostituzionale.it/ od. giurcost.org/)
54 ITLOS IUE i.Ü. i.V.(m.) IVR
i.V.z. IWB IWiR/AWiR i.w.Z. i.Z.m.(d.) J(.)
(-)jähr. JbltR JBI. JC jed. jedf. JEL jew. JI JIZA JK JL JMCP RSC J(.)O(.) J/P Jud.Rev. J/jug. jur. jur.Pers. JUSletter JWT K(.)
K/kan. KAS(-AI)
Abkürzungen und Erläuterungen Internat. Tribunal for the Law of the Sea (Internat. SeeGH itlos.org; s.a. SRÜ) Istituto Universitario Europeo (s. EUI) im Übrigen in Verbindung (mit) Internat. Vereinigung f. Rechts- u. Sozialphilosophie/Internat Association for Philosophy of Law and Social PhilosophyI Association Internat. du Philosophie de Droit et de Philosophie Sociale (v. 1909) im Vergleich zu/m/r Internat. Wirtschafts-Briefe (Z.) Internat. WirtschaftsR/ AußenwirtschaftsR (Textslg. - s. LitVerz. unter v. Bogdandy u. a.) im weiteren Zushg. im Zushg. mit (dem/der) Judge/Justice (brit./ir. f. Richter) jährig Jahrbuch f. it. Recht Jurist. Blätter (Z., AU) Joint Research Centre jedoch jedenfalls Journal of Environmental Law (Z., VK) jeweilig; jeweils s. JIZA Justizielle u. innere Zusammenarbeit (Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz u. Inneres gern. Titel VI EUV - in Rechtsakten: JI) Jura Kartei Jurist. Lernbücher Jean Monnet Chair Papers of the Robert Schuman Centre (SR, It.) Journal Officiel (de la Republique Fran'raise - journal-officiel. gouv.fr/) Jarass/Pieroth (GO-Komm. - s. LitVerz.) Judicial Review (IRL) Jugoslawien/ jugoslawisch juristisch jur. Person JUSletter. EG-Recht. Wöchentlicher Informationsdienst (Z.) Journal of World Trade. Law, Economics, Public Policy (Z., VK) Kammer (d. BVerfG [3 Ri]/d. EuGH [3, 5 od. 7 Ri]/d. EuGHMR [7 Ri]) Kanada; kanadisch Konrad-Adenauer-Stiftung (-Auslandsinformationen - Z.)
Abkürzungen und Erläuterungen
KB KE
55
(Law Reports.) King's Bench Division (Z., VK) Kammer-Entscheidung Kgr. Königreich KKW Krümme! KKK KKW Kernkraftwerk Kleine Anfrage Kl.Anfr. Kleine u. mittlere Unternehmen KMU Kultusminister-Vereinbarung KMV Koninlijke Nederlandse Akademie van Wetenschapen (Kgl. nl. AkaKNAW demie d. Wiss.) Konkursordnung; (schwed.) Konsumentombudsman(nen) (VerbrauKO cherschutzbeauftragter) Kolumbien/kolumbian. K/kol. (Eur.) Kommission (i. d. R. Kommission d. EG); Kommissar Korn. Kommissions-Dok. KOM (Zeitungs-) Kommentar; Kommentierung Komm. Eur. Kommission f. Menschenrechte (dhcommhr.coe.fr/; Auswahl KomMR an neueren Ber. unter: dhcommhr.coe.fr/eng/repslist.htm) KomRI (Eur.) Korn. gg. Rassismus u. Intoleranz (s. CERI/ECRI- ecri.coe.int) kons. konsularisch K/krit.(d.) Kritik/kritisch( dazu) kub. kubanisch KWO KKW übrigheim !egge (itG); Leitsatz (bei Abdr.v. Entsch. in Z.) 1./L LA Leitartikel/leading article; Lord Advocate (schott. Kronanwalt) Lebensabschnittspartner LAP LB Leserbrief Lord Chief Justice LCJ lediglich ledl. letztlich Ietzt!. Leviathan. Z. f. Sozialwiss. Leviathan LIEI Legal issues of European integration (Z., NL) LiF Liberales Forum (öst. Partei) LitVerz. Literaturverzeichnis L(.)J(.)(J.[.]) Lord Justice(s- Lordrichter) LJ-C Lord Justice-Clerk (schott. Lordrichter) Losebl. Loseblatt(slg.) LPA Les Petites Affiches (Z, F) LReg. Landesregierung Ls. Leitsatz/Leitsätze L.S.J. (J.C.P.) La Semaine Juridique (Jurisclasseur Periodique, Z., F) Lux(.) Großherzogtum Luxemburg
56 m.([abl./zust.] Anm.[v.]) MAFF MAIIMIA Mass. Maßn. mat. m. Ausn./Bespr. (-Aufs.) v. m.([n.]w.)Bsp. MD
Abkürzungen und Erläuterungen mit ([ablehnender/zustimmender] Anmerkung [von]) Ministry of Agriculture, Fisheries and Food (Ministerium f. Landwirtschaft, Fischerei u. Ernährung, VK) Multilateral Agreement on Investment/(geplantes) Multilaterales lnvestitionsabk. (OECD - oecd.org/daf/cmis/mai/maindex. htm#top) Massachusetts Maßnahme materiell mit Ausnahme/Besprechung(s-Aufsatz) von
mit ([noch] weiteren) Beispielien Le Monde diplomatique (Z., F - monde-diplomatique.fr i.d.dt.Übers. unter d. taz-Adr.) m.d.(Begr.) mit dem/den/der (Begründung) m.d.(F.) mit der (Feststellung) mit dem (zutreffenden) Hinweis (auf/darauf) m.d.(zutr.)H.(a/d.) mündlich mdl. med. medizin MedizinprodukteG MedProdG Mehrheitsmeinung Mehrheitsmein. mehrheitlich mehrhl. Milieu en Recht (bzw. milieu & RECHT; Z., NL) M enR Merkur. Dt. Z. f. eur. Denken Merkur m.Fn. mit Fußnote m.FS mit Fundstelle mglw. möglicherweise MglW Maßnahme gleicher Wirkung Min. Minister mind. mindestens minderjähr. minderjährig mitget. mitgeteilt Mitt. Mitteilung Mitwirk. Mitwirkung MJ Maastricht Journal of European and Comparative Law (Z, NL) MKMR Ministerkomitee (EMRK) MLR Modem Law Review (Z., VK) m.m. mutatis mutandis MMR MultiMedia u. Recht. Z. f. Informations-, Telekommunikations- u. MedienR m.N. mit Nachweis m.nt. met noot (nl.- m.Anm.) m.(w./z.)N.z.StrStd. mit (weiteren/zahlreichen) Nachweisen zum Streitstand
Abkürzungen und Erläuterungen
57
modifizierend möglich Member of Parliament; Ministerpräs. Max-Planck-Institut Max-Planck-Projektgruppe (Recht d. Gemeinschaftsgüter) Med.-psycholog. Untersuchung Master of the Rolls/MenschenR (a. in Wortzus.)/MenschenRausschuss (Human Rights Committee [nach Art. 28 ff. IPbürgR u. l. ZP IPbürgR]; Entsch. im Internet z. B. unter: umn.edu/humanrts/undocs/undocs.htm)/(frz.) Erkl.d. Menschen- u. Bürgerrechte v. 26.8.1789; MenschenRkammer (f. Bosnien u. Herzegowina, s. HRC)/MenschenRkonv. ([v.a.] öst.Abk. f. EMRK)/MenschenRkom.d. VN (s. UN-MRK) MS/msl. Mitgliedstaat/mi tgliedstaatl. m.sp.Änd. mit späteren Änderungen MStd. Meinungsstand MStr. Meinungsstreit MIV (M.V.; MV) Motor Vessel (Motorschiff) mvp mecklenburg-vorpommer. m.w.(red.[rvgl.])N. mit weiteren (redaktionellen [rechtsvergleichenden]) Nachweisen m.z.(w.)N./Bsp. mit zahlreichen Nachweisen/Beispielen MZUP Menschenrechtszentrum d. Univ. Potsdam (SR) N Norwegen numero numero n.abgedr. nicht abgedruckt Nachdruck Nachdr. Nachfrage Nachfr. Nachw. Nachwort; Nachweis national; natürlich nat. nat.Pers. natürliche Person n.a.v. nicht amtl. veröff. N.d.(ber.o./u.u.; sog!.) Nachw./Näheres dazu (ber. oben/unten unter/sogleich) N/ndsOVG/StGH/VBl. niedersächs. Oberverwaltungsger./StaatsGH/Verwaltungsblätter. Z. f. öffentl. Recht u. öffentl. Verwaltung N/ne N/nichtehelich NedJur Nederlandse Jurisprudentie (Z., NL) Nelle Nouvelle neubearbeitet; Neubearbeitung n/Neubearb. Neudr. Neudruck neuseel. neuseeländisch n.F./N.F. neue Fassung/Neue Folge Nds. G über die Feiertage (Nds. FeiertagsG) NFTG mod. mögl. MP MPI MPP (RdG) MPU MR/A/E/K
58 NFU
NG/FH NIFF NIFPO NJ NJCM-Bull. NJIL NL nlV n.n.v. No(.) norw. NOTA NOZ NRO nrwOVG NS mim. n.v. NV NVwZ-Beil. nyr(.) NYUJILP n.Z. NZZ o.(Begr.) obj. od. OECD öffentl. ÖGS ÖHdbVR ÖJT ÖJZ örl. Öst.
Abkürzungen und Erläuterungen National Farmer's Union (Berufsverband d. Inhaber landwirtschl. Betriebe in England u. Wales) Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte (Z.) Northern Ireland Fishermen's Org. Northern Ireland Fish Producer's Org. Neue Justiz. Z. f. Rechtsetzung u. Rechtsanwendung Nederlands Juristen Comite voor de Mensenrechten-Bulletin. Nederlands Tijdschrift voor de Mensenrechten (Z., NL) Nordic Journal of Internat. Law. Acta scandinavica juris gentium (Z., NL) (Kgr.d.) Niederlande nl. Verf. noch nicht (in d. jew. amtl.Slg.) veröff. (s.a. nyr) number norwegisch Nederlandse Organisatie voor Technology Assessment (nl. TA-Einrichtung) Neue Osnabrücker Zeitung Nichtregierungsorg. (eng!.: NGO) nordrhein-westfäl. Oberverwaltungsger. Nationalsozialismus numero nicht veröff. naamloze vennootschap (nl. AG) NVwZ-Beilage. Neueste Rechtsprechung zum AsylR (Beil. zur Neuen Zeitschrift f. VerwR) not yet reported (s.a. [n.]n.v.) New York University Journal of International Law and Politics (Z., USA) neue Zählung Neue Zürcher Zeitung (nzz.ch) ohne (Begründung); oben objektiv oder Organization for Economic Co-operation and Development (Org. f. wirtschl. Zusammenarbeit u. Entwicklung - oecd.org) öffentlich öst. Gesellschaft f. Sexualforschung Öst. Hdb. d. VR (s. LitVerz. unter Neuhold u. a.) Öst. Juristentag Öst. Juristenzeitung öffentlichrechtl. Österreich (od. AU)
Abkürzungen und Erläuterungen
59
öst. VerfassungsGH (vfgh.gv.at/; neuere Erk. im Volltext unter: vfgh.gv .at/vfgh/volltext.html bzw. vfgh.gv .at/vfgh/pruefung.html; Erk. im Volltext seit 1980 unter: ris.bka.gv.at/plweb/info/help/ searchvfg.html) off.(Abk.) offiziell(e Abkürzung) offb. offenbar offsl. offensichtlich OG Obergefreiter o.g. oben genannt o.G. ohne Gewähr (öst)OGH (öst.) Oberster GH o.J. ohne Jahr(esangabe) OJLS Oxford Journal of Legal Sturlies (Z., VK) OK Organisierte Kriminalität OKD Oberkreisdirektor o.N. ohne Namen ONIC Office Nationale Interprofessionnel des Cereales OPECST Office Parlementaire d'Evaluation des Choix Scientifiques et Technologiques (TA-Einrichtung d. frz. Parlaments [Assemblee Nationale u. Senat]) Organisation/Organization Org. Orig. Original Belgian Federal Office for Scientific, Technical and Cultural OSTC Affairs (belg. TA-Einrichtung) OTV "Operierender Thetan der Stufe V" (Scientology-Slang) OULR Osaka University Law Review (Z., Japan) o.v.c. Objectifs atde Valeur Constitutionnelle ([frz.] Verfassungswerte) OVG Oberverwaltungsger. o.w. ohne weiteres Oz. Ordnungsziffer OzonG Gesetz zur Änderung d. BlmSchG v. 19.7.1995, BGBl. I 930 p (Rep.) Portugal; Pourvoi (RM) Panel-Rep. Panel-Report/s (d. WTO; s.a. AB) P/parl. Parlament/parlamentar. patron "Großspender" (Scientology-Slang) PB Phil. Bibliothek p.c. political correctness PC Press communique (PM d. Sekretärs d. KomMR od. d. Kanzlei d. IGH) (brit.) Press Complaints Commission PCC Pentachlorphenol PCP P.F.R.L.R. Principes Fondamentaux Reconnus par les Lais de la Republique phil. philosophisch Phil.-Hist. Klasse Philolog.-Hist. Klasse östVfGH
60
Abkürzungen und Erläuterungen
PKH
Prozesskostenhilfe
PKK
"Kurdische Arbeiterpartei" (bewaffnete separatist. Bewegung)
PL
(Rep.) Polen
plc
public limited-liability company (eng!. AG)
Plen.
Plenum
p.m.
pro memoria
PM
Pressemitteilung
PMI(-DB)
The Philip Morris Institute (for Public Policy Research - Philip Morris Institut[-Disk.-Beitr.- Z., div.)
P/pol.
Politik(er); politisch
polnVerfG
polnisches Verfassungsger. (trybunal.gov.pl)
portSTJ/TC
portugies. Supremo Tribunal de Justi, 205 f. 770 BVerfGE 77, 170, 171 Ls. 2 a, 214 f., 229 f.; 381, 405; 77, 174, 202; 85, 191, 212; NJW 1996, 651. Zul. etwa BVeifG, UPR 1997, 186, 187; 1998, 21; EuGRZ 1998, 172, 173. Ähnl. zum Gestaltungsspielraum d. "zuständigen Organe[ ... ] bei der Erfüllung von Schutz- und Förderungspflichten" BVerfGE 76, 1, 51, u.H.a. E 21, 1, 6; 48, 346, 366 - Witwenrente; 62, 323, 333 - Hinkende Ehe, sowie ("ferner") BVerfGE 56, 54, 80 f. - allerd. unter Abl. einer bloßen Evidenz- u. f. eine Vertretbarkeilskontrolle (52 ff. [52] - zur zumindest sprachl. Annäherung der beiden Kontrollmaßstäbe s. aber a. a. a. 0., 60: "nicht unvertretbar in dem Sinne, daß ein anderer Standpunkt eindeutig vorgezogen werden müßte" [H.d.V.]). 771 Zul. etwa BVeifG, NJW 1997, 3085. 772 BVerfGE 77, 170, 171 Ls. 2 b, 215, u.H.a. E 50, 290, 332 f.
A. Die Rechtsprechung des BVerfG
227
blieben sind774 bzw. "Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen" haben 775 oder wenn die bisher getroffenen Maßnahmen "offensichtlich ... gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich" 776 sind, "das gebotene Schutzziel zu erreichen"777 oder "erheblich dahinter zurückbleiben"778 .779 "Nur unter ganz besonderen Umständen" könne sich die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit derart verengen, "daß allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan werden kann" 780 •781 BVerfGE 77, 170, 216. BVerfGE 77, 381, 405. S.a. BVerfGE 56, 54, 71; EuGRZ 1998, 172, 173. 775 BVerfGE 77, 170, 215; 79, 174, 202; 92, 26, 46; NJW 1987, 2287; UPR 1997, 186, 187; 1998, 21. 776 BVerfGE 77, 170, 171 Ls. 2 c, 215 ff.; 381, 405; BVerfGE 85, 191, 212 (o. die Verwendung d.Einschr. "offensichtlich"); 92, 26, 46; 85, 191, 212; UPR 1997, 186, 187; NJW 1997, 3085; UPR 1998, 21; EuGRZ 1998, 172, 173 ("evident unzureichend"). Zur Evidenzkontrolle s.a. noch BVerfGE 55, 349, 366; 56, 54, 80 f.; 75, 40, 67; NJW 1983, 2931, 2932; 1987, 2287; NJW 1995, 2343; 1996, 651; 651, 652. Weitere Beispiele einer (bloßen) Evidenzkontrolle über den Schutzpflicht-Zushg. hinaus: BVerfGE 71, 206, 215, u.H.a. E 13, 97, 113 -Befähigungsnachweis f das Handwerk, u. 30, 250, 263 f.- AbsicherungsG, m. w.N. 777 BVerfGE 77, 170, 171 Ls. 2 c, 215; 79, 174, 202. 778 BVerfGE 92, 26, 46; BVerfG, UPR 1997, 186, 187; 1998, 21. Ähnl. BVerfGE 90, 107, 117: Beschränkung d. gerl. Rechtsschutzes "auf die Prüfung einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung und eines ersatzlosen Abbaus getroffener Maßnahmen". 779 S. a. die ganz ähnl. Formulierungen im BürgschaftsB f. den Schutz vor vertragl. Fremdbestimmung durch den ZivRi (zu dieser Parallele s.ber.o., III.2.b)(2)), BVerfGE 89, 214, 234: Ein Verstoß komme erst dann in Betracht, "wenn das Problem gestörter Vertragsparität gar nicht gesehen oder seine Lösung mit untauglichen Mitteln versucht wird". Zum bes. weiten Gestaltungsspielraum d. Gesetzgebers im Ber.v. Schutzvorschr. (hier: § 90a ll 2 HGB) s.a. BVerfGE 81, 242, 255, allerd. m.d. schutzpflichtentyp. Einschr., dass der Gesetzgeber "offensichtlichen Fehlentwicklungen nicht tatenlos zusehen" dürfe, d. h. bei evidenten Schutzmängeln nachbessern muss. 780 BVerfGE 77, 170,215. S.a. BVerfGE 46, 160, 164 f. 781 Gg. eine Evidenzkontrolle i.B.a. Art. 6 I GG aber BVerfGE 80, 81, 93 f., u.H.a. E 21, 1, 6; 76, 1, 51: Das BVerfG überprüfe behördliche u. gerl. Entsch. "nicht lediglich auf offensichtliche Verletzungen der aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht . . . . Die Dichte der verfassungsgerichtlichen Kontrolle entspricht vielmehr dem Rang und der Bedeutung, die das Grundgesetz der Familie in ihren verschiedenen Gestaltungsformen und Funktionen als einem gegen den Staat abgeschirmten und die Vielfalt rechtsstaatlicher Freiheit stützenden Autonomiebereich beimißt". Schon aus dem Duktus d. zit. Entscheidungspassage (insbes. aus d. Verwendung d. Adjektivs "abgeschirmten") geht hervor, dass Art. 6 I GG hier zwar offsl. aus Gründen- vermeint!. -flexiblerer Handhabbarkeit (vgl. v. a. a. a. 0., 92 f.: Die in Art. 6 I GG enthaltene "wertentscheidende Grundsatznorm" [Afz. i.O.] erreiche "nicht das Maß an Verbindlichkeit" wie Institutsgarantie od. FreihR) in seiner Schutifunktion herangezogen wird, d.S.n. aber abwehrrl. Erwägungen im Vordergrund stehen (Versagung d. Aufenthaltserlaubnis als [mglw. verfrl. gerechtfertigter, 773
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228 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
c) Angemessene Erfahrungs- und Anpassungsspielräume Drittens wird mitunter innerhalb des Evidenzkriteriums noch eine weitere Differenzierung danach vorgenommen, ob es um die Feststellung gehe, dass der Gesetzgeber seiner Schutzpflicht überhaupt nicht nachgekommen ist, oder ob die Verletzung gerade durch eine unterlassene Nachbesserung erfolgt sei: In letzterem Fall komme eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das BVeifG erst in Betracht, wenn evident sei, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung wegen zwischenzeitlicher Änderung der Verhältnisse "verfassungsrechtlich untragbar" geworden sei, und wenn der Gesetzgeber gleichwohl weiterhin untätig geblieben sei oder "offensichtlich fehlsame" Nachbesserungsmaßnahmen getroffen habe. 782 Dabei gebührten dem Gesetzgeber jeweils "angemessene Erfahrungs- und Anpassungsspielräume".783 Hier spielt auch der vom BVerfG gelegentlich postulierte Vorbehalt amtlicher Erkenntnis eine Rolle. 784 d) Evidenzkontrolle als Schutzpflicht-Spezifikum?
Ob diese hier verkürzt als "Evidenzkontrolle" bezeichnete Entscheidungspraxis des BVeifG allerdings überhaupt ein Schutzpflicht-Spezifikum darstellt, ist zweifelhaft: Schon wesentlich früher hatte das BVeifG nämlich darauf abgestellt, ob den staatlichen Organen eine evidente Verletzung der in den Grundrechten verkörperten Grundentscheidungen zur Last gelegt werden könne. 785 Gleiches gilt für den Hinweis auf die angemessenen Erfahrungs- und Anpassungsspielräume, die dem Gesetz- oder Verordnungsgeber zuzubilligen seien. 786 Überhaupt verwendet das BVerfG unabhängig s. a. a. 0., 94 f., u.H.a. die "öffentlichen Belange einer Zuzugsbeschränkung", die durch die Versagung der Aufenthaltserlaubnis zur Geltung gebracht worden seien, "ohne dadurch die Fortsetzung der Familie ... zu gefährden" {hier: bloße "Begegnungsgemeinschaft" i.G.z. "Lebens- und Erziehungsgemeinschaft" bzw. "Beistandsgemeinschaft"}] Eingriff in Art. 6 I GG!). Desh. kann der Beschl. nicht o.w. als grds. Durchbrechung d. Evidenzformel auf dem Gebiet d. Schutzes v. Ehe u. Familie herangezogen werden. 782 I.d.S. BVerfGE 56, 54, 81. Ähnl. BVerfG, NJW 1996, 651, 652. 783 BVerfGE 56, 54, 82, u.H.a. E 54, 11, 37, m.w.N. Ebenso BVerfG, NJW 1983, 2931, 2931; 1987, 2287; UPR 1998, 341, 343. 784 S. BVerfG, NJW 1983, 2931, 2932, wo die erwähnten angemessenen Erfahrungs- u. Anpassungsspielräume d. Gesetzgebers damit gerechtfertigt werden, dass "verläßliche, auf amtlichen Untersuchungen beruhende Erkenntnisse ... noch nicht vorliegen". Ähnl. bei der Heranziehung der "amtlichen Veröffentlichungen" BVerfGE 56, 54, 82. Zur Krit. s. u., B.II.2.v). 785 So BVerfGE 56, 54, 81, u.H.a. E 4, 7, 18 -/HG /952, sowie 27, 253, 283; 33, 303, 333; 36, 321, 330 f.; 47, 327, 381. S.a.- aus jüngerer Zeit- BVerfGE 95, 1, 17, 22 f. (23)- Südumfahrung Stendal-1, m. w.N.
A. Die Rechtsprechung des BVerfG
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von der in Rede stehenden Grundrechtsfunktion verschiedene Kontrollmaßstäbe auf sehr flexible Weise? 87 Schließlich tauchen Erwägungen zur Komplexität, schweren Überschaubarkeit und Unklarheit der Verhältnisse auch in ganz "normalen" Abwehrrechtsfällen auf? 88 Alles in allem sprechen eigentlich mehr Gründe dafür, die Evidenzkontrolle nicht als Spezifikum der bundesverfassungsgerichtliehen Schutzpflicht-Kontrolle anzusehen. e) Praxis der Evidenzkontrolle
Dem BVerfG fällt es bei Anwendung des Evidenzmaßstabes regelmäßig nicht schwer, die Rüge einer Schutzpflichtverletzung zurückzuweisen: Mit der Aufzählung bisher getroffener rechtlicher und tatsächlicher Schutzmaßnahmen in den einzelnen Entscheidungen789 spielt der Prüfungspunkt 786 S. nur die Bezugnahme v. BVerfGE 56, 54, 82, auf BVerfGE 54, 11, 37, m.w.N. Vgl.a. BVerfGE 80, I, 26, 31 ff.- Multiple-Choice; 83, 1 Ls. 2, 13, 16 ff. (21 f.)- Begrenzung der Rahmengebühren im SGG-Veif.; 85, 80, 91. Zu!. i.Z.m.d. Beobachtungs- u. Nachbesserungspflicht außerhalb d. Schutzpflicht-Kontexts BVerfGE 95, 267, 313 ff. (314 f.), wo dem Gesetzgeber ,.[w]egen der Ungewißheiten der Zielerreichung" eine angemessene Frist zur Sammlung v. Erfahrungen zugebilligt wurde, die immerhin 10 Jahre beträgt (315). 787 S. nur die eindrucksvolle Zusammenstellung in BVerfGE 50, 290, 332 f. (333): Von ,.einer Evidenzkontrolle" (u.H.a. E 36, 1, 17- Grdl.-Vertr.; 37, 1, 20Stabilisierungsfonds f Wein; 40, 196, 223 - Höchstzahlen f Güterfemverkehr) über ,.eine Vertretbarkeitskontrolle" (u.H.a. E 25, I, 12 f., 17 - MühlenG; 30, 250, 263 AbsicherungsG; 39, 210, 225 f.) bis hin zu ,.einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle" (u.H.a. E 7, 377, 415 - Apotheken-Urteil; 11, 30, 45 - Kassenarzt-Urteil; 17, 269, 276 ff.- Tierarzneimittelvertreter; 39, 1, 46, 51 ff.; 45, 187, 238). Abh. ist diese ,.Einschätzungsprärogative" d. Gesetzgebers u. damit die Abstufung d. Kontrollmaßstabes d. BVerfG ,.von Faktoren verschiedener Art ... , im besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter". Ob sich daraus tatsächl. drei voneinander unterscheidbare Maßstäbe verfassungsgerl. Kontrolle herleiten lassen, lässt BVerfGE 88, 203, 262, neuerdings ausdr. offen, weil sich die Prüfung ,.in jedem Falle darauf [erstreckt], ob der Gesetzgeber die genannten Faktoren ausreichend berücksichtigt und seinen Einschätzungsspielraum ,in vertretbarer Weise' gehandhabt hat". 788 Vgl. nur BVerfGE 77, 84, 106 f., m.z.N. Zu!. etwa BVerfGE 95, 267, 309, 314 f., 316 f. S.a. BVerfGE 96, 288, 303, betr. den Begr.d. ,.Benachteiligung" i. S. v. Art. 3 lll 2 GG. Nach Scherzberg, DVBI. 1999, 356, 362, soll eine Evidenzkontrolle indes nur "gelegentlich auch im Rahmen des grundrechtliehen Abwehrrechts" praktiziert worden sein. Gg. die Annahme einer Evidenzkontrolle als Spezifikum d. Überprüfung v. Nachbesserungspflichten etwa C. Mayer, S. 173 m. w. N. 789 S. z.B. BVerfGE 56, 54, 55 ff. i.V.m. 82 ff.; 77, 170, 217, 223 ff.; 79, 174, 202; NJW 1983, 2931, 2932; 1995, 2343; 1996, 651; UPR 1998, 341, 343. Zu!. etwa EuGRZ 1998, 172, 173 - ähnl., wenn a. weniger ausführlich, die Aufzählung in KomMR, ZE v. 16.4.1998 [1. K] - 32165/96 [Wöckel/D] - n.n.v., 4, jew. zum Nichtraucherschutz.
230 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
"gänzliche Untätigkeit" überhaupt keine Rolle, und eine Offenkundigkeit unzureichenden Schutzes trotz bestehender gesetzlicher Regelungen wurde bisher auch noch nicht angenommen. 790 Im Übrigen zeigen manche Entscheidungen, dass die Richter durchaus unterschiedliche "Evidenzerlebnisse" haben können, das Kriterium also keineswegs zu einer sicheren Abgrenzung führt. 791 f) Anwendung der Kontrollmaßstäbe auf das "Ob" und das "Wie" der Schutzpflicht-Erfüllung
Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungen des BVerfG geht hervor, dass sich die Kontrollmaßstäbe nicht nur auf das "Wie",792 sondern auch auf das "Ob" des staatlichen Schutzes beziehen. 793 In einer wissenschaftlich ungeklärten Situation ist der Gesetzgeber jedenfalls befugt, die Gefahrenlagen und Risiken abzuschätzen und zu entscheiden, ob er Maßnahmen ergreifen will oder nicht. 794 Auch in einer Situation, in der es nur ein Schutzmittel gibt, können Grundrechte anderer einem Einsatz gerade dieses Schutzmittels entgegenstehen. 795 In einem solchen Fall kann sich dann aus einer Abwägung ergeben, dass aus der prima facie-Schutzpflicht kein definitives Schutzrecht folgt? 96 2. "Untermaßverbot"
Eine Änderung dieses Kontrollmaßstabes deutet(e) sich mit der Einführung des sog. Untennaßverbotes in der Zweiten Schwangerschaftsentscheidung an: 797 Danach ist der Schutz des Lebens zwar nicht in dem Sinne ab790 In den "erfolgreichen" Schutzpflichtfällen betr. den Schwangerschaftsabbruch (BVerfGE 39, 1 ff.; 88, 203) kann - schon anges.d. Umfangs d. äußerst detaillierten Entscheidungsgründe mit ihren vorangestellten, abstrakten u. lehrbuchartigen Ausführungen (33-51 bzw. 251-298) u. der Übergangsregelung nach § 35 BVerfGG (2 f. bzw. 209-213)- schwer!. v. "Evidenz" die Rede sein. 791 S. nur BVerfGE 77, 170, 214 ff. einers.u. abw.Mein. Mahrenholz, a.a.O., 234 ff. (236). 792 S. nur BVerfGE 39, 1, 44; 46, 160, 164. 793 Vgl.d. nur BVerfG, NJW 1987, 2287 Sp. 1 ("[o]b"), 2 ("[w]ie") Für den dipl. Schutz BVerfGE 55, 349, 364 f. 794 So BVerfGE 83, 130, 141 f., u.H.a. E 49, 89, 131 f. 795 Vgl.d. BVerfGE 96, 56, 65 f. 796 Zur Unterscheidung zw. prima facie- u. definitivem Schutz s. etwa Alexy, Theorie, S. 87 ff., 117 ff., 255 f., 273 ff. (insbes. 276 f.), 406, 411 f. (insbes. 414), 465 ff. (insbes. 470 ff.); Schuber!, S. 347 f. m.Fn. 41, 423. 797 BVerfGE 88, 203, 254, 310. Aufgegriffen durch BVerfG, NJW 1995, 2343; 1996, 651. Vgl.d.a.o., III.l.f).
A. Die Rechtsprechung des BVerfG
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solut, dass er auch einen absoluten Vorrang vor jedem anderen Rechtsgut genießt. 798 Allerdings reicht es für die Erfüllung der Schutzpflicht nicht aus, dass überhaupt irgendwelche Schutzvorkehrungen getroffen worden sind: Die Reichweite der Schutzpflicht hängt ab von der Bedeutung und Schutzbedürftigkeit des zu schützenden Rechtsguts einerseits sowie der kollidierenden Rechtsgüter andererseits. Die Bestimmung dieser Reichweite ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, dem die Verfassung nur den Schutz als Ziel, nicht aber seine Ausgestaltung im Einzelnen vorgibt. 799 Bei der Schutzausgestaltung hat der Gesetzgeber aber "das Untermaßverbot" 800 zu beachten, das einen angemessenen, als solchen wirksamen und ausreichenden Schutz verlangt. Sodann werden aus diesem Unterrnaßverbot, das nicht weiter definiert und auch nicht von seinem "semantischen Bruder", dem Überrnaßverbot, abgegrenzt wird, "Mindestanforderungen" an die Ausgestaltung des Schutzes gestellt. 801 Neben der Kreation des Untermaßverbots wird in der Zweiten Schwangerschaftsentscheidung eine Klarstellung der Ausführungen zur Zulässigkeil einer Verfassungsbeschwerde gegen staatliches Unterlassen vorgenommen: Der Schutzpflicht-Erfüllung gegenüber menschlichem Leben sollen nicht schon Maßnahmen genügen, "die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind". 802 3. Rückkehr zur bisherigen Kontrolle
In jüngerer Zeit deutet sich - jedenfalls in Nichtannahmebeschlüssen von Kammern - eine Rückkehr zur bisherigen Kontrolle der Erfüllung von Schutzpflichten an: Danach soll das BVeifG wieder eine Verletzung der Schutzpflicht nur dann feststellen können, wenn die staatlichen Organe gänzlich untätig geblieben sind oder wenn die bisher getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind. 803
798 BVerfGE 88, 203, 254, u.H.a. den Gesetzesvorbehalt in Art. 2 II 3 GG, womit die Kritik in BVerfGE 39, 1, 68 ff. (abw.Mein. Rupp-v. Brünneck/Simon), 78 f., aufgegriffen wird. 799 Ähnl. die Formulierungen i.B.a. die "verfassungsrechtlichen Schutzpflichten" aus Art. 6 I "und" IV GG jüngst BVerfG, NVwZ 1997, 54, 55: "Der Verfassungsauftrag aus Art. 6 I und IV GG stellt dem Staat eine Aufgabe, sagt aber nichts darüber, wie diese Aufgabe im einzelnen zu verwirklichen ist". 800 BVerfGE 88, 203, 254- H.i.O. S. aber a. die abw.Mein. Mahrenholz/Sommer, a.a.O., 338 ff. (340): "ein Untermaßverbot" (H.d.V.). 801 BVerfGE 88, 203, 254 ff. 802 BVerfGE 88, 203, 262 f., u.H.a. E 77, 170, 214 f. Dabei handelt es sich wohl nur um eine Klarstellung, denn a. im C-WaffenB werden Sicherheitsvorkehrungen verlangt, die Art. 2 II 1 GG "angemessen" sind (a. a. 0.).
232 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht 4. Dreistufige Prüfung
Eine neuere Art der Kontrolle der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten, jedenfalls aber eine Verdeutlichung des Prüfungsprogramms, lässt sich schließlich einem jüngeren Nichtannahmebeschluss einer Kammer des BVerfG entnehmen: 804 Auf einer ersten Stufe prüft das BVerfG die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der bestehenden normativen Regelungen. 805 Auf der zweiten Stufe wird sodann die Möglichkeit der Verletzung des Grundrechts (in seiner Schutzfunktion) durch die den Fachgerichten obliegende und deshalb einer (grundsätzlich) 806 eingeschränkteren bzw. niedrigeren Kontrolldichte unterliegende 807 Auslegung und konkrete Anwendung der einschlägigen Vorschriften untersucht. 808 Schließlich findet auf einer dritten Stufe eine Art Ergebniskontrolle anhand der Schutzpflichten statt. 809 Diese Vorgehensweise entspricht der allgemeinen Prüfung einer Verletzung des Grundrechts in seiner abwehrrechtlichen Funktion. 810 Das ist auch nur konsequent, hängt es doch von der Zufälligkeit ab, in welcher prozessualen Situation sich Schutzpflicht und Abwehrrecht bzw. potenzielles "Opfer" und potenzieller "Störer" gegenüberstehen. 811 803 BVerfG, NJW 1995, 2343; 1996, 651. Dabei wird allerd. kurz vorher die Untermaß-Rspr. in Bezug genommen. S.i.d.Z.a. die Verwendung d. gleichen Kriterien bei der Prüfung d. Verletzung eines AbwehrR in BVerfGE 90, 145, 199 ff. (abw.Mein. Graßhoj), 205 f. Zul. etwa BVerfG, NJW 1997, 3085; UPR 1998, 21; 341, 342 f. 804 BVerfG, RdE 1997, 19, 20. 805 A.a.O., 20. Insow.ähnl.ber. BVerfGE 53, 30, 56 f., 57 ff. (61). Zul. BVerfG, UPR 1997, 186, 187. (Aus proz. Gründen außerhalb d. ausdr. Schutzpflicht-Kontexts) Ebenso BVerfGE 96, 375, 393. 806 Zu neuerl. Ausn. s. u., 10. 807 Ebd., u.H.a. E 18, 85, 92 f., u. 53, 30, 61. Zul. etwa BVerfG, UPR 1997, 186, 187. 808 Ibid. Ebenso i.Z.m.d. schutzpflichtkonformen Auslegung BVerfG, DtZ 1994, 313, 314. Ähnl.ber. BVerfGE 53, 30, 56 f., 61 ff. Zul. etwa BVerfG, UPR 1997, 186, 187. 809 A.a.O. Diese dritte Stufe fehlt mglw. noch im Mülheim-KärlichB (E 53, 30), weil das BVerfG es dort wg. des Gegenstands d. Vb. - eines Beschl. nach § 80 V VwGO - abgelehnt hat, eine intensiviertere Kontrolle entspr. der Topoi "Intensität der gerügten Grundrechtsbeeinträchtigung" und "Schwere der Auswirkungen für den Betroffenen" vorzunehmen, m.d. die fachgerl. Wertung durch eine eigene ersetzt wird, a.a.O., 61 f. Eine "derart weitreichende Nachprüfungsmöglichkeit" scheine "in der Regel" in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt (62) - a. A. die abw.Mein. Simon/Heußner, a. a. 0. 69 ff. (70, 82 f., 91 ff.). I.d. jüngeren KE ging es demggü. um ein HptsU d. BVerwG. 810 S.d.zul. etwa BVerfG, WM 1998, 1554, 1555 ff.
A. Die Rechtsprechung des BVerfG
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5. (Noch weiter) Eingeschränkte Kontrolle bei Sachverhalten mit Auslandsberührung und bei außenpolitischen Zwängen
Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, d. h. sowohl in den Fällen des Auslandsschutzes als auch ganz allgemein dann, wenn die Grundrechtsausübung zwangsläufig die Rechtsordnungen anderer Staaten berührt und die Austragung der widerstreitenden Interessen der Grundrechtsträger in einem Raum stattfindet, der von der deutschen Rechtsordnung nicht mit alleinigem Gültigkeitsanspruch beherrscht wird, ist die Gestaltungsbefugnis des deutschen Gesetzgebers nach der Rechtsprechung des BVeifG noch größer als bei der Regelung von Rechtsbeziehungen mit inländischem Schwerpunkt:812 Hier dürfe der Gesetzgeber ganz allgemein auf die zwischenstaatlichen Beziehungen und auf die Rahmenbedingungen internationaler Märkte Rücksicht nehmen. 813 Es bleibt aber bei der Pflicht, dem Grundrecht auch unter den vom Gesetzgeber nicht beeinflussbaren Umständen größtmögliche Anwendung zu sichem. 814 Enthält ein von der Bundesrepublik mit einem anderen Staat geschlossener Vertrag bspw. eine Regelung, die zwar für sich betrachtet gegen Grundrechte verstoßen würde, die aber insgesamt einer grundrechtskonformen Regelung "näher" steht als eine frühere, und war ein besseres Verhandlungsergebnis trotz fortlaufender Bemühungen um eine "Nachbesserung" der vertraglichen Lage nicht zu erreichen, so liegt nach Ansicht des Gerichts keine Grundrechtsverletzung vor. 815 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es in solchen Fällen wohl die fehlende Geltung bzw. mangelnde Durchsetzbarkeif des Grundgesetzes im Ausland bzw. bei Auslandsberührung ist, die den besonderen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, aber auch der im diplomatischen Verkehr zuständigen Exekutive, 816 ausmacht und die eine "normale" Kontrolle verhindert. 817 Andere mögliche Gründe greifen im Ergebnis nicht durch, lassen jedenfalls keine trennscharfe Abgrenzung zwischen Fällen mit und 811 Vgl.d.zul. u. deutl. etwa BVerfGE 97, 125, 144 ff., betr. die i.E. bej. Rechtfertigung eines Schutz-Eingriffs in die Pressefreih. 812 So BVerfGE 92, 26, 41. S.a. 66, 39, 61; 97, 350, 371 (betr. den "Außenwert" d. Geldes); UPR 1998, 341, 341 f. 813 BVerfGE 92, 26, 42. Zur Gemengelage gesetzgeber. Gesichtspunkte s.a. BVerfGE 72, 66, 79. (Nicht nur themat.) Ganz ähnl. die Erwägungen v. KomMR, ZE v. 21.5.1998 (1. K) - 37650/97 (Manners u.a./VK)- n.n.v., S. 5 ff. § 3 (6), m.w.N. -Irak. Geiselhaft in Kuwait-1 (Flug BA 149)/Menschl. Schutzschilde-1. 814 BVerfGE 92, 26, 42. 815 Vgl. jüngst BVerfGE 95, 39, 46 ff., f. Art. 3 I GG, m. w.N. aus der ält.Rspr. Im Kontext mit Schutz-Eingriffen trotz fehlender gesl. Grdl. BVerfGE 85, 386, 401. S. a.o. V.4.a)aa)(c)(bb). 816 Vgl. BVerfGE 40, 141, 178 f.; 53, 164, 182; 55, 349, 362 f.; 57, 9, 23 f.; 66, 39, 59 ff.; 68, 1, 2 Ls. 3, 97; 84, 90, 128, u.H.a. E 40, 141, 178, sowie 66, 39, 61; 93, 248, 256 f.; EuGRZ 1997, 200, 201.
234 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
ohne Auslandsberührung unter dem Gesichtspunkt verringerter und erhöhter Kontrolldichte zu: Denn auch im deutschen Rechtsraum kann es Situationen geben, in denen "es rechtlicher Maßstäbe [ermangelt]" und in denen "es an allgemein anerkannten Erkenntnisverfahren [gebricht], die über eine Beweisaufnahme eine richterliche Überzeugung in der einen oder in der anderen Richtung zu begründen vermöchten". 818 In allen Fällen "einer notwendigerweise mit Ungewissheit belasteten Situation", sei es aus eher tatsächlichen (Risiken der Technik) oder eher (völker-) rechtlichen (Souveränität fremder Staaten) kann es daher nach der Rechtsprechung des BVeifG "nicht Aufgabe der Gerichte [sein], mit ihrer Einschätzung an die Stelle der dazu berufenen politischen Organe zu treten". Solche Fälle mögen allerdings häufiger bei Sachverhalten mit Auslandsberührung auftreten. Jedenfalls aus Gründen der Klarheit empfiehlt sich auch eine getrennte Behandlung von Ungewissheitssituationen inländischen und ausländischen Ursprungs. Die Parallelität beider Fallgruppen wird aber deutlich, wenn das BVeifG im Ersten Kalkar-Beschluss zur Begründung seiner Ablehnung eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts auf die "Kompetenz anderer oberster Staatsorgane" im Bereich weitreichender (politischer) Entscheidungen verweist, und dafür u. a. "wichtige außenpolitische Entscheidungen, wie etwa über die Aufnahme oder den Abbruch diplomatischer Beziehungen" anführt. 819 Ob die eingeschränkte Kontrolle bei Sachverhalten mit Auslandsberührung und bei außenpolitischen Zwängen schließlich tatsächlich (nur) eine Frage der Kontrolldichte darstellt oder nicht vielmehr (auch) eine materielle Seite aufweist, kann hier offen bleiben. Für eine eher materielle Sichtweise lässt sich immerhin anführen, dass das BVeifG auch im Zusammenhang mit der erforderlichen Bestimmtheit einer (Schutz-) Norm bei Sachverhalten mit Auslandsberührung insoweit Abstriche an seine sonstigen Anforderungen macht. 820
817 Zur u. U. umfassenden Nachprüfung der fehlerhaften Anwendung od. Nichtbeachtung vrl. Normen durch dt. Ger. zur Verhinderung od. Beseitigung einer vrl. Verantwortlichkeit ':~1. aber BVerfGE 59, 63, 89, u.H.a. E 58, 1, 2 Ls. 4, 34 f. Tend. gg. eine solche Uberprüfung aus Gründen d. weiten Ermessens insbes. d. BReg. im außenpoL Ber. sowie wg. fehlender institutioneller Vorkehrungen i.d. ggw. VRordnung, namentl. einer intemat. Gerichtsbarkeit, aber BVerfGE 55, 349, 367 f. - letzteres trifft auf EG und EMRK jedf. nicht zu! 818 S. nur BVerfGE 49, 89, 90 Ls. 4 S. 2, 131. 819 A.a.O., 124 f. (125). 820 S. BVerfGE 56, 1 Ls. 2, 13 f. S.d.a.o., V.l.a)aa).
A. Die Rechtsprechung des BVerfG
235
6. Wahrung der Verantwortung für den Staatshaushalt als weitere Begrenzung der Kontrolldichte
Darüber hinaus wird die Kontrolldichte in Bezug auf den Einsatz von Haushaltsmitteln als Schutzmittel durch die Verantwortung für den Staatshaushalt als Ganzes beschränkt. 821 Gesetzgeberische Regelungen müssen insoweit - "auch unter Berücksichtigung von Kostenfolgen" - mit dem Rang und der Dringlichkeit anderer Staatsaufgaben in Einklang stehen. 822 Das Staatshaushaltsargument dürfte im Übrigen strenggenommen einen weitaus größeren Anwendungsbereich haben als ihm gemeinhin zuerkannt wird: Nicht nur die direkte Verwendung von Steuergeldem bzw. die Verschonung von Steuern beeinflusst den Staatshaushalt, sondern auch jegliche Wirtschaftsregulierung, die für die Unternehmen Kostenfolgen zeitigt und deshalb wiederum zu Steuermindereinnahmen beim Staat führen kann. Diese Bemerkung mahnt zugleich zur Vorsicht beim Umgang mit dem Staatshaushalts-Topos, ließe sich ansonsten doch jegliche wirtschafts(verwaltungs)rechtliche Schutz-Regelung, die "die Wirtschaft" belastet, als nicht geboten hinstellen. 7. Experimentelle Gesetzgebung als Grund für eine weitere Beschränkung der Kontrolldichte
Schließlich ist die Kontrolldichte nach der Rechtsprechung des BVerfG auch dann weiter eingeschränkt, wenn der Gesetzgeber eine sog. experimentelle Gesetzgebunl 23 betreibt. Für zeitlich und örtlich begrenzte "Test-Gesetze" kann der Gesetzgeber nämlich eine "erheblich größere Gestaltungsfreiheit" in Anspruch nehmen, weil er gerade darauf angewiesen ist, durch den Erlas solcher Gesetze und ihre Anwendung Erfahrungen zu gewinnen. 824 Das ist zwar nicht unbedingt ein Charakteristikum der Schutz821 Vgl. BVerfGE 92, 26, 47. S.a. 33, 303, 333; 39, 316, 326; 75, 40, 68; 87, 1, 35; 90, 107, 116 f.; 128, 141; 98, 288, 305 f. (305), 308, m.w.N. S.d.a.o., V.4.a)aa)(l)(a). 822 Vgl.d.zul. etwa BVerfGE 98, 169,201, m.w.N. 823 Zum Begr.d. "Experimentiergesetzes" im - ausdr. - Schutzpflicht-Zushg. (Art. 20 I 2 sächsV) s.a. jüngst sächsVfGH, NVwZ-RR 1998, 345, 349; BVerwG, DÖV 1999, 911, 914 Sp. 2 - Sommersmog. Das BVeifG verwendet ihn jedf. sow.ersl. - in diesem Zushg. nicht. 824 Vgl.d. nur allg. BVerfGE 57, 295, 324, u.H.a. E 54, 173, 202, m.w.N. Die dortigen Erwägungen zum notwendigen "zeitliche[n] Anpassungsspie1raum" d. Gesetzgebers bei "komplexen, in der Entwicklung begriffenen Sachverhalten", der dazu führt, "daß seine Regelungen erst dann verfassungsrechtlich zu beanstanden sind, wenn er trotz ausreichender Erfahrungen und Erkenntnisse eine sachgerechte Lösung unterläßt", finden sich ähnl. a. in den "klassischen" Schutzpflicht-Fällen BVerfGE 56, 54, 82; BVeifG, NJW 1983, 2931, 2931; 1987, 2287, dort jew.
236 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
pflicht, doch finden "Gesetzgebungsversuche" gerade auch in komplexen, wissenschaftlich noch nicht endgültig geklärten Problembereichen statt, die häufig genug schutzpflichtentypisch sind. 825 Allerdings folgt aus der Rechtsprechung des BVeifG auch, dass das Experimentieren nicht schrankenlos und vor allem nur unter Berücksichtigung der Eigenart des auf dem Spiel stehenden Rechtsguts zulässig ist. 826 8. Unterschiedliche Kontrolldichte bei Abwehr- und Schutzrechten?
Trotz der weiter oben dargestellten unterschiedlichen verbalen Näherungsversuche des BVeifG an die Bestimmung einer zutreffenden Kontrolldichte in Schutzpflicht-FäHen lässt sich mit guten Gründen bestreiten, dass es in der Sache einen relevanten Unterschied zu Abwehrrechts-Fällen gibt: 827 Neben den Fällen der soeben erwähnten, nicht unbedingt schutzpflichtentypischen experimentellen Gesetzgebung wird in einer Reihe von Entscheidungen der unter Umständen sehr weite Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers betont, der dann entweder zu einer Verfassungsmäßigkeit vorgenommener oder unterlassener Schutz-Eingriffe führt. 828 Im Übrigen bezieht sich das BVeifG regelmäßig auf seine allgemeine Rechtsprechung zur Kontrolldichte bei der Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen, auch wenn es in concreto - jedenfalls in der Diktion des BVerfG - um Schutzpflicht-Fälle geht. 829 Allerdings soll hier auch nicht verschwiegen werden, dass das BVeifG in einem jüngeren Beschluss gerade erst wieder versucht hat, einen grundi.Z.m.d. Evidenzkontrolle (s.a.o., l.c)). S. a. allg. BVerfGE 16, 147, 188; 50, 290, 335 f.; 85, 80, 90 f., jew.m. w.N. 825 S. vor.Fn. 826 Dez. gg. "Experimente ... bei dem hohen Wert des zu schützenden Rechtsguts" Leben z.B. BVerfGE 39, 1, 60. 827 Vgl. etwa die Zusammenstellung in BVerfGE 50, 290, 333 f. Bes.deutl. zur Gestaltungsfreih. d. Gesetz- u. - i. R.d. gesl. Ermächtigung - a.d. Verordnungsgebers "im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung" (i. e. Eingriff in Art. 12 I 1 GG durch eine lebensmittelrl. Berufsausübungsregelung), s. nur bspw. BVerfGE 53, 135, 145, m. w. N. In diesem Fall ging es um eine durchaus schutzpflichtentyp. Konstellation, näml. den Schutz d. ("flüchtigen", 146, Afz. i.O.) Verbrauchers vor Täuschung, so dass der Entsch. - a. wenn sie den Terminus "Schutzpflicht" nicht ausdr. verwendet - entnommen werden kann, dass die Kontrolldichte hinsl.d. Prüfung eines "SchutzEingriffs" am Maßstab d. AbwehrR u. d. Prüfung unterlassener Schutzmaßn. ident. ist. Dazu sog!. 828 Vgl. nur BVerfGE 47, 327, 381; 83, 130, 141 f. (u.H.a. E 49, 89, 131 f.); 87, 363, 385 ff. S.a. BVerfGE 56, 298, 315. 829 S. nur BVerfGE 53, 30, 61, u.H.a. E 18, 85, 92 f.; 32, 211, 316- GrabsteinVertreter; 42, 143, 148 f.; 49, 304, 314. S.a. noch BVerfGE 84, 372, 379- Werbeverbot f Lohnsteuerhilfevereine.
A. Die Rechtsprechung des BVerfG
237
legenden Unterschied zwischen Abwehrrecht und Schutzpflicht darin auszumachen, dass "das Abwehrrecht in Zielsetzung und Inhalt ein bestimmtes staatliches Verhalten fordert, während die Schutzpflicht grundsätzlich unbestimmt ist". 830 Die Entwicklung bleibt also abzuwarten. 831 Immerhin hat das BVerfG jüngst auch erwogen, dass schutzpflichtrelevante Eigentumsbeeinträchtigungen dann "unerheblich" seien, wenn diese auch im Rahmen einer gesetzlichen Inhaltsbestimmung hingenommen werden müssten. 832 Ob diese Erwägung nur einen grobrastemden Erstrechtschluss darstellt, ist unklar. Schließlich scheint das Gericht aber auch offen für eine intensivere, umfassende Prüfung einer Schutzpflicht-Verletzung zu sein, jedenfalls wenn die Beeinträchtigung "schwer wiegt". 833 9. Kontrolldichte als zutreffender Ansatzpunkt?
Nicht eindeutig ergibt sich schließlich aus der Rechtsprechung des BVerfG, ob die - wie auch immer geartete - Begrenzung der gerichtlichen Prüfung wirklich eine Frage der (formellen) Kontrolldichte oder aber der (materiellen) Schutzpflicht bzw. des Schutzanspruchs selbst ist, mit anderen Worten: ob Handlungs- (oder allgemeiner: Verhaltens-) und Kontrollnorm auseinanderfallen oder nicht. 834 Angesprochen ist damit zum einen die Kontrollfunktion des Rechts i. S. d. Möglichkeit gerichtsförmiger Überprüfung von Verhalten und zum anderen dessen Bestimmungsfunktion i.S. einer regulativen, aber nicht (notwendigerweise) justizmäßig effektuierbaren Steuerung eben dieses Verhaltens. Auf die Frage, ob Handlungs- und Kontrollnorm in diesem Sinne auseinanderfallen (sollten), ist - deshalb unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur - weiter unten noch näher einzugehen. 835
BVerfGE 96, 56, 64. Zur ("fallbezogen[en]") Flexibilität d. Kontrolldichte d. BVerfG s. jüngst BMJ, S. 135. Vorhersagen sind nicht zu!. desh. naturgemäß prob!. 832 BVerfG, UPR 1998, 341, 342, u.H.a. Schwerdtfeger, NVwZ 1982, 5, 8. Dies wurde indes offen gelassen u. ohnehin nur sehr vorsichtig formulierend in die Argumentation eingebracht ("Insoweit könnte gelten, ... "). Krit.d. v.Hippel, NJW 1998, 3254 f. 833 So BVerfG, AfP 1998, 500, 501 f. 834 F. eine Beschränkung d. mat. Schutzanspr. lässt sich z.B. BVerfGE 77, 170, 215, anführen. Dagg. wohl BVerfGE 88, 203, 262 f. Unklar BMJ, Entlastung, S. 134, 137 m. w.N. 835 S.u.u. B.II.2.q). 830 831
238 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht 10. "Abwägungsfehler1ehre"?
Jedenfalls in Bezug auf die Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen, in denen die Gerichte auf der Grundlage von Generalklauseln bestimmte Schutzmittel angeordnet haben, deutet sich in jüngster Zeit schließlich und endlich die Anwendung einer Art "Abwägungsfehlerlehre" durch das BVerfG an: 836 Steht dem Fachgericht ein weiter Abwägungsspielraum zu und hat es diesen in seiner Weite - nicht einmal in seiner Existenz als solcher (sog. Abwägungsausfall) - verkannt, so hebt das BVerfG die jeweilige Entscheidung auf, weil nicht auszuschließen sei, dass das Gericht bei zutreffender Erkenntnis der Weite seines Spielraums zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. 837 Eine Übertragung auf den Gesetzgeber oder die Verwaltung als Schutzpflichtadressaten hat bisher - soweit ersichtlich noch nicht stattgefunden, so dass nicht abzusehen ist, ob sich mit dieser "Abwägungsfehlerlehre" eine vollkommen neue Kontrollart eingebürgert hat oder nicht. 838 Immerhin hat das BVerfG kürzlich eine derartige Kontrolle auch im Hinblick auf eine "Legalplanung" vorgenommen: 839 Hier müsse der Gesetzgeber den für die Regelung erheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig ermitteln, anband dieses Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrundelegen sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise gegeneinander abwägen. 840 Auch wenn es sich hier um die Sondermaterie "Planung" handelt, bleibt eine Übertragung auf andere Bereiche gesetzgebensehen Handeins doch nicht ausgeschlossen. Dem soll hier aber nicht mehr weiter nachgegangen werden.
836 Insow. eine Parallele zur verwgerl. Rspr. zur Kontrolle d. planer. Abwägungsgebots ausmachend jetzt a. Schulze-Fielitz, JZ 1998, 1119. 837 BVerfGE 96, 56, 65 f. Ähnl., wenn a. nicht im ausdr. Schutzpflicht-Kontext, f. den Fall eines "übersehene[n] Abwägungsgesichtspunkt[s]", also d.S.n. f. einen "Abwägungsausfall" BVerfGE 95, 28, 38. 838 Zu "prozeduralen Anforderungen an den Gesetzgeber" unter Betonung eines prinzipiellen Gleichlaufs v. Maßstab u. Kontrolle bei Abwehr u. Schutz s. nur Steinberg, NJW 1996, 1989. (Nur) Rechtspol. (krimina1pol.) im Ber.d. (StrafR-) Gesetzgebung dafür bspw. l.agodny, S. 512, 519, 521 ff., m.z.N. aus der ä1t.Lit. u. Rspr., der die (eher weiche) "Richtlinienfunktion" d. GRe heranziehen will (S. 527 ff.). 839 BVerfGE 95, 1, 22 f.- Südumfahrung Stendal-1, m. w.N. 840 A.a.O., 23.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
239
"Vorsicht bei Instanzen, deren Namen auf -schutz endet. Den Naturschutz mag der Verständige noch willkommen heißen. Der Datenschutz mag ihm unerheblich, allenfalls lästig vorkommen, doch schon mit dem Verbraucherschutz tritt er in die Welt der Betreuung ein; Betreuung, das ist nach Sternherger derjenige Terror, für den der Terrorisierte noch dankbar zu sein hat. Öffentlich bezahlte oder bezuschußte Vormünder regieren die Münder der andem - freundlich redend, nicht barsch befehlend, eher Angst als Schrecken verbreitend, immer der Erkenntnis folgend, daß die Mündigkeit des Bürgers sich in einem frag- und gedankenlosen Gehorsam bewährt. Ganz finster kann's beim Ehrenschutz werden, erst recht beim Jugendschutz, wo sich der Haß auf die freie Regung mit dem Mantel der Moral schmücken kann. Wer schützen will, muß regulieren; oft notwendig und recht; oft überflüssig, nicht selten niederträchtig". Johannes Grosi41
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Haltung der Literatur im Überblick I. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte 1. Landesverfassungsgerichte
Auch die Landesverfassungsgerichte haben im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG Schutzpflichten für Grundrechte ihrer jeweiligen Landesverfassungen anerkannt: Eine Ableitung erfolgt ebenso wie beim BVerfG aus der objektivrechtlichen Seite der einschlägigen Garantien. 842 Übernommen wird auch die Rechtsprechung des BVerfG zur (grundsätzlich) weiten Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative insbes. des (Landes-) 841 Notizbuch Johannes Gross. Vorletzte Folge. Neunundachtzigstes Stück. Mantel der Moral, F.A.M. H. 950 v. 15.5.1998, 26, III. 842 Vgl. nur bayVfGH, UPR 1986, 185 Sp. 2; NJW 1987, 2921 Ls. 2, 2922 Sp. 2; NVwZ 1990, 553, 553 f.; NVwZ-RR 1998, 273, 273 f. - Datenschutznovelle = CR 1998, 396, m.(krit.)Bespr.-Aufs. Bull, ebd., 385; bbgVeifG, LKV 1999, 453 f.; hessStGH, LKV 1991, 41 f. - Aktionsprogramm Hessen-Thüringen ("Schadstoffreduktionssystem"); sächsVfGH, LKV 1996, 273, 278 f., 286 f.; NVwZ-RR 1998, 345, 349 Sp. 2. S. a. noch bwStGH, ESVGH 24, 12, 17 - Krankenversorgung u. Kember. akadem. Selbstverw.; hessStGH, EuGRZ 1997, 213, 217 Sp. 1. Zu den "unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung" vgl. berlVfGH, NJW 1993, 513, 515 Sp. 1 -Dauer d. U-Haft bei nicht zur Veifügung stehenden ausl. Zeugen; 1994, 436, 439 Sp. 2.
240 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Gesetzgebers. 843 Angesichts des hier zu konstatierenden Gleichlaufs von Bundes- und Landesgrundrechten als Basis für objektive Schutzpflichten und subjektive Schutzrechte 844 braucht auf die Einzelheiten dieser Rechtsprechung nicht mehr näher eingegangen zu werden. 845 2. Fachgerichte
Die Fachgerichte 846 folgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - soweit ersichtlich - ausnahmslos. Das gilt auch und gerade für das BAG, das sich bekanntlich früher 847 in der Drittwirkungsfrage zumindest verbal 848 vom BVerfG abgesetzt hatte. 849 Gerade aus seinen jüngeren Entscheidungen wird mittlerweile abgeleitet, dass das Gericht damit einen "ganz neuen Weg" beschreite, dass insbes. nicht mehr von einer unmittelbaren Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte ausgegangen werde. 850 Die damit angestoßene Diskussion soll hier indes nicht weiter vertieft werden - sie befindet sich derzeit im Fluss. Unter Rückgriff auf die weiter unten ausführlich darzustellende Rechtsprechung von EuGHMR und KomMR 851 entscheiden auch die Verwal843 S. nur bayVfGH, UPR 1986, 185, 185 Sp. 2, NVwZ-RR 1998, 273, 274 Sp. 1; hessStGH, LKV 1991,41,41 Ls. 5, 42; EuGRZ 1997, 213, 217 Sp. 2. 844 S. nur sächsVfGH, LKV 1996, 273, 286 Sp. 2 (grl. Schutzanspr.), 283 Sp. 1 (objekti vrl. Schutzpflicht). 845 Zu mögl. Konfliktfallen zw. Bundes- u. Landesgrundrechten vgl. indes Dreier-Dreier Art. 31 Rn. 54. 846 Abw. Begriffswahl bei Diederichsen, AcP 198 (1998), 174 Fn. 6 ("Instanzgerichte"). Das BVerfG als "Fachgericht für Verfassungsrecht" (ähnl. Bettermann, F.A.Z. Nr. 297 v. 20.12.1996, 13; abw. lsensee, JZ 1996, 1085, 1089) ist jedf. nicht gemeint. 847 Die zwztl. Rspr.-Änderung auslassend K. Odendahl, JA 1998, 935 f. Ausf. zur (früheren u. jüngeren) Rspr.d. BAG C.J. Müller, S. 125 ff. 848 S.d. nur die Hinw. bei Dreier-Dreier Vorb. Rn. 59 Fn. 248. 849 S. etwa BAG, DB 1996, 2183, 2184- Verlängerung d. Kündigungsmöglichkeiten d. EV; BB 1997, 2274, 2275 Sp. 1 -Altersgrenze 65; DB 1998, 1420, 1421 f.(Einzelvertragl. vereinbarte) Tarijl. Altersgrenze v. 60 Jahren f Flugingenieure; 1422, 1423 - Abw. tarifl. Altersgrenze v. 55 Jahren f Flugzeugführer mit Verlängerungsoption bis 60 (insow.n.abgedr.). S.a. BAG, NZA 1997, 647, 650, 651, jew. Sp. 1 - Transferentschädigung i.d. DEL (Fall Torsten Kienass) - ganz ähnl. OLG Oldenburg, U.v. 25.9.1998 - 11 U 18/90- n.n.v., S. 8 f. d.Umdr. -Keine Ablösesummen f (Vertrags-) Amateure (Tura Melle/VfL Osnabrück), best.d. BGH, U.v. 27.9.1999 - II ZR 305/98 - n.n.v.; ArbG Dortmund, EzA § 611 BGB Berufssport Nr. 10, S. 3 - Fall Stefan Klos (§ 11 DFB-Mustervertr.). S. a. noch BGH, NJW 1997, 3089, 3089 Sp. 2 - Keine geltungserhaltende Reduktion f sittenwidriges Wettbewerbsverbot (Tierarztpraxis), m.z.N., sowie OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1996, 110 f., u. LG Hanau, U.v. 30.4.1998- 7 0 1459/97- n.n.v., S. 4 f. d.Umdr. 850 S. Bohl, F.A.Z. Nr. 270 v. 20.11.1998, 27, zur Flugingenieur- u. FlugzeugführerE.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
241
tungsgerichte in letzter Zeit häufiger über Ansprüche aus sog. positiven Pflichten, vor allem, aber nicht nur in ausländerrechtliehen Verfahren betreffend Abschiebungen und dergleichen mehr. 852 Die Entscheidungen des BVerwG zu Schutzpflichten sind Legion. 853 Einzelheiten können hier nicht referiert werden, 854 zumal die Rechtsprechung insgesamt keine einheitliche Linie fahrt, was hier nur am Beispiel des Schutzes von Ehe und Familie in den erwähnten Abschiebungsfällen aufgezeigt werden soll: Während in den einschlägigen Fällen mitunter eine Lösung einerseits über die Schutifunktion des Art. 6 I GG erfolgt, wird andererseits ein Eingriff in Art. 8 I EMRK angenommen, jedenfalls aber unterstellt, und eine "normale" abwehrrechtliche Prüfung vorgenommen. 855 Mitunter wird in einschlägigen Fällen auch in reichlich unklarer Weise sowohl auf Abwehrrechte als auch auf Schutzpflichten abgestellt. 856 Darüber hinaus kritisieren die Verwaltungsgerichte gelegentlich sogar einzelne (Kammer-) Entscheidungen des BVerfG -unter Zugrundelegung der Schutzpflicht-Konstruktion und gemessen daran - als nicht weitgehend genug, 857 auch wenn aus dieser Kritik (bisher) keine Konsequenzen gezogen werden. 858 S.u.u. Zweiter Teil, B.II.l., insbes. d)ee)(2)(e). Vgl. nur nrwOVG, NVwZ 1997, 512, 512 Sp. 2 - Visum f. gleichgeschlechtl. Lebenspartner; hessVGH, NVwZ 1998, 542- Duldung eines gleichgeschlechtl. Lebenspartners; ndsOVG, NVwZ-Beil. 711998, 65, 67, 69, jew. Sp. 2- Abschiebungsschutz u. religiöses Existenzminimum (Ahamdiyya); mvpOVG, NVwZ-Beil. 811998, 82, 83 Sp. 1 - Suizidgefahr als Abschiebungshindemis. S. aber a. bayVGH, InfAus1R 1998, 164, 165 f. (166)- Keine Aufenthaltserlaubnis!. gleichgeschl. Lebens851
852
partner.
853 S. nur aus jüngerer Zeit BVerwG, NJW 1993, 3002, 3003- Keine Klagebefugnis d. Patienten gg. Arzneimittelzulassungs-Widerruf; UPR 1996, 344, 346; NVwZ 1997, 1114, 1115 Sp. 2, m.w.N. -Aufenthaltserlaubnis!. dt.-verheirat. Ausl.; 1116, 1118 f. - Klagebefugnis d. Ehegatten im ausländerrl. Verf.; BayVBl. 1998, 759 f. Emissionsgrenzwert f. Cadmium; DVBl. 1998, 596, 597 Sp. 1 - Änderungsgenehmigung KKK-l/, m.krit.Anm. H. Sommer, ebd., 599 f. Demggü. i.H.a. Art. 8 I EMRK eine Eingriffsprüfung vornehmend BVerwG, NVwZ 1997, 1119, 1123 Sp. 1, m. w.N. - Schwerwiegender Ausweisungsgrund. Alternativ vorgehend BVerwG, DVBl. 1998, 722, 723 f. bzw. 724 f.; InfAus1R 1998, 276, 278 f. - "Aufenthaltssicherung durch Tochter"-/ u. -li; NVwZ 1998, 745, 748- Aufenthaltserlaubnisverlängerung aus familiären Gründen. 854 Aus der (veröff.) Rspr.d. OVG/VGH s.zul. etwa bayVGH, NVwZ 1998, 419, 420 Sp. 2 - Hochfrequenzanlage (Richtfunk- u. C-Netz-Systeme), betr. den sog. ESmog u. m.z.N. aus der Rspr.d. BVerfG. Weitere (zum damaligen Zeitpunkt erschöp-
fende) Nachweise aus d. einschl. verwgerl. (Schutzpflicht-) Rspr. zu diesem Thema bei P. Szczekalla, NdsVBl. 1997, 66 ff. 855 Vgl. etwa BVerwG, DVBl. 1998, 722, 723 f. bzw. 724 f.; InfAus1R 1998, 276, 278 f.; NVwZ 1998, 745, 748. 856 S. etwa BVerwG, UPR 1996, 344, 346 - Lärmgrenzwerte in Femstraßenplanung-1: "Diese Verpflichtung [i. e. die aus der grl. Schutzpflicht folgende, "sich durch geeignete Maßnahmen schützend vor den Einzelnen zu stellen", ps] trifft ihn {den Staat, ps] erst recht, wenn der Eingriff auf seinem eigenen Verhalten beruht". 16 Szczekalla
242 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Eine relativ frühe und - ganz in diesem Sinne - recht weitreichende Äußerung des BVerwG außerhalb eines bei ihm anhängigen Rechtsstreits sei hier schließlich noch erwähnt: Das BVerwG hat in seiner Stellungsnahme zur Ersten Kalkar-Entscheidung an sich bereits den sog. Gentechnik-Beschluss des hessVGH859 vorweggenommen, indem es zumindest die Möglichkeit anerkannt hat, dass die zuständigen Gerichte - notfalls im Wege verfassungskonformer Auslegung - die Genehmigung von Anlagen verböten, die völlig unvorhersehbare und untragbare Gefahren mit sich brächten. 860 Angesichts der vorhandenen, verfassungskonformer Auslegung zugänglichen einfachgesetzlichen Vorschriften brauchte allerdings nicht zu der Frage eines etwaigen verfassungsunmittelbaren Technikverbots bzw. eines verfassungsrechtlichen Erlaubnisvorbehalts (aus Art. 2 II 1 GG) Stellung genommen zu werden - ausgeschlossen scheint diese Möglichkeit jedenfalls nicht: Aus grundrechtliehen Gründen kann es nämlich erforderlich sein, eine bestimmte Anlage nicht zu genehmigen, das private Verhalten also zu verbieten: 861 3. Kontroversen im Gefolge des sog. Gentechnik-Beschlusses des hessVGH
Großes Aufsehen und bis heute862 anhaltende Kontroversen in Rechtsprechung863 und Literatur864 hat in diesem Zusammenhang insbes. eine EntSo hessVGH, ZUR 1998, 251, 253 ff.- Sommersmog. Insow.krit. Schulze-Fielitz, ZUR 1998, 257 f., 259 f. Die Rev.d. Kl. zum BVerwG war ebf. erfolglos, s. BVerwG, DÖV 1999, 911. 859 S.u.u. 3. 860 S.d. die Stellungn.d. 7. Sen., wiedergegeben in BVerfGE 49, 89, 123 ff. (123, 124). Ganz ähnl. BVerfGE 78, 290, 300. Zu dieser Möglichkeit s.a. Determann, S. 190, sowie AKU-Steiger 02/047 Rn. 163. 861 Etwa durch aufsichtsbehördl. Mittel gern. § 19 lli AtG, s. BVerfGE 78, 290, 300. Zur Anwendung d. polizeil. Generalklausel s. etwa Determann, S. 190 ff. 862 Nachdem ber. 1984 ein Antr. auf Genehmigung gestellt worden war, konnte die streitgegenständl. Anlage zur Herstellung v. Insulin erst im März 1998 (!) in Betrieb gehen, s. FR v. 17.3.1998; taz Nr. 5484 v. 17.3.1998, 8; WELT v. 18.3.1998. Zur Geschichte d. Gentechnik-Regulierung s. Gill/Bizer/Roller, S. 61 ff., m.z.N. 863 Dem hessVGH (d.S.n. f. den "E-Smog") folgend VG Gelsenkirchen, ZUR 1993, 119, 120 ff. - Mobilfunk (C- u. D I-Netz: 122 f., m.Bespr. Murswiek, JuS 1993, 1067 ff. - aufgehoben durch nrwOVG, NVwZ 1993, 1115. S.d. - jew.abl.a. Ossenbühl/Di Fabio, S. 36 ff.; 43 ff.; Determann, S. 26 ff., 117, 196 f., 211 ff., 262; dens., NVwZ 1997, 648 Sp. 1; P. Szczekalla, NdsVBl. 1997, 70 f., insbes. 71 Fn. 77; Kremser, DVBl. 1997, 1361, 1364 f.; dens., JZ 1997, 898 f., jew.m.z.N. aus Rspr. u. Lit. Die Situation d. Gentechnik vor Erlass d. GentechnikG als nicht zu verallgemeinemden Sonderfall ansehend ndsOVG, NVwZ 1995, 919- Mobilfunk (C- u. D 1Netz/Cityruf- u Modacomanlage; hessVGH, NVwZ 1995, 1010 Ls. 3, 1014 f. -Mo857
858
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
243
scheidung des hessVGH, der "berühmt-berüchtigte" sog. Gentechnik-Beschluss, 865 ausgelöst, der nicht zuletzt deshalb einer näheren Betrachtung lohnt, weil er zum - soweit ersichtlich - ersten Male in der gerichtlichen Praxis die bisher radikalsten denkbaren Konsequenzen aus der Annahme von Schutzpflichten gezogen hat. 866 Der VGH nahm nämlich ein von Verfassungs wegen gefordertes Technik-, ein Betriebs- und Investitionsverbot für gentechnische Arbeiten an, für die zum Entscheidungszeitpunkt kein (Spezial-) Gesetz vorhanden war und für die ihm das - anwendbare - (allgemeine) BlmSchG und die 4. BlmSchV nicht ausreichten. 867 Angesichts des von ihm konstatierten Gefahrenpotentials868 sei eine besondere gesetzliche Regelung, also quasi eine Zulassung durch Gesetz, erforderlich. Deren Fehlen löse eine Schutzpflicht aus Art. 2 II 1 GG aus, welche auf Seiten der klagenden Nachbarn mit einem entsprechenden Genehmigungsabwehranspruch bewehrt sei.
hilfunk (C- u. D 1-Netz)/"Faktor-10-Rspr. "; ZUR 1995, 205 Ls. 3, 208- Mobilfunk (D 1-Netz)/"Faktor-10-Rspr. ", jew.m. w.N. Anders a. u. mit ähnl. Begr. die Vorinstanz zum GentechnikB d. hessVGH, das VG Frankfurt a.M., NVwZ 1989, 1097,
1099 Sp. 1 (keine mit der Atomenergie vergleichbare Gefahrensituation). Ausdr. gg. die Position d. hessVGH VG Neustadt, NVwZ 1992, 1008, 1010 Sp. 1 - Tumornekrosefaktor (TNF)- Pharmaprotein. Zur Schutzpflicht-Erfüllung durch das GentechnikG s. noch VG Gießen, NVwZ-RR 1993, 534, 535 Sp. 2- Erythropoietin (EPO). 864 Aus der nahezu unüberschaubaren Lit. s. nur zust. Braczyk, S. 7, 67 ff., 120, 128, 133, 153. Im Grds.a. Determann, S. 117, 196 f., 208 ff. (210), 262, jew.m. w.N. Abl. (u. z. T. sehr krit.) Deutsch, NJW 1990, 339; Fluck, UPR 1990, 81 ff.; M. Rose, DVBI. 1990, 279 ff.; Rupp, JZ 1990, 92; Send/er, NVwZ 1990, 231 ff.; Vitzthum, VBIBW 1990, 48 ff.; Wahl/Masing, JZ 1990, 553 ff., insbes. 554 f.; Preu, JZ 1991, 265 ff.; Scho/z, in: Franßen, Sendler-FS, S. 96 ff.; H. Dreier, Jura 1994, 513 m.Fn. 110; Holoubek, in: Grabenwarter u.a., S. 69; Pietrzak, JuS 1994, 753 Sp. 1; Schmidt-Preuß, S. 71 ff.; Kluth, JA 1995, 195; Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 26, jew.m. w.N. Diff. Kloepfer, in: Badura/Scholz, Lerche-FS, S. 755 ff. (insbes. 763 f.); Borowski, S. 277 ff. (insbes. 278 m.Fn. 193 u. w.N.). 865 NJW 1990, 336 ff. = DVBI. 1990, 63 ff. = NVwZ 1990, 276 ff. = JZ 1990, 88 ff. = ESVGH 40, 119 ff. 866 Dazu, dass diese aber ber. i.d. Stellungn.d. 7. Sen.d. BVerwG vor dem BVeifG angelegt waren, s.o., Fn. 860. F. Öst. u. das Recht d. EMRK d.S.n. ebenso Schlag, ÖJZ 1992, 54 Sp. 2. 867 Das ist der eigentl. Kern d. Streits um diese Entsch., nicht etwa die (grds.) Möglichkeit eines Technikverbots aus GRen (s.vor.Fn.). Der Streit wird desh. u. a. v. Braczyk, S. 7, 67 ff., 120, 128, 133, 153, ein wenig überschätzt, wobei v. niemandem ausdr. vertretene Extrempositionen gleichsam aufgebaut werden, um sie sodann einer (vernichtenden) Kritik unterziehen zu können, vgl. P. Szczekalla, DVBI. 1997, 80 Sp. 2. Zur - entgg. gesetzten - Technik(/Markt)ermöglichungsfunktion d. (Umwelt- u. Technik-) Rechts s.a. Kloepfer, NuR 1997, 417 f. 868 Zur Krit. a.d. insow. nur u. rein abstrakten statt konkreten Risikobewertung durch den hessVGH s. Schmidt-Preuß, S. 72 m. w. N. Ähnl. Determann, S. 210. 16*
244 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
II. Die Haltung der Literatur 1. Zustimmung im Grundsatz
Im Grundsatz hat die Rechtsprechung des BVerfG vom weitaus überwiegenden Teil der Literatur Zustimmung erfahren. 869 (Harsche) Kritik wird demgegenüber von Teilen der Literatur häufig nur am konkreten Ausgang einzelner Schutzpflicht-Verfahren geübt. 870 Abgesehen davon wird aber ohne weiteres von den "pragmatischen Ergebnissen der Rechtsprechung des BVerfG" als "weitgehend anerkannt" ausgegangen. 871
Die Zustimmung im Grundsatz gilt jedenfalls für die Anerkennung des Bestehens von Schutzpflichten überhaupt. Deren gerraue Begründung wird indes immer noch durchaus unterschiedlich vorgenommen. 872 Gelegentlich deutet sich in diesem Zusammenhang und in einzelnen Stellungnahmen sogar eine Art Paradigmenwechsel an, wenn etwa Schutzpflichten von der gesamten Staatsgewalt eine "vorbeugende Verhinderung von Grundrechtsverletzungen" verlangen sollen, und zwar nicht nur bei drohenden Grundrechtsgutbeeinträchtigungen durch einzelne Private, sondern auch bei drohenden Grundrechtsverletzungen vonseiten des Staates selbst. 873 Verzeichnet wird eine Tendenz, zumindest immer mehr der modernen, über die "klassischen" hinausgehenden Grundrechtsfunktionen unter dem Schutz869 Vgl. nur Erichsen, Jura 1997, 85 ff. m.z.N.; Koch, DV 30 (1997), 12 ff. (12); Sommermann, S. 419 ff., jew.m. w. N. Zu "grob" insow. die Gegenüberstellung v. "zwei Extrempositionen" bei Determann, S. 119 f. (zugestanden ebd., 122). Krit. aber Heun, S. 66 ff.; H.A. Hesse/Kauffmann, JZ 1995, 222 (aus rechtssoziolog. Sicht - zust. Diederichsen, AcP 198 [1998], 259); Enders, Der Staat 35 (1996), 353 ff.; Starck, in: Heyde/Starck, S. 26; ders., VVDStRL 57 [1998], 103 f.; 281, 282; Windel, Der Staat 38 ( 1998), 385 ff. (insbes. 389 ff., 392); Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 46 ff., 54, 78 ff., 82, 88, 94 f. (krit.d. Canaris, PrivatR, s. 11 ff., 51 ff.). 870 S. nur Schlette, JZ 1996, 335 Fn. 88, der BVerfG, NJW 1996, 651 -Sommersmog-/, f. "schwer nachvollziehbar" hält; ebenso ("korrekturbedürftig") Wollenteit! Wenzel, NuR 1997, 60 Sp. 1, pass.; Murswiek, JuS 1998, 185 Sp. 1; Schulze-Fielitz, ZUR 1998, 259 Sp. 2, m. w.N. Zu BVerfG, NJW 1995, 2343- Promillegrenze, ganz ähnl. der Bf. (!), Eike v. Hippe[, RuP 1995, 170 f., der die Entsch. als "bedauerlich" u. "schwer verständlich" kritisiert (vgl.a. dens., F.A.Z. Nr. 225 v. 27.9.1995, 14 [LB], zu Kraft, F.A.Z. Nr. 218 v. 19.9.1995, T 3). 871 S. Schlette, a. a. 0., 332 m. Fn. 59. 872 Vgl.d. Buhck, S. 130 f., m.w.N. 873 Pieroth/Schlink 12 Rn. 92 (H.i.O.) - s.a. dies. Rn. 88, 92, 406; Eilers/Heintzen, RIW 1986, 621 ff.; Heintzen, S. 141. S.a. K. Stern, StaatsR III/1 § 76 IV 5 a S. 1574; Enders, AöR 115 (1990), 628; Schlink, OULR 39 (1992), 56; Sass, S. 403; Gersdorf, AöR 119 (1994), 423; Determann, S. 163; Unruh, S. 20; Tettinger, S. 129; Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 207; Kneihs, JBI. 1999, 82. Ganz ähnl. BVerwG, UPR, 344, 346. A.A. aber Windthorst § 4 Rn. 25.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
245
pflichtkonzept zusammenzufassen. 874 Das Schutzpflichtkonzept gewinne so sogar Konturen, wenn es auf die "klassische" Funktion der Grundrechte, Verletzungen abzuwehren, zurückbezogen werde. 875 Vergleichbares gilt für die Feststellung, dass die Schutzpflicht "durchaus nicht auf solche Grundrechtsbeeinträchtigungen beschränkt [ist], die aus seiner [der staatlichen, ps] Sphäre stammen". 876 Damit wird der Sache nach eine logische Priorität der Schutzpflichten vor den Achtungs- und Unterlassungspflichten und dem entsprechenden Abwehrrecht postuliert. Dieser Paradigmenwechsel kommt auch darin zum Ausdruck, dass ideengeschichtlich eine Priorität des Staatsziels Sicherheit i.S. eines Schutzes der Bürger voreinander behauptet wird. 877 Die Schutzfunktion erscheint demnach als die ursprüngliche(re) Grundrechtsfunktion, aus der sich dann für einen Spezialfall, nämlich den Grundrechtseingriff, die Abwehrfunktion ergibt (Eingriffsabwehr als intensivste Form des Schutzes). 878 Jedenfalls soll die grundrechtliche Schutzpflicht das "Dach " 879 bzw. den zentralen Begriff aller objektivrechtlichen Gehalte der Grundrechte, 880 zumindest aber das "Gravitationszentrum" der aktuellen Diskussion um objektivrechtliche Grundrechtsgehalte darstellen. 881 So soll sich zwar die "grundrechtliche Funktion" des Veifahrens "kategorial ... eigenständig ... erfassen" lassen, "der Sache nach aber [nur] einen Unteifall zur Schutzpflicht" darstellen. 882 Das entspricht genau der Diktion des BVeifG, das von Vgl. Pieroth/Schlink Rn. 90. Pieroth/Schlink Rn. 92. 876 So etwa Tettinger, S. 130. 877 S. nur Di Fabio, Jura 1996, 567 Sp. 1, der v. "tatsächlichen Schutz vor Bedrohungen aus der gesellschaftlichen Sphäre" als einer "Schutzaufgabe erster Ordnung" spricht, und f. den der "durch rechtliche Begrenzung zu erfüllende ... Schutz vor dem schutzspendenden Staat" (nur) eine "Aufgabe zweiter Ordnung" ist. S. a.u., Fn. 890. 878 Vgl.d. schon BVerfGE 6, 55, 76. Abi. aber Cremer, S. 245 ff.: Keine "Dominanz der Schutzpflicht bei Gleichzeitigkeit von Eingriff und Schutzpflichtverletzung" (247 ff. [247]), 249. Krit.a. Merten, S. 21. 879 So Kingreen, S. 189. 880 Grimm, Rückkehr, S. 234; ders., GG, S. 382. Fragend Böckenförde, Grdsnormen, S. 173, 182 Fn. 76- die Frage Böckenfördes aufgreifend u. mit einem unmissverständl. "So ist es!" beantwortend H.H. Klein, DVBI. 1994, 491 Fn. 38- bloß der Berechtigung d. Frage zust. Elbing, S. 100. Vgl.a. Badura, Herschel-FS, S. 34; dens., Eichenberger-FS, S. 490; H. Dreier, S. 48; dens., in: ders. Vorb. Rn. 63; Jarass, AöR 120 (1995), 352 f.; Rengeling, Langzeitsicherheit, S. 94 f.; Engels, AöR 122 (1997), 230; Spieß, S. 211; Pieroth/Schlink Rn. 90 a. E., 92. A.A. aber Windel, Der Staat 38 (1998), 390. Den Streit um die Begr. f. überflüssig haltend K. Korinek/Holoubek, S. 131 f. 881 So H. Dreier, Jura 1994, 512 Sp. 1. 882 S. vMIK-Kunig Art. 2 Rn. 69. S.a. Grimm, NVwZ 1985, 867 Sp. 2; Eilers/ Heintzen, RIW 1986, 622 f.; Lukes, in: Badura/Scholz, Lerche-FS, S. 788 ff., 799; 874
875
246 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
einer umfassenden Schutzpflicht ausgeht, die nicht nur - selbstverständlich - unmittelbare staatliche Eingriffe verbietet, sondern dem Staat auch gebietet, sich schützend und fördernd vor das Grundrechtsgut zu stellen. 883 Neu auftauchende oder als neu erkannte Problemlagen werden zudem regelmäßig mit den Schutzpflichten in Verbindung gebracht: So soll bspw. das "Schutzpflichtkonzept" eine "wesentliche grundgesetzliche Antwort" auf alle "Herausforderungen der Informationsgesellschaft" sein. 884 In jüngster Zeit mehren sich aber vereinzelt kritische Stimmen, welche die Schutzpflicht-Rechtsprechung und -Lehre als grundrechtliche Modeerscheinung bezeichnen und davon sprechen, dass die Figur der Schutzpflicht geradezu" verramscht" werde. 885 Wortspielerisch wird mitunter sogar "Schutz vor den grundrechtliehen Schutzpflichten" eingefordert 886 oder ihre Einstufung als "rechtliche Reservekategorie" vorgeschlagen. 887 Auch diese Bedenken möchte die vorliegende Arbeit ausräumen, indem sie den Anwendungsbereich der Schutzpflichten zugunsten der sog. klassischen Abwehrfunktion beschneidet bzw. auf das unerlässliche Maß zurückstutzt. Eine rationale, dogmatisch angeleitete Abarbeitung der vielen gegenwärtigen oder gegenwärtig erkannten (Grundrechts-) Probleme kann nur dann einigermaßen gelingen, wenn von der Schutzpflicht in der Tat nicht inflationär Gebrauch gemacht wird - auch hier gilt also das Gebot des Maßhaltens. Bevor dieser Weg beschritten werden kann, 888 muss indes die bisherige Schutzpflicht-wsung einer Binnenkritik unterzogen werden, die in Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Literatur auf die noch offenen Streitfragen und Einzelkritikpunkte einzugehen hat. Diese Vorgehensweise ist auch deshalb erforderlich, weil für die Übertragung des Schutzpflichtgedankens auf das Gemeinschaftsrecht889 im Rahmen der Ausfüllung einschlägiger allgemeiner Rechtsgrundsätze zunächst von der ständigen Rechtsprechung des Badura, in: Erichsen, Allg. VerwR § 33 Rn. 29; Klinge/Schlette, Jura I997, 645; Remmert, DV 29 (1996), 483 f. Wohl a. Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 208 f. Eine abwehrrl. Deutung d. Verfahrensteilhabe vornehmend dagg. Bethge, DVBI. I989, 84I, 850 Sp. I, m.w.N. Insow. f. eine eigenständige Kategorie demggü. H. Dreier, Jura I994, 5II f. 883 BVerfGE 39, I, I Ls. I S. 2, 42. S. a.o., A.III.2.b )aa). 884 So etwa F. Schach, VVDStRL 58 (1997), 206 ff., 2I5 Ls. IV.5.(22) = DVBI. I997, 1370 Sp. I. Vgl.a. Möstl, DÖV I998, I030 Sp. I; Th. Groß, JZ I999, 330 ff. (insbes. 327 Sp. I). 885 So Bethge, VVDStRL 57 (1998), I24. S.a. Di Fabio, NJW I997, 2864 Sp. I; Tettinger, DVBI. I999, 686 f. (687 Sp. 2). 886 So Diederichsen, AcP I98 (1998), 248 (zur eigentl. Einschlägigkeit d. Abwehrfunktion s. aber ebd., 200 Fn. Il6, 252). 88 7 So Di Fabio, Risikoentsch., S. 228. 888 S.u., C. 889 S.u., Zweiter u. Dritter Teil.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
247
BVeifG und der überwiegenden Meinung in der Literatur auszugehen ist. Eine Lösung, die sich davon in ihrer Konstruktion, wenn auch nicht unbedingt im Ergebnis unterscheidet, hat auf Gemeinschaftsebene realistischerweise jedenfalls keine Durchsetzungschance. Die eigene Lösung kann deshalb "nur" als weiteres, alternatives Angebot "nachgeschoben" werden. 2. Offene Streitfragen - Einzelkritik
Gestritten wird in der Literatur - bei aller Einigkeit im Grundsätzlichen allerdings weiterhin über Wichtiges und weniger Wichtiges. Zu letzterem darf man zunächst die "(Wieder-) Entdeckungsthese" zählen, d.h. die Annahme, dass die Schutzpflicht nur eine Wiederentdeckung einer viel älteren Grundrechtsfunktion darstellt. 890 Dazu gehört aber auch die Frage, ob der Sicherheit eine dienende Funktion in Bezug auf die (grundrechtliche) Freiheit zukommt891 und ob es ein - abstraktes - "Grundrecht auf Sicherheit" losgelöst von einzelgrundrechtliehen Garantien gibt. 892 Derartige Konstruk890 So v.a. lsensee, Sicherheit, S. 27; ders., Ambivalenz, S. 5, 8; ders., in: Franßen, Sendler-FS, S. 60; Hermes, S. 147; Bleckmann, DVBI. 1988, 940 f. (941 Sp. 2); ders., in: Beyerlin u.a., Bemhardt-FS, S. 310; H. Dreier, S. 27 ff. (32), 56 (diff. ebd., S. 50 m.Fn. 210); ders., Jura 1994, 512; Häberle, ERPL/REDP 8 (1996), 23; Ossenbühl, NuR 1996, 56 Sp. 2; Lagodny, S. 255; J. lpsen, StaatsR II Rn. 90, 92; Th. Groß, JZ 1999, 330 Sp. 1; Kühling, NJW 1999, 403 Sp. 2. Allg.f. den objektivrl. Ansatz Habermas, S. 305 f. F. ihren abwehrrl. Lösungsansatz ebenso dessen Anciennität betonend Schwabe, Probleme, S. 223 f., m. w. N., 238 f. u. - f Öst. - Griller, ZfV 1983, 10 ff. (zur EMRK: 12 f.); ders., JBI. 1992, 213 f. Dagg. dez. Preuß, Sicherheit, S. 40, 42 Sp. 2, der lsensee die Erfindung eines "Supergrundrechts" vorwirft; Starck, Schutzpflichten, S. 64. Dijf. Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 39, 88 m. Fn. 286; krit. ders., AcP 198 (1998), 171, 249, 252 m.Fn. 388. Unentschieden (im mdl.Vortr.) Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7, 15 ("jüngste - oder nach ihrem Schöpfer [gemeint ist Isensee] - älteste Grundrechtsfunktion" - s.M.), sowie Pietzcker, S. 345, 346. Insow. zw. Staatsaufgaben ("lange Tradition") u. grl. Schutzpflichten ("neuartig, gleichsam eine , verspätete' Funktion") dijf. Merten, S. 18. V. einer Gleichursprünglichkeit ausgehend etwa Haverkate, S. 216. 89t S. bbgVerfG, LKV 1999, 453 Sp. 1. 892 Dafür etwa Merten, S. 25; Pitschas, UTR 36 (Jb. 1996), S. 212; Giegerich, S. 27, 34. Auslöser dafür (u. - entgg. Elbing, S. 106 Fn. 152 - nicht etwa f. die Rezeption d. Schutzpflicht insges.) ist der Titel v. lsensees Berliner Vortrag aus dem Jahre 1982 "Das Grundrecht auf Sicherheit", s. ebd., 33 f. Vgl.a. die HabiLSchrift v. Robbers, Sicherheit, welcher der Sicherheit sogar die Qualität eines MR beimisst ("Sicherheit als Menschenrecht") - zust.insow. Bethge, DVBI. 1989, 848 Sp. 2; Karpen, JZ 1989, 899 Sp. 2. Einseitig-ideologisierende Krit. daran übt noch dazu in unangemessener Diktion Bendrath, pass. Sachlich dagg. Ress, VVDStRL 48 (1990), 92; Dietlein, S. 149 ff.; (151 f.); Haverkate, S. 216 f.; Schmidt-Jortzig, in: Theobald, S. 130. Zweifelnd J. lpsen, VVDStRL 48 (1990), 177, 179. Krit.a. Denninger, S. 48 f.; Garstka, DVBI. 1998, 990 Sp. 1; Canaris, PrivatR, S. 38 f. m.Fn. 91 a.E. F. Öst. abl. Berka, S. 63 Rn. 106.
248 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
tionen und Begriffs(neu)schöpfungen 893 sind regelmäßig dogmatisch nicht beim Wort zu nehmen, sondern wollen - und das durchaus mit Erfolg durch die Prägnanz der Formulierung die Aufmerksamkeit des (breiten, nicht nur Fach-) Publikums erheischen oder auf übergreifende Zusammenhänge von Problemen hinweisen (etwa im [deskriptiven] Sinne eines allgemeinen Teils [neuer] grundrechtstypischer Gefährdungssituationen). Die (praktische) Falllösung bringen sie indes nicht weiter. Solange sich die Probleme in die Einzelgrundrechte integrieren und aus ihnen heraus lösen lassen, besteht kein dogmatisches Bedürfnis für die Kreation neuer - ungeschriebener - Grundrechte oder die Synthese mehrerer Einzelgrundrechte in einem - problemadäquateren - "Supergrundrecht" auf irgendetwas. Der Beweis für die fehlende Integrationsfähigkeit und das Lösungspotential unserer, auf einzelgrundrechtliehen Gewährleistungen beruhenden Grundrechtsordnung ist bisher noch nicht erbracht. Deshalb macht es keinen Sinn, Schutzpflichten "dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes sowie dem ,Grundrecht auf Sicherheit'" zu entnehmen. 894 Ein solches angebliches Grundrecht sollte jedenfalls nicht aus der (rechts-) politischen Arena895 in die (rechts-) wissenschaftliche Auseinandersetzung gehoben werden. 896 In dieser bleiben jedenfalls genügend wichtige(re) Streitfragen offen, die eine nähere Erörterung lohnen, aber auch erforderlich machen: a) Das Verhältnis von Schutzpflicht und sog. Drittwirkung
Gestritten wird in der Literatur zunächst und v. a. über das Verhältnis von Schutzpflicht und sog. Drittwirkung. 897 Dabei ist in den letzten Jahren jedenfalls eine zunehmende Betonung der objektivrechtlichen Grundrechtsge893 Ähnl.: das "[Grund-} Recht auf spracht. Integrität" (s. das Vorbringen d.Bf. in BVerfGE 98, 218, 236 - BVerfG selbst offen gelassen [ebd., 261 f.]), od. das "[Grund-} Recht auf [Auto-] Mobilität" (vgl.d. ausf. u. m.z.N. zul. etwa Röthel, S. 189 ff., sowie den "Erfinder", Ronellenfitsch, z.B. in: EUDUR I § 84 Rn. 10 ff. [m.rvgl.Hinw. in Rn. 18 ff.]; abl. Koch/Jankowski, NuR 1997, 366 f.; diff. Ossenbühl, NuR 1996, 54 f.; zust. Bethge, VVDStRL 57 [1998], 22 f., sowie- a. aus eur. Sicht- Jürgensen, S. 31, 295 ff. [305 ff.], 313, jew.m. w.N.). 894 So aber Pitschas, UTR 36 (Jb. 1996), S. 181 (H.d.V.). Dagg. etwa Lagodny, S. 197 m. w.N. 895 S.d. die Äußerung d. damaligen stellv.Vors.d. SPD-BT-Frakt. u. heutigen BMI, Otto Schily, im Bundestagswahlkampf 1998, demzufolge das "Grundrecht auf Sicherheit gleichrangig mit [dem] Freiheitsrecht" sei, so der Titel einer AFP-Meldung, wiedergeg. z.B. im Remscheider GA v. 27.7.1998. Vgl.a. das Interview mit dems., Mainpost v. 26.8.1998. 896 S.a.u., j)bb) a.E. 897 S.d. etwa aus jüngerer Zeit v. Münch, S. 24 ff., m.z.N. Krit. zur Unterscheidung v. "Drittwirkung" u. "Schutzpflicht" als Lösungsvorschläge zur "Horizontalwirkung" d. GRe aber Rossen, in: Grabenwarter u. a., S. 49, 54 ff.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
249
halte, aus denen sich dann Schutzpflichten des Staates gegen private Beeinträchtigungen ergeben, zu verzeichnen. 898 Die einzelnen Meinungen, die mittlerweile in Bezug auf das Verhältnis von Drittwirkung und Schutzpflicht vertreten werden, sind indes nicht leicht bestimmten Gruppen zuzuordnen, weil die meisten Autoren insoweit keine klare Stellung beziehen oder "Phantompositionen" aufbauen, indem sie ältere Drittwirkungslehren in die neuere Zeit mit ihrer ausgiebigen (und ausdrücklichen) SchutzpflichtDiskussion transponieren. Zudem ist die Terminologie regelmäßig sehr uneinheitlich und unklar, 899 was eine Beantwortung der Verhältnisfrage "nicht leicht" 900 macht. Ob es sich bei dem Streit deshalb nur oder "eher" um eine "terminologische denn . . . sachliche Frage" handelt, 901 bedarf jedenfalls dringend der Klärung. Schließlich werden (zu) häufig auch Pauschalurteile über (angebliche) Anhänger einer unmittelbaren Drittwirkung gefällt, die einer - hier nicht zu leistenden - näheren Betrachtung nicht ohne weiteres standzuhalten vermögen. 902 Mit aller Vorsicht kann derzeit von folgendem Meinungsspektrum ausgegangen werden, wobei diejenigen Ansichten, die eine Drittwirkung ohnehin als eine ebenso überflüssige Kategorie ansehen903 wie die Schutzpflichten,904 als solche905 (vorerst) ausgeblendet bleiben sollen, zumal gelegentlich apodiktisch behauptet wird, dass die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung in der Bundesrepublik "faktisch geltendes Recht" sei,906 während andere es zumindest für nicht ausgeschlossen halten, alle Drittwirkungsfragen entweder abwehr- oder schutzrechtlich zu konstruieren: 907
So a. Griller, JBI. 1992, 205 Sp. 2 (s.a. ebd., 215 f., m.z.N.). S. Diederichsen, AcP 198 (1998), 199 f. Fn. 116. Zum kategorialen Probl.d. Disk. (handlungs- od. system- u. strukturtheoret.) ebd., 204 f., 210 f. 900 So v. Münch, S. 27. Ähnl. Dreier-Dreier Vorb. Rn. 60. 901 l.d.S. etwa Griller, JBI. 1992, 216 Sp. 1, u.H.a. K. Stern, StaatsR III/1 § 76 III 4 b S. 1560. 902 Vgl.d. nur Dreier-Dreier Vorb. Rn. 59 m.Fn. 248. 903 S. aus jüngerer Zeit z. B. J. lpsen, StaatsR II Rn. 57 ff. (59), 377, 396, 420, 667 f., der auf den Schutz durch das einfache Recht verweist u. ein Bedürfnis f. eine Drittwirkung bestreitet (Rn. 59, 377). 904 S. v.a. Schwabe, DVBI. 1971, 690; dens., Drittwirkung, S. 26 ff., 65 f., 157; dens., NJW 1973, 229 f.; dens., NJW 1974, 671; dens., JR 1975, 13 ff.; dens., AöR 100 (1975), 470; dens., Probleme, S. 211 ff. (212); dens., AcP 185 (1985), 1 ff.; dens., Grundkurs, 90, 109 ff. Zur Restbedeutung d. Schutzpflichten v. a. auf der Ebene d. Verbotsdurchsetzung s. aber dens., Probleme, S. 219 ff. N.d.s. u.u., 4.b), d)bb). 905 D.h. mit ihren Ergebnissen, nicht aber mit ihren Arg. 906 So etwa v. Münch, S. 21. 907 I. d. S. Dreier-Dreier Vorb. Rn. 61 a. E. 898
899
250 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
aa) (Hier sog.) Absolute und relative Identitäts- bzw. Unreifallthesen Zum Teil wird von einer - relativen - Identität der Problematik ausgegangen bzw. die Drittwirkung als bloßer Unteifall der Schutzpflicht angesehen.908 Zugespitzt soll die Drittwirkung sogar vollständig in den Schutzpflichten aufgehen (absolute Identitätsthese). 909 Diese Auffassung liegt offenbar auch der mitunter vertretenen Einschätzung der wohl berühmtesten einschlägigen Entscheidung des BVerfG im Fall Lüth zugrunde: 910 Materiell911 soll es dabei nämlich um die Schutzpflicht des Staates gegangen sein, Angriffe Dritter abzuwehren. 912 Auch die kritische Einschätzung, derzufolge die Schutzpflichten zu einer "Aushebelung der Drittwirkungsproblematik" geführt hätten, 913 kann als Ausdruck einer Identitäts- bzw. Unterfanthese angesehen werden. Die denkbare extreme Gegenposition, welche die Schutzpflichten gänzlich "eliminiert", ausschließlich auf eine wie auch immer geartete Drittwirkung abstellt und so ebenfalls zu einer Identität der Problematik, wenn auch unter umgekehrtem Vorzeichen, gelangt, 914 wird- soweit ersichtlichnirgends vertreten und erweist sich als "Phantom" im oben genannten Sinne. 915 Soweit neuerdings Art. I9 Ill GG als Grundlage einer solchen 908 Vgl. i.d.S. etwa Hermes, NJW 1990, 1767 f.; Wiedemann, JZ 1990, 696; Schlink, OULR 39 (1992), 49; Oeter, AöR 119 (1994), 550 f.; Badura, in: Böttcher u.a., Odersky-FS, S. 159, 172; Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 64 Fn. 125; Bezzenberger, AcP 196 (1996), 402; Canaris, PrivatR, S. 38 f. Wohl a. K. Stern, StaatsR III/1 § 76 III 4 b S. 1560 f.; IV 5 S. 1572; R. Novak, EuGRZ 1984, 133 ff. (insbes. 140 f., 146); Morscher, EuGRZ 1990, 461 Sp. 1; Rüfner, HStR V § 117 Rn. 60; Berka, S. 62, 134 Rn. 106, 134. 909 So etwa Gersdorf, AöR 119 (1994), 420f. (421); Lagodny, S.l3 m.w.N.; Schefold, in: Diederichsen u. a., S. 52 f. m.Fn. 9. Wohl a. Ziekow, S. 573 ff. (579), der an anderer Stelle aber wieder differenziert bzw. parallelisiert (590). Aus rechtstheoret. Sicht ebenso Berkemann, Rechtstheorie 20 (1989), 485 m.Fn. 64. 910 BVerfGE 7, 198 ff. 911 Aber jedf. nicht textlich bzw. verfassungsprozessual, s.d. - krit. - lsensee, Kriele-FS, S. 30 (H.d.V.). 912 So Starck, Schutzpflichten, S. 65; lsensee, Kriele-FS, S. 30 f. A.A. aber Pietzcker, S. 359; H. Dreier, S. 44 Fn. 164; ders., Jura 1994, 510 Sp. 2; ders., in: ders., Vorb. Rn. 60; Canaris, PrivatR, S. 27 ff., 30 ff. (32), 37. Zu den versch. Lösungswegen s. Schlink, EuGRZ 1984, 463 f. 913 S. Diederichsen, AcP 198 (1998), 249. 914 0. ausdr. Nachw. u. ab!. E. Klein, NJW 1989, 1639 Sp. 2. Die gegebenen Nachw. beziehen sich auf ältere Stimmen i.d. Lit., die - angeh!. - eine sog. unmittelbare Drittwirkung befürworteten. Zur damaligen Zeit wurde die Schutzpflicht allerd. noch gar nicht als solche diskutiert, weshalb die v. Klein aufgebaute Argumentation zum. spekulativ ist. 915 Zur theoret. Möglichkeit einer entweder schutzpflicht- od. aber drittwirkungsgestützten Konstruktions. immerhin Haverkate, S. 217 f.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
251
Drittwirkung angeführt wird, 916 überdehnt diese Ansicht den Wortlaut und die Bedeutungsgeschichte dieser Norm, die sich ausschließlich und klarstellend zur Grundrechtsberechtigung inländischer juristischer Personen (des Privatrechts) verhält. 917 bb) (Hier sog.) Strikte Trennungsthese Zum Teil wird in der Literatur aber auch vor einer Verwechslung von (unmittelbarer oder mittelbarer) Drittwirkung und Schutzpflichten gewamt:918 Die Drittwirkungs-"Theorien" wollten "kurzschlüssig" Private selbst an die Grundrechte binden mit der Folge, dass sich die Grundrechte gegenseitig neutralisierten sowie die Privatautonomie und die Rechtsklarheit vor allem im Privatrecht auf der Strecke blieben. 919 Demgegenüber sollten Schutzpflichten die Privatrechtsordnung überhaupt nicht antasten, sondern sich allein an den Staat richten. 920 Schutzpflicht und Drittwirkung seien deshalb strikt zu trennen. 921 cc) (Hier sog.) Ergänzungsthese Ein weiteres Erklärungsmodell für eine angenommene "enge Verbindung" zwischen staatlicher Schutzpflicht und Drittwirkung922 stellt darauf ab, dass der Einzelne entsprechend dem Kantischen Autonomiegrundsatz bei angenommener (unmittelbarer) Drittwirkung seine Grundrechte zunächst gegenüber Dritten selbst durchzusetzen habe. Erst dann, wenn der Einzelne dazu nicht (mehr) in der Lage sei, habe der Staat als "Garant der Freiheiten" die (Schutz-) Pflicht, Beeinträchtigungen der Grundrechte durch Dritte abzuwehren. 923 In diesem Sinne komme der Schutzpflicht eine die Drittwirkung ergänzende Funktion zu.
Lücke, JZ 1999, 377 ff. (gg. die bis dato absolut h.M., s.d.N. ebd., 378). Lücke lehnt i.Ü. eine unmittelbare Drittwirkung selbst ab, weil die GRe wg. ihrer Unbestimmtheit "ihrem Wesen nach" nicht direkt im PrivatR anwendbar seien, sondern nur über Gesetzeslücken, u. kommt damit zum gleichen Ergebnis wie die h.M. (380 f.). 91 8 So v.a. /sensee, Ambivalenz, S. 7. 91 9 Vgl.d. etwa K. Hesse, § 11 Rn. 354. 920 /sensee, a. a. 0. Ähnl. Merten, S. 22. 921 F. eine dogm. Trennung a. v. Münch, S. 28. 922 Bleckmann, in: Beyerlin u. a., Bernhardt-FS, S. 311. 923 Bleckmann (vor.Fn.), S. 312. Zur Einordnung d. 1. KalkarE (49, 89, 142) als Schutzpflicht-Entsch. vgl. dens., DVBl. 1988, 938 m.Fn. 1. Zur Schutzpflicht s. aber ebd., 939 f. 916 917
252 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
dd) (Hier sog.) Begründungsthese Mitunter wird - unter Vermeidung des Begriffs der "mittelbaren Drittwirkung"924- von einem eigenständigen Sonderbereich des Schutzes vor Dritten in Gestalt der sog. "Ausstrahlungswirkung" gesprochen. Diese Ausstrahlungswirkung soll mit der Schutzfunktion der Grundrechte (nur) begründet werden können. 925 ee) (Hier sog.) Partielle Erklärungsthese Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, dass die Schutzpflichten die Drittwirkung zwar nicht obsolet machten, also keine Identität vorliege, wohl aber die Art dieser Wirkung - zumindest teilweise - erklären könnten:926 Das "Recht auf Schutz" beschreibe im Rahmen der Drittwirkungsproblematik die Position desjenigen, dessen grundrechtliche Schutzgüter von Dritten bedroht würden. Damit ergänze es die abwehrechtliehe Stellung desjenigen, von dem diese Bedrohung ausgehe. 927 In der Erlaubnis eines andere beeinträchtigenden Verhaltens liege eine Versagung des Schutzes der Betroffenen - im Verbot solchen Verhaltens ein Eingriff in das Abwehrrecht des Handelnden. 928 ff) (Hier sog.) Voraussetzungsthese Weiterhin wird auch vertreten, dass die Schutzpflicht die Drittwirkung voraussetze, 929 dass also ohne eine wie auch immer geartete Drittwirkung keine Schutzpflichten bestehen könnten. Privates Verhalten löse erst dann eine grundrechtliche Schutzpflicht des Staates aus, wenn die Grundrechte für die Beurteilung der privaten Rechtsgüterbeeinträchtigung einschlägig seien. Diese Bedingung sei nur erfüllt, wenn der private Dritte in solchen 924 Vgl. demggü. Th. Groß, JZ 1999, 331 Sp. 1, der "mittelbare Drittwirkung", "Ausstrahlungswirkung" u. "Horizontalwirkung" gleichsetzt (Afz.i.O.). 925 So etwa JIP-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 9; Art. 1 Rn. 21 ff. (25). S. aber ebd., Art. 2 Rn. 50, wonach die Ausstrahlungswirkung aus der Schutzpflicht resultiere. Vgl.a. Pietzcker, S. 363: "Die ,Ausstrahlungswirkung' ... kann ... als Schutzgebot verstanden werden" (zust. Elbing, S. 100- ähnl. Möstl, DÖV 1998, 1036). 926 So etwa Robbers, Sicherheit, S. 201 ff. (201). Wohl a. E. Klein, NJW 1989, 1640 Sp. 2. Canaris, PrivatR, S. 38, spricht insow. zwar v. einer "überzeugenden dogmatischen Erklärung für die ,mittelbare Drittwirkung'" will diesen Begr. zugunsten d. Schutzgebotsfunktion indes gänzlich aufgeben. 927 Robbers, Sicherheit, S. 202. 92 8 Robbers (vor.Fn.), S. 203. 929 So am deutlichsten Classen, JöR N.F. 36 (1987), 39. Ähnl. Lücke, JZ 1999, 381 ff., 384. Vglb.ber. R. Herzog, JR 1969, 443.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
253
Fällen selbst an die Grundrechte gebunden sei. Deshalb könne die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte für sich genommen keine Drittwirkung der Grundrechte hervorbringen, sondern setze deren horizontale Geltung bereits voraus. 930 Erst auf dieser Grundrechtsverpflichtung Privater fußend sei es den Gerichten möglich, die Grundrechte "als Schutzpflichten" gegenüber den gebundenen Privaten zu entfalten und damit eine Drittwirkung zu praktizieren.931 gg) (Hier sog.) Überschneidungsthese Ferner wird gelegentlich eher undeutlich ausgeführt, dass sich Schutzpflichten und Drittwirkung überschnitten, nahe beieinander lägen oder in einem engen Zusammenhang ständen. 932 Ob damit wirklich eine eigenständige These gewagt werden soll, ist unklar. Überschneidung meint jedenfalls - möglicherweise - weniger als Identität oder Unterfall und wird deshalb hier zunächst als eigenständige Position verzeichnet. Das Beieinanderliegen von oder der enge Zusammenhang zwischen Schutzpflicht und Drittwirkung führt demgegenüber von vornherein nicht zu weiteren Erkenntnissen und kann deshalb vernachlässigt werden. hh) (Hier sog.) These von der Drittwirkung als Schutz-Mittel Theoretisch möglich ist ferner auch eine Betrachtungsweise, die davon ausgeht, dass die Drittwirkung "nur" ein Mittel zur Erfüllung der Schutzpflicht ist. Danach würde die Drittwirkung eine besonders effektive Form der Verwirklichung grundrechtliehen Schutzes darstellen. 933 Ein solches funktionales Verständnis der Drittwirkung in Bezug auf die Schutzpflicht liegt quer zu den übrigen Deutungsangeboten des Verhältnisses zwischen Drittwirkung und Schutzpflicht. ii) Drittwirkung der Schutzpflicht selbst?
Schließlich lässt sich auch noch daran denken, dass die Schutzpflicht selbst der Drittwirkung fähig ist, dass also private Dritte nicht nur (unmittelbar oder mittelbar) an die Grundrechte als Abwehrrechte gebunden sind, sondern auch an die Grundrechte als Schutzpflichten. 934 Lücke, JZ 1999, 382 Sp. 2. Lücke (vor.Fn.). 932 Vgl. v. Münch, S. 28; Pieroth/Schlink Rn. 90, 183 a.E. 933 Vgl.d. die Bem. bei Badura, Molitor-FS, S. 2. S.a. dens., StaatsR C Rn. 22 (S. 97). 930 931
254 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
jj) Stellungnahme Eine Stellungnahme in und zu diesem Streit ist angesichts der häufig verzerrten und verkürzten Argumentation der jeweiligen (vermeintlichen) Gegner nur schwer möglich und soll sich deshalb auf einige wenige grundlegende Äußerungen beschränken: Versteht man (mittelbare) Drittwirkung und Schutzpflicht als beide über das Medium des einfachen Rechts (Generalklauseln und/oder unbestimmte Rechtsbegriffe) "arbeitend", 935 so erschöpfen sich beide zunächst im hergebrachten Grundsatz grundrechtskonformer Auslegung und sind insoweit, aber auch nur insoweit, identisch. 936 Eine strikte Trennungsthese ist jedenfalls unter diesen Voraussetzungen abzulehnen. 937 Ob die Ausstrahlungswirkung entsprechend der Begründungsthese mit der Schutzfunktion der Grundrechte zu begründen ist, braucht hier aus ähnlichen Gründen nicht geklärt zu werden: Die grundrechtskonforme Auslegung kann jedenfalls durchaus als "wichtiges Hilfsmittel" einer solchen Ausstrahlungswirkung angesehen werden. 938 Im Übrigen ist die Ausstrahlungswirkung auch bei der Interpretation einfachgesetzlicher Normen zu beachten, wenn es um Abwehr geht. 939 Unterschiede zwischen Schutzpflicht und Drittwirkung bestehen jedoch, wenn und soweit die Schutzpflicht auch unpersonale Gefahren und das Verhalten ausländischer Staaten erfassen sowie zukünftigen Generationen zugute kommen soll. Das kann an dieser Stelle indes noch offen gelassen werden, 940 weil noch weitere Unterschiede bestehen, zunächst - und entscheidend941 - nämlich insoweit, als die Schutzpflicht nicht beim bloßen 934 Angedacht, i.E. aber ("wohl" mit Ausn.d. Art. 6 GG) vem. v. Bleckmann, DVBI. 1988, 944 f. (945 Sp. 2). Missverständl. Th. Groß, JZ 1999, 331 Sp. 1: "Einer der wesentlichen Anwendungsbereiche der Schutzpflichten ist ... ihre ,mittelbare Drittwirkung' im Privatrecht ... ". Gemeint sind wohl die GRe insges. 935 Vgl.d. Badura, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 173 f. 936 Zur mittelbaren Drittwirkung als normaler verfassungskonformer Auslegung s. nur Bezzenberger, AcP 196 (1996), 403 m. w. N. Vgl.a. Bleckmann, DVBI. 1988, 943 Sp. 1; Ziekow, S. 579, 590 f.; Pieroth/Schlink Rn. 90. F. die EMRK u. das öst. VerfR W. Berger, JBI. 1985, 153 Sp. 2, sowie Griller, ZfV 1983, 6 f. (7 Sp. 1). 937 Ebenso sprachlich ansprechend P. Lerche, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 215, 230: " ... die vorgebliche Trennwand zwischen Drittwirkung und staatlicher Schutzpflicht [fällt] dahin und reduziert sich auf ein Trennwändchen". 938 Vgl. etwa K. Stern, StaatsR III/2 § 95 V 4 a S. 1731. Die verfassungskonforme Auslegung m.d. Ausstrahlungswirkung sogar gleichsetzend ebd., § 96 IV 3 b a S. 1803 f. 939 Vgl. Alexy, AöR 121 (1996), 157. 940 N.d.s. u.u. e)-g). 941 Vgl.d. P. Lerche, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 229.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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Gebot grundrechtskonformer Auslegung, das - wie bereits erwähnt - natürlich auch in Abwehrrechts-Fällen gilt, 942 stehen bleibt, also nur den Gesetzesanwender trifft, sondern auch (und gerade) den Gesetzgeber selbst, wenn und soweit eine grundrechtskonforme (erweiternde) Auslegung oder ein Rückgriff auf "allgemeinen Rechtsgrundlagen" bzw. "Rechtsgrundsätze" des jeweiligen Rechtsgebiets nach den hergebrachten Auslegungsregeln943 einmal nicht mehr möglich sein sollte. 944 Unterschiede bestehen schließlich aber auch dann, wenn und soweit man die Schutzpflicht-Erfüllung nicht auf normative Schutzmittel beschränkt wissen wi11. 945 Schon aus diesem Grund kann folglich auch die Voraussetzungsthese nicht überzeugen. Damit dürfte zunächst einmal deutlich geworden sein, dass nur eine partielle Identität von Drittwirkung und Schutzpflicht vorliegen kann, nämlich soweit es um die "normale" grundrechtskonforme Auslegung sog. einfachen Rechts geht. Insoweit geht die Drittwirkung indes auch vollständig in der Lehre von den grundrechtliehen Schutzpflichten auf- der Unterfall- bzw. einer (nur) partiellen946 Identitätsthese ist daher zuzustimmen. Soweit dies auch mit der Überschneidungsthese gemeint sein sollte, erübrigt sich ein näheres Eingehen auf diese in ihrem möglichen weiteren Gehalt jedenfalls hier nicht weiter aufhellbare Position. Eine partielle Identität von Schutzpflicht und Drittwirkung bzw. die Annahme, dass diese einen Unteifall jener darstellt, dürfte letztlich auch die Auffassung derjenigen sein, welche die Drittwirkungsproblematik auf die Frage der "Geltung von Grundrechten im Privatrechtsverkehr der Bürger untereinander" beschränkt wissen wollen, 947 und aus dieser definitorischen Beschränkung bzw. Engführung folgern, dass "in vielen (allerdings nicht in allen) Fällen der Anwendung der Schutzpflicht privatrechtliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Angreifer und dem Angegriffenen überhaupt nicht S. wiederum Alexy, AöR 121 (1996), 157. S.o., A.V.l.a)bb), c)bb). 944 Nach P. Lerche, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 230, gibt es allerd. im Regelfall ausr. einfache, "allgemeine Gesetze" - "eine in Art. 5 Abs. 2 GG nur beispielhaft genannte, fast überall hervortretende Kategorie" -, welche "durch eine sehr kräftige, sogar den Wortlaut der Normen komgierbare Auslegungsmacht gekennzeichnet" sei. 945 S.o., A.V.4.a)aa)(l). 946 (Nur) Darin liegt die Berechtigung d. "partiellen Erklärungsthese". 947 So etwa v. Münch, S. 8 (einschl.d. jur. Personen, 9). Ähnl. Windel, Der Staat 38 (1998), 385 ff. F. die GFen a. Burgi, EWS 1999, 328 Sp. 1 ("Privatrechtswirkung")- anders aber ebd., 330 Sp. 1, wo a. das Ordnungs-, Umwelt- u. WirtschaftsverwR einbezogen wird. Dass dies eine - unangebrachte - Reduzierung, jedf. eine begrifft. Vereinfachung darstellt, bemerkt zu Recht Schwabe, z.B. in: AöR 100 (1975), 442 Fn. 1 -ebenso deutl. Griller, JBI. 1992, 206 Sp. 1, 214 f. - etwas zurückhaltender ders., ZfV 1983, 8; 114 Fn. 103; Holoubek, in: Grabenwarter u. a., s. 80. 942 943
256 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
vorhanden" seien. 948 Diese Ansicht lässt sich mit der partiellen Identitätsthese jedenfalls gut vereinbaren. Die Ergänzungsthese kann demgegenüber nicht als eigenständige Stellungnahme zum Verhältnis zwischen Schutzpflicht und Drittwirkung verstanden werden: Sie bezieht sich vielmehr auf den Inhalt beider, indem sie eine Art Subsidiaritätsgrundsatz aufstellt. Auf die Berechtigung eines solchen Grundsatzes ist erst weiter unten einzugehen. 949 Die Voraussetzungsthese, die - wie bereits erwähnt - den Einsatz tatsächlicher Schutzmittel nicht zu erklären vermag, verkennt überdies, dass die Schutzfunktion der Grundrechte nicht auf eine wie auch immer geartete Grundrechtsbindung Privater angewiesen ist: Grundrechtsadressat ist der Staat in seiner Gesamtheit (Art. I III GG), ihn treffen Schutzpflichten für Grundrechtsgüter auch gegenüber Beeinträchtigungen derselben durch private Dritte. 950 Im Verhältnis zwischen Staat und beeinträchtigtem Bürger wirken die Grundrechte so als Schutzrechte, während sie im Verhältnis zwischen Staat und beeinträchtigendem Bürger - im Eingriffsfall - als Abwehrrechte zur Geltung gelangen. Eingriffe in das Abwehrrecht des "Störers" zugunsten der Grundrechtsgüter des "Opfers" 951 verfolgen ein grundrechtsgebotenes Ziel und sind rechtfertigungsfähig, aber auch -bedürftig. Sie setzen indes nicht voraus, dass der "Störer" selbst - mittelbar oder unmittelbar- an Grundrechte gebunden ist. 952 Die hier an vorletzter Stelle angeführte, nur theoretisch mögliche Konstruktion von der Drittwirkung als Schutz-Mittel wird nirgends ausdrücklich vertreten. Ihre Brauchbarkeit hängt davon ab, ob man eine unmittelbare oder mittelbare Drittwirkung annehmen will. Eine unmittelbare Drittwirkung wird überwiegend953 - zu Recht - abgelehnt, weil sie die grundsätzliche Privatnützigkeit der Grundrechte verkennt oder den Grundsatz der Gesetzesmediatisierunl54 missachtet. 955 Geht man von einer "nur" mittel948 V. Münch, S. 28, u.H.a. Entführungen wie im Fall BVerfGE 46, 160 ff. Dieses Bsp. ist indes zumindest insof. ungenau, als unzweifelhaft ein Delikt i. S. v. § 823 BGB vorliegt. Nur lassen sich die daraus folgenden Anspr. gg. die Entführer naturgemäß während der Entführung nicht vor den ZivGer. einklagen, weshalb entspr. Schutz v. Staat eingefordert werden muss! 949 S.u., w). 95° V gl. Lübbe-Wolf!, S. 177. 951 Insow. ist das Bild d. "Störerdreiecks" zur Illustration einer Wirkungsweise d. Schutzpflichten gut geeignet. N.d.s. u.u. e), g)bb) a. E. 952 Weitere Arg. gg. das "Hintertür-Argument" i.d. allg. Drittwirkungsdiskussion bei Lübbe-Wolff, S. 176 ff., m.z.N. I.Z.m. GFen a. Kingreen, S. 196. 953 S. aber den jüngsten Vorschlag, Art. 19 III GG f. eine solche Drittwirkung zu instrumentalisieren, bei Lücke, JZ 1999, 377 ff., der aber letztl. wg.d. Unbestimmtheit d. GRe zu einer nur mittelbaren Wirkung derselben über Gesetzeslücken gelangt (380 f.) u. sich damit i. E. in Übereinstimmung mit der h.M. befindet.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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baren Drittwirkung aus, bringt die These keinerlei Erkenntnisgewinn: Die Wirkung der Grundrechte bleibt auf eine Vermittlung durch sog. einfaches, grundrechtsschützendes Recht angewiesen, welches (nur) als Ausfluss der Schutzfunktion der Grundrechte angesehen werden kann. 956
Gleiches gilt dann auch für die letzte denkbare Position, die eine Drittwirkung der Schutzpflichten selbst erwägt: Auch diese Position hätte nur dann einen Sinn, wenn man von einer unmittelbaren Drittwirkung ausgeht. Unter der Voraussetzung einer mittelbaren Drittwirkung führt sie ebenfalls zu keinerlei Erkenntnisgewinn, weil damit nur eine grundrechtskonforme Auslegung schutzpflichterfüllenden Rechts bewerkstelligt werden kann, welche aber ohnehin als "normale" grundrechtskonforme Auslegung bei jeglicher Rechtsanwendung, und sei es quasi im Hintergrund, zu erfolgen hat. Die mittelbare Drittwirkung stellt damit - entsprechend der Unterfallthese - jedenfalls einen Unterfall der Schutzpflicht dar. Ob man sie dabei als eigenständige Kategorie oder als bloßes rechtstechnisches Mittel zur Erfüllung der Schutzpflicht in Gestalt der Auslegung schutzpflichterfüllender Gesetze ansehen will, ist nur eine Frage der Definition bzw. der Perspektive.957 Für die Beibehaltung des Begriffs "Drittwirkung" lassen sich letztlich nur (rechts-) historische bzw. traditionelle Gründe finden: Der Begriff der Drittwirkung ist in seiner praktischen Anwendung und (publikatorischen) Verbreitung nämlich älter als der der Schutzpflicht. 958 Redlicher ist es indes, ganz auf ihn zu verzichten959 und im hier dargelegten Überschneidungsbereich ausschließlich von grundrechtskonformer Auslegung sog. einfachen Rechts zu sprechen.
954 Vgl.d. insbes. Griller, JBI. 1992, 294 Sp. 2, 301; dens., ZfV 1983, 6 f., 10 Sp. 2; 109 f. m.Fn. 79, 112 ff.; Holoubek, in: Grabenwarter u.a., S. 67, 75; E. Klein, DÖV 1999, 761 f.; Berka, S. 133 Rn. 229. 955 Vgl.d.zul. etwa - jew.m.z.N. - Dreier-Dreier Vorb. Rn. 59; Erichsen, Jura 1996, 527 ff.; Diederichsen, AcP 198 (1998), 199 ff.; Th. Groß, JZ 1999, 330 f. Diff. Badura, Molitor-FS, S. 9; ders., in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 178 f.; Pietrzak, JuS 1994, 753 Sp. 1. N.d.s. u.u. b). 956 Vgl. Badura, Molitor-FS, S. 9, der indes - in Grenzen ("bei evidenter Unzulänglichkeit des Gesetzes", 5) - a. v. einer unmittelbaren "Geltung" bzw. "Wirkung" mancher GRe ausgehen will. S. a. dens., in: Böttcher u. a., Odersky-FS, s. 171 f., 174, 178 f. 957 S.a. Griller, JBI. 1992,216 Sp. 1 958 Vgl.d. aufschlussreich K. Stern, StaatsR III/1 § 76 III 4 b S. 1560 f. (1570), der damit (u. a.) die - gliederungstechn. - Diff. bei K. Hesse erklären will (s. z. B. in Grundzüge Rn. 350 bzw. 351 ff., sowie ber. EuGRZ 1978, 427, 437). 959 Ebenso Canaris, PrivatR, S. 38. 17 Szczekalla
258 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
b) "Schutz-Eingriff" ohne Gesetz? Sehr umstritten ist in der Literatur die Frage, ob ein "Schutz-Eingriff" 960 ohne ein dazu ermächtigendes Gesetz zulässig ist oder nicht. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass der Schutz in Eingriffsfällen gesetzesmediatisiert, dass also immer ein Gesetz zur Umsetzung der grundrechtliehen Schutzpflicht erforderlich sei ( interpositiv legislatoris ). 961 Mitunter wird zudem behauptet, dass sich die Schutzpflicht "grundsätzlich nur" an den 960 Schon hier abw. der Ansatz v. Braczyk, S. 73, der die Konstruktion eines "Schutzes durch Eingriff' mangels Vorliegen eines wirkl. u. nicht nur eines "prima facie"-Eingriffs abl.: Aus der Verfassung selbst könne folgen, dass bspw. die Nutzung einer bestimmten Technologie verboten sei, bis sie in einem förml. Gesetz erlaubt werde. Ein solches GR- bzw. verfassungsunmittelbares (Technik-) Verbot (mit Erlaubnisvorbehalt), das die sog. Freiheitsvermutung umkehre, werde dann nur gerl. festgestellt. A. der verwbehördl. Schutz vor priv. Angriffen stelle keinen GReingriff dar (S. 125 f., 140, 165) - Priv. seien unmittelbar an GRe gebunden. Zur Krit. s. P. Szczekalla, DVBl. 1997, 80. Ebf. a. A. f. (echte) GRkollisionen auf der Grdl. eines extrem weiten Eingriffsbegr., der dann aber nicht durch zu viele Gesetzesvorbehalte zu einer Blockierung d. gesamten Staatstätigkeit führen dürfe, W. Roth, S. 453 ff., 461 ff., 465 ff., 475 ff., 477 ff., 481 ff., 515 ff. Roth unterscheidet zw. der "Konstituierung" (durch "Grundrechts- oder Verfassungskollisionen"), "Aktivierung" (durch den Gesetzgeber, evtl. aber a. durch Verw. u. Rspr.) und "Aktualisierung" (durch Verw. u. Rspr.) v. "Abwehrrechtsschranken" (S. 456, 475 f., 494). Im Falle d. (echten) GRkollision soll eine "Schutzbereichsschranke" und keine "Rechtfertigungsschranke" vorliegen (S. 483). Eine Aktivierung durch den Gesetzgeber sei nicht erforderlich. In dieser Situation gebe es näml. keinen Eingriff u. damit a. keinen Schutz-Eingriff, der einer gesl. Grdl. bedürfe (S. 494 Fn. 195): "Grundrechtliche Schutzpflichten ... stellen nicht etwa Eingriffstitel dar, sondern machen - soweit sie reichen - einen Eingriffstitel mangels Eingriffs entbehrlich" (550). S.d.a. noch Looschelders/Roth, JZ 1995, 1042 m.Fn. 83. l.E. decken sich die Positionen v. Roth u. Braczyk (der ersteren aber nicht zur Kenntnis nimmt), was die Abl. eines "Schutzes durch Eingriff' u. die Erforderlichkeit eines eingriffslegitimierenden Gesetzes i. S. d. grl. Gesetzesvorbehalts anbelangt. Unterschiedlich ist nur die Position zur sog. unmittelbaren Drittwirkung: Braczyk bejaht sie, Roth verneint sie. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Drittwirkungsfrage eher verwirrt als zur Klärung von Sachfragen beiträgt! 961 S. nur lsensee, Sicherheit, S. 42 ff. (anders aber offb. u. insof. widersprüchlich S. 28: Schutzpflicht als "Eingriffstitel"); dens., Ambivalenz, S. 5, 9, 11 f.; dens., HStR V § 115 Rn. 148, 151 ff.; dens., Kriele-FS, S. 18, 32 f., 46; Ossenbühl, S. 55; Lübbe-Wolff, S. 164 ff.; Fluck, UPR 1990, 83; Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 553 f.; Wahl/Masing, JZ 1990, 557 f., 559 f.; König, S. 192 ff. u.ö. (insbes. 228); HUR-Himmelmann, A.l Rn. 57 ff. (59); H. Dreier, S. 60 m.Fn. 256; ders., Jura 1994, 513 Sp. 2 (insbes. Fn. 110); Oeter, AöR 119 (1994), 549; Pietrzak, JuS 1994, 753 Sp. 1; Spaeth, S. 195 ff.; Ladeur, S. 28, 32; Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 26; Wahl, DVBl. 1996, 647 Sp. 1; Di Fabio, JuS 1997, 5 Sp. 2; Erichsen, Jura 1997, 87 f.; Störmer, DV 30 (1997), 248 ff. (249 f., 251); ders., DVBl. 1997, 1296; Pieroth/Schlink Rn. 91 a.E.; Sommermann, S. 422 ff., 432 f.; Schmidt-Aßmann, S. 59 f. Rn. 2/37, 39; Uwer, S. 133; Möstl, DÖV 1998, 1029, 1036, jew.Sp. 2;
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
259
Gesetzgeber wende, 962 so dass Schutz-Eingriffe ohne Gesetz schon begrifflich eigentlich gar nicht vorkommen können. Die Verwendung der Einschränkung "grundsätzlich" lässt indes sofort deutlich werden, dass damit nur die Rolle des Schutzpflichtadressaten "Gesetzgeber" besonders betont, nicht aber eine eigenständige Schutzpflicht der Verwaltung und Rechtsprechung (gänzlich) in Abrede gestellt werden soll. 963 Dem entspricht es, 964 wenn ein Teil der Literatur auch im Hinblick auf die Frage der Erforderlichkeit eines Gesetzes eine differenzierte(re) Position einnimmt: 965 Danach bedarf ein (Schutz-) Eingriff ebenfalls nur im Grundsatz966 einer gesetzlieben Grundlage; jedenfalls für Extremfälle werden Ausnahmen gemacht. 967 Schließlich wird das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung im Falle einer Rechtfertigung des Eingriffs durch kollidierendes Verfassungsrecht in Gestalt objektiver Grundrechtsgehalte auch vorsichtig ganz geleugnet. 968
Bei dieser Diskussion ist zu berücksichtigen, dass in ihr nicht nur schutzpflichttypische, sondern auch ganz allgemeine Fragen des GesetzesvorbeBethge, VVDStRL 57 (1998), 50 f., 56 Ls. IV.4.d; Borowski, S. 279; Lege, DVBI.
1999, 574, jew.m. w.N. 962 So bspw. Badura, in: Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 3. Abschn. Rn. 41. 963 Deutlicher desh. Badura, Molitor-FS, S. 5, 12, 17 ("zuerst"); ders., StaatsR C Rn. 22 (S. 97): "zuerst" bzw. "insbes." (S. 98); ders., in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 160, 178 ("zuerst"); ders., UTR 43, S. 45 ("im wesentlichen"). S. a. noch Dietlein, S. 107 f. 128 ("primär"); König, S. 221, 225, m. w. N. ("Hauptanwendungsfall" bzw. "in erster Linie"); H. Dreier, S. 47 ("zuvörderst"); ders., in: ders., Vorb. Rn. 63 ("in erster Linie"); AKU-Steiger 02/047 Rn. 162 ("an erster Stelle"); Th. Groß, JZ 1999, 326, 331 ("vorrangig"). Im äst. Recht wird ganz ähnl. angenommen, dass der Gesetzgeber "primärer Adressat" d. GRe sei, vgl. nur Holoubek, DVBI. 1997, 1031, 1033, 1035, jew. Sp. 1, m. w.N. S. a. dens., Gewährleistungspflichten, insbes. S. 251 ff.; dens., ÖZR 54 (1999), 97, 99, 106; Griller, ZfV 1983, 6 f.; 109 f. m.Fn. 79, 112 ff.; dens., JBI. 1992, 215 Fn. 68 ("primär"); 289, 301; Kneihs, JBI. 1999, 76, 82; Berka, S. 60 Rn. 102 ("regelmäßig"), jew.m.z.N. 964 Vgl. insbes. Badura, Molitor-FS, S. 5, 9. 965 S. etwa K. Stern-Sachs, StaatsR III/1 § 67 IV 1 a ß S. 723 f.; K. Stern, a. a. 0., § 76 IV 5 S. 1572: In "besonderen Fällen" könne die Schutzpflicht "auch unmittelbar, d. h. nicht vermittelt durch den Gesetzgeber, privatrechtswirksam aktualisiert werden", m. w. N.; s.a. § 76 IV 5 c S. 1576; 7 c S. 1585; III 3 b S. 1558; III/ 2 § 90 III 6 S. 1186 ff. (1188). Vgl.a. Jarass, AöR 110 (1985), 385; Kloepfer, in: Badura/Scholz, Lerche-FS, S. 755, 764; Aussem, S. 156 ff. (158); Merten, S. 17. 966 Vgl. Hermes, S. 208 ("als Grundsatz"); Dietlein, S. 67 ff., 109 f., 231 These 7, 232 These 15 ("regelmäßig"); Koppen/Ladeur, in: Cassese u.a., S. 9 ("in principle"); H. Dreier, in: ders., Vorb. Rn. 63 ("weitgehend"). 967 S. Ladeur, UPR 1992, 84 Sp. 2 ("bis zur Grenze der schweren und unerträglichen faktischen Beeinträchtigung") - ähnl. A. Roth, S. 236 m. Fn. 15; Ziekow, S. 590 ("Rekurs unmittelbar auf die grundrechtliche Schutzpflicht nur als ultima ratio"); Th. Groß, JZ 1999, 326, 331, 333 Sp. 1. 968 So etwa J/P-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 40a a. E. I.E. ebenso W. Roth, s. 453 ff., 461 ff., 465 ff., 475 ff., 477 ff., 481 ff., 515 ff. 17*
260 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
halts als dem "rechtsstaatliche[n] Universaldogma"969 und nach dem zutreffenden Eingriffsbegriff eine Rolle spielen, auf die in dieser Arbeit nicht auch noch vollumfänglich eingegangen werden kann. Der bestehende Streit kann hier aber gerade dadurch, dass er mit Blick auf die Schutzpflichten strukturiert wird, zumindest ein wenig entschärft werden. Dabei zeigt sich, dass zwar im Grundsatz von der Eiforderlichkeit eines Gesetzes in Eingriffsfällen ausgegangen wird (aa)), dass aber für den Einsatz tatsächlicher Schutzmittel die erste Ausnahme zu machen ist (bb)). Weitere Ausnahmekonstellation sind ebenfalls weitgehend konsentiert (cc)). Darauf aufbauend fällt eine eigene Stellungnahme letztlich nicht mehr schwer (dd)):
aa) Erforderlichkeil eines Gesetzes in Eingriffsfällen als Grundsatz In Eingriffsfällen wird - wie bereits erwähnt - ganz überwiegend und nach herkömmlicher Dogmatik von der Erforderlichkeil eines Gesetzes ausgegangen.970 Über die Definition des Eingriffsbegriffs971 lässt sich allerdings diese Erforderlichkeil extensivieren oder reduzieren: 972 Je nachdem, ob man bestimmte (Intensitäts-) Schwellen verlangt, 973 die das staatliche Verhalten zu überschreiten hat, bzw. einen sog. Bagatellvorbehalt annimmt974 oder über die Abgrenzung des Schutzgegenstands der einzelnen Grundrechtsbestimmung nicht gemeinte Bagatellfälle975 ausscheidet, 976 969 Di Fabio, JuS 1997, 4 Sp. 1, m.N. aus allen großen öffentl. Debatten d. letzten Jahrzehnte (v.d. Schul- u. HochschulpoL über den Strafvollzug, die friedl. Nutzung d. Kernenergie, die Nachrüstung, die Gentechnik bis hin zur jüngsten Kontroverse um den sog. E-Smog). 970 S. nur Windthorst § 4 Rn. 28; Schmidt-Aßmann, S. 60 Rn. 2/39 m. w. N. 971 Zu diesem zul. ausf. die beiden Referate v. Bethge u. Weber-Dürler auf der Staatsrechtslehrertagung 1997 in Osnabrück (VVDStRL 57 [1998], 7 ff. bzw. 57 ff.) nebst den kontroversen Disk.-Beitr. 972 Zur "quecksilbrig[en]" Handhabung d. Eingriffsbegr. bei tatsächl. Staatshandeln Di Fabio, JuS 1997, 4 Sp. 1. 973 S. etwa Holoubek, in: Grabenwarter u. a., S. 74. 974 Vgl. nur Elbing, S. 212 f.; Cremer, S. 180, 303; Sommermann, S. 433 m.Fn. 18 u. w.N.; Schliesky, DVBl. 1999, 82 Sp. 2, m.z.N., u. neuerdings wohl BVerfGE 98, 218, 257 ff., wo indes das Vorliegen eines Eingriffs in GRe d. Schüler i. E. offen gelassen wird (ebd., 257 - f. Dritte wird ein Eingriff jedf. gänzlich vem., ibid., 258 ff.). Ein Eingriff in Art. 2 I GG od. bzw. i. V. m. Art. 1 I GG wird ebf. abgelehnt (a. a. 0., 261 f.). 975 Weitergehend Th. Schilling, VVDStRL 57 (1998), 139 f., der aus Gründen d. Schutzpflicht aus Art. 1 GG "menschenverachtende Rücksichtslosigkeit", etwa den "bewußten Vertrieb gesundheitsschädlicher Produkte", aus den einzelgrl. Schutzbereichen ausnehmen will. Verbote u. Warnungen seien dann keine GReingriffe. Die staatl. Befugnis folge unmittelbar aus Art. 1 GG (140, s.M.). Mit dieser Position hat Schilling i.d.Disk. allerd. keine Anhänger gefunden, s. nur die Disk.-Beitr. v. Bethge, ebd., 154, 155: "Den Versuch, in Tatbestände Dinge wie Menschenwürde
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
261
lassen sich nämlich eine Reihe von staatlichen Maßnahmen ausscheiden. Darauf soll hier aber nicht näher eingegangen werden. Festzuhalten ist nur, dass der Gesetzgeber durch das Erfordernis eines Gesetzes nicht vor (praktisch) unlösbare Aufgaben gestellt wird, was neu geschaffene Befugnisnormen - im Gegensatz zu nicht eingriffslegitimierenden Aufgabennormen 977 in bisher strittigen Bereichen hinreichend unter Beweis gestellt haben dürften.978 In diesen Bereichen bedarf es nunmehr nicht mehr eines unmittelbaren Rückgriffs auf grundrechtliche Schutzpflichten, 979 zumal ohnehin der Grundsatz des Anwendungsvorrangs einfachen Rechts980 gilt. Die einfachrechtlichen Befugnisnormen mit den sich aus ihnen ergebenen Möglichkeiten zum staatlichen Schutzhandeln sind allerdings immer daraufhin zu überprüfen, ob der gewährte Schutz im Einzelfall hinreichend effektiv ist. Diese Prüfung kann indes gleichsam im Hintergrund ablaufen, solange potenzielle bzw. kalte Grundrechtsfalle981 vorliegen. 982 Damit wird quasi nebenbei die vielfach geäußerte, nicht auf irgendeine bestimmte Grundrechtsfunktion bezogene Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG zumindest entschärft, welche auf die Gefahren einer "permanenten Grundrechtskontrolle" abstellt. 983 Eine von vomherein bestehende "Grundrechtskonformitätsvermutung "984 ist demgegenüber - auch als "bloße Argumentationserleichterung" - abzulehnen. 985 Gleichwohl bleibt insoweit die - alte Einsicht richtig, dass sich etwa die allermeisten - z. B. zi viirechtlichen zu integrieren, halte ich für gefährlich" - "Besser und transparenter" sei eine Abarbeitung auf der Schrankenebene (s.M.). 976 So z.B. Sachs-Sachs Vor Art. I Rn. 69. Vgl.a. Lübbe-Wolff, S. 191 f. 977 Vgl.d.zul. etwa Haussühl, VBIBW 1998,96 Sp. I, m.w.N. 978 Z. B. § 69 IV i. V. m. I 3 AMG, § 6 I 2 GSG, § 28 l/ MedProdG, § 8 ProdSG, § 13 bwAG LMBG. Vgl.d.a.- im eur. Kontext- Klindt, EuZW 1998,427 m.w.N. 979 So a. Schliesky, DVBI. 1999, 83 Sp. 1. 980 S.d. nur - jew.m. w. N. - Th. Schilling, S. 459 f.; Röhl, S. 678; Wahl, DVBI. 1996, 650; Schliesky, DVBI. 1999, 85; Schubert, S. 205, 371 f., 418. D.S.n. a. Murswiek, UPR 1986, 377; Heintschel v. Heinegg/Haltem, Jura 1995, 307 Fn. 18. Nicht auf die Rangfrage, sondern auf den jew. spezielleren Aussagegehalt einer Norm abstellend, Windel, Der Staat 37 ( 1998), 408. F. einen Anwendungsvorrang einfachen Rechts, aber gg. eine "Rechtssatzabhängigkeit der Grundrechte" Hufen, DV 32 (1999), 535 f. (in Krit. v. a. an Wahl, ebd.). Insbes.f. das öst. Recht Griller, ZfV 1983, 112 ff. (114 ), m.Bsp., 122; Holoubek, in: Grabenwarter u. a., S. 67. 981 Zur Terminologie s. Alexy, Theorie, S. 295 ff., i.Z.m. engen u. weiten Tatbestandstheorien. Zur Relevanz d. Unterscheidung bei Schutzpflichten Borowski, s. 263 f. 982 Ähnl. Schubert, S. 372 ("Kontrollmaßstäbe[ ... ] auf Abruf'), 418. 98 3 Vgl. Diederichsen, AcP 198 (1998), 212. 984 Diederichsen, ebd., 214. 985 S. aber a. Röhl, S. 676 ff. ("Verfassungsverschleiß"), insbes. 679; Windel, Der Staat 37 (1998), 406.
262 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Fälle mit dem herkömmlichen Instrumentarium angemessen entscheiden lassen, ohne auf die Lehre von der objektiven Wertordnung bzw. von den Schutzpflichten Rückgriff nehmen zu müssen. 986 Insbes. eine Privatrechtsgesetzgebung, die den Rechtsgehalt der Grundrechte in den Regelungen des bürgerlichen Rechts konkretisiert und grundrechtlich verbürgte Positionen gegeneinander abgrenzt, sorgt zudem dafür, dass der Zivilrichter für seine Einzelfallentscheidung nicht nur auf die - zunächst - weiten und unbestimmten Maßstäbe der Verfassung angewiesen ist,987 was jedenfalls die Rechtssicherheit ungemein fördert. Gleiches gilt für alle anderen Rechtsgebiete. bb) Kein Gesetzesvorbehalt beim Einsatz tatsächlicher Schutzmittel als Grundsatz Die Anwendung jedenfalls bestimmter tatsächlicher Schutzmittel führt nach allgemeiner Ansicht nicht zu einem Eingriff und bedarf deshalb auch keiner gesetzlichen Grundlage i. S. d. grundrechtliehen Gesetzesvorbehalts, wohl aber einer Aufgabenzuweisung, die indes nicht notwendigerweise ausdrücklich normiert sein muss: 988 Insbesondere allgemeine Aufklärungskampagnen989 oder behördliche Beratungen wie bei der Aids-Bekämpfung mit ihren Appellen an die Eigenverantwortlichkeit, 990 die keine besondere Lenkungswirkung i. S. einer Belastung Einzelner zur Folge haben, sind keine Eingriffe - 991 einen " (Selbst-) Schutzinformationseingriff" im rechtlichen Sinne gibt es nicht. Im Wesentlichen handelt es sich hier um positive Maß986 Vgl. Windel, Der Staat 37 (1998), 406 m.w.N. Zum dabei erforderl. (ergänzenden) Rückgriff auf Normen d. öffentl. u. d. StrafR s. ebd., 408. 987 Vgl. K. Hesse, EuGRZ 1978, 437 Sp. 2. 988 S.d. nur Gramm, NJW 1989, 2920. Vgl.a. C. Mayer, S. 45 f., der davon ausgeht, dass "[v]ielfach" überhaupt keine gesl. Regelung erforderlich sei, um einen verfassungsmäßigen Zustand zu erreichen (45); AKU-Steiger 02/085 Rn. 310; Gusy, JZ 1998, 518. 989 Allg. zur Zul. "wertorientierte[r] Informationspolitik" d. Staates Ress, VVDStRL 48 (1990), 68, 107 f. (108) m.w.N. 990 Dazu Gramm, NJW 1989, 2921 f., 2924 f.; Lagodny, S. 255 f., der es u.H.a. diese Schutzmittel abl., aus den Schutzpflichten ein Gebot zum Erlass eines gerade mit Kriminalstrafe sanktionierten Verbots abstrakter Gefährdung (Verbot d. ungeschützten Geschlechtsverkehrs f. mglw. od. sicher mit Aids infizierte Personen) abzuleiten. 991 Vgl. Spaeth, S. 94 ff.; Di Fabio, JuS 1997, 4 Sp. 1; Engels, AöR 122 (1997), 236 Fn. 140; Murswiek, DVBl. 1997, 1030; Gusy, JZ 1998, 518. Zul.zusf.z.StrStd. Böhm, JA 1997, 795 f., 797 ff., die selbst f. eine Befugnis d. (Umwelt-) Verw. zum Warnungs-Eingriff aus Schutzpflichten bei unmittelbarer Gesundheitsgefährdung od. bei Gefährdung d. "ökologischen Existenzminimums" aus Art. 2 1/ 1 GG plädiert (798 Sp. 1 m. Fn. 35, 799).
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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nahmen, die ausschließlich auf eine Verstärkung der Position des (präsumtiven) "Opfers" zielen, 992 deshalb jedenfalls nach einem finalen Eingriffsbegriffl93 keinen Grundrechtseingriff darstellen, aber auch sonst keinerlei belastende Wirkung beim Adressaten oder bei (unbeteiligten) Dritten zeitigen, deshalb also auch die Voraussetzungen eines (noch) weiteren Eingriffsbegriffs994 nicht erfüllen. Sobald behördliches Informationshandeln aber an konkrete Personen oder Organisationen bzw. deren Produkte oder Dienstleistungen anknüpft, 995 ist eine gesetzliche Grundlage für diesen Grundrechtseingriffl96 erforderlich. 997 Allerdings sind auch hier Ausnahmen immerhin zu erwägen,998 angesichts des dichten Regelungsgeflechts jedoch nur noch schwer vorstellbar. 999 Die 992 So Engels, AöR 122 (1997), 236 Fn. 140, betr. den Schutz d. Elternrechts aus Art. 6 /I 1 GG vor "externen Einwirkungen" ("gesellschaftlichen oder sonstigen Gefährdungen"), 239 (betr. den Schutz d. GRe d. Kindes in Wahrnehmung d. staatl. Wächteramtes bei Elternversagen). 993 Diesen zugrunde legend etwa Murswiek, DVBI. 1997, 1025 ff. (1027), m.w.N. 994 S. bspw. Gusy, JZ 1998, 518, demzufolge "Leistungen, denen keine größeren Nachteile für Dritte oder die Allgemeinheit korrespondieren, weitgehend aus dem Vorbehaltsbereich heraus[fallen]". 995 Wie etwa bei der Pflicht zum Abdruck von Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen, s. BVerfGE 95, 173 ff. Vgl.o., A.V.l.a)ee). 996 Zum Eingriffscharakter hoheitl. Maßn. in einem solchen Fall s. nur Murswiek, DVBI. 1997, 1021 ff., insbes. 1030. Unklar Badura, Religion, S. 83 ff. A.A.offb. Pitschas, UTR 36 (Jb. 1996), S. 212 f., f. den die "externe staatliche Risikokommunikation" einer "Schutzverpflichtung aus dem ,Grundrecht auf Sicherheit' und der objektiv-rechtlichen Wendung des Rechts auf allgemeine Selbstbestimmung [ersprießt]", welches "selbständig und vermittelt über das Allgemeine Persönlichkeitsrecht neben das Schutzpflichtkonzept [tritt]" u. "versucht, auf seiten der Marktbürger die Voraussetzungen zur Wahrnehmung ihrer Grundrechtspositionen zu stützen". "Den Bürgern und Risikobetroffenen gegenüber würde ein etwaiger Gesetzesvorbehalt also nicht freiheitssichernd, sondern freiheitsverengend wirken", während es auf Seiten der "Risikoproduzenten" keine Freih. vor fremden Bewertungen gebe. 997 S. nur H. Dreier, Jura 1994, 513 (insbes. Fn. llO); Spaeth, S. 125 f.; Di Fabio, JuS 1997, 4 f., jedf. f. best., namentlich genannte Produkte, deren Kauf als unmoral. od. sozialschädl. stigmatisiert werde (4 Sp. 1), also f. eine "spezifische[] Produktaufklärung" (5 Sp. l); EUDUR-Kloepfer I § 7 Rn. 16. Abw. Th. Schilling, VVDStRL 57 (1998), 139 f. 998 S. Murswiek, DVBI. 1997, 1027 (kein Eingriff bei bloßer Mitteilung öffentl. zugängl. - nicht als personenbezogene Daten od. als Geschäfts- u. Betriebsgeheimnisse geschützten - Tatsachen, selbst wenn diese mit Steuerungsabsicht erfolge reine u. neutrale Tatsacheninformation). 999 Vgl. nur Di Fabio, JuS 1997, 5 Sp. l, u.H.a. §§ 6 1 2 GerSiG, 69 IV AMG u. 6a 22. BlmSchV, der aber eher gg. das Knüpfen eines "dichte[n] Netz[es] von Vorschriften" votiert u. statt dessen f. die Aufnahme einer "allgemeine[n], tatbestandlieh umgrenzte[n] Ermächtigungsnorm" in das VwVfG plädiert. S. nunmehr a. § 8 ProdSG.
264 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
eigentlichen Probleme liegen vielmehr bei der genauen Definition des Eingriffsbegriffs1000 und bei der Wahrung der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung. 1001 Sobald ferner bei Sach-, insbes. aber bei Geldleistungen, eine Differenzierung nach sozialen oder sonstigen Kriterien vorgenommen wird, liegt darin ein eigenständiger Grundrechtseingriff in Art. 3 I GG als Abwehrrecht.1002 Die Ungleichbehandlung kann aber mit dem BVerfG insbes. aus Gründen grundrechtlicher Schutzpflichten (sachlich) gerechtfertigt sein. 1003 Schon an dieser Stelle soll überdies darauf hingewiesen werden, dass im Gemeinschaftsrecht etwas grundlegend anderes gilt als im deutschem Recht: 1004 Hier erfordern Geldleistungen eine besondere - und i. E. doppelte - gemeinschaftsgesetzliche Grundlage. Grund dafür ist aber kein grundrechtlicher und auch kein rechtsgemeinschaftlicher Gesetzvorbehalt, sondern ein demokratischer im gemeinschaftsrechtlichen Sinne, nämlich das institutionelle Gleichgewicht. Neben der Bereitstellung von Mitteln im Haushaltsplan ist nach Ansicht des EuGH ein sog. Basisrechtsakt zur Bewilligung derselben erforderlich, falls es sich um wesentliche Ausgaben handelt. 1005 Fehlt ein solcher, ist Art. 4 I EGV1006 verletzt. 1007 cc) Ausnahmekonstellationen Recht häufig wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass durchaus Ausnahmekonstellationen denkbar seien, in denen ein (einfaches) Gesetz nicht erforderlich sei, wenn ein Schutzrecht einen Eingriff gebiete. 1008 Der allgemeine (Wesentlichkeitstheorie/ 009 und der grundrechtliche Gesetzes1000 Zum Probl. s. Ossenbühl, S. 14 ff., 33 ff.; Di Fabio, JuS 1997, 4 Sp. 1; Determann, S. 126 ff.; dens., UTR 40 (Jb. 1997), S. 179; Schwabe, DVBl. 1997, 352; Holoubek, DVBl. 1997, 1035. 1001 N.d.s. u.u. d). 1002 Zum Gleichheitssatz als AbwehrR s. nur Sachs-Sachs Vor Art. 1 Rn. 28 m.w.N. 1003 BVerfGE 97, 332, 347 f. S.a. Bieback, KJ 1998, 173 f., der aus Art. 3 I GG ein "relativ[es] [... ] individuelles Recht auf Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürftigkeit" als "negatives, sozialstaatliches Abwehrrecht" ableiten will (H.jew.i.O.). S. a.o.u. A.V.4.a)cc). 1004 Zum Erfordernis d. Bewilligung v. Ausgaben im HaushaltsG mit Haushaltsplans. nur AKU-Steiger 02/085 Rn. 310. 1005 So jüngst m. w. N. EuGHE 1998, 1-2729, 2753 ff. Rn. 22 ff. (VK/Kom.) GAP gg. soz. Ausgrenzung = EuR 1998, 683, m.Anm. Triantafyllou, ebd., 691 = 36 CML Rev 1999, 1079 (Hervey). 1006 Art. 7 I n.Z. 1007 A.a.O., Rn. 37. 1008 S. nur AKU-Steiger 02/047 Rn. 163.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
265
vorbehalt stünden dem nicht entgegen: Die Grundrechte selbst erfüllten nämlich die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts, da sie selbst förmliche Gesetze seien und da die grundrechtliche Verpflichtungsnorm auch die "Wesentlichkeit" der fraglichen Leistungen jedenfalls indiziere. 1010 Der Vorbehalt des Gesetzes enthalte keine Beschränkung auf Gesetze unterkonstitutionellen Ranges.
Weitere Voraussetzung sei aber, dass die grundrechtliche Leistungsverpflichtung den allgemeinen Anforderungen an Klarheit, Bestimmtheit und Justiziabilität genüge. Daran scheitere meist ein grundrechtlicher Schutzanspruch, der einen Eingriff in (Grund-) Rechte Dritter impliziere. 1011 Auch wenn von einem Gesetz nicht ein Höchstmaß an Bestimmtheit verlangt werden dürfe, müsse zumindest eine "rahmenregelnde gesetzliche Strukturierung des Interessengeflechts zu einem Schutzkonzept" vorhanden sein.I012 dd) Stellungnahme Bedenkt man, dass sich aus den geschriebenen Grundrechtsnormen im Wege der Interpretation sog. (ungeschriebene) zugeordnete Grundrechtsnormen ergeben (können), 1013 wird die letztgenannte regelmäßige Beschränkung der Schutzrechte durchaus zweifelhaft, jedenfalls vor dem Hintergrund der dafür angegebenen Begründung. Im Übrigen erweisen sich viele einfachgesetzliche Eingriffsnormen, insbes. etwa die (polizeirechtlichen) 1014 Zu dieser zu!. etwa BVerfGE 98, 218, 250 ff., m. w.N. So ausdr. K. Stern-Sachs, StaatsR III/1 § 67 IV 1 a ß S. 723. Ähnl. f. die EG-GFen Gramlich, DÖV 1996, 808 Sp. 1 (" ... auch EG-Grundfreiheiten [sind] ,gesetzlich vorgesehen' ... und [können] als Schranke der Vereinigungsfreiheit in Betracht kommen"). 1011 Sachs, a.a.O. Ähnl. Griller, ZfV 1983, 112 Sp. 2; ders., JBI. 1992, 219; Bethge, VVDStRL 57 (1998), 45 ff. (50 f.), 56 Ls. IV.4.e). Vgl.a. Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 554 f.; König, S. 192 u.ö.; lsensee, Kriele-FS, S. 47. Anders oftb. f. die EG-GFen, jedf. aber o. diesbzgl. Problembewusstsein, Gramlich, DÖV 1996, 808 Sp. 1. Dagg. u. i.Z.m. dem Schutz d. GFgüter vor Priv. "Abwägungsgebot" u. "Gesetzesvorbehalt" als "rechtsstaatliche[... ] Grundsätze des Gemeinschaftsrechts" betonend Kluth, AöR 122 (1997), 557, 582 (zum Erfordernis d. "gesetzlichen Umsetzung" s.a. 557 Fn. 3; 569 f., 573 Fn. 68, 578 ff. [u.H.a. - "der Sache nach" Art. 3b I EGV {=Art. 5 I n.Z., 580 Fn. 90 a.E.}, sowie auf die "parallele[ ... ] Gesetzesmediatisierung der grundrechtliehen Schutzpflicht", 580 Fn. 94]). 1012 So Schmidt-Aßmann, S. 60 Rn. 2/39. 1013 Vgl.d. nur Alexy, Theorie, S. 57 ff., u.- wenngleich nicht mit dieser Begrifflichkeit- BVerfGE 43, 154, 168: "durch Auslegung ... gewonnene[r] konkretere[r] Verfassungssatz"). Krit. aber K. Stern-Sachs, StaatsR III/1 § 65 I 4 E S. 501. Ähnl. f. die EMRK Marx, InfAuslR 1997, 449 Sp. 2, demzufolge die Entsch.d. EuGHMR "den Wortlaut der Konventionsnormen ... ergänzen"; Zimmer, ZAR 1998, 123 m. w.N.- ab!. aber Maaßen, S. 127 f.; ders., ZAR 1998, 112 Sp. 1. 1009
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266 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Generalklauseln, als außerordentlich unbestimmt, 1015 was indes (auch) schutzrechtlich geboten sein soll (Stichwort: dynamischer Grundrechtsschutz1016). Diese genügen nur deshalb (noch) dem Bestimmtheitserfordernis, weil sie in jahrzehntelanger Praxis (durch Verwaltung und Gerichte) konkretisiert worden sind. 1017 Warum dies bei "grundrechtlichen Eingriffsnormen" anders sein sollte, ist auf den ersten Blick jedenfalls nicht ersichtlich.1018 Vielleicht steht hinter dieser Beschränkung allerdings auch (nur) die dann aber unausgesprochene - Annahme, dass ein definitives Schutzrecht ohnehin erst zur Entstehung gelangen kann, wenn kein Gestaltungsspielraum (des Gesetzgebers [mehr]) besteht, mit anderen Worten, wenn nur ein bestimmtes und konkretes Schutzmittel einen effektiven Schutz des Grundrechtsguts bewirken kann. 1019 Dass solche Situationen selten sind, ist evident.1020 Halten lässt sich die grundsätzliche Gesetzesmediatisierung 1021 und deren (bloße) Durchbrechung in Ausnahmekonstellationen letztlich indes unter Berücksichtigung formeller Prinzipien: Dem Gesetzgeber als (besonders) demokratisch legitimierter Gewalt kommt ein Prognose- und Gestaltungsspielraum bzw. eine Einschätzungsprärogative zu, 1022 die einem direkten Zugriff der Verwaltung, aber auch der Gerichte, 1023 auf die Grundrechte zu1014 Das gilt aber a. f. viele zivrl. Vorschr., was m.E. Lücke, JZ 1999, 380 Sp. 2, 384, jedf. bei § 1004 BGB verkennt. 1015 Darauf abst.a. Elbing, S. 102, 180. Zur Erfüllung d. Schutzpflicht durch pauschale Verweise auf den aktuellen Stand d. Wissenschaft bzw. Technik in vielen einfachgesl. Vorschr. s. nur Detennann, S. 148, 186; Klinge!Schlette, Jura 1997, 645. 1016 S.d. nur BVerfGE 49, 89, 90 Ls. 5, 137, 139 f. (140); J. /psen, VVDStRL 48 (1990), 188 f.; Schlink, ebd., 247 f.; Detennann, S. 148, 186. 1017 S.d. BVerwG, DÖV 1999, 911, 913 Sp. 2. 1018 Zur notwendigerweise nur relativen Bestimmtheit v. Datenschutzvorschr. im schutz- u. abwehrrl. Zushg. etwa bayVfGH, NVwZ-RR 1998, 273, 274 Sp. 2. (A.) Aus schutzrl. Sicht sehr krit.d. aber Bull, CR 1998, 388 f. Vgl. noch bayVfGH, BayVBI. 1995, 143, 146 -Art. 30 bis 49 bayPAG, m.krit.Anm. Schrader/Werner, ebd., 305; NVwZ 1996, 166. 10 19 S.d. etwa /sensee, Kriele-FS, S. 18. 1020 Vgl. Griller, JBI. 1992, 292; Heintschel v. Heinegg/Haltern, Jura 1995, 305 f.; Ziekow, S. 590. 1021 Dazu, dass "sich die Verfassung ihren Adressaten ... über das Gesetz [vermittelt]", was a. v. BVerfG zu beachten sei, Scherzberg, DVBI. 1999, 365 Sp. 2. V. dieser Befugnis d. Legislative zur "Erstinterpretation" werden indes Schutzpflicht u. AbwehrR gleichennaßen erfasst. 1022 S.d. nur Ladeur, S. 28, 32; Borowski, ZÖR 53 (1998), 321 f., m. w.N.; Höffe, Der Staat 38 (1999), 186. 1023 Vgl. BVerwG, BayVBI. 1998, 759, 759 Sp. 2.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
267
nächst einmal entgegensteht. Darin unterscheidet sich die Schutzfunktion aber nicht von der Abwehrfunktion: 1024 Auch hier gilt der Grundsatz des Anwendungsvorranges des sog. einfachen Rechts. Im Übrigen gilt, dass sich die Freiheitlichkeil eines Gemeinwesens nicht allein nach seinen materiellen Verfassungsbestimmungen, insbes. den Grundrechten, bemisst, sondern auch an der wechselseitigen Zuordnung der einzelnen Gewalten abzulesen ist. 1025 Daraus folgt, dass mit dem Begriff "formelles Prinzip" keine negative Wertung verbunden ist. 1026
Ferner kann das Fehlen eines Gesetzes selbstredend einem Schutz-Eingriff dann i. E. nicht entgegengehalten werden, wenn der durch diesen Eingriff zu vermeidende oder abzustellende Zustand "näher am Grundgesetz" steht als ein Untätigbleiben der staatlichen Organe (sog. "Näherungs"Rechtsprechung des BVeifG) 1027 oder wenn das grundsätzlich ein Gesetz erfordernde Schutzmittel dasjenige ist, das allein den gebotenen Schutz zu bewerkstelligen in der Lage ist (insbes. sog. Übergangszeit-Rechtsprechung des BVeifG). 1028 Diese Ausnahmekonstellationen werden - soweit ersichtlich - im Grunde von niemandem (ernsthaft) bestritten. 1029 Auf den gleichwohl bestehenden Streit um ihre konkreten Grenzen kann hier aber nicht näher eingegangen werden, hängt die Zulässigkeil eines solchen SchutzEingriffs ohne Gesetz doch zu sehr von den tatsächlichen, aber auch (einfach-) rechtlichen 1030 Gegebenheiten des Einzelfalls ab. 1024 So wohl a. Badura, in: Böttcher u.a., Odersky-FS, S. 160, 171. Zur sowohl bei der Schutz- als a. bei der Abwehrfunktion bestehenden Einschätzungsprärogative s. nur Lagodny, S. 164 ff., 173 ff., 224 f., 258, 362 ff., 447, 492 ff., 511, 518, insbes. S. 258, 447 u. 511. Allg. u. (provozierend) zur "ultima-ratio-Funktion der Grundrechte" (im StrafR) ebd., S. 531 f. Vgl.a. die Krit.v. P. Lerche, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 223, a.d. Gegenüberstellung subj- u. objektive!. GRgehalte f. den Ber.d. PrivatR. 1025 So Sommermann, S. 452. S. a. ebd., S. 89 ff. 1026 Vgl.d.a. Kästner, NVwZ 1992, 10 Sp. I (am Bsp.d. kommunalen Verbandskompetenz, 11 ff.). S. a.u.u. p). 1027 S.o.u. A.V.4.a)aa)(2)(c)(bb). S.d. dazu ausdr. im Schutzpflicht-Kontext VG Gera, ThürVBI. 1994, 22, 23 Sp. 2. 1028 S.o.u. A.V.l.a)cc), c)bb). Vgl. insbes. BVerfGE 85, 386, 400 f. einers.u. BVeifG. DtZ 1994, 67 anderers. (krit. zur i. E. schutzversagenden, letztgen. Entsch. Hager, AcP 196 [1996], 176 f.; Stümer, AfP 1998, 8 f.; keinen diesbzgl. Schutz im Internet - mangels gesl. Grdl. - gewährt a. LG Düsseldorf, CR 1998, 431 - Keine Gegendarstellung auf Homepage). 1029 Allg. aus rechtstheoret. Sicht zum Bedürfnis nach einer Vermeidung einer Vertiefung d. Verfassungswidrigkeit inf. (eo ipso-) Nichtigkeit Hartmann, DVBI. 1997, 1267 f., m.w.N., sowie Röhl, S. 576,606 ff. Aus rechtsphil. Sicht s.a. Dworkin, Law's Empire, S. 389 ff. (v.a. zu zeitl. Beschränkungen). Vgl.a. noch Th. Schilling, S. 557 ff., 630 f.; Determann, S. 188 ff.; dens., UTR 40 (Jb. 1997), S. 185 ("in unvorhersehbaren Notsituationen, die ein Gesetzgeber nicht bewältigen kann"); AKU-Steiger 02/047 Rn. 163; Borowski, S. 279 f.
268 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Für bestimmte Schutzmittel könnte allerdings aus gemeineuropäischen Gründen grundsätzlich kein direkter Rückgriff auf bloß allgemeine Verfassungsbestimmungen in Betracht kommen: So hat der EuGHMR jüngst allerdings unter völliger Ausblendung der auch (soweit ersichtlich) von keinem der Beteiligten angesprochenen "positiven Pflichten" - für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs entschieden, dass Art. 18 1/1 span V1031 keine ausreichende gesetzliche Grundlage i. S. v. Art. 8 I/ EMRK darstelle. 1032 Das BVeifG hat hier aus Schutzpflicht-Gründen für eine Übergangszeit i. E. anders entschieden. 1033 Dass dies der EMRK zuwiderläuft, kann gleichwohl nicht (ohne weiteres) angenommen werden. Jedenfalls wäre in einem zukünftigen - hypothetischen - Fall genauer auf die schutzrechtliche Seite der Problematik einzugehen. 1034
1030 Bspw. v.d. Möglichkeit einer Analogie zu gesl. Eingriffsnormen, d. Stützung d. Schutz-Eingriffs auf allg. Rgrds. od. Rgrdl. bzw. auf GewohnheitsR. Den Anwendungsber.d. Analogieverbots a. im nichtstrafrl. (s. Art. 103 11 GG, § 1 StGB sowie Art. 104 1 GG) Ber. offb. auf grds. jegl. belastende hoheitl. Maßn., jedf. aber belastende VA erweiternd BVerfG. NJW 1996, 3146, 3146 Sp. 2- Aufrechnung v. Verfahrenskosten gg. Taschengeldanspr., betr. § 121 V StVollzG- s.d. den zust. Bespr.Aufs. v. Konzak, NVwZ 1997, 872 f., sowie die krit.Anm. v. Schwabe, DVBI. 1997, 352 f., jew.m. w. N. Ob mit dieser - sow.ersl. - erstmaligen Best. eines allg. Analogieverbots im VerwR durch das BVerfG das letzte Wort gesprochen ist, dürfte noch offen sein, handelt es sich bei dem d. Vb. stattgebenden Beschl. doch "nur" um einen solchen einer Kammer, der sich zudem nicht auf ausdr., glltd. Sen.-Rspr. berufen konnte (s. Schwabe, a.a.O., 353 m.N.). I.Ü. lagen in dem entschiedenen Fall die Voraussetzungen einer Analogie gerade gar nicht vor. Jedf. kommt eine Beschränkung d. Analogieverbots auf das öffentl. Recht in Betracht, hat das BVerfG doch insbes. im Arbeitskampf (s.o., V.l.a)bb)(l)) - auf die sog. "allgemeinen Rechtsgrundlagen" abgestellt (so a. die Überlegung v. Schwabe, a.a.O., 352). Im ZivR ist die Analogie schließ!. v. BVerfG in einer GrdsE allg. f. zu!. erachtet worden, vgl. BVerfGE 82, 6, 11 ff. - Eintritt eines ne Lebenspartners in den Mietvertr. ( § 569a 111 BGB). 1031 "Das Kommunikationsgeheimnis, insbesondere das Post-, Fernmelde- und Fernsprechgeheimnis, wird gewährleistet, außer im Falle eines Gerichtsbeschlusses". 1032 EuGHMRE 1998, 1909, 1926 ff. §§ 49 ff. (1926 § 54, 1927 §§ 57, 59) (Valenzuela Contreras/SP). - Telefonterror = ÖJZ 1999, 510, betr. ein strafgerl. Verf. S.d.a.u.u. Zweiter Teil, B.V.l.d)ee)(7). 1033 BVerfGE 85, 386, 400 f., betr. ein zivilgerl. Verf. Desh. ist fraglich, ob der GH anges. EuGHMRE 277-B, 38, 49 § 36 (A./F) - Telefonfalle, v. einer Verantwortlichkeit d. VS ausgehen würde. Dort ging es um eine Kooperation staatl. Stellen mit Priv., die insow. ausgereicht habe (a.A. insow. abw.Mein. Schermers zum B.d. KomMR, a. a. 0., 52, 56 f. § 2). 1034 Vgl.d. etwa KomMR, DR 76-A, 80, 80 Ls., 86 (Whiteside/VK) -Schutz vor aggressivem ehemaligen l.AP. Zur Prob!. in den MS s. nur östOGH, JBI. 1995, 166 ff. - Anonyme Telefonanrufe; CA (1993) QB 727 ff. (Khorasandjian/Bush) Telefonterror; H.L., S.v. 24.7.1997 (R/Ireland u. R/Burstow), Times No 65,951 v. 25.7.1997, Law Report- Körperverletzung über's Telefon.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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Schließlich ist noch dem - oben bereits angesprochenen - Missverständnis vorzubeugen, dass Schutzpflichten - abgesehen von den bereits genannten Ausnahmefallen - nur über Gesetze wirkten: Gesetzesinitiativen der Regierung 1035 haben sich innerhalb des bestehenden Gestaltungsspielraums bereits an ihnen auszurichten, können u. U. sogar aus sich heraus schutzpflichterfüllend wirken. 1036 Verwaltung und Gerichte haben bei der Anwendung von Gesetzen überdies die Schutzpflichten zu beachten (schutzpflichtkonforme Auslegung). 1037 c) Gesetz im formellen oder materiellen Sinne schutzrechtliches Delegationsverbot?
Umstritten ist auch, ob der Gesetzgeber aus schutzrechtlichen Gründen gezwungen ist, selbst in einem (formellen) Parlamentsgesetz den erforderlichen Schutz zu gewähren, oder ob er die nähere Ausgestaltung gern. Art. 80 GG einem Verordnungsgeber überlassen darf, m. a. W.: ob ein schutzrechtliches Delegationsverbot besteht. 1038 Der Streit ist gleichsam eingebettet in die ihrerseits umstrittene Frage, ob im Falle einer - zulässigen - Delegation auch eine Pflicht zum Erlass eines Gesetzes im materiellen Sinne besteht, 1039 wobei eine solche sich auch aus gemeinschafts(grund)rechtlichen Gründen ergeben kann, nämlich dann, wenn die Rechtsverordnung zur Umsetzung von Richtlinien erlassen werden soll, die ihrerseits der Erfüllung einer (gemeinschafts[grund]rechtlichen) Schutzpflicht dienen. 1040 aa) Delegationsverbot Für eine Pflicht zur vollumfänglichen Regelung seitens des parlamentarischen Gesetzgebers wird vorgebracht, dass jedenfalls dann, wenn die Exekutive die Materie nicht besser regeln könne, weil bei ihr im Einzelfall nicht mehr an erforderlichem Sachverstand beheimatet sei als bei der Legis1035 Zur Pflicht zur Gesetzesinitiative gern. Art. 76 GG aus Gründen grl. Schutzpflichten s. Dreier-Stettner Art. 76 Rn. 10. 1036 Zur Relevanz d. Befassung d. Bundestages außerhalb konkreter Gesetzgebungsverf. s.o.u. A.V.l.a)hh). 1037 S. z. B. berlVfGH, NVwZ 1996, 886 - Untenvasserbetonage Großbautstelle Potsdamer Platz. Zu deren Grenzen (Wortlaut u. klar erkennbarer Wille d. Gesetzgebers) s. BSG, B.v. 13.5.1998- 14 KG 27/97 B- n.n.v., 2., S. 3 d.Umdr.- Kein Kindergeld f Ungeborene. S.o., A.III.1.e ), V .l.a)dd). 1038 Vgl.d. Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 230 f.; Möstl, DÖV 1998, 1037. 1039 Dazu wiederum Unruh/Strohmeyer, a. a. 0., m.z.N. 1040 Allg. zu einer gemrl. Pflicht zum Erlass einer VO Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 232.
270 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
lative oder weil eine zeitnahe Anpassung der Regelungen nicht unbedingt erforderlich sei, die Notwendigkeit einer nur zweistufigen Schutzpflicht-Erfüllung nicht einzusehen sei, wenn und soweit bereits ein einziger Akt ein formelles Parlamentsgesetz - den effektiven Schutz geboten hätte. Dem Bürger sei erstens eine solche zeitliche Verzögerung nicht zuzumuten. Zweitens sehe er sich zwei unterschiedlichen staatlichen Organen - Legisative und Exekutive - gegenüber, die er notfalls in zwei Prozessen in Anspruch nehmen müsse, weil für ihn eine klare politische Verantwortlichkeit nicht mehr ersichtlich sei. 1041 Daraus folge ein Delegationsverbot in den Fällen, in denen der Gesetzgeber die grundrechtliche Schutzpflicht selbst durch eine umfassende und effektive materielle Regelung erfüllen könne. 1042 bb) Stellungnahme Abgesehen davon, dass in typischen Schutzpflicht-FäHen regelmäßig ein besonderer wissenschaftlich-technischer Sachverstand und eine zeitnahe Anpassung der getroffenen Regelungen erforderlich sind, ein Delegationsverbot also schon aus diesen Gründen ausscheidet, 1043 vielmehr sogar an eine Delegationspflicht zu denken wäre, kann diese Auffassung nicht überzeugen: Zum einen muss der Erlass einer (bloßen) Verordnungsermächtigung nicht notwendigerweise mit einem Zeitverlust einhergehen: Vielmehr kann gerade die Existenz der Verordnungsermächtigung das aufwendige parlamentarische Gesetzgebungsverfahren - auch zeitlich - entlasten, während die Verwaltung - idealtypischerweise - gleichwohl schon während dieses Verfahrens alWillige Vorbereitungsarbeiten für den (möglichen) Verordnungserlass vornehmen kann. Dass die Praxis häufig anders aussieht, 1044 spricht nicht gegen diese "zweistufige" Schutzpflicht-Erfüllung, sondern eher für die Ausnutzung dieses Verfahrens ganz i.S. eines effektiven und zeitnahen Schutzes durch das Zusammenspiel von Gesetz- und Verordnungsgeber als eigenständigen Schutzpflichtadressaten. Gerade weil der Staat gern. Art. 1 111 GG in seiner Gesamtheit, in allen seinen Gliederungen und Funktionen, Schutzpflichtadressat ist, 1045 kann auch das Argument der unklaren "politischen" Verantwortlichkeit nicht überzeugen: Abgesehen davon, dass es um "Verantwortlichkeit" im (schutz-) So Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 230 f. Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 231. 1043 Davon gehen wohl a. Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 230 m.Fn. 68, aus. Bsp.: BVerwG, BayVBl. 1998, 759 f., betr. § 5 I Nr. 3 lit. a 17. BlmSchV. 1044 S.d. Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225 f. 1045 Vgl.d. etwa Pietrzak, JuS 1994, 753 Sp. I; Determann, S. 160 ff.; Möstl, DÖV 1998, 1036,jew.m.z.N. Zu den Kommunen Kästner, NVwZ 1992, 11. 1041
1042
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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rechtlichen Sinne geht, kommt es auf das jeweilige Schutz-Ergebnis an, und nicht darauf, wer dafür im Einzelfall verantwortlich zeichnet. 1046 Gerade weil die Möglichkeit verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes i. S. eines Normerlassanspruches gegen den unterlassenden untergesetzlichen Normgeber durchaus besteht 1047 und der Einzelne insoweit nicht auf Rechtsschutz durch das BVeifG angewiesen ist, das solche Fälle ohnehin und - wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde1048 - zu Recht restriktiv handhabt sowie die Fachgerichte an ihre eigene Rechtsschutz-Verantwortlichkeit erinnert, 1049 ergeben sich auch keine prozessualen Schwierigkeiten. 1050 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass jede Rechtsetzung qua Delegation eine wenn auch begrenzte eigenverantwortliche und damit selbständige Rechtsetzung ist. 1051
Damit besteht jedenfalls kein schutzrechtliches Delegationsverbot im Hinblick auf schutzpflichtrelevante Detailregelungen. d) Einhaltung der Zuständigkeitsordnung
Noch keine grundsätzliche Kritik an der Figur der grundrechtliehen Schutzpflicht als solcher, sondern eine - allerdings mitunter harsche - Einzelkritik an ihrer Anwendung bzw. bloß begründungsverstärkenden Bezugnahme wird anband von einigen Entscheidungen geübt, die anscheinend die Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung missachteten: 1052 Der Verweis auf 1046 S. a. die Diff. zw. "externer" Verpflichtung d. Staatsgewalt insges. (Art. 1 111 GG) u. "interner" Zust. zur Erfüllung dieser Pflicht bei Determann, S. 161, 168, 214. 1047 Vgl.d. Dietlein, S. 211 ff.; Determann, S. 213 m. w.N.; Möstl, DÖV 1998, 1037 Sp. 1. V. einem generellen Nonnerlassanspr. geht Th. Schilling, S. 141, aus. Zur Übertragung auf die RL-Umsetzung s. Leonard, S. 124 ff., 197 ff. (202); Musil, EuR 1998, 714 f. 1048 S.o., A. V.4.a)aa)(2)(f)(b b). 1049 Zul.i.d.S. etwa BVerfG, NVwZ 1998, 169, 170. Vgl.d.a. den Bespr.-Aufs. v. Kilian, NVwZ 1998, 142, m.w.(krit.)N. zur- früher - ggteil.Ans.d. OVG u. VGH, welche diesen Auftrag gerade nicht ernst genommen haben. A. wenn es hier um den Rechtsschutz gg. eine ber. erlassene VO ging, lassen sich die Erwägungen ebenso auf den Fall einer unterlassenen VO übertragen. 1050 Vgl. nur Dietlein, S. 211 ff., m.w.N., der eine Feststellungsklage nach§ 43 I VwGO annimmt (213 f.). 1051 So a. Möstl, DÖV 1998, 1037 Sp. 1. 1052 S. nur Di Fabio, JuS 1997, 3 f., u.H.a. BVerwGE 82, 77, 82 f.- TM; 87, 37, 49- Glykol. Ebenso BVerfG, NJW 1989, 3269, 3270 Sp. 2- TM-I. Vgl. aber a. die noch anh. Vb. 1 BvR 558/91 u. 1 BvR 1428/91, betr. die Verfassungsmäßigkeit d. Veröffentlichung einer Liste diethylenglykolhaltiger Weine durch das BMJFG, sowie die Vb. 1 BvR 670/91, betr. öffentl. Äußerungen d. BReg., in denen die Osho-Bewegung als "Jugendreligion" u. "Jugendsekte" bezeichnet wurde. Eine Entsch. sollte
272 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
grundrechtliche Schutzpflichten könne und dürfe die Kompetenzordnung nicht aushebeln. 1053 Die Auseinandersetzung mit dieser Kritik ist schwierig: Im Grundsatz besteht nämlich in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darin, dass die Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung selbstredend zu wahren ist, selbst wenn Schutzpflichten zu erfüllen sind: 1054 aa) Grundsätzlich keine kompetenz- bzw. zuständigkeitsbegründende Funktion der Schutzpflichten So verschafft die objektivrechtliche Seite der Grundrechte den Ländern nach Ansicht des BVeifG bspw. keine "Garantenstellung" für die Einhaltung der Wirkungsweise der Grundrechte. In der bundesstaatliehen Ordnung des Grundgesetzes mit ihrer kompetenziellen Aufteilung der Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen zwischen Bund und Ländern "binden die Grundrechte bei der Wahmehmung bestehender Kompetenzen, begründen jedoch nicht selbst Kompetenzen", 1055 d.h. dass die Schutzpflichtenerfüllung Bund und Ländern grundsätzlich nur im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen und Zuständigkeiten obliegt. 1056 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bzw. eine Klarstellung der bestehenden kompetenziellen Lage, d.h. der "alleinige[n] Gemeinwohlverantwortung des Bundes" für die Materie des Atomrechts, macht das BVeifG aber für den ("äußersten") Fall, "daß eine zuständige oberste Bundesbehörde unter grober Missachtung der ihr obliegenden Obhutspflicht zu einem Tun oder Unterlassen anweist, welches im Hinblick auf die damit einhergehende allgemeine Gefährdung oder Verletzung bedeutender Rechtsgüter schlechterdings nicht verantwortet werden kann". 1057 Diese Grenze folge daraus, "daß bei der Ausführung der Bundeseigentl. in 1999 erfolgen, s. EuGRZ 1999, 108 bzw. 17 5. Ausf. zu diesen Fällen u. zusf.z.StrStd. Lege, DVBI. 1999, 569 ff., 572 ff.; Hassemer/Hömig, EuGRZ 1999, 527 f., 534; Dostmann, DÖV 1999, 997 Sp. 2, jew.m.z.N. 1053 Di Fabio, a.a.O., der allerd. dort eine Ausn. "erwägen" will, wo "im Grunde weder Gesetzesvollzug noch Verwaltung im engeren Sinne vorliegen, sondern es sich um appellative, beschwichtigende oder symbolische Gesten der staatsleitenden Gubernative handelt". 1054 Vgl.d. nur zul. etwa Gusy, DÖV 1996, 580 f.; Faber, DVBI. 1998, 752 Sp. 1; Lege, DVBI. 1999, 574 ff., jew.m.w.N. F. die kommunale Verbandskompetenz restr. etwa Kästner, NVwZ 1992, 9 ff. (insbes. 10 Sp. 1, 11 ff.). Allg. u. ausf. zu kompetenzrl. Fragen am Bsp.d. - eminent schutzpflichtrel. - UmweltR AKUSteiger 02/070 ff. Rn. 251 ff. 1055 BVerfGE 81, 310, 334. S.o., A.V.l.d). 1056 Vgl.d. Möstl, DÖV 1998, 1037 m.Fn. 88; Lege, DVBI. 1999, 574 ff. 1057 A.a.O., 310 Ls. 2 b, 334. Vgl.d.a. Bethge, VVDStRL 57 (1998), 17 f.; Lege, DVBI. 1999, 574 f., 578.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
273
gesetze Bund und Länder - unbeschadet bestehender Kompetenzverteilungsregelungen - eine gemeinsame Verantwortung für den Bestand des Staates und seiner Verfassungsordnung sowie für die Abwehr kollektiver Existenzgefährdungen tragen". Diese Ausführungen des BVeifG in Bezug auf die Kompetenz des Bundes für die friedliche Nutzung der Kernenergie gelten für die jeweiligen Kompetenzen der Länder in entsprechender Weise. 1058 bb) "Notkompetenz" des Bundes für überregional bedeutsame W amungen (Weitgehend) Anerkannt ist darüber hinaus eine - restriktiv zu handhabende- "Notkompetenz" 1059 des Bundesfür überregional bedeutsame Warnungen, wenn Gefahr im Verzuge und rechtzeitiges Handeln der zuständigen Landesbehörden nicht möglich ist. 1060 Das Bestehen einer solchen Notkompetenz kann nicht mit dem Hinweis auf die überregionale Wirksamkeit lokalbehördlicher Warnungen infolge der medialen Aufnahme solcher Äußerungen und der daraus folgenden zeitnahen bundesweiten Verbreitung bestritten werden. 1061 Denn bei einer solchen punktuellen Warnung ist eine Klärung durch den Bund mitunter dringend erforderlich. 1062 Dieser Notkompetenz steht auch nicht entgegen, dass eine einheitliche "Warnungslage" durch Selbstkoordinierung der Länder, durch Abstimmung derselben mit dem Bund oder sogar durch Absprachen mit ausländischen Staaten (sowie der Gemeinschaft) im Falle grenzüberschreitender Gefahren möglich ist. 1063 All dies kann lediglich den Fall einer entsprechenden Notkompetenz weiter einengen, bspw. durch vorherige Absprache konkreter Verhaltensweisen in einem solchen Fall. Fehlt es indes daran und ist ein zeitnahes Einschreiten erforderlich, kann der Bund weiterhin entsprechend tätig werden. 1058 Vgl. hessVGH, ZUR 1998, 251, 255 Sp. 2, 256 f., betr. das ImmissionsschutzR ("Sommersmog"). 1059 Zu "Notkompetenzen" in Gestalt einer "Ersatzvomahme durch einen hilfsweise beauftragten Gesetzgeber" s. Th. Schilling, S. 142 f., 613. 1060 Di Fabio, JuS 1997, 3 Sp. 2 m. w.N. Zul. (u. restr.) Lege, DVBI. 1999, 574 f., 578. Zweifelnd Haussühl, VBIBW 1998, 91 m.w.N., 97. Krit. Kästner, NVwZ 1992, 10 Sp. 2. 1061 So aber z.B. Haussühl, VBlBW 1998, 91 Sp. 2, m. w.N. Tend.a. Lege, DVBI. 1999, 578 Sp. 2. 1062 S. nur Di Fabio, JuS 1997, 3 Sp. 2, u.H.a. das "Wamungswirrwarr" nach Tschernobyl, das letztl. zur Schaffung einer entspr. Bundeszust. gern. § 9 I StrahlenschutzvorsorgeG geführt hat. 1063 Zu diesen Ausprägungen d. sog. kooperativen Föderalismus s.a. BVerfGE 98 218, 248 ff., betr. die "Kommunikation im gemeinsamen Sprachraum" (250). Ein Abwarten einer gern. Länderregelung soll dagg. im Fall d. Schutzes d. ungeborenen Lebens nicht mögl. sein, vgl. BVerfGE 98, 265, 302, u.H.a. E 88, 203, 304 f. Krit.d. abw.Mein. Papier/Graßhoff/Haas, ebd., 329, 346 ff.
18 Szczekalla
274 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
cc) Durchbrechung der Sperrwirkung des Art. 72 I GG aus Gründen der grundrechtliehen Schutzpflichten? Mitunter wird in der Literatur - als weitere mögliche "Auflockerung" der an sich bestehenden Zuständigkeitslage - vertreten, dass die Sperrwirkung des Art. 72 I GG insbes. bei unausgefüllten Verordnungsermächtigungen 1064 u. a. 1065 aus Gründen der grundrechtliehen Schutzpflichten durchbrachen sei bzw. relativiert werde. 1066 Vor allem das Umweltrecht sei in beträchtlichem Umfang verfassungsrechtlich gebotenes, da zur Erfüllung von grundrechtliehen Schutzpflichten für Leben und Gesundheit sowie Eigentum erforderliches Recht. Versäume es die Bundesregierung, eine zur Erfüllung dieser Schutzpflichten notwendige Verordnung zu erlassen, dann könne es nicht Sinn des Art. 72 I GG sein, die Länder daran zu hindern, einen solchen verfassungswidrigen Zustand durch eigene Maßnahmen zu beheben. Deshalb seien die Länder zumindest berechtigt, "vorläufig" tätig zu werden. An dieser Stelle kann selbstredend nicht das gesamte Meinungsspektrum zur Reichweite der Sperrwirkung des Art. 72 I GG 1067 dargestellt werden eine einheitliche Rechtsprechung und eine "herrschende Meinung" existieren dazu ohnehin nicht. 1068 Im Grundsatz ist jedenfalls daran festzuhalten, dass zwar alle staatliche Gewalt an Schutzpflichten gebunden ist (Art. 1 III GG ), also auch Bundes- und Landesregierungen. Die Schutzpflicht ist insoweit "kompetenzneutral". 1069 Diese Bindung setzt aber ebenso grundsätzlich eine entsprechende Zuständigkeit im Rahmen der bundesstaatliehen Kompetenzordnung voraus. Schutzpflichten sind kein Ersatz für einen nicht vorhandenen KompetenztiteL Hat der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht gern. Art. 74 I, 72 GG Gebrauch gemacht, so hat er dies eben auch als Adressat der grundrechtliehen Schutzpflichten getan. 1070 Die zum Erlass einer Verordnung ermächtigte Stelle, häufig die Bundesregierung, ist ihrer1064 (Nur) In Ausnahmefallen f. eine Pflicht d. Verordnungsgebers zum Erlass einer VO aus grl. Schutzpflichten Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 230 f. N .d.s. o.u.
c).
1065 Daneben werden der Grds.d. Bundestreue u. die ratio legis d. Art. 72 I GG angeführt, der die Effektivität einer Bundesregelung sichern, aber nicht notwendiges Staatshandeln längerfristig blockieren solle. 1066 Vgl.d. insbes. Bothe, NVwZ 1987, 945 Sp. 2. Zu!. etwa Böhm, DÖV 1998, 238 Sp. 1. Dagg. dez. Unruh/Strohmeyer, BayVBI. 1999, 612 f., die ausschließ!. auf den Grds.d. Bundestreue abstellen u. die Sperrwirkung erst nach Verstreichen einer gewissen Zeit (ca. 2 Jahre) eintreten lassen wollen. S.a. hessVGH, ZUR 1998, 251, 255 Sp. 2, 256 f. 1067 Zum - cum grano salis - vergleichbaren Prob!. d. Sperrwirkung sek. GemR s. u.u. Dritter Teil, A.I.4., C.I.2. 1068 Ausf.d. Unruh/Strohmeyer, BayVBI. 1999, 611 f. 1069 So vMIK-Kunig Art. 2 Rn. 56. 1070 Vgl. Unruh/Strohmeyer, BayVBI. 1999, 613 Sp. 1.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
275
seits Schutzpflichtadressatin und aus diesem Grunde zum Erlass entsprechender schutztauglicher Normen verpflichtet. Ein Übergang dieser Verpflichtungen bei Untätigkeit des Bundesgesetzgebers auf die Länder kommt demnach grundsätzlich nicht in Betracht. 1071 Grundrechtliche Schutzpflichten können allerdings die Auslegung der bestehenden Kompetenzvorschriften leiten (Stichwort: "Einheit der Verfassung" 1072 ). So gesehen handelt es sich bei der dargelegten Ansicht - vielleicht unausgesprochen - nur um eine Art schutzpflichtkonformer Auslegung des Art. 72 I GG, und nicht eigentlich um eine "Durchbrechung" der Sperrwirkung. Die Sperrwirkung tritt von vomherein nicht ein oder entfällt später wieder mit der Folge, dass die Länder nunmehr (wieder) originär zuständig sind. Die Kompetenzvorschriften, so wie sie sich nach einer entsprechenden Auslegung darstellen, bleiben also gewahrt. Indes ist hier keine generalisierende Betrachtungsweise möglich - die Auslegung hat vielmehr Wortlaut, Sinn und Zweck, systematische Stellung sowie Geschichte des Art. 72 I GG in den Blick zu nehmen und dementsprechend zu klären, ob einer Bundesregelung nach ihrem Wortlaut, ihrem Sinn und Zweck, der systematischen Stellung der möglicherweise sperrenden Einzelvorschrift sowie der (Gesetzgebungs-) Geschichte Sperrwirkung zukommen soll oder nicht. Im Übrigen besteht an sich gar kein Bedürfnis für eine Durchbrechung oder Relativierung der Sperrwirkung, wenn eine entsprechende Auslegung nicht weiterhilft: Ist ein Land der Ansicht, dass der Bundesgesetzgeber mit einer nicht ausgeübten Verordnungsermächtigung aus Gründen der grundrechtlichen Schutzpflichten notwendiges (i. S. v. "die Not wendendes") Recht nicht erlassen habe, so stehen ihm ausreichende verfassungsgerichtliche Rechtsbehelfe zur Verfügung, 1073 um den säumigen Gesetzgeber zum Tätigwerden anzuhalten. 1074 Schließlich kann - außergerichtlich - nach dem neuen Art. 80 III GG auch der Bundesrat der Bundesregierung VorlaA.A. Böhm, DÖV 1998, 238 Sp. 1. Vor einer Überbetonung dieser "beliebte[n] Interpretationsregel vom ,Grundgesetz als einer Einheit'" warnend aber P. Lerche, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 215, 220m. w.N. Ausf. K. Stern, StaatsR III/2 § 95 V 6 S. 1742 ff., m.z.N. Zur GernPerspektive dieser "Argumentationsfigur" instruktiv Kadelbach, EuR Beih. 2/ 1998, 51 ff. 1073 In Betracht kommt v. a. eine abstrakte Nonnenkontrolle d. die Verordnungsermächtigung enthaltenen Gesetzes. Aber a. eine verfrl. Bund-Länder-Streitigkeit ist denkbar. Daneben könnte es über eine Individualverfassungsbeschwerde zu einer Überprüfung kommen, a. wenn die Zulässigkeitshürden nach d. Rspr.d. BVerfG sehr hoch sind. Die Kontrolle d. mat. Verfassungsmäßigkeit eines BundesG i. R. einer Vb. gg. ein LandesG abl. aber jüngst BVerfGE 98, 265, 265 Ls. 4, 318 ff. 1074 Zur Relevanz einer Vb. in solchen Fällen vgl. hessVGH, ZUR 1998, 251, 255 Sp. 2. 1071
1072
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276 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
gen für den Erlass von Rechtsverordnungen zuleiten, welche seiner Zustimmung bedürfen. 1075 Zumindest wird man verlangen müssen, dass ein Land vor Erlass einer eigenen Regelung im Bundesrat einen diesbezüglichen Vorstoß unternehmen muss. 1076 dd) Staatsorganisationsrechtliche Implikationen Schließlich sind die staatsorganisationsrechtlichen Implikationen zu beachten, d. h. die besonderen Pflichten von obersten Staatsorganen in ihrem Verhältnis zueinander: 1077 Auch wenn bspw. der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch die Bundesregierung 1078 schutzpflichtenerfüllender Charakter beigemessen werden kann, weil die Antwort unter Umständen auch als Warnung verstanden werden kann 1079, steht in solchen Fällen doch die Pflicht der Bundesregierung, solche Fragen zu beantworten, ganz im Vordergrund. Ein Aushebeln der grundgesetzliehen Kompetenzund Zuständigkeitsordnung ist darin nicht zu sehen, zumal auch die Antwortpflicht Bestandteil dieser Ordnung, diese also auch mit Blick auf die genannte Pflicht auszulegen ist. 1080 e) Schutz vor "Naturkatastrophen" als Fall der grundrechtliehen Schutzpflichten?
(Heftig) Umstritten ist in der Literatur weiterhin, ob der Schutz vor ,,Naturkatastrophen" einen Fall grundrechtlicher Schutzpflichten darstellt, ob also die Schutzpflichten auch unpersonale oder ob sie nur personale Gefahren erfassen. 1081 Zumeist werden die Schutzpflichten dabei auf mehr1075 Vgl.d. Böhm, DÖV 1998, 237, die daraus allerd. kein Arg. f. eine Sperrwirkung ableiten will., weil es hier nicht um die Abgrenzung d. Regelungsbefugnisse v. Bund u. Ländern gehe, sondern um eine Sicherung d. Mitwirkungsbefugnisse d. Länder beim Erlass v. Bundesverordnungen nach Art. 80 II GG. 1076 Zweifelnd aber Böhm, DÖV 1998, 237. 1077 Vgl.d. allg. Determann, S. 184 ff. 1078 Zum Eingriffscharakter einer solchen Antwort i.G.z. Statements einzelner Amtswalter o. Inanspruchnahme öffentl. Amtsautorität (in Interviews, Talkshows, Parlamentsdebatten) od. sonst bei noch nicht abgeschlossener Meinungsbildung s. nur Murswiek, DVBI. 1997, 1027. 1079 Zur Warnung als Mittel d. Schutzpflicht-Erfüllung s. etwa Haussühl, VBIBW 1998, 91 Sp. 1; Dostmann, DÖV 1999, 997 Sp. 2, jew.m. w.N. 1o8o S.d. BVerfG, NJW 1996, 2085. 1081 Im letztgen. Sinn bspw. Hermes, S. 231; /sensee, HStR V§ 111 Rn. 89, 112 (offener aber ders., Ambivalenz, S. 10: Schutz gg. Gefahren, die "in erster Linie" v. Priv. ausgehen); Merten, S. 22; Ziekow, S. 584 (den MStr. in seiner Verteilung indes nicht wahrnehmend), 587 f. ("Leistungsrecht"), 615 These 71; Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 213; Borowski, S. 239 Fn. 9 a.E. Bock, S. 261 ff., erörtert die Prob!. i.Z.m. sozialstaatl., teilhaberl. Anspr. Ebenso f. Öst. Berka, S. 63 Rn. 106.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
277
polige Rechtsverhältnisse bezogen. 1082 In dem sog. Rechts- oder Störerdreieck1083 zwischen schützendem Staat, (potenziellem) 1084 Angreifer (StöDagg. Lorenz, HStR VI § 128 Rn. 54; K. Stern-Sachs, StaatsR III/1 § 67 V 2 a a S. 734 ff.; Dietlein, S. 103, 110, 232 These 10; ders., ZG 1995, 135; Robbers, Sicherheit, S. 124; Sass, S. 403, 420 (Bsp.: Hochwasser, Erdbeben); vMIK-Kunig Art. 2 Rn. 67 S. 192; H.H. Klein, DVBl. 1994, 490 Sp. 2; Sachs-Sachs Vor Art. 1 Rn. 22 (allerd. mit der sibyllin. Wendung "zumal im Sozialstaat"); Determann, S. 144; Hain, ZG 1996, 82; Menzer, S. 86 f., 94, 108, der aber nicht zw. menschl. gesetzten Risiken u. "reinen" Naturkatastrophen differenziert u. dem i.Ü. eindeutige Fehlzitate unterlaufen (S. 87 Fn. 366) - s.a. dens., DVBl. 1998, 822 Sp. 2. Wohl a. Lerche, HStR V § 121 Rn. 42 (Schutzpflichten [nur] "auch und gerade gegenüber Drittbedrohungen"); Pieroth/Schlink Rn. 88 1. SpStr. (wo GRe "durch wen oder was auch immer" bedroht sind, verpflichteten sie den Staat zu schützendem Einschreiten). F. einen Schutz vor den "Unbilden der Natur" a. Koch, DV 30 (1997), 14, 18, 26- diff. f. Art. 12 1, 14 1 GG aufgr. einer entspr. Schutzbereichsauslegung i.Z.m. dem Winterdienst auf öffentl. Straßen (keine Gewährleistung einer bestimmten Verkehrsinfrastruktur) a. a. 0., 22, m. w. N., 26. F. eine Schutzpflicht aus Art. 2 11 1 GG, nach welcher der Staat eine Unterversorgung mit Umweltressourcen (Trinkwasser) zu verhindern habe, Britz, DV 30 (1997), 206 ff. I.H.a. die Erforderlichkeit einer ausr. "Transplantationsrate" a. Seewald, VerwArch. 88 (1997), 205 f. (206). 1082 Vgl. nur Hermes, S. 204; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 172. Ausdr. a. A. aber Rengeling, Langzeitsicherheit, S. 90. 1083 1sensee, Sicherheit, S. 34 ff. ("Rechts-Dreieck Staat - Störer - Opfer", 34); ders., HStR V § 111 Rn. 5; ders., Kriele-FS, S. 14, 17 f., 31; Eilers/Heintzen, RIW 1986, 620 Sp. 1; Hermes, S. 204 ff. (,,Dreieck von Staat Störer und Opfer", 204 [H.i.O.]); K. Stern, StaatsR III/1 § 69 IV 5 S. 946; Wahl/Masing, JZ 1990, 553, 556 f.; Fluck, UPR 1990, 82; Pietzcker, S. 345 (ff.); Dietlein, S. 44 (",Dreiecksverhältnis' Staat-Störer-Opfer"); Hellermann, S. 204, 242; Koppen/ Ladeur, in: Cassese u.a., S. 5 f.; König, S. 209 f. u.ö.; Cremer, S. 240 ff.; K. Hesse, in: Däubler-Gmelin u.a., Mahrenholz-FS, S. 546; Pietrzak, JuS 1994, 748 Sp. 2; Merten, S. 22; Jarass, AöR 120 (1995), 352; Ruffert, S. 11, 17, 21, pass.; Ossenbühl, NuR 1996, 56 Sp. 2; Lagodny, S. 11 f.; Erichsen, Jura 1997, 85; v. Kater, S. 93 f.; Ziekow, S. 578 ff.; Gill/Bizer/Roller, S. 92; Faber, DVBl. 1998, 747; Uwer, S. 124 f.; Möstl, DÖV 1998, 1035 Sp. 1; Burgi, EWS 1999, 329 Sp. 1. S. aber a. H.H. Klein, DVBl. 1994, 490 Fn. 26 ("für den Schutzpflichtgedanken im übrigen kennzeichnende Dreiecksbeziehung (Grundrechtsberechtigter, Grundrechtsverpflichteter und [potentieller] Verletzer von Grundrechtsgüter)", welche aber bspw. in BVerfGE 76, 1, 49 f.; 80, 81, 92, fehle), der nicht ausnahmslos eine Dreieckskonstellation, sondern den Schutz vor Naturgefahren in die Schutzpflichten einbezieht; Menzer, S. 79, 83 ff. (",Rechts[-]dreieck Staat-Störer-Opfer"')- s. aber a. S. 85, 94 ("Staat-Störung-Opfer"), sowie dens., DVBl. 1998, 822 m.Fn. 43. Einschr.a. Windthorst § 4 Rn. 24 f. ("in der Regel", "grds."); Engels, AöR 122 (1997), 212, 236 Fn. 140 ("vor allem"). (Einschr.) F. das öst. Recht u. die EMRK a. Holoubek, DVBl. 1997, 1031, 1034 Sp. 1 ("in aller Regel"). Ein "Dreiecksverhältnis (Bürger-Gemeinschaft-Bürger)" im EG-Recht wird v. Baumert, S. 22, erwogen.F. die GFen s.a. Kingreen, S. 196. F. die EMRK Schlette, ERPL/REDP 9 (1997), 195, 242, am Bsp.d. Mieterschutz-Rspr.d. EuGHMR: "relation triangulaire (individu - Etat - individu)". 1084 U.a. desh. den Begr. "Risikodreieck" präferierend Gill/Bizer/Roller, S. 93.
ßß
278 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
rer) 1085 und schutzsuchendem Bürger (Opfer) 1086 habe der Staat hinreichend dichte Schutz-Nonnen zu setzen. 1087 Schon mit dem letztgenannten vorrangigen Abstellen auf nonnative Schutzmitte/ 1088 wird der Weg zur Einbeziehung von Naturkatastrophen in die grundrechtliehen Schutzpflichten tendenziell eher versperrt: An die Natur adressierte Ge- und Verbote sind undenkbar 1089 - Naturgewalten entziehen sich legislativer Prädestination. 1090 Gleichwohl gibt es keinen allgemeinen Satz des Inhalts, dass das, was der Staat nicht beherrschen könne, von ihm auch nicht geschützt werden könne. 1091 Schutz findet hier vielmehr häufig gerade im Bereich der sog. gesetzesfreien Verwaltung statt. 1092 Das Störer-Dreieck wird in der Literatur auch noch aus einem anderen Grund als zu eng empfunden, eine Erkenntnis, die aber nicht etwa zur Aufgabe geometrischer Figuren in diesem Zusammenhang genutzt wird, 1093 sondern - im Gegenteil - zu deren Erweiterung: So wird etwa ein ,"Viereck' der Interaktionen von Risikoproduzenten, Risikobetroffenen, Öffentlichkeit und Staat" ausgemacht. 1094 Vierecke sind der Sache nach auch schon in der Schutzpflicht-Rechtsprechung des BVeifG behandelt worden, etwa das Viereck, das aus Organspender, Arzt, Organempfänger und Staat gebildet wird. 1095 Doch auch dabei kann man eigentlich nicht stehen blei-
s.
1085
17.
Zur Wertfreih. d. Begriffswahl "Angreifer" u. "Opfer" /sensee, Kriele-FS,
1086 Ähnl. f. das ZwangsvollstreckungsR Nehm, in: Heyde/Starck, S. 183: "Dreiecksverhältnis zwischen Gläubiger, Schuldner und Vollstreckungsgericht". 1087 Zur pol. Disk. im Vorfeld d. Einführung d. sog. Lauschangriffs s. SPIEGEL Nr. 5111992, 25 f. ("Neues Dreieck"), wonach d. F.D.P.-(Rechts-)Pol. (u. ehemalige Staatsanwalt) Jörg v. Essen "Waffengleichheit" im "neue[n] Dreiecksverhältnis zwischen Bürger, Staat und Kriminalität" fordere. 1088 S. etwa Merten, S. 22, der die Schutzpflicht "mit der staatlichen Rechtsetzungs- und Zwangsgewalt auf seinem Territorium" begründet. Demggü. auf "Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art" abst. bayVGH, NVwZ 1998, 419, 420 Sp. 2, u.H.a. BVerfGE 88, 203, 254 (H.d.V.). Krit. zu dieser normativen Eindimensionalität Elbing, S. 102. Allg. zum StrStd. beim Begr.d. "Leistung" Heintschel v. Heinegg/Haltem, Jura 1995, 336 Sp. 1. S.a.o., A.V.4.a)aa)(1). 1089 Vgl. nur Kind, S. 283; Koch, DV 30 (1997), 21. 1090 Insow.zutr. Merten, S. 22: " ... Naturkatastrophen [sind] staatlich nicht beherrschbar". 1091 So aber Heintzen, S. 208. 1092 S. Dietlein, S. 110. 1093 S. aber Menzer, S. 87, 94; dens., DVBI. 1998, 822 m.Fn. 43 a.E., der schließ!. die "Bezeichnung ,Staat-Störung-Opfer'" wählt. 1094 Pitschas, UTR 36 (Jb. 1996), S. 175. Vgl.a. Engel, DVBI. 1997, 1018, der die Abnehmer best. Produkte, z. B. v. Arzneimitteln, einbezieht. 1095 S. BVerfG, B.v. 11.8.1999- 1 BvR 2181-2183/98 (1. K.)- n.n.v. S.a.u., (2)l)ee)(2).
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
279
ben: Selbstverständlich können in bestimmten Situationen noch mehr Personen an einer muttipolaren Konflikt- bzw. Kollisionslage beteiligt sein: 1096 So kann die Zahl der "betroffenen Männer", die als Vater eines Kindes in Betracht kommen, das seine Mutter auf Auskunft über seinen biologischen männlichen Elternteil verklagt, und deren "Interessen" in die Abwägung einzustellen sind, 1097 u. U. - nämlich bei entsprechendem "Mehrverkehr" recht erheblich sein. All diese Beispiele sprechen mithin eher dafür, die vereinfachenden geometrischen Figuren bei der Diskussion um Schutzpflichten ganz außen vor zu lassen. Darüber hinaus widerspricht die (auch nur grundsätzliche) Reduktion der Schutzpflicht auf die Dreieckskonstellation der von manchen Autoren gleichzeitig angenommenen grundsätzlichen Zulässigkeit eines Schutzes vor bzw. gegen sich selbst, geht es doch dort auch um eine bloße Zweierbeziehung, nämlich die zwischen Staat und Selbstschädiger bzw. Selbstgefahrdendem. 1098 Ferner ist auch ein (Selbst-) Widerspruch bei denjenigen Autoren auszumachen, die für eine Einbeziehung des Schutzes (zu-) künftiger Generationen plädieren und gleichzeitig das Störerdreieck zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen machen und deshalb den Schutz vor Naturkatastrophen nicht in die Schutzpflichten einbeziehen wollen. 1099 Schließlich ist es auch widersprüchlich, wenn man die Schutzpflichten einerseits mit der staatlichen Rechtsetzungs- und Zwangsgewalt auf seinem Territorium begründet und deshalb staatlich nicht beherrschbare Naturgewalten ausscheiden will, andererseits aber den diplomatischen Schutz als Anwendungsfall von Schutzpflichten ansieht. 1100 Auch vom Verhalten anderer Staaten lässt sich nämlich sagen, dass sie im Grunde nicht beherrschbar sind, jedenfalls nicht durch staatliche Rechtsetzung und Zwangsgewalt auf dem eigenen Territorium. Von diesen immanenten Widersprüchlichkeiten bei manchen Autoren einmal abgesehen, 1101 handelt es sich bei der Frage nach der Einbeziehung von Naturkatastrophen in die grundrechtliehen Schutzpflichten zunächst Bsp.: BVerfGE 96, 56 ff. In die Abwägung einzustellen sind deren Interessen i. R. eines zivilgerl. Verf. gg. die Mutter allerd. nur insow., als das allg. PersönlichkeitsR d. Mutter gern. Art. 2 I i. V. m. Art. 1 1 GG - prima facie - a. davor schützt, durch ein Urt. dazu gezwungen zu werden, eine Störung d. - mglw. - intakten Familienverhältnisse dieser Männer auszulösen, s. LG Münster, U.v. 26.8.1998 - 1 S 414/89 - n.n.v., II.2.d)aa), S. 15 d.Umdr. 1098 S. nur Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 2. S.u., h). 1099 Vgl. nur /sensee, HStR V § 111 Rn. 95 (neuerdings allerd. undeutlicher, s. dens., UTR 43, S. 176: "Die Grundrechte schützen nur die Lebenden."). Konsequent daher Schmidt-Preuß, NJW 1995, 987 - vgl.a. dens., S. 1 ff., 9 ff., 30 ff. Konsequent a. Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 211,213. S.a.u., g). 1100 So Merten, S. 21 f. S.a.u., f). 1096 1097
280 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
jedenfalls zu einem großen Teil -um einen unfruchtbaren und deshalb entbehrlichen Streit: Häufig genug stehen nämlich nicht genuine Naturkatastrophen in Rede, sondern von Menschenhand hervorgerufene bzw. verstärkte Gefährdungslagen. 1102 Deshalb hat der Staat im Rahmen seiner Schutzpflichten jedenfalls und unstreitig darauf zu achten, dass Dritte nicht durch ihr Verhalten "Natur-" besser: technische Katastrophen auslösen. 1103 Für "reine" Naturkatastrophen ohne jeglichen Einfluss des Menschen 1104 kommen zwar insofern keine normativen Schutzmittel in Betracht, als "die Natur" sich- wie bereits erwähnt- gesetzlichen Befehlen selbstredend entzieht, 1105 wohl aber in dem Sinne, als dass die gesetzlichen Grundlagen für tatsächliche Schutzmittel und für die Durchführung des Schutzes zu schaffen sind. 1106 Das folgt schon daraus, dass die Schutzpflichten nicht nur nor1101 S.a. noch Menzer, der aufS. 79, 84 ff. zwar zun. v. einem ",Rechts[-]dreieck' Staat-Störer-Opfer" ausgeht (insbes. S. 84 Fn. 343), gleichzeitig aber den Schutz künftiger Generationen u. den Schutz vor Naturgewalten einbeziehen will (S. 102 f., 108 bzw. S. 86 f., 94, 108). I.E. gibt er diese geometr. Figur dann doch auf zugunsten der "Bezeichnung ,Staat-Störung-Opfer'" (S. 87, 94, sowie ders., DVBI. 1998, 822 m.Fn. 43 a.E.). Nicht zu!. desh. ist seine Krit. an Rengeling, Langzeitsicherheit, S. 89 ff., nicht recht verständlich (S. 84 Fn. 343). 1102 Deut!. wird dies z.B. bei den regelmäßigen Überschwemmungen, die nicht zu!. auf die früher rigide Flussbegradigungspol. u. die Überplanung v. natürl. Überschwemmungsgebieten zurückzuführen sind. Zu den "Katastrophen, die durch Risiken entstehen, die ihrerseits erst von Menschenhand geschaffen wurden (vgl. Seveso, Tschernobyl, Basel-Sandoz)" vgl. BVerfGE 77, 170, 234 ff. (abw.Mein. Mahrenholz), 239. Badura, StaatsR C Rn. 22 (S. 98) fasst dementspr. Vorkehrungen gg. Gefahren od. Risiken d. Natur od. d. Entwicklung v. Wissenschaft u. Technik zusammen u. unterstellt sie der staatl. Schutzpflicht S. a. die Entschl.d. EP v. 14.5.1998 - B4-0497, 0530, 0535, 0549, 0551 u. 0559/98 - zu den Überschwemmungen in Kampanien (lt.), ABI. C 167 v. 14.5.1998, 229 BE B. Verkannt wird dies m.E. v. Menzer, S. 86 f., der trotz v. Menschenhand vorgenommener atomarer Endlagerung tekton. Verschiebungen innerhalb d. Erdkruste od. das Eindringen v. Wasser in das Endlager nicht als Gefährdungen durch priv. Dritte ansieht (S. 86). Nach diesem sehr weiten Verständnis v. Naturkatastrophen werden v. ihm nur direkte Verursachungen v. Beeinträchtigungen durch personale Dritte ausgeschieden. "[N]atürliche oder technisch bedingte Einflüsse" werden überdies miteinander vermengt (S. 87, 108), worunter die Klarheit d. Argumentation leidet u. die Aussagen mancher Autoren missverstanden werden (so insbes. S. 87 Fn. 366). 1103 Insow.zutr. Merten, S. 22. 1104 Hierbei dürfte es sich allerd. um eher akadem. Fälle handeln. Zur Möglichkeit, "Natureinflüsse" (z. B. Wollläuse od. Samenflug) mit den rechtl. Schutzmitteln d. priv. NachharR (§§ 1004, 906 BGB) über die Haftung des Besitzers f. kausales Unterlassen, also menschl. Verhalten, in den Griff zu bekommen, s. Hernnann, NJW 1997, 155 ff., m.z.N. Eind.insow.a. die Konstellation in KomMR, ZE v. 20.5.1998 (1. K)- 30469/96 (Kleis/D) - n.n.v., S. 4 f. - Fütterungsverbot f streunende Katzen ("un gros chat avec un ventre ondulant (Labberbauch)"). 1105 Vgl. Kind, S. 283; Koch, DV 30 (1997), 21. 1106 Z. B. durch Regelungen der "kooperativen Katastrophenschutzplanung", s.d. BVerfGE 77, 170, 234 ff. (abw.Mein. Mahrenholz), 237 ff. Zur Erforderlichkeit
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
281
mative, sondern auch effektive und damit auch tatsächliche Schutzgewährung gebieten. 1107 Ferner ist die Befugnis der Verwaltung weitgehend anerkannt, dem Einzelnen im Wege der Polizeiverfügung aufzugeben, Sicherungsmaßnahmen gegen Naturkatastrophen zu treffen. 1108 Solche Verpflichtungen können dem Grunde nach sogar in Verfassungsnormen angelegt sein, die dann aber durch den Gesetzgeber zu konkretisieren sind." 09 Eine am Grundrechtsgut orientierte, 1110 aus dem Prinzipiencharakter bzw. der objektivrechtlichen Seite der Grundrechte gewonnene Schutzfunktion 1111 wird darüber hinaus schwerlich danach differenzieren können, ob die Gefährdung des Grundrechtsguts natürlichen oder menschlichen Quellen entspringt.1112 Es gilt insoweit der "Grundsatz der Irrelevanz der Bedrohungsherkunft". 1113 Deutlich wird das schon am Text des Art. 1 I 2 GG: Der dort angeordnete, explizit "rechtsgutsbezogene ,Rundumschutz'" fragt nicht einer "ernsthafte[n] Raumordnungspolitik" in Europa i.d.Z. s. die Entschl.d. EP v. 14.5.1998 (Fn. 1102), BE Cu. Nr. 8. 1107 Vgl. Merten, S. 32, der gleichwohl (reine) Naturkatastrophen als nicht v.d. Schutzpflicht erfasst ansieht (ebd., 22). 1108 F. die Inanspruchnahme eines Grundstückseigentümers als Zustands- und Hand1ungs/Verhaltensstörer s. nur bayVGH, NuR 1997, 559, 559 f. - Felssturz ("Die Fels"). Das Ger. stützt sich hier aber nicht auf GRe (Schutzpflichten), sondern darauf, dass es das öffentl. SicherheitsR- anders als das ZivR- nicht zulassen könne, "daß eine durch natürliche, nicht von Menschen bewußt beeinflußte Einwirkungen entstandene Gefahr unbehoben bleibt, sondern muß im öffentlichen Interesse für deren Abwehr sorgen" (a.a.O., 559 Sp. 1). Ebenso bayVGH, BayVBI. 1997, 502, 502 Sp. 2- Felssturz-li; rpOVG, DVBI. 1998, 103, 103 - Felssturz-l/1. Vgl.a. östOGH, RdU 1997, 199 ff. - Steinschlag nach Kahlschlag, m.zust.Anm. Kerschner, a. a. 0., 202. 1109 Z. B. in Art. 46 bbgV ("Jeder Mensch ist bei Unglücksfällen, Katastrophen und besonderen Notständen nach Maßgabe der Gesetze zur Nothilfe verpflichtet"). Vgl.d. Denninger, S. 45 f.; dens., KritV 1995, 9, 21. 1110 Dazu K. Stern, StaatsR III/1 § 76 IV 5 a a S. 1575. Vgl.a. Di Fabio, Risikoentsch., S. 46 m.Fn. 22. 1111 A.A., indes o.Begr., Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 213 Fn. 265. 1112 Ähnl. - trotz seines grds. Beharrens auf dem "Rechts[-]dreieck Staat-StörerOpfer" - Menzer, S. 87 ("Die Schutzverpflichtung des Staates ist ... schutzgutorientiert und unabhängig von der Personalität des Verursachers"). Ebenso Dietlein, S. 103, 126 ("schutzgutorientierte, primär objektive Pflichten des Staates"). Zur Irrelevanz von "Angriffssubjekt und Angriffsrichtung" s.a. noch K. Stern, StaatsR III/1 § 76 IV 5 a ä S. 1575. 1113 Formulierung nach EUDUR-P. Szczekalla I § 12 Rn. 23 f. Ähnl. Heintzen, S. 136: "Von welcher Seite die Störung des grundrechtliehen Schutzbereiches ausgeht, ... muß ... prinzipiell gleichgültig sein"; Bleckmann, DVBI. 1988, 941, 943, jew. Sp. 2 ("ganz gleich aus welcher Richtung" bzw. "nach allen Richtungen"). F. die EMRK s.a. Zimmer, ZAR 1998, 119 Sp. 1, m.w.N., 120 Sp. 1 - a.A. insow. Maaßen, ZAR 1998, 112 Sp. 2 ("Die Konvention will die ... Rechtsgüter nicht vor jeder Beeinträchtigung schützen ... ") - s.a. dens., S. 117 ff. F. den Diskurs Hartwig, in: Grabenwarter u. a., S. 33.
282 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
nach der jeweiligen Störungsquelle, sondern wirkt gleichsam "ubiquitär".1114
Im Übrigen ist der Mensch selbst Teil der Natur, wenn auch vielleicht nicht i. S. d. "einfachen" Naturschutzrechts, das insoweit aber auch keine Legaldefinition enthält, 1115 das den - direkten - Schutz der Grundrechte der Menschen indes auch nicht, jedenfalls nicht vorrangig, intendiert. Manche "menschliche Katastrophen" lassen sich ganz in diesem Sinne oft als "Naturkatastrophen" im wahrsten Sinne des Wortes begreifen, wenn etwa bei Amokläufern die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit fehlt und von einem freien, durch gesetzliche Ge- und Verbote ansprechbaren Willen 1116 nicht mehr im Entferntesten die Rede sein kann. 1117 So zutr. H. Dreier, S. 55. S.d. den pragmat. Definitionsvorschl. v. v. Lersner, NuR 1999, 61 ff., der den Menschen gerade ausnehmen will. 1116 S.d. Röhl, S. 134 ff. (zu Willensfreih. u. Schuldstrafrecht), m.w.N. 1117 Vgl.d. anschaulich u. eindringlich Mauz, SPIEGEL Nr. l2/l996, 97 Sp. 3, der über einen Schülermörder schreibt: "Thomas Hamilton, 43, ist über Dunblaue wie eine Naturkatastrophe gekommen. Unvorhersehbar, aus friedlichem Himmel brach das Unglück herein. Ein Deich, hinter dem man seit undenklichen Zeiten in Frieden lebte, zerriß in Sekunden. Und ohne Vorwarnung strömte alles überflutend die Welt herein" (H.d.V.). Dass es in solchen Fällen nichts gibt, "was vorbeugt, was sichert, ... was abschreckt, was größere Sicherheit garantiert" (a.a.O., 103 Sp. 1), mag zwar zutreffen (s. aber die drei professoralen Plädoyers f. eine lebenslange Sicherungsverwahrung nach dem Sexualmord a.d. 10-jähr. Kim Kerkow, F.A.Z. Nr. 28 v. 3.2.1997, 8), macht aber die Einbeziehung solcher "Naturkatastrophen" in die Schutzpflichten nicht entbehrlich: Kann die Tat nicht verhindert werden, folgt aus den Schutzpflichten immer noch ein tertiärer Schutz in Gestalt v. Entschädigung. Zu einem weiteren, gesl. Schutzinstrument nach Dunblane, das solche Fälle in Zukunft gerade verhindem soll u. das i. E. menschen- bzw. gemrl. unbedenklich ist, s. KomMR, ZE v. 1.7.1998 (l. K) - 37664/97 u. 37665/97 u.a. (R.C. u. A.W.A. u.[l566]a. u.a./VK)- n.n.v., S. 4 ff.- Freizeitschützen (Firearms [Amendment] Act 1997), sowie Antw.d. Rates auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Berger - E-4192/97, ABI. C 196 v. 22.6.1998, 98, u. Antw.v. Korn. Monti auf die schriftl.Anfr. ders. E-4193/97, ABI. C 223 v. 17.7.1998, 70 f.: Danach plant die Korn. trotzder in letzter Zeit gehäuften Ber. über Amokläufe keine Verschärfung d. einschl.Vorschr. (offener die Antw. dess. auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Hager- E-020l/98, ABI. C 402 v. 22.12.1998, 6). Die MS dürfen aber strengere Vorschr. anwenden od. beibehalten. S.d. die RL 91/477/EWG d. Rates v. 18.6.1991 über die Kontrolle u. den Besitz v. Waffen, ABI. L 256 v. 13.9.1991, 51- WaffenRL. S.d.a.u.u. Zweiter Teil, B.VI.l.b)cc). Anders aber- u. zu Recht - i.d. Einschätzung menschl. Verhaltens als "Naturkatastrophe" i.Z.m.d. Sexualmord a.d. 7-jähr. Natalie Astner f. den Satz, dass sich ein Rückfallrisiko bei Sexualstraftätern nicht ausschließen lasse, wiederum Mauz, SPIEGEL Nr. 40/l996, 34, 34 Sp. 1: Dieser Satz "wirkt in diesen Tagen sehr tapfer und human. Leider ist er nur tollkühn, ja dreist". Begründet wird diese Einschätzung m.d. Versäumnissen i.d. forens. Psychiatrie (also einem Defizit an im Wes!. "klassischen" tatsächl. Schutzmitteln). S.i.d.Z.a. Frean, Times No 65,943 v. 16.7.1997, u.H.a. zwei brit. Studien, denen zufolge zwei jüngere Mordtaten Geisteskranker mit 111 4
1115
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
283
Leitet man die Schutzpflichten aus der objektivrechtlichen Seite bzw. dem prinzipiellen Charakter der Grundrechte ab, spricht damit alles für eine Einbeziehung auch des Schutzes vor Naturkatastrophen einschließlich sonstiger unpersonaler Gefahren, v. a. Krankheiten. 1118 Eine Reduktion der Schutzpflicht aufgrund des - nur ergänzenden - Abstellens auf das staatliche Verbot der Selbsthilfe als Korrelat des Schutzrechts, das einer Einbeziehung entgegenstehen könnte, 1119 ist demgegenüber nicht anzunehmen. f) Diplomatischer bzw. Auslandsschutz als Fall der grundrechtliehen Schutzpflichten?
Umstritten ist auch, ob der Schutz vor Verletzungen oder Gefahrdungen von Grundrechtsgütern durch nichtdeutsehe Träger hoheitlicher Gewalt, insbes. auswärtige Staaten, 1120 also die Fälle des diplomatischen bzw. Auslandsschutzes, von den grundrechtliehen Schutzpflichten erfasst werden. 1121 auf unzureichende Zusammenarbeit zw. den Pflegeinstitutionen u. unzureichende Ausbildung d. Pflege- u. med. Personals zurückzuführen seien, sowie m. einem Überblick über weitere Untersuchungen ähnl. Fälle. Zul. i. d. S. u. am Bsp. Astner/ Kerkow etwa Friedrichsen, SPIEGEL Nr. 44/l997, 80, 88 Sp. 3; Leygraf, ebd., 84. Gleiches gilt f. den Fall KomMR, ZE v. 17.5.1996 - 23452/94 (Osman/VK) n.v.- "Warnzeichen", in dem es v.a. um die Schutzpflicht aus Art. 2 EMRK geht (N.d.s. u.u. Zweiter Teil, B.V.l.d)aa)). Hier hatte der jedf. vermindert zurechnungsfahige Täter, ein eifersüchtiger Lehrer, der auf einen seiner Schüler ein Auge geworfen hatte, u. a. mehrfach verbale Drohungen ausgestoßen, z. B. dahingehend, dass er "a sort of Hungerford" begehen werde, womit er sich auf einen Amoklauf im VK im Jahre 1987 bezog, bei dem 16 Menschen getötet wurden (s.d. Times, No 65,971 v. 18.8.1997). Nach Tötung d. Vaters d. Schülers u. d. Sohnes d. Schuldirektors sowie Verwundung d. Schülers u. d. Schuldirektors erklärte er bei seiner Festnahme: "Why didn't you stop me before I did it. I gave all the waming signs"! (S. 6). Die KomMR hat inzw. aber mehrhl. (10:7) eine Verletzung d. Art. 2 EMRK verneint, teilw.abgedr. in EuGHMRE 1998, 3124, 3185, 3188 ff. §§ 88 ff. (3195 § 104), v. a. desh., weil es f. die Polizei nicht vorhersehbar gewesen sei, dass der Lehrer - über die den Beamten bekannten Sachbeschädigungen hinaus - einen bewaffneten Angriff auf die Osmans verüben würde (3193 f. § 97). Der EuGHMR hat diese Mehrheitsmein.d. KomMR best., s. ebd., insbes. 3159 ff. §§ 115 ff. S.a. noch KomMR, ZE v. 14.10.1996- 22998/93 (Danini/It.)- n.n.v.- Mord durch psychopath. Ex-Freund, m. w.N. 1118 S. aber Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1289, die Krankheiten o.Begr. ausblenden. Über die Schutzpflicht aus Art. 1 I 2 GG (nicht drittverursachte) Krankheiten einbeziehend Schwabe, Probleme, S. 265 ff. 1119 I. d. S. Borowski, S. 239 Fn. 9 a. E., der darin indes den "zentrale[n] Grund für grundrechtliche Schutzrechte" erblickt. 1120 Zur GRgutsgefährdung im Ausl. durch Naturereignisse s. Cremer, S. 163 f., 262 f., 265 ff. 1121 Dafür E. Klein, DÖV 1977, 704 (706 ff.); Murswiek, EMRK, S. 238 f., 242; ders., UPR 1986, 373 ff., 377 ff.; ders., WiVerw. 1986, 203; Robbers, Sicherheit, S. 205 f.; Eilers/Heintzen, RIW 1986, 621 Sp. 1; Heintzen, S. 134 ff. (136 ff.,
284 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Nicht näher eingegangen werden soll an dieser Stelle auf die Ansicht, welche die Pflicht zum diplomatischen Schutz von einem - schutzpflichtgestützten - "Einwirkungsanspruch" gegen die deutsche öffentliche Gewalt abgrenzen will. 1122 Einem solchen Abgrenzungsversuch kommt insoweit kein eigenständiger Erkenntniswert zu, als es sich dabei ohnehin "nur" um einen "Unterfall der allgemeinen Schutzansprüche" handeln soll. 1123 Er dient letztlich nur der Klarstellung der tatbestandliehen Voraussetzungen des speziellen Anspruchs auf diplomatischen Schutz. 1124 Eine Differenzierung ist jedenfalls hier nicht notwendig. Für die Erfassung der diplomatischen Schutzpflicht durch die- allgemeinen - grundrechtliehen Schutzpflichten spricht vor allem die Tatsache, dass es sich um eine zu den herkömmlichen Schutzpflichten ganz parallele Konstellation handelt: 1125 Schützt das Grundrecht in seiner Schutzfunktion vor Dritten, d.h. zunächst vor (grundsätzlich) nicht grundrechtsgebundenen Privaten, so liegt eine Übertragung 1126 oder gar nur schlichte Anwendung dieser 156 ff.); AK-GG-Denninger Vor Art. 1 Rn. 33; K. Stern-Sachs, StaatsR III/1 § 67 V 2 a a yy S. 734 f.; ders., in: ders., Vor Art. 1 Rn. 67; K. Stern, HStR V § 109 Rn. 60 a.E.; ders., in: StaatsR III/2 § 95 V 4 d S. 1739; § 96 IV 3 b ß S. 1806; Dietlein, S. 122 ff. (123: "Unterart"), 232 Thesen 10, 13; K. Hesse, HVR § 5 Rn. 50; v MIK-Kunig Art. 1 Rn. 33, 55 S. 183; H.H. Klein, DVBI. 1994, 490 Sp. 2; Cremer, S.239 ff.; Bleckmann, EWS 1995, 214; ders., in: Beyerlin u.a., BemhardtFS, S. 314; Merten, S. 21; Heintschel v. Heinegg/Haltem, Jura 1995, 309 f.; J!PJarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 8; Art. 1 Rn. 7 a. E.; Tsai, S. 208; Dreier-Dreier Art. 1 III Rn. 32; Lübbe-Wolff, ebd., Art. 16 Rn. 55; Blumenwitz, in: ders.u.a., Eur. Minderheitenschutz, S. 159; Ziekow, S. 587 f., 615 These 71; Borowski, S. 238 f.; v. Danwitz, S. 86 ff., 102 These III.4.b), 5; Tettinger, S. 130. Nach Ruffert, AvR 35 (1997), 470, soll der Anspr. auf dipl. Schutz in Dtschl. durch die Lehre v. den grl. Schutzpflichten "überformt" worden sein. Wohl a. Rüfner, HStR V § 117 Rn. 37; König, S. 201, 204, 217 m.Fn. 791; Badura, StaatsR C Rn. 22 (S. 97 f.); Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 550 f.; Pemice, VVDStRL 56 (1997), 118. Wg. der Parallele zur allg. Schutzpflicht-Rspr. in Gestalt d. weiten Entscheidungsspielraums d. zust. Organe zum. f. eine ergänzende Hinzuziehung Hermes, S. 57, 74, jew.m. w.N. Tend. dagg. Jsensee, Sicherheit, S. 30, der ledl. eine Analogie annimmt; ders., HStR V § 111 Rn. 79, 89, 120 ff. (dieser analogen Konstruktion Ietzt!. wg. Annahme eines allg. "Einwirkungsanspruchs" zust. Elbing, S. 98 ff. [108]). S. a. Erichsen, Jura 1997,85, m.w.N., der diese Konstellation aus seiner Darstellung der Rspr. des BVerfG ausklammert, weil sie bes. Prob!. aufwerfe. "Im Mittelpunkt der Schutzpflichtendiskussion" stehe vielmehr die "Dreiecksbeziehung" zw. Staat, Störer u. Opfer. Unzutr. aber die Zitierung v. BVerfGE 66, 39, 57 ff., u. 77, 170, 214 ff., als Beleg dafür, dass das BVerfG diese Konstellation unter die Schutzpflichten subsumiere (Fn. 3). Unzutr. a. die Jsensee unterschobene, pauschale Abi. (a. a. 0.). 1122 So etwa Elbing, S. 98 ff., 315. 11 2 3 So ausdr. Elbing, S. 94. 1124 S. Elbing, S. 104 f. (l 05). 1125 Zur strukturellen Vergleichbarkeit s. Heintzen, S. 136 f.; Elbing, S. 100; Ziekow, S. 588.
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Grundrechtsfunktion 1127 auf die Fälle ebenfalls nicht grundrechtsgebundener ausländischer Staaten, 1128 möglicherweise auch mancher internationaler Organisationen, sehr nahe. 1129 Im Übrigen gilt auch hier, dass Angriffssubjekt und Angriffsrichtung für den Grundrechtsschutz irrelevant sind. 1130 Demgegenüber fällt der Einwand, dass es sich beim Auslandsschutz um einen der deutschen Rechtsordnung (insgesamt) nicht unterworfenen "Störer'', nämlich den ausländischen Staat, handele und sich die Schutzmaßnahmen nicht in den gewohnten innerstaatlichen Subordinationsbahnen bewegten, sondern auf der Koordinationsebene des Völkerrechts, 1131 nicht ins Gewicht: 1132 Es lässt sich nämlich ohne weiteres von zwei Rechtsverhältnissen sprechen, von denen das eine als Grundverhältnis bezeichnet werden kann und das Verhältnis meint, das zwischen Bürger und (Heimat-) Staat besteht, wenn man so will also das Subordinationsverhältnis. 1133 Das andere Verhältnis betrifft demgegenüber die Erfüllung der Pflicht zur Gewährung von diplomatischem bzw. Auslandsschutz. In diesem Erfüllungsverhältnis können die Besonderheiten, die im außenpolitischen Bereich zu Tage treten, also insbes. der weite Gestaltungsspielraum 1134 und die speziellen völkerrechtlichen Schutzmittel 1135 im Gegensatz zu den innerstaatlich 1126 Evtl. i.S.e. Analogie, wie /sensee, Sicherheit, S. 30, dies vertritt. Gg. eine bloße Analogie aber Hermes, S. 74 Fn. 232. Anges.d. Umstands, dass es eigentl. keine strukturellen Unterschiede gibt, bedarf es einer Analogie i.d. Tat nicht. 1127 Eilers/Heintzen, RIW 1986, 621 Sp. 1, sprechen insow. v. "eine[r] passende[n] grundrechtstheoretische[n] Einkleidung". 1128 Zu einfachrl. (kollisionsrl.) Ausnahmefällen s. Kronke, BerDtGesVR 38 (1998), 40 f. Zum umgekehrten Fall d. Anwendung aus!. GRe s. ebd., 44. 1129 In diese Richtung Hermes, S. 74. Demggü. leitet Ress, Bürger, S. 42, das Recht auf Schutz u. Fürsorge a.d. Staatsangehörigkeit als Status u. recht!. Band zw. Individuum u. Staat ab. Dieses Grundverhältnis komme in dem "ungeschriebenen Rechtssatz , subjectio trahit protectionem'" zum Ausdruck. Der Staat müsse "aus dem verfassungsrechtlichen Grundverhältnis heraus dem Staatsbürger solange selbst Schutz im weiteren Sinne gewähren, solange dieser Schutz in der EU nicht adäquat bereitgestellt wird" (H.i.O). S.a. dens., VVDStRL 48 (1990), 66 f. (67), 90; 140, 143; 170, 173. Zur Frage d. dipl. Schutzes gg. (Rechts-) Akte d. EU s.u., Dritter Teil, G. 1130 S.d. nur K. Stern, StaatsR Ill/1 § 76 IV 5 aß S. 1575. 1131 Isensee, Sicherheit, S. 30; ders., HStR V § 111 Rn. 120. 1132 So i.E. a. Eilers/Heintzen, RIW 1986, 621 Sp. 1; Ziekow, S. 588. 1133 Eilers!Heintzen, RIW 1986, 621 Sp. 1, sprechen insow. v. "Innenverhältnis" (Afz.i.O.). S. a. Elbing, S. 113. 1134 Vgl.d. nur Murswiek, Verantwortung, S. 116 f. m.Fn. 52; dens., UPR 1986, 374 Sp. 2, 375, jew. Sp. 2; Eilers/Heintzen, RIW 1986, 621 Sp. 1; Heintzen, S. 247 f.; Heintschel v. Heinegg/Haltem, Jura 1995, 309 Sp. 2; Dreier-Dreier Art. 1 III Rn. 30. Diff. Elbing, S. 316 ff. (318 f.). S.a.o.u. A.VIII.5. 1135 Z. B. der Protest als gewohnheitsrl. anerkanntes einseitiges selbständiges Rechtsgeschäft (vgl.d.allg. Breutz, pass., insbes. zur Praxis d. BRep. i.Z.m.d. Aus-
286 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
üblichen Schutzmitteln 1136 hinreichend zum Tragen kommen. 1137 Gleiches gilt für den Respekt vor der "Andersartigkeit der fremden Rechtsordnung", der möglicherweise "zu manchen Abstrichen an den Wertvorstellungen des Grundgesetzes" zwingen mag. 1138 Insbesondere besteht die Pflicht zur Gewährung diplomatischen Schutzes - entsprechend den allgemeinen grundrechtlichen Optimierungsgeboten 1139 - nur in den Grenzen des nach Völkerrecht Zulässigen. 1140 Auch hier gibt es keinen allgemeinen Satz des Inhalts, dass das, was der Staat nicht beherrschen könne, von ihm auch nicht geschützt werden könne. 1141 Sieht man zudem in der grundrechtliehen Schutzpflicht eine um des jeweiligen geschützten Grundrechtsguts 1142 bestehende Verstärkung des Grundrechts in seiner abwehrrechtlichen Funktion, 1143 so ist die Einordnung des Auslandsschutzes aus Gründen des Schutzzweckes nur konsequent: 1144 Schutzgegenstand ist das grundrechtlich geschützte Rechts gut, Schutzmittel bzw. Schutzform sind den Grundsätzen zu entnehmen, wie sie übung dipl. Schutzes: S. 169 f., m.z.N.). Zu weiteren Reaktionsmöglichkeiten eines Staates auf VRverletzungen s. nur Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 473 f. Zu Repressalie u. Retorsion Heintzen, S. 248 ff. Allg. zu den mögl. Maßn. gerade nichtförml. Art Elbing, S. 112 ff. (mit erschöpfender Aufzählung, 114 f.). 1136 S.d. Elbing, S. 113 m.Fn. 84. 1137 Vgl.d.a. Murswiek, EMRK, S. 239, demzufolge der Satz, dass Maßn. gg. den Störer andere Belange d. Staates nie beeinträchtigten, nur dann gelte, wenn der Störer der Herrschaftsgewalt d. Staates unterliege, also nicht im Fall d. Auslandsschutzes. Ebenso ders., Verantwortung, S. 117 m.Fn. 52. S. a. noch Heintzen, S. 137. Allg. zur "Unbeherrschbarkeit der Fakten- und Rechtslage jenseits der Grenze" Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 416 ff. 1138 S. Heintzen, S. 156. Krit. u. - zu Recht - vor "pauscha1[en] Persilscheine[n]" warnend indes Kranke, BerDtGesVR 38 (1998), 39, 44 (39 - am Bsp.v. BVerfGE 92, 26 ff.). 1139 Vgl.d.a. Elbing, S. 109 ff., 178 ff., 315, der aber zw. dem- schutzpflichtgestützten - "Einwirkungsanspruch" als "Prinzipiennorm" u. dem Anspr. auf dipl. Schutz unterscheiden will (104 ff., 107 f.). 1140 So a. Heintzen, S. 139, 157. Zu den zu berücksichtigenden EMRK-Garantien als "ethisch begründbare[n] Optimierungsgeboten" s. aber a. Kälin, BerDtGesVR 33 (1994), 37. 11 4 1 So aber Heintzen, S. 208. 1142 Dazu K. Stern, StaatsR III/l § 76 IV 5 a a S. 1575. So im Ansatz a. Eilers/ Heintzen, RIW 1986, 621 f. Vgl.a. Di Fabio, Risikoentsch., S. 46 m.Fn. 22. 1143 S. nur Ziekow, S. 348 ff. (349 f.); Bethge, VVDStRL 57 (1998), 16 f., jew.m.z.N. Vgl.a.o.u. A.IV.3.b). 1144 S.a. die Bezugnahme auf Art. 6 /PbürgR durch die dt. BReg. in IGH, Ao. v. 3.3.1999 - Case conceming the Vienna Convention on Consular Relations (D/ USA), 38 I.L.M. 308 (1999), 310 § 8 - Kar/ u. Walter LaGrand = EuGRZ 1999, 450, m.Bespr.-Aufs. (a. zu den Breard-Entsch.d. /GH u. d. U.S.S.C., ebd., 451 bzw. 473) v. Oellers-Frahm, a. a. 0., 437.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
287
- vor allem im Völkerrecht - zum diplomatischen, konsularischen oder allgemeiner: zum Auslandsschutz, ausgeformt worden sind. Völlig unproblematisch wird die - mittelbare - Schutzgewährung überdies dann, wenn sie in der bloßen Vorstreckung von Anwaltskosten für die (Straf-) Verteidigung im Ausland besteht. 1145 Ferner gilt auch hier der Grundsatz der Irrelevanz der Bedrohungsherkunft. Die Annahme einer speziellen, gleichwohl einen Anwendungsfall der allgemeinen Schutzpflicht darstellenden Pflicht zum diplomatischen Schutz hat schließlich den Vorteil, dass sie unproblematisch auf Unionsbürger erstreckt werden kann. Hier bedarf es - jedenfalls im innerstaatlichen Rechtskreis1146- nicht eines Umwegs über Art. 8c EGV1147 • Eine Aufspaltung des Schutzes in "Bürgerschutz als Staatsaufgabe" und "aus dem Staatsangehörigkeitsverhältnis'" 148 wird so überflüssig. 1149 g) Schutz (zu-) künftiger Generationen als Fall der grundrechtliehen Schutzpflichten?
Umstritten ist auch, ob die grundrechtliehen Schutzpflichten für den Schutz (zu-) künftiger Generationen fruchtbar gemacht werden können:
1145 S.d. nur mwOVG, OVGE 17, 106 - Fall Eichmann, sowie Mußgnug, in: Ress/Stein, S. 129 f. Zweifel am Charakter d. Anspr. (auf Reisekostenerstattung f. den dt. Anwalt) als eines solchen auf dipl. Schutz äußert indes Daehring, ebd., S. 140. Vgl.a. - insow. wohl eind. ein Schutzpflicht-Fan - den derzeit beim VG Köln anh. Fall in Sachen Helmut Hafer (Az. 19 K 3010/98), betr. ein iran. Todesurt. (Tod durch Steinigung) wg. (angebl.) Geschlechtsverkehrs eines Deutschen mit einer Muslimin u. die (bloße) Vorstreckung d. Anwaltskosten i.H.v. 50.000 $ f. das Rechtsmittelverf., s. SPIEGEL Nr. 2111998, 84; F.A.Z. Nr. 114 v. 18.5.198, 8. Der Fall betr. zun. die einfachrl. Auslegung d. § 5 KansG u. dürfte sich m.d. - vor!. Freilassung Hafers inzw. erledigt haben (s.d. F.A.Z. Nr. 84 v. 12.4.1999, 1 f.). U.a. Anwaltskosten hat die BReg. - wenn a. erst spät - im Fall der Brüder LaGrand aufgewandt (s.vor.Fn.). S. a. die (erschöpfende) Aufzählung einschl. Schutzmittel bei Elbing, S. 114 f. 1146 Anderes gilt f. den Umgang mit der sog. natianality rule im VR - im LaGrand-Fan wurde bspw. geltend gemacht, die beiden Brüder seien aufgr. ihrer Adoptierung Amerikaner, so dass f. sie Art. 5, 36 WKK bei ihrer Verhaftung in den USA nicht anwendbar sei (zum Prob!. s. Fastenrath, F.A.Z. Nr. 54 v. 05.03.1999, 10). A.A.offb. Heintschel v. Heinegg!Haltem, Jura 1995, 309 Fn. 45, die den innerstaatl. Anspr. aus vrl. Gründen auf dt. Staatsangehörige beschränken wollen. 1147 Art. 20 n.Z. Vgl.u., Zweiter Teil, B.IV.3.b)dd). 1148 S. Merten, S. 17. 1149 Zur (wachsenden) Rolle d. MRe i.Z.m. Bemühungen, das Recht d. dipl. Schutzes auf vrl. Ebene zu kodifizieren, s. i.Ü. die Disk. i.R.d. ILC, wiedergegeben bei Simma, NJIL 67 (1998), 467 ff. (468 f.).
288 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
aa) Schutz nur der heute grundrechtsbewehrten Güter Zum Teil werden die Schutzpflichten nur auf die heute grundrechtsbewehrten Güter bezogen. 1150 Ein Schutz zukünftiger Generationen als Fall der grundrechtliehen Schutzpflichten kommt danach nicht in Betracht. bb) Objektivrechtliche Einbeziehung des Generationen-Schutzes Unter Hinweis auf die objektivrechtliche Seite der Grundrechte wird andererseits der Schutz kommender Generationen in die grundrechtliehen Schutzpflichten einbezogen. 1151 Selbst wenn die zur Begründung der Schutzpflichten vorgetragene Konstruktion eines "Rechts-Dreiecks" vielleicht sogar "der" typische 1152 oder charakteristische 1153 Fall der Schutzpflichten sein möge, beschränkten sie sich nicht darauf. 1154 cc) Ausschließlich objektivrechtlicher Schutz der "zeitlosen" Menschenwürde Unter Hinweis auf die jedenfalls typischerweise multipolaren Fälle, 1155 also Konfliktlagen zwischen Privatpersonen, welche die Schutzpflichten be1150 S. nur die Darstellung bei Enders, Der Staat 35 (1996), 352. Entschieden gg. die Annahme, die Verf. verpflichte den Staat dazu, generationenübergreifende Entscheidungen zu treffen, Badura, UTR 43, S. 46 ff.: Die Verantwortung d. Staates reiche zeitlich nur so weit, wie Prognosen vernünftigerweise mögl. seien. Immerhin sei aber die Schutzfunktion d. GRe "maßgeblich" (ibid., 48). 1151 So /sensee, Ambivalenz, S. 9; ders., HStR V § 111 Rn. 95 (gg. die Ableitung einer staatl. Pflicht zu konkreten Maßn. zugunsten kommender Generationen aus den grl. Schutzpflichten aber ders., UTR 43, S. 176: "Die Grundrechte schützen nur die Lebenden."). Diese Position widerspricht allerd. d. v. Autor vertretenen Beschränkung d. Schutzpflichten auf das "Rechts-Dreieck Staat - Störer - Opfer" , in: Sicherheit, S. 34 ff. (34) - s.d.ber.o., e). Daneben gehöre der Schutz der Lebenschancen künftiger Generationen zu der "selbstverständlichen Zukunftsdimension des Gemeinwohls", s. dens., HStR III § 57 Rn. 25, 129, das als "vorverfassungsmäßige Idee des richtigen Handelns" das "allgemeinste der Staatsziele" sei (a. a. 0. Rn. 1). Vgl. darüber hinaus Murswiek, Verantwortung, S. 212 ff. (215 f.); dens., WiVerw 1986, 201 ("Nachweltschutz"); dens., S. 37 f.; dens., in: Sachs Art. 2 Rn. 202; Bock, S. 164 ff. (165); Dietlein, S. 124 ff. (126), 232 These 14; Pietrzak, JuS 1994, 753; HUR-Himmelmann, A.1 Rn. 55; Rengeling, Langzeitsicherheit, S. 88 ff. (90 f.); Menzer, S. 102 f., 108; dens., DVBI. 1998, 821 ff. Wohl a. AK-GG-Podlech Art. 2 II Rn. 43 (" ... auch die Zukunft [ist] durch die objektive Rechtssatzqualität der Grundrechte geschützt ... ", u.H.a. BVerfGE 49, 89, 141); Steinberg, NJW 1996, 1985, 1987. Aus öst. u. EMRK-Sicht vgl. schließ!. Schlag, ÖJZ 1992, 52 ff. 1152 So Dietlein, S. 44. 1153 So Merten, S. 22, sowie Möstl, DÖV 1998, 1035 Sp. 1. 1154 Rengeling, Langzeitsicherheit, S. 90. Vgl.a. Dietlein, S. 103, 232 These 10; ders., ZG 1995, 131, 135. S.ber.o., e).
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
289
treffen sollen, wird zumindest von einem Teil des Schrifttums ein Einbezug des Generationen-Schutzes in die grundrechtliehen Schutzpflichten ausdrücklich abgelehnt. Statt dessen solle die dann drohende Schutzlücke über Art. 1 I GG geschlossen werden, welcher gleichsam "zeitlos" die "Würde des Menschen als Gattungswesen" wahre. 1156 dd) Stellungnahme Wenn die Betonung ([zunächst] nur) objektiv(rechtlicher) Grundrechtsgehalte irgendwo überhaupt einen wirklichen Sinn hat, dann beim Schutz künftiger Generationen: Hier fehlen - ungeachtet aller rechtspolitischen Versuche, über Treuhandschaft u.dgl.m. eine subjektive Rechtsposition zu kreieren 1157 - Grundrechtsträger, die subjektive Rechte geltend machen können. 1158 Für diesen Fall stellt sich auch nicht die Frage nach der ([umständlichen] Re-) Subjektivierung objektivrechtlicher Schutzpflichten, ein Hauptkritikpunkt mancher 1159 an der Schutzpflicht-Judikatur des 1155 Dazu, dass "fast jede Grundrechtsfrage vom Ansatz her mehrpolar ist", s. Lagodny, S. 12, u.H.a. Alexy, Theorie, S. 424. 1156 So insbes. Schmidt-Preuß, NJW 1995, 987, u.H.a. BVerfGE 87, 209, 228 "Tanz der Teufel", u. f. eine objektivrl. Verpflichtung d. Staates, eine sichere u. geordnete Entsorgung atomarer Abfälle zu gewährleisten. Vgl.a. dens., S. 1 ff., 9 ff., 30 ff.; dens., DVBL 1995, 815, gg. Rengeling, Langzeitsicherheit, insbes. S. 90 f., m. w.N. 1157 Zu diesen u. anderen Konstruktionen s. nur Lawrence, S. 177 ff. Vgl.d. "Rechte der Natur" befürwortend - Pernthaler, in: Kerschner, S. 12 m. w. N. u.H.a. die früher ebf. nicht als Rechtssubjekte gedachten Sklaven, Fremden u. Frauen (sie) sowie (auf die heutige Zeit bezogen) auf jur. Personen u. Ungeborene: "Die Rechtssubjektivität kann also schon nach der geltenden Rechtsordnung prinzipiell auch über den Menschen hinaus ausgedehnt werden". Zum Generationenschutz (allerd. durch das östBVG-UU, abgedr. a. a. 0., S. XV) s. S. 8 f. ("Mitwelt- und Nachweltverantwortung", S. 9). Krit. lsensee, Ambivalenz, S. 9; Ladeur, S. 23. 1158 Vgl. nur Lawrence, S. 183 ("objektive, nicht-reziproke Schutzpflichten"), m.z.N.; lsensee, UTR 43, S. 176, 187 ("adressatenlos[e]" Verantwortung). S.a. Haverkate, S. 253 f., der im Abschn. über den Generationenschutz (249-252) allerd. die Menschenwürde bemüht (251) u. die "Grundrechtsausübungsmöglichkeit künftiger Generationen als objektives Recht" eher als institutionelle Garantie zu verstehen scheint (254). 1159 Vgl. insbes. Starck, Schutzpflichten, S. 64 - ebenso zul. ders., VVDStRL 57 (1998), 103 f.; 282. Krit.a. Schmidt-Preuß, S. 69 ff., 627, der statt dessen sein "Konzept der Grundrechtskollision zur Begründung schutzgewährender Genehmigungsabwehransprüche" anwenden will (70 u. 49 ff., H.i.O.). Dieses unterscheidet sich i.E. indes nicht v.d. Schutzpflichten-Konstruktion. (Binnen-) Krit. ebf. bei König, S. 218 ("in gewisser Weise paradox", "perfekte Volte"), der desh. eine Ableitung v. Schutzpflichten aus dem obj. GRgehalt (219), nicht aber Schutzpflichten u. -anspr. insges. abl. Allg.krit. zur "Versubjektivierung des ,objektiven' Gewährleistungsgehalts der Grundrechte" Scherzberg, DVBL 1989, 1132 ff. ("Inkonsequenz", 19 Szczekalla
290 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
BVeifG. 1160 Ausgehend von der Rechtsprechung des BVeifG 1161 und unter Betonung des Schutzes gerade des Grundrechtsguts 1162 als "Wert" oder "Prinzip" unabhängig vom Bestehen eines Grundrechtsträgers ist die Einbeziehung künftiger Generationen in die Schutzfunktion geradezu zwingend. 1163 Insbes. bei genauer Betrachtung der Formulierungen des BVeifG fällt zudem auf, dass dieses offenbar bewusst und insofern auch sehr weise 1164 gerade keine Beschränkung auf personale Gefahren vorgenommen hat. 1165 Auch die Ansicht, die ausschließlich auf die objektivrechtliche Menschenwürde-Garantie abstellen will, spricht insoweit nur von "typischerweise" multipolaren Fällen, deren Lösung mit der grundrechtliehen Schutzpflicht eingefangen werden solle. Eine in der Tat insoweit zu konstatierende Typik ergibt sich hier aber ausschließlich aus dem (Verfassungs-) Prozessrecht und dem Prozessverhalten der Beschwerdeführer: 1166 Lebende Individuen machen typischerweise Gefährdungen eigener Grundrechtsgüter geltend und stützen sich nur selten zusätzlich auf den (objektivrechtlichen) Generationen-Schutz 1167 zur Verstärkung ihrer individuellen Position. 1132), am Bsp. sog. mittelbar-faktischer Freiheitsbeeinträchtigungen, der aufgrund seiner Annahme eines positiven verfrl. Status gleichwohl zu einem subj. Recht auf Schutz gelangt (ebd., 1136 Sp. 2). N.d.s. u.u. k). 1160 S.o., A.V.6. 1161 S.a. den Ansatz in BVerfGE 61, 291, 312, wo jedf. das "überragende Interesse" d. Allgemeinheit daran betont wird, "daß die Tierwelt in ihrer durch Zivilisationseinflüsse ohnehin gefährdeten Vielfalt nicht nur in der Gegenwart, sondern auch für kommende Generationen erhalten bleibt" (H.d.V.). 1162 Dazu K. Stern, StaatsR III/1 § 76 IV 5 a a S. 1575; Häberle, ERPLIREDP 8 (1996), 11, 46 ("Die Grundrechtsgüter haben ihre Verwurzelung nicht nur in der Gegenwart, sie sind auch in die Zukunft zu projizieren"). 1163 Vgl. zur Prob!. aus wirtschaftswissl. (volkswirtschl.) Sicht i.Z.m.d. sog. Nachhaltigkeif u. insbes.i.B.a. den (nuklearen) Abfall u. das Überleben gefährdeter Arten Kirchgässner, Zfl.J 1997, 12 ff., 17 ff., 20 ff. (24 f.) m.w.N. Zum "konstitutionellen Ansatz" v. lohn Rawls ebd., 22. 1164 Vgl.d. etwa Koch, DV 30 (1997), 14: "in zumindest intuitiver Weitsicht und rechtlicher Vorsicht". 1165 S. nur BVerfGE 39, 1, 1 Ls. 1 S. 2, 42: "vor allem"; 53, 30, 57: "insbesondere". Übersehen v. Seewald, VerwArch. 88 (1997), 205, der ausschließ!. auf die KE BVerfG, NJW 1987, 2287, abst. 1166 Allg. zur ,justizpsychologische[n]" Gefahr einer "einseitigen Ausrichtung auf den Beschwerdeführer" Diederichsen, AcP 198 (1998), 258 - ähnl. Medicus, AcP 192 (1992), 60 ("Es darf nicht bloß auf ein einzelnes Grundrecht abgestellt werden"). 1167 Dessen Rüge ist zumindest dann (proz.) prob!., wenn man hier nicht die sog. Elfes-Forrnel in ihrem jedf. mögl., weiten Verständnis heranziehen will, derzufolge der Einzelne über Art. 2 I GG grds. a. Verletzungen obj. Verfassungsrechts geltend machen kann. (vgl. BVerfGE 6, 32, 32 Ls. 3, 41). In einigen jüngeren Entsch.d. BVerfG wird näml. ausgeführt, dass der Einzelne gleichwohl nicht die Verletzung d. GRe anderer rügen könne (vgl. nur BVerfGE 77, 84, 101 - aufgegeben aber durch
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
291
Schließlich überdehnt der geradezu zwanghafte Einsatz der Menschenwürde-Garantie auch den Schutzbereich dieses Grundrechts: 1168 Viel näher liegt es, auf die objektivrechtliche Funktion der Einzelgrundrechte abzustellen, anstatt durch Betonung irgendwelcher Typiken erst eine "Schutzlücke" zu generieren, die anschließend sofort durch eine derart überdehnende Lösung geschlossen werden muss. Der Einsatz der Schutzpflichten für den Generationenschutz ist deshalb auch nicht etwa "umständlich" 1169 viel umständlicher ist vielmehr der Rekurs auf Art. 1 1 GG. BVerfGE 85, 191, 205 f. [206], jedf. bei Rüge eines Gleichheitsverstoßes). Dann bezieht sich die Elfes-Forrnel ausschließ!. auf Kompetenz-, Verfahrens- u. Formvorschr., u. es gibt quasi kein "Grundrecht auf einen unbeeinträchtigten grundrechtliehen Gesamtzustand", d.h. auf Nichtbeeinträchtigung d. GRe anderer bzw. kommender Generationen. Die Frage zul. wieder offen gelassen BVerfGE 96, 375, 398: Danach könnten Dritte jedf. eine Verletzung v. Art. 1 1 GG als "tragendes Konstitutionsprinzip und ... obersten Grundwert" rügen. Letzt!. (aus proz. Gründen: Art. 100 1 GG) unklar BVerfGE 97, 49, 66 f., - Beförderungsverbot f Fluggesellschaften. BVerfGE 98, 218, 258 ff., prüft jedf., ob in GRe Dritter eingegriffen werde (allerd. i.Z.m.d. sog. Wesentlichkeitstheorie). Offen gelassen wird demggü., ob die Eltern eine Verletzung d. GRe ihrer Kinder i. R.d. EltemR aus Art. 6 11 1 GG rügen können (ebd., 260). GRe Dritter (hier: d. Erblassers) i. R. einer Vb. potenzieller Erben prüft a. BVeifG, ZEV 1998, 312, 312 f., was indes an erbrl. u. fakt. Besonderheiten liegen dürfte, da der GRschutz d. Erblassers mit dessen Tode grds. erlöscht. Vgl. zum Ganzen a. Alexy, Theorie, S. 346 ff. (348, 353 ff.), m.w.N., der eine Prüfung objektivrl. Gehalte anderer GRnormen i.R.v. Art. 2 I GG aber dann f. mögl. hält, "wenn diese einen auf die jeweils betroffene individuelle Freiheit bezogenen freiheitsschützenden Charakter haben" (356 Fn. 177). Darüber hinaus könne das BVeifG eine Vb. - "spezifisches Rechtsschutzmittel des objektiven Verfassungsrechts" (BVerfGE 33, 247, 259) - zum Anlass nehmen, a. GRe anderer zu prüfen, eine Prüfung, auf die der Bf. aber kein Recht habe u. v. deren Ergebnis die Verletzung seines Rechts a. nicht abhänge (ebd.). Der EuGH hat in einem durchaus vglb. Fall jedf. jüngst entschieden, dass sich a. Arbeitgeber auf die Garantie d. Arbeitnehmerfreizügigkeit in Art. 48 EGV (= Art. 39 n.Z.) berufen können u. dies im Wesl. mit dem effet utile-Arg. begründet, s. EuGHE 1998, 1-2521, 2544 f. Rn. 18 ff. (2545 Rn. 21) (Clean Car Autoservice Ges.m.b.H./Landeshauptmann v. Wien) - Residenzpflicht f Geschäftsführer. Anderers. kann sich der Einzelne nicht auf eine - die Warenverkehrsfreih. schützende RL berufen, um einer Verurteilung wg. Alkohols am Steuer zu entgehen, s. EuGHE 1998, 1-3711 (Lemmens) - (Nicht-) Mitt. techn. Vorschr. über ein Alkoholmeter. Entscheidend dürfte damit sein, ob es das Gerninteresse erfordert, dass sich der Einzelne auf GFen bzw. diese schützende RL berufen kann, also ob ein Zushg. zw. seinem Verhalten u. dem Schutzzweck d. betr. Rechtsakts besteht (vgl.i. d. S. wohl Buschle, ELR 1998, 363). 1168 Vgl. i.Z.m. den SchwangerschaftsE die Krit. a.d. Heranziehung d. Menschenwürde-Garantie durch das BVeifG v. Hermes/Walther, NJW 1993, 2339; H. Dreier, DÖV 1995, 1036 ff. (1036, 1040). Ähnl. d. Hinw. v. Menzer, S. 78, auf die "Abstraktheit" d. Norm. Vgl.a. noch Dietlein, S. 232 These 18; König, S. 213 f.; Denninger, S. 32 f., sowie her. Schwabe, Probleme, S. 230 ff., 238. Näheres zu diesem Streit um die Funktion des Art. 1 1 GG als "Basisnorm" s. u., n). 1169 So aber offb. Haverkate, S. 216. 19*
292 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
h) Unzulässiger Schutz des Grundrechtsträgers vor bzw. gegen sich selbst
aa) Das Sozialstaatsprinzip als "Bumerang" Einzelkritik wird an einigen Entscheidungen des BVerfG geübt, soweit sie den Schutz des Grundrechtsträgers vor bzw. gegen sich selbst thematisieren (sollen). 1170 So wird etwa davor gewarnt, dass das Sozialstaatsprinzip für den Bürger zum "Bumerang" mutieren könne, wenn das BVerfG das Recht auf Selbstgefährdung dann für einschränkbar erkläre, falls dem Sozialstaat im Falle der Gefahrenrealisierung finanzielle Lasten aus Gründen der Versorgung und Betreuung des Geschädigten anfallen könnten: Vom Einzelnen werde dann verlangt, sich so zu verhalten, dass er den Sozialstaat möglichst nicht in Anspruch zu nehmen brauche. Deshalb bestehe die Gefahr, dass durch die "Hintertüre des Sozialstaates" eine "Rechtspflicht zu , vernünftigem' Verhalten" statuiert und dem Recht auf autonome Entscheidung über das Eingehen von Risiken der Boden entzogen werde. Diese "kostenrechtliche Betrachtung" sei allenfalls in Ausnahmefällen erheblicher und damit gemeinschaftsrelevanter finanzieller Belastungen der Allgemeinheit vertretbar.1171 Mit der Berufung auf die sozialen Folgekosten sei ansonsten die Tür zu einem "Erziehungsstaat" aufgetan, in dem nur noch "viele kostenneutrale Freiheiten, aber eben doch keine Freiheit" gewährleistet sei. 1172 Darüber hinaus wird insbes. der Bürgschafts- und Arbeitnehmerschutzrechtsprechung des BVerfG vorgeworfen, das sie zu einem "Akt staatlicher Bevormundung" führe: 1173 Bei der Einschränkung der Privatautonomie des Arbeitnehmers zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit bestehe das Problem, dass Träger beider Grundrechte ein und dieselbe Person sei und der Gesetzgeber die Gewichtung der sich offensichtlich partiell ausschließenden Interessen des Betroffenen selbst vornehme - das Grundrecht werde "gewissermaßen gegen sich selbst ins Feld geführt". 1174 Die einschlägigen 1170 Vgl. etwa Hermes, S. 228 ff. (229); Ress, VVDStRL 48 (1990), 89 ("wohlfahrtsstaatlicher Zwang zum Selbstschutz"); Jsensee, HStR V § 111 Rn. 113 ff. (114); Depenheuer, ThürVBI. 1996, 272 f., jew.m.w.N. Ausf.zul. etwa K. Fischer, pass.; Schwabe, JZ 1998, 66 ff., jew.m.z.N. Zur Abgrenzung zum "Grundrechtsverzicht" s. Schwabe, ebd., 68 Sp. 1. S. a.o., A.III.2.b )ii). 1171 So etwa Dietlein, S. 229 (H.i.O.). Noch weitergehend die (rhetor.) Frage v. Kempen, JZ 1997, 850 Sp. 1 ("Oder sind die sog. sozialen Folgekosten nicht vielmehr die unvermeidbaren Kosten der Freiheit, die unter der Geltung des Grundgesetzes von der Allgemeinheit zu tragen sind?"). Diff. Schwabe, JZ 1998, 72 ff., m.w.N. 1172 Kempen, JZ 1997, 850 Sp. 1. 1173 So Eschenbach/Niebaum, NVwZ 1994, 1081 Fn. 26, u.H.a. BVerfGE 85, 191 ff. - Nachtarbeitsverbot. Krit.a. Zöllner, AcP 196 (1996), 11 f., 36 m. w.N. Krit., aber nicht gänzlich ab!. Depenheuer, ThürVBI. 1996, 272 f. S.o., A.III.2.b)bb)(2) u. (3).
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
293
"Problemfälle" reichen schließlich noch weiter - erfassen lassen sich letztlich alle Vorschriften des Verbraucherschutzrechts. 1175 Aber sogar der "Klassiker" der Schutzpflicht-Rechtsprechung, der Schwangerschaftsabbruch, lässt sich hier zumindest in mittelbarer Weise anführen: Entscheidet sich eine Frau unter der "Bedingung" für ein Austragen des Kindes, dass dieses - nach Adoption - nie erfährt, wer sein biologischer Vater ist, sind entsprechende Regelungen in ihrer Konkretisierung durch die Zivilgerichte, die dem Kind später tatsächlich das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung verweigern, so gesehen "präventiver Lebensschutz" in Bezug auf das Kind selbst. 1176 bb) Stellungnahme ( 1) Das Sozialstaatsargument und die "frei verantwortliche Selbstgefährdung"
Die genannte Kritik verkennt zunächst, dass die kostenrechtliche Argumentation vom BVerfG - jedenfalls überwiegend - allenfalls als unterstützendes Argument zur Rechtfertigung eines Schutz-Eingriffs herangezogen worden ist. 1177 Darüber hinaus lässt sich selbst für diejenigen Entscheidungen, in denen die kostenrechtliche Argumentation im Vordergrund zu stehen scheint, immer noch ein anderer Grund als der der sozialen Folgelasten finden, so dass die Judikate im Ergebnis verfassungsrechtlich insoweit nicht zu beanstanden sind: Deutlich wird dies insbes. im Gurtpflicht-Beschluss, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass ein Kraftfahrer, der unangeschnallt verunglückt, keineswegs nur sich selbst schaden könne und wo der ausdrückliche 1174 S.a. die rechtssoziolog. unterlegte Krit.v. H.A. Hesse/Kauffmann, JZ 1995, 219 ff. (der Richter u. sein "Helfer-Syndrom" - zust. Diederichsen, AcP 198 [1998], 171, 259). Zum "Schutz des Bürgen vor sich selbst" s.zul. etwa BGH, JZ 1998, 570 - Bürgenschutz f Strohmann-Gesellschafter einer GmbH u. Geschwister, Zitat aus dem (red.) Abstract sowie aus der Anm.v. Foerste, ebd., 576 Sp. 2. 1175 S. den Überblick bei Schwabe, JZ 1998, 66 f., 68 f. Zum MutterschutzR s. ebd., 71 Sp. I. S.a.o., A.III.2.b)kk)(4). 1176 S. die vglb., in OLG Bremen, B.v. 21.7.1999- 6 W 21198 = I T 627/98 n.n.v., S. 3 f. d.Umdr., wiedergegebene Argumentation betr. ein im Ausland (SW) adoptiertes Kind, das nach der Kenntnis v.d. Adoption den Kontakt zur Adoptivfamilie abgebrochen u. seitdem unter Depressionen leidet u. f. das die Frage seiner Herkunft "lebenswichtig" sei (s. S. 3d. Umdr.; vgl.d.a.F.A.Z. Nr. 184 v. 11.8.1999, 9 [AP]). Hier hatte das Kind indes Erfolg, u. zwar sogar im Verf.d. Zwangsvollstreckung d. Auskunftsurt. (d.h., keine analoge Anwendung v. § 888 Il ZPO a. F. = lli n.F.). Zur Praxis in Lux. u. F s. WORT online v. 14.12.1999 ("Anonyme Geburt: Interessenkonflikte vermeiden helfen"). 1m S.o., A.III.2.bb )ii).
294 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Hinweis auf die Kostenfolgen ganz fehlt. 1178 Ganz abgesehen davon kann man berechtigte Zweifel daran haben, dass es sich bei der Risiko-Entscheidung, ohne Gurt oder ohne Schutzhelm zu fahren, um eine wirklich freie Entscheidung 1179 handelt, dass mithin überhaupt ein (reiner) Fall des Schutzes vor bzw. gegen sich selbst vorliegt. 1180 Insofern handelt es sich bei der herkömmlich unter dem Begriff "aufgedrängter" Grundrechtsschutz erörterten Problematik überwiegend um ein Scheinproblem, das hier nicht weiter zu vertiefen ist. Ausdrücklich hat das BVeifG jedenfalls - soweit ersichtlich - (noch) nicht zum Schutz vor Gefahren Stellung genommen, die aus-
1178 BVerfG, NJW 1987, 180 Sp. 2. lnsof. erscheint die Berufung Dietleins a. auf den GurtpflichtB unzutr. Aber selbst in BVerfGE 59, 275, 279, wo die Kostenargumentation deutl. durchscheint, wird daneben auf die Vermeidung weiteren Schadens durch die Helmpflicht verwiesen. S.d.a. Schwabe, JZ 1998, 67 Sp. 2, 70 f. m.Fn. 28 (insbes. zur Gefahr v. Folgeunfällen u. zum Schutz d. [dritten] Schädigers vor der Verstrickung in schwere Schuld). Vgl.a. noch P. Kirchhof, DRiZ 1995, 254 Sp. I, der die "staatliche Obhut bei Selbstgefährdung" als "Folge der allgemeinen Sicherheitsgewähr", nicht als "Anwendungsfall grundrechtlicher Schutzpflichten" ansieht. 1179 Zu dieser "entscheidenden Voraussetzung" s. zu!. etwa Schwabe, JZ 1998, 70; Erichsen/Biermann, Jura 1998, 373. 1180 I.d. S. wohl a. Singer, JZ 1995, 1140, der auf die "psychologisch bedingte Unfähigkeit vieler Verkehrsteilnehmer" hinweist, "abstrakte, in einer gewissen Selbstüberschätzung für steuerbar gehaltene Gefahren richtig einschätzen zu können". Dort a. m.d.H.a. die anders gelagerten Zwangslagen persönl. u. soz. Art in den sog. Peep-Show-Fällen (bei denen das BVerwG in neuerer Rspr. zu § 33a GewO allerd. allein auf die Sittenwidrigkeit u. nicht mehr - zur Ausfüllung ders. auf die Schutzpflicht aus Art. 1 I 2 GG [so noch in BVerwGE 64, 274, 276 ff. {insbes. 277} -Peep-Show-/] rekurriert, s.zul. etwa BVerwG, GewArch 1996, 19Peep-Show-/li [" Tanzkünstlerinnen "] - dort a. zur Beurteilung anh.d. EG-GFen; 1998, 419, jew.m.w.N. - Peep-Show-IV). A.A.offb. Koch/Jankowski, NuR 1997, 367 Sp. 1. A. wenn man die Behauptung, in den einschl. Fällen liege gar kein wirklich freier Wille vor, vorschnell als "Totschlagargument" abtun mag, weil es echte Fälle eines Schutz vor bzw. gg. sich selbst dann überhaupt nicht geben könne od. diese nur rein akadem. Natur seien, lohnt sich eine genauere Analyse d. Freih.d. Willensbildung durchaus. Letzten Endes wird die Frage, ob man überhaupt v.d. Möglichkeit eines freien Willens ausgehen kann, allerd. nicht (vollst.) beantwortbar sein. Unsere Rechtsordnung geht jedf. in allen Teilrechtsordnungen v.d. Vermutung aus, dass grds. jeder zur freien Willensbildung fähig ist - zur "Irrelevanz des Indeterminismusstreits" s. nur Lagodny, S. 388 f., sowie Röhl, S. 134 ff. (138 f.), jew.m. w.N. Doch ist unsere (Grund-) Rechtsordnung a. offen f. die Berücksichtigung persönl., psycholog. od. soz. "Defekte". Aus phil.-religiöser (religionsgeschichtl.) Sicht zur Probl.d. freien Willens Kolakowski, F.A.Z. Nr. 296 v. 20.12.1997, BuZ. S. i.d.Z.a. die (rhetor.) Frage i.d. zust.Mein. Pettiti zu EuGHMRE 1997, 120, 136 (Laskey, Jaggard u. Brown/VK) - Strafbarkeit v. Sadomasochismus. Zu Problemfällen (Geschlechtsumwandlung; Kastration; Ess-, Trunk-, Nikotin- u. [sonstige] Drogensucht) s.a. Schwabe, JZ 1998, 70, demzufolge es "überaus zweifelhaft" sei, hier "stets von einem zwanghaften Zustand ... [zu] reden" (Sp. 2, u.H.a. BVerfGE 60, 123, 133).
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
295
schließlich auf das (eigenverantwortliche) Verhalten des Betroffenen selbst zurückzuführen sind. 1181 Überhaupt steht der staatliche Gesetzgeber vor dem Dilemma, dass eine wirklich freiwillige Entscheidung für riskantes Verhalten nur begrenzt durch Dritte feststellbar ist. 1182 Deshalb obliegt es ihm einzuschätzen, ob ein bestimmtes Verfahren tatsächlich geeignet ist, die Freiwilligkeit eines konkreten Willensentschlusses zu verifizieren. 1183 Auch diese verfahrenstechnische Feststellungsproblematik vermindert zumindest im Ergebnis die Notwendigkeit einer Entscheidung für die Zulässigkeit des Schutzes vor bzw. gegen sich selbst. Nicht zuletzt daran mag es auch liegen, dass das BVeifG diesen Terminus häufig nur in Anführungszeichen verwendet. 1184 Dass eine Kammer dieses Gerichts jüngst wieder die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des Bemühens des Gesetzgebers angenommen hat, ein Verhalten, welches Folgekosten für die Gemeinschaft verursachen könne, unattraktiver zu machen, und dabei den Gestaltungsspielraum gesetzlicher Regelungen zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens betont, 1185 ändert an dieser Einschätzung i. E. nichts: Erkennt man das exzessive und persistierende Spielen als das an, was es nach Ansicht namhafter Experten ist, nämlich als Sucht und damit als Krankheit, 1186 handelt 1181 So a. Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 1. Zur Freih. zu unvernünftigem Verhalten, allerd. i.R.d. allg. Gesetze u. d. neminem laedere-Gebots, s.a. bayVfGH, NJW 1987, 2921, 2922 Sp. 1. S. aber a. bayVfGH, NJW 1989, 1790 Ls. 5, 1791 Sp. 2- Freiheitsbeschränkung Suizidgefährdeter. Dazu, dass es bei den strafrl. Maßregeln u. den landesrl. Unterbringungsvorschriften nicht um Selbstschutz geht, s.a. Lagodny, s. 279. 1182 Vgl.d. BVeifG, B.v. 11.8.1999 - 1 BvR 2181-2183/98 (1. K.) - n.n.v., B.II.2.a)cc)(3), S. 25 d.Umdr. S.a. Scholz, F.A.Z. Nr. 167 v. 22.7.1999, 7 Sp. 1. 1183 BVeifG (vor.Fn.). 1184 BVeifG, a.a.O., B.II.2.c), S. 28 d. Umdr., betr. den "vom Gesetzgeber legitimerweise verfolgte[n] ,Schutz des [Organ-] Spenders vor sich selbst'". 1185 BVeifG, NVwZ 1997, 573, 575 Sp. 1. 1186 Vgl.d. etwa die schriftl.Anfr.v. MdEP Gutierrez Dfaz - E-0880/96, ABI. C 280 v. 25.9.1996, 98, m. w.N. Näheres zur eur. Dimension dieses Probl. s. u.u. Zweiter Teil, B.III.2. Vgl.a. den Ber. über einen Kongress d. "Bundesweiten Arbeitskreises Glücksspielsucht" in Bad Hersfeld, F.A.Z. Nr. 267 v. 17.11.1997, 15: Danach gebe es allein in Dtschl. etwa 100.000 "Glücksspielsüchtige". Die Glücksspielsucht sei als eigenständige Krankheit anzuerkennen. Zu einschl. Ergebnissen d. (Spiel-) Suchtforschung u. d. Untersuchung mathemat.-stochast. G F. Schilling, F.A.Z. Nr. 20 v. 24.11.1995, B 8, der dem (seiner Ans. nach bloßen u. durch die Medien "vor allem durch die Darstellung motivational aufbereiteter Einzelschicksale" unterstützten) Verdacht, dass Geldspielautomaten "persistierendes Spielen" auslösten, aber skept. ggü. steht u. vor a. (zahlenmäßigen) Übertreibungen sowie der Forderung nach einer "Spielertherapie nach Maßgabe der Drogen- und Alkoholtherapie" warnt (m. w. N.). Immerhin geht a. er v. der Existenz "hilfsbedürftige[r] Spieler" aus, macht f. deren (destruktive) Risikobereitschaft aber nicht das Gerät,
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es sich bei dem Schutz-Eingriff - hier in Gestalt einer Lenkungssteuer1187 nicht um einen unzulässigen Schutz vor bzw. gegen sich selbst, weil insoweit beim Einzelnen eine die freie Willensbildung und -betätigung ausschließende Defektlage vorliegen kann, die den Gesetzgeber zu einer dieser Sucht(gefahr) vorbeugenden, typisierenden Maßnahme jedenfalls berechtigt - ein etwaiger Eingriff ist mithin verfassungsmäßig, auch wenn er im Einzelfall aufgrund ihrer psychischen Konstitution nicht suchtgefährdete Spieler betrifft. 1188 Die Kammer hat das Lenkungsziel des Gesetzgebers jedenfalls - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer - nicht darin gesehen, einen Schutz des Einzelnen vor sich selbst zu bewirken. 1189 Im Übrigen ließe sich auch an einen Schutz der Familien der Betroffenen denken, 1190 nicht nur was mögliche Unterhaltsansprüche derselben anbelangt,1191 sondern auch, was psycho-soziale Konfliktsituationen betrifft, die Begleiterscheinung der Spielsucht sindY 92 Das soll hier aber nicht weiter vertieft werden. 1193
sondern den "Persönlichkeitstyp" verantwortlich u. weist ans. auf "heterogene[ ... ] Ursachenkombinationen" hin ("neurotische Grundstörungen", Reaktionen d. Spielers auf die Belastung durch "soziale Etikettierung" ["Extemale[ ... ] Kontrollattributierung"], negative Lebensbewertung, soziale Inkompetenz u. Stressreaktionen). 1187 Zum Spielerschutz durch Prüfung u. Bauartzulassung d. Spielgeräte, insbes. durch die PTB gern. GewO u. SpielVO, D. Richter, F.A.Z. Nr. 20 v. 24.11.1995, B 12. S.d. u. zu weiteren Schutzmitteln (Grundflächenregelung etc.) a. Rexrodt, F.A.Z. Nr. 20 v. 24.11.1995, B 3; F. Schilling, ebd., B 8. 1188 S. aber a. die Krit. a.d. "Bevormundung durch den Staat" v. Gallwas, F.A.Z. Nr. 20 v. 24.11.1995, B 9 (bezeichnenderweise eine VerlagsbeiL über "Automatisierte Dienstleistungen"), insbes. zur Unzul.d. "Erwachsenenschutz durch Sperrzeitregelungen", der zwar zumindest v. einer "staatliche[n] Schutzpflicht zugunsten des Spielers" ausgeht, welche "mit der grundrechtlich verbürgten Berufsfreiheit der im Spielgewerbe Tätigen austariert werden" müsse, dem Staat dabei aber u.H.a. Art. 3 I GG (staatl. Spielbanken) "Heuchelei" vorwirft. Krit.a. G. Rose, a. a. 0., B 4 (zu den nichtfiskal. Zwecken d. Vergnügungssteuer auf Spielautomaten als einer unzul. "Erziehung Erwachsener"); Kempen, JZ 1997, 849 f. m. w.N. Ausgewogener derdamalige- BMWi Rexrodt, a.a.O., B 3. 1189 A.a.O., 575. 1190 Zur "erhebliche[n] Breitenwirkung" v. Schutz-Maßn. s.a. Schwabe, JZ 1998, 71 (am Bsp.d. Schutzes der Familie), 73 f. (i.Z.m.d. Vermeidung von Sozialhilfekosten). 1191 Zur deren Verbesserung bei der Alkoholsucht Foerste, FamRZ 1999, 1245 ff., m.z.N. 11 92 I.d.S. etwa a. schriftl.Anfr.v. MdEP Gutierrez Dlaz- E-0880/96, ABI. C 280 v. 25.9.1996, 98, m. w. N. I. d. S. - i.B.a. Alkohol- u. Heroinsucht - a. Schwabe, JZ 1998, 71 m. w.N. (dort a. zur- erfordert- weiten Auslegung v. "Familie"). 1193 Dazu, dass ein Kasino einen Spieler nicht vor sich selbst schützen muss, s.a. BGHZ 131, 136 ff. - Spie/sperre. Zur Spielsucht aus Sicht d. (öst.) ZivR Binder, ÖJZ 1998, 175 ff., m.z.N.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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Gleiches gilt i. E. auch für die drei Bürgschafts- 1194 und die beiden Handelsvertreter-Entscheidungen1195, sofern man diese überhaupt als Schutzpflicht-Fälle einordnen will: 1196 Auch hier geht es letztlich nicht um eine Selbstschädigung, sondern um einen Schutz vor einem Ausspielen der "sozialen" Macht des Vertragsgegners, 1197 also um Fälle, in denen der Einzelne nicht (mehr) in der Lage ist, seine Grundrechtspositionen entsprechend dem Kantischen Autonomiegrundsatz selbst zu behaupten." 98 Für den vergleichbaren Fall einer Erschwerung der Testamentserrichtung von Heimbewohnern zugunsten des Heimträgers oder dessen Mitarbeiter kann schließlich nur ansatzweise von einem Schutz vor bzw. gegen sich selbst die Rede sein, nämlich soweit es dem Gesetzgeber um den Schutz der Testierfreiheit der Heimbewohner selbst bzw. um die Verhinderung der Ausnutzung von deren Hilf- oder Arglosigkeit geht. Daneben wird auch der Schutz des Heimfriedens angestrebt, so dass ein "aufgedrängter Schutz" zumindest insoweit ausscheidet. 1199 (2) Die "Restfälle" eines möglichen Schutzes vor bzw. gegen sich selbst
In den Fällen, in denen es tatsächlich einmal nur um den Schutz vor freiverantwortlichem Verhalten eines Einzelnen, der dadurch ausschließlich 1194 BVerfGE 89, 214, 229 ff., 233; NJW 1994, 2749 f.; WM 1996, 948 ff. Zum "Schutz des Bürgen vor sich selbst" s.zul. etwa BGH, JZ 1998, 570 (Fn. 1174). Auf die Rechtslage in anderen MS kann im weiteren nicht (mehr) eingegangen werden, s.insow. nur zul. CA, U.v. 18.6.1998 (Dunbar Bank plc/Nadeem a.ao.), Times No 66,242 v. 1.7.1998, Law Report - Undue lnfluence on wife. W.N. zum engl. u. schott. Recht bei Fenge, RIW 1996, 545 ff. In Öst. ist die Rspr.d. BVerfG u. d. BGH übernommen worden, s. östOGH, JBl. 1995, 651 ff. (insbes. 653) - (Dreipersonale) Garantie f Familienangehörige, m.zust.Anm. Mader, ebd., 655 f.; JBI. 1998, 36, 37 Sp. 2- Sittenwidrige Angehörigenbürgschaft. 11 95 BVerfGE 46, 224, 235, 238 f.; 81, 242, 255. 1196 S.o., A.III.2.b)bb)(2). Trotz d. fehlenden ausdr. Bezugnahme dafür z. B. Hermes, NJW 1990, 1767; Canaris, AP 1990 H. 7-12 Art. 12 Nr. 65, BI. 458; ders., PrivatR, S. 37 ff.; Cremer, S. 218 Fn. 28 a. E.; C.J. Müller, pass., insbes. S. 77 ff. (80 ff.); Badura, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 177 f.; Depenheuer, ThürVBl. 1996, 272 f.; Ziekow, S. 578 f.; Zachen, BB 1998, 1310; Diederichsen, AcP 198 (1998), 249 f., der indes insges. v. "sozialen Schutzpflichten" spricht (250) - ähnl. Bieback, KJ 1998, 172. Dagg. z.B. Manssen, S. 144 ff. (ausgehend v. einem leistungsrl. Verständnis d. Vertragsfreih. u. u.H.a. das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 /, 28 I GG- s.a. ebd., S. 4 ff.)- ähnl. Isensee, VVDStRL 57 (1998), 110 f. ("diffuser Ausdruck des Sozialstaatsprinzips", s.M.). Zu einem abwehrrl. Verständnis d. Vertragsfreih. s. nur Griller, ZfV 1983, 114 ff. (insbes. 115 Sp. 2). 1197 Vgl. nur Hermes, NJW 1990, 1766 Sp. 1; Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 2. A.A.offb. Aussem, S. 64. 1198 Vgl.d. Bleckmann, in: Beyerlin u.a., Bemhardt-FS, S. 312. 11 99 S.d. BVerfG, ZEV 1998, 312 Sp. 2.
298 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
sich selbst gefährdet oder schädigt, 1200 gehen sollte, 1201 hängt die Beantwortung der Frage der konkreten Zulässigkeit 1202 eines "aufgedrängten Grundrechtsschutzes" letztlich vom Einzelfall ab: Leitet man die grundrechtliche Schutzpflicht aus der objektivrechtlichen Seite der Grundrechte her und versteht man die Verstärkungsfunktion 1203 dieser objektivrechtlichen Seite nicht ausschließlich als auf das Grundrechtsgut 1204 des zu schützenden Einzelnen, sondern ganz allgemein auf das Grundrechtsgut als solches bezogen, dann ist ein solcher Schutz vor bzw. gegen sich selbst im Grundsatz jedenfalls möglich. 1205 Seine konkrete Zulässigkeil folgt allerdings erst aus der notwendigen Abwägung zwischen dem autonomiewahren1200 Letzi. entsch. darauf abst.zul. bwVGH, NuR 1998, 205, 206 f. m.z.N. Teufelsfisch, m.(zust.) Bespr. Kunig, JK 98, WG BW § 42 II/1. 1201 Was an sich nach dem o. Gesagten nur ein theoret., wohl allenf. auf Einsiedler zutreffender Fall sein dürfte. Vgl. - d.S.n. u. eindringlich -Schwabe, JZ 1998, 71 Sp. 2: "Auf seine Autonomie könnte sich insoweit nur berufen, wer für sich allein stirbt". Dazu, dass bei riskantem Tauchen immer andere gefährdet werden, weil erstens der Grds. "Tauche nie allein" regelm. befolgt werde u. zweitens (unbeteiligte) Dritte zu gefährl. Rettungsaktionen provoziert werden könnten, bwVGH (vor.Fn.). Letzt!. ist dies eine zwingende Konsequenz der Gemeinschaftsbezogenheit d. Individuums -keiner lebt (und stirbt) f. sich allein! 1202 Damit ist zwar eigentlich (nur) die (bloße) Schutz-Berechtigung, nicht aber die Schutz-Pflicht, angesprochen. Beide sind aber - entgg. Schwabe, JZ 1998, 70 Sp. 1 - nicht zu trennen: In den Fällen, in denen der Staat ausnw. einmal zum Schutz-Eingriff gg. den (freien) Willen d. GRträgers berechtigt sein sollte, ist er dazu a. verpflichtet. Berechtigung u. Pflicht müssen einander korrespondieren, weil beide das Ergebnis einer umfassenden Güter- u. Interessenahwägung sind, welche nicht einmal so (bloße Berechtigung, aber keine Pflicht) u. einmal so (Pflicht u. [dem vorgelagert] Berechtigung) ausfallen kann. Eine Trennung würde einen einheitl., natürl. Lebenssachverhalt künstlich aufspalten (die Erforderlichkeit einer Abwägung erkennt Schwabe i.Ü. - wenn a. in anderem, problematischerem Zushg. selbst an, s. ibid., 71 Fn. 30). Eine andere Frage ist allerd., ob der Staat aus nicht-grl. Gründen (etwa zum Schutz "kollektiver Güter" o. eindeutige grl. Radizierung [z. B. Schutz d. sozversrl. Leistungssysteme, geordnete Rechtspflege etc.]) eingreifen darf (nicht: muss). Das hat dann aber mit der grl. Schutzpflicht nichts mehr zu tun (dazu Schwabe, a.a.O., 72 ff., 74 f., m. w. N. - zu Überschneidungen ebd., 74 Fn. 51 a. E.). U. wieder anders ist die Frage zu beurteilen, ob der Staat aus Gründen d. Schutzpflicht zugunsten v. GRen anderer (Dritter) in die GRe d. sich (dann eben aber nicht nur selbst) Schädigenden eingreifen darf u. muss (ebd., 70 ff.). 1203 Vgl. Störmer, DV 30 (1997), 233, 249; Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7, 16 f., m.z.N. S.a.o.u. A.IV.3.b). 1204 Desh. ist es a. missverständlich, v. einem "Grundrechtsschutz gegen sich selbst" zu sprechen, weil es in Wahrheit um einen Schutz d. GRgüter geht, es genauer also "Grundrechtsschutzgüter-Schutz gegen sich selbst" heißen müsste, was zugegebenermaßen "sprachlich verunglückt" ist (i. d. S. etwa Schwabe, JZ 1998, 67 Sp. 2). Schwabe zieht dann aber bei der Definition d. Schutzber. "Rechtsgut" u. Wirkungsweise (bzw. Funktion od. Dimension) d. GR (z.B. bei Art. 2 1/ 1 GG: "reines Abwehrrecht") zus. (ebd., 69 Sp. 1).
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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den, negativen subjektiven Abwehrrecht des Grundrechtsträgers in Bezug auf staatliche Schutz-Eingriffe und der objektivrechtlichen Schutzpflicht. 1206 Regelmäßig wird dabei die Autonomie des Einzelnen - bei wirklich freier und als solcher auch feststellbarer Entscheidung 1207 sowie ausschließlicher Selbstgefährdung - den Ausschlag geben und zur konkreten Unzulässigkeif des Schutzes vor bzw. gegen sich selbst führen, indem die Rechtsfolge der 1205 So a. K. Stern-Sachs, StaatsR III/1 § 67 V 2 a a ßß S. 736; v. MIK-Kunig Art. 2 Rn. 50; ders., Jura 1991, 418 f.; ders., JK 98, WG BW § 42 Il/1; Windthorst § 4 Rn. 29; Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 2; ders./Biermann, Jura 1998, 373 Sp. 1, 374 Sp. 2 (betr. "freiwillige Obdachlosigkeit" bei akuter Bedrohung v. Leib u. Leben); Koch, DV 30 (1997), 14 f. Wohl a. Lagodny, S. 259 f., 356 ff., der einen "aufgedrängten Opferschutz" (Bsp.: § 266b StGB) offb. f. rechtfertigungsfähig hält, aber ohnehin durch diese Vorschr. a. das "Gemeinwohlinteresse" a.d. "Funktionsfähigkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs" geschützt sieht, so dass kein reiner Schutz vor bzw. gg. sich selbst vorliegt (357). I.Ü. sollen ihm zufolge Verhaltensnormen "grundsätzlich" aber nur mit Fremdinteressen legitimiert werden können, a. a. 0., S. 443, am Bsp. eines Rauchverbots i.d. Öffentlichkeit. Eher zweifelnd Sachs-Sachs Vor Art. 1 Rn. 33 ff. (37), m. w. N. (lnsbes.) F. das öst. Recht, trotz seiner abwehrrl. Lösung u. unter Betonung d. "grundrechtlich geschützten Werte" Griller, ZfV 1983, 116 f. A.A. etwa Gramm, NJW 1989, 2923 Sp. 2; Dietlein, S. 219 ff. (227 ff.), 233 These 25; Isensee, HStR V § 111 Rn. 89, 113 ff. (114); Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 209 ff. (211 ); Schwabe, JZ 1998, 69 f. (offener - "ausnahmsweise" - noch ders., Probleme, S. 229); Faber, DVBI. 1998, 747 Sp. 1, jew.m. w.N. Die "staatliche Obhut bei Selbstgefährdung" ohnehin nur als "Folge der allgemeinen Sicherheitsgewähr", nicht als "Anwendungsfall grundrechtlicher Schutzpflichten" ansehend, P. Kirchhof, DRiZ 1995, 254 Sp. 1. F. die GFen a.A. a. Kingreen, S. 197. Nach Robbers, Sicherheit, S. 220 ff., ergibt sich die Schutzpflicht aus dem subj. R d. Einzelnen auf Schutz. Dieses R sei disponibel. Desh. gebe es keinen aufgedrängten GRschutz, wohl aber ein subj. Recht auf Schutz gg. Selbstgefährdung (221). Damit sind aber nur die Fälle erfasst, in denen es ohnehin an einer freiverantwortl. Entsch. d. Einzelnen fehlt (Geisteskranke, Appell-Selbstmörder, s. 221 f.). I.Ü. überzeugt der Ansatz, eine log. Priorität des subj. R vor der obj. Pflicht anzunehmen, nicht: Subj. Rechte ergeben sich aus obj. Normen u. nicht umgekehrt (zur "Binsenweisheit", dass "alle Rechtsgehalte ... aus dem objektiven Recht der Grundrechtsbestimmung herzuleiten sind", s. nur K. Stern, StaatsR III/1 § 69 II 4 S. 920; vgl.a. Scherzberg, DVBI. 1989, 1133 f. m.Fn. 61 u.w.N., 1135 Sp. 2; Dietlein, S. 139 ff., 232 These 17; H. Dreier, Jura 1994, 506 Sp. 2, 509 Sp. 1, m.w.N.; Badura, StaatsR C Rn. 2 [S. 75], 5 [S. 78], 18 [S. 92]; Ziekow, S. 348). Zum "Vorrang" ("Primat") d. subj. Charakters d. GR i.Z.m. neuen GRgehalten u. f. die Rundfunkfreih. s. aber a. Hain, S. 68 ff. Damit dürfte aber nicht eine log., sondern eine wertungsmäßige Vorrangstellung gemeint sein (s.a. E. Klein, DÖV 1999, 762 f., 765 f.). Dazu, dass die GR "primär" subj. Re darstellen, "die nur sekundär auch Teil des objektiven Rechts sind", s. aber noch Merten, DÖV 1993, 370 Sp. 1. 1206 Vgl.d. etwa Windthorst § 4 Rn. 29. Diff. Spieß, S. 158 ff. (162), 108 ff. (214). 1207 Zum Prob!. s. Denninger, KritV 1995, 14 (am Bsp.v. - u.a. - Sekten), der ein "häufig ... unauflösliches Gemisch" v. freiwilligem Rechtsverzicht u. "erzwungener Freiwilligkeit" (Afz.i.O.) ausmacht.
300 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Schutzpflicht begrenzt wird. 1208 Dabei ist der Gesetzgeber jedenfalls zu einer typisierenden Betrachtungsweise berechtigt, die i. E. auch Verhaltensweisen verbietet, beschränkt oder unattraktiver macht, bei denen im Einzelfall für den Betroffenen keine Gefahr besteht. 1209 Und er kann jedenfalls eine Richtschnur für allfällige Abwägungen seitens der Rechtsanwender vorgeben. 1210 i) Präexistenz bzw. Latenz der Schutzpflicht
Umstritten ist weiterhin, ob die Schutzpflicht bereits präexistent, also in dem Sinne latent ist, dass ihr - grundsätzliches - Bestehen nicht von einer wie auch immer zu bestimmenden Gefahr bzw. einem Risiko für das grundrechtliche Schutzgut abhängt, oder nicht. 1211 Davon zu unterscheiden ist die Frage der rechtlichen Geltung der Schutzpflichten: 1212 Schutzpflichten 1208 Vgl.d. Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 2; J/P-Jarass Art. 2 Rn. 53, der allerd. eine Schutzverpflichtung d. Staates bezweifelt u. nur eine Schutzbefugnis annehmen will (H.i.O.). S. a. Lagodny, S. 260, f. den es eine solche Pflicht "um so weniger [gibt], je intensiver die staatliche Verhaltensvorschrift in Opfergrundrechte eingreift". 1209 Das gilt etwa f. die Konstellation in BVerfG, NVwZ 1997, 573 ff. Krit. am Bsp.d. sog. Vorfeldkriminalisierung aber Lagodny, S. 260 ff. - d.S.n. dagg. jüngst BVerfG, B.v. 11.8.1999- 1 BvR 2181-2183/98 (1. K.)- n.n.v., B.II.2.f), S. 30 d.Umdr., u.H.a. BVerfGE 90, 145, 184. 1210 Vgl. Kunig, Jura 1991, 419, f. den Fall d. Selbsttötung (aktive/passive Sterbehilfe). 1211 Zum StrStd. vgl. etwa Pietrzak, JuS 1994, 750 f. F. eine "Entstehung" (erst) bei einer best. "Gewichtigkeit der Gefährdung" z. B. Badura, Herschel-FS, S. 35 ähnl. Merten, S. 32. F. eine "Auslösung" bei einer "bestimmte[n] Gefährdungsintensität" Tsai, S. 208 - ähnl. Remmert, DV 29 (1996), 484; Buhck, S. 142. F. eine "Aktivierung" (erst) bei einem Eingriff eines priv. "Störers" z. B. Menzer, S. 83, 87 ff. - ähnl. Faber, DVBI. 1998, 747 Sp. 2, 749 f. F. eine "technikspezifische Eingriffsschwelle" Gill/Bizer/Roller, S. 98 f, die anderers. aber v. einer ",schlummemde[n]' Pflicht zu begleitender Risikoforschung" ausgehen (100). V. einer Situations- u. GRspez. "Aktivierungsschwelle" ausgehend Ziekow, S. 589 f., 615 These
72.
F. eine Latenz bspw. Enders, Der Staat 35 (1996), 361 - ebenso offb. lsensee, HStR V § 111 Rn. 97: "Die Schutzpflicht ... lebt auf, wenn ein Privater ein grundrechtliches Schutzgut verletzt oder wenn die Gefahr einer solchen Verletzung droht" (H.d.V.; s. aber Rn. 98, wo v. einer Auslösung der Schutzpflicht die Rede ist; ebenso, aber i.Z.m. dem seiner Ans. nicht erfassten Schutz vor bloßen Belästigungen [s. u., j)cc)] ebd., Rn. 107). Jedf. im ArbR f. eine latente Schutzpflicht Aussem, S. 54 ff. Unklar Kunig, JK 98, GG Art. 2 II 114: "Für die Feststellung einer Schutzpflicht spielt die Abgrenzung zwischen ,bloßen' Grundrechtsgefährdungen und solchen Grundrechtsgefährdungen, die sich als ,erhebliche Grundrechtsbeeinträchtigungen' darstellen und also ,Grundrechtsverletzungen' gleichzustellen sind, eine wichtige Rolle . . . . Nur bezüglich der letzteren entfaltet sich die staatliche Schutzpflicht".
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
301
folgen aus den bestehenden Geltungsanordnungen der Grundrechte und unterscheiden sich auch insoweit nicht von ihnen. Dies klargestellt erweist sich ein Blick auf die "Wirkungsweise" des Grundrechts als Abwehrrecht als aufschlussreich: Ebenso wie das Grundrecht als Abwehrrecht i. S. eines Achtungsanspruchs des Einzelnen und einer korrespondierenden Unterlassungspflicht des Staates unabhängig davon "wirkt", ob ein Eingriff gerade bevorsteht oder nicht bzw. ob sich der Einzelne gerade im Regelungsbereich eines Grundrechts "aufhält" oder nicht, kann auch das Bestehen einer Schutzpflicht nicht von einer wie auch immer gearteten Gefahrdungslage abhängen: Eine verhaltensbeeinflussende Funktion kommt ihr somit permanent zu. Bei der Frage, wie weit diese reicht, geht es wieder um den Umfang der Schutzpflicht im jeweiligen Einzelfall, nicht aber um ihre Entstehung. 1213 Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG, derzufolge "[b]loße Grundrechtsgefährdungen [... ] im allgemeinen noch im Vorfeld verfassungsrechtlich erheblicher Grundrechtsbeeinträchtigungen [liegen]", aber "unter bestimmten Voraussetzungen Grundrechtsverletzungen gleich zu achten sein" könnten. 1214 Denn die dabei vom BVerfG angenommene "Schwelle verfassungsrechtlich unerheblicher Grundrechtsbeeinträchtigungen " 1215 gilt für Schutzpflicht und Abwehrrecht 1216 gleichermaßen. 1217 Sie stellt entweder eine vorweggenommene Abwägung zur Ausscheidung nur potenzieller bzw. kalter Grundrechtsfälle dar oder/und ein Mittel zur Vgl.d. nur Menzer, S. 87. So a. Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. I. Unklar Pietrzak, JuS 1994, 749 ff. 1214 Zul. etwa BVerfG, UPR 1997, 186, 187 Sp. I (m.Bespr. Murswiek, JuS 1998, 184 f.; Kunig, JK 98, GG Art. 2 II 114), u.H.a. BVerfGE 49, 89, 141; 51, 324, 346 f.; 66, 39, 58 (Hervorheb. nur hier). Darauf abst. aber Kunig, a. a. 0. 1215 A.a.O., u.H.a. BVerfGE 66, 39, 57 f.; 77, 170, 220. Zul. BVerfG. UPR 1998, 1212 1213
21.
1216 GRgefährdungen im Ber.d. Art. 2 II 1 GG ausschließ!. der Schutzpflicht zuweisend indes Determann, S. 127, 147, der aber verkennt (127 Fn. 75), dass in BVerfGE 77, 170, 214 ff., sowohl eine Eingriffs- als a. eine Schutzpflichtprüfung erfolgt. Lagerung u. Transport sprechen das GR jedf. in seiner Abwehrfunktion an (ebd., 220). 12 17 F. einen prinzipiellen Gleichlauf v. Maßstab u. Kontrolle Steinberg, NJW 1996, 1989 Sp. I. (Nur) F. das Kernenergie- u. BergR ebenso Sass, S. 403 ff. (404), 418 ("Höchstgefahrenbereich") - ans. a.A. (435). Wohl a. Elbing, S. 212 f.; Cremer, S. 180, 248 f. m.Fn. 72, 303. In beiden Fällen v. einer Aktualisierung sprechend Jsensee, Kriele-FS, S. 32. D.S.n. wohl a. Schuppert, S. 38 ff., jedf. dann, wenn man anerkennt, dass Abwehr- u. SchutzRe gleichermaßen mehrdimensionale GRprobl. betreffen (können). V. einer einheitl. Intensitätsschwelle, festgestellt mittels eines "Evidenzarguments" ausgehend, Holoubek, in: Grabenwarter u. a., S. 71, 74 f., der den Gestaltungsspielraum bei Schutzpflichten dann aber doch grds. weiter zieht (ebd., S. 81). F. eine unterschied!. Kontrolldichte schließ!. Pietzcker, S. 360 vorsichtig dagg. ("fraglich")- Medicus, AcP 192 (1992), 70 m.Fn. 19 a.E.
302 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
prozessualen Begrenzung der Anzahl der einschlägigen Verfassungsbeschwerden. Darüber hinaus lässt sie sich mit einem Auseinanderfallen von Handlungs- und Kontrollnorm erklären. 1218 Im Übrigen deutet sich in der Rechtsprechung des BVerfG an, dass es inzwischen selbst von einer präexistenten bzw. latenten allgemeinen Schutzpflicht ausgeht: Eine Grundrechtsbeeinträchtigung müsse aber gleichwohl ein bestimmtes Ausmaß angenommen haben, "um überhaupt eine - bestimmte - Schutzpflicht auslösen zu können". 1219 Auch hier besteht i. E. aber kein Unterschied zum Abwehrrecht, zumindest dann, wenn man - wie es das BVerfG in aller Vorsicht andeutet - davon ausgeht, dass "jedenfalls solche Eigentumsbeeinträchtigungen unerheblich sind, die auch im Rahmen einer Inhaltsbestimmung hingenommen werden müßten". 1220
In jedem Fall sind alle Versuche, bereits im Vorfeld des schutzpflichttypischen Interessensausgleiches zwischen verschiedenen Rechtsgütern bzw. deren Trägern eine - und sei es auch nur grob abschiebtende - Lösung zu zementieren, mit Vorsicht zu genießen: Ein abrupter Abbruch der Prüfung schon auf der Ebene der Existenz der Schutzpflicht verhindert einen rationalen Grundrechtsdiskurs und stellt einen arkanischen Dezisionsakt dar. j) Beeinträchtigung, Gefahr oder Risiko -Schutz vor Angst bzw. Furcht
oder bloßen Belästigungen und Unannehmlichkeiten?
Mit dem Streit um die Präexistenz bzw. Latenz der grundrechtliehen Schutzpflicht hängt die Frage eng zusammen, ab welchem Gefahrenniveau bzw. ab welcher Risikointensität (konkrete) Handlungspflichten entstehen und ob die Schutzpflicht auch gegen Angst bzw. Furcht oder bloße Belästigungen und Unannehmlichkeiten ins Feld geführt werden kann: aa) Beeinträchtigung, Gefahr oder (Rest-) Risiko Streitig ist ganz allgemein, ab welchem Gefahrenniveau konkrete Handlungspflichten ausgelöst werden. 1221 Regelmäßig wird dabei an die - ihrerseits unklaren - Maßstäbe des BVerfG vor allem im Ersten Kalkar-Beschluss1222 angeknüpft. 1223 Häufig findet sich - in Entsprechung zum weiN.d.s. u.u. q). So BVerfG, UPR 1998, 341, 342 Sp. 2. Krit.d. v. Hippel, NJW 1998, 3254 f. 1220 Ebd., u.H.a. Schwerdtfeger, NVwZ 1982, 8. Ähnl. AKU-Steiger 02/058 Rn. 201. 1221 Zum StrStd. vgl. nur Pietrzak, JuS 1994, 749 f., m. w. N. 1222 BVerfGE 49, 89 ff. (insbes. 141). 1223 Zum "Dreistufenmodell", bestehend aus Gefahr, Risiko u. Restrisiko, s. nur Menzer, S. 88 f., 92, 95, 97, m.z.N. Zu!. u. bes. luzid zu den versch. Begr. Wahl, 1218 1219
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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ten abwehrrechtlichen Eingriffsbegriff - die Formulierung, dass ein Schaden für das geschützte Rechtsgut zu erwarten sein muss, welcher als "nicht unerhebliche Einwirkung auf das Rechtsgut gegen den Willen des Berechtigten" definiert wird. 1224 Darüber hinaus werden Abstufungen hinsichtlich der erforderlichen Beeinträchtigungsintensität in Abhängigkeit vom jeweils geschützten Grundrechtsgut vorgenommen: 1225 Bei Leben und Gesundheit reiche "in der Regel" jeder private Eingriff eines Privaten aus, weil dieses Grundrecht "von seinem Substrat her einzigartig" und die Einwirkung notwendig körperlicher Natur sei, während die Berufsfreiheit ohnehin den Ingerenzen des Wettbewerbs offen stehe, die Koalitionsfreiheit den Arbeitskampf als planmäßige Beeinträchtigung des Tarifgegners decke und die Meinungsfreiheit sich unter den "Risiken von Widerspruch und Kritik" entfalte.1226
Auch hier ist zunächst festzuhalten, dass es "nur" um den Umfang der Schutzpflicht im jeweiligen Einzelfall geht, d.h. um die Rechtsfolge in Gestalt einer konkreten staatlichen Handlungspflicht, und nicht etwa um die Entstehung der Schutzpflicht selbst. 1227 Letztlich ist eine Abwägung der verschiedenen, auf dem Spiel stehenden Grundrechtsgüter erforderlich, so dass sich Verallgemeinerungen, und zwar auch solche in Gestalt einer prinzipiellen Abstufung nach der Schutzbedürftigkeit bestimmter Grundrechtsgüter, verbieten. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtschau, die auf Schutzgut und Gefährdungssituation Bedacht nimmt. 1228 Eine gewaltenspezifische Differenzierung 1229 ist demgegenüber nicht ratsam. Jedenfalls dürfen bloße (Rest-) Risiken nicht von vornherein aus dem Allwendungsbereich der Schutzpflichten ausgeschlossen werden: Die Schutzpflicht greift im Grunde bei allen drei Stufen des sog. DreistufenmoZLR 1998, 275, 278 ff., m.z.N. u. am Bsp.d. eminent schutzpflichtträchtigen "Referenzgebiete" d. Umwelt- u. LebensmittelR. Etwas präziser die "grobe Orientierungshilfe" v. Koch/l.askowski, ZUR 1997, 186 Sp. 1: "Je wichtiger das betroffene Schutzgut als Grundlage des Lebens und je weniger die potentielle Schädigung reversibel erscheint, desto geringer muß auch das verbleibende (Rest-) Risiko sein". Diff. Murswiek, Verantwortung, S. 281 (zwar "bestmögliche Gefahrenabwehr", nicht aber "Risikovorsorge unterhalb der Gefahrenschwelle") - s.a. dens., in: Sachs Art. 2 Rn. 198 f. ("Gefahrenvorsorge", nicht aber "Risikovorsorge"). 1224 Isensee, HStR V § 111 Rn. 97; Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 1. Ähnl. - aber o. Abstellen auf die Erheblichkeit u. i. S. d. "abwehrrechtlichen Lösung" - Murswiek, Verantwortung, S. 191; Bock, S. 178. 1225 /sensee, HStR V § 111 Rn. 98; Erichsen, Jura 1997, 85, 87 Sp. 1; Menzer, S. 91; Buhck, S. 143 f.; Ziekow, S. 589 f. 1226 lsensee, a. a. 0. 1227 So a. Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 1. Ähnl. Menzer, S. 89. Wohl a. Pietrzak, JuS 1994, 748, 750. 122s Ähnl. Menzer, S. 91, 95. 1229 Dazu Dietlein, S. 105 ff. (109 ff.).
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dells 1230 (Gefahr - Risiko - Restrisiko) ein. 1231 Alles andere widerspräche dem präventiven Charakter nicht nur der Schutzpflicht-Funktion selbst, 1232 sondern der Grundrechte insgesamt. Wissenslücken dürfen nicht zu Lasten des Grundrechtsschutzes gehen, 1233 unabhängig davon, ob dieser abwehroder schutzrechtlich konstruiert wird, ob das mutmaßliche "Opfer" um staatlichen Schutz nachsucht oder der mutmaßliche "Störer" sich gegen staatlichen Schutz wendet. Dass Risiken einbezogen werden müssen, folgt nicht zuletzt auch aus der - nicht einmal eigentlich qualitativ neuen - Erkenntnis, dass in vielen Bereichen hinreichendes Eifahrungswissen fehlt, welches nach herkömmlichen Verständnis aber unabdingbare Voraussetzung für eine zulässige und/oder gebotene Abwehr von Gefahren im Rechtssinne - entsprechend der Produkt- bzw. Je-desto-Fonnel (zu erwartende Beeinträchtigung und Eintrittswahrscheinlichkeit) - ist. 1234 Lassen sich nicht mehr bestimmte Gesetzmäßigkeiten auf Grundlage deterministischer Annahmen der klassischen Physik erkennen, kommt es vielmehr häufig zu "plötzlichen" Schadensereignissen, ohne dass man diese linear-kausal rekonstruieren kann, wird deutlich, dass der (Grundrechts-) Schutz früher ansetzen muss und nicht bei der "klassischen" Gefahr stehen bleiben darf. 1235 Letztlich lassen sich mit dem Schutzpflicht-Konzept auf diese Weise auch Gebote wie Ressourcenschonung oder Systemvorsorge vereinbaren, jedenfalls dann, wenn man die Rückbindung sog. kollektiver Güter an individuelle Grundrechte in Betracht zieht. 1236
1230 Wobei es sich nicht wirklich um getrennte Stufen, sondern um ineinanderübergehende Ber. handelt, s.d. nur - klarstellend - J. Ipsen, VVDStRL 48 (1990), 187. 1231 So a. Menzer, S. 88 f., 92, 95, 97, m.z.N.; Buhck, S. 142 ff. (144, 146 f.), 153; Kloepfer, UmweltR § 3 Rn. 17. A.A. etwa Murswiek, Verantwortung, S. 281; ders., in: Sachs Art. 2 Rn. 199; AKU-Steiger 02/048 Rn. 167, 052 f. Rn. 183 f., die nur die Gefahrenabwehr einbeziehen wollen, sowie Tsai, S. 208, der das Restrisiko ausblendet. Dagg. (jedf. f. die Legislative) zu Recht Dietlein, S. 113. 12 32 So Pietrzak, JuS 1994, 750 Sp. 1. 1233 Ebenso Pietrzak, JuS 1994,750 Sp. 1, m.w.N. 1234 S. nur Preuß, Risikovorsorge, S. 527 ff. (529, 531), m.w.N. Zum Probl. s.a. Gusy, DÖV 1996, 578 ff. 1235 Vgl.d. aus jüngerer Zeit etwa Scherzberg, VerwArch. 84 (1993), 484 ff. (insbes. 509 ff.); Preuß, Risikovorsorge, S. 523 ff. (insbes. 541 ff.); Köck, AöR 121 (1996), 1 ff. (insbes. 13 ff., 16 ff.), jew.m.z.N. S.a. noch Ladeur, KJ 1986, 199 ff. (insbes. 202 f.). 1236 A.A. Preuß, Risikovorsorge, S. 542; Gusy, DÖV 1996, 577 Sp. 2 ("[o]ffene Flanke"). Die Frage soll hier aber nicht weiter vertieft werden. Zur schwierigen, eigentlich nur begriffl.-graduellen Abgrenzung s. u., m), sowie o., A.III.2.b )kk), insbes. (5).
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bb) Schutz vor Angst bzw. Furcht? Umstritten ist ebenso, ob die Schutzpflicht auch verlangt, dass die Einzelnen vor Angst bzw. Furcht geschützt werden. 1237 Dafür lassen sich immerhin einige Entscheidungspassagen des BVerfG anführen. 1238 Ob man allerdings überhaupt ein (abstraktes) "Recht auf Freiheit von Furcht" bzw. ein "Recht auf Sicherheit als Gewißheit der Integrität der Rechtsgüter" benötigt, 1239 ist aus mehreren Gründen zweifelhaft:
Zum einen geht es bei vielen Ängsten bzw. Befürchtungen nur zu häufig um Situationen, in denen von vomherein unklar ist, ob eine Gefahr (im 1237 Dafür z. B. Robbers, Sicherheit, S. 223 ff. (226); Schwind: "Die Menschen müssen abends nicht nur wieder sicher über die Straße gehen können, sondern sie müssen auch das Gefühl haben, dass sie dies sicher tun können". Wohl a. Nehm, in: Heyde/Starck, S. 180: "Aus der abstrakten Gefahr folgt, daß der Staat Ängste des Bürgers nicht nur beschwichtigend zur Kenntnis nehmen darf. Vielmehr ist er je nach dem Rang des gefahrdeten Grundrechts zu entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen ... verpflichtet", wobei a. das Vertrauen der Bürger in die Funktionstüchtigkeit staatl. Institutionen zu schützen sei. Aufschlussreich ist in diesem Zushg. a. die Parallele, die Nehm zw. d.Rspr.d. BVeifG zur Verpflichtung d. Staates zum strafrl. Rechtsgüterschutz einers. u. den Entsch. im Atom- u. Umwelt(schutz)R anderers. ausmacht. Aus "Verunsicherungen" u. "Ängsten" immerhin "Handlungsanforderungen an den Staat" ableitend AKU-Steiger 021050 Rn. 175. Die "Freiheit vor Furcht und Angst in dem uralten Staatszweck der Sicherheit wohl besser und emotionsloser aufgehoben" sehend aber Bethge, DVBI. 1989, 848 Sp. 2. Krit. i.Z.m. mit seiner "Streitschrift" gg. eine "Gefährdung des Strafrechts durch Gefährdungsstrafrecht", allerd. o. Erwähnung d. grl. Schutzpflicht, F. Herzog, S. 44 f., 48, 58 ff., 70 ff. Krit. diff. Lagodny, S. 2, 4, 22 ff., 197 f., pass., m.z.N. ([systemimmanente] Krit. an F. Herzog ebd., S. 40 f.). Abi. Di Fabio, Risikoentsch., S. 41 f. m.Fn. 3. Eine Mietminderung nach § 537 BGB aufgr. der Furcht d. Mieters vor Beeinträchtigungen durch "E-Smog" (als Mietmangel) bej. AG München, WuM 1999, 111 f. E-Smog als MietmangeL 1238 Vgl. BVerfGE 49, 89, 143; 53, 30, 69 ff. (abw.Mein. Simon/Heußner), 10; 65, 1, 3 f.; 78, 290, 304; 83, 216, 230 ff. Tend. anders aber BVerfGE 49, 286, 300, u.H.a. E 36, 146, 163. S.a.o.u. A.V.3.b)dd). Dazu, dass a. ein durch gewalttätige Ausschreitungen erzeugtes "Klima der Unsicherheit und Ungewißheit" ein Hindernis f. denfreien Warenverkehr darstellt, s. GA Lenz, in: EuGHE 1997, I-6959, 6970 Rn. 15 (Kom./F) - Plünderung v. Lastwagen mit span. Obst u. Gemüse durch frz. Bauern ("Blockadeurteil"). Ebenso der EuGH in diesem Fall, ebd., 7003 Rn. 53 = DVBI. 1998, 228, m.Bespr.-Aufs. P. Szczekalla, ebd., 219, = EuZW 1998, 84, m.zust.Anm. Meier, a. a. 0., 87 = EuR 1998, 47, m.zust.Anm. Schwarze, ebd., 53 ("Atmosphäre der Unsicherheit ... , die sich auf die gesamten Handelsströme nachteilig auswirkt"). 1239 I.d. S. Robbers, Sicherheit, S. 223 ff. (226), H.d.V. Ähnl. Pitschas, UTR 36 (Jb. 1996), S. 181, 212. Einseitig-ideologisierende Krit. daran übt noch dazu in unangemessener Diktion Bendrath ("Hebel ... von konservativen Staatsrechtlem", "konservative[ ... ] Ideologieschmiede"). Sachlich dagg. Schmidt-Jortzig, in: Theobald, S. 130. Zur (angebl.) dienenden Funktion d. Sicherheit f. die (grl.) Freih. s. bbgVerjG, LKV 1999, 453 Sp. 1, u.H.a. BVerfGE 49, 24, 26 f.
20 Szczekalla
306 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Rechtssinne) tatsächlich vorliegt oder nicht. Solche Fälle von Entscheidungszwängen unter Ungewissheitsbedingungen 1240 werden sicherlich von der Schutzpflicht umfasst. Zum anderen dürfte ein Schutzhandeln des Staates bei irrationaler Angst bzw. Furcht jedenfalls häufig nicht in Bezug auf den realen Gegenstand der Ängste bzw. Befürchtungen erforderlich sein, sondern in Bezug auf die Personen, die unter Angst bzw. Furcht leiden. 1241 Probate Schutzmittel sind in einem solchen Fall Aufklärung, 1242 lnformation 1243 und Erziehung 1244 verängstigter bzw. furchtsamer Bevölkerungsteile. 1245 Mit dem Schutz der materiellen Rechtsgüter, auf die sich Angst bzw. Furcht beziehen, hat dies aber nur sehr mittelbar zu tun: 1246 Im Wesentlichen geht es hier vielmehr 1240 S.d. nur Koppen/Lade ur, in: Cassese u. a., S. 10, 11 f., 14, 20 f., 39 f., 43 f.; Raabe, in: Grabenwarter u. a., S. 83 ff.; Lade ur, S. 24, 28, 30. 1241 Zur "psychologische[n] Dimension" d. "Technikangst" s. etwa Determann, S. 21 ff., 262 f. Zu subj. u. obj. Elementen eines kontextabhängigen Sicherheitsbegr. vgl. Preuß, Risikovorsorge, S. 523, 526 f. 1242 Vgl.d. Robbers, HVR § 11 Rn. 16, 91 (zur Überwindung v. Fremdenangst); Wiesbrock, S. 160, sowie- d.S.n.- EuG, EuGHE 1998, 11-2571, 2598 Rn. 93 (Lilly Industries Ltd/Kom.) - Rekombiniertes Rindersamatropin (Somidobove/"Optiflex 640"): Während die Korn. bei der - recht!. an sich gebotenen - Aufnahme in das Verzeichnis v. Stoffen, f. deren Rückstände keine Höchstmengen gelten, negative, wenn a. wissl. unbegründete Verbraucher-Reaktionen erwartet u. sich desh. f. die Nichtaufnahme entschieden hatte (2595 Rn. 81), wies das EuG- zutr. -darauf hin, dass es Aufgabe d. Korn. sei, dem durch Aufklärung u. Information gg. zu steuern. Die Entsch. ist rkr., s. TB Nr. 3/99, 1.-5.2.1999, 8. 1243 S.d. vMIK-Kunig Art. 1 Rn. 31 (i.B.a. den "Abbau fremdenfeindlicher Ressentiments"). 1244 Dazu wiederum Robbers, HVR § 11 Rn. 16, 91; Wiesbrock, S. 160. 1245 So a. Robbers, Sicherheit, S. 226; Gramm, NJW 1989, 2925 Sp. 2, der zw. Furcht u. Angst unterscheiden will u. f. den der Staat nur die Furcht vor "konkret greifbaren Übeln" mindern könne, während Angst gezielt kaum zu bekämpfen sei (Fn. 117 a. E.). S. a. den Versuch des BVeifG, die "Beunruhigung auch in solchen Teilen der Bevölkerung ... , die als loyale Staatsbürger das Recht und die Pflicht des Staates respektieren, die für rationales und planvolles staatliches Handeln erforderlichen Informationen zu beschaffen", mit der "weithin" bestehenden "Unkenntnis" u. der nicht rechtzeitig erkannten "Notwendigkeit zur verläßlichen Aufklärung" zu erklären, BVerfGE 65, 1, 3. Die Möglichkeit zu angstfreien Sexualkontakten o. bes. Vorsichtsmaßn., wie sie nach dem Sachverhalt in BVeifG, NJW 1987, 2287 Sp. I, eingefordert wurden, übersteigen aber das recht!. (Kasernierung?) u. tatsächlich ([Rest-] Risiko) Mögliche. Hier ist v. a. aufklärungsinduzierter Selbst-Schutz erforderlich. Zum "Trugbild einer Patentlösung", das eine "falsche Beruhigung" erzeuge u. den "notwendigen Selbstschutz" der Bürger unterlaufe, s.a. BVeifG, a. a. 0., 2288. Die Begr.d. Vb. zum Anlass nehmend, auf die "Dialektik von Freiheit und Sicherheit" u. die "Ambivalenz einer uferlosen Schutzpflichtendogmatik" hinzuweisen, Gramm, ebd., 2923 Sp. 1, m.w.N. Vgl.a. seine These zur Irrationalität sex. Verhaltens (ebd.). Ähnl. Kneihs, JBI. 1999, 81 m.Fn. 63.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
307
um den Abbau, jedenfalls aber die Linderung pathologischer Zustände, der Sache nach also eher um einen Vorgang, der beim Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 I/ 1, 2. Alt. GG) anzusiedeln ist 1247 . 1248 Zuzugeben ist indes, dass eine Abgrenzung zwischen "Realängsten" und "neurotischen Ängsten" im Einzelfall nicht einfach sein wird. 1249 Sie ist gleichwohl geboten, um überhaupt rationale Risikoentscheidungen treffen zu können. 1250 Ein weiteres wichtiges Schutzmittel im Zusammenhang mit dem Abbau von Angst oder Furcht ist schließlich ein solches Genehmigungsverfahren, 1251 welches in einem "Prozeß der Kommunikation" zwischen Anlagenbetreiber, (verängstigtem bzw. furchtsamen) Bürger und zuständiger Behörde in einem "allseits fairen und vernünftigen Verhalten" stattfindet 1252 damit können etwaige ("subjektiv nicht so gewollt[e]") "Ohnmachterfahrungen"1253 ausgeräumt bzw. deren Entstehung von vornherein verhindert werden, so dass sich die "unerläßliche Akzeptanz" von Entscheidungen 1254 einstellen kann. 1255 1246 Vielmehr handelt es sich um einen Ansatz, der dem d. sozialwisst "RisikoKonstruktivismus" vglb. ist, welcher gesellschaftl. Probl. dekonstruiert u. diskursiv auflöst. Zum Versuch einer Synthese v. "Risiko-Konstruktivismus" u. "Risiko-Objektivismus" bzw. "-Realismus" s. Metzner, ZAU 10 (1997), 481 ff., m.w.N. 1247 Bzw. bei einem eigenständigen GR auf seel. Unversehrtheit, wie es die Landesverf. v. Sachsen-Anhalt kennt (Art. 5 /1 1 saV). S.d. - i.Z.m. dem Schutz d. Ehrgefühls - lsensee, Kriele-FS, S. 18 f. 1248 Ganz ähnl. offb. Wagner, RdU 1998, 121 Sp. 2. 1249 Vgl.d. Di Fabio, Risikoentsch., S. 41 f. m.Fn. 3. 1250 Zur Notwendigkeit, dass das R auf öffentl. Risikodiskussionen handelnd reagiert, s. Di Fabio (vor.Fn.), S. 53. Zu den daraus resultierenden Gefahren f. die Rationalität v. Entsch. s. ebd., 227. 1251 Zu dessen (wissensgenerator.) Funktion Scherzberg, VerwArch. 84 (1993), 509 f.; Köck, AöR 121 (1996), 21. M.E. verkannt v. AG München (Fn. 1237 a.E.). 1252 So die Forderung in BVerfGE 53, 30, 69 ff. (abw.Mein. Simon/Heußner), 77 (H.i.O.). 1253 A.a.O., 70. 1254 A.a.O., 81 f. 1255 Zur Relevanz d. Fairnessgebots im VerwVerfR s. Koch, ZAU 10 (1997), 56 f.; 210, 221. Eher auf das VerwGerVerf. setzend hingg. J. lpsen, VVDStRL 48 (1990), 200 ff. (202). Zur Akzeptanzsicherungsfunktion d. (Umwelt- u. Technik-) Rechts allg. vgl. Kloepfer, NuR 1997, 417 f. (418). Ganz ähnl. - allerd. i.B.a. die gerl. Kontrolle nach Art. 6 I EMRK- abw.Mein. Pettiti, u.A.v. Gölcüklü u.a. zu EuGHMRE 1997, 1346, 1361 ff. (1363 II) (Balmer-Schafroth u. a./CH) - KKW Mühleberg = ÖJZ 1998, 436 = RdU 1997, 188 m.krit.Anm. Raschauer, ebd., 189 = M en R 1999/3, Nr. 13, 31, m.nt. Verschuuren, ebd., 33 = EuGRZ 1999, 183, m.krit.Anm. Kley, ebd., 177 ff.: "Wenn es überhaupt ein Gebiet gibt, in welchem der Verwaltung nicht blind vertraut werden kann, dann ist dies die Kernenergie, weil hier die Staatsräson, die Anforderungen an die Regierung, die betroffenen In20*
308 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Ein Übedegenswertes Schutzmittel rechtlich-tatsächlicher Art unabhängig von konkreten Genehmigungsverfahren stellt auch die Einführung einer sog. "Public Concern"-Klausel dar: Für bestimmte neue oder neuerdings verstärkt eingesetzte Technologien könnten bei öffentlicher Besorgnis 1256 über deren vor allem gesundheitliche Auswirkungen umfassende Umweltverträglichkeitsprüfungen durch unabhängige Sachverständigengremien durchgeführt werden, die etwaige Ängste bzw. Befürchtungen auszuräumen helfen. 1257 Schließlich kann die Forschung und die Publikation etwaiger Forschungsergebnisse als tatsächliches Schutzmittel 1258 zum Abbau von Angst bzw. Furcht beitragen, wenngleich hier angesichts der Komplexität der "real world problems" im Vergleich zur künstlichen Welt der Labore vor allzu großen Erwartungen zu warnen ist. 1259 Schon die flächendeckende Vermittlung der Ergebnisse dürfte erhebliche Reduktionen der Aussagegehalte erfordern, um die Laien-Rezipienten nicht zu überfordern, was wiederum Anlass neuer Beunruhigungen sein könnte. Wenn die Schutzpflicht der Verstärkung des Grundrechts in seiner abwehrrechtlichen Funktion zu dienen bestimmt ist, dann kann man schließlich im Grundsätzlichen und darüber hinausgehend durchaus auch an die Anwendung ähnlicher Grundsätze denken, wie sie beim Abwehrrecht zu Tage treten: Hat bspw. die Furcht vor einem erneuten Vollzug aus einem bereits 13 Jahre alten Haftbefehl wegen des damit verbundenen psychischen Drucks abwehrrechtliche Relevanz, 1260 so lassen sich jedenfalls theoretisch teressen und der Druck von Lobbyisten viel nachdrücklicher wirken als auf anderen Feldern" (e.Ü.). N.d.s. u.u. Zweiter Teil, B.V.l.d)dd)(3)(c). 1256 "Besorgnis" ist nach Di Fabio (z.B. Jura 1996, 570 Sp. I) das "positive Gegenstück zum Restrisiko" u. soll "den vielleicht noch spekulativen, noch wenig verfestigten oder belegbaren Verdacht, ähnlich dem Anfangsverdacht in der Strafverfolgung" umschreiben. F. Zwecke dieser Arbeit kann dieser Begr. mit diesem Inhalt zugrundegelegt werden, zumal er (noch) keinen Rbegr. darstellt. 1257 S.d. am Bsp.d. Mobilfunk-SendeanJagen (Stichwort: "Elektro-Smog") den (u. a.) der kan. Rechtsordnung entnommenen Vorschl.v. Determann, S. 221 f., 224 ff., 253 ff., 263. Insow. zust. Kremser, NVwZ 1997, 50. Skept. dagg. Engel, DVBI. 1997, 1018. 1258 Forschungspflichten nicht mehr auf die grl. Schutzpflicht u. diesbzgl. Schutz-, sondern auf (allg.) Leistungsansprüche stützend, weil damit mehr als die Erhaltung d. status quo angestrebt werde, aber Determann, S. 173 (zu Informations-, Beobachtungs- u. Nachbesserungspflichten vgl. aber a. - u. insof. widersprüchlich - 171 m.Fn. 376 u.w.N., 203 f., 208). S.a. dens., UTR 40 (Jb. 1997), S. 168, 181 ff. 1259 I.d.S. Metzner, ZAU 10 (1997), 473 (diff. 482). Zur "Early Reputation of Science and its Decline" s.a. Shapiro, S. 325 ff., 341. Relativiert wird dies i.Ü. durch die Erkenntnis, dass sich die gesellschaftl. Praxis d. Industriegesellschaften heutzutage in vielen Ber. selbst in ein "großes Labor" verwandelt hat, s. Preuß, Risikovorsorge, S. 543, 545.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
309
Konstellationen ausmachen, in denen Gleiches für eine von Privaten ausgehende Bedrohung zu gelten hat. 1261 Ein eigenständiger, abstrakter Schutz vor Angst bzw. Furcht ohne konkrete, nachvollziehbare und insofern rationale Anlässe folgt daraus aber nicht. 1262 Erst recht stellt die Sicherheit kein "Supergrundrecht" dar. 1263 Die Tatsache, dass wir alle in unsicheren Zeiten leben, führt letztendlich dazu, dass es notwendig ist, gewisse Unsicherheiten auszuhalten und mit ihnen umgehen zu lernen. Ein solches aufgeklärtes "Unsicherheits-Management" ist allemal besser als dem "Phantom Sicherheit" nachzujagen, weil nur so der erforderliche (Rest-) Bestand an menschlicher Freiheit bewahrt werden kann. 1264 Das "Grundrecht auf Sicherheit" bleibt damit allenfalls in und für Wahlkampfzeiten von Interesse. 1265 Es hat nur metaphorischen Wert. 1266 cc) Schutz vor bloßen Belästigungen und Unannehmlichkeiten? Überwiegend wird schließlich angenommen, dass kein Schutz vor bloßen
Belästigungen verlangt werden könne. 1267 Dieser "Bagatellvorbehalt" gelte
bei Abwehrrecht und Schutzpflicht gleichermaßen. 1268
S. die Konstellation in BVerfGE 53, 152, 161 f. Zu denken ist etwa an eine langjährige Familienfehde, mglw. a. an eine (jahrelang ungewisse) Belastung aus einer Bürgschaft. 1262 I.d.S.a. H. Sommer, DÖV 1986, 873 f. 1263 So Preuß, Sicherheit, S. 40, 42 f., sowie- (nur) i.E. zutr. - Bendrath, pass., m.w.N. 1264 Vgl.i.d.S. Preuß, Merkur 43 (1989), 498. Ähnl. Ziekow, S. 589 (" ... ein verbleibendes Gefährdungspotential [ist] nicht nur hinnehmbar, sondern geboten"). 1265 S.ber.o., vor a). S. aber a. Entschl.d. EP v. 17.12.1998- A4-0468/98- zur Achtung d. MRe i.d. EU, ABI. C 98 v. 9.4.1999, 279, 282 Nr. 14 - MRber. 1997, wo unter der Überschrift "Recht auf Sicherheit ... " die Auffassung vertreten wird, "daß es von ganz wesentlicher Bedeutung ist, daß die in der Union ansässigen Personen ihr Leben ohne Angst um ihre persönliche Sicherheit und um die Sicherheit ihrer Familie und ihres Eigentums führen können". Darin kommt aber immerhin eine einzelgrl. Anbindung zum Ausdruck. 1266 I.d.S. a. Haverkate, S. 216. 1267 Vgl. Jsensee, Sicherheit, S. 38; dens., HStR V § 111 Rn. 107; Pietrzak, JuS 1994, 750 Sp. 1; Enders, Der Staat 35 (1996), 376 f. Fn. 132 a.E.; Tsai, S. 208; AKU-Steiger 02/048 Rn. 167, 052 f. Rn. 183 f. (s. aber ebd., 058 f. Rn. 203 ff., u.H.a. EuGHMRE 303-C, 41 ff. [L6pez Ostra/SP]); Faber, DVBI. 1998, 747 Sp. 2 a. E. A.A. aber Hermes, S. 225 f. A.A. wohl a. Robbers, Sicherheit, S. 223, der von einem "Schutzrecht des Einzelnen" ausgeht, "nicht in unzumutbarer Weise mit Beeinträchtigungen seiner eigenen Wertvorstellungen konfrontiert zu werden". Unentschieden l..agodny, S. 256 f. 1268 Isensee, HStR V § 111 Rn. 107; Elbing, S. 212 f.; AKU-Steiger 02/048 Rn. 167. Ausdr. gg. diesen Vorbehalt aber Murswiek, Verantwortung, S. 193 f. m. Fn. 12; Bock, S. 178. F. die Einbeziehung v. Belästigungen (i. R. seiner abwehrrl. Lösung) Schwabe, Probleme, S. 216 m.Fn. 16b. 1260 1261
310 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Wie bereits bei der Frage nach der Präexistenz bzw. Latenz der Schutzpflicht geht es auch hier um den Umfang der Schutzpflicht im Einzelfall, nicht aber um ihre Entstehung. 1269 Selbst bloße Belästigungen und Unannehmlichkeiten können in einem bestimmten Einzelfall einmal unzumutbar sein und zu einer definitiven Schutzpflicht und einem definitiven Schutzrecht führen, wenn nicht legitime Zwecke, etwa Rechte anderer, dagegen vorgebracht werden können. 1270 Ein wie auch immer gearteter Tatbestandsausschluss findet nicht statt. Irgendwelche Schwellen und Intensitäten verlangt die Schutzpflicht nicht 1271 - eine theoretische 1272 Rechtfertigungsbedürftigkeit, aber auch eine regelmäßige Rechtfertigungsfähigkeit 1273 besteht immer. 1274 Selbst Belästigungen sind demnach nur dann hinnehmbar und hinzunehmen, wenn und soweit nur durch sie angesichts der vorhandenen räumlichen, technischen oder wirtschaftlichen Situation höherwertige, zumindest aber gleichwertige private oder öffentliche Interessen (als kumulierte private Interessen) verwirklicht werden. 1275 k) Subjektives Recht auf Schutz
aa) Allgemeines ( 1) Mehrheitliche Bejahung eines subjektiven Rechts auf Schutz
Der überwiegende Teil der Literatur bejaht (grundsätzlich) ein subjektives Recht auf Schutz, und zwar auch bzw. vor allem 1276 gegenüber dem Gesetzgeber. 1277 Begründet wird dies auf mehrere Weise: So a. Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 1. Vgl.d. Pietzcker, S. 357 ("in atypischen Fällen besonderer Empfindlichkeit des Dritten"). I.E. wohl a. AKU-Steiger 02/052 Rn. 181 a.E. 1271 A.A. zul. etwa Gill!Bizer/Roller, S. 98 f., die eine "technikspezifische Eingriffsschwelle" verlangen, sowie Ziekow, S. 579 f.; Holoubek, in: Grabenwarter u.a., S. 71, 74 f., 81. S.a. Möstl, DÖV 1998, 1033 Sp. 1, der- i.R.d. Prüfung d. Beschwerdebefugnis - verlangt, dass eine Gefahr die "Schwelle schutzpflichtrechtlicher Relevanz" überschreite. Was damit gemeint ist, macht er indes nicht deutl. (s.a. ebd., 1035 Sp. 2 m. w. N.). 1272 I. S. eines potenziellen bzw. kalten GRfalles. 1273 S.d. insbes. Schlink, EuGRZ 1984, 467 Sp. 1. 1274 Ähnl. Hermes, S. 225 f. 1275 So a. - trotz seines tatbestandl. Ausschlusses v. u. a. Belästigungen - AKUSteiger 02/052 Rn. 181 a.E. 1276 Vgl. K. Stern, StaatsR III/1 § 69 VI 4 b ß S. 989 ("prädestinierter Verpflichteter ist der Gesetzgeber"); Hoppe, in: Erichsen u. a., S. 76 ("in erster Linie"), der allerd. nur ausnw. subj. Schutzanspr. annehmen will (84); Ladeur, S. 28 ("primarily"); Badura, in: Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 3. Abschn. Rn. 41 ("grundsätzlich nur") - restr. zu subj. Schutzanspr. "auf ein bestimmtes Tätigwerden" insow. 1269
1270
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
311
Entstehungsgeschichtlich wollte der Grundgesetzgeber "klassische" Grundrechte positivieren, 1278 die in die ebenfalls "klassischen" Staatszwecke eingebunden sein sollten, d. h. vor allem in die Funktion des Staates, Rechte und Rechtsgüter seiner Bürger (vor Angriffen durch andere Bürger) zu schützen. 1279
Darüber hinaus wird vom Sinn und Zweck der Grundrechte her argumentiert: Grundrechte sollen effektiv sein und dürfen nicht leer laufen. 1280 Durch die Schutzfunktion als zunächst objektivrechtliche Grundrechtsfunktion wird die Geltungskraft der Grundrechte verstärkt 1281 und vor einem solchen Leerlaufen bewahrt. 1282 Noch effektiver sind Grundrechte dann, aber ders., Eichenberger-FS, S. 481 ("in der Regel ausgeschlossen"); Steinberg, NJW 1996, 1990 Sp. 1 ("insbesondere"); Erichsen, Jura 1996, 531 Sp. 1 ("primär"); Störmer, DVBI. 1997, 1296 ("in erster Linie"); Determann, UTR 40 (Jb. 1997), S. 184 ("in erster Linie"); AKU-Steiger 02/047 Rn. 164 ("insbesondere"); 056 Rn. 195 ("zunächst und vor allem"). Krit. zu dieser Betonung Elbing, S. 102. 1277 S. nur Robbers, Sicherheit, S. 135, 143, 188 f.; E. Klein, NJW 1989, 1637 Sp. 1; Bock, S. 158; Dietlein, S. 133 ff.; 163 ff., 173 f., 175 ff., 232 These 15; /sensee, HStR V § 111 Rn. 183 f.; dens., Kriele-FS, S. 17 f.; Pietrzak, JuS 1994, 752 Sp. 1; Sass, S. 433 ff.; H.H. Klein, DVBI. 1994, 493 f.; K. Stern, StaatsR III/2 § 96 II 5 c S. 1769 ff.; Unruh, S. 58 ff. (64), 90; Pieroth/Schlink Rn. 84, 88 ff. ("Schutzgewährrechte"); Ziekow, S. 591; Murswiek, JuS 1998, 184; Th. Groß, JZ 1999, 326, 331 f. I.E.a. Erichsen, Jura 1997, 89 Sp. 1. F. eine "genuin" u. "primär" zun. nur "objektivrechtliche Staatsaufgabe" aber Isensee, Ambivalenz, S. 8, der insow. ausdr. eine Asymmetrie zw. subj. AbwehrR u. Schutzpflicht annimmt: "Nur unter besonderen Voraussetzungen springt der Funke zur individuellen Rechtsposition über, die ein subjektives öffentliches Recht ergibt; und dieses ist in der Regel nur ein formelles Recht auf sachgerechte Ausübung des staatlichen Ermessens ... ". Ähnl. ders., Kriele-FS, S. 18, 31, 39 ff., 46, sowie - zu!. etwa- Kadelbach, KritV 1997, 275 m. w.N. Gg. die These v.d. Asymmetrie u. f. einen Gleichlauf v. Schutzpflicht u. AbwehrR aber Hager, JZ 1994, 379 m.Fn. 67 a.E., 381 ff.; ders., AcP 196 (1996), 176; Steinberg, NJW 1996, 1989 Sp. 1. Jedf. f. eine Transformierung der objektivierten Schutzpflichten d. Gesetzgebers in einen Anspr. auf grl. Schutz "im Einzelfall" Ladeur, UPR 1992, 81, 83 Sp. 2 (am Beispiel des Rücksichtnahmegebots). Krit. Jeand'Heur, JZ 1995, 161 ff. (insbes. 163 f., 166 f.). Skept. Schmidt/ Müller, § 2 Rn. 9. 1278 Vgl. v. Doemming/Füßlein/Matz, JöR N.F. I (1951), S. 42 f. 1279 S. nur Alexy, Theorie, S. 410, 414 f. Gg. die Subjektivierung v. Staatszwecken aus rechtshist. u. rvgl. Perspektive (F, D, VK) aber Starck, Schutzpflichten, S. 47 ff. (51 f.). Zur Sicherheit als "Urstaatszweck" s. ebd., 53, 54, 76. Krit.a. Enders, Der Staat 35 (1996), 351, 353, 362 ff. (370); Gusy, DÖV 1996, 573 ff. Eine Subjektivierung v. Staatszielen anders als v. Schutzpflichten ab!. bbgVeifG, DVBI. 1999, 34, 40 Sp. 2 (zum Minderheitenschutz [Sorben] nach Art. 25 I bbgV ggü. "privatem" Braunkohletagebau, f. den der Staat "nur" einen allg. "Ordnungsrahmen" zur Verfügung stelle [40 Sp. 1]). 1280 Vgl. nur Robbers, Sicherheit, S. 143, der den ursprüngl. Sinn d. GRe als subj. Re verfehlt sieht, sollte die Ausstrahlungswirkung d. GRe auf eine bloß objektivrl. Bedeutung beschränkt bleiben. Krit. zum Leerlauf-Arg. aber Enders, Der Staat 35 (1996), 353, 376 ff.
312 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
wenn alle ihre Funktionen subjektivrechtlich bewehrt und so mit einer größeren Durchsetzungschance versehen werden. 1283 Wenn die Individuen ihre (grundrechtlich geschützten) Individualinteressen selbst geltend machen können, kann dies insgesamt zu einer effizienteren Sicherung derselben infolge geringerer Reaktionszeiten und größerem Engagement führen, wobei außerdem noch eine Art "Waffengleichheit" zwischen potenziellem Störer, der sich ohne weiteres auf seine Grundrechte als Abwehrrechte berufen können soll, und Opfer hergestellt wird. 1284 Subjektive Rechte seien deshalb um des bestmöglichen Schutzes willen geboten. 1285 Ferner wird ein Widerspruch zur Eigenverantwortlichkeit und Autonomie des Individuums geltend gemacht, der bei einer Leugnung des subjektives Rechts auf Gewährleistung der objektiven Schutzfunktion auftreten würde: Ohne Anerkennung des subjektiven Rechts bliebe der Einzelne auf eine fremdverantwortete Gewährleistung objektiver Rechtseinrichtungen angewiesen.1286 Er würde als Rechtspersönlichkeit verdrängt und als bloßer Destinatär obrigkeitlicher Interessenwahrnehmung angesehen, obwohl es doch gerade um die Wahrung seiner eigenen Schutzgüter gehe. 1287 Weiter wird geltend gemacht, dass eine Trennung objektiver und subjektiver Grundrechtsdimensionen bzw. -funktionen wegen ihres funktionellen Zusammenhangs überhaupt nicht möglich sei. 1288 Schließlich wird das subjektive Recht als Folge einer staatlichen Garantenstellung (Gewaltmonopol oder [konkrete] lngerenzen, etwa Kompensation staatlicher Schwächung grundrechtlicher Positionen oder Konsequenz staatlicher Schutzversprechen [Vertrauensschutz}) angesehen. 1289 1281 I.d.S. nunmehr a. Erichsen, Jura 1996, 532 Sp. 1; ders., Jura 1997, 89 Sp. 1, m. w. N. zu -früher- abw.Ans.; ders., JK 99, GG Art. 14/3, S. 2 Sp. 1. 1282 Krit. zur Begr.d. Schutzanspr. (allein) über den Verstärkungsansatz aber König, S. 218 ("in gewisser Weise paradox", "eine perfekte Volte"). 1283 S.d. Alexys Vermutung f. subj. Rechte, z.B. in: Theorie, S. 414; Rechte u. Normen, S. 277 f. - ähnl. Griller, JBI. 1992, 207 Sp. 2; zust. H.H. Klein, DVBI. 1994, 493. Vgl.a. Scherzberg, DVBI. 1989, 1136 Sp. 1; Hellermann, S. 93; König, S. 220; Sommermann, S. 418 f., 448 (zur "Subjektivierungstendenz" bzw. zum "Subjektivierungsauftrag" bei Staatszielen [unter Einschluss objektivrl. GRgehalte u. damit a. d. Schutzpflichten], Afz.i.O.); Determann, S. 174 f.; Borowski, S. 241 ff.; Schubert, S. 37, 365, 423 f. Krit. Dietlein, S. 154 ff.; Windel, Der Staat 38 (1998), 390 f. 12 84 S. Determann, S. 175. 1285 Vgl. nur König, S. 220. 1286 S. nur Robbers, Sicherheit, S. 135. Zum allg. im GG angelegten "Grundsatz der Autonomie und Eigenverantwortung des einzelnen" i.d.Z. s.a. Pietrzak, JuS 1994, 752 Sp. 1. Vgl.a. Scherzberg, DVBI. 1989, 1136 Sp. 1. Krit. Di Fabio, Risikoentsch., S. 48 ("Pathos"). 1287 S. König, S. 220m. w.N. 1288 So Erichsen, Jura 1996, 532 Sp. 1.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
313
(2) (Teilweise) Zurückhaltung, Kritik und (gänzliche) Ablehnung
Teile der Literatur üben bei der Bejahung eines subjektiven Rechts allerdings große Zurückhaltung. 1290 Vor allem 1291 aus Gründen der Gewaltenteilung1292 wird jegliche (Re-) Subjektivierung objektivrechtlicher Schutzpflichten aber auch gänzlich kritisch gesehen, 1293 jedenfalls wird dem BVerfG eine Beschränkung subjektiver Rechte auf Schutz entsprechend grundgesetztextlicher Anhaltspunkte 1294 auf den Menschenwürdegehalt der S. die- z. T. - krit. Darstellung bei Dietlein, S. 161 ff., m.z.N. Vgl. - spez. f. die Schutzpflichten - etwa Rupp, JZ 1971, 402 f., der aber immerhin i.B.a. ein "Grundrecht auf menschenwürdiges Leben" eine Gesetzgebungspflicht annimmt, deren Verletzung durch Unterlassen "notfalls" mit einer Vb. gerügt werden könne (403 Sp. 1 m. Fn. 8). "[l]m Prinzip" folge zwar "aus Art. 1 und 2 GG ein Grundrecht auf unschädliche Umwelt", aber "in aller Regel noch nicht ... unmittelbar einklagbare Ansprüche auf ganz bestimmte staatliche Maßnahmen". S. - allg. f. "objektiv-rechtliche Gehalte" - nur K. Stern, StaatsR III/1 § 69 VI 4 b a S. 989 (f. Schutzpflichten nunmehr aber bej. ders., StaatsR III/2 § 96 II 5 c S. 1769 ff. - abgeschwächt [jedf. f. Schutzanspr. gg. den Gesetzgeber] ebd., § 95 V 4 d S. 1738 ff. [1739 f.]; jedf. gg. eine Rechtsvermutung f. subj. Berechtigungen ders., HStR V § 109 Rn. 63 m.z.N.z.StrStd.); Jeand'Heur, JZ 1995, 161 ff. (insbes. 163 f., 166 f.). Zum Auseinanderfallen von obj. Pflicht u. subj. Recht vgl.a. Elbing, S. 30; Koppen!Ladeur, in: Cassese u. a., S. 9. Restr.zul. etwa Steinbeiß- Winke/mann, DVBI. 1998, 812 Sp. 1, m. w. N. ("Schutzanforderungen . . . allenfalls in Gestalt weitmaschiger objektiver Gebote", denen "[p]räzisierte einklagbare Schutzansprüche [... ] grundsätzlich nicht" korrespondierten); Windel, Der Staat 38 (1998), 390. Einschr. a. Möstl, DÖV 1998, 1032 f. 129 1 Daneben wird Krit. a.d. fehlenden Begr. seitens d. BVerfG geübt, s. nur Erichsen, Jura 1997, 89 Sp. 1: "lapidar". Erichsen stimmt der Rspr. u. d. h.L. aber letztlich m.d. Begr. zu, dass die durch Auslegung gewonnenen Wertentsch. gerade dazu dienen sollen, "die Wirkkraft der subjektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechtsnormen zu verstärken". Vgl.a. Störmer, DV 30 (1997), 249. 1292 Vgl. Seegmüller, DAR 1996, 349 Sp. 1; Lagodny, S. 271 f., 446; Badura, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 181; Diederichsen, AcP 198 ( 1998), 226, 251 f.; Windel, Der Staat 38 (1998), 390, 405. Ausf. zur Gewaltenteilung i.d.Z. Determann, S. 122 ff., 185 ff. Allg. Haltern, HarvJMCWPS No. 5/96. S.a. den Hinw. auf den Grds.d. Gewaltenteilung in Art. 5 bayV v. bayVfGH, UPR 1986, 185, 185 Sp. 2; NJW 1987, 2921, 2922 Sp. 2; NVwZ 1990, 553, 553 f. 1293 So v. a. v. Starck, Schutzpflichten, S. 64 ("Umwertung"), 65, 72 ("[nicht näher begründete] Mutation"); ders., in: ders., Rangordnung, S. 29, 34 (potenzielle Vergrundrechtlichung des gesamten PrivatR). Vgl.a. Schmidt-Preuß, S. 69 ff. ("Umschlag", 69), 627; Masing, S. 162 ff. (insbes. 163). Allg.krit. zur "Versubjektivierung des ,objektiven' Gewährleistungsgehalts der Grundrechte" Scherzberg, DVBI. 1989, 1132 ff. ("Inkonsequenz", 1132), am Bsp. sog. mittelbar-fakt. Freiheitsbeeinträchtigungen, der aufgr. seiner Annahme eines positiven verfrl. Status gleichwohl zu einem subj. Recht auf Schutz gelangt (ebd., 1136 Sp. 2 - krit. zu dieser Konstruktion Dietlein, S. 156 ff.). Krit.ber. zur angeh!. "Mutation" bzw. "Ummünzung" von AbwehrR zu Grundwert bzw. "Wertverwirklichungsauftrag" Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 82 bzw. 88; ders., AcP 198 (1998), 226 ("Zurückmünzung")- ähnl. Windel, Der Staat 38 (1998), 390 f., 404 f. 1289
1290
314 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Einzelgrundrechte 1295 oder auf ausdrückliche Schutzpflichten wie aus Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie, Schutz des Kindes, Mutterschutz)1296 anempfohlen. 1297 Mitunter wird auch eine zahlenmäßige Begrenzung dergestalt verlangt, dass ein "individualisierbarer Schutzauftrag zugunsten einer bestimmten Gruppe von Personen" erforderlich sei: So lasse sich aus Art. 2 // 1 GG kein allgemeines Recht auf Umweltschutz ableiten, wohl aber ein Recht der Nachbarn einer Anlage in Bezug auf die von dieser ausgehenden Umweltbeeinträchtigungen als rechtlich fassbarer Belastung bestimmter Einzelner. 1298 Der aus der grundrechtliehen Schutzpflicht entspringende subjektive Anspruch des Einzelnen auf schützendes Handeln des Gesetzgebers oder der Regierung setze eine "individualisierte, konkrete und evidente Schutzpflichtverletzung" voraus. 1299 Ferner werden die Grenzen zwischen nur objektivrechtlicher Schutzpflicht und subjektivem Schutzrecht dort als "fließend" angesehen, wo es um die Pflicht des Staates gehe, Vorsorge für die Bewahrung von Rechtsgütern zu treffen: Diese Pflicht soll sich der Subjektivierung jedenfalls entziehen. 1300 1294 Allg. zu den sog. "benannten Schutzpflichten" s. zul. etwa Menzer, S. 78 (Art. I I 2, 6 I, 11 IV GG); Unruh, S. 26 ff., sowie Dietlein, S. 28 ff. 1295 Starck, Ebd., S. 63 ("Brücke"), 72 ("Vehikel"). S.a. den Hinw. auf Art. I I 2 GG bei Enders, Der Staat 35 (1996), 362. 1296 Starck, a. a. 0., S. 60, 64, 70, 75, 79. Zum mageren Textbefund S. 56 f. S.ber. dens., in: Heyde/Starck, S. 26 m. Fn. 76 (Schutzpflichten [nur] aus Art. I I 2, 6 I u. IV GG - ebenso zul. ders., VVDStRL 57 (1998), 103 f.; 281, 282; Schmitz, ERPLIREDP 8 (1996), 1268 f. Zu Art. 6 I GG als einer der "klassischen Schutzpflichten", welche sogar noch weiter gehe als die übrigen Schutzpflichten, weil sie Ehe u. Familie ausdr. unter einen besonderen Schutz stelle, s. Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 39, 67 f., m.z.N. aus der Rspr., allerd. krit. zur Rechtswirklichkeit ("Der Vorrang des Verfassungsrechts verpufft geradezu in der Luft", 68) u. der Reduktion v. Starck zust. (69, 96) - ähnl. Windel, Der Staat 38 (1998), 385 ff. (insbes. 392). 1297 Starck, ibid., S. 64. Ähnl. J. Ipsen, StaatsR II Rn. 94 ff., der ein "Reziprozitätsproblem", ein "Kompetenzproblem" u. ein "verfassungsprozessuales Dilemma" konstatiert u. aus diesen Gründen eine Ableitung subj. (Leistungs-) Rechte aus obj. Schutzpflichten grds. abl. (Rn. 97). Subj. Rechte müssten "eigens in der Verfassung niedergelegt sein oder sich aus der offensichtlichen Verletzung einer Schutzpflicht ergeben". Als ausdr. Schutzpflichten erkennt er Art. I I, 4 11 u. 6 IV GG an (Rn. 91, 221 ff., 375 ff., 327). Ans. bleibe es bei einer bloß obj. Verpflichtung, s. z. B. Rn. 301 (f. den Schutz vor priv. Datenerhebung). 1298 So etwa Badura, StaatsR C Rn. 5 (S. 78 f.), 18 (S. 92)- zu Art. 6 I GG, 22 (S. 98); D Rn. 44 (S. 264). 1299 Badura, StaatsR Rn. 22 (S. 98). Zust. Möstl, DÖV 1998, 1032 Sp. 2. F. ein subj. Recht auf Schutz (außer bei ausdr. Niederlegung i.d. Verfassung) nur bei evidenter Schutzpflichtverletzung a. J. Ipsen, StaatsR II Rn. 97 a. E. Ähnl. f. einen "Anspruch auf konkrete gesetzgebensehe Maßnahmen" a. Faber, DVBl. 1998, 751 Sp. 1: "Im Gegensatz zu der abwehrrechtlichen Grundrechtsfunktion korrespondieren den Schutzpflichten des Staates nicht durchgehend Schutzrechte der Bürger".
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
315
Schließlich wird ein subjektives Recht auf Tätigwerden jedenfalls des Gesetzgebers vereinzelt auch ganz verneint. 1301 (3) Stellungnahme
Die Bedenken gegen eine (Re-) Subjektivierung vermögen nicht zu überzeugen. Vielmehr ist die Annahme eines subjektiven Rechts auf Schutz in Anbetracht der Rechtsprechung des BVeifG und unter Zugrundelegung von Sinn und Zweck der Grundrechte und ihrer Funktionen bzw. Dimensionen nur konsequent: Ansonsten hinge die tatsächliche Realisierung der Schutzfunktion nämlich von der veifassungsprozessualen Zufälligkeit ab, ob ein Einzelner Verfassungsbeschwerde erhebt oder ein entsprechend Antragsberechtigter ein abstraktes Normenkontrollverfahren einleitet bzw. der Fall im Wege der konkreten Normenkontrolle vor das BVeifG gelangt. 1302 Die Lösung eines konkreten Grundrechtsfalls hängt aber nicht davon ab, ob sie auf objektiv- oder auf subjektivrechtlichem Wege erfolgt. 1303 Ohne subjektivrechtliche Bewehrung objektivrechtlicher Grundrechtsgehalte wäre allerdings der (praktische) Sicherungszweck der Grundrechte gefährdet. 1304 Das subjektive Recht von Evidenzerlebnissen abhängig machen zu wollen, 1305 kann demgegenüber nicht überzeugen: Zum einen handelt es sich dabei um einen außerordentlich unsicheren, da von subjektiven Vorstellungen des Betrachters abhängigen Maßstab, und zum anderen ist nicht einzusehen, warum die Evidenz auf der Ebene der subjektivrechtlichen Qualität der Schutzpflicht überhaupt eine Rolle spielen sollte: Evidenzüberlegungen spielen herkömmlicherweise (nur) bei der (verfassungsgerichtlichen) Prüfung der Rechtfertigung von Eingriffen in Grundrechte als Abwehrrechte eine - (praktisch) wichtige - RolleY 06 Warum solche Evidenzerlebnisse So etwa vM/K-Kunig Art. 1 Rn. 30 S. 99 a. E. S. Steinberg, NJW 1984, 461 Sp. 1 ("ausschließlich objektiv-rechtliche Richtung"). Aufgegeben offb. in NJW 1996, 1990. 1302 Ähnl. Böckenförde, Grdsnormen, S. 179, der aber die Frage nach dem subj. Recht a. nach BVerfGE 76, 1, 49 f., u. 77, 170, 214 f., f. nur "vorläufig" u. noch nicht endg. beantwortet hält, sowie König, S. 221 f., u. Borowski, ZÖR 53 (1998), 324. Vgl. f. den einfachrl. Drittschutz im AtomR Send/er, UPR 1997, 165 Sp. 2, u.H.a. die Möglichkeit eines auf obj. Recht gestützten behördl. Ausstiegs aus der Kernenergie. Zu weiteren Möglichkeiten einer verfassungsgerl. Kontrolle s. Möstl, DÖV 1998, 1029 Fn. 4. 1303 Zutr. König, S. 221 f.; Windthorst § 4 Rn. 25 a.E. 1304 So zul. f. "objektivrechtliche Verpflichtungen des Rundfunkgesetzgebers" f. Rundfunkveranstalter und -bewerber BVerfGE 97, 298, 313 f. 1305 So Badura, StaatsR C Rn. 22 (S. 98); J. lpsen, StaatsR II Rn. 97 a.E.; Möstl, DÖV 1998, 1032 Sp. 2. Wohl a. Faber, DVBl. 1998, 749 f., 751 f. 1306 U. zwar bei der Feststellung v. Gestaltungsspielräumen v. a. d. Gesetzgebers. Vgl. etwa Borowski, S. 241 ff., 256 f. S.a.o., A.VIII.l., insbes. d). 1300 1301
316 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
bei der Schutzpflicht schon über das Bestehen eines subjektiven Rechts entscheiden sollen, entbehrt jeglicher Begründung. bb) Einzelfragen ( 1) Subjektives Recht auf Strafnormerlass und -durchsetzung bzw. Strafveifolgung?
Für den Sandeifall des Strafrechts wird demgegenüber überwiegend mit dem BVeifG 1307 - ein subjektives Recht auf Strafnormerlass und -durchsetzung bzw. Strafverfolgung verneint. 1308 Immerhin folgt aus Art. 103 1 GG nach der Rechtsprechung des BVeifG aber ein Recht des Betroffenen, dass die Strafgerichte bei entsprechendem Vorbringen notfalls selbst- u. U. umfassende - Ermittlungen vornehmen. 1309 Für ein subjektives Recht auf Strafverfolgung jedenfalls in Fällen besonders intensiver Grundrechtsbeeinträchtigungen durch Private lassen sich zudem sowohl aus der Rechtsprechung des EuGHMR 1310 und der KomMR 1311 als auch aus den Gutachten des Antirassismusausschusses (ARA) 1312 nach der UN-Antirassismuskonvention gute Gründe vorbringen: Auch wenn das in vielen Staaten insoweit geltende Opportunitätsprinzip von den genannten Instanzen dem Grunde nach respektiert wird, sind die einschlägigen einfachrechtlichen Normen doch konventionskonform auszulegen.1313 Insbesondere erfüllen die Vertragsstaaten ihre Pflichten nicht schon S.o.u. A.III.2.b)cc); V.4.a)aa)(2)(cc)(a3), u. 6. S. nur Merten, S. 31. (lnsbes.) F. das öst. Recht a. Griller, JBI. 1992, 207 Sp. 2; 297 m.Fn. 133 - diff. (nicht "[g]anz auszuschließen") ebd., 292 Sp. 2; Holoubek, in: Grabenwarter u. a., S. 70. A.A. aber Robbers, Sicherheit, S. 25 f., u.H.a. EuGHMRE 91, 11 ff. §§ 23 ff. (13 § 27) (X u. Y/NL)- Subj. Recht auf Strafverfolgung (s.d.a. die Diff. bei Griller, a. a. 0., 292 Sp. 1, sowie u., Zweiter Teil, B.V.l.d)ee)(l)); Dietlein, S. 216 ff. (218), 233 These 24 - f. bestimmte Konstellationen ("exorbitante[] Ausnahmefälle") fortdauernder krimineller Angriffe. Kloepfer, in: Badura/Scholz, Lerche-FS, S. 755, 763, hält dies nur für "sehr zweifelhaft". 1309 So zu!. f. ein Klageerzwingungsverf. nach § 172 StPO BVerfG. EuGRZ 1998, 466, 468, betr. eine mögl. Körperverletzung im Amt u. also einen abwehrrl. Fall. 13 10 S. nur den "leading case" EuGHMRE 91, 11 f. §§ 22 ff. 1311 Zu!. etwa KomMR, in: EuGHMRE 1998, 2692, 2703, 2710 § 47 (A./VK)Prügelnder Stiefvater. Der EuGHMR hat inzw. eine Verletzung v. Art. 3 EMRK angenommen, ebd., 2699 f. §§ 20 ff. = ÖJZ 1999, 617. 1312 ARA, GA v. 10.8.1988 - 111984 (Yilmaz-Dogan/NL), EuGRZ 1990, 64, 66 f. § 9.4 -Entlassung einer Türkin; 16.3.1993 - 4/1991 (L.K./NL) - § 6.4 ff. Mangelnde Strafverfolgung rassist. Beleidigungen, jew. betr. Art. 4 u. 6 d.Konv. S.u., Zweiter Teil, A.II.4.d)cc). 1313 So insbes. der ARA, a. a. 0., § 9.4 bzw. § 6.5. 1307
1308
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
317
dadurch, dass sie bloß Strafrechtsnormen erlassen, diese aber nicht anwenden bzw. durchsetzen. 1314 Deshalb kann jedenfalls nicht von vornherein gesagt werden, dass es unter gar keinen Umständen subjektive (Schutz-) Rechte auf Strafverfolgung geben könne. Richtig ist allerdings, dass angesichts vielfältiger anderer Möglichkeiten, einen effektiven Schutz zu bewirken, ein definitives Recht darauf selten sein dürfte. 1315 Mehr kann an dieser Stelle nicht ausgeführt werden, weil die konkrete Entscheidung dann zu sehr vom Einzelfall abhängt. 1316
(2) Subjektives Recht auf Schutz beim "Restrisiko" oder bei der bloßen "Besorgnis"? Zum Teil werden darüber hinaus subjektive Ansprüche des Einzelnen auf Schutz gegen den Staat in Fällen des "Restrisikos" oder der bloßen "Besorgnis" verneint. 1317 Dem ist indes entgegenzuhalten, dass auch im Fall von Restrisiko oder Besorgnis die Notwendigkeit besteht, die Entwicklung der tatsächlichen Lage "im Auge zu behalten". Der Staat 1318 unterliegt hier aus (auch) grundrechtlichen Gründen einer Beobachtungs- und Forschungspflicht. 1319 Dass 1314 So deutl. ARA, GA v. 16.3.1993 - 411991 (L.K./NL)- § 6.4. Vgl.d.a. Stock, ZAR 1999, 118 ff., 127. 1315 Vgl. nur Griller, JBl. 1992, 292. 1316 Zum Streit um den Einsatz d. StrafR als Schutzmittel s. noch u., s)aa), m. w. N. zum Probl. 1317 So etwa Di Fabio, Risikoentsch., S. 223 ff. (226); ders., Jura 1996, 570 Sp. 1. S.a. dens., Ritter-FS, S. 824. Ähnl. Bock, S. 163. 1318 Dazu, dass diese "Gesetzesfolgenabschätzung" i.d. Praxis - aus Gründen d. notwendigen Sachverstands - im Wesl. eine Aufgabe d. Exekutive ist Gusy, DVBl. 1998, 922. 1319 Was Di Fabio, Jura 1996, 570, selbst zugesteht. S.a. sein "Gebot der Ausschöpfung aller zugänglichen Erkenntnisquellen" (572 f.) u. seine "Pflicht zum Risikovergleich" (573). Dass dieses Gebot bzw. diese Pflicht nur insow. subjektivrl. bewehrt sein sollte, als es um die - sicher erforderl. - Rechtfertigung v. Eingriffen in die WirtschaftsORe v. bspw. Anlagebetreibern geht, nicht aber i.H.a. gefährdete Dritte (Nachbarn), ist jedf. nicht einsichtig. Zu Forschungssubventionen u. staatl. Risikoforschung aus Gründen d. grl. Schutzpflicht s.a. HUR-Tünnesen-Harmes, A.2 Rn. 24, 31 m.w.N., sowie Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 215, 217 f.; Ladeur, S. 30; Scherzberg, VerwArch. 84 (1993), 510 f.; vMIK-Kunig Art. 2 Rn. 68 S. 193; Hoffmann-Riem, Thieme-FS, S. 67; Bauer, VVDStRL 54 (1995), 277 ff., u. schließl. - i.Z.m.d. Zul. gesellschaftl. Selbstregulierung - Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 172 ff. ("Gewährleistungspflicht", "Beobachtungspflicht", "Begleitkontrolle", "Zugriffsoption"); Köck, ZUR 1997, 86 Sp. 1; Gill/Bizer/Roller, S. 99 f., 330 f., jew.m. w. N. Zur systemat. Einbeziehung wissl. Beobachtung in die - experimentelle u. berspez. - rechtl. Regulierung d. zukünftigen Informationsordnung s.
318 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
in derartigen Ungewissheitssituationen ein Schutzanspruch auf Erlass eines Verbotsgesetzes möglicherweise (noch) nicht in Betracht kommt, schließt einen Schutzanspruch auf Beobachtung und/oder Forschung nicht aus. 1320 Schutzansprüche können sich schließlich sowohl auf rechtliche als auch auf tatsächliche Schutzmittel beziehen. 1321 Schutzanspruch in diesem Sinne bedeutet allerdings nicht, dass der Einzelne bestimmte Forschungstätigkeiten verlangen kann. 1322 Entscheidend ist nur, dass der Staat entweder selbst forscht oder Forschungsarbeiten in Auftrag gibt oder Fremdforschung finanziell fördert. 1323 Gegebenenfalls können Setreiber von Anlagen auch zur risikobegleitenden Forschung verpflichtet werden. 1324 Im Übrigen kann der Gesetzgeber in Besorgnislagen oder (Rest-) Risikosituationen einfachgesetzlich durchaus Vorsorgeanforderungen statuieren. 1325 Mit diesen Anforderungen genügt er dann möglicherweise schon seinen grundrechtliehen Schutzpflichten. 1326 Nicht erforderlich ist es, dass diese einfachgesetzlichen Vorsorgeanforderungen generell subjektivrechtlich bewehrt werden, dass heißt von Drittbetroffenen eingeklagt werden können. 1327 Entscheidend ist vielmehr "nur", dass der Staat insgesamt auch noch Trute, VVDStRL 57 (1998), 268, 273 Ls. E.30; Th. Groß, JZ 1999, 326, 334 f. F. das ImmissionsschutzR hessVGH, ZUR 1998, 251, 255. Forschungspflichten indes nur mit den (allg.) Leistungs- u. nicht mit den grl. Schutzansprüchen in Verbindung bringend Determann, S. 173 - s.a. dens., UTR 40 (Jb. 1997), S. 168, 181 ff. Restr.a. Wagner, RdU 1998, 129 f. Krit. zur diesbzgl. einfachgesl. Lage im GentechnikR SRU, Umweltgutachten 1998, Rn. 882 ff. 1320 Vgl.d. am Bsp.d. "E-Smog" P. Szczekalla, NdsVBl. 1997, 70 m. Fn. 51 a.E. Jedf. besteht eine Schutzpflicht in Gestalt einer Beobachtungspflicht, welche ggf. verlangt, eine Wirkungsforschung zu betreiben od. (finanziell) zu fördern, so Kremser, JZ 1997, 899 Sp. 2. Restr. i.H.a. den Drittschutz indes BVerwG, DVBI. 1998, 596 ff., m.insow.krit.Anm. H. Sommer, ebd., 599 f. 1321 l.d.S. a. vMIK-Kunig Art. 1 Rn. 31 ("Aufklärung und Information (etwa auf den Abbau fremdenfeindlicher Ressentiments oder solcher gegenüber anderen Minderheiten, auch gegenüber Formen des Zusammenlebens, zielend)"); Art. 2 Rn. 58 a.E. S. 86 f. Zu!. etwa bayVGH, NVwZ 1998, 419, 420 Sp. 2, u.H.a. BVerfGE 88, 203, 254. 1322 Insow. ist i. E. an BVerwG, DVBI. 1998, 596 ff., nichts auszusetzen. A.A. wohl die Anm.v. H. Sommer, ebd., 599 f. (s.a. dens., DÖV 1986, 873 f.). 1323 Zum breiten ("politischen") Gestaltungsspielraum bei unbekannten naturwissl. Fragestellungen anges.d. begrenzten finanziellen Mittel s. nur Determann, S. 173 (diese Begrenzung folgt - entgg. Determann - indes nicht daraus, dass es sich dabei nicht um einen echten Schutzanspr. handelt); Kremser, JZ 1997, 899 Sp. 2. S. a.o., A.V.4.a)aa)(e). 1324 S. Scherzberg, VerwArch. 84 (1993), 510 f. Zur begleitenden Risikobeobachtung s. Köck, AöR 121 (1996), 22. 1325 Di Fabio, Jura 1996, 570; Wahl, ZLR 1998, 275, 281 ("wenn rechtspolisinnvoll"). Vgl.a. bayVGH, NVwZ 1998, 419, 420 f. tisch 13 26 Den (umweltrl.) Vorsorgegedanken aus dem Schutzpflicht-Ber. ausscheidend aber Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a Rn. 4, 49. 000
00.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
319
in den Bereichen des Restrisikos bzw. der Besorgnis seinen grundrechtliehen Schutzpflichten im Ergebnis nachkommt. Sollte dies einmal nicht der Fall sein, lässt sich ein subjektiver Schutzanspruch auch in diesen Situationen jedenfalls nicht kategorisch verneinen. 1328 (3) "Normbestandsschutz" für einfachgesetzlichen (öffentlichrechtlichen) Drittschutz?
Weitgehend ungeklärt ist in der Literatur schließlich die Behandlung des mit der subjektivrechtlichen Qualität der Schutzpflicht 1329 verbundenen Sonderproblems, ob der einfache Gesetzgeber den einfachgesetzlichen (öffentlichrechtlichen)1330 Drittschutz ohne weiteres zurücknehmen kann oder 1327 Zum (grds.) nicht drittschützenden Charakter v. Vorsorgeanforderungen, insbes. solchen aus § 5 I Nr. 2 BimSchG, i.G.z. drittschützenden Gefahrenabwehr (§ 5 I Nr. 1 BimSchG) vgl. nur Kutscheidt, NJW 1997, 2487 Sp. l, demzufolge die Grenze aber "nicht nur fließend" sei, sondern demzufolge es a. "Überlappungsbereiche" gebe (2486 Sp. l, jew.m.w.N.), u. der desh. eine nachbarschützende Funktion d. - Vorsorgeanforderungen enthaltenden - § 4 26. BimSch V annimmt, weil es diesem nicht um die Verwirklichung v. "großräumiger Vorsorge im Allgemeininteresse" gehe, sondern um "kleinräumige Vorsorge zugunsten eines bestimmbaren Personenkreises", u. weil der Verordnungsgeber einen etwaigen anderslautenden Willen nicht deutl. zum Ausdruck gebracht habe. S.a. BVerwG, BayVBl. 1998, 759, 759 Sp. 2. Zur (richterl.) Statuierung v. (drittschützenden) Vorsorgeanforderungen über die herkömml. Auslegung d. nur schutzbezogenen § 22 1 BimSchG hinaus, allerd. vor Erlass d. auf § 23 I BimSchG gestützten u. damit Vorsorgeanforderungen zugängl. 26. BimSch V, an die alle Ger. nunmehr gern. Art. 97 I GG gebunden sind, es sei denn, sie nähmen einen Verstoß gg. ein Parlamentsgesetz od. das GG an, s.a. die (nach den eigenen Prämissen rechenfehlerhafte) "Faktor-10-Rspr." d. hessVGH, ZUR 1995, 205 Ls. 5, 209 f.; NVwZ 1995, 1010 Ls. 5, 1016, korrigiert i.d. "Faktor-3,16-Rspr. ": hessVGH, NVwZ 1996, 924, 925 Sp. 2- Metall. Hüftgelenk/ "Faktor-3,16-Rspr. "; NVwZ 1997, 89 Sp. 2 - "Faktor-3,16-Rspr. ". Die "Faktor10-Rspr." wurde bspw. übernommen v. VG Gera, ThürVBl. 1995, 283 Ls. 4, 285. Krit. zu diesem seiner Ans. nach "auffällig leichtfertig[en]" Umgang mit den Rechten d. Setreiber Determann, NVwZ 1997, 649 Sp. l, m. w.N. aus Rspr. u. Lit.: Über die grds. Fragwürdigkeit d. "richterlichen Sicherheitszuschlags" hinaus sei a. der "willkürliche Umgang mit Zahlen bedenklich". S.a. dens., UTR 40 (Jb. 1997), S. 171 f.; 187 f.; Kremser, DVBL 1997, 1361, 1364 f.; Kirchberg, NVwZ 1998, 376 f.; dens., NVwZ 1998, 443, 446. 1328 So aber offb. Determann, S. 173 ("Hier ist . . . der sichere Bereich dessen überschritten, was noch unter Schutz und nicht unter Leistung fällt"). 1329 Zu den "Einrichtungsgarantien" i.d.Z. De Wall, Der Staat 38 (1999), 397, der einen alternativ schutzpflicht- u. abwehrrl. (s. ebd., Fn. 80) gestützten Normbestandsschutz f. mögl. hält. 1330 Zur vorgelagerten Frage, ob der Gesetzgeber einen Drittschutz öffentl.- od. "nur" zivrl. ausgestalten will, s. Schmidt-Preuß, S. 38 Fn. 7. Zum Normbestandsschutz bei zivrl. Vorschr. Diederichsen, AcP 198 (1998), 251, der bei entspr. Rück-
320 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
ob dieser eine Art "Normbestandsschutz" bzw. einen Schutz "rechtlicher Arrangements" erfährt. 1331 Ein "kraft Verfassungsrechts resistente[r] Drittschutz"1332 wird mitunter für die Fälle angenommen, in denen das einfache Gesetz der Erfüllung einer grundrechtliehen Schutzpflicht des Gesetzgebers diene. 1333 Zwar sei der Gesetzgeber bei der Wahl seines Schutzkonzepts grundsätzlich frei. Doch dürfte es ihm deshalb verwehrt sein, einmal gewährten subjektiven Rechten ihre subjektivrechtliche Qualität zu entziehen, weil er insoweit das "dogmatische Kunststück" vollbringen müsste, subjektive Rechte, die ihrerseits dem Grundrechtsschutz dienten, "einzuschmelzen", ohne dabei ihre Grundrechtsrelevanz in Mitleidenschaft zu ziehen. 1334 Dem ist zwar insoweit zuzustimmen, als man mit dem BVerfG bei der schutzpflichtkonformen Auslegung einen entsprechenden schutzpflichterfüllenden subjektiven - historischen - Willen des Gesetzgebers für entbehrlich halten darf. 1335 Indes kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein ausdrücklich geäußerter, die subjektivrechtliche Qualität der einfachgesetzlichen Norm ablehnender Wille des Gesetzgebers von den Gerichten missachtet werden darf: 1336 Das Schutzkonzept des Gesetzgebers nahme d. Schutzes indes v. einem "Eingriff' ausgeht. A.A. Looschelders/Roth, JZ 1995, 1035 m.Fn. 11 u. w.N. 1331 Allg. zu den "Grenzen der Freiheit des Gesetzgebers zur Nicht-Subjektivierung verwaltungsrechtlicher Normen" Preu, S. 129 ff.; Wahl, DVBl. 1996, 641 ff. Allg. zum "Normbestandsschutz" Lübbe-Wolff, S. 75 ff. (spez. zu Schutzpflichten: ebd., S. 136 ff., 167 f.). Restr. i.H.a. die Sozialleistungssysteme Bieback, KJ 1998, 173, betr. "sozialstaatliche Schutzpflichten" ("nur sehr beschränkt"), der aber immerhin - "in Entsprechung zum grundrechtliehen Abwehrrecht" - eine "Argumentations- und Rechtfertigungslast des Gesetzgebers" bei der Änderung v. "alte[m] Schutzrecht" annimmt (174, H.i.O.). Spez. zur Schutzpflicht am Bsp.v. § 6 I/1 KWG Dietlein, S. 200 f. 133 2 Formulierung nach Wilke, in: Randelzhofer u.a., Grabitz-GS, S. 915. 1333 S.d.a. König, S. 225 ff.; Wahl, DVBl. 1996, 641 ff. 1334 So etwa Wilke (Fn. 1332), S. 916. Vgl. demggü.- die Kompetenz d. einfachen Gesetzgebers zum normativen Ausgleich kollidierender Privatinteressen u. dessen Option f. einen nur objektivrl. ausgestalteten Drittschutz betonend - Schmidt-Preuß, S. 37 ff.: "Dieses Mandat ... ergibt sich materiell-rechtlich aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), funktionell-rechtlich aus den Bestimmungen über die Gesetzgebung (Art. 72 ff. GG)" (38); "Konfliktschlichtungsprärogative" bis zur (grl.) Grenze eines "verbindliche[n] Mindestniveau[s] subjektiv-rechtlich verfaßter Konjliktschlichtung" (40, H.i.O.). Näheres zu dieser Grenze s. ebd., S. 49 ff. 1335 Vgl.o., A.III.l.e), V.l.a)dd). S. nur BVerfGE 77, 381, 404 f.; 97, 186, 196dort sogar unter "Übergehung" d. Wortlauts u. in Vomahme einer teleolog. Reduktion (krit.d. Otto, JZ 1998, 853). Restr. aber der hessVGH, ZUR 1998, 251, 256 f.best.d. BVerwG, DÖV 1999, 911, 913 f. Vgl.a. noch König, S. 228. 1336 Gg. einen "direkten Durchgriff[ ... ] auf Grundrechte" in einem solchen Fall a. Schmidt-Preuß, S. 37 ff. (37). Vor einer voreiligen verfassungskonformen Auslegung warnend ebd., S. 44 ff. S.a. BSG, B.v. 13.5.1998- 14 KG 27/97 B - n.n.v., 2., S. 3 d.Umdr. Ausf. zum Ganzen Dietlein, S. 193 ff. (198 ff.). (U.a.) aus öst.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
321
kann nämlich - ausnahmsweise 1337 - gerade darin bestehen, durch ein Geflecht objektiver Verwaltungspflichten den gebotenen Schutz herzustellen. Die subjektivrechtliche Bewehrung dieser objektiven Pflicht stellt zwar (auch) ein weiteres und zusätzliches Schutzmittel dar, darf dem Gesetzgeber aber grundsätzlich nicht gleichsam aufgedrängt werden, solange der Schutz insgesamt effektiv bleibt. 1338 Mitunter können Besonderheiten eines Rechtsgebiets einer subjektivrechtlichen Bewehrung bestimmter Vorschriften, jedenfalls aber ihrer gerichtlichen Durchsetzung, 1339 sogar entgegenstehen: So hat das BVerwG bspw. für den Widerruf einer Arzneimittelzulassung entschieden, dass die einschlägigen Vorschriften dem Patienten keine subjektiven Rechte vermittelten, weil die Arzneimittelsicherheit insgesamt durch eine generelle abwägende Beurteilung zu gewährleisten sei, die keine individuellen Durchbrechungen erlaube. Individuelle Belange seien für den Widerruf letztlich nicht entscheidend, so dass es auch zweckwidrig wäre, dem einzelnen Patienten insoweit eine Rechtsposition zur individuellen Interessendurchsetzung einzuräumen. 1340 Eingeschränkt vergleichbar damit ist auch die jüngste Annahme Sicht Holoubek, in: Grabenwarter u. a., S. 70, demzufolge die GRe nicht in jedem Fall mit "Grundrechtsberührung" zur Einräumung einfachgesl. subj. Rechte zwängen. 1337 S. Borowski, S. 243. Gg. einen "Automatismus" subj. Rechte aber Dietlein, S. 199 f. 1338 Ebenso Griller, JBl. 1992, 207 Sp. 1. S.a. dens., ZfV 1982, 109, 113 f., 122 Sp. 2 (insbes. f. subj. PrivatRe). 1339 Zur Unterscheidung zw. individueller Schutzzielrichtung einer Norm u. ihrer gerl. Durchsetzung, welche nicht notwendigerweise zusammenfallen müssten, Dietlein, S. 201 f. 1340 BVerwG, NJW 1993, 3002, 3003. A.A. mglw. Philipp, S. 210, der in dem Widerruf - i. E. zu Recht u. entgg. dem BVerwG - einen Eingriff in Art. 2 ll 1 GG sieht. Dieser Eingriff kann dann aber aus Gründen d. erfordert. allg. Arzneimittelsicherheit gerechtfertigt werden (u. zwar a. i.H.a. die Nichtgewährung subj. Rechte [worin allerd. ein zusätzl., gerechtfertigter Eingriff gesehen werden muss]). Jedf. zwingt der Eingriff nicht zu einer Beteiligung d. (unzähligen) betr. Patienten am diesbzgl. Verf. od. zur Gewährung einer entspr. Klagebefugnis, da dies dem - a. grl. gebotenen (sei es über die herkörnrnl. Schutzpflicht-Doktrin od. über die sog. abwehrrl. Lösung, mit der man sowohl in der Verweigerung als a. im Widerruf d. Zulassung einen Eingriff in Art. 2 11 1 GG sehen kann) Schutz aller tend. zuwiderlaufen würde. Rechtsschutz kann hier nur gg. das gesl. Schutzkonzept als solches erlangt werden, welches eben keine subjektivrl. Bewehrung vorsieht. Nach Phillip, a. a. 0., m. Fn. 111, wird der in dem Widerruf liegende Eingriff in Art. 2 11 1 GG durch "gefahrenabwehrende Gesichtspunkte" u. - "in evidenten Fällen" - a. durch die Schutzpflicht aus ebendieser Vorschr. gerechtfertigt. Zum ArzneimittelzulassungsR als Gegenstand einer "positive obligation" aus Art. 2 EMRK s. die vorsichtige Bem. bei Clapham, in: MacDonald u. a., S. 178: "One could imagine a State being found in violation of Article 2 should it fail to have adequately controlled the release of lethal medicine onto the market by private pharrnaceutical companies". 21 Szczekalla
322 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
des BVerfG, dass der Geldeigentümer aus Art. 14 I GG kein Recht habe, die parlamentarisch mitzuverantwortende Entscheidung über die Einführung des Euro im Verfahren der Verfassungsbeschwerde inhaltlich überprüfen zu lassen, weil die dort erforderlichen Entscheidungen angesichts der wirtschaftlichen und politischen Einschätzungs- und Prognosespielräume und der Notwendigkeit einer Gesamtbeurteilung nicht nach dem individualisierenden Maßstab eines Grundrechts beurteilt werden könnten. 1341 Allgemein lässt sich sagen, dass eine (Schutz-) Norm in ihrer rechtlichen Existenz nicht davon abhängig ist, dass man ihre Einhaltung auch geltend machen kann: Die Abkoppelung der gerichtlichen Durchsetzbarkeil vom materiellen Inhalt einer Vorschrift ist jedenfalls keineswegs gänzlich ungewöhnlich. 1342 Sie bedarf allerdings der Rechtfertigung. 1343 Im Fall der Arzneimittelzulassung wird man sicher nicht von einem widersprüchlichen und rechtsmissbräuchlichen Verhalten 1344 des Gesetzgebers und der seine Gesetze auslegenden Gerichte sprechen können, wenn eine Anfechtungsmöglichkeit insoweit nicht besteht. Sobald indes das Fehlen der subjektivrechtlichen Bewehrung zu einem Mangel an Grundrechtseffektivität führt, sind die entsprechenden einfachen Gesetze, wenn sie sich nicht ohnehin - partiell verfassungskonform auslegen lassen, insoweit verfassungswidrig. 1345 Dann steht - trotz gesetzgeberischem Ausschluss des subjektiven Rechts - dem direkten Rückgriff auf das Schutzrecht aber nichts mehr im Wege.
1341 BVerfGE 97, 350, 376; NJW 1998, 3187. Gg. eine Verallgemeinerung dieser "isoliert gesehen mißverständliche[n] Aussage", welche sich nur auf einen "speziell gelagerten Ausnahmefall beziehe, aber C. Lenz, BB 1998, 1277 Sp. 2. Die Erwägungen im Schutzpflicht-Kontext zitierend, ihre Übertragbarkeit indes offen lassend BVeifG, UPR 1998, 341, 341 f. F. einen "Schutzanspruch des einzelnen gegen den Staat auf ehrliches Geld" aber Haverkate, S. 223 ff., dem es dabei v.a. um einen Schutz (d. nicht notwendig staatl.) Geldwesen vor Übergriffen d. Staates geht (225) u. demzufolge der GRschutz "wegen der Eigenart des Sachbereichs" gar nicht wirksam genug durch gerl. Kontrollen erfolgen könne (226). S. a.u.u. o)aa). 1342 Vgl. etwa Dietlein, S. 201 f.; Elbing, S. 30 f. (am Bsp.d. alten Ber/in-Fälle), 93 ff., jew.m. w. N. S. a. Remmert, DV 29 (1996), 484 (f. - eine mögl. - Umsetzung d. Umweltinformations- u. d. VergabeRLen, bei der nicht subj. Rechtsstellungen geschaffen werden). Allg. zur Möglichkeit bloß objektivrl. Bewehrung Schubert, S. 26 f. m.Fn. 126, 37. 1343 S. Dietlein, S. 202. Zum Prob!. jüngst a. Borowski, S. 241 ff. (243 f.), sowie B. Davy, S. 660. 1344 Dies ist das Hauptbedenken v. Dietlein, S. 202, gg. die Entkoppelung v. Schutznorm u. Gerichtsschutz. 1345 So a. Griller, JBI. 1992, 207 Sp. 2. S.a. dens., ZfV 1983, 113 f., 122 Sp. 2 (insbes. f. subj. PrivatRe); Raschauer, ZfV 1999, 514 Sp. 2.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
323
1) Die Bedeutung des Untermaßverbots Umstritten ist in der Literatur schließlich auch die Bedeutung des Untermaßverbots. 1346 Im Einzelnen lassen sich die Meinungen folgendermaßen gruppieren:
aa) (Hier sog.) Absolute Kongruenzthese Nach der (hier sog.) absoluten Kongruenzthese 1347 ist das Untermaßverbot sowohl in den Fällen des Schutzes durch Eingriff als auch in den Fällen des Schutzes ohne Eingriff bereits im Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i. w. S.) enthalten und deshalb als eigenständige dogmatische Kategorie überflüssig. Das dürfte auch die Position derjenigen Autoren sein, die im Untermaßverbot nur eine "besondere Spielart des Verhältnismäßigkeitsprinzips" sehen. 1348 Dem Untermaßverbot wird insofern nur eine "begrifflich-deklaratorische Bedeutung" beigemessen. 1349 Es geht schlicht um die Erfüllung der Schutzpflicht, um einen wirksamen Schutz des jeweiligen Grundrechtsgutes. bb) (Hier sog.) Absolute Divergenzthese Nach der (hier sog.) absoluten Divergenzthese 1350 handelt es sich beim Untermaßverbot sowohl in den Fällen des Schutzes durch Eingriff als auch 1346 Vgl.zul. etwa Sommermann, S. 439 ff.; Borowski, S. 119 ff., 151 ff.; Möstl, DÖV 1998, 1038 f.; Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 184; Merten, S. 25 ff. Z. T. wird der Begr. auf eine nach einer entspr. Abwägung entstandene Norm bezogen, die den Mindestschutz vermittele u. jenseits derer sonst "das Untermaß" beginnen würde, vgl. Enders, Der Staat 35 (1996), 361 m. Fn. 53 u.w.N. Ähnl. Lagodny, S. 254, 261 ("Abwägungsergebnisgrenze"). Damit ist jed. noch keine (inhaltl.) Klarheit gewonnen, insbes. nicht i.S.e. eindeutigen Zuordnung unter die nachfolgend darzulegenden Meinungsgruppen. 1347 So v. a. Unruh, S. 80 ff., 90. Jetzt a. Hain, ZG 1996, 74 ff. (insbes. 82 Fn. 41). Zust. Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 184. Wohl a. SachsMurswiek Art. 2 Rn. 33 m.Fn. 43; Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 66 ff. (69). Ähnl. jetzt a. Sommennann, S. 440 m.Fn. 40. Unklar Hager, JZ 1994, 382 m.Fn. 111, der einers. davon ausgeht, dass die Kriterien v. Übermaß- u. Untermaßverbot ident. sein dürften, der aber anderers. eine breiten Spielraum d. Gesetzgebers zw. beiden Grenzen zumindest f. mögl. hält. Zur hier verwendeten Denomination s.ber. P. Szczekalla, DVBI. 1997, 1077. 1348 So etwa Medicus, AcP 192 (1992), 52 f. (52). Wohl a. K. Korinek/Holoubek, S. 136 m.Fn. 424, 144 (145). 1349 So Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 184. 1350 So v.a. Dietlein, ZG 1995, 131 ff. Zust. P. Lerche, in: Böttcher u.a., Odersky-FS, S. 229 m.Fn. 31; Möstl, DÖV 1998, 1038. Wohl a. Lagodny, S. 261, 274, 355 f., 447, 520. 21*
324 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
in den Fällen des Schutzes ohne Eingriff um eine eigenständige dogmatische Kategorie. Eine Prüfung erfolgt nach eigenständigen (und unterschiedlichen) Kriterien. cc) (Hier sog.) Relative Kongruenzthese (Theoretisch) Möglich ist auch eine nur (hier sog.) relative Kongruenzthese, der zufolge das Untermaßverbot insoweit im Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i. w. S.) enthalten ist, als es um einen Schutz durch Eingriff geht. 1351 (Nur) In diesen Eingriffsfällen ist dann nach einer Art "Mittelmaß" zu suchen, bei dem der ausreichende Schutz des emen den erforderliche Eingriff in Grundrechte des anderen darstellt. 1352 dd) Einzelkritik Schließlich wird das Untermaßverbot schlechthin dahingehend kritisiert, dass seine Anwendung dazu führe, dass die aus der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers resultierenden Grenzen verfassungsgerichtlicher Kontrolle ohne jede praktische Bedeutung bleiben müssten. 1353 Bei dieser Kritik handelt es sich indes nur um einen Ausschnitt aus der allgemeinen Diskussion um die Wahrung der gesetzgebensehen Gestaltungsfreiheit gegenüber dem Verfassungsgericht Sie setzt eine Klärung der Frage voraus, ob es sich beim Untermaßverbot um eine eigenständige Kategorie handelt. Ist dies nicht der Fall, erübrigt sich ein gesondertes Eingehen auf diese Einzelkritik im Rahmen dieser Arbeit.
1351 Darauf sind die Ausführungen v. Hain, DVBl. 1993, 983, (noch) beschränkt. Mit gleicher Beschränkung, o. dass sie sich dadurch auf diese These festlegen ließen, K. Stern, StaatsR III/2 § 84 III 10 S. 813 f.; Starck, Schutzpflichten, S. 81 f.; ders., Schutz d. Lebens, S. 88 f. Erichsen, Jura 1997, 88. Ebenso offb. Schlette, JZ 1996, 333m. Fn. 78. Wohl a. Giesen, F.A.Z. Nr. 250 v. 28.10.1997, 14 Sp. 3 u. 6, jew.a. E., wenn er die statist. Schutz-Eingriffe i.Z.m. dem Schwangerschaftsabbruch als ungeeignet u. damit verfassungswidrig ansieht (dagg. Hahlen, F.A.Z. Nr. 273 v. 24.11.1997, 9). D.S.n. ebenso ber. früher Hermes, S. 255, demzufolge sich die schutzfunktionsrl. u. die abwehrfunktionsrl. Prüfung d. Verhältnismäßigkeit i.e.S. deckten, sow. es um "Grundrechtskonflikte" gehe. 1352 I. d. S. Merten, S. 25 ff. (29). 1353 So etwa K. Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., Mahrenholz-FS, S. 552 ("grober Keil des Untermaßverbotes"), der insow. einen Unterschied zur 1. SchwangerschaftsE (BVerfGE 39, 1 ff.) auszumachen können meint; Denninger, in: DäublerGmelin u.a., Mahrenholz-FS, S. 566 ff.; ders., KritV 1995, 22.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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ee) Stellungnahme (1) Schutzminimum?
Problematisch am Streit um die (eigenständige) Bedeutung des Untermaßverbots ist - unabhängig von den dargelegten Denominationen - zunächst und vor allem das üblich gewordene Abstellen auf ein bloßes "Schutzminimum", welches das Untermaßverbot als- dann- eigenständige dogmatische Kategorie oder besonderer Bestandteil des Übermaßverbotes verlangeY 54 Darin kommt - jedenfalls sprachlich 1355 - zum Ausdruck, dass das Schutzrecht nicht auf Optimierung angelegt sei, also kein Prinzip darstelle. 1356 Geht man indes bei Grundrechten generell von einem Prinzipiengehalt aus, so gilt dies für Abwehr- und Schutzrechte gleichermaßen. 1357 Eine Ausnahme letzterer wäre gesondert begründungsbedürftig. 1358 Jedenfalls gilt, dass dann, wenn und soweit der Staat (schützend) handelt, jedes der "kollidierenden" Grundrechte möglichst weitgehend verwirklicht werden soll, 1359 also sowohl dasjenige, in das der Staat einen Schutz-Eingriff vornimmt, als auch dasjenige, um dessentwillen der Staat eingreift. Nur so kann die vom BVerfG angenommene "Wechselwirkung" Beachtung finden, der "schonendste Ausgleich" hergestellt oder die "praktische Konkordanz" gefunden werden, 1360 wobei diese Begriffe nur Ausdruck einer je 1354 S. nur Merten, S. 26; Erichsen, Jura 1997, 88 Sp. I; Canaris, PrivatR, S. 39. Vgl.a. König, S. 210, der an anderer Stelle (220, 223) - u. insow. widersprüchlichgleichwohl der Prinzipientheorie folgt. 1355 Ausdr. ein Optimierungsgebot ab!. Möstl, DÖV 1998, 1038 Sp. 2. 1356 I. d. S. etwa Ossenbühl, NuR 1996, 57 Sp. I. D.S.n. verlangen aber a. Erichsen sowie Ossenbühl, jew .a. a. 0., einen "die widerstreitenden Interessen einander angemessen zuordnende[n] Ausgleich ... spätestens in der Phase der Abwägung" bzw. eine "Rechtfertigung zur einen wie zur anderen Seite und . . . [einen] Ausgleich". Ähnl. Medicus, AcP 192 (1992), 60 f., der sich gg. die Forderung nach einem "gesetzgeberischen Optimum" (61, Afz.i.O.) ausspricht, aber eine umfassende Angemessenheitsprüfung vornehmen will (60). F. (seine) sonstigen (außerhalb d.v. ihm anerkannten Schutzpflichten) grl. Leistungspflichten u. Anspr. a. Schwabe, Probleme, S. 261 ff., 264 ff. 1357 Vgl. nur Alexy, Theorie, S. 422- s.a. ebd., S. 304; Pietrzak, JuS 1994, 749. F. die Staatsaufgabe Sicherheit u. Schutzpflichten Gusy, DÖV 1996, 579 f. Ausf. Borowski, S. 121 m.Fn. 102, 237 ff. - s.a. dens., ZÖR 53 (1998), 332 f. m.Fn. 126, 129. 1358 F. die EMRK-Garantien s.a. Kälin, BerDtGesVR 33 (1994), 37 ("ethisch begründbare Optimierungsgebote"). Unklar Koch, in: Erbguth u. a., S. 18: "Was der Staat aktiv zur Förderung beispielsweise der grundrechtlich gewährleisteten Freiheiten zu tun hat, wird weiterhin von der eher zurückhaltenden Schutzpflichten-Theorie beantwortet. Der Aspekt des Optimierungsgebots kommt nur unter der Bedingung zum Tragen, daß der Staat grundrechtsrelevant handelt". 13 59 I. d. S. dann a. Koch (vor.Fn.).
326 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
wechselnden Perspektive des Betrachters sind 1361 . Dieser Aufgabe kann auch nicht dadurch ausgewichen werden, dass man - unter Hinweis auf die angeblich gesteigerte Selbstveränderungsfähigkeit in der Welt - davon ausgeht, dass die Grundrechte keine positiven Normziele (mehr) vorgeben können, so dass es auch keinen Sinne mache, sie als Optimierungsgebote zu bezeichnen. 1362 Selbst wenn der Staat in der (angeblich erst heutigen) Informations- und Wissensgesellschaft nicht alle relevanten Umstände vollständig kennt, auf die das Grundrecht hin optimiert werden soll, heißt dies gerade nicht, dass er insoweit untätig bleiben darf. Wissens- und Erfahrungsmängel hat es auch schon früher gegebenen. Prognosen sind schon immer alltägliche Erscheinung politischen Handeins gewesen. Insofern ist Optimierung immer Optimierung in der Zeit, relativ zum vorhandenen, ggf. aus grundrechtliehen Gründen erst zu generierenden Wissen. Diese Erwägungen sprechen eigentlich schon entscheidend für eine Kongruenz von Übermaß und Untermaß, 1363 lassen indes - bei Heranziehung der (älteren) Rechtsprechung des BVeifG - noch Zweifelsfragen offen: (2) Freiheit im Übennaß- Schutz im Untennaß?
Beim Streit um die eigenständige Bedeutung des Untermaßverbots hat man sich nämlich bislang 1364 zu sehr auf die diesem Begriff erstmalig verfassungsgerichtliche Weihen verleihende Zweite Schwangerschaftsentscheidung konzentriert und die ältere Rechtsprechung des BVeifG nicht ausreichend berücksichtigt. Der Sache nach war ein Konflikt zwischen Untermaßund Übermaßverbot nämlich schon viel früher Thema der - deutschen Verfassungsjudikatur. Am deutlichsten kommt dies in einer Entscheidung zum Ausdruck, in dem sich die von einer eingreifenden Regelung Betroffenen gegen diese mit dem Argument zur Wehr gesetzt haben, dass sie deshalb unverhältnismäßig sei, weil sie letztlich keinen ausreichenden Schutz für das vom Gesetzgeber selbst verfolgte Ziel bewirken könne. Dem hat das BVeifG allerdings in aller Deutlichkeit folgendes entgegengesetzt: "Erfüllt eine grundrechtsbeschränkende Strafvorschrift ihren Schutzzweck nur in begrenztem Umfang und würde dieser Zweck bei einer weitergehenden Grundrechtsbeschränkung möglicherweise besser erreicht werden, so kann 1360 Zu diesen "begrifflichen Einkleidungen" v. Abwägungen vgl. Ossenbühl, in: Erbguth u. a., S. 30. 136 1 S.d. Borowski, ZÖR 53 (1998), 325 f., m.w.N. 1362 So aber Vesting, in: Grabenwarter u. a., S. 23. 1363 Bez.insow. Vesting (vor.Fn.), S. 23, f. den das "Untermaßverbot" noch zu sehr klass. liberalen Vorstellungen verhaftet bleibe. 1364 S. aber ber. P. Szczekalla, DVBI. 1997, 1077. Aufgegriffen v. Möstl, DÖV 1998, 1038.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift nicht wegen mangelnder Zwecktauglichkeit beanstanden. 1365 ... Nicht daß der Gesetzgeber im Übermaß grundrechtliche Freiheit beschränkt habe, würde ihm zum Vorwurf gemacht, sondern daß er ein , Übermaß' an grundrechtlicher Freiheit aufrechterhalte. Dies zu beanstanden kann nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts sein". 1366 Diese Entscheidung in einem konkreten Normenkontrollverfahren betraf zunächst eine Vorschrift, die jedenfalls in Grenzen auch grundrechtlich geboten war und ist: Das - strafbewehrte - Verbot der Veröffentlichung von Anklageschriften oder anderer amtlicher Schriftstücke (u. a.) eines Strafverfahrens vor deren Erörterung in öffentlicher Verhandlung bzw. Verfahrensabschluss1367 dient nämlich dem Schutz der Unschuldsvermutung aus Art. 6 /I EMRK1368 bzw. Art. 2 I GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des vom Verfahren Betroffenen. 1369 Es beruht also nicht auf einer autonomen gesetzgebefischen Entscheidung, sondern ist zumindest in seinen Grundzügen grundrechtsgeleitet Das Judikat kann deshalb für die Diskussion herangezogen werden, obwohl in ihm von Schutzpflichten nicht ausdrücklich die Rede ist. Gleiches gilt für eine jüngere Kammer-Entscheidung zum gesetzlichen Verbot altruistischer (Organ-) Fremdspenden unter Lebenden (einschl. sog. Überkreuz-Spenden) aus § 8 I 2 TPG. Hier hatten die Beschwerdeführer, ein Diabetes-Patient mit terminaler Niereninsuffizienz, ein potenziell Spendewilliger und der für die notwendigen Operationen in Aussicht genommene Transplantationschirurg, geltend gemacht, dass die weiterhin zulässige Lebendspende unter Verwandten und "offenkundig" Nahestehenden viel eher unfreiwillig zustande komme als eine solche unter Anonyrnitätsbedingungen. Das BVeifG hat demgegenüber eingewandt, dass dieses Argument- fehlende Eignung des (eingeschränkten) Verbots zum Schutz vor unfreiwilligen Organspenden, vor einem Organhandel und vor einer Gefährdung der Organspender - allenfalls dafür streite, die Lebendspende generell zu untersagen, die Geeignetheit der Regelung als solche aber nicht in Frage stellen könne. 1370 Auch in dieser Entscheidung taucht der Terminus Schutzpflicht nicht auf, weil das Gericht jeweils von (Noch-) Eingriffen in verschiedene Grundrechte, insbesondere in Art. 2 /I I GG, durch die gesetzgeberische Vorenthaltung einer Therapie ausgegangen ist. Dass der Beschluss BVerfGE 71, 206, 206 Ls. 1. S. a.o., A.III.l.f). Ebd., 218. 1367 V gl. § 353d StGB. 1368 N.d.s. u., Zweiter Teil, B.V.l.d)dd)(2). 1369 S. BVerfGE 71, 206, 216 f. 1370 BVerfG, B.v. 11.8.1999- 1 BvR 2181-2183/98 (1. K.)- n.n.v., 11.2.a)cc)(2), S. 25 d.Umdr. 1365
1366
328 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
gleichwohl im weiteren Schutzpflicht-Kontext zu sehen ist, folgt schon daraus, dass die Kammer das bestehende dreipolige Verhältnis zwischen Organspender, Arzt und Organempfänger betont hat, 1371 das hier zwar nicht i.S. des bekannten "Störerdreiecks" zu verstehen ist, aber immerhin die schutzpflicht-typische Mehrdimensionalität der grundrechtliehen Beziehungen verdeutlicht und - unter Einbeziehung des Staates - zu einem Viereck wird. Mit seiner Auffassung steht das BVeifG im Übrigen nicht allein: Ähnlich haben bereits früh der EuGHMR 1372 und jüngst der EuGH 1373 entschieden. In der Literatur, so sie denn - außerhalb des eigentlichen Streites um die Deckungsgleichheit von Übermaß und Untermaß - auf die Entscheidung(en) eingeht, wird ihr im Wesentlichen zugestimmt. 1374 Zunächst könnte man versucht sein, die Entscheidungen mit dem - verfassungsprozessualen - Hinweis zu erklären, dass es einem Grundrechts-
träger verwehrt ist, sich auf Grundrechte anderer Grundrechtsträger zu berufen. 1375 Dieser Satz ist indes - insbes. bei Zugrundelegung der sog. Elfes-Formel 1376 - selbst nicht unumstritten 1377 und wurde vom BVeifG etwa für die Rüge eines Gleichheitsverstoßes auch ausdrücklich aufgegeben. 1378 Zudem kann er jedenfalls dann nicht ohne weiteres eingreifen, wenn es sich bei dem verfassungsgerichtlichen Kontrollverfahren nicht um eine Verfassungsbeschwerde, sondern (wie im Anklageschrift-Fall) um eine (konkrete) Normenkontrolle handelt. 1379 Ebd., II.l.a), S. 18 d.Umdr. E 24, 26 § 54 (Handyside/VK) - Kleines Rotes Schulbuch: Die EMRK zwinge nicht zur Einschr.v. GRen. 1373 E 1998, I-4301, 4345 Rn. 41 (Safety Hi-Tech Srl/S. & T. Srl); 4355, 4375 Rn. 39 (Bettati/Safety Hi-Tech Srl): "Selbst wenn das Fehlen eines Verbotes der Verwendung anderer Stoffe [hier: Halone] rechtswidrig sein sollte, kann es für sich allein nicht die Gültigkeit des Verbotes von HCFC beeinträchtigen". Immerhin findet später (4349 Rn. 58 bzw. 4379 Rn. 56) aber noch eine Prüfung d. (Un-) Verhältnismäßigkeit d. Verbots d. HCFC wg. Herausnahme d. Halone aus einem - umfassend - gedachten Verbot statt. Diese Herausnahme ist nach Ans.d. EuCH aber gerechtfertigt, weil die Halone nicht-substituierbare Brandbekämpfungsmittel sind. Ob es sich dabei um ein bloße Hilfsbegr. bzw. ein obiter handelt, wird indes nicht deutl. Krit. zu diesen Passagen Epiney, NuR 1999, 182 ff. Positiver Doherty, JEL 11 (1999), 378 ff. 1374 S. etwa Lagodny, S. 444 Fn. 179. 1375 Vgl. z.B. BVerfGE 77, 84, 101. Zum Prob!. s.o., g)dd), insbes. Fn. 1167. 137 6 BVerfGE 6, 32, 32 Ls. 3, 41. 1377 S. etwa Alexy, Theorie, S. 346 ff. (348, 353 ff.), m. w.N.; Stein, EuZW 1998, 263; Ossenbühl/Ritgen, DVBI. 1999, 1302 Sp. 1, 1306 Sp. 2 m.Fn. 48. S.a. EuGHE 1998, I-2521, 2544 f. Rn. 18 ff. (2545 Rn. 21), betr. die Berufung d. Arbeitgebers auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit 1378 BVerfGE 85, 191, 205 f. 206. 1371
1372
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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Auch wenn letztlich unklar ist, ob das BVerfG seine geäußerte Ablehnung, eine Aufrechterhaltung von "Freiheit im Übermaß" durch den Gesetzgeber zu sanktionieren, heute noch - nach ausdrücklicher Anerkennung des Untermaßverbotes - in dieser Form beibehalten wird, bleibt zu klären, ob die Entscheidung mit der relativen und absoluten Kongruenzthese zu vereinbaren ist. Einzig erfolgversprechend ist insoweit die Heranziehung von Erwägungen zum gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei der Erfüllung von Schutzpflichten (aber auch bei der Beachtung von Abwehrrechten) und dem damit einhergehenden Erfordernis von Abwägungen: (3) Die Unausweichlichkeit von Abwägungen beim Abwehrrecht und bei der Schutzpflicht
Letztlich wird man nämlich nicht umhin kommen, die im Rahmen einer Schutzpflicht-Prüfung erforderlichen Abwägungen im Hinblick auf die staatliche, d.h. im Wesentlichen gesetzliche Abgrenzung der Rechtssphären von Schutz-Suchendem und Schutz provozierendem Drittem ebenso vorzunehmen wie bei Anwendung des "normalen" Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch. 1380 Dabei steht man vor den gleichen Schwierigkeiten. 1381 Es ist jedenfalls schwerlich vorstellbar, den Umfang der materiellen Prüfung davon abhängig zu machen, ob ein Einzelner Schutz begehrt oder ob sich der Dritte gegen (staatlichen) Schutz wehrt. Der Staat, der in beiden Fällen seine ("Nicht-") Regelung 1382 zu rechtfertigen hat, kann nicht unterschiedlichen Bindungen unterliegen. Eine andere Frage ist es demgegenüber, ob diese Bindungen in jedem Fall auch (verfassungs-) gerichtlich sanktioniert werden können oder überhaupt sollen. 1383 In beiden Fällen ist es denkbar, dass Handlungs- und Kontrollnormen auseinanderfallen, um dem formellen Prinzip der Gewaltenteilung und demokratischen Anforderungen Genüge zu tun. 1384 Damit wäre auch der oben erwähnten Einzelkritik am Untermaßverbot die Grundlage entzogen. Eine Abwägung lässt sich letztlich aber nicht vermeiden. 1385 Denn ohne Abwägung gibt es weder Vernunft noch Freiheit.1386 S. aber a. BVerfGE 97, 49, 66 f. Ebenso Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 184. 1381 Ausf. Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 167 ff. A.A. ("bei der positiven Funktion der Grundrechte in aller Regel weit komplexere Abwägungsprobleme") Höffe, Der Staat 38 (1999), 186. 1382 Gemeint ist das Fehlen ausdr. Gesetze. Dass gleichwohl immer eine - staatliche- Regelung (i.S. einer "schwachen" Erlaubnis) besteht, soll weiter unten i. R.d. eigenständigen, abwehrrl. Lösung dargestellt werden (4.a) sowie C.l.5.). 1383 Dazu vem. Höffe, Der Staat 38 (1999), 180 ff. ("Ethos der Selbstbindung"), 184 ff. ("Kompetenzanmaßung"). 1384 N.d.s. u.u. p) u. q). 1379
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330 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
m) Unterschied zwischen Schutzpflicht und Schutz kollektiver Güter
aa) Schutzpflicht zugunsten kollektiver Güter? Mitunter wird die ([einzel-] grundrechtliche) Schutzpflicht in der Literatur auch auf kollektive Güter bezogen. 1387 Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Ansatz soll hier nicht erfolgen, erscheint eine Unterscheidung zwischen (einzel-) grundrechtlichem und kollektivem Schutz ohnehin kaum möglich. 1388 So wird jedenfalls im Grundsatz zu Recht angemerkt, dass es wohl keinen Fall geben dürfte, in dem man nicht ein "Kollektiv-Rechtsgut" auf Individualrechtsgüter, letztlich also auf die Freiheit des Einzelnen, zurückführen könnte. 1389 Der Unterschied zwischen der Schutzpflicht und dem Schutz kollektiver Güter 1390 kann allenfalls darin bestehen, dass es beim Schutz kollektiver Güter nur gleichsam rejlexhaft auch um den Schutz von Grundrechten eines einzelnen Grundrechtsträgers geht, während ein allgemeiner, abstrakterer Schutz eines Grundrechtsguts im Vordergrund steht, der vom subjektiven Grundrecht immer weiter gelöst ist. 1391 Jedenfalls handelt es sich bei kollektiven Gütern um solche verfassungsrechtlichen Belange, bei denen das Vgl. nur H. Dreier, S. 56 f., insbes.m.Fn. 240. So treffend Alexy, AöR 121 (1996), 158. 1387 Vgl. nur Link, VVDStRL 48 (1990), 17. Wohl a. Koch, ZAU 10 (1997), 220, wenn er dort v. einer "staatlichen Schutzpflicht für gefahrdete Dritte sowie Güter der Allgemeinheit" spricht (anders mglw. ders.!Laskowski, ZUR 1997, 185 Sp. I, wo v. einer Schutzpflicht aus Art. 20a GG "in bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen" u. aus Art. 2 II 1 GG "in bezug auf Leben und Gesundheit potentiell gefahrdeter Dritter" die Rede ist). Abi. Gusy, DÖV 1996, 577 Sp. 2. 1388 Ähnl. f. die vglb., wenn nicht gar synonyme Unterscheidung zw. "öffentlichen und privaten Interessen" Manssen, S. 12 ff. (13 f.), 52 ff., m.z.N. S. a. noch Ladeur, S. 18 ff. Diff. Schuber!, S. 384 m.Fn. 58. A.A. Gusy, DÖV 1996, 577 Sp. 2. S. a.o., A.III.2.b )kk)(5). 1389 So Haverkate, S. 241. Dagg. Gusy, DÖV 1996, 577 Sp. 2: "Das vom Staat zu verwirklichende Gemeinwohl ist jedenfalls mehr und anderes als die bloße Summe von Rechten einzelner". 1390 S.d. v.a. Alexy, Kollektive Güter, S. 232 ff. Vgl. aber a. Koller, in: Brugger, S. 386 f., der in Auseinandersetzung mit der Rawlsschen Theorie d. Gerechtigkeit die Möglichkeit einer klaren Trennung v. Freiheiten (GRen) u. anderen soz. Gütern u. kollektiven Interessen bezweifelt, da jede Freih. mit anderen soz. Gütern u. kollektiven Interessen intern verbunden sei (386), sowie Spieß, S. 215. 1391 Vgl.d. anschaulich BVerfGE 88, 203, 203 Ls. 2, 25: "Die Schutzpflicht für das ungeborene Leben ist bezogen auf das einzelne Leben, nicht nur auf das menschliche Leben allgemein". Aus der Lit. s. nur R. Wolf, KritV 1997, 286, 298 (i.Z.m. Art. 20a GG ["Kollektivgüterschutz ... , der nur als Vorfeldsicherung und Grundrechtsvoraussetzungsschutz wirkt"], 298), sowie Spieß, S. 215, der v. einer Pluralisierung d. Einzelgrundrechte spricht. Ähnl. Schuber!, S. 384 m.Fn. 58 u. w.N. 1385
13 86
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
331
Individualrecht des Einzelnen als Teil der Allgemeinheit nicht mehr 1392 oder nur noch ansatzweise erkennbar ist. 1393 Im Einzelnen ist eine Abgrenzung allerdings - wie bereits ausgeführt - schwierig, 1394 und häufig sind kollektive Güter und individuelle Rechtspositionen auch austauschbar: So kann es in einem Rechtsstreit auch einmal eindeutig um subjektive Rechte gehen, während hinter diesen letztlich (überragende) Gemeinwohlinteressen stehen. 1395
Aus dem Kanon grundrechtlicher Schutzpflichten lassen sich damit im Ergebnis wohl nur die Bereiche ausscheiden, in denen der Staat ausschließlich sich selbst und insbes. seine Symbole schützt. Hier ist ein individualer Rückbezug auf die grundrechtliche Freiheit des Einzelnen eindeutig zu schwach, 1396 selbst wenn zu vermuten ist, dass ein lächerlich gemachter Staat 1397 in seiner Schutz-Effektivität nachlassen wird. 1398 Denn dabei geht es "nur" um die Erhaltung der gleichsam "psychischen" Schutzfähigkeit des Staates und seiner Amtswalter. bb) "Kollekti vierungsrisiko" Selbst bzw. gerade dann, wenn man die Abgrenzung zwischen dem Schutz individueller Grundrechts- und kollektiver Güter offen lässt, gilt es 1392 So etwa Bock, S. 186, u.H.a. die gesicherte Energieversorgung, die Pflege d. Vo1ksgesundheit, das Wirtschaftswachstum u. die Vollbeschäftigung. Vgl.a. Derermann, S. 183 f. 1393 Ob der Schutz vor Verleumdung u. Beleidigung sowie vor Hass u. Gewalt gg. Menschengruppen durch Beschränkungen d. Meinungsfreih. als "in erster Linie durch das allgemeine Wohl begründet" ist, obwohl diese Einschränkungen "in indirekter Weise" dem Schutz d. Freih. u. Integrität v. einzelnen Personen dienen, muss zumindest bezweifelt werden. So aber Koller, in: Brugger, S. 386. 1394 So stellt das BVerwG bspw. die Volksgesundheit in einen Zushg. m.d. Schutzpflicht aus Art. 2 Il 1 GG, s. BVerwG, NJW 1993, 3002, 3003: Einers. trage der Gesetzgeber auf dem Gebiet d. Arzneimittelwesens seiner Schutzpflicht aus Art. 2 Il 1 GG hinreichend Rechnung. Anderers. schütze das AMG "die Volksgesundheit, ein Schutz, der auch dem einzelnen zugute kommt" (3003 Sp. 1). Zur Konkretisierung d. Begr.d. Allgemeininteresses ("interets general") durch Bezugnahme auf die grl. Basis i.d. Rspr.d. frzCC s. Amold, JöR N.F. 38 (1989), 212, u.H.a. frzCC, 80117 DC, RJC I, 81, c. 4 - Proteerion des matieres nucleaires (StreikR im KKW). Zum Parallelprobt d. Gemeinwohlermittlung im dt. u. im Recht d. EMRK s. Ress, VVDStRL 48 (1990), 70 f., m.z.N. 1395 S. den Sonderfall, der nrwOVG, NVwZ-RR 1996, 182, 183 Sp. 2- Schutzanspruch auf zwangsweise Durchsetzung vorzeitiger Besitzeinweisung, zugrunde lag. 1396 F. die "äußere" Sicherheit vgl. etwa Lagodny, S. 271. 13 97 S. BVerfGE 81, 278 ff.- FlaggenB. 1398 Erinnert sei hier nur an die Weimarer Zeit, in der die Verballhornung der Aagge ("schwarz - rot - senf') wenigstens als Symptom einer akuten (nicht nur: Staats-) Schutzschwäche anzusehen war.
332 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
doch, ein gewisses "Kollektivierungsrisiko" im Blick zu behalten. Bezieht man die Schutzpflicht auf das kollektive Gut, droht das individuelle mitunter notleidend zu werden. Dies hat das BVeifG in der Zweiten Schwangerschaftsentscheidung zumindest verbal nicht hinreichend bedacht: Trotz seines Bekenntnisses zu einem wirksamen Schutz jedes einzelnen Lebens 1399 übersieht es nämlich, dass der Kreis der durch die alte Indikations- und die neue Beratungslösung geschützten Individuen nicht identisch ist und dass deshalb das einzelne Leben durch den Wegfall der Strafdrohung und durch den bloßen Einsatz der Beratung tatsächlich weniger intensiv geschützt sein könnte. 1400 Eine empirische Folgenbetrachtung, wie sie Mahrenholz/Sommer in ihrer abweichenden Meinung für erforderlich halten 1401 , kann sich überdies nur auf den Schutz an sich und nicht auf den Schutz des individuellen Lebens beziehen. Mit diesem Hinweis soll nicht das Ergebnis der Entscheidung in Zweifel gezogen, sondern nur auf die Gefahren kollektivistischer Argumentationsketten aufmerksam gemacht werden. Über die durch die einmalige Verbundenheit der Schwangeren mit dem ungeborenen Kind gekennzeichnete Konstellation hinaus dürfte sich jedenfalls eine solche (potenzielle) Relativierung durch Kollektivierung verbieten. n) Art. 1 I 2 GG als "Basisnorm"
Kritik wird in der Literatur weiterhin daran geübt, dass das BVeifG mitunter, und vor allem in der Zweiten Schwangerschaftsentscheidung, die Menschenwürde-Garantie des Art. I I 2 GG als "Basisnorm" heranziehe.1402 Diese Kritik 1403 wird verbunden mit dem Vorwurf, dass das 1399 BVerfGE 88, 203, 203 Ls. 2, 252; ebenso die abw.Mein. Mahrenholz/ Sommer, ebd., 338 ff. (349). 1400 Vgl.d. anschaulich die "Binnen-Kritik" des Urt., d.h. die Krit. ausschließ!. unter dem Gesichtspunkt der Forderung nach log. Widerspruchsfreih., v. Hoerster, JuS 1995, 195, u. a. m. dem reich!. drast. Bsp. eines Wechsels d. Schutzkonzepts bei Vergewaltigungen (Straffreih. beratener Vergewaltigungen). Vgl.a. J. lpsen, StaatsR II Rn. 213; Diederichsen, AcP 198 (1998), 250 ("Stufe eines bloß gattungsmäßigen Grundrechtsrechtsrejlexes", H.i.O.). Zur Krit. am Erfordernis d. "Rechtswidrigkeit" d. Abbruchs, aus welchem gleichwohl keinerlei Konsequenzen folgten, zutr. Röhl, S. 224 f. (225). Zur - ähnl. gelagerten - Krit. a.d. ersten Entsch. mit ihrem Menschenwürde-Ansatz s.ber. Schwabe, Probleme, S. 232. 1401 A.a.O., 343. Die GRgebotene Führung einer Statistik (BVerfGE 88, 203, 311) dient zwar ebf. d. empir. Beurteilung, stellt sich aber "nur" als ein ergänzendes, im Wes!. tatsächl. Schutzmittel dar, das den normativen Schutz nicht ersetzen, sondern nur seine tatsächl. Wirksamkeit kontrollieren kann. 1402 Vgl. nur Hermes/Walther, NJW 1993, 2339; H. Dreier, DÖV 1995, 1036 ff. (1036, 1040); Engels, AöR 122 (1997), 212, 220 f. (der Art. 1 I GG aber gleichwohl als Begründungselement f. v. ihm angenommene Optimierungsgebote heran-
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
333
BVerfG die Grenzen gesetzgebenscher Gestaltungsbefugnis missachte 1404
und so seine Funktion als Organ der Rechtsprechung verliere. 1405
zieht, 232, 245 f.). Zum (rechtsphil.) Zushg. zw. Würde u. "positiven Verpflichtungen", wenn a. unter anderer Auflösung d. Abtreibungsprobl., s. demggü. Dworkin, Life's Dominion, S. 233 f., 236. I.Z.m. dem "Schutz des Menschen vor sich selbst" lehnt a. Schwabe, JZ 1998, 66, 69 Sp. I, eine "Verklammerung" v. Art. 2 II 1 u. 1 GG ab, weil dies "wegen der kategorisch zu wahrenden Menschenwürde einen totalen Lebensschutz zur Folge" habe. Nicht überzeugend ist jedf. der Versuch v. Unruh, S. 33 ff., einen zwingenden Zushg. zw. Wertordnungsjudikatur u. Menschenwürde-Garantie zu konstruieren u. damit etwaige Inkonsistenzen zw. den versch. Ableitungszusammenhängen zu verwischen. Dagg. spricht, dass alle einzelgrl. Gewährleistungen Ausdruck spez. Werte bzw. Prinzipien sein können, die nicht notwendigerweise m.d. Menschenwürde in Verbindung gebracht werden müssen, sondern insof. eigenständigen Gehalt aufweisen. Desh. muss sich das BVeifG entgg. Unruh keineswegs "gleichzeitig auf die Menschenwürde berufen, wenn es die Schutzpflichten dogmatisch aus der objektivrechtlichen Dimension der Grundrechte herleiten will" (a. a. 0., 36). Dafür spricht a. BVerfGE 49, 89, 132 bzw. 142, wenn dort die textl. Anhindung d. "aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden objektiv[ -]rechtlichen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu schützen", an das Grundgesetz in den Zushg. m.d. (allg.) "verfassungsrechtlichen Pflicht" aller staatl. Organe gestellt wird, "dem gemeinen Wohl zu dienen" (132). Diese objektivrl. u. damit die Schutzfunktion d. GRe werde (nur) "am deutlichsten in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG ausgesprochen" (142). Zutr. Erichsen, Jura 1997, 86 Fn. 13 a.E.: "Die Rechtsprechung bietet insoweit kein einheitliches Bild und geht auf das Problem der Restriktion der Schutzpflicht auf den Menschenwürdekern nicht ein". 1403 Umgekehrt kritisiert Schmitz, ERPLIREDP 8 (1996), 1269, dass das BVeifG nach der 2. SchwangerschaftsE (E 88, 204) im Promillegrenze- (NJW 1995, 2343) u. Sommersmog-I-Beschl. (1996, 651) "verwirrenderweise ohne weitere Begründung wieder die primäre Anknüpfung an das Grundrecht gewählt" habe. Die eigentl. Frage nach dem Rechtsgrund d. Schutzpflichten - Menschenwürde-Garantie od. GR - sei "also wohl noch nicht abschließend geklärt". Unterschiede f. den Schutz des Lebens würden sich bei einer Ableitung aus Art. I I GG nicht ergeben, wohl aber f. grl. geschützte Güter "von weniger existentieller Bedeutung". 1404 Hennes!Walther, NJW 1993, 2347, u.H.a. Art. 79 III GG. Gg. diese spekulative Annahme einer machtstrateg. Überlegung d. BVeifG ggü. dem (verfassungsändemden) Gesetzgeber aber- zutr.- H. Dreier, DÖV 1995, 1040 (H.d.V.), m.d. - v. Autor ebf. als spekulativ bezeichneten - eigenen Erwägung, dass das Abstellen d. BVeifG auf Art. 1 I 2 GG aus dem allg. Streit um die GRdogm. Figur d. Schutzpflicht herrühre, f. welche die Menschenwürde-Garantie immerhin einen expliziten Anhalt gebe, obwohl eine Schutzpflicht a. schon früher aus Art. 2 II I GG angenommen worden sei, es des Rekurses auf Art. 1 I 2 GG also gar nicht bedurft hätte (s.d.a.o., A.III.l.a)). Spekulativ ist die Erwägung Dreiers aber keineswegs, geht doch aus einer Reihe v. Entsch.d. BVeifG o.w. hervor, dass die objektivrl. u. damit die Schutzfunktion d. GRe (nur) "am deutlichsten in Art. I Abs. I Satz 2 GG ausgesprochen" werde (s. nur BVerfGE 49, 89, 142). H. Dreier wendet sich i.Ü. dez. gg. die These d. BVeifG v. Nasciturus als Träger d. Menschenwürde (BVerfGE 39, 1, 41; 88, 203, 252), a.a.O., 1038. Das Leben einschl.d. ber. erloschenen sei zwar conditio sine qua non, aber nicht conditio sine per quam, d.h. notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Er plädiert f. eine
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Diese Kritik ist, jedenfalls was die Rolle der Menschenwürde-Garantie anbelangt, unberechtigt: Deren Funktion im Ableitungszusammenhang der grundrechtliehen Schutzpflichten kann aufgrund der Rechtsprechung des BVeifG nicht eindeutig beantwortet werden. 1406 Bei Gesamtbetrachtung der Schutzpflicht-Judikatur kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass Art. 1 1 2 GG als "Basisnorm" fungiert. 1407 Am ehesten ist davon auszugehen, dass der Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde "lediglich" eine Indizfunktion für weitere, einzelgrundrechtliche Schutzpflichten zukommt, 1408 deren Konstruktion deshalb nicht so "kühn" ist, wie dies im Gefolge der Ersten Schwangerschaftsentscheidung von weiten Teilen der Literatur angenommen worden ist. 1409 Die vielen Judikate zu einzelgrundrechtliehen Schutzpflichten auch ohne Anhindung an Art. 1 I 2 GG machen deutlich, dass die MenschenwürdeGarantie kein zentraler Grund für die Schutzfunktion ist. 1410 Diese Garantie würde im Übrigen einerseits auch überdehnt, wollte man alle einzelgrundrechtlichen Gehalte zwanghaft in ihr Bett pressen. 1411 Andererseits könnten schutzwürdige Fälle, die außerhalb des - ohnehin (wenn überhaupt) nur mit Entkoppelung v. Menschenwürde-Garantie u. Lebensschutz - die Beeinträchtigung d. einen Schutzguts könne das andere unberührt lassen u. umgekehrt. Auf diese (einzelGRdogm.) Frage d. zutr. Auslegung d. Art. 1 I 2 GG (wie Dreier etwa J. Ipsen, StaatsR II Rn. 213, 228, oder schon Schwabe, Probleme, S. 230 f., 239, sowie- i.Z.m. dem Schutz vor bzw. gg. sich selbst ders., JZ 1998, 69 Sp. 1 [wg.d. daraus notwendigerweise folgenden totalen Lebensschutzes]) soll in dieser Arbeit jedoch nicht weiter eingegangen werden. Es reicht vielmehr der Hinw. auf die Rspr.d. BVerfG, i.d. unabhängig v. einer Berufung auf Art. 1 I 2 GG v. einer Schutzfunktion eines jeden EinzelGR (Freih.- u. GleichheitsGR) ausgegangen wird (s. nur BVerfGE 92, 26, 46). 1405 Hermes/Walther, NJW 1993, 2340. 1406 Ähnl. Buhck, S. 133. S.a. Pietrzak, JuS 1994, 748 f. 1407 S.o.u. A.III.l.a). Ebenso Menzer, S. 80. A.A.offb. Classen, JöR N.F. 36 (1987), 41, 48, der eine Schutzpflicht nur aus dem Menschenwürde-Kern bejahen will. 1408 Vgl.a. K. Stern, HStR V § 109 Rn. 59, f. den Art. 1 I 2 GG ebf. nur "[ w]ichtigster Ansatzpunkt für Schutzpflichten" ist. I. d. S. wohl a. Bleckmann, in: Beyerlin u.a., Bemhardt-FS, S. 313. 1409 S. nur Isensee, Sicherheit, S. 27, der BVerfGE 39, 1, als jur. "Paukenschlag" bezeichnet (zust. Buhck, S. 130), diese These i.Ü. aber durch seine geistesgeschichtl.-dogm. Darstellung selbst widerlegt. Zur Schutzpflicht als "Supernova", hervorgebracht aus dem "Stemennebel" d. grl. Werteordnung, s. dens., Kriele-FS, s. 32. 1410 S.o.u. A.III.l.a). Ebenso König, S. 213 f. 1411 Desh. allg. u. insbes. f. den Schutz d. natürl. Lebensgrdl. eine Schutzpflicht aus Art. 1 I I od. 2 I GG im Regelfall ab!. Hoppe, in: Erichsen u. a., S. 73, 77 ff., 83 ff. S.a. das "Unbehagen" bei Schwabe, Probleme, S. 238. Vgl.a. Dietlein, S. 232 These 18. F. ein Abstellen auf die Menschenwürde aus öst. u. EMRK-Sicht aber Schlag, ÖJZ 1992, 54 f. S.a. dens., Fortpflanzung, S. 89 ff. (99 ff.), 125 ff.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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Mühen festzustellenden - Menschenwürde-Kerns liegen, nicht erfasst werden. 1412 Die Schutzpflicht hat mithin - wie das Abwehrrecht - ihren Sitz im jeweiligen Einzelgrundrecht 1413 bzw. dessen Schutzgut 1414. Ihre Herleitung aus objektivrechtlichen Grundrechtsgehalten ist deshalb auch nicht etwa "umständlich". 1415 Mit ihrer Ableitung aus dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte kommt daher jedenfalls 1416 jedes Freiheitsgrundrecht als Grundlage einer staatlichen Schutzpflicht in Frage, 1417 und zwar unabhängig von einer ergänzenden oder stützenden Bezugnahme auf Art. 1 I 2 GG: 1418 o) Schutzpflichtuntaugliche Grundrechte?
Mitunter wird in der Literatur allerdings bestritten, dass bestimmte Grundrechtsgüter überhaupt Gegenstand einer Schutzpflicht sein können:l419 So a. Erichsen, Jura 1997, 86 Sp. 1. So etwa Heintzen, S. 156. 1414 So z.B. König, S. 213 f.; Th. Groß, JZ 1999, 330 ff. 141 5 So aber Haverkate, S. 216. 1416 Für Gleichheitsgrundrechte s. immerhin BVerfGE 89, 276, 276 Ls. 1, 286. S.u., o)bb). 1417 S. nur Heintzen, S. 156; Ziekow, S. 589. 1418 Ebenso Erichsen, Jura 1997, 86 Sp. 2. Erichsens Einschätzung, dass die Rspr.d. BVerfG "hier allerdings eher zurückhaltend" sei, kann vor dem Hintergrund d. von ihm selbst zit. (Fn. 17) ZweitregisterU (E 92, 26, 46 f.) jedoch nicht nachvollzogen werden, heißt es doch dort: "Die Freiheitsgrundrechte [H.d.V.] ... schützen nicht nur vor Eingriffen der Staatsgewalt in eine dem Individuum verbürgte Freiheitssphäre. Vielmehr verpflichten sie den Staat auch, diese Freiheitssphäre zu schützen und zu sichern" (46). 1419 S. nur Dimberger, S. 157 ff.; Di Fabio, Risikoentsch., S. 49 f. ("keine allgemeine vorrangerheischende Schut~pflicht ... [aus] der Berufsfreiheit oder der Versammlungsfreiheit", 50); Gusy, DOV 1996, 577, demzufolge "Handlungsfreiheiten" (z. B. Meinungsfreih.) "kaum schutzpflichtfähig" seien. A.A.offb. Badura, HerschelFS, S. 35 ("[d]er prinzipielle Gedanke ist verallgemeinerungsfähig"); Aussem, S. 101 ("grundsätzlich aus allen Grundrechten"), 104 (Art. 3 I u. II, III GG); Pietrzak, JuS 1994, 748 Sp. 2 ("prinzipiell aus allen Grundrechten"); Sachs-Sachs Vor Art. 1 Rn. 22 ("grundsätzlich für alle Abwehrrechte"); Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 25 ("alle ... Freiheitsrechte"); Dreier-Dreier Vorb. Rn. 65 ("jedenfalls die Freiheitsrechte"); Determann, S. 146; Unruh, S. 75 (alle FreihRe u. a. Art. 3 GG in toto); Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 230 Sp. I ("grundsätzlich"); Ziekow, S. 589 ("jedenfalls alle Freiheitsrechte"), 615 These 71; (krit.) Diederichsen, AcP 198 (1998), 249 m. w.N. ("theoretisch aus jedem Grundrecht ableitbar", H.i.O.); Wiesbrack, S. 91 f. F. die EMRK Bleckmann, in: Beyerlin u. a., Bemhardt-FS, S. 309, 313: "alle Freiheiten - und wohl auch der Gleichheitssatz". Ausdr. bej. f. das dt., Jrz. u. EG-Recht sowie f. die EMRK v. Milczewski, S. 140 f., 247 f. Zu äst. GRen 1412 1413
336 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
aa) Schutzpflicht des Gesetzgebers aus Art. 14 I I GG? Jedenfalls soll sich aus Art. 14 I 1 GG eine Schutzpflicht des Gesetzgebers nicht ableiten lassen. 1420 Die dem Gesetzgeber aufgegebene "Ausgestaltung" lasse eine Trennung von gesetzgebenscher Schutztätigkeit und inhaltlicher Formung des Eigentums kaum zu. 1421 Unberührt bleibe allerdings die Schutzpflicht von Exekutive und Judikative 1422 für das legislativ vorgeformte Schutzgut vgl. Griller, ZfV 1983, 11 ff. (zur dt. Disk. ebd., 109, 112 Sp. 2). Zu internat. GRen s. Wiesbrock, ebd., S. 5, 19 ff., 253. 1420 So Erichsen, Jura 1997, 86 f., u.H.a. Dietlein, S. 78 f. A.A.ojjb. /sensee, HStR V § 111 Rn. 94, der jedf. keine Diff. nach den Adressaten d. Schutzpflicht vornimmt u. damit wohl a. den Gesetzgeber anspricht; ders., Ambivalenz, S. 3 ff.; ders., Kriele-FS, S. 11; Blumenwitz, Beitrittsverhandlungen, S. 50; Th. Groß, JZ 1999, 330 Sp. 2; ausdr. a.A. Sass, S. 403 ff.; Aussem, S. 123; Mampel, DVBI. 1994, 1054; Ladeur, S. 32; Remmert, DV 29 (1996), 483; Uechtritz, NVwZ 1996, 643; Tsai, S. 189 ff., 217 These 29 a.E.; AKU-Steiger 02/057 Rn. 199 (s. aber a. ebd., 058 f. Rn. 201 f.); Buhck, S. 129, 138, 140 f.; Preschet, DÖV 1998, 46 Sp. 1; De Wall, Der Staat 38 (1999), 397. F. eine (vorsichtige) Übertragung d.Rspr.d. BVerfG zu Art. 2 /1 GG auf Art. 14 I GG immerhin Steinberg, NJW 1984, 458 f. (ohne diese Vorsicht nunmehr ders., NJW 1996, 1988 Sp. 1 ["unproblematisch"]); Bothe, NVwZ 1987, 945 Sp. 2. F. eine Schutzpflicht zugunsten des Mieters aus Art. 14 GG Badura, in: Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 3. Abschn. Rn. 50. Vorsichtig ("dürfte" u. eher im Sozialstaat!. Kontext [Sorge f. eine "gleichmäßigere Vermögenslage"]) J/P-Jarass Art. 14 Rn. 24 ("Schutz- und Förderpflichten"). A.A. f. die EMRK (Art. 1 1. ZP) u. Art. 5 StGG a. Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 214; Raschauer, ZfV 1999, 508 Sp. 2. S. a. das Vorbringen d. Bf. gg. die Einführung d. Euro, die mit ihrer Vb. das Unterlassen d. BReg. rügen, "die Bürger vor der Gefahr einer Währungsunion zu schützen", vgl. den Ber. "Schaden für Deutschland" in SPIEGEL Nr. 42/1997, 32, 34der "schriftsätzlich" federführende Bf. Schachtschneider spricht dort ausdr. davon, dass "[a]us jedem Grundrecht ... eine Schutzpflicht [folgt]", welche die BReg. schon heute zum Handeln verpflichte u. nicht erst, wenn der Schaden ber. eingetreten sei (s.d.a. das "Begleitbuch" narnens "Die Euroklage"). Krit. zu dieser Annahme einer "Schutzpflicht des Staates zugunsten der Preisstabilität" v. a. aus Art. 14 GG Wassermann, WELT v. 15.1.1998. Das BVerfG hat die insges. zwei Vb. gg. den Euro gern. § 24 BVerfGG als offsl. unbegründet verworfen, BVerfGE 97, 350 ff., weil der einzelne Geldeigentümer nicht das (subj.) Recht habe, diese parl. mitzuverantwortende Entsch. in einem Vb.-Verf. überprüfen zu lassen. Die zu treffenden Entsch. könnten nicht nach dem individualisierenden Maßstab eines GR beurteilt werden. Allerd. geht das BVerfG durchaus v. einer objektivrl. Pflicht zur Sicherung d. Geldeigentums aus Art. 14 I GG aus (s. insbes. 376). Die etwas später (s. F.A.Z. Nr. 78 v. 2.4.1998, 15) erhobene Vb v. Brunner (Prozessvertretung: Murswiek) hat schnell inzw. (i. E.) das gleiche Schicksal ereilt: BVerfG, NJW 1998, 3187 f. Gleiches dürfte f. die übrigen 9 Vb. gelten, die noch anh. sind (s. aber a. den "Begleitaufsatz" Rupps zu seiner Vb. -2 BvR 1877/97- Euro-/, JZ 1998,213 ff.). 1421 Vgl. Erichsen, JK 99, GG Art. 14/3, S. 2 Sp. 2. Eine Identität v. Schutz- und Ausgestaltungspflicht behauptend Steinberg, NJW 1984, 459 Sp. 1. Ähnl. ders., NJW 1996, 1989 Sp. 1.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
337
Ungeachtet der (hier nicht weiter zu erörternden bereichsdogmatischen) Schwierigkeiten einer Trennung von Schutz und "Ausgestaltung" 1423 ist jedoch zunächst festzuhalten, dass auch der Gesetzgeber sehr wohl verpflichtet sein kann, nach vorgenommener Ausgestaltung das Schutzgut Eigentum durch gesetzliche Regelungen zivil-, öffentlich- oder strafrechtlicher Art zu schützen, indem er jedenfalls sekundäre Schutznormen erlässt, die der Durchsetzung der bestehenden Eigentumsrechte dienen. 1424 Der (vollständigen) Exemtion des Gesetzgebers von Schutzpflichten aus Art. 14 I 1 GG ist daher schon aus diesem Grund nicht zu folgen. 1425 Das BVerfG geht zudem in einer jüngeren Entscheidung von objektivrechtlichen Verpflichtungen aus Art. 14 I GG aus, wenngleich diese wegen wirtschaftlicher und politischer Einschätzungs- und Prognosespielräume bei der streitgegenständlichen europäischen Währungsunion nicht subjektivrechtlich bewehrt seien: Die dort zu treffenden Entscheidungen könnten nicht nach dem individualisierenden Maßstab eines Grundrechts beurteilt werden. Der Geldeigentümer habe kein Recht, diese parlamentarisch mitzuverantwortenden Entscheidung in dem Verfahren der Verfassungsbeschwerde inhaltlich überprüfen zu lassen. Die Entscheidung sei vielmehr ausschließlich von den politischen Organen (Bundesregierung und Parlament) zu verantworten, die für eine Gesamtbeurteilung allgemeiner Entwicklungen zuständig seien und ihre Entscheidungen entwicklungsbegleitend überprüfen und korrigieren könnten. 1426 Damit hat das Gericht der Sache nach (objektive) Schutzpflichten auch für das Eigentumsgrundrecht anerkannt. 1427 Bestätigt wird dies durch eine darauffolgende Kammer-Entscheidung. 1428 1422 Krit. zu dieser Windel, Der Staat 38 (1998), 391 f., m. w.N., der einen Widerspruch zur richterl. Neutralität ausmachen will. 1423 S.d. etwa i.H.a. die Waldschäden AKU-Steiger 02/058 f. Rn. 201. Vgl.a. De Wall, Der Staat 38 (1999), 397, f. den "Einrichtungsgarantien" gerade a. der "Perpetuierung" v. Regelungskomplexen dienten, die gg. GRgefährdendes Handeln Dritter schützten. 1424 Solche Schutzpflichten (i. e.: gerichtet auf strafrl. Sanktionen) - i. R. seiner "Restfälle" - f. mögl. haltend Schwabe, Probleme, S. 230. Diese ließen sich nur nicht über den Menschenwürdekern konstruieren, sondern allenf. aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten. 1425 Zur Schutzpflicht d. Verordnungsgebers (neben Art. 2 Il GG) aus Art. 14 GG im AtomR s. etwa BVerwG, et 1997, 376, 379 Sp. 3, 381 Sp. 2 - KWO-Il; U.v. 22.1.1997 - 11 C 7.95 - n.n.v., S. 23 d.Umdr., 11.2.b) - KWO-l/l. Vgl.a. Dimberger, S. 158 ff., 162, 322; Mampel, DVBI. 1994, 1054; K. Stern, StaatsR III/2 § 95 V 4 b S. 1734 f.; Buhck, S. 140 f. 1426 BVerfGE 97, 350 ff. (insbes. 377). F. einen "Schutzanspruch des einzelnen gegen den Staat auf ehrliches Geld" aber Haverkate, S. 223 ff. S. a.o., k)bb)(3). 1427 Zur Einordnung v. BVerfGE 89, 1, als SchutzpflichtE Diederichsen, AcP 198 (1998), 251. 22 Szczekalla
338 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Schließlich ist ein Ausschluss der Eigentumsfreiheit aus der allgemeinen Schutzpflichtfunktion inkonsequent. 1429 Eine Sonderstellung ist insoweit und nach alledem nicht anzunehmen. bb) Schutzpflicht aus Gleichheitsgrundrechten? Umstritten ist aber auch, ob aus Gleichheitsgrundrechten eine Schutzpflicht folgen kann. 1430 Dabei ist - schon angesichts der ungleichen Verteilung der "Meinungsführerschaft" - zwischen allgemeinem Gleichheitssatz und besonderen Diskriminierungsverboten zu unterscheiden: ( 1) Allgemeiner Gleichheitssatz Überwiegend abgelehnt wird eine Schutzpflicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 1 GG. 1431 Begründet wird dies damit, dass dieser BVerfG, UPR 1998, 341 ff. So f. die EMRK v. Milczewski, S. 141, die f. das dt. Recht den MStr. indes unberücksichtigt lässt (202). 1430 Dagg. bspw. Isensee, HStR V § 111 Rn. 96 (m.d. Ausn. menschenwürdewidriger Diskriminierung). Ebenso - insbes. f. Art. 14 EMRK - Murswiek, EMRK, S. 233 f., weil bürgerl. Freih. immer a. die Freih. zu willkürl. Ungleichbehandlung sei (234). lsensee, a.a.O., Rn. 127, erwägt indes f. (indirekte) Inländerdiskriminierungen eine "Schutzpflicht" (Afz.i.O.) i. w. S., deren "Legitimationsgrund ... die Verantwortung der Bundesrepublik ... für die Folgen ihrer Mitgliedschaft in einem supranationalen Verband" sei (s.d.u., Dritter Teil, I.). Tend. a.A. sogar f den allg. Gleichheitssatz offb. Kirchhof, HStR V § 124 Rn. 112 f. (zum gleichen Schutz), 258 (allg.). A.A. jedf f die bes. Gleichheitsgarantien Sachs, HStR V § 126 Rn. 122 - ebenso ders., NJW 1989, 556 Sp. 1. A.A. nur f die bes. Gleichheitsgarantien, da dem Art. 3 I GG kein "abstrakte[r] Wert" entnommen werden könne, Dietlein, S. 84 ff. (84)- ebenso Erichsen, Jura 1997, 85, 87 Sp. 1. Gänzl.a.A.ojjb. Unruh, S. 75; Ossenbühl/Ritgen, DVBI. 1999, 1307 f. (Schutzpflicht ggü. einer - allerd. ausschließ!. v. Staat herbeigeführten - "Wettbewerbsungleichheit"). Die Erstreckung d. Schutzpflicht auf Gleichheitsrechte jedf. f. "begründbar" haltend, letztlich wg.d. Unmöglichkeit, ihre Ausweitung auf sämtl. grl. Regelungsber. "einzudämmen", aber- zumindest f. das v. ihm untersuchte Phänomen "indirekter Inländerdiskriminierungen" - abl. Hammer!, S. 194 (dort a. zur hier favorisierten "abwehrrechtlichen Lösung", s.a.u.u. Dritter Teil, I.). F. die Erstreckung d. Schutzes auf Gleichheitspositionen aus öst. Sicht K. Korinek/Holoubek, S. 131 m.Fn. 390. F. eine Schutzpflichttauglichkeit d. - v. ihm allein als GleichheitsRe verstandenen- GFen Kingreen, S. 189 f., 192 ff. 1431 S. nur Dietlein, S. 84; Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 1; Canaris, AcP 184 (1984), 236 Fn. 113. A.A. Aussem, S. 104 f., 109 ff.; Bezzenberger, AcP 196 (1996), 401 ff. (zust. Ende, S. 18 m.Fn. 48); ebenso a.A.offb. Unruh, S. 75. Eine Erstreckung d. Schutzpflicht auf die Wahrung d. Gleichheitsgrds. immerhin erwägend Hasso Hofmann, JZ 1986, 255 Sp. 1. Diff. i.H.a. die "Intensität" d. "Ausstrahlungswirkung" J/P-Jarass Art. 3 Rn. 10, 55, 55a, 76, 83. Bei Beachtung d. 1428 1429
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
339
Vorschrift insoweit kein der Verletzung durch Private zugänglicher objektivrechtlicher Gehalt entnommen werden könne, als es um den Grundsatz der Rechtsetzungs- und Rechtsanwendungsgleichheit gehe. Die "Gleichheit vor dem Gesetz" komme daher nicht als schutzfähiges Rechtsgut in Betracht. Darüber hinaus gehe es nicht um den Schutz "besonders hochwertige[r] Schutzgüter wie das menschliche Leben oder die Integrität des menschlichen Körpers". 1432 Es ist jedoch fraglich, ob man mit dieser Begründung schon eine Schutzpflichten-Untauglichkeit des Art. 3 I GG begründen kann: Versteht man den allgemeinen Gleichheitssatz (auch) als (allgemeines) Willkürverbot, dann kann er - über seinen objektivrechtlichen Gehalt - den Staat durchaus verpflichten, vor (privater) Willkür zu schützen. Natürlich sind etwaige Schutz-Eingriffe vor der Privatautonomie insbes. aus Art. 2 I GG zu rechtfertigen.1433 Privatautonomie bedeutet - allerdings in Grenzen - immer auch Freiheit zur Willkür. 1434 Denn der freiheitliche Staat lässt, so heißt es jedenfalls vielfach, 1435 seine Bürger Zwecke verfolgen, die er sich selbst versage und aus verfassungsrechtlichen Gründen versagen müsse. 1436 Die konkrete Bestimmung dieser Grenzen obliegt dabei grundsätzlich dem schützenden Gesetzgeber. 1437 Eine Untauglichkeit des Art. 3 I GG als Basis subj. Interessen bej. Bleckmann, DVBI. 1988, 946 Sp. 2. Die Erstreckung "[s]trukturell" f. "nicht ausgeschlossen" erachtend Dreier-Heun Art. 3 Rn. 58. Aufschlussreich ist insow. a. der Umstand, dass Art. 3 GG selbst bei Schwabe eine Sonderstellung einnimmt, s. z. B. in: Drittwirkung, S. 149 ff., 157 f.; AöR 100 (1975), 442; Probleme, S. 211 Fn. 3; AcP 185 (1985), 2. Damit kommt er (a.) hier zu den gleichen Ergebnissen wie die h.M. (s. Probleme, ebd.). Offener aber die abwehrrl. Lösung v. Griller, ZfV 1983, 118 f. 1432 Hammer[, S. 194. 1433 S. etwa Th. Schilling, S. 517 ff.; P.K. Meyer, S. 372 ff.; v. Münch, S. 28 ff. (lnsbes.) F. das öst. Recht vgl. Griller, ZfV 1983, ll4 ff.; JBI. 1992, 206 f.; 299; K. Korinek/Holoubek, S. 134 ff. (135). 14 34 Vgl. nur Tomuschat, Schlochauer-FS, S. 711 f.; Murswiek, EMRK, S. 234; Haverkate, S. 251, 256; K. Korinek/Holoubek, S. 135 f.; H. Dreier, Jura 1994, 510 f.; Hager, JZ 1994, 377 f.; K. Hesse, § 11 Rn. 354; Bezzenberger, AcP 196 (1996), 401 f., 403 f., 408 f.; Roellecke, NJW 1996, 3261 Sp. 2; lsensee, Kriele-FS, S. 12 f.; Timme, ZAR 1997, 135 Sp. 2; Th. Groß, JZ 1999, 331 Sp 1. S.a. P. Kirchhof, KAS-AI 08/97, 12, 23, sowie - f. Irland- Kelly, S. 716 (unter Rückgriff auf die dt.Disk. in Fn. 20). 1435 Nimmt man den Rückbezug allen staatl. Handeins auf jeden Einzelnen ernst, gibt es allerdings keine eigenen, .,autonomen" Zwecke, die sich der Staat selbst setzen kann, sondern immer nur versch. Wege, den gen. Rückbezug i. R. seines Gestaltungsspielraums zu verwirklichen! 14 36 Vgl. Schlink, EuGRZ 1984, 464 Sp. 1; Griller, JBI. 1992, 211 Sp. 1; 299 Sp. 2; dens., ZfV 1983, 118 Sp. 2. F. die GFen, die er ausschließ!. als GleichheitsRe versteht, a. Kingreen, S. 199. F. GRe u. GFen P.K. Meyer, S. 373. 1437 Vgl. etwa Timme, ZAR 1997, 135 Sp. 2. 22*
340 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
für einen Schutz vor überbordender privater Willkür (sozusagen "Willkür im Übermaß") lässt sich deshalb jedenfalls nicht generell annehmen. 1438 Zuzugeben ist allerdings, dass ein (definitives) subjektives Recht auf Schutz vor privater Willkür nur in Extremsituationen bestehen dürfte. Zu denken ist etwa an eine Differenzierung 1439 zwischen Fällen, in denen subjektive Präferenzen ganz im Vordergrund stehen (dürfen und müssen) - insbes. im Bereich der Intimsphäre -, und solchen, in denen eine strengere Sachlichkeits-, ggf. auch eine echte Verhältnismäßigkeitsprüfung 1440 möglich ist, etwa im Bereich des Arbeitsrechts (Stichwort: arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz). 1441 Eine Differenzierung der Grundrechte nach "besonders hochwertigen" und sonstigen "hochwertigen" oder gar "minderwertigen" kommt ferner von vomherein nicht in Betracht. Sie würde eine Wertrangordnung suggerieren, die es in abstracto jedenfalls nicht gibt. 1442 Relative Vorrangrelationen sind demgegenüber denkbar und auch notwendig. Sie sind aber im Einzelfall im Rahmen einer Abwägung aufzustellen. 1443 Eindeutig schutzpflichttauglich ist der allgemeine Gleichheitssatz ferner dann, wenn und soweit man besondere Diskriminierungsverbote "nur" als besondere Ausprägungen eben dieses Gleichheitssatzes ansieht. 1444 Hier wird nämlich überwiegend von einer grundsätzlichen Schutzpflicht-Tauglichkeit ausgegangen. Weiter kann in einzelnen, speziellen Bereichen der allgemeine Gleichheitssatz durchaus herangezogen werden, um Schutz1438 S.ber.- wenn a. sehr vorsichtig- Griller, ZfV 1983, 114 ff. (118 f.). I.Ü. hat bspw. das ZivR schon seit langem eigenständige Gleichbehandlungsgebote (u. Diskriminierungsverbote) entwickelt, s.d. nur Griller, ebd., 116; Götz, in: Heyde/ Starck, S. 68 ff., jew.m.z.N.: Wirkl. Einbrüche durch Art. 3 I u. III GG seien desh. nicht eingetreten (S. 68: "kontinuierliche Entwicklung ... , die in der gleichen Zielrichtung verläuft"). 1439 I.S. einer relativen Vorrangrelation. 1440 Bei einem Verständnis v. Art. 3 I GG als ("normalem") AbwehrR. 1441 Ähnl. die Diff. bei Bleckmann, DVBI. 1988, 946 Sp. 2. Auf eine "extreme[ ... ] Störung des Kräftegleichgewichts" abst. Griller, ZfV 1983, 114 ff. (118 f. [119 Sp. 2])- zum arbrl. Gleichbehandlungsgrds. s. ebd., Fn. 138 m.w.N. 1442 Vgl. etwa König, S. 233; H. Dreier, S. 22; Koch, in: Erbguth u.a., S. 19 ff.; Ossenbühl, in: Erbguth u. a., S. 30; P. Kirchhof, DVBI. 1999, 641 Sp. 2. S. a.u., ff). 1443 S. wiederum König, S. 233 ff.; Koch, in: Erbguth u.a., S. 11, 19 ff.; Ossenbühl, in: Erbguth u. a., S. 33; Schubert, S. 382 ff. Zum Arbeiten mit "Vorzugsregeln" im Einzelfall zul. im Schutzpflicht-Kontext etwa BVerfGE 99, 185, 196 ff. (196). S.a.u.u. o)ff). 1444 Offen gelassen f. das Verhältnis v. Art. 10 Il, 12 II berlV (betr. das Verbot d. Benachteiligung wg.d. sex. Identität bzw. den Anspr. auf Schutz vor Diskriminierungen v. auf Dauer angelegten Lebensgem.) u. den (allg.) Gleichheitssatz aus Art. 3 (/) GG berlVfGH, NVwZ-Beil. 4/1998, 41, 43 Sp. 1 - Neues Antragsveif. bei neuem Aufenthaltszweck (Führen gleichgeschlechtl. Lebensgem.).
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
341
pflichten zu begründen, so etwa bezogen auf den wirtschaftlichen Wettbewerb.1445 Schließlich darf auch angenommen werden, dass selbst dem allgemeinen Gleichheitssatz ein Menschenwürdekern zukommt, so dass die eindeutige, auch textliche Schutzpflicht aus Art. 1 I 2 GG für eine Schutzpflicht-Tauglichkeit des Art. 3 I GG, wenn auch insoweit nur in Extremsituationen, spricht. 1446 (2) Besondere Diskriminierungsverbote
Anders, d.h. wesentlicher unproblematischer, wird dagegen die Ableitung von Schutzpflichten aus den besonderen Diskriminierungsverboten des Art. 3 l/ 1447 und III GG 1448 gesehen: Hier gebe es eine "objektive Wertentscheidung ", die Grundlage für entsprechende Schutzpflichten sein könne.1449 Dies wird v. a. im Bereich des Minderheitenschutzes 1450 bzw. des Schutzes vor ethnischer Diskriminierung oder des Schutzes vor Benachteiligungen wegen Behinderung relevant und kann dort zu Schutz-Eingriffen in andere Grundrechte führen. 1451 So wird in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur ohne weiteres davon ausgegangen, dass etwa das Differenzierungsverbot des Art. 3 III GG ein wesentlicher Teil der Wertordnung des Grundgesetzes sei. 1452 In diese Richtung etwa Ossenbühl/Ritgen, DVBl. 1999, 1307 f. Vgl.d. etwa Schwabe, Probleme, S. 211 Fn. 3, 229. Ähnl. jetzt der Ansatz v. BGH, JZ 1999, 514, 516 Sp. 2 - Erbunfähigkeitsklausel im Hause Preußen, m.zust.Anm. Schmoeckel, ebd., 517 f. (allerd. konkret f. Art. 3 lii GG). 1447 Zur - verspäteten - schutzrl. Deutung d. Art. 3 II u. l/1 GG im EG-rechtl. Kontexts. Brüggemeier, ZEUP 1998, 754 m.Fn. 6, 756, m. w.N. 1448 Vgl.d. Höfling, KritV 1998, 103 f., m.w.N. 1449 Vgl. nur Canaris, AcP 184 (1984), 235 ff.; Bleckmann, DVBl. 1988, 945 f. (946 Sp. 2); Aussem, S. 104 f., 111 ff.; Bezzenberger, AcP 196 (1996), 407 ff.; C.J. Müller, S. 79, 85 ff., 271; Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 1, jew.m. w. N. Aus öst. Sicht s. etwa K. Korinek/Holoubek, S. 143 Fn. 462 a. E. m. w. N. 1450 Nach bbgVerfG, DVBl. 1999, 34 ff. (insbes. 40), soll die einschl.Vorschr.d. Art. 25 I bbgV nur ein Staatsziel u. anders als die Schutzpflicht nicht einer Subjektivierung zugänglich sein. 1451 Zu unverhältnismäßigen Schutz-Eingriffen in die Meinungs-, Presse- u. Informationsfreih. i.d.Z. s. aber v. Münch, WELT v. 3.7.1997, der v.a. die diesbzgl. "politisch töricht[e]" p.c. geißelt (u.H.a. ein - sow.ersl. - unveröff. Rechtsgutachten v. Helmut Sirnon f. den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma aus dem Jahr 1993, in welchem dieser die Auffassung vertritt, dass der Gesetzgeber kraft seiner Schutzpflicht zugunsten d. Volksgruppe d. Sinti u. Roma jedf. berechtigt sei, Einschränkungen d. Meinungs- u. Pressefreih. vorzunehmen). Krit.a. Roellecke, NJW 1996, 3261 f. 1452 Jüngstes Bsp. aus der Rspr.: BGH, JZ 1999, 514, 516 Sp. 2. 1445
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342 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Neuerdings 1453 wird in diesem Zusammenhang auf rechtspolitischer und auch auf europäischer 1454 und mitgliedstaatlicher1455 - Ebene über die Einführung besonderer Gesetze zum Schutz vor Diskriminierung u. a. wegen der sexuellen Orientierung bzw. ldentität 1456 diskutiert. 1457 Der 1453 Zum i.E. (bisher immer noch) erfolglosen Entwurf eines (allg.) AntidiskriminierungsG (ADG) d. BT-Frakt. BÜNDNIS 90/D/E GRÜNEN s. nur WELT v. 25.7.1997 (dpa), betr. Anspr. auf Schadensersatz u. Schmerzensgeld (mind. 500 DM) v. bspw. Behinderten, Ausländern u. Homosexuellen bei ungerechtfertigter Benachteiligung, die Schaffung eines VerbandsklogeR sowie die Schaffung eines (Bundes-) Anti-Diskriminierungsbeauftragten. Vgl. nunmehr BT-Drs. 13/9706 v. 20.1.1998 ("Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierungen und zur Stärkung von Minderheitenrechten (Antidiskriminierungs- und Minderheitenrechtsgesetz)"), mit dem ADG als Art. 2. Der Entwurf wurde vom BT am 30.4.1998 an den (federführenden) Rechtsaussch. überwiesen u. ist desh. dem Diskontinuitätsprinzip anheimfallen. Gleiches gilt f. den "Entwurf eines Gesetzes zum Eintritt des hinterbliebenen Haushaltsangehörigen in den Mietvertrag", BT-Drs. 13/9961 v. 18.2.1998. 1454 S. etwa Entschl.d. EP v. 8.2.1994- A3-0028/94- zur Gleichberechtigung v. Schwulen u. Lesben i.d. EG, ABI. C 61 v. 28.2.1994, 40 ff. = BT-Drs. 1217069 v. 10.3.1994 u. BR-Drs. 177/94 v. 3.3.1994. N.d.s.u.u. B.IV.2.b)cc). 1455 Rvgl. Waaldijk, in: ders./Clapham, S. 77 ff., 105 ff.; Mancini/O'Leary, (1999) 24 E.L.Rev. 349 m.Fn. 90. Zur frz. Disk. vgl. inbes. Fassin, MD, Juin 1998, 22, sowie die Beitr. in Liberation v. 20.6.1998. Zum katalan. (Regional-) Gesetz zur Gleichstellung verheirateter u. unverheirateter Paare unter Einschluss homosex. Beziehungen s. taz Nr. 5571 v. 2.7.1998, 11 (AFP). Zum (parteipol.) Streit um Rechte f. Homosexuelle in Italien aufgr. mehrerer krit. Äußerungen d. Papstes s. StZ v. 2.7.1998. Dort hat z.B. nach Pisa nunmehr a. Florenz "Homo-Ehen" anerkannt u. Eintragungen in das Standesamts-Register ermöglicht, s. taz Nr. 5589 v. 23.7.1998, 11 (AFP); 5591 v. 25.7.1998, 8 (dpa). Zur Disk. in den NL nach einer einschl. Entsch.d. H.R. (Fall Karman/Van Geest) s. Hetzet, WELT v. 11.9. bzw. 30.10.1997, betr. die Abi. einer "Vaterschaft" f. lesb. Mütter- zu den vielfachen u. "multipolaren" GRprobl. in solchen Fällen s. demggü. anschau!. KomMR, DR 74, 120 ff. (M/NL) - Samenspende f lesb. Paar u. ZugangsR d. biolog. Vaters zum Kind (zu einem ganz ähnl. Fall - "kein[es] Anonymus von der Samenbank" - s. SPIEGEL Nr. 3411996, 128: "Niederlande. Homo sucht Leihmutter. Ein neues Gesetz soll Ehen zwischen Gleichgeschlechtlichen ermöglichen"). 1456 Ob diese ber.v. Art. 3 I GG erfasst wird, hat der berlVfGH i.H.a. das Verhältnis dieser Vorschr. zu Art. /0 II, 12 II berlV (betr. das Verbot d. Benachteiligung wg.d. sex. Identität bzw. den Anspr. auf Schutz vor Diskriminierungen v. auf Dauer angelegten Lebensgem.) offen gelassen, NVwZ-Beil. 411998, 41, 43 Sp. 1. 1457 S. z. B. den Entwurf eines GleichbehandlungsG d. SPD-BT-Frakt., F.A.Z. Nr. 60 v. 12.3.1998, 5 (BT-Drs. 13110081 v. 9.3.1998 - "Entwurf eines Gesetzes zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes des Artikels 3 GG"), demzufolge u. a. Verbände, zu deren Aufgabe die Förderung d. Gleichbehandlung gehöre, Privatpersonen ahmahnen können, wobei es sich um eine aus dem WettbewerbsR bekannte zivrl. Sanktion handelt (Art. I § 7 l/), sowie die ER-Initiative d. Länder SH u. Nds. sowie Hmb. zur Einführung eines "Rechtsinstituts ,Eingetragene Partnerschaft' für gleichgeschlechtliche Paare" (BR-Drs. 544/98 v. 4.6.1998 [SH u. Nds.] u. 555/98 v. 12.6.1998 [Hmb.]). Krit. zum Entwurf d. SPD-BT-Frakt. K. Adam,
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
343
Sache nach hat das BAG bereits einmal einen solchen Schutz über eine grundrechtskonforme Auslegung des § 242 BGB, allerdings "nur" anband von Art. 2 I GG, gewährt. 1458 Schließlich gewinnen die besonderen Diskriminierungsverbote im Zusammenhang mit Schutzpflichten aus anderen Grundrechten Bedeutung, 1459 so dass ihre Schutzpflicht-Relevanz nicht mehr ernsthaft bestritten werden dürfte. 1460 Ganz im Gegenteil wird mitunter trotz Betonung der Privatautonomie insbes. im Bereich der Testierfreiheit von einem ansonsten bestehenden "Vorrang" des Verbots ethnischer Diskriminierungen gesprochen. 1461 Jüngst hat der BGH demgegenüber - unter Rückgriff auf die "Wertordnung des Grundgesetzes", aber ohne ausdrücklichen Rekurs auf Schutzpflichten1462 - die Testierfreiheit nach einer Abwägung dann für relativ vorrangig gehalten, wenn die an sich nach Art. 3 1/1 GG 1463 verbotene Diskriminierung vom Erblasser nicht final bewirkt 1464 worden sei, sondern vielmehr F.A.Z. Nr. 72 v. 26.3.1998, 41, der (zutr.) auf das (einzige) dem (bes.) Schutz d. Ehe zugrundliegende (staatl.) Anliegen abstellt, näml. den Schutz v. Kindern. Zul. hat der hmbSenat als "symbolischen Akt" die Einführung einer "standesamtlichen Eintragung" mit "Partnerschaftsbuch" etc. beschlossen, s. FR v. 26.8.1998 (dpa). 1458 BAGE 77, 128, 132 ff. - Kündigung i.d. Probezeit wg. Homosexualität. In BAG, NJW 1998, 1012 ff. - Kein Ortszuschlag f Homosexuellen, kam es auf die Frage nicht an, ging es doch erstens um den öffentl. Dienst (wenn a. um eine tarifvertragt Regelung) u. zweitens um Vergünstigungen, die nur Verheirateten zugute kommen sollten (s.d.a. BVerfG. BayVBl. 1999, 626). A. - u. insow. verfehlt EuGHE 1998, 1-621, 646 ff. Rn. 25 ff. (Grant/South-West Trains Ltd) - Diskriminierung wg. sex. Orientierung-/ (Keine Fahrpreisennäßigung f lesb. Lebenspartnerin) = EuZW 1998, 212, m. (a.insow.) krit.Anm. P. Szczekalla, a. a. 0., 215 f. = ELR 1998, 99 (Pelzt)= JZ 1998, 724, m. (allerd. nicht insow.) krit.Anm. Giegerich, ibid., 726 (727 f. m.Fn. 20) = Ehlers, JK 99, EGV Art. 11911 = 93 AJIL 1999, 200 (Helfer) = SEW 1999, 67, m.Anm. Prechal/Senden, ebd., 69 f.= 36 CML Rev 1999, 1043 (Mc/nnes). S.d.a. Cirkel, NJW 1998, 3332 f. Krit. zur seiner Ans. nach überflüssigen Bezugnahme auf die Judikatur v. EuGHMR/KomMR u. MRA in diesem Fall E. Klein, GRverständnis, welcher der Entsch. i. E. gleichwohl zustimmt, weil insow. keine Kompetenz d. Gern. bestehe u.a. das Subsidiaritätsprinzip zu beachten sei ("akzeptabel entschieden"). 1459 Zul. etwa BVerfGE 97, 169, 179, betr. Art. /2 I GG u. den Schutz vor willkürl. Kündigungen (vgl.d.a. Otto, JZ 1998, 853 Sp. 2. 855). 1460 Ein legitimes Ziel d. priv. Diskriminierenden u. die Verhältnismäßigkeit d. Diskriminierung verlangend Clapham/Weiler, in: Waldijk/Clapham, S. 57. 1461 So Bezzenberger, AcP 196 (1996), 433. Dem widerspricht es, wenn er an anderer Stelle v. einem "flexiblen Schutzauftrag" aus Art. 3 /// GG spricht (409). Zu restr. am Bsp. ausländerfeindl. motivierter Gaststättenverbote Timme, ZAR 1997, 135 Sp. 2 - s.d.a. Stock, ZAR 1999, 118 ff. Weitergehend Robbers, HVR § 11 Rn. 16, 91, der insow. aber wohl schon die Menschenwürdegarantie f. einschlägig hält. 1462 Gleichwohl unter Zitierung d. Lüth- u. d. 1. BürgschaftsE d. BVerfG. E 7, 198, 206 u. 89, 214, 229. 1463 Daneben spielte a. die Ehepartnerwahlfreih. (Art. 6 I GG) eine Rolle.
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andere Ziele verfolgt werden würden, nämlich die aus Anlass des Erbfalles erforderlich werdende Regelung der Vermögensverhältnisse und sonstiger sachlich damit zusammenhängender Fragen, hier: die "traditionsgemäße" Fortführung des Nachlasses. 1465 Diese Entscheidung macht jedenfalls deutlich, dass auch unter Annahme von Schutzpflichten aus dem Gleichheitssatz Raum für die VeJWirklichung privater Gestaltungswünsche bestehen kann, diese durch Grundrechte und Schutzpflichten nicht etwa abgeschnürt werden. Damit dürfte deutlich geworden sein, dass von einer generellen Schutzpflicht-Untauglichkeit der (allgemeinen und besonderen) Gleichheitssätze nicht die Rede sein kann. Einzelheiten bedürfen natürlich der abwägenden Entscheidung im Einzelfall, 1466 und zwar tendenziell noch mehr als bei den übrigen Schutzpflichten. Eine Sonderrolle folgt daraus jedoch nicht. cc) Schutzpflicht für Verfahrensgarantien und grundrechtsgleiche Rechte? Nicht einzusehen ist auch, warum nach Ansicht eines Teils der Literatur1467 Verfahrensgarantien bzw. Prozessgrundrechte wie Art. I9 IV, 10I, 103 (I) und 104 GG außerhalb des Anwendungsbereichs der grundrechtliehen Schutzpflichten bleiben sollen. 1468 Immerhin sind Situationen denkbar, in denen die Wahrnehmung solcher Garantien nicht durch staatliche Organe, sondern durch Private behindert wird - eine gleichsam "klassische", schutzpflichtentypische Gefährdungslage! 1469 Vorstellbar sind jedenfalls (verbale oder sogar tätliche) Übergriffe gegen Strafverteidiger, die diese u. U. zur Mandatsniederlegung veranlassen können. 1470 Die angeblich 1464 Darin kann eine Entsprechung zum finalen Eingriffsbegr. gesehen werden, wenn man das GleichheitsR als AbwehrR versteht. 1465 BGH, JZ 1999, 514, 516 f. 1466 Ebenso P. K. Meyer, S. 374 f. (f. GFen ebd., S. 339 ff.). 1467 S. z. B. Dimberger, S. 157 (Art. 101 1 1, 102, 103 11, 111, 104 GG), 162; 1sensee, HStR V § 111 Rn. 96; Eriehsen, Jura 1997, 87 Sp. 1, jew.m.w.N. Aus vrl. (mrl.) Sicht a. J. Wolf, S. 266. 1468 Dagg. zu Recht Lagodny, S. 270 f. Zur Disk. bei den intemat. GRen Wiesbroek, S. 20 ff. 1469 I.Z.m. Art. 6 1 EMRK diese Konstellation als Drittwirkungsprobt ansehend Kersehner, JBI. 1999, 695. Zur priv. Manipulationsgefahr ("Rechtswegerschleichung") i.H.a. die Garantie des gesl. Richters aus Art. 101 1 2 GG in den sog. sie non-Fällen bei einer Zusammenhangsklage nach § 2 111 ArbGG s. die KE BVerfG, EzA-SD 1999 Nr. 20/4, 7 f. - Zust.d. ArbGer. in sie non-Fällen = LO-E 522/EzA 322 1/2000 ArbGG 1979 § 2 Nr. 47, S. 3. "[G]leichgültig" sei, "von welcher Seite die Manipulation ausgeht" (S. 4 m. w. N.). 1470 Sow.ersl., ist dies in Dtsehl. noch nicht vorgekommen. Anders aber bspw. i.d. Türkei im Zuge d. Strafverf. gg. den PKK-Führer Öealan, vgl.d. die prozessleitenden Ao. einer K.d. EuGHMR v. 23.2.1999 (Öcalan/T), PM Nr. 106 v. gleichen
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
345
ausschließliche Staatsgerichtetheit der genannten Normen 1471 taugt insoweit gerade nicht als Gegenargument Ob man in solchen Konstellationen allerdings tatsächlich auf den Schutzpflicht-Gehalt von Prozessgrundrechten oder Verfahrensgarantien abstellen muss, oder statt dessen gleich auf das dem jeweiligen Verfahren zugrundeliegende Recht selbst bzw. auf die Berufsfreiheit (oder gar Leben und Gesundheit) der Verteidiger zurückgreift, ist eine Frage, die nicht die prinzipielle Schutzpflicht-Tauglichkeit, sondern die Grundrechtskonkurrenzen betrifft. 1472 Geht man aber von einer Eigenständigkeif von Verfahrenspositionen aus, die selbständig bewehrt sind, so wird man jedenfalls nicht umhinkommen, ihnen auch Schutzpflicht-Tauglichkeit zu attestieren. 1473 Gleiches gilt für die meisten anderen grundrechtsgleichen Rechte. 1474 Evident ist dies vor allem für den Schutz des Wahlrechts aus Art. 38 GG, 1475 zu dem im Übrigen eine einschlägige, wenn auch nicht ausdrückliche Schutzpflicht-Rechtsprechung des BVerfG vorliegt, 1476 die allerdings im Schutzpflicht-Kontext überwiegend nicht zur Kenntnis genommen wird. 1477 Das mag damit zusammenhängen, dass es beim Wabirecht auch um ein staatliches "Eigeninteresse" an der Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze zwecks demokratischer Legitimation geht und dass es zur Einhaltung dieser Bestimmung auch ein eigenes verfassungsgerichtliches Wahlprüfungsverfahren mit ganz eigenen Regeln gibt. 1478 Daneben wird der Schutz des subjektiven Wahlrechts von den Verwaltungsgerichten und- aus prozessualen Gründenvom BVerfG bisher nicht wirklich ernst genommen. 1479
Tage= EuGRZ 1999, 107 f. (s.a. ZE v. 23.2.1999 [S III] - 46221199 [Öca1an/T]). Am 4.3.1999 wurden dann vorl.Maßn. nach Art. 39 VerfO EuGHMR beschlossen, s. LN. No. 4 (March 1999) = NJW 1999, 1167 f., betr. u.a. den ungestörten Zugang zum Anwalt. Vgl.a. LN. No. 5 (April 1999); EuGHMR (S 1), Ao.v. 30.11.1999, PM Nr. 683 v. 30.11.1999 (nach Best.d. Todesurt.). 1471 So aber Erichsen, Jura 1997, 87 Sp. 1. 1472 Bei der Berufsfreih. dürfte es jedf. v. vornherein ausscheiden, dass sich der Mandant auf diese berufen kann. 1473 Die Möglichkeit einer mittelbaren Schutzgutsverletzung durch Priv. konzedierend Wiesbrock, S. 20 (f. intemat. MRe). 1474 Gemeint sind: Art. 20 IV, 33, 38 GG. 1475 0. nähere Begr. eine Schutzpflicht annehmend Lagodny, S. 270 f. 147 6 S.ber.o., A.III.2.b)ee)(6). Vgl.a. die Einordnung d. Schutzes d. Geheimheit d. Wahl als Fall positiver Pflichten bei Nowak, IPbürgR Art. 25 Rn. 28 a.E., 30, u. s.a. Griller, JBI. 1992, 216 Fn. 73. 1477 So a. nicht v. Lagodny, S. 270 f., der aber immerhin eine Schutzpflicht für das W ah1R befürwortet. 1478 Immerhin zeigt die MaastrichtE - f. viele ein wenig überraschend - die potenzielle grl., durch die Vb. bewehrte "Hebelwirkung" d. Art. 38 GG in EG-bezogenen GRfragen auf, BVerfGE 89, 155, 155 Ls. 1, 171 ff. S.d. Pechstein, DÖV 1998,570 f.
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Allein Art. 103 II und Ili GG (gesetzliche Bestimmtheit von Strafgesetzen; ne bis in idem) sind, legt man ihren Wortlaut zugrunde, in der Tat schutzpflichtuntauglich. Wenn und soweit sie sich ausschließlich an die staatliche Strafgewalt richten, bleibt kein Anwendungsbereich für einen Schutz gegenüber Privaten. Es gibt dann kein Grundrechtsgut, das durch Dritte beeinträchtigt werden könnte und vom Staat geschützt werden müsste. Anders sieht dies allerdings dann aus, wenn man ihren Anwendungsbereich auf private Sanktionen erstreckt. Einer solchen Erstreckung bedarf es indes nicht, weil insoweit immer Einzelgrundrechte betroffen sind und deren Schutzfunktion einschlägig ist.
dd) Schutzpflicht aus Art. 2 I GG? Gelegentlich werden Bedenken dagegen geltend gemacht, dass auch aus der allgemeinen Handlungsfreiheit gern. Art. 2 I GG Schutzpflichten folgten. 1480 Diese Bedenken richten sich zunächst nicht gegen die aus Art. 2 I GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 1 I GG im Wege der Grundrechtsauslegung abgeleiteten besonderen Freiheitsrechte, etwa das allgemeine Persönlichkeitsrecht 1481 oder das Recht auf informationeile Selbstbestimmung, 1482 welche seit langem insbes. über das zivile Deliktsrecht einen 1479 S. P. Szczekalla, NdsVBI. 1999, 138 f., m. w.N. (betr. Wahlen auf kommunaler Ebene u. die Anknüpfung an Art. 3 I GG ). 1480 S. nur Schwerdtfeger, NVwZ 1982, 10; Jarass, AöR 110 (1985), 369 f.; Manssen, S. 195 (betr. Organisations- u. Verfahrensregelungen); Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 5. Abschn. Rn. 23; Tsai, S. 197; Buhck, S. 138 m.Fn. 88. A.A. aber Robbers, Sicherheit, S. 195 ff. (insbes. S. 200 f.); Amdt, in: Steiner, Bes. VerwR VIII Rn. 33, 38, 234 (undeutl. aber ebd., Rn. 42); Dimberger, S. 160 f., 162, 270 ff., 322; AKU-Steiger 02/058 f. Rn. 203, 205. Einschr. Merten, S. 24 ("Teilbereiche"). S.a. Hellermann, S. 199 f., der auf die an sich zwingende Konsequenz d. Einbeziehung a. des Art. 2 I GG in den Kanon schutzpflichtfähiger GRe hinw., der aber u.a. aus Gründen d. Gewaltenteilung u.d. Demokratieprinzips - allerd. f. Abwehr- u. Schutzfunktion d. GRe gleichermaßen - eine "negative Seite der Freiheitsrechte" u. damit Ietzt!. a. d. allg. Handlungsfreih. ab!. (s. 218 ff., 241 ff.). F. den Schutz der natürl. Lebensgrdl. im Regelfall ab!. Hoppe, in: Erichsen u. a., S. 73, 83 ff. 1481 S. nur vMIK-Kunig Art. 2 Rn. 40 S. 174; Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 25. Insbes. zu Schutzpflichten i.B.a. das "Recht auf ,Person-Werden'" aus Art. 2 I GG als "verfassungsrechtliche Grundlage des Kinder- und Jugendschutzes als staatliche Aufgabe" Engels, AöR 122 (1997), 228 ff. 1482 Vgl. vMIK-Kunig Art. 2 Rn. 40 S. 174; Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 25. Dazu, dass die "externe staatliche Risikokommunikation" einer "Schutzverpflichtung aus dem ,Grundrecht auf Sicherheit' und der objektiv-rechtlichen Wendung des Rechts auf allgemeine Selbstbestimmung [ersprießt]", welches "selbständig und vermittelt über das Allgemeine Persönlichkeitsrecht neben das Schutzpflichtkonzept [tritt]" u. "versucht, auf seiten der Marktbürger die Voraussetzungen zur Wahrnehmung ihrer Grundrechtspositionen zu stützen", Pitschas, UTR 36 (Jb. 1996), S. 212.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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auch einfachrechtlichen Schutz erfahren. 1483 Die Bedenken können sich aber auch nicht gegen die Schutzpflicht-Tauglichkeit des Art. 2 I GG richten, wenn und soweit dieser für Ausländer den erforderlichen Grundrechtsschutz im Anwendungsbereich von Deutschengrundrechten bewirkt: Auch hier geht es der Sache nach um gleichsam elementaren Freiheitsschutz und nicht nur um den Schutz beliebigen Verhaltens. 1484 Schließlich dürften die Bedenken auch nicht gegen die Schutzpflicht-Tauglichkeit des Art. 2 I GG in den Bereichen gerichtet sein, in denen strittig ist, ob nicht ein anderes, spezielleres Freiheitsrecht einschlägig ist oder sein sollte, z. B. bei der Wettbewerbs- oder der Vertragsfreiheit 1485 : Die Reichweite des Grundrechtsschutzes mit seinen beiden (Haupt-) Grundrechtsfunktionen bzw. -dimensionen Abwehr und Schutz darf nicht von dieser eher technischen Vorfrage abhängig sein, zumal gerade im Verhältnis von Art. 2 I GG zu Art. 12 I 1 Gd 486 angesichts der in beiden Fällen erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung insoweit häufig Ergebnisidentität zu beobachten ist. 1487 Dies vorausgeschickt, verengt sich der Gegenstand der genannten Bedenken schon beträchtlich. Letztlich geht es "nur" noch um die Ablehnung des Schutzes eines angeblich völlig konturenlosen Rechts. 1488 Warum nun aber die allgemeine Handlungsfreiheit als solche aus dem Kanon schutzpflichttauglicher Grundrechte ausgeschlossen werden soll, wird nicht klar. Ein Ausschluss wäre auch inkonsequent, jedenfalls dann, wenn man Schutzpflichten zumindest aus allen Freiheitsgrundrechten ableiten will. 1489 Immerhin stellt die allgemeine Handlungsfreiheit ein grundrechtliches Schutzgut dar, das Beeinträchtigungen seitens Privater ausgesetzt sein kann und kontinuierlich ausgesetzt ist. 1490 Unabhängig davon, dass es sich bei diesen Beeinträchtigungen vielfach um potenzielle bzw. kalte Grundrechtsfälle handelt, ist entgegen jüngerer Strömungen 1491 nicht nur für den Bereich des "klassischen" Abwehrrechts, 1492 sondern auch für Das verkennt m.E. Dirnberger, S. 160 f. Vgl. Dietlein, S. 118 f.; Robbers, HVR § 11 Rn. 13 ff. (13, 15, 18). 1485 Zur "Schutzfunktion" d. "grundrechtlich gewährleistete[n] Privatautonomie" s. etwa (aus öst. Sicht, aber - da v. dt. [Verfassungs-] Recht beeinflusst - insow. übertragbar) K. Korinek!Holoubek, S. 135. F. eine abwehrrl. Konstruktion s. GritZer, ZfV 1983, 114 ff. (insbes. 115 Sp. 2). 1486 Zur Konkurrenz zw. Art. 2 I u. 9 GG s. AG Frankfurt a. M., SpuRt 1998, 204 f. - Ausbildungskostenersatz bei Vereinsübertritt (Jugendspieler). Beim Schutz d. Wettbewerbsfreih. auf Schutzpflichten aus Art. 12 I u. 14 I GG abst. Remmert, DV 29 (1996), 483. F. die durchgängige Anwendung v. Art. 12 I GG Tettinger, DVBI. 1999, 684- zu Schutzpflichten ebd., 686. 1487 Vgl.d. etwa Söllner, Stah1hacke-FS, S. 520 f. (521), 522 f. (523), m. w. N. 1488 l.d.S. etwa Kerschner, UTR 40 (Jb. 1997), S. 300 f., m.w.N. 1489 So etwa Heintzen, S. 156; Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 25; Ziekow, S. 589; Buhck, S. 138, den der Inkonsequenzvorwurf allerd. treffen muss. 1490 Vgl. Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 25. 148 3
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348 l. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
den der Schutzpflicht, von einem prima facie umfassenden und allseitigen Freiheitsschutz auszugehen. Jede Ausblendung von Verhaltensweisen oder Schutzrichtungen ist begründungsbedürftig und wäre willkürlich. 1493 Freiheitlichkeif erweist sich gerade auch im prinzipiellen Schutz vermeintlich profaner Tätigkeiten. 1494 Ein Bagatell-, 1495 Banalisierungs- 1496 oder Trivialitätsvorbehalt1497 ist nicht anzunehmen. 1498 Jedenfalls erweist sich der 1491 S. v.a. die abw.Mein. Grimm zu BVerfGE 80, 137, 164 ff., sowie K. Hesse § 12 Rn. 425 ff. (428), u. Häberle, ERPLIREDP 8 (1996), 12, 32 f. 1492 Ebenso auf den Schutzber.d. AbwehrR abst., dem widersprechend aber Art. 2 I GG ausklammernd, Buhck, S. 138 f. 1493 S. a. BMJ, S. 134 f.: " ... im Prinzip ist jede rechtswidrige Gerichtsentschei-
dung eine Grundrechtsverletzung ..... Die mit dem Elfes-Urteil erfolgte Subjektivierung des Gesetzmäßigkeitsprinzips macht jeden Fall objektiver Rechtswidrigkeit zu einem Grundrechtsfall und damit zu einem potentiellen Verfassungsbeschwerdefall". Ähnl. Erichsen, Jura 1996, 532. 1494 Wie z. B. dem Taubenfüttern, s.d. BVerfGE 54, 143 ff. Zum Katzenfüttern s. etwa KomMR, ZE v. 20.5.1998 (1. K)- 30469/96 (Kleis/D)- n.n.v., S. 4 f. § 2 b. 1495 I. d. S. wohl EuGHMRE 1996, 1593, 1604 § 27 III (Guillot/F) - Kindesname ("Fleur de Marie"/"Fleur-Marie") = ÖJZ 1997, 518, der v. bloßen "Unannehmlichkeiten" spricht u. desh. einen Eingriff in Art. 8 I EMRK abl. A.A. (zu Recht) gem.abw.Mein. Macdonald/De Meyer, a.a.O., 1605, sowie abw.Mein. Geus, u.A.v. Rozakis u.a. zum Ber.d. KomMR, ibid., 1606, 1612 (1612 f.). Großzügiger (als die KomMR im gleichen Fall [!]) a. MRA, V.v. 31.10.1994 (Coeriel u. Aurik/NL) insbes. § 10.5 - Religiös motivierte Namensänderung. Gg. eine Anwendbarkeit v. Art. 8 I EMRK auf die Strafbarkeit sadomasochist. Praktiken aber zust.Mein. Pettiti zu EuGHMRE 1997, 120, 136 (Laskey, Jaggard u. Brown/VK) - Strafbarkeit v. Sadomasochismus, weil "[o]n ne peut en effet donner une extension illimitee a la notion de vie privee"/"[t]he concept of private life cannot be stretched to indefinity". 1496 So Grimm, a.a.O., 168. 1497 I.S. eines "menschenrechtlichen Trivialitätsvorbehalts" auf EMRK-Ebene etwa abw.Mein. Th6r Vilhjalmsson sowie abw.Mein. Lopes Rocha zu EuGHMRE 1996, 559, 578 bzw. 582 (Remli/F) - Angebt. rassist. Bem. eines Geschworenen. Der Fall betraf immerhin ein spez. GR (Art. 6 I EMRK), u. anges.d. aus der Entsch.-Bez. ersl. Vorfalls kann eigentlich nicht davon ausgegangen werden, dass er dermaßen "trivial" war, wie es die abw.Mein. darstellen. S.d.a. S. 29 d. MRBer. I996 d. EP v. 28.1.1998 - A4-00341198, PE 224.436/end, DOC-DE/RR/344/ 344978. Mehr "Sensibilität" bewies demggü. der ARA, GA v. 15.3.1994 - 311991 (Narrainen/NW) - § 10 -Rassist. Bem. einer Geschworenen, mit seiner Empf., in Strafsachen ausr. auf die Unvoreingenommenheit d. Jury zu achten, um den Pflichten aus Art. 5 lit. a UN-Antirassismuskonv. nachzukommen (eine Verletzung wurde indes hier ebf. nicht festgestellt, § 9.5). Vgl.a. noch EuGHMRE 1997, 296, 308 ff. Rn. 43 ff. (Gregory/VK) - Angebt. rassist. Tendenzen in einer Jury, insbes. abw.Mein. Foighel, ebd., 312 f., sowie jüngst EuGHMR, ZE v. 29.6.1999 (S III) 34129/96 (Sander/VK) - n.n.v. - Angebt. rassist. Witz eines Geschworenen (die Beschw. wurde i.H.a. Art. 6 I EMRK f. zul. erkl.). 1498 Dagg. zul. zutr. Bethge, VVDStRL 57 (1998), 21 f., 54 Ls. 11.2.b), der sichsprachlich schön - gg. "elitäres Grundrechtsdenken ... vom hohen Roß des Grundrechtsästheten" wendet (s.M.). A.A. aber Knies, ebd., 150 f., der sich - i.A.a. Grimm
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
349
Charakter der Schutzpflicht als einer allgemeinen Grundrechtsfunktion bzw. -dimension auch und gerade am "Hauptfreiheitsrecht" des Art. 2 I GG. 1499 Abstufungen des definitiven Schutzes sind dabei durchaus möglich und notwendig. 1500 ee) Differenzierung zwischen zu- bzw. besitzstands- und handlungsfreiheitsverbürgenden Grundrechten Gelegentlich wird ferner allgemein danach differenziert, ob Grundrechte Zu- oder Besitzstände (z. B. Recht auf Leben und auf Eigentum) oder Handlungsfreiheiten verbürgen (bspw. Freizügigkeit, Meinungsfreiheit). Während erstere schutzpflichttauglich seien, seien letztere "kaum schutzpflichtfähig". Schutzpflichten könnten sich allenfalls auf einzelne "Ausübbarkeitsvoraussetzungen" solcher Rechte beziehen. 1501 Mit dieser Differenzierung wird eine Schutzpflichttauglichkeit auch der (aller) Handlungsfreiheiten zunächst nicht prinzipiell geleugnet. Abgesehen davon leuchtet die Unterscheidung jedenfalls nicht ohne weiteres ein: Auch "Handlungsfreiheiten" haben einen status quo, einen "Zustand" bestimmter Freiheit, der durch staatliches oder privates oder drittstaatliches Verhalten sowie natürliche Kausalverläufe beeinträchtigt werden kann. Wenn dann ein Weniger an Freiheit vorliegt, lässt sich durchaus von einer Schmälerung des "Zu- oder Besitzstandes" sprechen. 1502 Umgekehrt kann eine Eigentumsbeeinträchtigung gerade darin liegen, dass eine bestimmte Ausübbarkeitsvoraussetzung entfällt oder gemindert wird, etwa die Nutzung des Balkons oder der Terrasse im Fall (unerträglicher) Immissionen. Schließlich geht es allen Grundrechten um die "Integrität der jeweiligen Schutzgegenstände".1503 Unter diesen Schutzgegenständen kommt gerade den (Verhaltens-) Freiheiten - neben den Eigenschaften und Situationen - zentrale Bedeutung zu. 1504 Warum sie- auch nur graduell- weniger schutzpflichttauglich sein sollten, ist nicht ersichtlich. Letztlich führt die vorgeschlagene Differenzierung bei der Frage nach der Schutzpflichtuntauglichkeit bestimmter Grundrechte also nicht weiter. - gg. die "Banalisierung der Grundrechte" u. gg. einen "lückenlosen Grundrechtsschutz" i. S. d. Satzes "Das Leben ist ein Grundrechtsgebrauch" ausspricht (s.M.). 149 9 So Dimberger, S. 161, der sich aber nur eindeutig für eine Schutzfunktion d. sog. "Norninatfreiheiten" ausspricht (270 ff.). 1500 Vgl. Badura, Herschel-FS, S. 35; AKU-Steiger 02/058 f. Rn. 203 ff., u.H.a. EuGHMRE 303-C, 41 ff. (L6pez Ostra/SP); Schubert, S. 38 f. 1501 So etwa Gusy, DÖV 1996, 577. 1502 Vgl.d. genauer Alexy, Theorie, S. 171 ff., 311 f., 333 ff.; Schubert, S. 33 f. m.Fn. 174, 38 m.Fn. 202 a.E., 40, 362, 419, 427. 15°3 Vgl. nur Sachs-Sachs Vor Art. I Rn. 22. 1504 So Sachs-Sachs Vor Art. l Rn. 27.
350 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
ff) Sonstige Grundrechte, Paralleldiskussion bei der sog. Drittwirkung, "Wert(e)hierarchie" bzw. "Wert(e)rangordnung" und Zwischenergebnis Auch für sonstige Grundrechte ist nach alledem eine grundsätzliche Schutzpflichtuntauglichkeit nicht anzunehmen. Das gilt bspw. für das Verbot, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen (Art. 16 1 GG), wenn und soweit man den Schutzbereich 1505 so auslegt, dass auch privater Druck, die Staatsangehörigkeit aufzugeben, davon erfasst wird. 1506 Ansonsten muss hier auf Art. 2 1 GG zurückgegriffen werden. Ferner kann auch die Ausübung des Asylrechts (Art. 16a 1 GG n. F.) von privater Seite behindert werden und damit Schutzpflichten zugänglich sein. Gleiches gilt schließlich für das Petitionsrecht aus Art. 17 GG. 1507 In all diesen Fällen führt jedenfalls eine Unterscheidung zwischen Schutzgut und Schutzgutbewehrung1508 dazu, dass zumindest letztere schutzpflichttauglich ist. Wegen der Rückwirkung der Bewehrung auf das Schutzgut gilt dies letztlich -mittelbar - aber auch für das Schutzgut selbst. 1509 Vergleichbar mit der hier erörterten Frage nach der Schutzpflichtuntauglichkeit mancher Grundrechte ist die Paralleldiskussion zur sog. Drittwirkung der Grundrechte, auf die hier deshalb einzugehen ist, weil die "Drittwirkung" nach dem oben näher Dargelegten 1510 "nur" einen Unterfall der Schutzpflicht darstellt: Auch dort wird davon ausgegangen, dass zwar viele, aber nicht alle Grundrechte drittwirkungsfähig seienY" Abgelehnt wird dies bspw. für das Recht der Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 111 GG) oder für die bereits behandelten Art. 16 und 16a GG. Alle Grundrechte, die sich ihrem Wesen nach nur gegen den Staat richteten, die also im Privatrechtsverkehr überhaupt nicht gelten könnten, seien nicht drittwirkungsfähig. 1512 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden: Behindern Private die Ausübung 1505 Eigentlich handelt es sich dabei um eine Eingri.ffsmodalität. Dem vielfach behaupteten Ausschluss dieser Garantie aus dem Schutzpflichtkanon liegt aber offb. eine sog. Tatbestandslösung zugrunde, so dass hier tatsächl. Fragen d. Schutzber. angesprochen sind. 1506 A.A. mglw. Th. Schilling, S. 516 m. w.N., f. den dieser Vorschr. "nach ... unbestrittener Auffassung" kein privatrechtsrel. Inhalt zukomme. S. a. Schwabe, Drittwirkung, S. 155, demzufolge Art. 16 GG rein staatsgerichtet sei. Vgl. aber GritZer, ZfV 1983, 13 m.Fn. 74 (keine "Denkunmöglichkeit"); dens., JBI. 1992, 212 f. m.Fn. 46; Canaris, AcP 184 (1984), 233. 1507 Dieses offb. als schutzpflichttauglich ansehend a. Merten, S. 24. 1508 S.i.d.Z. die ähnl. Differenzierung v. Wiesbrock, S. 19, zw. Schutzgut u. Schutzanordnung. 1509 A.A. f. die Staatsangehörigkeit offb. Wiesbrock, S. 22 f., m. w.N. Eine mittelbare Beeinträchtigung d. Unschuldsvermutung durch Priv. soll demggü. mögl. sein, ebd., S. 20. 1510 S.u. a). 1511 S. Lücke, JZ 1999, 379 f., 384.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
35I
des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, indem sie daran etwa Nachteile, z.B. im Arbeitsleben, knüpfen, so lässt sich die These von der Drittwirkungsuntauglichkeit nämlich ebenso wenig aufrechterhalten wie die von der Schutzpflichtuntauglichkeit Diese Ansicht lässt sich vielleicht aber dadurch erklären, dass ihr eine - i. E. verfehlte 1513 - begriffliche Reduzierung bzw. Engführung der Drittwirkung auf die Wirkung von Grundrechten "im Privatrecht" zugrunde liegt. 1514 Unter dieser Voraussetzung werden die Fälle, in denen die genannten Grundrechte einschlägig sind, naturgemäß weiter reduziert und geraten mithin aus dem Blickfeld der Rechtsanwendung. Soweit in der Rechtsprechung des BVeifG eine Wert(e)hierarchie oder eine Wert(e)rangordnung zum Ausdruck kommen sollte, 1515 ließe sich schließlich überlegen, ob daraus Schlussfolgerungen für die SchutzpflichtTauglichkeit einzelner Grundrechte als Ausdruck "rangniedrigerer" Werte möglich sind. 1516 Die Rechtsprechung des BVeifG gibt dafür indes nicht wirklich etwas her. 1517 Abgesehen davon, dass eine a priori Wertrangordnung ihrerseits erheblichen Bedenken unterliegt, 1518 unter anderem deshalb, weil eine solche der Verfassung selbst nicht entnommen werden kann und ihre Aufstellung deshalb notwendigerweise einer der Gefahr von Willkür ausgesetzten Dezision bedürfte, 1519 können durchaus berechtigte Schutz-Abstufungen im Einzelfall bei der Frage des konkreten Schutzumfangs, letztlich also im Rahmen einer Abwägung, erfolgen. 1520 1512 I.d. S. etwa v. Münch, S. I4; Lücke, JZ I999, 379 f., 384, der das Recht d. Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 lll), das Verbot d. Zwangsarbeit (Art. 12 li), den Schutz vor Auslieferung (Art. 16), das AsylR (Art. 16a), das PetitionsR (Art. 17), die Rechtsweggarantie (Art. 19 IV) u. alle in Art. 93 1 Nr. 4a GG erwähnten GRgleichen Rechte anführt, allenf. f. Art. 104 11 1 GG eine Ausn. erwägen will (380 Fn. 26). 1513 S.d.ber.o.u. a)jj). 1514 Gg. diese Reduzierung zu Recht Schwabe, z. B. in: AöR IOO (1975), 442 Fn. I; Griller, JBI. I992, 206 Sp. 2, 2I4 f. 15 15 S.d.N.o.u., A.III.l., Fn. 44. 1516 S.ber.o.u. bb)(l). 1517 Vgl. Merten, S. 23 ff. 1518 Vgl. nur Dietlein, S. 86 f., m.w.N.; Merten, S. 24. A.A. f. Schutzpflichten aus öst. GRen u. nach der EMRK aber Schlag, ÖJZ I992, 53 f., der ausdr. eine "Hierarchie der Grundrechte" fordert, an deren Spitze Art. 2, 3 u. 4 EMRK stehen sollten. 1519 S. etwa Schlink, EuGRZ 1984, 46I f.; Koch, in: Erbguth u.a., S. 10 f., 19 ff.; Ossenbühl, in: Erbguth u. a., S. 30. 1520 Vgl. aber wiederum Schlink, EuGRZ I984, 462 Sp. I, demzufolge Abwägungen (i. R.d. v. ihm "rekonstruierten" "klassischen" abwehrrl. GRfunktion) "letztlich nur dezisionistisch zu leisten" seien. Nur die Geeignetheit u. Erforderlichkeit könne "methodisch korrekt, rational kontrollierbar und dogmatisch generalisierbar überprüft werden". Diesem Bedenken kann indes durch die Entwicklung (abstrakter u. relativer) Vorrangrelationen begegnet werden - das Erfordernis d. Abwägung selbst
352 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Als Zwischenergebnis bleibt mithin festzuhalten, dass es keine per se schutzpflichtuntauglichen Grund- und grundrechtsgleichen Rechte gibt, mit Ausnahme der Absätze 2 und 3 des Art. 103 GG unter Voraussetzung ihrer ausschließlich staatsadressierten Auslegung. p) Wahrung der Gewaltenteilung
(Im Ergebnis) Begrenzt wird die Reichweite der Schutzpflicht durch den Gewaltenteilungsgrundsatz als formelles Prinzip. 1521 Kritik an der Schutzpflicht-Rechtsprechung des BVeifG setzt insbes. an dieser Stelle an. 1522 Dabei handelt es sich aber nicht um ein Schutzpjlicht-Spezifikum, 1523 weshalb hier größtenteils auf die allgemeine Diskussion verwiesen werden kann. Die (weite) Gestaltungsfreiheit des einfachen Gesetzgebers folgt nicht nur daraus, dass der ganze "Aufwand", den das Grundgesetz mit seinen (Detail-) Vorschriften zur Gesetzgebung und zu den daran beteiligten obersten Staatsorganen betreibt, "übermäßig" wäre, wenn man diese Gesetzgebung bloß in die Rolle eines Grundrechtsvollzugsorgans pressen würde. 1524 Er lässt sich auch und zuvörderst inhaltlich aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip begründen. 1525 Diesen Prinzipien kann u. U. dadurch Rechnung getragen werden, dass man im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle zwischen verschiedenen Normen differenziert:
bleibt unausweichlich (s. nur H. Dreier, S. 56 f., insbes.m.Fn. 240; Borowski, ZÖR 53 [1998], 312 ff., m. w.N.). Zum Arbeiten mit "Vorzugsregeln" im Einzelfall zul. im Schutzpflicht-Kontext etwa BVerfGE 99, 185, 196 ff. (196). S.a. Koch, in: Erbguth u.a., S. 11, 19 ff.; Ossenbühl, in: Erbguth u.a., S. 30, 33; Schubert, S. 382 ff. 1521 S.d.ber.o.u. b)dd). 1522 Gg. einen "Zangengriff zur Reduktion der legislatorischen Gestaltungsfreiheit" durch u. a. die Schutzpflichten Götz, in: Heyde/Starck, S. 81. S. a. H. Dreier, Jura 1994, 513 Sp. 1; Jeand'Heur, JZ 1995, 161 ff. (insbes. 163 f., 166 f.); H.A. Hesse/Kauffmann, JZ 1995, 221 f.; Häberle, ERPLIREDP 8 (1996), 25; Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 39, insbes. 82 ff., 92 ff.; dens., AcP 198 (1998), 251 f.; Seegmüller, DAR 1996, 349 Sp. 1; Lagodny, S. 271 f., 446; Windel, Der Staat 38 (1998), 385 ff. (insbes. 388 f., 404 f.); Hoffmann-Riem, DVBI. 1999, 665 ff. 1523 Vgl. Badura, in: Böttcher u.a., Odersky-FS, S. 160. Gleiches gilt f. Art. 20a GG, krit. dazu bspw. P. Kirchhof, HFR 1997, Beitr. 2, II 1 S. 7 f., demzufolge diese Vorschr. "das bisher instrumental konzipierte Grundgesetz durch Finalitäten anreichert und deren Verdeutlichung und Konkretisierung dem Bundesverfassungsgericht zur Aufgabe macht", so dass sich "Entscheidungskompetenzen vom Gesetzgeber auf die rechtsprechende Gewalt [verlagern]". 1524 S.d. Medicus, AcP 192 (1992), 55 (u.H.a. die Art. 38-53, 70-82 GG). Zust. Diederichsen, AcP 198 (1998), 212 ff., jew. zum PrivatRgesetzgeber. 1525 Vgl.- aus öst. Sicht- K. Korinek/Holoubek, S. 144 f.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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q) Auseinandeifallen von Handlungs- und Kontrollnorm? Umstritten ist, ob das subjektive Recht auf Schutz bzw. die objektive Schutzpflicht weiter reicht, d. h. vom Schutz-Staat mehr verlangt, als vor dem BVeifG in den zur Verfügung stehenden Verfahren eingefordert werden kann. 1526 Das ist dann der Fall, wenn man bereit ist, ein Auseinandeifallen von Handlungs- und Kontrollnorm zu akzeptieren. 1527 Ansonsten müssten 1526 Zur Begrifflichkeit s. etwa Raabe, in: Grabenwarter u. a., S. 85, der insow.v. "Konvergenz-" u. "Divergenzlösung" spricht. 1527 I. d. S. etwa f. eine "verfassungsgerichtlich nicht kontrollierbare Obliegenheit für den Gesetzgeber, sich sachkundig zu machen", I..agodny, S. 518 (s.a. ebd., S. 174, 176 f.; zur "Obliegenheit einer rationale(re)n Gesetzgebung" [nur] aus der [weicheren] "Richtlinienfunktion" d. GRe, s. a.a.O., S. 527 ff. Vgl.a. Scherzberg, S. 115 ff.; Ress, VVDStRL 48 (1990), 110 (f. Staatszwecke, aber anges.d. Bsp. wohl a. f. Schutzpflichten), der statt "Handlungs-" v. "Funktionsnorm" spricht u. insow. eine "gemeineuropäische[ ... ] Tendenz" ausmacht; Hoffmann-Riem, DVBI. 1994, 1385 (f. die optimale "Optionenwahl" d. Verw. im "Korridor zwischen Übermaß- und Untermaßverbot"); K. Hesse, § 12 Rn. 439; § 14 Rn. 569; ders., in: Däubler-Gmelin u. a., Mahrenholz-FS, S. 553 ff. (insbes. 557 f.), demzufolge das BVerfG aber v. einer Identität v. Handlungs- u. Kontrollnorm ausgehe (549, 554 f. Fn. 37); Denninger, in: Däubler-Gmelin u. a., Mahrenholz-FS, S. 568; Isensee, HStR V§ 111 Rn. 162 a.E.; Sommermann, S. 442; Robbers, NJW 1998, 940 Sp. I (f. die Kontrolle fachgerl.Entsch.). Wohl a. Simon, HVR § 34 Rn. 48 ff. (59 f.); Buhck, S. 152; Badura, UTR 43, S. 58. Zu!. - den MStr. indes "unterschlagend" - Kadelbach, KritV 1997, 274m. w.N.: "Unbestrittenermaßen reicht die Norm, welche das BVerfG zur Kontrolle des Gesetzgebers heranziehen kann, weniger weit als die für den Gesetzgeber verbindliche Handlungsnorm". Dagg. aber (z.B.) Wahl, Der Staat 20 (1981), 499 ff. (insbes. 601 f.); Böckenförde, Grdsnormen, S. 193; Alexy, Rechte u. Normen, S. 266, jew.u.H.a. Art. 1 /ll, 93 I GG; Heun, S. 46 ff.; Breuer, Redeker-FS, S. 52 f.; H.H. Klein, DVBI. 1994, 490 Sp. 2; v. Danwitz, S. 89, jew.m.w.N. Diff. C. Mayer, S. 213, 217 f., m.w.N. Unentschieden Möstl, DÖV 1998, 1038 m.Fn. 95. Aus Gründen d. Redlichkeit gg. "verfassungsrechtliche Naturalobligationen" Schwabe, Probleme, S. 205 ff. (206), 262 f., 268: "unnützes Zierwerk" (f. sonstige grl. Leistungspflichten u. -ansprüche). Vgl. - zun. offb. ein Auseinanderfallen v. Handlungs- u. Kontrollnorm ab!. - W. Roth, AöR 121 (1996), 550 f.: "Das materielle Verfassungsrecht und die diesbezügliche Prüfungsbefugnis des zu seinem ,Hüter' bestellten Gerichts müssen ... korrespondieren" (ähnl. 572). Roth unterscheidet dann aber (funktionell- u. kompetenzrl.) i.H.a. die Urt.-Vb. zw. "dogmatischer und kompetenzieller Sichtweise" (561 ff.). A. diese Unterscheidung kann jedf. als ein Auseinanderfallen v. dann "dogmatischem" Schutzhandeln u. "kompetenzieller" Kontrolle verstanden werden: "Dogmatisch" muss der Staat aus Gründen d. grl. Schutzpflicht mehr tun, als das BVerfG "kompetenziell" kontrollieren darf. Roth beschränkt seine Ausführungen aber auf das sog. einfache Recht (565, 568), obwohl er selbst das "Dilemma" zugibt, welches daraus resultiere, dass jedes "unrichtige" Urt. jedf. Art. 2 I GG verletzt, weil in einem solchen Fall keine Rgrdl. mehr vorliege (547). I.Ü. hat f. ihn das Grundgesetz a. nur einen "Rahmencharakter" (570 ff.). Unklar zu!. BMJ, S. 134: "Bestehen für Staatsorgane . . . Verpflichtungen, so müssen sie auch durchgesetzt werden können. Eine andere Frage ist, welche Verfas-
23 Szczekalla
354 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Erwägungen des Rechtsstaats- und des demokratischen Prinzips - als formelle Prinzipien i.S. Alexys -je nach konstruktivem Ansatz bereits in den Tatbestand der Schutzpflicht einbezogen und die Reichweite der gebotenen Handlungen beschränken oder ein Unterschreiten eines bestmöglichen Schutzes rechtfertigen, 1528 also letztlich zum gleichen Ergebnis führen. 1529 Gleichwohl ist aus Gründen rationaler grundrechtlicher Argumentation 1530 eine Entscheidung darüber erforderlich, ob eine Unterscheidung zwischen Handlungs- und Kontrollnorm möglich und überhaupt sinnvoll ist: Dass das Grundgesetz für ein Auseinanderfallen von Handlungs- und Kontrollnorm keinen Anhalt biete, 1531 dass sich aus Art. 1 l/1 i. V. m. Art. 93 GG notwendigerweise ergebe, dass eine Grundrechtsbindung insbes. der Gesetzgebung, soweit sie bestehe, auch im Wege der verfassungsgerichtlichen Kontrolle einforderbar sein müsse, 1532 und dass dem Grundgesetz nicht unterstellt werden dürfe, ein letztlich wirkungsloses, da der Rechtsdurchsetzung nicht fähiges Recht zu statuieren (Leerlauf-Argument), 1533 überzeugen als mögliche Gegenargumente ebenso wenig wie die Berufung auf die dogmatische Fundierung der Schutzpflicht als eine "genuin grundrechtliche Gewährleistung des status positivus" 1534 : Die Annahme eines Auseinanderfallens von Handlungs- und Kontrollnorm hat nämlich den - überaus wichtigen - (auch psychologischen) Vorteil, dass sich der Gesetzgeber bspw. nicht von vomherein auf Evidenzerlebnisse beschränken kann und nur offensichtlich erforderlichen Schutz gewähren muss. 1535 Er wäre verfassungsrechtlich vielmehr zu einem bestsungsbindungen . . . dem Grundgesetz entnommen werden können und wie hoch die Kontrolldichte ... sein soll". 1528 I. d. S. wohl Badura, Eichenberger-FS, S. 483 f. (i. R. seiner "vom verfassungsgerichtlichen Streitfall losgelösten Betrachtung", 483), 487 ("Die EvidenzFormel beschreibt die inhaltliche Beschränktheit der (materiell-rechtlichen) Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers in der prozessualen Ausdrucksweise der Begrenzung verfassungsgerichtlicher Kontrolle"), sowie Ziekow, S. 580 ("Frage der Anwendung des materiellen Rechts, nicht des prozessualen self restraint des Bundesverfassungsgerichts"), 591. Dagg. etwa C. Mayer, S. 174, der die Evidenzformel ausschließ!. dem ProzeßR zuordnen will. 1529 Dementspr. einen Schutzanspr. "nur nach Maßgabe pflichtgemäßer Ermessensausübung" annehmend v. Danwitz, S. 89: "Der Anspruch auf grundrechtliehen Schutz vermag ... nicht auf den jeweiligen Beurteilungsspielraum des zust. Staatsor~ans verengend einzuwirken". V. einer Ergebnisäquivalenz ausgehend a. Möstl, DOV 1998, 1038 m.Fn. 95. 15 3° Zu diesem dringenden Bedürfnis s. u., C.II.l. 1531 So etwa Wahl, Der Staat 20 (1981), 501 f.; Heun, S. 49. 1532 So Böckenförde, Grdsnormen, S. 193 1533 Vgl. wiederum Heun, S. 46 ff. S.a. Schwabe, Probleme, S. 268 ("unnützes Zierwerk"); C. Mayer, S. 216. 1534 So v. Danwitz, S. 89.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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möglichen Schutz verpflichtet. Dass diese verfassungsrechtliche Pflicht unter Umständen nicht durchgesetzt werden kann, ist insoweit unschädlich. Entscheidend ist vielmehr die Wirkung auf die Motivation des Gesetzgebers. Ein wirkungsloses "(Schutz-) Recht" bzw. eine "schutzloses Veifassungsrecht"1536 liegt damit gerade nicht vor. Vielmehr ist die "antreibende, ruandatorisehe und direktive Wirkung des Verfassungsrechts ... unverzichtbar".1537 Auch von einer "schwer erträglichen Konsequenz" dergestalt, dass die Schutzpflicht zwar staatlicherseits verletzt werden könne, dies aber gleichwohl nicht verfassungsrechtlich sanktionierbar wäre, kann deshalb nicht die Rede sein. 1538
Der Hinweis auf Art. 1 /11 i. V. m. Art. 93 GG und die daraus abzuleitende verfassungsgerichtlich überprüfbare Grundrechtsbindung muss Erwägungen zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und zur Kontrolldichte des BVeifG in einer Art Vorüberlegung bereits verarbeitet haben, um überhaupt zu dieser Aussage gelangen zu können. Gewissermaßen "ehrlicher", jedenfalls aber ebenso "redlich", 1539 ist es demgegenüber, solche Erwägungen nicht in einer Art Arkanum anzustellen, sondern offen zu legen, den Gesetzgeber zwar auf der einen Seite vor dem (verfassungs-) gerichtsförmigen Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu "bewahren", ihn auf der anderen Seite aber gleichwohl von seiner Bindung nicht (restlos) freizustellen, sie vielmehr im Voifeld strenger justizförmiger Durchsetzung wirksam werden zu lassen. Ein solches Vorgehen ist jedenfalls nicht etwa unredlich. 1540 r) "Mitverantwortung"
Einer mitunter heftigen Kritik wird des Weiteren der Begriff der "Mitverantwortung"1541 unterzogen: 1542 Es handele sich dabei eher um einen 1535 Vgl. insow. eindringlich K. Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a., Mahrenholz-FS, S. 541, 557 f. (u.H.a. Art. 3 I GG). S. a. Borowski, S. 241 ff., 256 f. 15 36 Vgl. die Fragestellung bei C. Mayer, S. 212. 1537 So Badura, UTR 43, S. 58. 1538 So aber v. Danwitz, S. 89. Ähnl. C. Mayer, S. 216. 15 39 Dies gg. Schwabes Redlichkeitsargument, Probleme, S. 206. 1540 So aber Schwabe, Probleme, S. 206. 1541 S.d.N.o.u. A.l., Fn. 19 ff. Zum Beitrag d. Staates als Gesetzgeber (durch recht!. od. finanzielle Unterstützung) u. als Verw. (durch das Genehmigungsverf.) s.a. Koppen/Ladeur, in: Cassese u.a., S. 8. F. Genehmigungen v. Mobilfunksendeanlagen Wagner, RdU 1998, 130. F. die Forschungsförderung Gill/Bizer/Roller, S. 163. Unklar J. lpsen, StaatsR II Rn. 242, der einers. die "Abwehrfunktion" d. GR anspricht, anderers. darauf hinw., dass der Staat durch das Genehmigungsverf. seine aus den GRen folgende Schutzpflicht erfülle, sich aber das Vorhaben durch die Gestattung a. "zu eigen" mache. Wg.d. regelmäßigen Ausschlusses zivrl. Unterlassungsanspr. durch die behördl. Erlaubnis sei die gestattete Tätigkeit dem Staat 23*
356 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
beschreibenden denn rechtlichen Begriff, 1543 der die Unsicherheit um die Weite des Eingriffsbegriffs kennzeichne und ein Ausweichen des BVerfG in diesem Streit dokumentiere: So sei die Frage eines Eingriffs trotz der immensen staatlichen Förderung der Kernenergie in den einschlägigen Fällen erst gar nicht aufgeworfen worden. Statt dessen habe das BVerfG auf das "klassische" Störerdreieck zwischen Staat, Anlagenbetreiber und gefährdetem Dritten rekurriert. 1544 Der Staat sei aber voll- und nicht nur mit-verantwortlich für all das, was er tue. 1545 Das Kriterium der Zurechnung kraft staatlicher Mitverantwortung sei demgegenüber weitgehend konturenlos, rechtlich unergiebig und grundrechtsdogmatisch ambivalent. 1546 Verschiedentlich wird allerdings dem Begriff der Mitverantwortung die (rechtliche) Funktion zugeschrieben, die ansonsten für die Erfüllung des zuzurechnen (zur Genehmigung im Schutzpflicht-Kontext s.a. ebd., Rn. 94). V. einer "Mitverantwortung" i.Z.m. dem staatl. Wächteramt aus Art. 6 /1 1 GG bei Adoption u. Insemination bzw. Ersatz- u. Leihmutterschaft spricht Brohm, JuS 1998, 201 f. Zum Verlust d. "Position als pouvoir neutre" inf. gezielter staatl. Forschungs- u. TechnologiepoL s.a. allg. Preuß, Merkur 43 (1989), 497 f. (H.i.O.). Vglb. f. den Fall einer Adoption EuGHMRE 290, 19 § 49 m. w. N. (Keegan/IRL) -Adoption eines ne Kindes o. Kenntnis d. Vaters = EuGRZ 1995, 113 m.Bespr.Aufs. Rudolf, a.a.O., 110 = NJW 1995, 2153 = ÖJZ 1995, 70. S.a. EuGHMRE 303-C, 41, 55 § 52 (L6pez Ostra/SP), wo zwar eine "direkte" Verantwortlichkeit der span. Behörden verneint, aber zugleich auf die Baugenehmigung, das Zurverfügungstellen d. Grundstücks u. die Subventionen hingewiesen wird (insow.ähnl. die Einschätzung v. AKU-Steiger 02/070 Rn. 250). Vgl.a. EuGHMRE 277-B, 38, 49 Rn. 36 (A./F), betr. Maßn. Priv., die gleichwohl inf. einer Kooperation mit staatl. Stellen eine genügende Verantwortung d. VS nach der EMRK begründeten (a. A. aber abw.Mein. Schermers zum Ber.d. KomMR, a. a. 0., 52 ff. [56, 57 § 2: zwar "gewisse" Verantwortlichkeit d. Reg., aber kein Eingriff]). S.d.a.u., Zweiter Teil, B.V.l. 1542 Dazu, dass dieser "Verlegenheitsbegriff ... einer präzisen Entscheidung [enthebt] und ... zu nichts [verpflichtet]", vgl. nur Schwabe, NVwZ 1983, 524 f. Krit.a. Pietzcker, JZ 1985, 209 ff.; Tsai, S. 200 f. "[V]erschwommen[]" findet den Terminus A. Roth, S. 152. Diff. AKU-Steiger 021055 Rn. 191 m. w.N. Auf dem Kriterium d. Mitverantwortung beharrend indes Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 219. S.a. den ausf. Versuch einer Klärung d. Begr. "Verantwortung" u. seiner Abgrenzung v. "Pflichten" u. "Zurechnung" bei Waechter, Der Staat 38 (1999), 287 ff., m.z.N. 1543 Auf den neuen "Modebegriff' d. "Gewährleistungsverantwortung", der a. in diesem Kontext gesehen werden kann, soll hier nicht eingegangen werden, da es sich dabei erst recht nicht um einen dogm. od. gar Rechts-, sondern um einen heurist. bzw. verwwissl. Begr. handelt, so etwa Schulze-Fielitz, VVDStRL 57 (1998), 285 f. 1544 So Dietlein, S. 101. Zum unklaren Verhältnis zw. Schutzpflicht, Mitverantwortung u. Eingriff s.a. noch Hermes, S. 259. 1545 S. nur Dietlein, a. a. 0., S. 89, der f. eine Kasuistik plädiert u. zw. den häufigsten Fallgruppen d. staatl. Genehmigung u. d. Förderung riskanten Verhaltens Priv. diff. will (a. a. 0., 90 ff.). 15 46 Dietlein, ebd., S. 92 f.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
357
Schutzpflichttatbestandes erforderliche Risikointensität abzuschwächen. 1547 Ein triftiger Grund für eine solche Abschwächung ist jedoch schwer auszumachen: Für die Integrität des Grundrechtsguts 1548 spielt es nämlich keine Rolle, ob der Staat irgendwie mit dem für die Gefährdung des Grundrechtsguts unmittelbar ursächlichen privaten Verhalten in Berührung gekommen ist.I549 Die Kritik am Begriff der "Mitverantwortung" ist nach alledem mehr als berechtigt. Sie wird bei der Konzeption eines eigenen ("Neu"-) Ansatzes aufgenommen. 1550 s) Umstrittene Schutzmittel Streit herrscht ferner auch um einzelne Schutzmittel. Zum Teil wird deren Einsatz gänzlich oder in bestimmten Fällen für von vomherein unzulässig gehalten - zum Teil wird aber auch nur deren Radizierung in den grundrechtlichen Schutzpflichten bestritten:
aa) Schutz durch Strafrecht ( 1) Die Kritik
(Mitunter heftige) Kritik wurde vor allem an der in der Ersten Schwangerschaftsentscheidung postulierten Pflicht des Gesetzgebers zum Erlass von Strafrechtsnormen 1551 geübt, 1552 die im Ergebnis dann aber zumeist als unausweichliche Konsequenz der sog. Wertordnungslehre 1553 bzw. des Un1547 I. d. S. Ossenbühl!Di Fabio, S. 52 f. (u.H.a. eine "Garantenstellung" d. Staates); Di Fabio, Risikoentsch., S. 229 ff.; Köck, AöR 121 (1996), 15 f. Wohl a. Möstl, DÖV 1998, 1035, 1036, jew.Sp. 1. Der Mitverantwortungs-Rspr.d. BVerfG folgend a. Menzer, S. 84 ff., 108: Sie sei "Ausdruck einer zeitlichen Vorverlagerung der Schutzpflicht" (S. 85); ders., DVBI. 1998, 820, 822 m.Fn. 46. Wohl a. Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 207. 1548 Dazu K. Stern, StaatsR III/1 § 76 IV 5 a ß S. 1575. 1549 S.a. VG Gelsenkirchen, ZUR 1993, 119, 120, das nicht zul. aufgr.d. Mitverantwortungstheorie die Einschlägigkeit d. Schutz- od. Abwehrfunktion offen lässt. Das VG folgt dieser "Theorie" indes trotz aller an ihr v. ihm selbst geäußerten Krit. (121). 1550 S. a.u., C.I.4. 1551 BVerfGE 39, 1, 46 f., 55 ff. 1552 S.ber. das Sondervotum v. Rupp-v. Brünneck!Simon, BVerfGE 39, 1, 68 ff. (insbes. 73 ff.). Gänzl.abl. ("niemals") AK-GG-Podlech Art. 1 Abs. 1 Rn. 79; Art. 2 Abs. 2 Rn. 19 (dort aber a. zur mögl. Reduktion gesetzgeber. Abwägungsbefugnisse auf Null) - gg. Podlech Rüfner, HStR V § 117 Rn. 61 m. Fn. 183 ("unhaltbar"). Vgl. darüber hinaus noch Roellecke, in: Starck, BVerfG-FG II, S. 41 f.; F. Herzog, S. 44 f., 48, 58 ff., 70 ff. Diff Pieroth/Schlink Rn. 409.
358 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
termaßverbots bei den Schutzpflichten 1554 oder der aus Art. 1 I 2 GG hergeleiteten, auf den Menschenwürdekern der Einzelgrundrechte übertragbaren Schutzpflicht 1555 angesehen wird. 1556 Allenfalls wird eine stärkere Abwägung aller beteiligten Rechtspositionen angemahnt. 1557 (2) Stellungnahme: Die Missverständnisse
Die Kritik am Einsatz des Strafrechts als Schutzmittel ist im Wesentlichen aus drei Gründen verfehlt und widerspricht im Übrigen auch der Auslegung völkerrechtlicher Menschenrechtspakte, 1558 die durchaus Berücksichtigung finden sollte und zur Vermeidung von Völkerrechtsverstößen der Bundesrepublik auch Berücksichtigung finden muss: (a) Das Strafrecht als schärfste Waffe? Zum einen unterliegt sie dem - allerdings auch in der Rechtsprechung des BVerfG angelegten - Missverständnis, dass das Strafrecht tatsächlich die einschneidensten Sanktionen bereithalte, die unsere Rechtsordnung kenne. 1559 Das lässt sich nur normativ behaupten, 1560 nämlich in dem Sinne, dass es so sein soll, 1561 nicht aber faktisch nachvollziehen: 1562 Für 1553 S. Roellecke, a.a.O.- zust. H. Dreier, S. 49 Fn. 205; ders., Jura 1994, 513. Vgl.a. AK-GG-Denninger Vor Art. 1 Rn. 33 f. (33 a.E.); vMIK-Kunig Art. 2 Rn. 47, 54 a.E., 57 f.; Schmidt-Jortzig, in: Theobald, S. 129 f. 1554 S. nur Lagodny, S. 254 ff., 445 ff. (456), m.z.N., 531 f. Vgl.a. K. Stern, StaatsR III/2 § 82 III 2 b y S. 638 f., § 90 IV 4 S. 1200 ff.; Merten, S. 18 f. 1555 I. d. S. Schwabe, Probleme, S. 229, der dem Sondervotum ersieht!. Einseitigkeit vorwirft. 1556 Gerade aus phil. Sicht vor Übersteigerungen warnend indes Brieskom, S.110, 112f. 1557 S. etwa Jeand'Heur, JZ 1995, 163 f. (164 Sp. 1). 1558 S.d. nur anl.d. 50. Jahrestages d. AEMR den Art.d. Generalsekretärs v. AI, Sane, MD, Mai 1998, 32, sowie Kokott, BerDtGesVR 38 (1998), 80 ff. Vgl.a. Zweiter Teil, A.II.4.d)cc). 15 59 I. d. S. zu!. etwa BVerfGE 96, 245, 249. 1560 Vgl. etwa Ress, VVDStRL 48 (1990), 90 ("Der strafrechtliche Schutz stellt ein Höchstmaß dar"); Hager, JZ 1994, 378 Sp. 2 ("schonendere[r] Eingriff[ ... ]" durch das Zivil-, "schärfere Sanktion" durch das StrafR); Lagodny, S. 14 ("massivste[r] staatliche[r] Machtanspruch und eine der intensivsten Grundrechtsbeschränkungen"); Gill/Bizer/Roller, S. 164 f., m.w.N.; Gounalakis, AfP 1998, 11 Sp. 2 ("deutlich niedrigere Eingriffsintensität des Zivilrechts"). Etwas offener SchmidtJortzig, in: Theobald, S. 140 ("Das Strafrecht ist eine der schärfsten Waffen jedes Staates"). 1561 Allerd. kann dafür a. die bes., hist. erklärbare Anforderung an die Bestimmtheit v. StrafG in Art. /03 II GG ins Feld geführt werden, vgl.d. etwa Th. Groß, JZ 1999, 331 Sp. 1.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
359
den Einzelnen mag - eine entsprechende (moralische) Empfindlichkeit vorausgesetzt - das sittliche (sozial[-]ethische) Unwerturteil, welches mit der Strafe 1563 verbunden sein soll, 1564 im Einzelfall durchaus gravierend und auch im Hinblick jedenfalls auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht 1565 einer eigenständigen Rechtfertigung bedürftig (aber auch fähig) sein. 1566 Viel spürbarer als eine - womöglich zur Bewährung ausgesetzte - Freiheits- oder Geldstrafe 1567 dürfte indes regelmäßig der Entzug einer Genehmigung, das durch Verwaltungsakt festgestellte und verwaltungsgerichtlich bestätigte Nichtbestehen einer berufsbezogenen Prüfung oder die zivilgerichtliche Verurteilung zu einem hohen Schadensersatzbetrag 1568 sein, alle1562 S. a. aus rvgl. Sicht gg. die These vom (Umwelt-) StrafR als "ultimum remedium" Seerden/Heldeweg, in: dies., S. 425, 437. A.A.offb. Frowein, GRschutz, S. 29 (Strafprozess als "der schärfste staatliche Eingriff in die Bürgerrechte"). 1563 I.G.z. (reinen) ordnungswidrigkeitenrl. Sanktion, s. nur BVerfGE 9, 167, 171 ff. - "Vermutungstatbestand" (" ... der Schuldvorwurf [erreicht] hier die Sphäre des Ethischen nicht"- nur "scharfe [... ] ,Pflichtenmahnung"' [171]). 1564 Zu!. etwa BVerfGE 96, 245, 249. Aus der Lit. s. nur Achenbach, S. 166 (Tadel "mit stigmatisierender Registerwirkung") - i. E. aber gleichwohl wie hier (S. 163). Zul.ausf. u. z. T. abw. Schild, Lenckner-FS, S. 286, 301 ff. Zur BinnenDiff. einer Strafnorm, die aus der "Verhaltensvorschrift" (dem [nackten] Ge- od. Verbot), der Qualifikation als Straftat (dem staatl. [Unrechts-] "Vorwurf') u. der eigentl. "Sanktionsvorschrift" (der Strafe i. w. S. selbst) besteht, ausf. Lagodny, S. 6 ff., 16, 78 ff., 96 ff., 533 (These 1). Die einzelnen Bestandteile können in einer einzigen, aber a. in mehreren Einzelnormen enthalten sein. Sie kommen sprachlich nicht immer eindeutig zum Ausdruck, sondern ergeben sich häufig erst im Wege d. Auslegung (vgl. a. a. 0., S. 79, 88 f., m.Bsp.). Lagodny fasst Vorwurf u. Sanktion (Kriminalstrafe nach StGB, Geldbuße nach OWiG sowie Disziplinarmaßn.) einheitl. unter den Oberbegr. "Sanktionsvorschrift" zusammen (S. 7). Zur Struktur (straf-) recht!. Normen s.a. Röhl, S. 217 ff.; Scheinin, NJIL 67 (1998), 17, 20. Diese Diff. ist wichtig für die Beurteilung d. Verfassungsmäßigkeit eines strafrl. Schutz-Eingriffes, weil i. E. drei versch. GReingriffe vorliegen, näml. die Freiheitsbeschränkung durch das Ge- od. Verbot (Verhaltensvorschr.), die Belastung durch den staatl. Unrechtsvorwurf u. der Einsatz d. Sanktionsmittels selbst (Sanktionsvorschr.). Darauf soll in dieser Arbeit aber nicht näher eingegangen werden. 1565 Das BVerfG stellt direkt auf die Menschenwürde-Garantie d. Art. 1 1 GG ab, zu!. etwa BVerfGE 96, 245, 249. 1566 Vgl.d. Lagodny, S. 78, 96 ff., 116 ff., 287 ff., 533 (These l.b)), 538. 1567 Indes soll a. diese nach der Rspr.d. BVerfG i. V.z. zivilgerl. Verurteilung zu Unterlassung, Widerruf od. Schadensersatz "bereits für sich genommen von größerer Intensität" sein (u. desh. eine höhere Kontrolldichte auslösen), s. etwa BVerfGE 43, 130, 136. 1568 Bsp.: LG Dessau, NJW-RR 1997, 214 ff. (216 Sp. 2)- Verfassungswidrigkeit unbegrenzter zivrl. Haftung Jugend/. (VorlageB), m. w. N. Krit. zu diesem Beschl. aber Ahrens, VersR 1997, 1064 ff., m.z.N. Zum Prob!. s.a. noch Medicus, AcP 192 (1992), 35, 65 ff., m. w. N. Das BVerfG hat die Vor!. inzw. f. unzul. erklärt, weil es sich bei § 828 11 BGB um vorkonstitutionelles Recht handele u. weil die Vorlage nicht ausr. begründet sei, da eine sozversrl. Abhilfe über einen Forderungserlass aus Billigkeitsgründen mögl. sowie eine Heranziehung d. § 242 BGB in Betracht
360 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
samt Folgen möglicher öffentlich- und privatrechtlicher 1569 Schutzmittel, welche die Lebensperspektiven des davon individuell Betroffenen viel dauerhafter einengen und möglicherweise sogar endgültig zerstören können als dies bei strafrechtlichen Sanktionen der Fall ist. 1570 Gleiches gilt bei genereller, gegenüberstellender Betrachtung der gesetzlichen Einführung bspw. eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt als öffentlichrechtliches Schutzmittel, das alle Normadressaten empfindlich trifft und letzten Endes polizeirechtlich durchgesetzt werden könnte, und der Pönalisierung eines Verstoßes gegen eine - was das in ihr enthaltene Ge- oder Verbot betrifft, inhaltsgleiche - Strafvorschrift. 1571 Welches Mittel hier in welcher Weise milder ist, lässt sich jedenfalls nicht abstrakt sagen. 1572 Das BVeifG erkennt dies im Grunde selbst an, wenn es in einer jüngeren Entscheidung im Zusammenhang mit der Pflicht zur Überprüfung der Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde bei Vorliegen eines besonders schweren Nachteils i. S. v. § 93a li lit. b BVeifGG ausführt, dass die an den Schuldspruch eines strafgerichtliehen Urteils geknüpften Rechtsfolgen "im Einzelfall mehr oder minder großes Gewicht haben". Gleichwohl leitet das Gericht die "existentielle Bedeutung" einer strafgerichtliehen Verurteilung für einen Beschwerdeführer i. S. d. genannten Vorschrift "in erster Linie" aus dem "im Schuldspruch konkretisierte[n] sozial-ethische[n] Unwerturteil über Tat und Täter" ab.I573 (b) Die selbstverständliche Ergänzungsbedürftigkeit strafrechtlichen Schutzes Zum anderen reicht ein Schutz durch Strafrecht selbstredend nicht aus. Es ist vielmehr nur ein Mittel neben vielen anderen. 1574 Strafrechtsnormen komme, s. BVeifG, NJW 1998, 3557, 3558 Sp. 2. Damit sind die Fachger. f. eine GRkonforme Anwendung d. dazu fähigen u. bedürftigen Rechts zust. Dazu, dass i.Ü. a. der zivrl. Schadensersatz einen "Vorwurfscharakter" beinhaltet, der aber "zugunsten eines primären Ausgleichszwecks" in den Hintergrund tritt, Lagodny, S. 7, 104 f., 289 f. Das gilt aber nur f. die Verschuldens-, nicht f. die Gefährdungshaftung, s. ebd., S. 290. Der Vorwurf fehlt grds. bei präventivpolizeil. Maßn., s. ibid., S. 111 ff., 276 ff., es sei denn, es geht um die Vollstreckung unvertretbarer Handlungen (a. a. 0., S. 114 f.). Zum "ordnungsrechtlichen Vorwurf' s. ebd., S. 100 ff., 125 ff., 416 ff. Krit. u. offb. a.A. aber Gounalakis, AfP 1998, 10 ff. (insbes. 11 Sp. 2). 1569 Desh. die Schutzpflichtlehre insges. ab!. Windel, Der Staat 38 (1998), 392 f. 1570 Ähnl. Achenbach, S. 163; Lagodny, S. 345 ff. (351) m.w.N. Das gilt ungeachtet d. Umstands, dass strafrl. Sanktionen a. i.d. öffentl. Meinung als gravierender empfunden werden mögen, s. etwa Dworkin, Law's Empire, S. 252. 1571 S. nur Lagodny, S. 345 ff. 15 72 So a. Lagodny, S. 365. 1573 BVerfGE 96, 245, 249.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
361
mag zwar eine - wenn auch schwer belegbare - wichtige ([vor allem positiv-] general-) präventive Steuerungsfunktion zukommen, 1575 doch erweisen sich aus Gründen der grundrechtliehen Schutzpflicht die klassischen öffentlichrechtlichen Instrumente, insbes. das (verwaltungsrechtliche) Genehmigungsverfahren1576, als unentbehrlich. 1577 Die Wahl des Strafrechts stellt vMIK-Kunig Art. 2 Rn. 57 S. 184. Vgl. nur Lagodny, S. 301 ff., 318 ff., 362; Gill/Bizer/Roller, S. 164 ff.; Stürner, JZ 1998, 319 f., 325, 329 Sp. 2; EUDUR-Dannecker/Streinz I § 8 Rn. 4, jew.m. w.N. F. Art. 2 EMRK s.a. zul. etwa KomMR, in: EuGHMRE 1998, 3124, 3185, 3189 § 91 (Osman!VK) ("protective effect of deterrence"/"röle protecteur de dissuasion") - best. durch EuGHMR, ebd., 3159 § 115. Dieses Probl. stellt sich allerd. a. i.H.a. die Präventivfunktion zivrl. Haftungsvorschr., s.d. etwa die Bem. v. Bleckmann-Bleckmann, EuropaR, S. 169 § 7 Rn. 436, i.Z.m.d. RL 85/374/EWG des Rates v. 25.7.1985 zur Angleichung d. R-u. VerwVorschr.d. MS über die Haftung f. fehlerhafte Produkte, ABI. L 210 v. 7.8.1985, 29 - ProdukthaftungsRL. Vgl.a. K. Korinek/Holoubek, S. 132 m.Fn. 399, 137; Lagodny, a.a.O., S. 289 f., 362, m.w.N. (dort a. zur Präventionswirkung d. PolizeiR); Gill/Bizer/Roller, ebd., S. 141 ff.; EUDUR-Kloepfer I § 7 Rn. 22; H. Koch, JZ 1999, 922 ff. (zur Präventions- u. Steuerungswirkung d. Schuld- [i.e. Vertrags- u. Delikts-] sowie WettbewerbsR). Zum zivilen Schadensersatz (u. Erfüllungszwang) vgl.a. Röhl, S. 213 f. ("mindestens als Nebenfolge ... präventiv"). Zur präventiven Wirkung aller "Rechtsfolgen" unabhängig v. jew. Rechtsgebiet s. schließl. Eilmansberger, S. 20. Der Präventionsgedanke wurde im dt. Recht nicht zul. v. BGH in seinen sog. CarolineE (s. nur BGHZ 128, 1 ff. {Erfundenes Interview]; BGH, DB 1996, 567 {Kampf gg. Brustkrebs]= NJW 1996, 984; 985 {Andrea Casiraghi]; JZ 1997, 39 {Paparau.i-Fotos aus dem Gartenlokall = BGHZ 131, 332 [teilw. aufgehoben d. BVeifG, U.v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96 - n.n.v. - Caroline] - Carotine v. Monaco-1-IV) herangezogen, um mit ihm ("außerdem") einen auf den "Schutzauftrag" aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG gestützten Geldentschädigungsanspr. zu begründen. Vgl.d.a. die Tagungsber. v. Gelinsky, F.A.Z. Nr. 269 v. 19.11.1997, 16; Wallraf, AfP 1998, 46 ff. S. aber ber. BGH, VersR 1985, 391, 393 Sp. I -Biologiebuch-Nacktfoto im Fernsehen. Krit. zur neueren Rspr.d. BGH- aus Sicht d. EMRK - etwa Fahrenhorst, ZEUP 1998, 84 ff. (zu Schutzpflichten aus Art. 8 I EMRK insbes. 101 ff., s. u., Zweiter Teil, B.V.l.d)ee), insbes. (6)). Sehr krit.a. Gounalakis, AfP 1998, 11 ff., 14 ff. Diff. u. im Wesl. zust. aber Brömmekamp, S. 78 ff. (unter ausdr. Rekurs auf die Schutzfunktion d. GRe, 80); Stümer, AfP 1998, 8 f., jew.m.z.N. 1576 Zu diesen Steuerungsformen s.zul. etwa Gill/Bizer/Roller, S. 101 ff.; Steinbeiß-Winke/mann, DVBL 1998, 809 ff.; Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 208, jew.m.z.N. 1577 Vgl.d. nur Koch, ZAU 10 (1997), 220. Zur Ergänzungsbedürftigkeit d. StrafR durch das GefahrenabwehrR am Bsp. der Verhinderung v. Menschenwürde-Verletzung im Einzelfall s. nur J. lpsen, StaatsR II Rn. 222. Zur Erforderlichkeit v. "Präventivmaßnahmen" in Gestalt d. Einsatzes v. Polizeikräften gg. Übergriffe Priv. s. GA Lenz, in: EuGHE 1997, I-6959, 6987 Rn. 69 (Kom./F). Ganz ähnl. i.Z.m. Art. 2 EMRK KomMR, in: EuGHMRE 1998, 3124, 3184, 3289 § 91 (Osman/VK)- best. durch EuGHMR, ebd., 3159 § 115. Vgl.d.a. P. Szczekalla, DVBL 1998, 223 m.Fn. 55, sowie u., Zweiter Teil, B.IV.l.c)aa); V.ld)ee)(l). 15 74
1575
362 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
damit zwar ein wichtiges, aber doch ergänzungsbedüiftiges rechtliches Schutzmittel dar. 1578 Ein Verzicht auf zivil- 1579 und öffentlichrechtliche Schutznormen 1580 bei vollständiger strafrechtlicher Durchnormierung erweist sich darum nicht nur deshalb als verfassungsrechtlich unzulässig, 1581 wenn und weil man darin einen Verstoß gegen den Grundsatz des Strafens als "ultima ratio" 1582 sieht/ 583 sondern vor allem auch deshalb, weil das Strafrecht allein keinen effektiven Schutz zu bewirken vermag. 1584 Das hat das BVerfG im Übrigen selbst gerade kürzlich wieder einmal insofern betont, als es die gesetzliche Einräumung eines Gegendarstellungsrechts im Zusammenhang mit der Schutzpflicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht für erforderlich gehalten hat, weil der nicht eigens auf die Massenmedien zugeschnittene Persönlichkeitsschutz des Zivil- und des Strafrechts für einen "zeitnahe[n)" Schutz nicht ausreiche. 1585
1578 Deut!. i. d. S. der Disk.-Beitr. v. Bunneister i.Z.m.d. Privatisierung d. Telekommunikation, VVDStRL 56 (1997), 323. Vgl.d.a. Möstl, DÖV 1998, 1030 m.Fn. 7, 1036 Fn. 79; Th. Groß, JZ 1999, 326 ff. Zu Beobachtungs- u. Nachbesserungspflichten in diesem Ber. s.a. Ebsen, DVBI. 1997, 1043 Sp. 1, 1051. F. eine unmittelbare Drittwirkung insow. Skouris, EuR 1998, 123 ff. (126 f.), der die Schutzpflicht-Konstruktion (ausf. Th. Groß, a. a. 0., 330 ff.) insof. aber nicht zur Kenntnis nimmt. 1579 Zu Thematisiening d. Lebensschutzes aus zivil(lhaftungs-)rl. Sicht s. etwa zu!. die Kontroverse zw. dem 1. u. 2. Sen. in: BVerfGE 96, 375, 404 ff. bzw. 409 ff. Zur diesbzgl. Steuerungsfunktion d. HaftungsR i.d. Gesamtrechtsordnung Stümer, JZ 1998, 319 f., 325, 329 Sp. 2. 1580 Zur Gebotenheit d. - nur zweckmäßigerweise im StGB geregelten, d.S.n. aber polizeirl. -Maßregeln (§§ 63 ff. StGB) wg.d. grl. Schutzpflicht vgl. Lagodny, S. 278 ff. (278, 284 f.), m. w. N. Zu Polizeigewahrsam u. V-Haft wg. Wiederholungsgefahr als "Vorstufen der Maßregeln" vgl. ibid., S. 281 ff. 1581 Dazu, dass dies aber a. umgekehrt f. eine nur polizeirl. Durchnormierung gilt, Lagodny, S. 286, 350: " ... für bestimmte Fälle der Gesetzesmißachtung [scheidet] ein polizeiliches Einschreiten gerade deshalb aus[ ... ], weil eine Omnipräsenz von Polizeigewalt unter der Herrschaft des Grundgesetzes ,nicht möglich' ist" (350). 1582 BVerfGE 96, 245, 249 (Afz.i.O.). 1583 Vgl. aber - m.z.N. u. selbst (kriminalpol.) diff. - Lagodny, S. 531 f.: "Das Ultima-ratio-Gebot ist eine grundrechtliche Obliegenheit, weil sie gerade nicht verfassungsgerichtlich überprüfbar ist" (532). 1584 Insow.zum. missverständlich Ress, VVDStRL 48 (1990), 90: "Der strafrechtliche Schutz stellt ein Höchstmaß dar" (zutr. zur notwendigen Ergänzung durch das Zivil- u. VerwR dann aber ebd., 91). U.a. aus diesem Grund gg. einen völligen Verzicht auf das Genehmigungserfordernis bei emittierenden Anlagen Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 208 m.Fn. 13, 220 ff. 1585 BVerfGE 97, 125, 146 f. S.a. noch BVerfG, AfP 1998, 500, 501 f., sowie die - rechtspoL- Forderung d. EP an die MS, in: Entschl.v. 17.12.1998- A4-0468/98 -zur Achtung d. MRe i.d. EU, ABI. C 98 v. 9.4.1999, 279, 284 Nr. 25 - MRBer. 1997.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
363
Darüber hinaus kann es unter Umständen aus der Perspektive eines Opfers geradezu erwünscht sein, etwa einen nahen Angehörigen nicht für lange Zeit gleichsam "hinter Gitter zu schicken", wohl aber im Wege eines zivilrechtliehen Verfahrens Schadensersatz und Entschädigung zu erhalten, um auf diese - (zivil-) justizförmige - Weise bestimmte (Straf-) Taten für sich aufzuarbeiten und Genugtuung zu erfahren. 1586 So wird gerade im Bereich des Kindesmissbrauchs häufig festgestellt, dass eine Inhaftierung bei den Opfern zu einer größeren Traumatisierung führe als andere, alternative Reaktionsmöglichkeiten. 1587 Schließlich ist auch noch davor zu warnen, gerade zivilrechtliche Schutzinstrumente zugunsten straf- und verwaltungsrechtlicher (z. B. polizei-, gewerbe- und gaststättenrechtlicher) gleichsam abzuwerten: 1588 Zum einen bieten sie den Vorteil, dass potenzielle "Opfer" unmittelbar selbst gegen vermeintliche "Störer" vorgehen können, in ihrer Subjekthaftigkeit also ernst genommen und nicht auf die Rolle eines "Bittstellers" bei Staatsanwaltschaft oder Ordnungsamt reduziert werden. 1589 Zum anderen entspricht dies einem auch und gerade u. a. den Grundrechten tendenziell zu entnehmenden, wenn auch nicht notwendigerweise zwingend von ihnen geforderten Subsidiaritätsgrundsatz, 1590 nach welchem staatliches Eingreifen in Gestalt straf- oder polizeirechtlicher Maßnahmen dann unterbleiben kann und sollte, wenn und soweit sich der Einzelne zivilrechtlich selbst wehren kann. 1591 Hier, aber auch nur hier, 1592 hat der Hinweis auf jahrhunderteoder gar jahrtausendelange zivilrechtliche Traditionen beim Schutz der Menschen voreinander seinen (guten) Sinn. 1593
1586 I. d. S. i.Z.m. Kindesmissbrauchs-FäHen etwa teilw.abw.Mein. Foighel zu EuGHMRE 1996, 1487, 1510, 1511 § 8 (Stubbings u.a./VK)- Verjährung v. Schadensersatzansprüchen wg. Kindesmissbrauchs (N.d.s. u.u. Zweiter Teil, B.V.l. d)ee)(l)). Zur Genugtuungsfunktion v. Schadensersatz (u. Erfüllungszwang) im ZivR Röhl, S. 213 f. Vgl. aus m-/vrl. Sicht Jessberger, KJ 1996, 292 f. m.Fn. 13, 295 ff., der - unabhängig v. Bestrafung u. zivrl. Sanktionierung - über eine Untersuchungspflicht d. Staaten ein MR "auf Wahrheit" zu begründen versucht (293, Afz.i.O.). 1587 S. etwa O'Morain, Irish Times v. 8.7.1999 ("More trauma for victims when abusers are jailed"). 1588 So tend. aber Timme, ZAR 1997, 135 f. 1589 Zur Probl. d. ggw. Situation anschau!. Prantl, SZ v. 25.7.1998; Stöcke/, JA 1998, 599 ff. 1590 S.u., w). 1591 Staatl. Eingreifen bleibt dann gleichwohl u. U. erforderlich, näml. in Gestalt eines zivilgerl. Urt. mit anschl. Vollstreckung. 1592 U. nicht etwa i.S. einer Art "Eigenwerttheorie" (vgl.d. aber Diederichsen, AcP 198 [1998], 236, 242 ff. - zu Recht krit. dagg. Canaris, PrivatR, S. 11 ff., 51 ff.).
364 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht (c) Die (Wieder-) Entdeckung der Genugtuungsfunktion des Strafrechts Schließlich verkennt die Kritik am Einsatz des Strafrechts zur Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten eine in letzter Zeit vor allem durch spektakuläre Entführungsfälle wieder in das allgemeine Bewusstsein gerückte Funktion der Strafe, 1594 nämlich die Genugtuung, die der Heilung seelischer Schäden bei den Opfern von Kriminalität dient 1595 und die in bestimmten Fällen nicht in ausreichender oder - wie erwähnt: sogar erwünschter - Weise über zivilrechtliche Verfahren bewerkstelligt werden kann. 1596 Diese Funktion ist neben der- allerdings ebenso schwer (quanti1593 So v.a. Diederichsen, Jura 1997, 57 ff. (insbes. 60 f. m.Fn. 29). S.a. dens., in: Starck, Rangordnung, S. 43 ff., 66 f., 78, 82, 94; dens., AcP 198 (1998), 210 ff., 248 ff. Ähnl. Medicus, AcP 192 (1992), 60; P. Lerche, in: Böttcher u.a., OderskyFS, S. 224. Weniger überzogen Bleckmann, DVBI. 1988, 942 f. (943 Sp. 1); Götz, in: Heyde/Starck, S. 68 ff. m.z.N.; K. Korinek/Holoubek, S. 118, 128, 136; Tettinger, DVBI. 1999, 683 f., 686. Vgl. zum Ganzen a. die klärenden Worte bei Th. Schilling, S. 323 f. Fn. 101. 1594 Zu anderen Mitteln eines "[v]erbesserte[n] Gesellschaftsschutz[es] durch Opferhilfe und -behandlung" H.J. Schneider, JZ 1998,445 m.w.N. 1595 S.d. F.-C. Schroeder, F.A.Z. Nr. 66 v. 19.3.1997, 14. Gerade die Äußerungen d. - sicherlich nicht archaischer Schnellschüsse verdächtigen - Entführungsopfers Jan Philip Reemtsma (Schroeder bezeichnet ihn als "Philanthropen") dürften dies in aller Deutlichkeit belegen (s. dessen "Erlebnisbericht" - in Romanform u. aus d. Perspektive eines dritten Erzählers - "Im Keller" - auszugsw.a.abgedr. in SPIEGEL, Jg. 1997). Ähnl. Nr. 61 d. Entschl.d. EP v. 8.4.1997 - A4-0112/97 - zur Achtung d. MRe i.d. EU (1995), ABI. C 132 v. 28.4.1997, 31, 36- MRber. 1995; Nr. 138 d. Entschl.d. EP v. 17.2.1998- A4-0034/98- zur Achtung d. MRe i.d. EU (1996), ABI. C 80 v. 16.3.1998, 43, 55- MRber. 1996. Vgl.a. noch Di Lorenzo, SZ v. 11.7.1998 ("Strafe muß sein"), anl.d.Disk. um eine Mordtatzweier 16-Jähr.: "Vor der Fürsorge für die Täter kommt die Fürsorge für die Opfer und der Schutz möglicher neuer Opfer"); Stöcke[, JA 1998, 599 ff. 1596 Zum Opferschutz aus vrl. Sicht s.a. die Erkl. v. Oda zu 1GH, Ao. v. 9.4.1998 - Case concerning the Vienna Convention on Consular Relations (Paraguay/USA), 37 l.L.M. 810 (1998), 821 § 2 III- Fall Breard: " ... if Mr. Breard's rights as they relate to humanitarian issues are to be respected then, in parallel, the matter of the rights of victims of violent crimes (a point which has often been overlooked) should be taken into consideration". Zum Justizkonflikt in diesem Fall s. nur Aceves, 92 AJIL 1998, 517 ff. Zur Ao. s.a. Kunig, JK 98, SVN Art. 4111. Der Fall wurde nunmehr auf Antr. Paraguays v. der Liste gestrichen, s. 1GH, B.v. 10.11.1998, n.n.v. Ganz ähnl. nunmehr wieder die Erkl. v. Oda zu 1GH, Ao. v. 3.3.1999 (D/USA), 38 l.L.M. 308 (1999), 314 § 2 li. Best. wird dies letztl. a. durch die Vereinbarung zur Errichtung eines st. intemat. StrafGH auf d. Konferenz in Rom am 17.7.1998, s.d. die Ber. i.d. F.A.Z. Nr. 165 v. 20.7.1998, 1 ff., insbes.v. Fastenrath, ebd., 2 (zum erforderl. Ratifikationsproz.). Vgl.d.a. Bemhardt, Adress ICC: Der 1CC sei eine log. Folge d. AEMR. Er werde zwar kein MRGH i. e. S. sein, er werde aber eine bedeutende Rolle beim internat. MRschutz spielen. Notwendig sei Abschreckung sowie effektiver Schutz d. Opfer. S. a. noch Schmidt-Jortzig, in: Theobald, S. 138 ff.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
365
tativ und qualitativ) empirisch abschätzbaren 1597 -Abschreckung (Spezialund [vor allem positive] Generalprävention) 1598 keinesfalls gering zu veranschlagen, 1599 auch wenn man sie in den modernen Strafrechtslehrbüchern nirgends finden mag. 160 Kann der Staat schon Verbrechen nicht völlig verhindern, weil ihm die tatsächlichen, aber in einer freiheitlichen Ordnung auch die rechtlichen Möglichkeiten hierzu fehlen, so ist er doch auch aus grundrechtliehen Gründen dazu verpflichtet, die Folgen von Verbrechen nicht nur materiell ([verwaltungsrechtliche] Opferentschädigung 1601 und
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(insbes. 139 a.E.), der insow. einen "Zusammenhang zwischen der Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft zur Sicherung der Menschenrechte und der Verpflichtung des einzelnen Staates zur Sicherung der durch die Grundrechte vorgegebenen objektiven Wertordnung" ausmacht. 1597 S. nur Röhl, S. 213 f., demzufolge es aber "töricht" wäre, die Präventionswirkung v. Sanktionen überhaupt zu leugnen (213); Lagodny, S. 318 ff., 362 f.; Th. Groß, JZ 1999,331 Sp. 2,jew.m.w.N. 1598 Gern. den sog. relativen Straftheorien. Die absolute Straftheorie (Vergeltung) ist in der Versenkung verschwunden (s. nur Lagodny, S. 305 m. w. N.). Die Genugtuungsfunktion nimmt insow. eine vermittelnde Rolle ein. Sie ist nicht zweckgelöst (absolut), sondern auf die Befriedigung (sozialpsycholog.) Opferbedürfnisse gerichtet. Sie dient aber a. nicht der Abschreckung (Prävention). Sie erfüllt damit ebenso wie die zivrl. Verschuldenshaftung - eine Ausgleichsfunktion (zu deren nur sek. Präventivfunktion s. Lagodny, a. a. 0., S. 290). Ausf. zur Abschreckung Lagodny, ebd., S. 301 ff., m.z.N. Zur Frage, ob die positive Generalprävention nicht eigentlich eine moderne Variante d. Vergeltung (Negation d. Negation) sei, ebd., S. 305 m. w. N. Zur verfrl. Unbedenklichkeit eines (relativen) VergeltungsstrafR s. ibid., S. 306 ff., m.z.N. S. aber a. BVerfGE 88, 203, 338 ff. (abw.Mein. Mahrenholz/Sommer), 338, die der Ans. sind, dass es geschichtlich erwiesen sei, dass Strafe nicht abschrecke (H.d.V.). 1599 Davon, dass eine "effective deterrence" insbes. beim Schutz bes. verwundbarer Opfer v. Gewalttaten (Kinder bzw. Jugendliche, Behinderte) nur durch das KriminalstrafR bewirkt werden könne, zu dessen Einsatz die VS v. a. aus Art. 3 u. 8 EMRK folglich a. verpflichtet seien, gehen jedf. die Straßburger Instanzen aus, vgl. zul. etwa KomMR, in: EuGHMRE 1998, 2692, 2703, 2710 § 47 (A./VK), u.H.a. den "leading case" EuGHMRE 91, 13 § 27 (X. u. Y./NL) - best. durch EuGHMR, ebd., 2699 § 22 II = ÖJZ 1999, 617 (N.d.s.u.u. Zweiter Teil, B.V.l.d)ee)(l)). Sich demggü. auf die "Normverdeutlichungsfunktion" d. StrafR zurückziehend, "die dem Symbolgehalt der Strafnorm Vorrang vor einer validierbaren Effektivität des Verbots gibt", Th. Groß, JZ 1999, 331 Sp. 2, 333. Die Abschreckung rechtstatsächlich nicht f. belegt haltend Schilling, ZÖR 54 (1999), 369 ff. 1600 So Schroeder, a. a. 0. Zur Argumentation mit den Strafzwecken im (abwehru. schutzfunktionellen) GR-Zushg. vgl. aber Lagodny, S. 30 ff., 288 ff., 517 f., m.z.N. Abi. Schild, Lenckner-FS, S. 294 ff., m. w.N., f. den als Straffunktion nur die Resozialisierung in Betracht kommt (297 f.) u. der "bei aller Anerkennung des Opferschutzes" immer einen "Bezug zur Allgemeinheit" verlangt (306). 1601 Die Opferentschädigung ist nicht nur desh. erforderlich, weil der Staat durch eine mögl. Inhaftierung die Realisierung zivrl. Schadensersatzansprüche potenziell verunmöglicht. S.a. EuGHE 1989, 195, 221 Rn. 17 (Cowan/Tresor public), wo aus Gründen d. gfl. Freizügigkeit d. diskriminierungsfreie Schutz v. "Leib und Leben"
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[zi viirechtliche] Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche 1602), sondern auch immateriell im Wege der Durchsetzung seines Strafrechts wenigstens zu lindern. 1603 Erst recht darf er nicht eine Überwindung der Opferstellung behindern und ein - zivilgerichtliches - Verbot der Nennung des eigenen Namens in Kindesmissbrauchsberichten aussprechen. 1604 bb) Schutz durch Förderung und Erziehung Mitunter wird darüber hinaus bestritten, dass eine Verhaltensbeeinflussung durch Förderung oder Erziehung aus der grundrechtliehen Schutzpflicht folge. 1605 a. auf den Anspr. auf Opferentschädigung erstreckt wird - vgl.d. v. Bar, DeliktsR I § 6 Rn. 567; P. Szczekalla, DVBI. 1998, 222, 224, m. w.N. (weniger grund- bzw. schutzrl. argumentierend Gersdorf, AöR 119 [1994], 403, sowie Entschl.d. EP v. 13.3.1981 zur Entschädigung v. Opfern v. Gewalttaten, ABI. C 77 v. 6.4.1981, 77 f.; 12.9.1989 - A 3-13/89 - zur Entschädigung d. Opfer v. Gewaltverbrechen, ABI. C 256 v. 9.10.1989- Opferentschädigungs-Entschl.-1 u. -1/, jew. allerd. - trotz Betonung d. Verbindungslinie zur Freizügigkeit - eher in sozialpoL Diktion; die Korn. untersucht derzeit die msl. Entschädigungssysteme, um davon ausgehend u. U. eine GernRegelung vorzuschlagen, s. die Antw.v. Korn. Gradin auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Kerr- E-1380/98, ABI. C 354 v. 19.11.1998, 95 f. Zu neueren Entwicklungen (zivrl. Zugriffsmöglichkeiten d. Opfer auf Profite aus der Vermarktung v. Straftaten) Silverman, JZ 1998, 552 ff. (rvgl. D u. USA); Rath, taz Nr. 5492 v. 26.3.1998 ("Talken für die Opfer"). A. im VK ist anges. eines jüngeren spektakulären Falles ein entspr. Gesetz geplant, s. nur Ford, Times No 66,189 v. 30.4.1998 ("Blair says payment to Bell is repugnant"); dens., Times No 66,261 v. 23.7.1998 ("Law on criminal memoirs may be tightened"); Mount, Sunday Times No 9,062 v. 3.5.1998 ("Blood money taints a necessary book"); Donnelly, Irish Times v. 30.4., 1. u. 2.5.1998 ("Payment for child-killer's story raises hackles", "Straw starts inquiry over payment to chi1d-killer" u. "Law cannot prevent Mary Bell profiting from book"); Kröncke, SZ v. 6.5.1998; Sotschek, taz Nr. 5524 v. 6.5.1998, 11, sowie Luyken, ZEIT v. Nr. 21 v. 14.5.1998, jew.betr. Mary Bell u. das auf Gespr.m. ihr beruhende Buch "Cries Unheard" v. Gitta Sereny (Bespr. Appleyard, Sunday Times No 9,063 v. 10.5.1998). Nicht zu!. aufgr.d. Abdr.d. Buches i.d. "Times" hat dieser Vorfall zu einer überaus heftigen Debatte im VK geführt, die a. nach Dtschl. "übergeschwappt" ist (s.o.). 1602 Insbes. Schmerzensgeld, das v. a. bei brutalen Verbrechen in Dtschl. erschreckend gering ist, vgl.d. Foerste, NJW 1999, 2951 f., m.z.N. 1603 Vgl.a. die Betonung d. "tasks of maintaining public confidence in the crimina1 justice system" in H.L., S.v. 12.6.1997 (R/SoSHD, ex p. V., u. R/SoSHD, ex p. T.), Times No 65,915 v. 13.6.1997, Law Report- Fall Bulger. Zu diesem Fall s.a. die beiden ZE d. KornMR, jew.v. 6.3.1998- 24724/94 bzw. 24888/94 [T. bzw. V./ VK] - n.n.v. -Fall Bulger-1 u. -1/, mit ausf. Darstellung d. Sachverhalts; nach den B.v. 4.12.1998 hat die KornMR eine Verl.v. Art. 5 IV u. 6 EMRK festgest. (ebenso der EuGHMR, U.v. 16.12.1999, Times No 66,700 v. 17.12.1999). 1604 So das Ergebnis d. Abwägung zw. allg. PersönlichkeitsR d. mutmaßl. Täters einers. u. dem allg. PersönlichkeitsR d. Opfers sowie deren Meinungsäußerungsfreih. anderers. v. BVerfGE 97, 391, 400 ff.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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Der Kritik ist zuzugeben, dass an den Einzelnen adressierte, rechtliche Ge- und Verbote (primäre Schutznormen) eine unentbehrliche Grundlage für die Erfüllung der Schutzpflichten sind. 1606 Die - sekundäre - Durchsetzung dieser Ge- und Verbote muss aber nicht immer mit den Mitteln rechtlichen Befehls und Zwangs erfolgen: Diese Mittel können durch tatsächliche Schutzmittel wie Förderung und Erziehung gleichsam substituiert werden. 1607 Entscheidend ist "nur" der wirksame und effektive Schutz des jeweiligen Grundrechtsguts 1608 . Die Wirksamkeit und Effektivität haben (zunächst) die zuständigen staatlichen Organe zu beurteilen - aus Gründen der Gewaltenteilung und des demokratischen Prinzips ist ihnen dabei ein Entscheidungsspielraum zuzugestehen. t) "Restrisiko" und "Sozialadäquanz"
Streit besteht auch im Hinblick auf den vom BVeifG verwendeten Begriff des "Restrisikos'" 609 und der "sozial-adäquaten Lasten ". 1610 Hierin wird 1605 Vgl. Murswiek, Verantwortung, S. 120 ff. (121). Dies folgt (allerd. nicht zwingend) aus Murswieks abw. Konzeption der grl. Schutzpflichten: Seine sog. "sekundären Schutzpflichten" resultieren Ietzt!. daraus, dass der Staat den Verzicht seiner Bürger auf Selbsthilfe durch den Einsatz seines Gewaltmonopols kompensieren müsse. Bei der Förderung eines best. Verhaltens od. bei einer Erziehung i.S. dieses Verhaltens gehe es aber nicht um die Kompensation eines vorher eingetretenen Verlusts. F. die Radizierung d. Erziehungspflicht in den grl. Schutzpflichten (hier: Art. 4 I u. // GG) etwa Robbers, Sicherheit, S. 138 f., u.H.a. BVerfGE 52, 223, 248 ff. Ob diese Entsch. tatsächlich als Beweis angeführt werden kann od. ob es sich nicht vielmehr um einen klaren abwehrrl. Fall handelt, kann hier offen bleiben: Deut!. f. den Einsatz erzieher. Schutzmittel (hier: schutzpflichtkonforme Ausgestaltung d. Lehrpläne in den Schulen) i.H.a. den Schutz d. ungeborenen Lebens jedf. BVerfGE 88, 203, 261. S. a. noch Robbers, HVR § 11 Rn. 16, 91 (f. den Abbau v. Fremdenangst); Wiesbrock, S. 160, sowie Hassemer/Hömig, EuGRZ 1999, 528 Sp. 1. 1606 S. Robbers, HVR § 11 Rn. 16, 91. S.o., A.V.4.a)aa)(2)(a). 1607 Zur Bedrohung d. "Rechts auf ,Person-Werden"' durch das Fehlen zur Entwicklung notwendiger tatsächl. Rahmenbedingungen (Kindergärten, Schulen etc) s. Engels, AöR 122 (1997), 230. Zum "[s]taatliche[n] Schulehalten ... auch [als] Erfüllung staatlicher Schutz- und Förderungspflichten für das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Ausbildungsfreiheit" s.a. Bothe, VVDStRL 54 (1995), 18 m.w. - a. rvgl. - N. Zusätzlich auf Art. 6 I GG abstellend Selmer, a.a.O., 155. Die Erziehung insow. als Staatsaufgabe ansprechend lsensee, KrieleFS, S. 15. 1608 Dazu K. Stern, StaatsR III/1 § 76 IV 5 a a S. 1575. 1609 S.d.N.o.u. A.V.4.c)bb). 1610 Ebd., cc). Zust. Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 5. Abschn. Rn. 25 f.; Schmidt!Müller, § 2 Rn. 16 f.; Kloepfer, UmweltR § 3 Rn. 17, § 15 Rn. 20 ff. Auf "Sozialadäquanz" abstellend a. Faber, DVBI. 1998, 747 f. Sehr weitgehend
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ein pauschaler Vorbehalt sozialadäquater zivilisatorischer Risiken 1611 gesehen, um die es - angesichts des mittlerweile erreichten Kenntnisstandes von der Gefährlichkeit der (die Begriffsverwendung durch das Gericht auslösenden) friedlichen Nutzung der Kernenergie - gar nicht gehe. 1612 Ob Beeinträchtigungen heute als "sozial adäquat" zu dulden seien, obliege der Entscheidung des Gesetzgebers. 1613 Letztgenannter Hinweis ist zwar mehr als berechtigt. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die gesetzgebensehe Entscheidung gerade auch eine "Nicht-Entscheidung" sein kann, nämlich i. S. eines Abstandnehmens von einer (detaillierten) gesetzlichen Regelung zugunsten weiterer Beobachtung und Forschung. 1614 Verbleibende Erkenntnislücken können dabei nicht ausgeschlossen werden - eine Verpflichtung zur Gesetzgebung "ins Blaue" bzw. zu einem "Schuss ins Dunkle" hinein besteht jedenfalls nicht. 1615 Insoweit liegt gerade eine fehlende Regelungsreife vor. 1616 Wenn man diese Erwägungen mit den Begriffen Restrisiko und sozialadäquaten Lasten verbindet, ist gegen sie prinzipiell nichts einzuwenden. Gleiches gilt, wenn man unter (faktischer) Sozialadäquanz versteht, dass der Gesetzgeber gehalten ist, bestimmte Risikoschwellen festzulegen und über Beginn, Fortsetzung, Revision und Abbruch bestimmter Vorhaben zu entscheiden, wobei er vom jeweiligen Stand der wissenschaftlich-technischen Situation i. S. einer Vorprägung auszugehen habe. 1617 In der einen oder anderen Richtung (Noch-) Nicht-Entscheidung oder ausdrückliche Risikoschwellenfestlegung bedarf es dann aber jeweils einer situationsangepassten Rechtfertigung des Gesetzgebers, entweder i.S. eines Hinweises auf die fehlende Regelungsreife (bei weitergehenden Forschungsanstrengungen) oder i. S. einer verantwortbaren und vom Gesetzgeber auch zu verantwortenden Risiko-Entscheidung auf hinreichend verlässlicher wissenschaftlicher Grundlage (und weiDegenhart, S. 146 ff. Diff. AKU-Steiger 02/051 f. Rn. 179 ff.; Preuß, Risikovorsorge, S. 523, 543. Krit. König, S. 230. 16 11 I.Z.m.d. Rspr. zur "gestörten Vertragsparität" auf das Erfordernis einer "sozialadäquaten Rechtsordnung" abst. LG Hanau, U.v. 30.4.1998 - 7 0 1459/97 n.n.v., S. 7 d.Umdr. (i.A.a. OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1996, 110, 111). Allg. AKU-Steiger 02/049 Rn. 171, 051 f. Rn. 179 ff. 1612 S. nur Hennes, S. 241 ff., insbes. 244; Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 212 f. Fn. 14. 1613 Murswiek, Verantwortung, S. 195. Vgl.a. Pietrzak, JuS 1994, 750 Sp. I; B. Davy, S. 671 ff. (673); Borowski, S. 257 ff., m.w.N. 1614 S.d. Detennann, S. 171 ("Parlamentsentscheidung über den Nichterlass eines Gesetzes"). S.a.o., A.V.l.a)hh). 1615 S. P. Szczekalla, NdsVBI. 1997, 66, 71 m.Fn. 69 u. z.N. aus Rspr.u.Lit. 1616 P. Szczekalla, a.a.O. Vgl.a. Detennann, S. 171, 185 ff. 1617 I.d.S. Preuß, Risikovorsorge, S. 543. Vgl.a. den "Normativierungsvorbehalt" v. BVeiWG, DÖV 1999, 911, 914 Sp. 1, betr. das ImmissionsschutzR ("Sommersmog").
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
369
tergehender Beobachtung und/oder Forschung). Deshalb kann die Bewertung einer bestimmten Gefahrenlage als "sozialadäquat" immer nur Ergebnis einer Abwägung sein, nicht aber ein Abwägungssurrogat. 1618 Im Übrigen können die Begriffe Restrisiko und sozialadäquate Lasten nicht auf schutzpflichtträchtige Situationen beschränkt werden: Unabhängig davon, ob der Staat oder eine staatliche Einrichtung unmittelbarer Verursacher von (Rest-) Risiken sind, so dass nach herkömmlicher Diktion das Abwehrrecht einschlägig ist, oder ob private Dritte (Rest-) Risiken produzierende Anlagen etc. betreiben, so dass ebenfalls nach herkömmlicher Diktion die Schutzpflicht heranzuziehen ist - die Maßstäbe sind identisch. 1619 Entscheidend ist letztlich, dass "sozialadäquate" Beeinträchtigungen, Belastungen oder Belästigungen nur dann gerechtfertigt werden können und dementsprechend definitiv hingenommen werden müssen, wenn eine entsprechende Abwägung ergibt, dass nur durch sie angesichts der vorhandenen räumlichen, technischen und wirtschaftlichen Situation höherwertige, zumindest aber gleichwertige private oder öffentliche Interessen (als staatlicherseits "gebündelte" Einzelinteressen) verwirklicht werden können. 1620 Schließlich unterscheidet sich der Begriff der "Sozialadäquanz" in seiner praktischen Anwendung durch die Rechtsprechung nicht von dem der ansonsten weithin akzeptierten "Zumutbarkeit", der auch als (letzter) Bestandteil der Verhältnismäßigkeitsprüfung fungiert: So hat das BVerwG für den Bereich des - öffentlichen - Nachbarrechts jüngst zu Recht festgestellt, dass ihm insoweit keine eigenständige Maßstabsfunktion zukommt. 1621 Dass Gerichte von Sozialadäquanz sprechen, stellt also nur eine sprachliche Variante der entsprechend tatrichterlicher Würdigung vorzunehmenden Abwägung dar und kann inhaltlich nicht beanstandet werden.
1618 Ähnl. Dietlein, S. 108 f. ("Ergebnis einer Anwendung rechtlicher Kriterien ... , nicht aber das Kriterium selber" [109]). 1619 F. eine unterschied!. Kontrolldichte indes Pietzcker, S. 360 - vorsichtig dagg. ("fraglich") - Medicus, AcP 192 (1992), 70 m.Fn. 19 a.E. Vgl.d. - ausdr. auf die Restrisiko- u. Sozialadäquanz-Rspr.d. BVerfG abst. - bspw. das ndsOVG, NVwZ 1998, 537, 538 - Fehlschuss-Restrisiko, betr. das Fehlen nachbarl. Abwehranspr. gg. Schießübungen auf dem Truppenübungsplatz Munster: Bei der Bestimmung d. o. Aufgabe d. Schießbetriebs erforderl. Höchstmaßes an Sicherheit seien "diejenigen Maßstäbe anzulegen, die in den zivilen Bereichen potentiell gefährlicher Anlagen üblich sind". 1620 So a. AKU-Steiger 021052 Rn. 181 a.E. Vgl.a. Preuß, Risikovorsorge, S. 529 f., 543, m. w.N. 1621 BVerwG, UPR 1996, 309, 310- Wertstoffhof 24 Szczekalla
370 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
u) Schutz und/oder Förderung? Streitig ist darüber hinaus, ob mit der "Schutz- und Fördeiformel" des BVeifG 1622 nicht nur eine sprachlich 1623 einprägsame Formulierung gefunden werden sollte, sondern auch inhaltlich gemeint ist, dass die Grund-
rechte in ihrer Schutzfunktion auf eine Förderung des Grundrechtsguts gerichtet sind. 1624
Mit der Schutz- und Förderformel wird die Diskussion um grundrechtliehe Schutzpflichten in der Tat unnötig überfrachtet und belastet: Beim Schutz geht es schon dem Wortsinn nach 1625 um die Erhaltung von etwas Bestehendem, 1626 während die Förderung über den grundrechtliehen status qua als Bezugspunkt der Schutzpflicht 1627 hinauszielt und den Rechtskreis des Einzelnen erweitern soll. 1628 Subjektive Schutzansprüche sind deshalb negatorischer Art. 1629 Im Übrigen werden mögliche Kollisionen zwischen S.o., A.III.l. Die Verbindung v. Schutz u. Förderung ist sprachgeschichtlich durchaus belegt, s. Grimm Bd. 3 Sp. 1896 ("so haben ihre kaiser diese wissenschaft so lange in ihren schutz und förderung genommen"). 1624 Bej. wohl K. Stern, HStR V § 109 Rn. 59; Schmidt-Jortzig, in: Theobald, S. 130; Kirchhof, F.A.Z. Nr. 125 v. 2.6.1998, 11 Sp. 6. Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 68, geht offb. sogar davon aus, dass die Förderung die "eigentliche Funktion der Schutzgebote" sei. S. a. Ziekow, S. 584 ff., 591 ff., der f. eine dogm. Trennung plädiert (586). Der Förderung keine eigenständige Bedeutung beimessend v. Kater, S. 92. 1625 Wenngleich der Begr. "Schutz" - zuerst im Schweizer. - um das Wort "Trutz" erweitert wurde u. auf Verteidigung und Angriff zielte, vgl. Grimm Bd. 21 Sp. 2119 f., m.w.N. Zur Bedeutung d. "Schützens" als "abhaltung" u. "abwehr" s.ebd., Sp. 2129. Zur Sicherheit als dem Schutz bestehender Rechte s.a. Preuß, Merkur 43 (1989), 489. 1626 Wobei das Bestehende i. d. S. aber a. ein Prozess sein kann, etwa das "Person-Werden" eines Kindes od. Jugend!. Das verkennt die "Defizitanalyse des Normprogramms [d. Art. 2 I GG, ps] nach herkömmlichen Verständnis" v. Engels, AöR 122 (1997), 222 ff. (225 f.), der den Schutzber. erst mühsam um ein "Recht auf ,Person-Werden"', auf "Entfaltungsschutz" anreichern muss (226 ff.), wobei es hier nach Ans.d. Autors aber a. fließende Übergänge geben könne (228). Nicht einsichtig ist schließ!. die Beschränkung d. "Person-Werdens" auf Kinder u. Jugend!. m.d.F., dass dieses Recht mit zunehmender Entfaltung d. Minderjährigen abnehmen soll (234): Vielmehr handelt es sich beim "Person-Werden" um ein nimmerendendes Kontinuum, einen nie abgeschlossenen Prozess, dem a. Erwachsene unterliegen (sollten). "Person-Sein" u. "Person-Werden" sind desh. nicht zu trennen. Dass Kinder u. Jugend!. eines bes. Schutzes bedürfen, stellt dabei "nur" eine recht!. (u. a. Art. 6 II 2 GG) gebotene Typisierung dar. 1627 S. Determann, S. 159. 1628 Vgl.a. Koppen/Ladeur, in: Cassese u.a., S. 8; Gersdorf, AöR 119 (1994), 406 f., 422 m.z.N. Abw. die Diff. bei Ziekow, S. 586 f., 592, der auf das Vorliegen eines tri- (dann Schutz-) od. eines bipolaren Verhältnisses (dann Förderpflicht) abst. 1629 Vgl. f. Art. 17 /PbürgR Nowak, IPbürgR Art. 17 Rn. 7. 1622 1623
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
371
Schutz- und Förderpflichten, z. B. im Gentechnikrecht in Bezug auf die Schutzpflicht für die Gesundheit und die Förderpflicht für die Wissenschaft, 1630 in einer zwar zugegebenermaßen griffigen Fonnel zusammengefasst, die einer rationalen Argumentation dann aber eher abträglich ist. Keinen Grund für die auch hier befürwortete dogmatische Trennung beider Pflichten stellt indes die Behauptung dar, dass mit der Erfüllung der Schutzpflicht "denknotwendig eine Beschränkung der Freiheit desjenigen verbunden [ist], von dem der abzuwehrende Eingriff ausgeht". 1631 Unabhängig davon, dass damit die oben eingehend begründete Einbeziehung unpersonaler Gefahren in die Schutzpflicht-Dogmatik - stillschweigend - abgelehnt wird, 1632 trifft es gerade nicht zu, dass jede Schutzpflicht-Erfüllung zu einem Grundrechtseingriff führen muss. 1633 v) Vorbehalt amtlicher Erkenntnis Umstritten ist zudem der vom BVerfG - jedenfalls früher - vertretene Vorbehalt amtlicher Erkenntnis insbes. bei der Erfüllung von Schutzpflichten. 1634 I.E. wird man einen solchen Vorbehalt jedenfalls heute nicht mehr annehmen oder nur noch in dem Sinne verstehen können, dass bestimmte wissenschaftliche Positionen zur Kenntnis des Staates gelangt sein müssen, 1635 was aber regelmäßig im Verwaltungs- und/oder Gerichtsverfahren der Fall sein wird. 1636 Der Vorbehalt harmoniert im Übrigen auch nicht mit den Beobachtungs- und Forschungspflichten 1637 und erweist sich über1630 Vgl.d. nur Schmidt!Müller, § 6 Rn. 71. Zu den sprachl. Ursprüngen s. Grimm Bd. 3 Sp. 1896 (Fn. 1623). 16 31 So aber Ziekow, S. 586. 1632 S.o., e). 1633 S.o., b ). 1634 S.o.u. A.V.4.a)aa)(l)(e). Zust. Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 5. Abschn. Rn. 25 a.E.; HUR-Tünnesen-Harmes, A.2 Rn. 33. 1635 l.d.S. etwa BVerwG, UPR 1996, 344, 346, wonach sich der Staat "nicht ohne weiteres mit vorhandenen Erkenntnisdefiziten ,entschuldigen"' könne, sondern dann, wenn Risiken bereits als solche bekannt sind, diesen "- etwa bei der Festsetzung von Grenzwerten - durch Sicherheitsmargen zu begegnen suchen" müsse. Das Ger. stellt anschl. auf den "allgemeinen Kenntnisstand der Lärmforschung" ab. 1636 Desh. verwundert es entgg. Determann, NJW 1997, 2502 f., a. nicht, dass das BVeifG - noch dazu in einem NichtannahmeB einer K. - seine Beurteilung, dass die bestehende Gesetzes- u. Verordnungslage dem Gesundheitsschutz i.H.a. den sog. E-Smog hinreichend Rechnung trage, "nur" auf eine Antw.d. BReg. auf eine Gr.Anfr., eine Empf.d. SSK u. auf die 26. BlmSch V stützt, also nur auf Einschätzungen d. Exekutive, BVeifG, UPR 1997, 186, 186 f. Der wissl. Streit wurde näml. bereits in unzähligen, v. a. verwgerl. (Eil-) sowie im (zivilgerl.) Ausgangsverf. in extenso ausgetragen. Eine erhebl. Entwertung d. prakt. Bedeutung d. Schutzpflicht u.d. Ausweitung grl. Schutzes auf (bloße) Rechtsgutgefährdungen f. den Ber. Gesund24*
372 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht haupt als Fremdkörper in einer auch und gerade und im wahrsten Sinne des Wortes (mobil-) kommunikativ vernetzten Welt. 1638 Dementsprechend hat es das BVeifG jüngst jedenfalls als unbedenklich angesehen, dass die Bundesregierung Ergebnisse ausländischer Umweltverträglichkeitsprüfungen und gesonderter Genehmigungsverfahren unter Mitwirkung von Umweltverbänden verwertet hat - dies trage der internationalen Kooperation (hier: im Beheitsschutz vor neuen Technologien liegt darin jedf. nicht (so aber Detennann, a.a.O.). 1637 Zur Ausschöpfung sämtl. naturwissl. Erkenntnisquellen bei der Suche nach verborgenen Risikopotentialen bei einem kombinierten Ansatz v. Grdl.- u. zulassungsverfahrensbezogener, hinreichend nachprüfbarer (u. U. subventionierter) priv. od. staatl. Eigen-Forschung s.a. HUR-Tünnesen-Hannes, A.2 Rn. 12 a.E. i. V.m. Rn. 19, 24, 31 f.; Kremser, JZ 1997, 899 Sp. 2. Vgl.a. Scherzberg, VerwArch. 84 (1993), 510 f.; Bauer, VVDStRL 54 (1995), 277 ff., sowie - i.Z.m.d. Zu!. gesellschaftl. Selbstregulierung - Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 172 ff. ("Gewährleistungspflicht", "Beobachtungspflicht", "Begleitkontrolle", "Zugriffsoption"). Zur Erforderlichkeil d. Heranziehung sozialwissl. Studien durch den Gesetzgeber (allerd. i. R.d. sog. "Ausgestaltungsaufgabe" bei Art. 6 li GG) Engels, AöR 122 (1997), 241 (wohl im Schutzpflicht-Kontext aber ebd., 243). Zur systemat. Einbeziehung wissl. Beobachtung in die - experimentelle u. berspez. - recht!. Regulierung d. zukünftigen Informationsordnung s. etwa Trute, VVDStRL 57 (1998), 268, 273 Ls. E.30; Th. Groß, JZ 1999, 334 f. F. das ImmissionsschutzR hessVGH, ZUR 1998, 251, 255. Nur i.S. (allg.) Leistungsanspr. aber Determann, S. 173 - s.a. dens., UTR 40 (Jb. 1997), S. 168, 181 ff. Restr.a. Wagner, RdU 1998, 129 f. 16 38 Zur europaweiten "Besorgnislage" beim "E-Smog" vgl. nur den Prozessber. in Irish Times v. 7.11.1997 sowie die Ber. u. Komm. i.d. Ausgabe v. 29.1.1998 ("ESAT/Garda Controversy"), den fachwissl.Aufs.v. Reville, Irish Times v. 2.2.1998, die Art. in Irish Times v. 7.3.1998, das Erk.d. östOGH, JBI. 1990, 786 ff. (zum Einfluss d. Medien insbes. 787) - Starkstromleitung, den Art. i.d. TT v. 2.7.1998 ("Antennenbau löst Wirbel aus", betr. Anwohnerproteste gg. den Bau einer Funkanlage f. Mobiltelefone in einer Kitzbüheler Siedlung, etwas mehr als 10m v. einem Schlafzimmer eines Nachbarn entfernt; die Ausn. solcher - nicht einmal anzeigepflichtigen - Anlagen aus der tirBauO [§ 1] wird mit dem GR auf lnfonnationsfreih. begründet, so dass hier eine sog. GRkollision angenommen wird), den Aufs.v. Wagner, RdU 1998, 121 ff., sowie die Antw.v. Korn. Flynn auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Skinner u. Billingham- P-2057/96 u. E-2087/96, ABI. C 356 v. 25.11.1996, 119 f. u. 120 f.; die Antw. dess. auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Angelilli - E-2630/97, ABI. C 102 v. 3.4.1998, 78 f.; die Antw. dess. auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Caccavale - E-4190/97, ABI. C 196 v. 22.6.1998, 97 ff., sowie die Antw. dess. auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Sierra Gonzdlez u.a.- E-1788/ 98, ABI. C 50 v. 22.2.1999, 93 f. Vgl. schließ!. noch die Mitt.d. Korn. v. 3.10.1995 - IP/9511057, JUSletter Nr. 35-95 v. 13.10.1995- 14/19-95, 10, u. v. 20.11.1996IP/9611053, JUSletter Nr. 41-96 - 14/39-96, 8, sowie die 1996 veröff. Studie "Nichtionisierende Strahlung - Quellen, Exposition und Gesundheitswirkungen". Nunmehr hat sich die Korn. dazu entschlossen, eine Empf. vorzuschlagen, s. Vorschl.d. Korn. v. 11.6.1998 f. eine Empf.d. Rates zur Begrenzung d. Exposition d. Bevölkerung durch elektromagnet. Felder 0 Hz - 300 GHz, KOM(98) 268 endg. E-Smog-Empf (s. jetzt ABI. L 199 v. 30.7.1999, 59, u.d. Umwelt Nr. 10/1999, 194 ff.).
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
373
reich der Weltraumforschung) Rechnung und halte sich im Rahmen der Einschätzungsprärogative der Exekutive bei der Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht 1639 Damit dürfte deutlich geworden sein, dass der bzw. ein Vorbehalt amtlicher Erkenntnis heute weder verfassungsgerichtlich praktiziert wird noch dogmatisch anzuerkennen ist. w) Subsidiarität staatlichen Schutzes?
Weiterhin wird in der Literatur mitunter eine Subsidiarität staatlichen Schutzes und ein Vorrang des Selbst-Schutzes vertreten. 164 Fraglich ist, ob eine solche - pauschale - Behauptung zutrifft, ob man also tatsächlich von der Existenz eines allgemeinen Subsidiaritätsgrundsatzes im Hinblick auf staatlichen Schutz ausgehen darf:
°
aa) Differenzierung zwischen prima facie und definitivem Schutz; Verfügbarkeit der Haushaltsmittel und Eigensicherungspflicht Richtig ist daran zunächst, dass in bestimmten Gefährdungslagen der Einsatz bestimmter Schutzmittel vom Einzelnen deshalb nicht definitiv 1641 verlangt werden kann, weil er unschwer der Gefahr selbst begegnen kann 1642 und weil insbes. für den Einsatz tatsächlicher Schutzmittel auf die Verfügbarkeit der Haushaltsmittel geachtet werden muss. 1643 Deshalb ist es auch möglich, dass "sensible" Unternehmen zur sog. Eigensicherung ihrer Anlagen, etwa vor terroristischen Anschlägen, verpflichtet werden, 1644 sofern 1639 BVerfG, UPR 1998, 21. Zur ("eingehend[en]") Prüfung d. Sicherheitsrisikos dieser Mission durch die eur. Korn. [!] s. nur die Antw.v. Korn. Bangemann auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Schmidt- E-2757 /97, ABI. C 117 v. 16.4.1998, 59 f. (59). 1640 Vgl. etwa Gramm, NJW 1989, 2923 Sp. 1; König, S. 231 f., jew.m.w.N. Ähnl. Lagodny, S. 255 f. (anders aber ebd., S. 357 f.). A.A. Köck, AöR 121 (1996), 20; Faber, DVBI. 1998, 752 f., m.w.N. Gg. eine Abwälzung d. Schutzpflicht auf den Eigentümer eines überplanten Altlasten-Grundstücks durch Vemeinung eines Amtshaftungsanspr. bspw. Schmidt/Müller, § 6 Rn. 65. 164 1 Sondern nur prima facie. 1642 Vgl. nur Koch, DV 30 (1997), 20 f., am Bsp.d. Winterdienstes auf öffentl. Straßen u.H.a. die Möglichkeit d. Verzichts auf die gefährlichsten Verkehrsmittel (Motorrad, Auto, Fahrrad), d. Aufschiebens best. Wege, d. Einsatzes "technischer" Vorkehrungen (winterl. Schuhwerk, Winterreifen, Schneeketten etc.). S.d.ber. Pietzcker, JZ 1985, 210 Sp. l. Ähnl.a. KomMR, 80-A, 175, 177 f. (ljspeerd/NL)- Unerwünschte Werbebroschüren ("Randnutzung" bei Zusendung d. Studententickets): Unerwünschte kommerzielle Werbung könne leicht ignoriert werden. 1643 S.o., A.VIII.6, sowie u., 3. Zur Abhängigkeit konkreter Schutzmittel u. a. v. den "State resources" s.a. KomMR, in: EuGHMRE 1998, 3124, 3185, 3189 § 91 (Osman/VK)- best. durch EuGHMR, ebd., insbes. 3159 f. § 116.
374 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
die besonderen finanzverfassungs-, insbes. die gebührenrechtlichen Vorschriften eingehalten und diese Verpflichtung im Übrigen vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden kann. 1645 Dabei handelt es sich prüfungstechnisch im Übrigen eigentlich gar nicht um eine Frage der Reichweite der Schutzpflicht. Diese spielt vielmehr "nur" im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des in der - gesetzlichen - Eigensicherungspflicht (einschließlich dessen Finanzierung) liegenden (Grundrechts-) Eingriffs eine Rolle und soll deshalb hier nicht weiter vertieft werden. 1646 bb) Mobilisierung des Risikovermeidungspotentials "mündiger Bürger" Manche Schutzmittel funktionieren zudem ohnehin nur, wenn sie bei den "mündigen Bürgern" auf fruchtbaren Boden fallen: So haben etwa staatliche Warnungen dann keinen Sinn, wenn die Einzelnen nicht bereit sind, ihr eigenes "Risikovermeidungspotential" 1647 einzusetzen. 1648 Ganz allgemein gibt es darüber hinaus eine Reihe "vorrechtliche[r] Verfassungserwartung[en]", deren Erfüllung der Verfassungsstaat nicht mittels hoheitlichem Befehl oder Zwang einfordern, sondern für deren Einlösung er nur werben kann. 1649 Vergleichbares gilt etwa für die Wahrnehmung des Rechts auf informationeile Selbstbestimmung im Internet: Auch hier muss der Einzelne gleichsam sein Recht selbst in die Hand nehmen, wozu er indes erst durch Schaffung der geeigneten technischen Maßnahmen und durch entsprechende Aufklärung in der Lage ist. 1650 Alle rechtlichen Regelungen des Datenschutzes (etwa: Information, Wahlfreiheit oder Widerspruchsrechte des Betroffenen) müssen nämlich dann versagen, wenn die Einzelnen nicht selbst aktiv werden. 1651 Auch hier wird also deutlich, dass staatliche Schutzgewährung 1644 S. etwa BVerwG, JZ 1986, 896 ff. - Flughafen Stuttgart-Echterdingen, m.Anm. Karpen, ebd., 898 f.; 1989, 895 ff. - KKW Neckarwestheim, m.krit.Anm. Karpen, ibid., 898 ff. 1645 Vgl.d. aus jüngerer Zeit etwa BVerwGE 95, 188 ff.- Luftsicherheitsgebühr-1, sowie die NichtannahmeE BVerfG, DVBl. 1998, 1220. S.a. Di Fabio, JZ 1999, 591 m.w.N. 1646 Zur - überaus heftigen - Disk. um die Sicherung d. Bahnverkehrs in Anlehnung an den Flugverkehr s. etwa den Komm.v. Pries, FR v. 28.7.1999 ("Grenzen des Privaten"). 1647 S.d. Koch, DV 30 (1997), 21. 1648 Zum nicht zu unterschätzenden "Appellcharakter" a. d. OzonG Sendler, NJW 1995, 2829, 2830. 1649 Isensee, Kriele-FS, S. 15. S.a. P. Kirchhof, DVBl. 1999, 652 f. 1650 I.d.S. etwa Garstka, DVBl. 1998, 992 Sp. 2. Ähnl. Th. Groß, JZ 1999, 333. 1651 Garstka, ebd. Das gilt auch bei - nationaler - Einführung einer sog. opt inLösung in vielen Ber.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
375
und privater Selbstschutz in einem - zumindest faktischen - gegenseitigen Ergänzungsverhältnis stehen. 1652
cc) (Ausdrückliche) Anordnungen im Grundgesetz Richtig ist ebenso, dass das Grundgesetz für einzelne Sachbereiche ausdrücklich eine Subsidiarität staatlichen Schutzes anordnet: So genießt die Elternverantwortung nach Art. 6 li 1 GG ("zuvörderst") Vorrang vor der staatlichen Verantwortung für den Kinder- und Jugendschutz. 1653 Weitere ausdrückliche Anordnungen der Subsidiarität staatlichen Schutzes finden sich im Grundgesetz indes nicht. Allerdings ist es durchaus möglich, aus Gründen des Freiheitsschutzes, insbes. im Grenzbereich zum "echten" Schutz vor bzw. gegen sich selbst, dem Einzelnen Mitwirkungslasten, etwa (Schutz-) Antragseifordemisse aufzuerlegen. dd) Keine allgemeine Subsidiarität, aber Grundsatz schutzfunktionaler Subsidiarität Eine allgemeine Subsidiarität staatlichen Schutzes lässt sich aus alledem aber nicht ableiten: Ob "eigenhändiger", unmittelbarer staatlicher Schutz definitiv geboten ist und verlangt werden kann, ist immer eine Frage des Einzelfalls und nicht unter dem Schlagwort "Subsidiarität" vorschnell zu beantworten. Prima facie ist die Pflicht zum und das mit ihr korrespondierende Recht auf staatlichen Schutz gleichsam "grenzenlos". Ihre bzw. seine genaue Reichweite ergibt sich erst nach einer entsprechenden Abwägung. Staatlicher oder staatlich gewährleisteter 1654 Schutz darf jedenfalls aus Gründen effektiven Grundrechtsschutzes nicht von vomherein ausgeschlossen werden. 1655 Ferner kann es auch Situationen geben, in denen der Selbst-Schutz die einzige Möglichkeit zur Bewahrung eines Grundrechtsguts ist. Einen sol1652
663 ff.
So a. Th. Groß, JZ 1999, 334 Sp. 2. Vgl.a. Hoffmann-Riem, DVBI. 1999,
1653 Vgl.d. nur Engels, AöR 122 (1997), 242 ff., m. w.N., 245 f., der darin aber offb. ein allg. "verfassungsrechtliche[s] Grundprinzip des Vorrangs der Eigenverantwortung (hier: der Eltern) vor der Fremdverantwortung (des Staates)" erblickt (242 f.). 1654 Zur (bloßen) Schutz-Organisationspflicht d. Staates s. etwa BVerwGE 95, 188, 205. (Wohl) A. insow. zust. BVerfG, B.v. 11.8.1998- 1 BvR 1270/94 (1. K)n.n.v., III.4., S. 10 d. Umdr. (insow. in DVBI. 1998, 1220 n.abgedr.). S.a. Köck, AöR 121 (1996), 20. l.Z.m.d. staatl. Gewaltmonopol s. noch Gusy, DÖV 1996, 576 Sp. 2. 1655 Vgl.i.d.S. etwa BVerfGE 56, 54, 86; BVerwG, NVwZ 1998, 850, 851 Sp. 1Aktiver u. passiver Lärmschutz vor Fluglärm.
376 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
eben Selbst-Schutz darf der Staat nicht ohne Not verunmöglichen. Beispielhaft sei hier nur auf die sog. Kryptakontroverse verwiesen: Eröffnet der Staat staatlichen Sicherheitsdiensten einen Schlüsselzugang, so hat er diesen EingriJ/ 656 auch vor dem Hintergrund zu rechtfertigen, dass Private durch den Einsatz neuer Verschlüsselungstechnologien Selbst-Schutz betreiben, den der Staat so und selbst nicht gewährleisten kann. 1657 In diesem Sinne lässt sich die Subsidiaritätsthese sogar in einen Gedanken oder Grundsatz "schutzfunktionaler Subsidiarität" umkehren: 1658 In bestimmten Situationen, in denen der Staat faktisch überhaupt nicht in der Lage ist, "eigenhändig" unmittelbaren Schutz zu gewähren, hat er private Dritte in die Pflicht zu nehmen, damit diese den erforderlichen Schutz im Einzelfall bewirken. Das geschieht durch rechtliche Schutzmittel in Gestalt von Handlungsgeboten, die auch strafrechtlich bewehrt sein können, also gleichsam auf mittelbare Weise. Paradigma ist hier das echte Unterlassungsdelikt des § 323c StGB. 1659 Um eine Subsidiarität im eigentlichen Sinne handelt es sich dabei aber nicht, da es gerade ein staatliches, rechtliches, wenn auch gewissermaßen mittelbares Schutzmittel ist, dass die Privaten in die Pflicht nimmt. 1660 1656 Die Unterlassung eines solchen Eingriffs offb. als Ausfluss d. Schutzpflicht ansehend Th. Groß, JZ 1999, 334 Sp. 2. 1657 Weitergehend die Schlussfolgerung v. Trute, VVDStRL 57 (1998), 263 f., 273 Ls. D.II.27: "Wo staatliche Mittel der Erfüllung von Schutzpflichten begrenzt sind, ist der private Selbstschutz zu ermöglichen und zu fördern .... Aufgrund der derzeitigen technischen Situation wäre es verfassungswidrig, Sicherheitsdiensten einen Schlüsselzugang zu eröffnen". Gg. dieses Verdikt der Disk.-Beitr. v. Gallwas, ebd., 310, 311. W g.d. Ungeeignetheit eines Verbots d. Verschlüsselung od. eines Gebots d. Schlüsselhinterlegung zur Bekämpfung d. regelmäßig ausweichungsfähigen OK (zwei Verschlüsselungen od. eine Verschlüsselung plus "Datensalat") "derzeit" bei seinem Verdikt bleibend aber Trute, ibid., 319 f. (320, Afz.i.O.). S. a. dens., JZ 1998, 829, sowie Th. Groß, JZ 1999, 326, 324, jew.m. w. N. Eine Ergänzung "grundrechtlicher und sozialstaatlicher Schutzpflichten" u. a. durch die "Ermöglichung von privaten Selbstschutz" fordernd a. F. Sc hoch, a. a. 0., Ls. IV.5.(22). 1658 S.d. Lagodny, S. 269 ff. (Afz.i.O.), m. w.N. Lagodny versteht unter Subsidiarität aber a. eine (solidar.) Verstärkung d. individuellen Selbst-Schutzes zur Schaffung v. Freiräumen d. Einzelnen, s. ebd., S. 358 m. w. N. Das entspricht indes nicht der üb!. Sichtweise. 1659 Zur EMRK-Relevanz dieser Ausprägung d. Schutzpflicht s. nur KomMR, DR 48, 258, 260/262 m. w. N. (Hughes/VK) - Herzkranzgefäßverschluss (Unterlassene Hilfeleistung): I.G.z. dt. Recht (§ 323c StGB) gibt es im eng!. Recht keine (strafbewehrte) allgemeine Hilfspflicht f. jedermann (s.u., B.V.l.e)bb)). Zu Art. 46 bbgV (,,Jeder Mensch ist bei Unglücksfällen, Katastrophen und besonderen Notständen nach Maßgabe der Gesetze zur Nothilfe verpflichtet") Denninger, S. 45 f.; ders., KritV 1995, 21. 1660 Das gilt i.Ü. a. f. sonstige "flankierende Maßnahmen", s.d. Lagodny selbst, a. a. 0., S. 358: "Gerade die flankierenden Maßnahmen beruhen ... auf staatlicher
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
377
Schließlich ist aber auch und gerade im Zusammenhang mit den neuen Informationstechniken vor jeglicher Überbetonung einer Subsidiarität staatlichen Schutzes zu warnen: Vertraut man im Internet in Sachen Jugendschutz etc. auf die Selbstregulierung der betroffenen Kreise und versteht man dies als Ausdruck der Subsidiarität staatlichen Schutzes, so bestehen dort nicht nur wegen des genannten Schutz-Gegenstandes Bedenken. Zu berücksichtigen ist nämlich auch, dass durch die "Selbst-Zensur" von Anbietern unerwünschte Inhalte über sog. Filtersoftware aus dem kommunikativen Netz eliminiert werden können. 1661 Dagegen müsste der Staat sicherlich ebenso vorgehen. Alles in allem lässt sich eine allgemeine Subsidiarität staatlichen Schutzes folglich nicht vertreten. 1662 x) Erosion des einfachen Rechts
Vor allem im Bereich des Zivilrechts wird vor einer Erosion des einfachen Rechts und seiner Dogmatik im Gefolge der grundrechtliehen Schutzpflichten gewarnt. 1663 Dabei handelt es sich aber nicht um ein schutzpjlichttypisches, sondern ein allgemeines grundrechtsdogmatisches Problem, nämlich vor allem um die Herstellung von Rechtssicherheit, mit der sich ein abgestufter Schutz auch und gerade vor Art. 3 I GG rechtfertigen und eine - prinzipiell Rechtssicherheit verbürgende - zivilrechtliche Dogmatik gut vereinbaren lässt. 1664 Nur darf man sich der Möglichkeit nicht begeben, in bestimmten Situationen sich erwärmender bzw. aktualisierender Grundrechtsfalle auch dogmatisch "richtige" oder gar "zwingende" Lösungen des sog. einfachen Rechts zu hinterfragen. Für den Regelfall bleibt es aber dabei, dass eine Privatrechtsgesetzgebung, die den Rechtsgehalt der Grundrechte in den Regelungen des bürgerlichen Rechts konkretisiert und grundrechtlich verbürgte Positionen gegeneinander abgrenzt, dabei ohnehin den "normalen" grundrechtliehen Bindungen unterliegt, 1665 unentbehrlich Anordnung, haben also rein gar nichts mit privater freiwilliger Selbstregulierung zu tun". 1661 Vgl.d. etwa Trute, JZ 1998, 829 Sp. 2. S.a. Hoffmann-Riem, DVBI. 1999, 663 ff. 1662 Auf die Frage, ob die Subsidiarität i.Ü. m.d. staatl. Souveränität (un)vereinbar ist, soll hier nicht eingegangen werden, vgl.d. - vem. - Köck, AöR 121 (1996), 20. Zur Vereinbarkeit jedf. mit dem staatl. Gewaltmonopol s. Gusy, DÖV 1996, 575 ff. (insbes. 576). 1663 S. v. a. Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 66 f. m.z.N., insbes. u.H.a. den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG, 92 f.; dens., AcP 198 (1998), 248 ff. Ähnl. Medicus, AcP 192 (1992), 52 f., 54 ff.; /sensee, Krie1e-FS, S. 32 ("Die gesetzliche Regel wird ... abgelöst durch Einzelfalljudikatur"), 42 ff. 1664 Das gg. Diederichsen, a. a. 0.
378 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
ist: 1666 Sie erspart dem Zivilrichter die- ständige- Angewiesenheit auf die (zunächst) weiten und unbestimmten Maßstäbe der Verfassung für die Entscheidung des Einzelfalls. Sie entlastet die Prüfung und führt zu zeitnahem Zivilrechtsschutz. y) Schutzfunktion bei Schaffung von Einrichtungen?
Mitunter wird die Schutzfunktion auch dann für einschlägig gehalten, wenn der Staat Einrichtungen geschaffen hat, in denen bzw. durch die "private Dritte" Grundrechtsgüter gefahrden. 1667 Das liegt ganz auf der Linie der Rspr. insbes. des BVerfG, das bekanntlich in seiner ersten ausdrücklichen Schutzpflicht-Entscheidung, dem Ersten SchwangerschaftsUrteil, auf das Hochschul-Judikat Bezug genommen hat, um die Schutzfunktion "rechtsprechungstraditionell" abzustützen. 1668 Als Einrichtungen in diesem Sinne kommen nicht nur Hochschulen, 1669 sondern auch die öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten in Betracht. 1670 Ein Rekurs auf die Schutzfunktion ist hier indes abzulehnen: 1671 Zum einen erweisen sich die genannten Einrichtungen zwar als grundrechtsfähig, was die Erfüllung ihres Aufgabenbereich und die Abwehr diesbezüglicher staatlicher Ingerenzen anbelangt. Gleichwohl sind sie einzelnen Grundrechtsträgern gegenüber selbst grundrechtsgebunden, jedenfalls zum Schutze der Rechtsgüter dieser berufen, 1672 erweisen sich insofern also als janusköpfig. Zum anderen ist der zutreffende Ansatzpunkt für die Einordnung in die Schutz- oder Abwehrfunktion die Errichtung bzw. der (gesetzliche oder auf gesetzlicher Grundlage erfolgende) Errichtungsakt der EinS. Griller, JBI. 1992, 206 Sp. 2. So schon K. Hesse, EuGRZ 1978, 437 Sp. 2. 1667 S. nur E. Klein, NJW 1989, 1634; Haverkate, S. 216 (beim "Betrieb"). Vgl.a. Häberle, ERPLIREDP 8 (1996), 38 f. 1668 BVerfGE 39, 1, 41 f., u.H.a. BVerfGE 35, 79, 114. Diese Entsch. ausdr. als Schutzpflichten-Entsch. einordnend Schwabe, Probleme, S. 233, der selbst - zutr. die staatl. Achtungspflicht f. ausr. hält, sow. es um eine Beeinträchtigung d. Art. 5 II/ GG durch staatl. Organisationsmaßn. gehe. 1669 S.d. etwa BVerfGE 47, 327, 377 f.; 55, 37, 68, 70, sowie o., A.III.2.b)ee(4). 1670 S.d.N.o.u. A.III.2.b)ee)(3). Zum "Schutzanspruch des einzelnen auf ein offenes Kommunikationswesen" s. Haverkate, S. 227 ff. 1671 Zum MStd. s. nur H. Dreier, Jura 1994, 511 f. m. w. N., der selbst die eigenständige Kategorie einer "Grundrechtsverwirklichung durch Organisation und Verfahren" favorisiert. Vgl.a. Schlink, EuGRZ 1984, 465 f., i. R. seiner "Rehabilitation" d. "Eingriffs- und Schrankendenkens" u. seiner "Rekonstruktion der klassischen Grundrechtsfunktion", jedf. f. einen Teil d. einschl. Fälle. F. die Einschlägigkeit d. Schutzfunktion etwa Haltern, HarvJMCWPS No. 5/96, III.B.l.c), bei Fn. 71. 1672 S. nur BVerfGE 47, 327, 369; 57, 70, 97 ff. Abw. f. das öst. Recht Griller, JBI. 1992, 293 f. m.Fn. 120 u. w.N.z.StrStd. 1665
1666
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
379
richtung selbst: Hier haben der Gesetzgeber und ggf. die Verwaltung sicherzustellen, dass Übergriffe in die Grundrechtsgüter Dritter entweder von vornherein ausgeschlossen sind oder aber - aufgrund der gesetzlichen Basis der Einrichtung bzw. im Rahmen zulässiger Delegation (insbes. Satzung) gerechtfertigt sind, und zwar als staatliche Grundrechtseingriffe. Es wäre nämlich ein zu vorschneller Schluss, wenn man in die Betrachtung nur das Verhalten Privater einbezieht, gegen das der Staat dann zu schützen hätte. 1673 Das Verhalten Privater wird vielmehr rechtlich und faktisch nur dadurch in der konkreten Art und Weise möglich und damit zum (Grundrechts-) Problem, dass ihm der Staat durch die Schaffung seiner Einrichtungen Raum zur rechtlichen und faktischen Verwirklichung gibt. z) Begriffsklärung: Schutzfunktion oder -dirnension?
Nach Abarbeitung der vielfaltigen inhaltlichen Einzel-Streitpunkte soll abschließend noch kurz auf die - möglicherweise rein terminologische Frage eingegangen werden, ob man besser von der Schutz-" Funktion" der Grundrechte 1674 oder von deren Schutz-"Dimension " 1675 sprechen sollte. Hierzu wird in der Literatur vorgeschlagen, zwischen eigenständigen "Grundrechtsfunktionen" und dazu "querliegende[n) Grundrechtsdirnensionen" zu unterschieden, welche beide unter den Oberbegriff der "Grundrechtsgehalte" fallen sollten. Grundrechtsfunktionen (Abwehr - Schutz Leistung) würden danach durch Grundrechtsdimensionen (Verfahren - Organisation - Ausgestaltung) konkretisiert. 1676 Das BVeifG spricht demgegenüber mitunter von objektivrechtlichen Grundrechtsdirnensionen 1677 und bezeichnet damit alle nicht abwehrrechtlichen Aspekte der Grundrechte. Schutz und Abwehr werden hingegen als Funktionen der jeweiligen Freiheit angesprochen. 1678 Sofern mit den unterschiedlichen Bezeichnungen überhaupt Verschiedenes gerneint sein sollte - wogegen allerdings die fehlende begriffliche Ex1673 F. eine teilhaberl. Deutung demggü. Heintschel v. Heinegg/Haltem, Jura 1995, 307 f. 1674 So Jarass, AöR 120 (1995), 347 ff., 353 ff.; J/P-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 5 ff. S. ber. BVerfGE 6, 55, 72, 76. 1675 I. d. S. Erichsen, Jura 1997, 86 Sp. 1 ("Regelungsdimension"). Ähnl. H. Dreier, Jura 1994, 512 Sp. 1 (offb. gleichsetzend aber ebd., 509 Sp. 1); ders., in: ders., Vorb. Rn. 43 ff. (gleichsetzend ibid., Rn. 55); Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 229 ff. 1676 Jarass, AöR 120 (1995), 347 ff., 353 ff. 1677 S. z.B.- im Schutzpflicht-Kontext- BVerfGE 81, 310, 334. 1678 Vgl. etwa BVerfGE 78, 1, 9: "Die Eigentumsgarantie entfaltet ihre freiheitssichernde Funktion in beide Richtungen".
380 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
plikation bei denjenigen sprechen dürfte, die von "Dimensionen" reden 1679 - erscheint es auf den ersten Blick in der Tat angebrachter, Veifahren, Organisation und Ausgestaltung als "Dimensionen" zu bezeichnen, weil sie alle sowohl im abwehr- als auch im schutzrechtlichen Zusammenhang relevant werden können: Auch Schutz kann und muss ggf. in Verfahren und Organisationen 1680 erfolgen, 1681 auch beim Schutz lässt sich von Ausgestaltung1682 sprechen. Dass auch das Abwehrrecht verfahrens- 1683 und organisationsmäßig umhegt werden muss, ist ohnehin allgemein anerkannt 1684 . 1685 In - begriffliche - Schwierigkeiten gelangt man indes dann, wenn man davon ausgeht, dass die Schutzpflicht den zentralen Begriff aller objektivrechtlichen Gehalte der Grundrechte darstellt, 1686 oder wenn man die Ten1679 S. etwa Kingreen, S. 188, der einers. unter Funktionen "die rechtlichen Einwirkungen . . . auf die Relation zwischen dem einzelnen und der öffentlichen Gewalt" versteht, anderers. v. einer "abwehrrechtlichen Dimension" d. FreihRe spricht. 1680 Zur Organisation universitärer Krankenbehandlung mit dem Ziel bestmögl. Patientenversorgung s. etwa BVerfGE 57, 70, 97 ff. Hier kommt allerd. a. eine abwehrrl. Deutung in Betracht: Jede Behandlung ist ein Eingriff durch die Universitätsklinik, insow. als Emanation d. Staates (Art. 1 lll GG). 16 8 1 Vgl. J/P-Jarass Vorb. vor Art. I Rn. lla; H. Dreier, S. 46 f. m.Fn. 176; ders., in: ders., Vorb. Rn. 66, jew.m. w. N. 1682 Ob nach den bisherigen Darlegungen ein Bedürfnis f. eine eigenständige Ausgestaltungsdogmatik - außerhalb d. Art. 14 I 1 GG in seiner Konkretisierung durch das BVeifG - besteht, kann hier offen bleiben. Die einschl. Fälle lassen sich jedf. o. eine solche lösen. 1683 Die "Wirkungsweise der Grundrechte im Verfahren" indes ausschließ!. auf die Schutzfunktion zurückführend Grimm, NVwZ 1985, 867 Sp. 2. Ebenso Lukes, in: Badura/Scholz, Lerche-FS, S. 788 ff., 799; Badura, in: Erichsen, Allg. VerwR § 33 Rn. 29. 168 4 S. J/P-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 11a; H. Dreier, S. 46; ders., in: ders., Vorb. Rn. 66,jew.m.w.N. 1685 Ob es neben dem "Schutz" einer eigenständigen "Leistungsfunktion" bedarf, soll an dieser Stelle nicht mehr eigens thematisiert werden. Originäre Leistungsrechte könnten nach der hier vertretenen Ans. nur noch in den Ber. rel. werden, die a. über das Sozialstaatsprinzip eingefangen werden können, nachdem "natürliche" GRgutsbeeinträchtigungen bereits über die Schutzpflicht einer Lösung zuzuführen sind. Derivative Leistungsrechte folgen i.Ü. aus den Einzelgrundrechten i. V.m. Art. 3 1 GG u. können desh. a. abwehrrl. gedeutet werden (vgl. i. e. etwa DreierDreier Vorb. Rn. 50 f., 52 ff., m. w. N., der selbst hinsl.d. abwehrrl. Behandlung differenzieren will). 1686 I. d. S. etwa Grimm, Rückkehr, S. 234; ders., GG, S. 372, 382. Fragend Böckenförde, Grdsnormen, S. 173, 182 Fn. 76- die Frage Böckenfördes aufgreifend u. mit einem unmissverständl. "So ist es!" beantwortend H.H. Klein, DVBI. 1994, 491 Fn. 38 - bloß der Berechtigung d. Frage zust. Elbing, S. 100. Vgl.a. Badura, Herschel-FS, S. 34; dens., Eichenberger-FS, S. 490 ("einheitliche[r] Grundgedanke des Schutz- und Ordnungsziels der Grundrechte"); H. Dreier, S. 48; ders., in: ders. Vorb. Rn. 63; Jarass, AöR 120 (1995), 352 f.: Ausstrahlungsfunktion als Unterfall
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
381
denz verzeichnet, immer mehr der modernen, über die "klassischen" hinausgehenden Grundrechtsfunktionen unter dem Schutzpflichtkonzept zusammenzufassen. 1687 Damit wird zwar einerseits zu Recht betont, dass dem Verfahren und der Organisation keine eigenständige, grundrechtsfunktionale Bedeutung zukommt, 1688 doch wird andererseits die Rolle dieser "Dimensionen" auch beim Abwehrrecht nicht ausreichend gewürdigt. Diese stellen gleichsam "Hilfsmittel" der (d.h. beider Haupt-) Grundrechtsfunktionen dar. Dementsprechend wird hier vorgeschlagen, sie auch als solche zu bezeichnen und den Begriff der Dimensionen mit dem der (d.h. aller) objektivrechtlichen Gehalte der Grundrechte gleichzusetzen. Organisation und Verfahren sind damit Hilfsfunktionen 1689 der Abwehr- und Schutzfunktion der Grundrechte. 3. Ergänzende Erklärungsansätze
Nicht als Fundamentalkritik der Rechtsprechung des BVerfG verstehen sich einige Ansätze in der Literatur, die Schutzpflichten ergänzend zu bzw. sogar vorrangig gegenüber den Grundrechten aus Staatszwecken, Staatszielen oder Staatsaufgaben 1690 ableiten. 1691 Neben den herkömmlichen und doch "zeitlosen" 1692 bzw. "evidenten" 1693 Staatszwecken 1694 der Gewährung äußerer 1695 und v. a. innerer 1696 Sicherheit - neuerdings unter Einder Schutzfunktion; Rengeling, Langzeitsicherheit, S. 94 f.; Engels, AöR 122 (1997), 230: "- systematisch gesehen - der zentrale Kern des objektiv-rechtlichen Gehalts von Grundrechten"; Spieß, S. 211; Pieroth/Schlink Rn. 90 a.E., 92. A.A. Windel, Der Staat 38 (1998), 390. Den Streit um die Begr. f. überflüssig haltend schließ!. K. Korinek/Holoubek, S. 131 f. 1687 So etwa die Bem. bei Pieroth!Schlink Rn. 90. Die Frage, ob Verfahrens- u. Organisationspflichten "bereits aus der Schutzpflicht" (aus Art. 8 I GG) abzuleiten sind, offen lassend BVerfGE 69, 315, 355. 16 88 A.A. f. den Ber. Hochschule u. Rundfunk Dreier-Dreier Vorb. Rn. 67. 1689 So a. J/P-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 11 (unter Gleichsetzung mit "Grundrechtsdimensionen"). 1690 Zu einer mög!. Definition s.o., A.VII. 1691 Vgl.d. nur Bethge, DVBI. 1989, 848 Sp. 2; Link, VVDStRL 48 (1990), 17, 27 ff., 43 ff.; Ress, ebd., 90; B. Davy, S. 98 ff.; Merten, S. 16 ff. ("partielle Schutzpflichten", 17); Rebhahn, S. 120 ff.; Menzer, S. 75 ff.; dens., DVBI. 1998, 821 ff.; Buhck, S. 134 ff. (137); Kadelbach, KritV 1997, 271 f., 276, jew.m.z.N. 1692 Sommermann, S. 3, 80, 105 f., 113 ff., 198 ff. (199, 203 f.), 479 Nr. 1 (Afz.i.O.), m.z.N. !693 Sommermann, S. 199. 1694 Nach /sensee, HStR III § 157 Rn. 115, "Staatsziele", nach Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 18, "Staatszwecke" (ebenso Sommermann, pass., z.B. S. 3, 14 ff., 203 ff., 464, 479 Nr. 1). I69S Vgl. Lagodny, S. 271 ("gewissermaßen ... Basis der grundrechtliehen Schutzpflicht überhaupt"). Lagodny will daraus aber dann doch keine weiteren Folgerun-
382 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
schluss der Risikovorsorge 1697 - wird dabei häufig das Sozialstaatsprinzip1698 (als verfassungspositive [Teil-] Ausprägung des Staatszwecks "Wohlfahrt" im weitesten Sinne in Gestalt eines Staatsziels) 1699 genannt. Darüber hinaus kommt mittlerweile auch Art. 20a GG 1700 in Betracht, 1701 gen schutzrl. Art f. den Bestand d. Strafvorschr. zur Sicherheit d. Bundesrep. nach außen ("Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats" {§§ 80 ff. StGB] bzw. "Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit"{§§ 93 ff.]) ableiten, weil hier nur ein mittelbarer Zushg. i.S. einer Bedingtheit der inneren durch die äußere Sicherheit bestehe. 1696 S. nur /sensee, Der Staat 19 (1980), 374; dens., HStR III § 57 Rn. 46; Di Fabio, Jura 1996, 567 Sp. 1. Ausf. Götz, HStR III § 79. Der Zushg. zw. innerer Sicherheit u. Schutzpflichten kommt - zun. empir. bzw. (rechts-) begrif.fsgeschichtl. - darin zum Ausdruck, dass sich das BVerfG bei seiner "Kreation" d. sog. Untermaßverbots auf /sensee, HStR V § 111 Rn. 165 f., berufen hat (E 88, 203, 254). Dieser wiederum zitiert a.a.O. den Beitrag von Götz (ebd. Rn. 30 f.), weist aber a. auf die erstmal. Verwendung d. Begr. (i.d. zivrl. Lit.) bei Canaris, AcP 184 (1984), 228 (s.a. dens., JuS 1989, 163), hin. Noch früher, den Begr. indes i.Afz. verwendend, Schuppert, S. 15, in Charakterisierung d. 1. SchwangerschaftsE (E 39, 1 ff.). Beiden letztgen. Autoren bleiben die verfassungsgerl. "Weihen" - aus welchen Gründen a. immer - versagt (s.i.Ü.a. schon bzw. noch Scherzberg, S. 208; dens., VerwArch. 84 [1993], 509; Link, VVDStRL 48 [1990], 31). Bemerkenswert ist insow. nur, dass der Begr. v. Schuppert u. Götz ausgehend bei lsensee seine Afz. verloren hat, während er beim BVerfG - vermutlich nur zur besonderen Betonung in kursivem Gewande auftritt (ebenso allerd. a. schon bei Canaris, a. a. 0.). Probl. bleibt offb. nur noch die Wahl d. Bestimmtheitsgrades beim Art.: Während die Mehrheitsmein. mit Bestimmtheit gleich "das" präferiert, zieht die abw.Mein. Mahrenholz/Sommer, 338 ff. (340), - i.A.a. Isensee - "ein Unterrnaßverbot" (H.d.V.) vor (dem Beitrag v. Canaris lässt sich aus Gründen des Satzbaus mit Bestimmtheit insow. nichts entnehmen; Schuppert verwendet ebf. den unbest. Artikel). 16 97 Vgl.d.krit. Preuß, Risikovorsorge, S. 523 ff. 1698 Vgl. nur Bieback, KJ 1998, 172 ff.; Friauf, Badura und Krebs, in: SchmidtAßmann, Bes. VerwR, 2. Abschn. Rn. 5 a. E., 3. Abschn. Rn. 20, 50, 86, bzw. 4. Abschn. Rn. 32 (Schutzpflichten als "rechtsverbindliches Sozialprogramm"); Badura, StaatsR C Rn. 94 (S. 94); Erichsen, Jura 1996, 530; Depenheuer, ThürVBl. 1996, 273 f. Wohl a. Kluth, AöR 122 (1997), 581 m.Fn. 97. S.a. etwa den- begründungsverstärkenden- Hinw. auf den Sozialstaat bei Sachs-Sachs Vor Art. 1 Rn. 22, i.H.a. die Einbeziehung von Gefahren natürl. Ursprungs in die Schutzpflichten ähnl. Bothe, VVDStRL 54 (1995), 18, 20 (zum Zwecke d. subjektivrl. Bewehrung d. objektivrl. staatl. Erziehungsauftrags ["Sozialstaatsprinzip jedenfalls in Verbindung mit grundrechtliehen Schutzpflichten", 20, m.w. - a.rvgl. - N.]), sowie Becker, FamRZ 1997, 1397 f.; Ende, KritV 1996, 377, die v. "grundrechtsbedingtem sozialen Schutz der Arbeitnehmer" spricht. S.a.ber. Schwabe, NJW 1969, 2275 ("Sozial-Schutzpflicht"), 2276 (Anspr. auf Behandlung aus Art. 1, 2 II u. Sozialstaatsprinzip); dens., Probleme, S. 267 (Art. 2 111 i. V.m. dem Sozialstaatsprinzip"parallel" zum "Verbund von Art. 2 II 1 und dem Rechtsstaatsprinzip"); Rupp, JZ 1971, 402 Sp. 1 ("soziale Schutzansprüche auf positive Fürsorge und Hilfe"). 1699 So Link, VVDStRL 48 (1990), 18; Sommermann, S. 203. 1700 Zur zehn Jahre älteren "wertentscheidende Grundsatznorrn" d. östBVG-UU s. Kerschner, in: ders., S. 1 ff., m.z.N. a. aus der dt. Lit. Dabei handele es sich zwar
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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der einzelgrundrechtliche Schutzpflichten konkretisieren, 1702 allerdings auch Grundrechte als Abwehr- und Schutzrechte beschränken könnte. 1703 Ferner ist an vereinzelte Bestimmungen in den Landesverfassungen zu denken, die bspw. Fragen des Minderheitenschutzes thematisieren. 1704 Schließlich wird teilweise unter Bezugnahme auf die selbstbestimmt und eigenverantwortlich nicht um ein GR (S. 1), wohl aber um einen "Handlungsauftrag an alle Staatsorgane, der zu umweltfördernden Maßnahmen (Handlungen und Unterlassungen)" verpflichte. I.Ü. könnten trotz des fehlenden GRcharakters einfache Gesetze bei "eklatantem Verstoß" gg. diese Staatszielbestimmung verfassungswidrig sein, was vom Einzelnen bei unmittelbarer Betroffenheit sogar durch eine Individualbeschwerde gern. Art. 140 I 3 östB-VG beim östVfGH geltend gemacht werden könne (S. 2, abgedr. ist das östBVG-UU a. a. 0., S. XV). S. a. Pemthaler, ebd., S. 13 f., der f. die Subjektivierung d. Staatsziels auf das dt. Sozialstaatsprinzip verweist (S. 14). Gg. eine subjektivrl. Qualität aber Raschauer, ibid., S. 58 ("sei es gegen den Staat, sei es gegen andere Private"). Vgl.a. noch Kerschner, UTR 40 (Jb. 1997), S. 298 f.; Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 230 f. 1701 S.d. nur Tsai, S. 71 ff., 182 ff., 213 f. These 7, 217 Thesen 29 f.; Determann, S. 199, 262; Ende, KritV 1996, 376 ("Wertentscheidung" u.a. "für die Schutzpflicht von Tieren"); Buhck, S. 129, 154 ff.; R. Wolf, KritV 1997, 286, 294 ff., m. w.N. Zur Deutungmöglichkeit d. "ökologischen Sicherheit" als "modeme[r] Ausprägung des ursprünglichen, auf die Unversehrtheit der Person abhebenden Sicherheitsbegriffs" Sommermann, S. 205, 395 f. Aufschlussreich Isensee, HStR III Rn. 46 a. E., der einen (ideengeschichtl.) Zushg. zw. innerer Sicherheit (als Schutz d. Bürgers vor Übergriffen anderer Bürger), rechtsstaatl. Sicherheit (als v. a. grl. Schutz d. Bürgers vor staatl. Eingriffen - sozusagen als Schutz d. Staates vor sich selbst durch den Staat selbst), soz. Sicherheit (Schutz vor den Risiken d. Marktgesellschaft) u. ökolog. Sicherheit (Schutz vor den Folgen d. "technischen Zivilisation") herstellt. 1702 So etwa Dreier-Schulze-Fielitz Art. 20a Rn. 75. V. einer "Verstärkung" d. GR aus Art. 2 ll 1 GG durch Art. 20a GG spricht bspw. Kadelbach, KritV 1997, 273. l.d.S. wohl jetzt a. Koch, ZAU 10 (1997), 220, demzufolge dieses Staatsziel bei der "zuverlässigen Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für gefährdete Dritte sowie Güter der Allgemeinheit" durch präventive staatl. Kontrollen "zu beachten" sei (s. aber a. dens./Laskowski, ZUR 1997, 185 Sp. 1, wo zw. einer Schutzpflicht aus Art. 20a GG "in bezug auf die natürlichen Lebensgrundlagen" u. einer aus Art. 2 ll 1 GG "in bezug auf Leben und Gesundheit potentiell gefährdeter Dritter" unterschieden wird). Gg. die Ableitung "subjektiver Schutzpflichten" aus Art. 20a GG Böhm, JA 1997, 798 Sp. 1. Abi. f. den Fall "multipolarer Konfliktlagen" a. Schmidt-Preuß, S. 80 ff. (81), m.w.N., 627. Krit. weiter P. Kirchhof, HFR 1997, Beitr. 2, II 1 S. 7 f. 1703 Vgl.d. - f. den Winterdienst auf öffentl. Straßen - Koch, DV 30 (1997), 20 f., 23. Zu Art. 20a GG als "Teil der grundgesetzliehen Wertordnung, der im Wertsystem des Grundgesetzes seinen ausdrücklichen Platz hat" u. als immanenter Grenze d. Art. 4 I GG s.a. BVerwG, NuR 1997, 440 Sp. 2. 1704 Zu Art. 25 I bbgV s. bbgVerfG, DVBI. 1999, 43, 40 (zum Schutz der Sorben ggü. "privatem" Braunkohletagebau, f. den der Staat "nur" einen allg. "Ordnungsrahmen" zur Verfügung stelle), das die Vorschr. als Staatsziel einordnet u. den Unterschied zur Schutzpflicht v. a. darin sieht, dass das Staatsziel keiner Subjektivierung zugänglich sei, weil es nicht um grl. gesicherte Freiheitsräume gehe.
384 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
handelnde Person in der sozialen Gemeinschaft - nach der "verfassungsliberalen Grundrechtstheorie" Legitimationsgrundlage, Leitbild und ständiger Bezugspunkt der Verfassung 1705 - eine staatliche Pflicht postuliert, jedem einzelnen menschlichen Individuum bei der Entwicklung in Richtung auf dieses Leitbild Schutz und Unterstützung zu gewähren. 1706 (Noch) Weitere (rechts-) philosophische, verfassungs- und gesellschaftstheoretische Erklärungsmodelle sollen hier nicht mehr einzeln "ausbuchstabiert" werden. 1707 Nicht eingegangen werden soll auch auf die gleichsam spiegelbildliche Frage, ob sich aus grundrechtliehen Schutzpflichten selbst Staatsaufgaben ableiten lassen und ob eine solche Ableitung irgendeinen Erkenntnisgewinn bringen würde. 1708 Alle diese Ansätze brauchen nämlich nicht einer (eingehenden) Kritik unterzogen zu werden. Ergänzende Ableitungen von Schutzpflichten aus anderen Verfassungsbestimmungen 1709 als denjenigen, die Grundrechte enthalten, 1710 sind vielmehr grundsätzlich unschädlich. Sie können zwar nicht 170 5 S. Engels, AöR 122 (1997), 227, 230 f., u.H.a. BVerfGE 2, 1, 12; 6, 32, 40; 30, 173, 193; 32, 98, 107 f.; 45, 187, 227. 1706 Engels (vor.Fn.), 230 f., demzufolge mit diesen "staatstheoretische[n] Erwägungen" begründet werden könne, warum aus dem "Recht auf Person-Werden" eine "staatliche Schutzaufgabe", insbes. im Ber.d. Kinder- u. Jugendschutzes, folge (230). Nicht deutl. wird bei Engels indes, ob er den Kinder- u. Jugendschutz "nur" als "Verfassungsgebot" - als "besonders konkretisierte und manifestierte Staatsaufgabe"- ansieht (so insbes. 231 ff. [231]) od. (a.) als Gegenstand einer grl. Schutzpflicht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG (dafür spricht d. Rekurs auf obj. GRgehalte u. die Schutzpflichtlehre, 229 ff., u. die Rede v. einer "staatlichen Schutzverpflichtung gegenüber dem Kind als Grundrechtsträger", 237 f.). 1707 S.d. nur die umf. u. interdisziplinären Beitr. in Brugger, pass., u. dort v. a. die Deutung d. Wertordnungsjudikatur d. BVerfG einschl.d. Pönalisierungspflichten aus GRen anh. kommunitarist. Positionen bei Nickel, S. 415 ff., der die sog. substantialist. Positionen aber u. a. desh. ab!., weil sich die Bundesrep. vom Idealtypus d. souveränen u. homogenen Nationalstaates nicht zu!. aufgr. ihres Weges in die ",europäische' Zukunft" entfernt habe (!). Zur kommunitarist. "Freiheitslehre" als Schutzpflicht-Begründung s.a. Wiesbrock, S. 96. 1708 Vgl.d. etwa Tsai, S. 43 ff., 211 f. These 4; Haussühl, VBIBW 1998, 91 Sp. 1, m.w.N. (f. Warnungen). Vgl.a. Denninger, S. 22, der f. eine offene Positivierung v. Staatszielen statt ihrer heim!. Generierung aus Schutzpflichten plädiert. Allg. zur Funktion von GRen (a.) als Staatszielbestimmungen Frowein, in: Bieber/ Widmer, S. 71, 82; J.P. Müller, ebd., S. 133, 139 f. Zu den Unterschieden zw. Staatsziel-, Staatsstrukturbestimmungen u. GRen s. aber Merten, DÖV 1993, 369 f. 1709 Zur Unterscheidung zw. Staatszielen als "staatstheoretischer" u. Staatszielbestimmungen als "normtheoretischer" Kategorie s. Sommermann, S. 5 f., 482 Nr. 6. 1710 Nach Sommermann, S. 484 Nr. 11, soll das GR in seiner "objektiv-rechtlichen Dimension" mit "seinem Staatszielgehalt identisch" sein (so wohl a. BVerfGE 81, 108, 116, betr. Art. 5 I1I I GG als "objektive[r] Grundsatzentscheidung" u. das - "im Sinne einer Staatszielbestimmung" - staatl. Selbstverständnis als "Kulturstaat"). Zur Unterscheidung zw. "(subjektiven) Grundrechten und Staatszielbestim-
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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unter dem Begriff "grundrechtliche Schutzpflichten" firmieren, 1711 wohl aber durch die Heranziehung rein objektiven, bindenden Rechts 1712 die Grundrechtsauslegung beeinflussen, 1713 wobei die Art dieser Beeinflussung vom jeweiligen Einzelfall abhängt. 1714 Umgekehrt können grundrechtliche Schutzgüter die Staatsaufgaben etc. gleichsam anreichern, indem sie diesen (relativ) konkrete Schutzgegenstände vorgeben. 1715 Insofern erweist sich die "Nützlichkeit gerade grundrechtlicher Schutzpflichten" im Unterschied zur "globalen Sicherheitsgewähr als Staatsaufgabe" gerade auch in ihren speziellen Schutzbereichen. 1716 Die ergänzenden Ableitungen können allerdings nicht angeführt werden, um bestimmte Schutzpflichten und -ansprüche aus staatstheoretischen Gründen von vomherein auszuschließen, z. B. den Anspruch auf diplomatischen bzw. Auslandsschutz wegen des - ausschließlich staatsgebietsbezogenen Zusammenspiels von Gehorsam und Schutz, d. h. des Verbots der Anwendung privater Gewalt und der Sicherung privater (Rechts-) Positionen durch den Staat als Inhaber des einzig legitimen Gewaltmonopols. 1717 Vor ihrer mungen" s. aber a. ebd., S. 416 ff. (insbes. 420 f.: " ... die Schutzpflichten-Dimension der Grundrechte [entspricht] der Narrnativität von Staatszielbestimmungen ... " [420], m.z.w.N.). Hier sind indes nicht derartige, konkrete u. grl. "Staatsziele" gemeint. 1711 S. die Diff. bei /sensee, JZ 1996, 1089 f., f. den sich Handelsvertreter- (E 81, 242) u. BürgschaftsE (E 89, 214) als Fälle unechter Schutzpflichten aus dem der Vermittlung u. Umsetzung durch Gesetz bedürftigen Sozialstaatsprinzip darstellen (1089 Sp. 2 a.E.), während es beim Ehrenschutz um eine "echte[]" grl. Schutzpflicht gehe (1090 Sp. 1 - dazu, dass sich das "Grundrecht auf Ehre ... in erster Linie als Schutzpflicht ... [zeigt]", ders., Kriele-FS, S. 14). Zur Anerkennung d. Schutzbedürfnisses des Gefahrdeten als subj. Recht i.Z.m. dem Staatsziel Sicherheit s. aber dens., HStR III § 57 Rn. 46; Di Fabio, Jura 1996, 567 Sp. 1. Von einem Konkretisierungszushg.d. abstrakten Staatsaufgabe Sicherheit u. den konkreten GRgütem geht Menzer, S. 82, 108, aus. Der bayVerfGH, NVwZ-RR 1998, 273, 274 Sp. 1, 280 Sp. 2 spricht i.d.Z. v.d. Sicherheit d. Staates u. seiner Bürger als schützenswerten Allgemeinwohlbelangen, rekurriert gleichwohl aber a. auf grl. Schutzpflichten. 1712 S.d. etwa- a. rvgl.- Sommermann, S. 5 f., 331 ff., 482 Nr. 6. 1713 S. Sommermann, S. 436, 445. 1714 Vgl. etwa den Hinw. auf das Sozialstaatsprinzip neben dem vorrangigen Abstellen auf Art. 2 II 1 GG im Ber. universitärer Krankenversorgung in BVerfGE 57, 70, 99. Dies dient im Entscheidungskontext offb. dazu, ein ausr. Gegengewicht zu Art. 5 lll GG herzustellen. 1715 So etwa Buhck, S. 137. 1716 Vgl. Merten, S. 17 (H.i.O.). S.a. Gusy, DÖV 1996, 578. 1717 Zu solchen Folgerungen bei Erweiterung d. Schutzpflicht-Begründungsansatzes über die obj. Wertordnung u. Art. 1 I 2 GG hinaus um den Topos d. "Etablierung des Staates als Friedensordnung" s. etwa Elbing, S. 98 f., der dieses Probl. i.A.a. E. Klein, NJW 1989, 1636 Sp. 1 - mit einem "Annexgedanken" löst (99). Vgl.d.a. Ress, VVDStRL 48 (1990), 63 f., 66 f., 85 ff. 25 Szczekalla
386 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Verwendung muss schließlich insoweit gewarnt werden, als sie eingesetzt werden sollten, um Eingriffe in Grundrechte als Abwehrrechte tendenziell zu erleichtern. Dieser Gefahr wird durch die in dieser Arbeit favorisierte abwehrrechtliche Lösung entgangen, wie noch weiter unten zu zeigen sein wird.I7I8 Abgesehen davon soll an dieser Stelle - in der gebotenen Kürze - nur ein gern gebrauchtes Argument, mit dem bspw. umgekehrt die Heranziehung des Sozialstaatsprinzips im Zusammenhang mit den Schutzpflichten aufs Heftigste kritisiert wird, widerlegt werden: Wenn manche Autoren einen angeblichen Gegensatz zwischen grundrechtliehen und "sozialstaatliehen" Schutzpflichten konstruieren wollen, weil die grundrechtliehen Schutzpflichten auf einen durch gesetzliche Abgrenzung der lndividualrechtssphären verwirklichten Schutz abzielten, während die sozialstaatliehen Schutzpflichten notwendigerweise mit beträchtlichen finanziellen Lasten für den Staatshaushalt verbunden seien, 1719 so ist diese polare Gegenüberstellung zumindest missverständlich: Verkannt wird nämlich zum einen, dass es mit der bloßen Statuierung von gesetzlichen Ge- und Verboten nicht getan ist: Diese Vorschriften müssen auch durchgesetzt, ihre Einhaltung muss auch überwacht werden. Nicht zuletzt deshalb, weil dadurch die bestehenden Zusammenhänge deutlich werden, empfiehlt sich die in dieser Arbeit gewählte, wenn auch nicht trennscharf mögliche Unterscheidung in Mittel des primären, sekundären und tertiären - rechtlichen - Schutzes. 1720 Die bloße Bereitstellung einer "rechtlichen Infrastruktur" im Sinne eines (nackten) Ge- oder Verbots reicht eben gerade nicht aus. 1721 Dass dies unter Umständen beträchtliche Kosten verursacht, liegt auf der Hand. 1722 SymptoC.l.6. S. etwa Classen, JöR N.F. 36 (1987), 43. D.S.n.a. Murswiek, HStR V § 112 Rn. 20 Fn. 41 a. E.: Die Schutzanspr. seien wg. unterschied!. Anspruchsvoraussetzungen u. Verpflichtungskraft v. den soz. Teilhaberechten streng zu unterscheiden. Ähnl. Bock, S. 151, 166 ff. (167); Haverkate, S. 231 Fn. 21; Dreier-Dreier Vorb. Rn. 50, 65. A.A.offb. Heintschel v. Heinegg/Haltem, Jura 1995, 305 f., die Schutzanspr. in ihren "Grund- und Übungsfällen" unter der gern. Überschrift "Grundrechte als Leistungs-/Teilhaberechte" prüfen. Anders wiederum ebd., 333, 336 Sp. 2 (in ihrer "dogmatischen Standortbestimmung"). 1720 S.o., A.V.4.a)aa)(2). 1721 Darauf abst. aber Haverkate, S. 231 Fn. 21. Tend.ähnl. Schubert, S. 363 f. Zutr. demggü. Th. Groß, JZ 1999,331 Sp. 2 m.w.N. 1722 Insbes.f. die Justizgrundrechte H. Dreier, Jura 1994, 508 m.Fn. 43 u. w.N. Allg. Haltern, HarvJMCWPS No. 5/96, III.B.l.c), bei Fn. 71 ("kostspielig"). Vgl.d.a. Koller, in: Brugger, S. 387; Preuß, Risikovorsorge, S. 539; Kerschner, UTR 40 (Jb. 1997), S. 280 f., 283. Aus strafrl. Perspektive mit dieser Erwägung das gängige ultima ratio-Arg. relativierend Achenbach, S. 163 (f. die Strafverfolgung selbst ebd., S. 164). U.a. aus diesem Grund ein ausschließ!. PolizeiR abl. Lagodny, S. 285 (s.a. ebd., S. 529). Vgl.a. die aus einem die Behandlungskosten im Gesundheitswesen betr. Urt. gezogene Analogie zum PolizeiR in CA, R v Chief 111s
1719
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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matisch sind hier jüngere Überlegungen, in Deutschland - nach entsprechenden Vorstößen in den Vereinigten Staaten aber auch in den EU-Mitgliedstaaten England und Schweden - bspw. die immensen Kosten des Strafvollzugs dadurch zu minimieren, dass man mittels elektronischer "Fußfesseln" eine neue Form des Hausarrestes kreiert und in das herkömmliche Sanktionensystem einpassen will. 1723 Gerade diese, im Wesentlichen aus Kostengründen verfolgte Absicht lässt deutlich werden, dass der schnelle Ruf nach härteren Strafen deren finanzielle Folgelasten häufig ausblendet, die man dann über derartige, (grund-) rechtlich durchaus zweifelhafte und auch ökonomisch letztlich nicht zielführende 1724 Instrumente erst wieder in den Griff bekommen will. 1725 Strafe gibt es also keineswegs umsonst, sondern sie kostet den seinen (insbes. Freiheits-) Strafanspruch durchsetzenden Staat eine Menge, ganz abgesehen von den weiteren gesellschaftlichen Kosten (etwa im familiären oder beruflichen Umfeld des Straftäters). Letztlich lässt sich deshalb auch durchaus sagen, dass die Freiheit an sich von den Steuerzahlungen aller abhängt: 1726 Alle Rechte verursachen öffentliche Aufwendungen, und ohne ausreichende Steuereinnahmen gibt es auch keinen Rechtsstaat. Zum anderen wird verkannt, dass die zur Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten grundsätzlich geeigneten Schutzmittel nicht auf solche normativer Art festgelegt sind, sondern durchaus auch solche tatsächlicher und damit finanzieller Art umfassen. 1727 Ein in diesem Sinne tatsächliches Schutzmittel kann und muss gegebenenfalls in der Gewährung finanzieller Leistungen durch den Staat bestehen. Nicht zuletzt für solche Leistungen muss dann allerdings auch die Abhängigkeit der Schutzpflicht-Erfüllung von haushaltsrechtlichen Gegebenheiten akzeptiert werden. 1728 Insbesondere ist der vom BVeifG postulierte "Vorbehalt des Möglichen" 1729 auf fiConstable of Sussex, ex p. ITF [1997] 2 All ER 65, 79 e-h -Polizeischutz gg. Tiertransportproteste (zust. H.L., EuGRZ 1999, 333 ff., m.Anm. P. Szczekalla, ebd., 350 f.) - deutlicher als hier lassen sich die Zushg. nicht erhellen! Vgl. aber noch jüngst Weissel, ZfRV 1998, 109 ff., sowie - aus rechtsphil. Sicht grundlegend Holmes!Sunstein. 1723 Ausf.d. Hudy, pass. Mittlerweile hat Hessen einen diesbzgl. Modellversuch auf "freiwilliger" Basis gestartet. 1724 Vgl. Hudy (vor.Fn.). 1725 F. die Delikte, deretwegen nach härteren Strafen gerufen wurde (insbes. Kindesmissbrauch), dürften die E-Fußfesseln i.Ü. ohnehin nicht in Betracht kommen. 1726 S. den Untertitel des Buches v. Holmes!Sunstein, The Costs of Rights: "Why Liberty Depends on Taxes". 1727 S.o., A.V.4.a)aa)(l). 1728 S. nur BVerfGE 56, 54, 71; 92, 26, 47; NJW 1983, 2931, 2932 Sp. 1. Dagg. aber Hermes, S. 118, 200 f. Gg. Hermes wiederum Koch, DV 30 (1997), 14 f. Zum Prob!. s.a. Heintschel v. Heinegg/Haltem, Jura 1995, 336 Sp. 2. 1729 S.d.N.o.u. A.V.4.a)aa)(l)(a). Vgl.a. A.VIII.6. 25*
388 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht nanzielle Schutz-Aufwendungen zu übertragen. 1730 Letzteres gilt vor allem auch deshalb, weil eine Sicherung der Grundrechtsgüter gegen Beeinträchtigungen oder Risiken niemals vollständig, sondern immer nur approximativ erreichbar ist. 1731 Eine jeweils bessere Sicherung verlangt einen immer größeren Aufwand an auch finanziellen Mitteln. 1732 Ab einem bestimmten Punkt kann diese Sicherung nur noch marginal verbessert werden. Alle Rechte sind schließlich dadurch begrenzt, dass sie Kosten verursachen und deshalb niemals vollkommen und umfassend geschützt sind und werden können. 1733 Wenn man aufgrund des Prinzipiencharakters der Grundrechte einen bestmöglichen Schutz verlangt, 1734 so kann der Grad dieses Schutzes - vor Risiken - nur aus einer Abwägung zwischen der zu erwartenden Schutz- Verbesserung bzw. Risikominimierung und den aufzuwendenden Kosten wirtschaftlicher oder (gesamt-) gesellschaftlicher Art 1735 bestimmt werden. 1736 Verfassungstextlicher Anhaltspunkt für Schutz-Begrenzungen ist insbes. Art. 109 11 GG, 1737 neuerdings auch Art. 88 S. 2 GG n. F. Abgesehen von diesen Klarstellungen erscheint das Sozialstaatsprinzip allerdings in der Tat wenig geeignet, einen einzelgrundrechtliehen Schutzpflicht-Ansatz zu verstärken, geschweige denn zu verdrängen: Seine inhalt1730 So a. Koch, DV 30 (1997), 16, 21, 24, 26, f. den Winterdienst auf öffentl. Straßen. Oftb. allg. f. eine Übertragung Th. Groß, JZ 1999, 331 Sp. 2. 1731 Zur Abwägungsbedürftigkeit u. -fähigkeit staatl. "Sicherheitspolitik" s. z. B. Gusy, DÖV 1996, 579, 581, jew.Sp. 2. 1732 Zu den hinzutretenden - immateriellen - Freiheitseinbußen s. Gusy, DÖV 1996, 579 f., 581. 1733 Vgl. Holmes/Sunstein, pass. 1734 Für "eine Optimierung der effektiven Grundrechtsgeltung" u. "die optimale Ermöglichung der Grundrechtsausübung" etwa Sommermann, S. 420. Diff. Murswiek, Verantwortung, S. 281 (zwar "bestmögliche Gefahrenabwehr", nicht aber "Risikovorsorge unterhalb der Gefahrenschwelle"). Gg. Forderungen nach einem "gesetzgeberischen Optimum" Medicus, AcP 192 (1992), 35, 61 (Afz.i.O.). F. einen bloßen "Minimalstandard" bzw. "Mindeststandard" etwa König, S. 210 m. w. N. 1735 Die Erkenntnis immenser gesamtgesellschaftl. Kosten v. (manchen) Rechtsnormen ist gerade i.Z.m.d. Disk. um den sog. "Schlanken Staat" u. den "(Wirtschafts-) Standort Deutschland" wieder ins Bewusstsein gerufen worden: A. f. die öffentl. Haushalte nicht unmittelbar kostenwirksame Gesetze verursachen sehr wohl Kosten, u. zwar zun. "nur" bei priv. Wirtschaftsunternehmen, später mglw. aber a. beim Staat (Arbeitslosigkeit etc.)! Damit soll indes einer Verabsolutierung d. Kosten-Arg. nicht das Wort geredet werden - das verbietet schon der Prinzipiencharakter d. GRe. Zum "Schlanken Staat" im Allg. u. (u. a.) zur Reduzierung d. Bundesstatistiken - m.Hinw. auf die gemrl. Lage - zul. etwa Meyer-Teschendorf/Hans Hofmann, DÖV 1998, 217 ff. 1736 Vgl.d. Koller, in: Brugger, S. 387 (in Auseinandersetzung m.d. Rawlsschen Gerechtigkeitstheorie, aber auf die hiesige Prob!. o.w. übertragbar); Gusy, DÖV 1996, 579. 1737 S.d. BVerfGE 33, 303, 333; Heintschel v. Heinegg!Haltem, Jura 1995, 339 ff. (340), m. w.N.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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liehe Weite und Abstraktheit kann mit den -jedenfalls insoweit - wesentlich konkreteren Einzelgrundrechten einfach nicht "mithalten" . 1738 Eine Prüfung der Verletzung des Art. 20 I GG ist deshalb allenfalls subsidiär angezeigt bzw. erübrigt sich ohnehin dann, wenn die Schutzpflicht-Anforderungen der Einzelgrundrechte herausgeschält worden sind. 1739 Schon gar nicht empfiehlt sich deshalb ein vorrangiges, und sei es auch nur "heuristisches" Abstellen auf das Sozialstaatsprinzip als eigentlicher Grund grundrechtlicher Schutzpflichten, wobei die konkrete Art und Weise der Schutzpflicht-Erfüllung dann den Einzelgrundrechten zu entnehmen sei. 1740 Das Sozialstaatsprinzip bietet sozusagen Schutz in einer "umfassenden Allgemeinheit" - ein "spezielleres Schutzversprechen" folgt indes aus den jeweiligen Einzelgrundrechten. 1741 Auch deshalb sollte davon abgesehen werden, im Zusammenhang mit Schutzpflichten immer wieder in eine "sozialstaatliehe" Argumentation zu verfallen und dabei einzelgrundrechtliche und "sozialstaatliche" Schutzpflichten zu vermengen sowie erstere durch letztere in ihrem Pflichtengehalt zu relativieren. 1742
Gleiches gilt letztlich auch für die ("nur") allgemeine Pflicht des Staates, seinen Bürgern Sicherheit (nach außen und innen) zu gewähren: Selbst wenn man annimmt, dass grundrechtliche Schutzpflichten "im Tieferen" aus dieser abstrakten Pflicht "gespeist" werden, 1743 stellen die - relativ konkreten einzelgrundrechtliehen Schutzpflichten ein ausreichendes Lösungspotential bereit. Insofern dient die Sicherheit jeder einzelnen grundrechtlichen Freiheit. 1744 Das trifft auch auf den (möglichen) Teilbereich der "ökologischen Sicherheit" zu: Umweltrelevante grundrechtliche Schutzpflichten machen einen Rekurs auf Art. 20a GG entbehrlich, jedenfalls insoweit, als es um konkrete Schutzgüter der Menschen geht. 1745 Nicht näher eingegangen werden soll hier schließlich auf diejenigen, die aus Schutzpflichten selbst Staatsziele ableiten bzw. eine solche Ableitung in der Verfassungspraxis beobachten wollen. Einer solchen Ableitung 1738 Krit.desh.a. Hager, JZ 1994, 379 Sp. I. Zum engeren Handlungsspielraum d. Gesetzgebers bei den Schutzpflichten s.a. Otto, JZ 1998, 853 Sp. 2. 1739 S.d.N.o.u. A.III.l.c)aa), VI.l. 1740 In diese Richtung aber Erichsen, Jura 1996, 530. Solche Versuche als jedf. "von geringem Nutzen" bez. Hager, JZ 1994, 379 Sp. l. Ähnl. Heintschel v. Heinegg/Haltem, Jura 1995, 306. 1741 Vgl. Badura, Herschel-FS, S. 35; Heintschel v. Heinegg/Haltem, Jura 1995, 306. 1742 So aber oftb. z. B. Depenheuer, ThürVBl. 1996, 273 Sp. 1, 274 Sp. 2. S. a.u., C.I.6. 1743 So etwa P. Lerche, in: Böttcher u.a., Odersky-FS, S. 227. 1744 Vgl. bbgVerfG, LKV 1999, 453 Sp. l. 1745 Vgl.d.ausf. aus europarl. Perspektive EUDUR-P. Szczekalla I § 12 Rn. 33 ff., m.z.N.
390 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
bedarf es nämlich im Anwendungsbereich von Grundrechten und deren Funktionen nicht. 4. "Fundamentalkritik" - die sog. abwehrrechtlichen Lösungen (insbes. Schwabe, Murswiek, Griller)
Unabhängig von der hier nicht weiter zu erörternden, zum Teil heftigen allgemeinen Kritik an der sog. Wertordnungs-Judikatur des BVerfG 1746 haben einige wenige Autoren versucht, die grundrechtliehen Schutzpflichten weitgehend auf die Abwehrrechtsfunktion der Grundrechte zurückzuführen. 1747 Diese "Fundamentalkritik" 1748 - hier als sog. abwehrrechtliche Lösung(en) 1749 bezeichnet - erweist sich im Wesentlichen als zutreffend und lohnt einer näheren Darstellung und einer bescheidenen Fortschreibung:I750 Vgl.d. nur F. Müller, S. 62 ff., 113 f. S. vorerst nur Schwabe, Probleme, S. 212 ff.; Murswiek, Verantwortung, S. 88 ff.; Griller, JBI. 1992, 205 ff. Ähnl. Holoubek, DVBI. 1997, 1033 ff.; ders., Gewährleistungspflichten, S. 251 ff., jew.m.w.N. S.a. schon- noch nicht ganz so deutl. entwickelt- dens., JBI. 1992, 153 ff.; dens., in: Grabenwarter u.a., S. 61 ff., sowie B. Davy, S. 203 ff. (insbes. 233 ff.). I.E. wohl a. Graf, ÖJZ 1984, 598; ders., ÖJZ 1991, 732 f. Krit. aber Rebhahn, S. 127 ff. (insbes. 137); Raschauer, ZfV 1999, 528. Murswiek u. Schwabe folgend etwa Lawrence, S. 74 ff. Schwabe zust. a. Diederichsen, AcP 198 (1998), 252 (krit. allerd. ebd., 209 ff., unter Betonung d. "Souveränität des Zivilrechts"). Gleiches dürfte f. die "[e]ingriffsbegleitende[n] Schutzpflichten" gelten, die Sass, S. 403 ff., v. a. im Kernenergie- u. BergR annimmt (418 ["Höchstgefahrenbereich"]; anders aber f. den sonstigen Betrieb techn. Anlagen, ebd., 405 f., 407 ff., 412 ff., 414 ff.). Murswiek folgend Buhck, S. 136 f. (137). 1748 So etwa die Einschätzung v. König, S. 209. V. einer "ziemlich radikale[n] Meinung" spricht Tsai, S. 201. 1749 I.e. gibt es einige Nuancierungen in den Arg., wesh. a. der Plural gewählt werden kann bzw. sogar muss. 1750 Nicht weiter eingegangen werden soll hier auf den Ansatz v. Lübbe-Wolff, S. 75 ff., 136 ff., 167 f., pass. (ähnl.a. Grimm, Rückkehr, S. 235 ff.; diff. Manssen, S. 170 ff., 214, 359; f. die EMRK u. Öst. Kneihs, JBI. 1999, 76, 80 Sp. 2, 81 Sp. 2 a. E.), die (u. a.) über eine Art (relativen [grl., genauer: negator. u. änderungsabwehrendenD "Normbestandsschutz" (125 ff.) die in Erfüllung verfrl. Gesetzgebungspflichten ([etwa] v.d. Art grl. Schutzpflichten) v. Gesetzgeber erlassenen Vorschr. dem Schutzber.d. jew. GR zuordnet u. den Schutz dieses AbwehrR gg. solche Änderungen ins Feld führt, die ggü. d. bisherigen legisl. Situation einen Rückschritt bedeuteten (insbes. 144 ff.). Der hier darzulegende Ansatz geht demggü. einers. weiter, anderers. vermeidet er die prob!. Vermengung v. Verfassungs- u. einfachem Recht sowie die Abhängigkeit d. bloßen Normbestandsschutzes v. einer entwickelten Rechtsordnung bei LübbeWolff: Ein Erklärungsmodell f. den (abwehrrl.) GRschutz hat näml. a. die "Feuerprobe" einer tabula rasa-Situation, also einer gerade nicht (voll) entwickelten Rechtsordnung, zum. als gedankl. Konstrukt, zu bestehen (a.A.a. insow. Lübbe174 6
1747
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
391
a) Gewaltmonopol und DuZdungspflicht Nicht- Verbieten als (schwache) Erlaubnis Eine Grundlage der abwehrrechtlichen Lösungen ist zunächst die Erkenntnis, dass aus dem allgemeinen Gewaltmonopol des Staates letztlich immer eine DuZdungspflicht der Bürger hinsichtlich grundrechtsgefährdender "Eingriffe" durch private Dritte folge. Verletzungshandlungen privater Dritter, welche der Staat nicht durch rechtliche Anordnungen verhindere, seien als eigene Eingriffe des Staates in die betroffenen Grundrechte zu werten. 1751 Im Nicht- Verbieten liege eine (zumindest schwache) 1752 Erlaubnis des privaten Verhaltens. Alles das, was der Einzelne nicht abwehren könne, sei in Wahrheit erlaubt. 1753 In den Gründen einer jeden - zivilgerichtliehen - Klageabweisung, 1754 beim Feststellungsurteil sogar im Tenor, und noch deutlicher beim Erstreiten eines - ausdrücklichen - DuZdungsurteils durch den Dritten komme dies zum Ausdruck. 1755 Soweit der Betroffene bei der Abwehr des ihn beeinträchtigenden, gleichwohl erlaubten und von ihm zu duldenden Verhaltens des Dritten selbst "handgreiflich" werde, komme unter Umständen sogar eine Bestrafung in Betracht. 1756 Der Staat "beteilige" sich vor allem durch seine rechtlichen Regelungen, daran anschließend 1757 aber auch durch den gerichtlichen Ausspruch und den vollstreckenden Zugriff an einem Grundrechtsgutsbeeinträchtigungsvorgang durch private Dritte. 1758 Wenn das Schutzgut des Grundrechts gegen staatWolff, a.a.O., S. 101; Manssen, ebd., S. 214- a.A. aber a. [trotz seiner grundlegenden Krit. an Lübbe-Woljf] Schwabe, Der Staat 31 [1991], 284, der nicht einmal eine log. bzw. jur. Sekunde zw. Staatsentstehung u. einfachgesl. Regelungen annehmen will - seine Ans. bezieht sich wohl aber "nur" auf die Zeit "seit Bestehen moderner Staatlichkeit" u. "nur" auf ebensolche moderne Staaten, s. dens., Probleme, S. 223). 175 1 S. nur Schwabe, Probleme, S. 212 ff. (insbes. 213); dens., AcP 185 (1985), 1 ff.; dens., Grundkurs, S. 90; Murswiek, NVwZ 1986, 611, 611 f., m.z.N. (lnsbes.) F. Öst. Griller, JBl. 1992, 207 ff., 217. Aus öst. u. EMRK-Sicht v. Eingriffen (in Art. 2, 6 u. 8 EMRK) ausgehend offb.a. Wagner, RdU 1998, 127 f.; Raschauer, ZfV 1999, 514 f., der indes an andere Stelle das Schutzpflicht-Konzept favorisiert (508 Sp. 1). Dort folgt die Duldungspflicht i.Ü. - einfachrl. -aus § 364a ABGB. 1752 S. Griller, JBl. 1992, 208 Sp. 2. Schwabe, Probleme, S. 214, spricht insow.v. einer "stillschweigenden" Erlaubnis. Vgl.a. B. Davy, S. 237 f.; Holoubek, JBl. 1992, 153 f.; dens., in: Grabenwarter u.a., S. 71. 1753 S. Schwabe, Probleme, S. 213. S.a. dens., NJW 1974, 671; dens., AöR 100 (1975), 453, 457. 1754 S. Schwabes "Ruhr-Immissionsfall", in: Probleme, S. 214. 17 55 Vgl. Schwabe, ebd., S. 213 f. (213), 215. 175 6 S. Schwabe, ibid., S. 213. 1757 Der Schwerpunkt liegt bei Schwabe - entgg. vieler Vorwürfe - eind. auf der staatl. Regelung, der gerl. u. vollstreckungsmäßige Durchsetzung erst bei entspr. Widerstand nachfolgen, s. nur Schwabe, AöR 100 (1975), 442, 457; ders., Probleme, S. 213 f.
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lieh erlaubte Drittbeeinträchtigungen nicht verteidigt werden könne, dann liege darin eine - normative - Erlaubnis, die sowohl als solche als auch in ihrer Konkretisierung durch Richterspruch vor den Grundrechten als Abwehrrechten zu rechtfertigen sei. 1759 b) "Restfälle" einer Schutzpflicht nach Schwabe
Nach der von Schwabe vertretenen abwehrrechtlichen Lösung bleiben allerdings noch "Restfälle", die nicht über die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte eingefangen werden könnten. 1760 So ist er zunächst der Ansicht, dass die grundrechtliche Bewirkung eines Verbots - durch Zunichtemachen der zuvor bestehenden Erlaubnis - das Schutzgut nicht ausreichend absichere. Hinzukommen müsse vielmehr die Durchsetzung dieses Verbotes durch die staatlichen Gerichte und Verwaltungsbehörden. Nur aus der Schutzpflicht lasse sich bspw. ein Anspruch auf polizeiliches Einschreiten herleiten. Aus der Schutzpflicht lasse sich im Übrigen - in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip 1761 - die allgemeine Verpflichtung entnehmen, nach einer Verbotsübertretung Rechtsinstrumentarien zur Beseitigung der Verletzung bereitzustellen, nämlich Beseitigungs-, Widerrufs- und Gegendarstellungsansprüche sowie die Möglichkeit ihrer zwangsweisen Durchsetzung. 1762 Weiter geht Schwabe davon aus, dass auch die ggf. erforderlichen Sanktionsdrohungen, mit denen ein Verbot zu bewehren sei, nicht aus der abwehrrechtlichen Grundrechtsfunktion heraus erklärt werden könnten. 1763 Gleiches gelte für sonstige Mittel zur effektiven Bekämpfung von Rechtsgutsverletzungen.1764 Sanktionen oder sonstige Schutzmaßnahmen verlangten vom Staat eine "besondere Leistung" und seien deshalb nicht mit den Grundrechten in ihrer negatorischen Funktion zu bewirken. Ferner könne mit der Abwehrfunktion der Grundrechte dann nicht gearbeitet werden, wenn man selber - aus Unkenntnis - an Schädigungen mitwirke. In solchen Fällen liege ein zu duldender "Eingriff' gar nicht vor. 1765 Vgl. Schwabe, Drittwirkung, S. 65 f.; dens., Probleme, S. 213. S. Schwabe, Probleme, S. 213. 1760 Ebd., S. 219 ff. 1761 S.d.a. ibid., S. 238, 267, 274 (dort zur "Pflicht zum Schutz der Allgemeinheit vor neuen Straftaten" durch Fürsorge f. Strafgefangene, allerd. o. subjektivrl. Gehalt [Fn. 94]). 1762 A.a.O., S. 219. 1763 Ebd., S. 220. Zum "interessante[n] Sonderproblem" fahrlässiger Verletzungen S. 221. 1764 A.a.O., mit dem Bsp. eines Vertriebsverbotes f. Abhörgeräte. 1765 Ebd., mit dem Bsp. gefahrenträchtiger Arzneimittel (Afz.i.O.). 1758
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B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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Auch in den Fällen, in denen deshalb nicht eingegriffen werde, weil das schädigende Verhalten das Rechtsgut "quasi abkauft", sei die Schutzpflicht einschlägig. 1766 Gleiches gelte im Hinblick auf Werbemanipulationen. 1767 c) (Fehlende) Reaktionen in Rechtsprechung und Literatur
In Rechtsprechung und Literatur hat diese Fundamentalkritik bisher nichts Wesentliches bewirkt. 1768 Zwar wird häufig zugegeben, dass bspw. mit einer staatlichen Genehmigung 1769 einer gefährlichen Anlage den gefährdeten Anliegern eine DuZdungspflicht auferlegt werde. 1770 Selbst wo der Staat - ohne eine solche Genehmigung 1771 - stillschweigend Emissionen des einen toleriere, zwinge er den anderen unter den Rahmenbedingungen der staatlichen Friedensordnung, diese zu ertragen. 1772 Durch Unterlassen und Tun 1773 teile der Staat Umweltnutzungsrechte, Umweltlasten und Umweltrisiken zu. 1774 Unmittelbar daran anschließend wird aber sogleich be1766 Ibid., f. die Fallkonstellation d. TabakE (BVerfGE 12, I, indes außerhalb einer Strafanstalt). 1767 A.a.O. 17 68 Vgl. nur Dimberger, S. 68 ff. (insbes. 92 ff.); Sass, S. 407 ff.; Elbing, S.l77 f.; König, S. 209 ff.; Badura, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. I80; Wahl, DVBI. I996, 646 f.; AKU-Steiger 02/054 f. Rn. I90; Schmidt-Aß"umn, S. 60 Rn. 2/ 39; Möstl, DÖV I998, I035 Sp. I; Wiesbrock, S. 94 ff., jew.m.w.N. Nur "in der Tendenz", nicht aber f. alle Fälle zust. Lübbe-Wolff, S. 168 ff. (170). 1769 Gg. einen Eingriffscharakter d. Genehmigung z. B. Schmidt-Preuß, S. 53 m.z.N., 69 ff. (70, 74): Die "Duldungspflicht" bestehe ganz allgemein u. sei nicht Regelungsgegenstand d. Genehmigung (74, m. w.N.). Unklar zur Einschlägigkeit der Abwehrfunktion J. lpsen, StaatsR II Rn. 242, der einers. die "Abwehrfunktion" d. GR anspricht, anderers. darauf hinweist, dass der Staat durch das Genehmigungsverf. seine aus den GRen folgende Schutzpflicht erfülle, sich aber das Vorhaben durch die Gestattung a. "zu eigen" mache. Wg.d. regelmäßigen Ausschlusses privrl. Unterlassungsanspr. durch die behördl. Erlaubnis sei die gestattete Tätigkeit dem Staat zuzurechnen (zur Genehmigung im Schutzpflicht-Kontext s.a. ebd., Rn. 94). Ausf. zum Prob I. etwa Lübbe-Wolff, S. 178 ff., m.z.N. aus der ält. Lit. 1770 A.A. schon insow. Sass, S. 407 ("Keine Duldungspflicht durch Ausschluss der Abwehrrechte"), der eine Art "Industriegesellschaftsvorbehalt" zu vertreten scheint (407, 416 f.). 1771 Nur diesen Fall über die Schutzpflicht-Konstruktion lösend, ans. Schwabe folgend A. Roth, S. I50 ff. (154 f.) bzw. I 55 ff. 1772 Zum Streit über die genaue Konstruktion verwgerl. Rechtsschutzes aufgr.d. in letzter Zeit zunehmend eingeführten Genehmigungsfreistellung best. Bauvorhabens. die Auseinandersetzung zw. Ortloff, NVwZ I998, 932 ff., u. Mampel, NVwZ I999, 385 ff., jew.m.z.N. 1773 Gg. die Erforderlichkeit einer Unterscheidung aufgr.d. Satzes "Was nicht verboten ist, ist erlaubt" Bock, S. I46. Aus straf- u. grl. Sicht zu den Schwierigkeiten einer Abgrenzung u. zur Ietzt!. erfordert. Abwägung Lagodny, S. 93 f. (94), 270, m.w.N. S.a. Clapham/Weiler, in: Waaldijk/Clapham, S. 33: "Not to act, is to act".
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merkt, dass es kurzschlüssig sei, wenn aus dieser "indirekten Duldungspflicht" ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht des Duldungspflichtigen gefolgert werde. 1775 Auch bei raumbedeutsamen Planungen wird davon ausgegangen, dass der Staat bloß einen allgemeinen "Ordnungsrahmen" zur Verfügung stelle, aber nicht selbst eingreife. 1776 Alles in allem wird insbes. bei verwaltungsgerichtlichen Nachbarklagen immer noch überwiegend von einer "schutzpflichtgestützten Begründung des Drittschutzes" ausgegangen. 1777 Allenfalls wird anerkannt, dass es bei den sog. öffentlichrechtlichen Nachbarklagen gegen den genehmigenden Staat zwar um (technische) Unterlassungspflichten gehe, bei denen aber in Wahrheit "juristische ,Stellvertreterkriege "' geführt werden würden. 1778 Letztlich gehe es nämlich um eine durch staatliche Aktion vermittelte "Drittwirkung". 1779 Die abwehrrechtliche Lösung habe deshalb nur "formal" recht. 1780 Auch das BVeifG hat jüngst ganz in diesem Sinne jedenfalls die abwehrrechtliche Verantwortlichkeit des Staates für die Folgen der allgemeinen, Isensee, Ambivalenz, S. 16. Ähnl. Kunig, Jura 1991, 419 Sp. l. /sensee, a. a. 0., Fn. 31 a. E., gg. Murswiek, WiVerw 1986, 179 ff. Ähnl. Menzer, S. 84, der auf die Mitverantwortungs-Rspr.d. BVerfG rekurrieren will. F. eine Einschlägigkeit d. Schutzfunktion a. JIP-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 23a; Art. 2 Rn. 52; Kloepfer, NuR 1997, 417, 417 Sp. 2. Zum Streit vgl. zul. etwa Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 78 ff., 97 f. Ls. IV.IO.a). 1776 S. etwa bbgVerfG, DVBl. 1999, 34, 40 Sp. 1, betr. Art. 25 I bbgV u. den Braunkohletagebau im sorb. Siedlungsgebiet. Vgl.a. Köck, AöR 121 (1996), 15 f. (15). 1777 Vgl. nur Schwerdtfeger, NVwZ 1982, 7 ff.; Alexy, DÖV 1984, 958; König, S. 197 ff.; Vesting, in: Grabenwartee u.a., S. 14 f.; Wahl, DVBl. 1996, 646 Sp. 2; Badura, in: Böttcher u.a., Odersky-FS, S. 160; Uechtritz, NVwZ 1996, 643 f.; Tsai, S. 199 ff.; AKU-Steiger 02/055 Rn. 192; Preschet, DÖV 1998, 46 Sp. 1; Oeter, DVBl. 1999, 194 ff., jew.m.z.N. Diff. Pietzcker, Dürig-FS, S. 345, 358 ff., der i.d. gesl. Zulassung priv. "Eingriffe" einen staatl. Eingriff sieht (358), i.d. bloßen Nichtbestrafung d. Verstoßes gg. ein gesl. Verbot indes einen Schutzpflichtfall erblick (358 f.) - ähnl. Haverkate, S. 217. Gleiches gelte - "überwiegend" { ?, ps] - f. die Regelungen über die Emissionen im BlmSchG, im AtG od. i.d. StVZO (359). Ab!. Schwabe, NVwZ 1983, 524; Schlink, EuGRZ 1984, 465 f. (Nur) I.R. ihrer Normbestandsschutztheorie f. die Eingriffsabwehrlösung Lübbe-Wolf!, S. 178 ff., 197 ff. S.a. Jürgensen, S. 31, 221 ff., 265, der jedf. bei (eur.) Verkehrsprojekten i.B.a. Belästigungen durch Lärm, Abgas etc. ausschließ!. eine abwehrrl. Prüfung am Maßstab d. dt. und d. GemGRe vornimmt. 1778 Vgl. nur Kloepfer, UmweltR § 3 Rn. 6. Ähnl. König, S. 212 f. Wohl a. Kunig, Jura 1991, 421 Sp. 1, demzufolge die "verfassungswidrige Nichterfüllung der Schutzpflicht die Mobilisierung der ... Abwehrfunktion" eröffne. 1779 Kloepfer, a. a. 0., Rn. 8 (Afz.i.O.). Zur Nähe v. allg. Drittwirkungs- u. Genehmigungsabwehrkonstellation Lübbe-Wolf!, S. 178 ("eng benachbart" - s.d.a.d.N.o.u. 2.a)). Zur Krit. a.d. "unbefriedigenden Differenzierung zwischen dem nur ,äußerlich' negatorischen, der ,Sache nach' aber leistungsrechtlichen Charakter der Genehmigungsabwehrklage", ebd., S. 183 Fn. 337. 1780 So König, S. 212. 1774
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B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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weiträumigen Luftverschmutzung durch die Präventivkontrolle der Techniknutzung verneint. 1781 Das führt aber noch nicht notwendig zu einer Ablehnung der abwehrrechtlichen Lösung für die "lokale" Luftverschmutzung, also für das Verhältnis des Nachbarn zum Betreiber einer emittierenden Anlage: Hier sind "individualisierbare Kausalbeziehungen" als Voraussetzung der Geltendmachung von Abwehr- oder Schadensersatzansprüchen, die das BVerfG dort vermisst, durchaus vorhanden.
Darüber hinaus wird auch zugestanden, dass sich bspw. der konkrete zivi/rechtliche Vertrag auf das BGB und dieses wiederum ebenso auf die Verfassung stütze wie die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts. 1782 Daraus solle aber nur ein formeller oder Bedingungsvorrang folgen, der nichts mit der inhaltlichen Rangfrage zu tun habe. 1783 Die Verfassung enthalte insoweit nur Organisationsrecht. Diese bloßen Rechtserzeugungsregeln innerhalb des Stufenbaus der Rechtsordnung besagten als solche nichts über den Inhalt der nachrangigen Normen. 1784 Ein ähnliches Argument gegen die abwehrrechtliche Lösung arbeitet mit dem Rechtssatz, dass Gesetze selbst in Menschenrechtspositionen nur dann eingreifen könnten, wenn sie entweder self executing seien, d.h. ohne Vollzugsakt unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen begründeten, oder aber wenn sie strafbewehrt seien, so dass sie den Einzelnen zur Vermeidung von Strafe zu einem bestimmten Verhalten zwängenY 85 Deshalb könne man bspw. Kündigungen im Arbeitsrecht nicht dem bloß solche Gestaltungsrechte erlaubenden Staat zurechnen. 1786 BVerfG, UPR 1998, 341, 342 Sp. 1. Krit.d. v. Hippel, NJW 1998, 3254 f. Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 50. Vgl.a. Adomeit, S. 48 ff. (50 f.); 57 ff. (58 f.); Medicus, AcP 192 (1992), 44, 46 f., 48; Ziekow, S. 578; Schmidt-Aßmann, S. 241 Rn. 6114 ("Die Privatrechtsordnung ... ist staatliches Recht". "Der Rahmen prägt den Inhalt mit"); Hillgruber, ARSP 85 (1999), 361. S. a. noch allg. Röhl, S. 558 f. Zur in Öst. "grundsätzlich unbestrittene[n] ,gesetzliche[n] Bedingtheit privater Rechtsakte"' vgl. Holoubek, DVBI. 1997, 1033 Sp. 1, m. w. N. S. a. dens., JBI. 1992, 153 ff.; dens., Gewährleistungspflichten, insbes. S. 251 ff., sowie Griller, ZfV 1983, 4 ff.; dens., JBI. 1992, 207 ff.; 289, 298 ff.; K. Korinek/Holoubek, S. 137, 142 m.Fn. 458; Berka, S. 133 Rn. 229, jew.m.z.N. 17 83 Diederichsen (vor.Fn.). 1784 Diederichsen, ebd., S. 50 f., 95. Zur Einschlägigkeit d. Abwehrfunktion s. aber dens., AcP 198 (1998), 200 Fn. 116, 252. Offener Berka, S. 131 Rn. 227. Auf das Arg. eines bloß formalen Stufenbaus d. Rechtsordnung soll hier nicht gesondert eingegangen werden (ausf.d. Griller, JBI. 1992, 298 ff., m. w. N. zur öst. Lit., i.d. die Disk. um den Stufenbau im Gefolge Kelsens u. Merkls ohnehin breiter erfolgt), weil aus den hiesigen Ausführungen o.w. folgt, dass sehr wohl a. einige inhaltl. Annahmen gemacht werden (müssen), die abwehrrl. Lösungen also keinesfalls ausschließ!. stufenbautheoret. Grdl. aufweisen (s. wiederum Griller, JBI. 1992, 299 Sp. 2). 1785 So etwa Wiesbrock, S. 117. 1781
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Apodiktisch wird schließlich behauptet, dass die Zurechnung nicht verbotener, privater Verletzungshandlungen als Eingriff des Staates die Pflicht des Staates voraussetze, solche Eingriffe abzuwehren. Gerade diese (Schutz-) Pflicht solle aber doch erst begründet werden. Daher sei die Gleichsetzung von unterlassenem schützendem Tätigwerden und aktivem Eingriff des Staates allenfalls die Folge seines aus einer Schutzpflicht folgenden Wächteramts, nicht aber die Ursache desselben. 1787 Mit anderen Worten wird den Vertretern der abwehrrechtlichen Lösung also vorgehalten, Ursache und Folge zu verkennen bzw. einem Zirkelschluss aufzuerliegen. d) Stellungnahme
aa) "Glaubensfragen" und (Be-) Wertungen Bei der Untersuchung der Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur kann man sich zunächst des Eindrucks nicht erwehren, als ob es hier um eine "Glaubensfrage" ginge: Die Argumente sind im Wesentlichen ausgetauscht und werden immer wieder in die Arena geworfen, ohne dass sich dabei irgend etwas bewegt. Für die Zurechnung privaten Verhaltens nach abwehrrechtlichen Grundsätzen infolge des Nichtverbietens spricht zunächst schon, dass es sich dabei um einen "durchaus einfache[n] rechtliche[n] Mechanismus" handelt, der "sehr vielseitig einsetz bar" ist. 1788 Das sollte ihm jedenfalls nicht von vomherein zum Nachteil gereichen. Schließlich gilt es, mit einer Grundrechtsdogmatik die Fallbearbeitung anleitende Regeln aufzustellen, 1789 die den einzelnen Rechtsanwender auch nicht überfordern. Ein Arbeiten in den Bahnen gängiger Abwehrrechtsdogmatik auch in herkömmlichen Schutzpflicht-Fällen scheint dafür ausgesprochen gut geeignet.
Die Ablehnung der abwehrrechtlichen Lösung dürfte letztlich und entscheidend auf einer (Be-) Wertung beruhen: 1790 Befürchtet wird nämlich, dass die Selbstverantwortung des Individuums verloren gehe, wenn für S. Wiesbrock, S. 94 f., 117. So etwa Menzer, S. 81 m.z.N. (s.a. die Abi. einer diesbzgl. Deutung d. Mitverantwortungs-Rspr.d. BVerfG ebd., S. 84 f.). Ähnl. AKU-Steiger 02/054 f. Rn. 190 ff. (192). 1788 So Schwabe, Probleme, S. 214. 1789 Zur Maxime d. Dogmatik "So einfach wie möglich, so kompliziert wie nötig" Jarass, AöR 120 (1995), 346 f., 358 f.; ders., EuR 1995, 202 f. (f. die EG-GFen- ähnl. jetzt a. Kingreen, S. 18 f.). 1790 Deutl.i. d. S. etwa Determann, S. 140 ("Wertungsfrage hinsichtlich eines möglichst umfassenden oder aber möglichst dogmatisch klaren Grundrechtsverständnisses"), 146 f. 1786
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jedes (potenziell) beeinträchtigende Privathandeln eine staatliche Einstandspflicht bereitstehe. 1791 Gerade deshalb dürfe man den Umstand "nicht zu stark gewichte[n]", dass der Staat das potenziell beeinträchtigende Verhalten eines Dritten erlaube. 1792 Dahinter steht die Furcht vor dem "Archetyp des Polizeistaates", in dem es Freiheit "nur auf dem Rezept vorheriger staatlicher Verordnung durch Behörden de[r] Gefahrenabwehr" gibt. 1793 Eine solche Situation sei "prinzipiell freiheitswidrig". 1794 Die Grundannahme Schwabes, eine staatliche Erlaubnis sei überall dort anzunehmen, wo der Staat keine Verbote erlassen habe, sei deshalb "schon in grundsätzlicher staats- und grundrechtstheoretischer Sicht äußerst bedenklich"Y95 Sie führe dazu, dass Freiheit nur nach Maßgabe staatlicher Zuteilung bestehe, während mit dem heutigen Grundrechtsverständnis von einer "naturgegebenen vorstaatlichen Freiheit" auszugehen sei. Ähnlich wertend wird vorgegangen, wenn man als vermeintliches argurnenturn ad absurdum vorbringt, dass dem Staat nicht alles und jedes zugerechnet werden dürfe, z.B. nicht die private Einladung zu einem (Abend-) Essen. 1796 Gerade wenn man dieses Beispiel ein wenig abwandelt und annimmt, der Einladende sei "Ausscheider" i. S. d. BSeuchG und koche selbst, wird indes deutlich, dass in dieser Situation eine (schwache) staatliche "Erlaubnis" zur Einladung untragbar wäre bzw. ein Schutzpflicht zu einem entsprechenden Verbot (und dessen Durchsetzung) zwänge, schutz- und abwehrrechtliche Lösung also zum gleichen Ergebnis kommen müssten. Abgesehen davon, dass die - (zunächst bloß) konstruktive - Annahme 1797 staatlicher und noch dazu schwacher, nicht ausdrücklicher Erlaubnisse im Regelfall ohnehin unproblematisch ist, da daraus keine aktuellen oder heißen Grundrechtsfälle resultieren, kann allein das Unbehagen, dass manche dabei aus Autonomiegesichtspunkten verspüren, 1798 letztlich nicht mehr rational - und deshalb auch nicht mit den (Hilfs-) Mitteln der Logik 1791 In diese Richtung etwa Pietzcker, JZ 1985, 210 Sp. 1. Ähnl. Tsai, S. 203; Canaris, PrivatR, S. 41. 1792 I.d.S. etwa Elbing, S. 177 f. (178), H.d.V. Ähnl. die Furcht v. Sass, S. 408 ff., vor einem "totale[m] Überwachungs- und Eingriffsstaat", welcher "nicht der Staatsidee des Grundgesetzes" entspreche u. "erst recht nicht mit dem über allen Einzelgrundrechten stehenden Ideal der Bürgerfreiheit zu vereinbaren" sei (408 f.). 1793 So bei Sass, S. 411. Ähnl. Tsai, S. 203 f. 17 94 Vgl. Canaris, PrivatR, S. 41. 1795 S. etwa König, S. 211. 1796 Bsp. nach Alexy, Theorie, S. 417. Lt. Sass, S. 408 Fn. 23 a.E., soll gerade dieses Bsp. einer Anwendung d. ",Gestattungstheorie' Schwabes" die "Absurdität dieser unbegrenzt weiten Zurechnungsgrundsätze in einem hellen Licht" zeigen. Das ist doch wohl mehr ein Appell an vermeintlich vernünftige Einsichtsfähigkeit denn eine (rationale) Begr.! 1797 Als Konstruktion wird die abwehrrl. Lösung denn a. v. Alexy, Theorie, S. 417 Fn. 88, f. "möglich[ ... ]" gehalten.
398 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
- bekämpft werden. Dass jemand mit Befremden auf den Satz reagiert, dass dem Einzelnen das Schreiben von (Liebes-) Briefen (erst) staatlicherseits "erlaubt", er rechtlich dazu "ermächtigt" worden sein muss, 1799 kann damit nicht verhindert werden. Dieses Befremden mag allenfalls mit der emotiven Bedeutung oder intuitiven Verwendung 1800 der Worte "Erlaubnis" oder "Ermächtigung" erklärt werden: Diese könnten deshalb als per se freiheitsfeindlich oder zumindest freiheitskatechontisch 1801 angesehen werden, weil sie der mit einem positiven Wert besetzten Freiheit insofern vorausgehen, als Freiheit nur nach ihrer Erteilung und noch dazu in ihren jeweiligen Grenzen herrscht. Dieses sog. Schrankendenken erfährt aus ehendiesen Gründen insbesondere im angelsächsischen Rechtsdenken vielfach Ablehnung. 1802 Es ist also durchaus ernst zu nehmen, wenn es - wie in dieser Arbeit - letztlich auch um eine gemeinschaftsrechtliche Fragestellung geht, weil gerade hier EG-ausländisches Rechtsdenken einzubeziehen ist. Soweit an dieser Stelle jedoch allgemein und rechtstheoretisch sowie mittels logischer Analyse argumentiert wird, können etwaige nationale "Befindlichkeiten" nur vermerkt werden. Sie sind jedenfalls nicht geeignet, als solche die grundsätzliche Konstruktion zu erschüttern. Schon gar nicht geht es an, diese "rechtskritische Haltung" als Anlass zum Umdenken angesichts - rechtstatsächlich durchaus zu konstatierender - nationaler und gemeinschaftlicher Norm(ungs)flut zu nehmen. 1803 Die faktische Fülle einfachgesetzlicher Regelungen hat mit der Frage, wie eine Rechtsordnung zu denken ist - umfassend und in sich geschlossen oder bruchstück- und lückenhaft- nichts zu tun. Der Einsatz des rechtsfreien Raums als "Kampjbegriff" 1804 ist jedenfalls und wenigstens an dieser Stelle verfehlt. 1805 Die damit verfolgten Anliegen - insbesondere die Wahrung der Autonomie des Einzelnen - können nämlich ohne diese be1798 Zul. etwa wieder Canaris, PrivatR, S. 41; Schubert, S. 16 ("Der rechtsfreie Raum steht ... für die Autonomie des einzelnen und ist Kampfbegriff gegen eine ausufernde Subordination des einzelnen unter das Recht"), m. w.N. 1799 Insof. kategor. abl. Adomeit, S. 41 (als Bsp. f. die Annahme eines - "glücklicherweise" rechtsfreien Raums, "sofern sie [die Briefe, ps] nicht beleidigend sind" -also in meiner Abwandlung d. Bsp.v. Alexy entspr. Einschr.!). Zur Ermächtigung im VertragsR s. aber ebd., 57 ff., sowie Röhl, S. 238, 435 ff., 558 f.; Hillgruber, ARSP 85 (1999), 361. 1800 S.d. allg. Alexy, Argumentation, S. 60 ff. (insbes. zu Stevenson; zur Krit.: ebd., S. 68 f.); dens., Theorie, S. 195, sowie bes. jüngst Schubert, S. 3 f., m. w.N. 1801 Vgl.d. die kontroverse These v.d. "katechontischen Funktion des Rechts" v. Schlink, VVDStRL 48 (1990), 259 ff. Insow.dez.abl. Ronellenfitsch, zit. nach P. Szczekalla, in: Rengeling, Beschleunigung, S. 73. I802 Vgl.d. Schubert, S. 13 ff., m.w.N. 1803 So aber, wenn a. vorsichtig, Schubert, S. 16, 85 f. m.Fn. 258. 1804 So Schubert, S. 16. 1805 S. a.u., C.l.5.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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denkliehe begriffliche und gedankliche Schöpfung ebenso gut verfolgt werden. Rechtlich geregelt heißt schließlich auch nicht rechtlich prädestiniert in dem Sinne, dass dem Einzelnen keinerlei Raum für eigenverantwortliches und freies Verhalten mehr bliebe. 1806 Die Erlaubnis als solche macht den Menschen nicht unfrei. Im Übrigen ist es auch konstruktiv nicht notwendig, mit dem Begriff der "Zurechnung" zu arbeiten, der offenbar so große Bedenken auslöst: 1807 Dem Staat muss nicht jedes Verhalten Privater "zugerechnet" werden. Vielmehr kann man konstruktiv sehr wohl einen Unterschied zwischen privatem und staatlichem Verhalten machen. Dabei muss der Staat nicht unbedingt als eigentlich bzw. zuerst Handelnder angesehen werden, wenn er privates Handeln erlaubt. Es reicht auch aus, die Bindungswirkung privatrechtlicher Verträge über eine entsprechende staatliche Anerkennung zu konstruieren, anstatt sie i.S. einer Delegation zu verstehen. 1808 Nur lässt sich nicht sagen, dass der Staat ein Verhalten Privater weder erlaubt noch verbietet, also überhaupt nicht regelt. Deshalb hat der Staat mit dem Verhalten Privater immer etwas zu tun. 1809 Sofern man die bei Abwesenheit eines Verbotes bestehende (schwache) staatliche Erlaubnis mit dem Begriff "Zurechnung" in Verbindung bringt, 1810 ist dagegen überhaupt nichts einzuwenden. 1811 Bei der hier vorgeschlagenen abwehrrechtlichen Lösung gilt mithin das Gleiche, was in der Literatur bereits zu Recht zur "Rehabilitierung" bzw. "Rekonstruktion" dieser "klassischen" Grundrechtsfunktion und des mit ihr verbundenen sog. Eingriffs- und Schrankendenkens ausgeführt wurde: 1812 Es handelt sich dabei nämlich um ein technisch-konstruktives Denken, und es geht dabei nicht um die Frage, was Freiheit "an sich" ist, 1813 sondern wie sie dogmatisch konstruiert und damit für die Falllösung handhabbar gemacht werden kann. Unbegründet ist weiterhin auch der Hinweis darauf, dass es in der heutigen Industriegesellschaft keinen allgemeinen Störungsabwehranspruch gebe, mit dem jedwede störende Tätigkeit Dritter verhindert werden könnte. 1814 Dieser Hinweis trifft die abwehrrechtliche Lösung in WirklichI. d. S. aber offb. Schubert, S. 85 f. S.d. Griller, JBI. 1992, 210. 1808 Vgl. Griller, ebd., m. w.N., der den "Delegationsansatz[ .. .]" favorisiert. S. a. dens., ZfV 1983, 6 f. I809 S. wiederum Griller, a. a. 0. 1810 I. d. S. Murswiek, Verantwortung, S. 61 ff.; ders., EMRK, S. 226. 1811 So Griller, JBI. 1992, 210 m.Fn. 31. 1812 V gl. i. d. S. etwa Schlink, EuGRZ 1984, 467 Sp. 1. 1813 Zu unterschied!. Freih.-"Konzeptionen" (i.G.z. "Konzept" Freih.) s. Schubert, S. 5 ff. (i.A.a. Dworkin, Bürgerrechte emstgenommen, S. 229 f. = Taking Rights Seriously, S. 135 f.). 1806 1807
400 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
keit nicht: Diese verlangt vielmehr nur eine Rechtfertigung für die Nichtverhinderung störender Tätigkeiten und gebietet keineswegs, alles Störende zu untersagen. Ein pauschaler "lndustriegesellschaftsvorbehalt" kann ihr also nichts anhaben. Unberechtigt, jedenfalls aus sich heraus nicht verständlich ist auch der Vorwurf, die abwehrrechtliche Lösung behaupte die schon überwunden geglaubte ausschließliche Staatsgerichtetheit der Grundrechte von neuem. 1815 Sofern den Grundrechten nicht verfassungstextlich eine ausdrückliche Drittwirkung zukommt, würde dieser Vorwurf die "konventionelle" Schutzpflichten-Lehre ebenso wie die abwehrrechtliche Lösung treffen: Auch nach herkömmlichem Verständnis sind Grundrechte in ihrer Schutzfunktion (ausschließlich) staatsgerichtet Der Staat, insbes. der Gesetzgeber hat für einen entsprechenden Schutz zu sorgen, er ist alleiniger Adressat der Schutzpflicht. Im Wesentlichen kommt es ferner darauf an, Wertungswidersprüche schon auf der Ebene dogmatischer Konstruktion zu vermeiden und klare Abgrenzungskriterien zu finden. Die Einschlägigkeit von Abwehr- oder Schutzfunktion darf jedenfalls nicht davon abhängen, wie der Staat sein Handeln rechtstechnisch ausgestaltet: 1816 Es ist nicht einzusehen, dass bspw. einerseits ein (grundrechtlicher) Abwehranspruch dann gegeben sein soll, wenn ein Hoheitsträger das von einer Gesellschaft privaten Rechts ohne die gebotenen Sicherheitsvorkehrungen geplante Kernkraftwerk genehmigt, ebenso wie im Fall des Baus eines solchen Kraftwerks durch den Staat selbst, andererseits die Schutzfunktion dann einschlägig sei bzw. (nur) "in den Vordergrund" trete, wenn der Setreiber die Anlage ohne die erforderliche Genehmigung errichte bzw. wenn der Hoheitsträger sich nur "mittelbar über vielfaltige Verschachtelungen und durch Einsatz verselbständigter Verwaltungseinheiten" beim Bau der Anlage engagiere. 1817
Was schließlich die Behauptung des Rechtssatzes anbelangt, privates Verhalten erlaubende Gesetze griffen nur unter bestimmten Voraussetzungen selbst in Grundrechte ein (self executing, Strajbewehrung), so liegt hier eine Vermischung prozessualer und materiellrechtlicher Gesichtspunkte vor: Es mag zwar richtig sein, dass der Einzelne ein vollziehungsbedürftiges Gesetz mangels Beschwerdebefugnis (fehlende Unmittelbarkeit bzw. Gegenwärtigkeit) nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifen kann, sondern erst den Vollzugsakt, etwa in Gestalt eines Verwaltungsakts, abwarten muss. Ist aber (auch) das Gesetz selbst verfassungswidrig, so kann es als grund1814 1815 1816 18!7
So So So So
Sass, S. 407, 416 f. etwa König, S. 209. aber Haverkate, S. 217. die Diff. bei Haverkate, S. 217.
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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rechtsverletzend grundsätzlich (bspw. im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle) ebenso für nichtig erklärt werden wie der Vollzugsakt (im Verfassungsbeschwerdeverfahren nach inzidenter Prüfung des Gesetzes) aufgehoben wird. 1818 Wenn auch privates Verhalten nicht unmittelbar Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein kann, so bedeutet dies dennoch nicht, dass das dieses Verhalten ermöglichende Gesetz nicht in Grundrechte eingreifen und dementsprechend für nichtig erklärt werden kann. bb) Die "Restfälle" grundrechtlicher Schutzpflichten nach Schwabe Was schließlich die "Restfälle" grundrechtlicher Schutzpflichten nach Schwabe anbelangt, so wird in dieser Arbeit durchweg eine Einbeziehung derselben in die, dann noch einmal erweiterte abwehrrechtliche Grundrechtsfunktion vorgeschlagen: ( 1) Verbotsdurchsetzung als Schutzpflicht-Fall?
Das gilt vor allem für die Durchsetzung von Verboten, die sekundäre (und ggf. tertiäre) "Abwehr". Es besteht nämlich überhaupt keine Notwendigkeit, für diese "Leistungen" des Staates die Schutzpflicht-Funktion zu bemühen. Vielmehr muss die Konstruktion genauso wie in den herkömmlichen abwehrrechtlichen Fällen erfolgen: Auch hier ist es mit der Statuierung eines an die Verwaltung adressierten Verbots ja nicht getan. Auch dieses Verbot muss durch die und zugleich gegenüber der Verwaltung durchgesetzt werden. Verstößt diese gegen ein ("Verbots-") Gesetz, käme auch niemand auf die Idee, nunmehr die Schutzpflicht-Funktion zu bemühen, um eine Wiederherstellung der (grundrechtskonformen) Rechtslage zu erreichen. Vielmehr bleibt es bei der "normalen" Abwehrfunktion: (Auch) Aus dem Grundrecht erwächst der (sekundäre) Abwehranspruch, nachdem die Verwaltung den (primären) Achtungsanspruch missachtet hat. Der Normerlass durch den Gesetzgeber und der Normvollzug durch die Verwaltung und die Gerichte müssen in den gleichen grundrechtsfunktionalen Bahnen verlaufen: Entweder geht es jeweils um die Realisierung des Grundrechts als Abwehrrecht oder als Schutzpflicht Man kann nicht Erlass und Vollzug verschiedenen grundrechtliehen Funktionen zuordnen. 1819
1818 Vgl. zum Prob!. etwa Lübbe-Woljf, S. 51 f., 163 f., m.w.N. I.R.d. Individualbeschwerdeverf. auf EMRK-Ebene findet indes nur, aber immerhin eine mediatisierte Kontrolle statt, s.d. etwa Flauss, in: ders./Salvia, S. 69 m.Fn. 1, u.H.a. EuGHMRE 324, 47 § 153 (McCann u. a./VK)- Tod in Gibraltar = ÖJZ 1996, 233. 1819 Ähnl. die Bem.v. Griller, JB!. 1992, 217 Fn. 79. S.a. dens., ZfV 1983, 6 f. I.E. wohl a. Grof, ÖJZ 1984, 598; ders., ÖJZ 1991, 732 f.
26 Szczekalla
402 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
(2) Sanktionsbewehrung von Verbotsnormen und sonstige Schutz-Mittel als Schutzpjlicht-Fälle?
Gleiches gilt auch für die Sanktionsbewehrung der Verbotsnormen. Ist die Verbotsnorm abwehrrechtlich geboten, kann für die - im Regelfall in ihr enthaltene oder insbes. bei Strafgesetzen im Wortlaut ganz im Vordergrund stehende - Sanktionsnorm nichts anderes gelten. Was die sonstigen SchutzMittel anbelangt, etwa das von Schwabe angesprochene Vertriebsverbot für Abhörgeräte, so folgen diese in gleicher Weise aus dem Grundrecht als Abwehrrecht: Wenn bspw. der Erlass eines Abhörverbots abwehrrechtlich geboten ist, so gilt dies ggf. auch für das Hilfs-Mittel zur Durchsetzung dieses Verbots, nämlich für den Erlass eines entsprechenden Vertriebsverbotes. (3) Mitwirkung des Geschädigten und
"Abkaufen des Rechtsguts" als Schutzpjlicht-Fälle?
Keine Sonderfälle stellen schließlich die Konstellationen der Mitwirkung des Geschädigten an der Schädigung und des "Abkaufens des Rechtsguts" dar: In beiden Fällen kommt es darauf an, ob das Verhalten des Opfers wirklich freiwillig i.S. einer autonomen und eigenverantwortlichen Entscheidung ist und damit eine grundsätzlich zu respektierende Grundrechtsausübung darstellt. Ist es dies nicht, weil eine solche Entscheidung mangels ausreichender Kenntnis der tatsächlichen Umstände (gefahrenträchtiges Arzneimittel) oder infolge der Ausübung unzulässigen Drucks (Tabak-Fall) nicht getroffen werden konnte, bleibt es bei der abwehrrechtlichen Funktion des Grundrechts, die das "Opfer" - auch im Nachhinein - gegenüber dem Staat geltend machen kann. Für den - seltenen - Fall einer wirklich frei verantwortlichen Entscheidung findet allerdings die oben 1820 dargelegte Schutzfunktion des Grundrechts Anwendung, mit deren Hilfe ein Eingriff in das Abwehrrecht des gegen bzw. vor sich selbst Geschützten im Einzelfall gerechtfertigt werden kann. 1821 Das gilt aber nur für den Fall, dass der zu Schützende zum Zeitpunkt des Schutzes noch wirklich freiwillig an der Schädigung mitwirken will. Hat er es sich inzwischen anders überlegt, bleibt es bei der dargelegten Abwehifunktion. 1822
S.u. 2.h), insbes. bb)(2). I.d.S. wohl a. Griller, Ztv 1983, 116 f. 1822 Wg. seiner Berufung auf "grundrechtlich geschützte[ ... ] Werte" insow. nicht ganz klar Griller, ibid. 1820 1821
B. Die Rechtsprechung der übrigen Gerichte und die Literatur
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(4) Ausräumung des Inkonsequenzarguments
Mit der hier vorgenommenen Einbeziehung seiner Restfälle von grundrechtlichen Schutzpflichten erledigt sich im Übrigen ganz nebenbei die (letzte) Kritik, die dem im Grunde berechtigten, nur nicht weit genug gehenden Ansatz Schwabes von Vertretern der Schutzpflichten-Lehre in Gestalt des Inkonsequenzarguments noch entgegengehalten wird 1823 und entgegengehalten werden könnte: Es lassen sich nämlich (fast) alle diskutierten Fall-Konstellationen mit dem Grundrecht als Abwehrrecht lösen. Es bedarf nicht einer kategorialen Unterscheidung zwischen positivem Tun (Durchsetzung und Sanktionsbewehrung von gesetzlichen Verboten) und bloßem Unterlassen, welche dann auch einen grundrechtsfunktionalen Wandel zur Folge haben müsste. Vielmehr bleibt es trotz des Umstands, dass der Staat seine Hände nicht in den Schoß legen darf, sondern aktiv tätig werden muss, bei der Geltung und Wirkung des Grundrechts als Abwehrrecht, wenn private Dritte oder die Verwaltung selbst die Schutz-Gesetze missachten bzw. nicht anwenden oder wenn der Gesetzgeber keine Sanktionsbewehrung vornimmt. Die genannten Konstellationen lassen sich nicht konstruktiv auseinanderdividieren. (5) Absolute Grenzen jeder Abwehrrechtslösung: Schutz vor "Natur"-Katastrophen und Generationenschutz sowie diplomatischer Schutz
Es bleiben indes noch zwei (bzw. drei) weitere, von Schwabe nicht im schutzrechtlichen Kontext 1824 behandelte Fälle, zu deren Lösung es in der Tat der bzw. einer Schutzpflicht-Konstruktion bedarf, nämlich der (hier zusammengefasste) Schutz vor "Natur"-Katastrophen und der Generationenschutz sowie der diplomatische Schutz. Darauf soll aber erst weiter unten näher eingegangen werden. 1825 Dass solche Fälle nicht über die Abwehrrechtslösung eingefangen werden können, stellt jedenfalls kein Argument gegen die Brauchbarkeit dieser Lösung an sich dar. 1826
I. d. S. etwa Hermes, S. 96. Sondern im Kontext "[s]onstige[r] grundrechtliche[r] Leistungspflichten und -ansprüche", s. Probleme, S. 241 ff. 1825 Zweiter Teil, C.IV.4. bzw. 3. 18 26 So aber offb. Wiesbrock, S. 95. 18 2 3
1824
26*
404 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht "Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren" Benjamin Franklin 1827
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion Die Darstellung der Rechtsprechung des BVerfG und der einzelnen Stimmen aus der Literatur hat ein eher verwirrendes Bild möglicher Ansätze zur Begründung einer "neuen" Grundrechtsfunktion - der Schutzpflichten - ergeben.1828 Eine Reihe von Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten in der Abgrenzung von vermeintlich "klassischer" Abwehr und angeblich "modernem" Schutz sind deutlich geworden. Zwar wird immer wieder von einer bloßen "Wiederentdeckung" der dann eigentlich "neo-klassischen" Schutzpflichten gesprochen, doch hat man bisher kein griffiges Prüfprogramm für eine Verletzung der Grundrechte in ihrer Schutzfunktion entwickeln können. Das kann auch nicht verwundern, da die bisherige - und ohnehin erst (relativ) spät einsetzende - gerichtliche Kontrolle von Grundrechtseingriffen auf die "klassische" Abwehrfunktion zugeschnitten war. Bevor aber eine neue Grundrechtsfunktion kreiert oder eine "vergessene" wieder zu neuem Leben erweckt wird, sollte man sich erst einmal vergewissern, ob nicht "alte" und dementsprechend eingespielte Grundrechtsfunktionen ausreichen, um vermeintlich neue Probleme insbes. umweltrechtlicher Art in den grundrechtsdogmatischen Griff zu bekommen. 1829 Wenn es Aufgabe der Grundrechtsdogmatik 1830 ist, die Rechtsanwendung im Einzelfall anzuleiten und dabei so einfach wie möglich und so kompliziert wie nötig vorzugehen/ 831 dann bietet sich eine Rückbesinnung auf die "klassische" 1827 Zit.n. Hans-Christoph Seebohm, in: Parlamentarischer Rat. Stenographischer Ber., 3. Sitzung (d. Plen.) v. 09.09.1948, 1. Bd. Nr. 3, S. 46. 1828 S.a. Engel, BerDtGesVR 33 (1994), 138: "Die Schutzpflichten haben sich bisher der Dogmatisierung ziemlich erfolgreich widersetzt". 1829 l.d.S. a. Schwabe, Probleme, S. 221 ff. (insbes. 228), dort i. R. seiner Krit. am "neue[n], institutionelle[n] Staatsdenken". 18 30 Zum Begr. s.a.o., A., vor 1., Fn. 5. 1831 Vgl. Jarass, AöR 120 (1995), 346 f., 358 f.; ders., EuR 1995, 202 f., f. eine Dogm.d. EG-GFen. Dass Länder mit einem case law-System grds. den konkreten Fall in den Vordergrund stellen u. weniger Wert auf eine dogm. Anleitung legen (eine Vorgehensweise, der sich a. der EuGH zu einerri großen Teil bedient - man denke nur an Kreation u. Ausgestaltung d. gemrl. Staatshaftungsanspr.), spricht i.Ü. nicht gg. die Ausbildung einer entspr. eur. Dogm.d. sog. Schutzpjlichten, wie sie im Zweiten Teil versucht wird: Da die Rechtsanwender i.d. Mehrzahl d. MS d. EU an eine entspr. Dogm. gewöhnt sind, führt ihr Fehlen zu einer Beeinträchtigung d. Anwendung u. zu einer Schwächung d. prakt. Wirksamkeit d. EU-Rechts einschl.d. in ihm enthaltenen GRe, vgl. Jarass, a. a. 0., 347 Fn. 8 bzw. 203 - ähnl. jetzt a. Kingreen, S. 18 f.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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und eingeübte Abwehrfunktion und damit eine Reduktion einer Vielzahl von Grundrechtsfunktionen geradezu an. So plädieren selbst Autoren, die die Fundamentalkritik ansonsten zurückweisen, letztlich dafür, "im Zweifel" von der Abwehrfunktion auszugehen. 1832 Dafür spricht auch im Zusammenhang mit dem hier gewählten (gemein-) europäischen Zuschnitt des Schutzpflicht-Themas, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die gemeinschaftliche Grundrechtsdogmatik die "verfeinerte Verästelung" ihres deutschen Gegenspielers je erreichen wird, 1833 was ihr allerdings auch nicht zum Nachteil gereichen sollte 1834 • 1835 Hier soll - im Anschluss an die und in (vorsichtiger) Weiterentwicklung der Ansichten Schwabes, 1836 Murswieks1837 und Grillers, 1838 der Versuch unternommen werden, einen Großteil der Fälle, in denen von Rechtsprechung und überwiegender Literatur auf Schutzpflichten abgestellt wird, einer abwehrrechtlichen Lösung zuzuführen. 1839 Dieser Ansatz ist - bis auf einige hier vorgenommene ErweiteSo Canaris, PrivatR, S. 46. S. nur die diesbzgl. Einschätzung v. Nettesheim, EuZW 1995, 108 Sp. 1. Vgl.a. Breuer, VVDStRL 56 (1997), 330, f. den das GRdenken einschl.d. grl. Schutzpflichten so nicht in allen Staaten d. Gern. gleichermaßen verbreitet u. auf eur. Ebene "noch lange nicht aus seinem Gärungsprozeß herausgelangt" sei. Zur dt. "Begriffsjurisprudenz" s.a. Due, in: Dahl, S. 19, 21 (Zit. S. 19). Vgl. noch A. Weber, VVDStRL 57 (1998), 133: "Unsere ziselierte Grundrechtsdogmatik ist in anderen Ländern schlechthin nicht mehr verständlich" (s.M.). Re!. f. die EMRK jüngst Bethge, DVBI. 1998, 1242 Sp. 2. S. aber a. Engel, BerDtGesVR 33 (1994), 138, der einers. meint, dass sich die Schutzpflichten "bisher der Dogmatisierung ziemlich erfolgreich widersetzt" hätten, anderers. aber eine Beeinflussung d.Rspr.d. EuGHMR durch die dt. Dogm. konstatiert. 1834 Allg. laun. a. jüngst Tettinger, DVBI. 1999, 683 Sp. 2: " ... Grundrechtslehren, deren oft manierierte Einzelkonturen im übrigen Europa ungläubiges Staunen hervorrufen". 1835 Vgl. demggü. - die Fahne dt. GRdogm. gg. den EuGHMR (E 303-C [L6pez Ostra/SP]) hochhaltend - Kunig, JK 1996, EMRK Art. 8/2, S. 2: Die getroffene Entsch. möge zwar i. E. überzeugen. "Sie erweist aber auch, daß die europäische Menschenrechtsrechtsprechung, gespeist durch unterschiedliche Rechts- und Richtertraditionen, gewiß grundrechtsdogmatischer Verfeinerung noch bedarf'. Gg. derlei dogm. Aufgeregtheiten bspw. Schwarze, ZfV 1993, 7 f. (8 Sp. 1). 1836 Schwabe, Probleme, S. 211 ff., erkennt aber immerhin - i. R. seiner her. erwähnten "Restfälle" an Schutzpflichten (219 ff.) die ausdr. Schutzpflicht aus Art. 1 1 2 GG als solche u. - über den Menschenwürdekern - aus den (manchen) EinzelGRen (229 ff.) sowie allg. eine Schutzpflicht "auf die Beseitigung elementarer Notstände" (237 f. [238]) an. Daneben arbeitet er mit dem Rechtsstaatsprinzip (219, 238). S.ber. dens., NJW 1969, 2274 (Schutzanspr. aus Art. 1 1 2 GG sowie aus dem Menschenwürde-Gehalt aller GRe), 2275 ("Sozial-Schutzpflicht"), 2276 (Anspr. auf Behandlung aus Art. 1, 2 11 GG u. Sozialstaatsprinzip). Ferner gibt es ihm zufolge Schutzpflichten "zugunsten von Einrichtungen", worunter er a. Art. 6 1 GG fasst (Probleme, S. 229). 1837 Insbes. in: Verantwortung, S. 88 ff. 1838 Insbes. in JBI. 1992, 205 ff. 1832 1833
406 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht rungen - nicht eigentlich neu. Auch wenn er deshalb nicht der Argumentationslast unterliegt, die regelmäßig von abweichenden Ansichten verlangt wird, die sich gegen "eingefahrene" Wege von Rechtsprechung und Literatur wenden, 1840 sollen zunächst noch einmal die Gründe für eine Abkehr vom inflationären Gebrauch der Schutzfunktion genannt werden, von dem man mitunter den Eindruck haben kann, dass er einer älteren und anderen Wortbedeutung von "schützen", nämlich dem "vorschützen" i. S. v. "Ausflucht", "Entschuldigung", "Vertuschung" oder "Vorwand" 1841 entspricht:
I. Gründe für den "Neu"-Ansatz 1. Hierarchisierung der Grundrechtsfunktionen
Insbesondere den literarischen Stellungnahmen, in Ansätzen aber auch der Rechtsprechung des BVeifG, liegt eine Art Hierarchisierung der Grundrechtsfunktionen zugrunde, die dogmatisch nicht weiterführt. Danach lassen sich alle grundrechtliehen Fragen letztlich mit der Schutzfunktion lösen; eigenständiger weiterer Funktionen bedürfte es demnach nicht. Auch der durch einen Eingriff ausgelöste abwehrrechtliche Schutz erwiese sich nur als eine, wenn auch die intensivste Form der Schutzpflicht So sympathisch diese Art von dogmatischem Reduktionismus auf den ersten Blick auch ist, so wenig führt sie zu rationalen Grundrechtsdiskursen. D(ies)er "Einheitsbrei" vernachlässigt jedenfalls bewährte Argumentationsraster und führt zu keinerlei Erkenntnisfortschritten. Zwar ist eine Reduktion im Grundsatz nach den obigen Ausführungen durchaus sinnvoll. Nur muss sie in eine andere Richtung erfolgen: Statt "neuen" Grundrechtsfunktionen gilt es, zunächst das Potential "alter" auszuschöpfen sowie Widersprüche und Unstimmiges von vomherein zu vermeiden. 2. Die Abhängigkeit vom Eingriffsbegriff
Die Reichweite der Schutzfunktion ist an sich, d.h. unter Außerachtlassung der soeben dargelegten Hierarchisierungsproblematik, abhängig vom Eingrif.fsbegriff: Versteht man unter einem Eingriff in ein Abwehrrecht nur den "echten, adressierten hoheitlichen Eingriff[] im zweiseitigen StaatBürger-Verhältnis", 1842 dann fallen bspw. alle Anlagegenehmigungen, die Ähnl. Bock, S. 143 ff. (insbes. 151, 178); Buhck, S. 136 f. (137). Eine Argumentations1ast, die im Gegenteil eher den Verfechtern verschiedener- neuer od. wiederentdeckter- GRfunktionen zu schaffen machen sollte! 1841 Vgl.d. Grimm Bd. 21 Sp. 2129,2133,2139, m.w.N. 1842 Deutl. f. einen sog. finalen Eingriffsbegr. bspw. BVerfGE 79, 174, 201. Einen finalen u. unmittelbaren Eingriff verlangend BVerfGE 66, 39, 56 ff. (59); 1839
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C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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nicht an den Nachbarn adressiert sind, aus der abwehrrechtlichen Perspektive heraus. 1843 Mit einem solchen Eingriffsverständnis begibt man sich ohne Not der Chance, die den Konfliktsituationen zugrunde liegenden grundrechtliehen Interessenlagen rational und angemessen zum Ausgleich zu bringen. Das vorschnelle Ausblenden abwehrrechtlicher Prüfprogramme durch eine (zu) enge Eingriffsdefinition beseitigt Rationalität. Es ist jedenfalls überhaupt nicht einsichtig, staatliche Genehmigungen drittbelastender Vorhaben anders zu behandeln als die staatliche Realisierung desselben Vorhabens. 1844 Dafür lässt sich auch die überwiegend konsentierte Handhabung von Verkehrsimmissionen (Abgas, Lärm) heranziehen: Selbst wenn diese letztlich von den einzelnen Autofahrern oder den Betreibern bzw. Benutzern anderer Verkehrsmittel ausgehen, werden sie gemeinhin dem Staat als Folge der Verkehrswegewidmung als Eingriff zugerechnet, 1845 Warum sich diese Konstellation von der Ausnutzung einer Baugenehmigung 1846 etc. durch einen Privaten unterscheiden soll, bleibt unerfindlich. 1847
UPR 1997, 186; 1998, 21. (Allein) Auf die Unmittelbarkeit abstellend BVerfGE 52, 283, 283 Ls. 1, 296. Demggü. offb. f. einen weiten Eingriffsbegr. BVerfGE 50, 16, 27 - Missbilligende Belehrung; 52, 223, 240. Aus der Lit. vgl. noch Masing, S. 160 ff. m.w.N. (finaler u. unmittelbarer, 160 f.); Determann, S. 126 ff. (145 f., 147, 163: finaler). 1843 S. nur Steinberg, NJW 1984, 458 ff.; dens., NJW 1996, 1986 Sp. 2, jew.m.w.N. Aus öst. Sicht i.E. a. Raschauer, ZfV 1999, 508 Sp. 1 -unklar 514 Sp. 1, wo v. Schutzpflicht u. Eingriff (allerd. in einfachgesl. Positionen) die Rede ist. Unklar Enders, Der Staat 35 (1996), 355, einers., u. 377 ff., 377, anderers.: Die Zulassung (Duldung od. Genehmigung) stelle "nicht notwendig einen staatlichen Freiheitseingriff' dar, solange die privrl. Ansprüche (wie im BauR od. gern. § 19 II BimSchG beim vereinfachten Verf. - anders nach § 14 BimSchG [früher § 26 GewO], § 7 VI AtG, § 23 GenTG, § 11 I WHG [377 f.]) erhalten blieben. Andernfalls liege ein Eingriff in Art. 2 I GG vor (383 ff.; s.a. S. 376 f. Fn. 132 u.H.a. §§ 823, 1004 BGB u. § 32 StGB am Beispiel des Nichtraucherschutzes). 1844 Zutr. Schwabe, NVwZ 1983, 525. Insow.zust. A. Roth, S. 154. S.a. Schwabes "Pestizidfall" in: Probleme, S. 214, 218 Fn. 19. 1845 Vgl. Schwabe, DVBI. 1973, 103 ff.; dens., Probleme, S. 214 f.; Hermes, Schutz, S. 84; Dolderer, UPR 1999, 327 ff., jew.m. w.N. Jüngst in äußerst unklarer Weise allerd. sowohl abwehr- als a. schutzrl. argumentierend BVerwG, UPR 1996, 344, 346: "Der Staat darf durch seine Entscheidungen keine verkehrliehen Maßnahmen zulassen, die im Ergebnis einen nicht rechtfertigungsfähigen Eingriff in Leben, Gesundheit oder Eigentum auslösen [... ]. Dem Staat obliegt darüber hinaus [... ] eine grundrechtliche Schutzpflicht [... ]. Es verstieße gegen diese verfassungsrechtliche Pflicht, ließe er es zu, daß durch den Bau [... ] eines öffentlichen Verkehrsweges eine die menschliche Gesundheit gefährdende Verkehrslärmbelastung entsteht [... ]. Vielmehr gebietet die grundrechtliche Schutzpflicht dem Staat, sich durch geeignete Maßnahmen schützend vor den einzelnen zu stellen, wenn für diesen die Gefahr einer Schädigung der körperlichen Unversehrtheit besteht. Diese Verpflichtung trifft ihn erst recht, wenn der Eingriff auf seinem eigenen Verhalten beruht" (H.d.V.).
408 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht 3. Verwirrung durch Ausweichen und Offenhalten des dogmatischen Ansatzes
Einer rationalen Grundrechtsargumentation ebenso wenig förderlich ist ein Offenhalten des dogmatischen Ansatzes, wie es mitunter in der Rechtsprechung des BVeifG 1848 oder der des BVerwG 1849 zu beobachten ist. Gleiches gilt für das - zusätzliche - Bemühen von Schutzpflichten in - an sich -vollkommen klaren Eingriffsfällen. 1850 4. "Mitverantwortung" als "Verlegenheitsbegriff''
Bei der sog. "Mitverantwortung" 1851 handelt es sich um einen "verschwommenen", die grundrechtliehen Funktionszusammenhänge verunklarenden "Verlegenheitsbegriff": 1852 Einerseits wird ein Eingriff durch Schaffung der Genehmigungsvoraussetzungen, 1853 Förderung des potenziell gefährlichen Verhaltens 1854 und schließlieber Erteilung der Genehmigung in Abrede gestellt, andererseits sollen "nicht weniger strenge Maßstäbe" anzulegen sein als bei einer Eingriffsprüfung auch. 1855 Der Sinn dieser Differenzierung bei gleichzeitiger Angleichung der anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe vermag nicht so recht einzuleuchten, zumal sich in den einschlägigen Entscheidungen häufig auch eine eingriffstypische Diktion findet. 1856 Auch scheint die "Mitverantwortung" nicht notwendig mit der Schutzpflicht verbunden zu sein. 1857 1846 Bei der in letzter Zeit zunehmend eingeführten Genehmigungsfreistellung versagt indes dieser Begründungsstrang. Hier ist das - baurechtswidrige - genehmigungsfreie Bauen zivil- oder verwgerl. abzuwehren. Vgl.d. etwa den Streit über die genaue Konstruktion verwgerl. Rechtsschutzes d. Nachbarn zw. Ort/off, NVwZ 1998, 932 ff., u. Mampel, NVwZ 1999, 385 ff., jew.m.z.N. 1847 S. Schwabe, Probleme, S. 215. Abi. gleichwohl Hermes, S. 85 ff. (88). 184 8 S. etwa BVerfGE 91, 335, 339. 1849 Vgl. nur BVerwG, UPR 1996, 344, 346. 1850 S. bspw. BVerfGE 89, 315, 322 f. Vgl.a. die- berechtigte- Krit. bei Merten, S. 21, an BVerfGE 69, 2, 24 f. 1851 S.d.N.o.u. A.I., Fn. 19 ff. 1852 S.o., B.Il.2.r). 1853 S.d. Determann, S. 133 ff.; Brandner, NJ 1998, 587, jew.m. w.N. 1854 Vgl. Determann, S. 133 ff. (139 f.). 1855 S. BVerfGE 53, 30, 58. 1856 Vgl. wiederum BVerfGE 53, 30, 52: "In das durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Recht darf nur auf der Grundlage der zuvor genannten gesetzlichen Regelung eingegriffen werden", H.d.V.). Auf die Rechtfertigung eines GReingriffs deutet a. die Formulierung von der Genehmigung eines KKW "im Allgemeininteresse an der Energieversorgung" hin (a. a. 0., 58). 1857 S. erneut BVerfGE 53, 30, 59, 61 ("Schutzpflicht und Mitverantwortung" [ebenso die abw.Mein. Simon/Heußner, a. a. 0., 69 ff. {78, 94}] bzw. "Mitverantwortung und Schutzpflicht", H.d.V.).
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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Noch weiter verkompliziert wird die "Mitverantwortung", wenn eine begriffliche Abstufung vorgenommen wird: Mitunter ist nämlich von einer "mit der Erteilung von Genehmigungen verbundenen gesteigerten staatlichen Mitverantwortung" die Rede. 1858 Das suggeriert eine - schwer nachvollziehbare - Binnendifferenzierung zwischen einer allgemeinen Mitverantwortung des Staates für jegliches private Verhalten und einer besonderen für Vorhaben, Tätigkeiten etc., mit denen der Staat - "irgendwie" - in Berührung gekommen ist. Eine Verantwortung des Staates besteht aber nicht nur als Mit-Verantwortung, sondern immer als volle und alleinige Verantwortung für jegliches staatliche Verhalten. 1859 Eine Freizeichnung unter Verweis auf privates "Mit-Verhalten" ist nicht möglich.
Deshalb sollte der Verlegenheitsbegriff "Mitverantwortung" aus der Schutzpflicht-Diskussion ausscheiden. 186 Für einen Neuansatz ist er ohnehin nicht relevant.
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5. Der Mythos vom (grund-) rechtsfreien Raum und die Leistungsfähigkeit einer geschlossenen (Grund-) Rechtsordnung
a) Allgemeines
Gelegentlich finden sich im Schrifttum Überlegungen, die von der Existenz eines (verfassungs-, grundrechts- oder allgemein) rechtsfreien Raumes ausgehen, der erst vom Gesetzgeber - aus Gründen der grundrechtliehen Schutzpflicht - zu beackern sei, bevor entsprechender Schutz gewährt werden könne, und der nicht einmal vollständig mit rechtlichen Regelungen ausgefüllt werden dürfe. 1861 Dem ist aber das BVeifG - jedenfalls verbal Vgl. BVerfGE 53, 30, 69 ff. (abw.Mein. Simon/Heußner), 77 f. Ohne das Präfix "Mit" auf die (volle) "Verantwortung" des Staates f. Schwangerschaftsabbrüche abstellend aber ber. BVerfGE 39, 1, 44. Dazu, dass der Gesetzgeber nicht nur eine Mitverantwortung, sondern "die politische Verantwortung für alle Folgen seiner Entscheidung [trägt]", s.a. BVerfGE 49, 89, 129. Zur "besondere[n] Verantwortung" des Staates f. den öffentl. Straßenverkehr vgl. schließ!. BVerfGE 59, 275, 279. 1860 In neueren Entsch.d. BVeifG taucht der Begr. i.Ü. ohnehin - sow.ersl. - nicht mehr - jedf. nicht mehr im unmittelbaren Schutzpflicht-Kontext - auf. Ausnahme: Die staatl. "Mitverantwortung" f. die Vomahme v. Schwangerschaftsabbrüchen durch die Ausgabenpraxis d. Sozialversicherung, vgl. BVerfGE 88, 203, 312 ff. (316, 319); dagg. aber die abw.Mein. Mahrenholz/Sommer, 338 ff. (348, 351 ff. [354 f.]), u. Böckenförde, 358 ff. (359, 360 ff.). Zur (bloßen) "Mitverantwortung" d. staatl. Gesetzgebers "im Hinblick auf die Grundrechtspositionen der Auszubildenden" an (staatl.) Hochschulen s.a. noch BVerfGE 93, 85, 95 f. 1861 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 230, demzufolge es "im Privatrecht einen weiten Bereich allgemeiner Handlungsfreiheit gibt, der rechtlich nicht besetzt ist"; Robbers, Sicherheit, S. 128; E. Klein, NJW 1989, 1639 Sp. 1 a.E. ("Der Staat kann 1858 185 9
410 l. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
bereits in seiner Ersten Schwangerschaftsentscheidung deutlich entgegengetreten: "Der Staat darf sich seiner Verantwortung ... nicht durch Anerkennung eines ,rechtsfreien Raumes' entziehen". 1862 Was für das Modell "Schwangerschaftsabbruch" gilt, gilt auch für die Gefahren neuer Techniken oder Technologien, 1863 wie z. B. der Gentechnik: 1864 Ein rechtsfreier bzw. rechtsleerer Raum ist in unserer Rechtsordnung 1865 nicht anzunehmen.1866 (und muß sogar) Verhaltensweisen außerhalb rechtlicher Regelung, d.h. außerhalb der Kategorien Erlaubt- Verboten, lassen."); Adomeit, S. 41 ("Aber es gibt glücklicherweise rechtsfreie Räume und unnormierte Aktivitäten, wie Sich-Verlieben, Briefe schreiben (sofern sie nicht beleidigend sind)."); Sass, S. 410 f. ("verdeckte Regelungslücken" bei einem "zu geringen Entwicklungsstand" d. Rechtsordnung [410]; "Zone verdünnter Rechtlichkeit" [411]); Aussem, S. 65: "Die Schutzgesetzgebung darf keinesfalls dazu führen, daß alles reglementiert ist und von Grundrechtsfreiheiten nur noch Gebrauch gemacht werden darf, soweit er staatlich abgesegnet ist [s.a. S. 242]. Dann wäre die Intention des Schutzpflichtgedankens ins Gegenteil verkehrt, da der einzelne umfassend der staatlichen Herrschaftsgewalt unterstehen würde."; Tsai, S. 204 (,"totale' staatliche Rechtsordnung"). Ausdr. u. im gemrl. Kontext Schubert, S. 13 ff. (16 f.), 85 f., m. w.N. D.S.n. wohl a. Lübbe-Wolf!, S. 169 ff.; Hellermann, S. 211 f.: "Die Zurückführung allen erlaubten privaten Verhaltens auf seine Zulassung durch die staatliche Rechtsordnung und seine umfassende Zurechnung zum Staat lassen es . . . kaum noch zu, private Handlungen als von staatlicher Gewährung unabhängig, dem Staat insofern vorausliegend anzusehen und den Privaten als ihre freie Betätigung zuzurechnen . . . Das liberal-rechtsstaatliche Verteilungsprinzip ist ersetzt durch eine Modell staatlicher Freiheitszuteilung", S. 219 ff. (221: "Schutzlücken"), 230; s. aber a. S. 246 (zur Dichte d. her. vorhandenen Regelungsbestands); Erichsen, Jura 1996, 529 (" ... in seiner Freiheitsausübung wäre der einzelne dann nur noch Marionette in der Hand des alles reglementierenden Staates"). S. a. noch P. Kirchhof, KAS-AI 08/ 97, 23: "Eine formale, alle Verhaltensweisen regelnde Ordnung, wie wir sie im Straßenverkehrsrecht kennen, ersetzt die Freiheit weitgehend durch Gleichheit. [... ] Aber auch die tatsächlichen Möglichkeiten gesetzlicher Vorherbestimmung individuellen Verhaltens treffen auf deutliche Grenzen. Wollte der Gesetzgeber jedes menschliche Verhalten . . . regeln, so würden Codices entstehen, die kein Mensch lesen und deshalb auch niemand vollständig beachten kann"; Grimm, in: ders. u. a., S. 11 f.: "Totalverrechtlichung ist weder wünschbar noch möglich" ( 11) - zur rechtsphil. Bedeutung d. Argumentierens mit der Regelungsdichte bzw. Bestimmtheit d. StraßenverkehrsR s. Dworkin, Law's Empire, S. 91, 367. 1862 BVerfGE 39, 1, 44. 1863 Zu mögt. Unterschieden zw. den Begr. s. Murswiek, Verantwortung, S. 71 ff. ("Technik"), 79 f. ("Technologie"). F. die Zwecke dieser Arbeit kommt es auf eine genaue Unterscheidung indes nicht an, weil daraus rechtl. nichts folgt u. überdies ein einheitl. Sprachgebrauch nicht festgestellt werden kann. Vielmehr werden sie auch hier in einem beschreibenden Sinne und synonym verwendet. 1864 S.d. nur Hasso Hofmann, JZ 253, 254 ff., der die im Titel aufgeworfene Frage "Biotechnik, Gentherapie, Genmanipulation - Wissenschaft im rechtsfreien Raum?" klar verneint. Vgl.a. Fluck, UPR 1990, 85. 1865 Dazu, dass es a. keine gem(grund)rechtsfreien Räume gibt, vgl. ber. hier nur P. Szczekalla, DVBI. 1998, 224 (am Bsp.d. gemgrl. StreikR); dens., in: EUDUR I
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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Für weitere einzelne Sachbereiche aus der aktuellen Diskussion, etwa für das in unserer sog. Informationsgesellschaft so bedeutende Internet, wird das jedenfalls neuerdings vielfach und unwidersprochen behauptet. 1867 Aber auch die Logik rechtlicher Regelung, auf die weiter unten noch näher einzugehen ist, verdeutlicht immerhin, dass rechtsfreie Räume nicht anzuerkennen sind. 1868 Jedenfalls ist in unserer Rechtsordnung der (Rechts-) Satz, dass alles erlaubt ist, was nicht verboten ist, allgemein anerkannt. 1869 Und § 11 Rn. 1, 22. Gg. einen "rechtsfreien Raum" im "rechtlich verfaßten Gemeinschaftswesen" d. EG a. EVDVR-Müller-Graff I § 10 Rn. 1 a.E. Am Bsp.d. Sports Streinz, SpuRt 1998, 2 Sp. 1, 96 Sp. 2. A.A. aber Schubert, S. 16. 1866 Vgl. nur Murswiek, z. B. in: Verantwortung, S. 65 f. m. Fn. 128 u.z.N.; dens, NVwZ 1986, 612 Sp. 1; Schwabe, bspw. in: Drittwirkung, S. 20 ff., 66; Probleme, S. 46 ff., 213, 223; AcP 185 (1985), 7; Der Staat 31 (1991), 285. A.A. aber Robbers, Sicherheit, S. 128, der allerd. an anderer Stelle im Verhältnis Priv. zueinander v. recht!. geordneten Lebensbereichen ausgeht (S. 202). Gg. einen rechtsfreien Raum auf dem Boden der sog. Ermächtigungslehre a. Schlink, OULR 39 (1992), 49 f. F. diese lassen sich i.Ü. einige Passagen in Entsch.d. BVerfG anführen, s. z.B. nur BVerfGE 53, 30, 69 ff. (abw.Mein. Simon/Heußner), 75, m.d.H.d., dass die atomrl. Genehmigung "den Betreiber zu Handlungen ermächtigt, die weit über dessen eigene Rechtssphäre hinauswirken können" (H.d.V.), sowie BVerfGE 52, 131, 171 ff. (abw.Mein. Hirsch/Niebler/Wand), 175: "Ein Gesetz, daß ärztliche Heileingriffe generell ohne Einwilligung des Betroffenen gestattete ... " (H.d.V.). Gg. "grundrechtsfreie[] Bezirke" bspw. J. Ipsen, StaatsR II Rn. 121: ders., JZ 1997, 478 Sp. 1. F. Öst. ebenso K. Korinek/Holoubek, S. 130 Fn. 385. Gg. "verfassungsfreie" u. "(verfassungs-)rechtsfreie[ ... ]" Räume a. i.H.a. "hochpolitische Akte der Staatsleitung" z. B. Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 413. Phil. betrachtet lässt sich ebenso sagen, dass es keinen "wertfreien" Raum gibt, s. Sprenger, in: Brugger, S. 244. 1867 S. etwa das Interview mit GBA Kay Nehm, "Ein riesiges Spielzeug", SPIEGEL Nr. 4611996, 104 Sp. 3; die Antw.v. Korn. Monti auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Valdivielso de Cue- P-1542/96, ABI. C 356 v. 25.11.1996, 55 f., 56; die Mitt.d. Korn. an Rat, EP, WSA u. AdR über "Illegale und schädigende Inhalte im Internet" v. 16.10.1996, KOM (96) 487 endg., S. 10, sowie aus der Lit. Simitis, in: Assmann u. a., Kübler-FrG, S. 296. Bsp. aus der dt. Rspr.: OLG Nümberg, MMR 1998, 535 ff. - Gekreuzigtes Schwein im Internet, m.zust.Anm. Bär, ebd., 537 f. Damit sollen Schwierigkeiten i.d. (tatsächl.) Rechtsdurchsetzung indes nicht verkannt werden (zu diesen vgl. nur Zuleeg, ZUM 1997,782 Sp. 1, m.w.N.). 1868 S.u., h). 1869 So ausdr. BVerfGE 84, 372, 380. S.a. Schwabe, z.B. in: Probleme, S. 213; Bock, S. 146; Adomeit, S. 42; Preu, JZ 1991, 267 ff.; Sass, S. 407; Kloepfer, in: Badura/Scholz, Lerche-FS, S. 766; Röhl, S. 196; J. Ipsen, StaatsR II Rn. 67 m.w.N. ber. aus der Zeit d. Konstitutionalismus, 167; dens., JZ 1997, 476, 480; Determann, NJW 1997, 650 m.w.N. (einschr. aber ders., S. 118, 139, 177, 185 ff. [192 ff.], 262); R. Wolf, KritV 1997, 300. Grundlegend bzw. wenigstens begriffsprägend Schmitt, S. 126. Vgl.a. noch Lübbe-Wolff, S. 169 ff., allerd. mit abw. Folgerungen. Allg. zum "rechtsstaatliehen Verteilungsprinzip" Schlink, EuGRZ 1984, 467 Sp. I; Isensee, Kriele-FS, S. 31 f.; Bethge, VVDStRL 57 (1998), 11, 13, 18, 23, 53 Ls. 1.3. F. das öst. VerfR s. nur Holoubek, DVBI. 1997, 1033 Sp. 1, m.w.N. Im gemrl. Kontext i.R. seiner Krit. an einer unmittelbaren Drittwirkung d. GFen a. Kluth, AöR 122 (1997), 569, 570, 581. Eine Umkehrung dieses Prinzips durch die
412 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
daraus folgt - nach den Gesetzen der Logik - an sich schon zwingend, dass bei Abwesenheit eines Verbotes eben keine bloße Nicht-Regelung i. S. einer Abwesenheit jeglicher rechtlicher Deterrninierung des fraglichen Bereichs vorliegt, sondern eine positive Regelung i. S. einer (zumindest schwachen) Erlaubnis. 1870 Schon deshalb ist der insbes. gegen Schwabe vorgebrachte Einwand unberechtigt, dass bei seiner Ablehnung "rechtsleerer Räume" letztlich offen bleibe, warum dem Einzelnen eine Duldungspflicht auferlegt werde. 1871 Der- festgestellten -Erlaubnis korrespondiert nämlich durchaus eine solche. Zwingend ist der soeben mitgeteilte logische Schluss nur dann nicht, wenn man darauf beharren sollte, dass es neben dem Verbotenen und Erlaubten als rechtlich geregeltem Bereich noch etwas Drittes, etwas Neutrales, nämlich den rechtlich (überhaupt) nicht geregelten Bereich bzw. Raum gibt. 1872 Eine solche Grundannahme wäre durch die Logik selbst nicht zu widerlegen. Sie ist aber aus anderen, noch näher zu beleuchtenden Gründen nicht ratsam.
Eindeutige, noch dazu schutzpflichtrelevante Äußerungen des BVeifG zu diesen Fragen über die bereits erwähnten Andeutungen hinaus fehlen zwar. Einer jüngeren, nicht schutzpflichtbezogenen Entscheidung lässt sich insoweit aber immerhin entnehmen, dass es kein Verbot gibt, einen Gegenstand staatlicher - und mithin auch (grund-) rechtlicher sowie gesetzlicher - Regelung zu unterwerfen. Selbst wenn dieser Gegenstand dem Staat nicht "gehört", hindert ihn dies nicht daran, seinen Gebrauch bestimmten Regelungen zu unterwerfen. 1873 Der Gesetzgeber daif also, um im Bild zu bleiben, den ganzen Acker umpflügen und dabei seine normative Aussaat ausbringen; er muss gerade nicht bestimmte Bereiche brach liegen lassen: Ein Regulierungsverbot besteht folglich nicht. Mit der Erkenntnis, dass es in unserer Rechtsordnung keine rechtsfreien Räume gibt und geben darf, wird indes (noch) 1874 nicht zum und im Streit um das sog. Lückenlosigkeitsdogma Stellung genommen. 1875 Ob das "posiÜberbetonung v. Sicherheitsaspekten ("Strafverfolgungsvorsorge") befürchtend Preuß, Merkur 43 (1989), 494. 1870 (Vielleicht) Nur terminolog. anders Adomeit, S. 44, der bei Zusammenstellung einer "Freistellung" u. einer "Erlaubnis" den "glücklichen Zustand des unnorrnierten (rechtsfreien) Verhaltens" erreicht haben will (H.d.V.). 1871 So aber Pietrzak, JuS 1994, 749 Fn. 21. 1872 So insbes. Schubert, S. 20 ff., m. w.N. 1873 S. BVerfGE 98, 218, 246 (Afz.i.O.), betr. die Annahme, dass die Sprache dem Volk "gehöre" u. unter Zurückweisung d. Behauptung, dass insow. ein Regelungsverbot bestehe. 1874 Zum Streit um das "Richterrecht" auf EG-Ebene s. aber u. Zweiter Teil, A.II.l.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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tive Recht" für jeden denkbaren Fall (schon) eine Regelung bereithält, die gleichsam nur "aufzufinden" ist (und sei es auch nur als sog. regulative Idee), 1876 oder ob unsere Rechtsordnung notwendig lückenhaft sein muss, weil positives Recht kontingentes Menschenwerk ist, bleibt nämlich einerlei: Auch bei Zugrundelegung letzterer Position gebietet dem Richter und ermächtigt ,diesen jedenfalls das Verbot der Rechtsverweigerung, 1877 auf alle ihm vorliegenden Rechtsfragen eine rechtliche Antwort zu finden. Eine Rechtsordnung muss in diesem Sinne lückenlos sein, damit sie ihrer Friedensfunktion genügen und damit Rechtsschutz gewährt werden kann. 1878 Mit der Abweisung einer Klage mangels positiv-rechtlicher, geschriebener oder im Wege der Auslegung bzw. gar Analogie gefundener Anspruchsgrundlage i. w. S. stellt ein Urteil den gestörten Rechtsfrieden normativ und idealiter auch faktisch wieder her. Der Richterspruch folgt aus der Rechtsordnung, die eben auch diesen Fall - Klageabweisung - umfasst sowie (mit-) regelt und (bereits) geregelt hat 1879 • Ein rechtsfreier Raum besteht insoweit gerade nicht. b) Erlaubnis bei Abwesenheit von Verboten
Unerheblich ist, wie man den Satz von der (rechtlichen) Erlaubnis bei Abwesenheit von Verboten letztlich begründet: Ob er zwingend aus der Erkenntnis folgt, dass Freiheit als Schutzgut der Grundrechte vom Staat nicht gewährt, sondern (nur) gewährleistet wird, dem Staat also vorgegeben und von ihm nur anzuerkennen ist, 1880 ist nicht entscheidend. Auch wenn man nämlich meinen sollte, dass Grundrechte übereinstimmend ein rechtliches Dürfen bezeichnen 1881 und insofern staatlicherseits gewährte Erlaubnisse beinhalten, gilt dieser Satz angesichts eines - zumindest im Deutschland des Grundgesetzes - lückenlosen Grundrechtsschutzes, vor dem sich jedwedes Verbot zu rechtfertigen hat. 1882 Auch danach hat der Einzelne also 1875
65.
S.d. Röhl, S. 57, 196, 302 f., 650 ff.; Schubert, S. 20 ff. (insbes. 22 f.), 63,
Vgl. Röhl, a.a.O., insbes. S. 196. Vgl. Röhl, S. 57, 571 ff. Zu diesem Verbot im gemrl. u. nat. (dt.) Kontext (Entwicklung allg. Rgrds. durch den EuGH u. durch die dt. VerwGer. vor lnkrafttreten d. VerwVerfGe) EUDUR-P. Szczekalla I § 11 Rn. 4, 55 ff., m. w. N. 1878 So deutl. Kadelbach, EuR Beih. 211998, 56. A.A. etwa Schubert, S. 22 f. 1879 Gerade insow. a. A. Schubert, S. 22: Vor der einschl. Entsch. sei die Rechtsordnung nicht vollständig. 1880 So etwa J. lpsen, StaatsR II Rn. 67; Diederichsen, AcP 198 (1998), 209. 188 1 Krit.d. J. /psen, StaatsR II Rn. 60 ff. 1882 Vgl. nur Bethge, DVBI. 1989, 843 f., m. w.N. Dazu, dass es keine "grundrechtsfreien Bezirke" gibt, vgl. nochmals J. lpsen, StaatsR II Rn. 121. F. Öst. K. Korinek/Holoubek, S. 130 Fn. 385. 1876 1877
414 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
nicht darzulegen, dass er zu einem Handeln berechtigt, befugt oder ermächtigt ist. 1883 Jedes Verhalten ist bei Abwesenheit von diesbezüglichen staatlichen Verboten rechtlich erlaubt und kann deshalb rechtlich weder vom Staat noch von privaten Dritten unterbunden werden. 1884 Darum handelt es sich bei dem Satz auch nicht etwa um eine bloße "politische Entscheidung", 1885 die genauso gut anders lauten könnte, nämlich: "Alles ist verboten, was nicht erlaubt ist". Er ist vielmehr aus grundrechtliehen Gründen geradezu geboten. c) Vorliegen einer entwickelten Rechtsordnung
Gegen die Existenz rechtsfreier Räume spricht jedenfalls in entwickelten Rechtsordnungen wie der deutschen 1886 - angesichts der Existenz allgemeiner Rechtsgrundsätze im Gemeinschaftsrecht sowie der Fülle an sekundärrechtlichen Vorschriften aber auch der europäischen - empirisch schon zunächst das bereits bestehende dichte Regelwerk. 1887 Insbesondere einfachgesetzliche Generalklauseln führen letztlich dazu, dass es kaum je einmal einen Fall gibt, der sich nicht ohne weiteres unter diese subsumieren lässt. Paradigmatisch ist insoweit die polizeiliche Generalklausel, die lange vor der Existenz "einfacher" Fachgesetze und - in im Einzelnen bestrittenem, hier aber nicht weiter zu thematisierendem Ausmaß 1888 - neben diesen auch heute noch in den einschlägigen Schutzpflicht-Fällen zur Anwendung gelangen kann. 1889 Im übrigen kommt es nicht einmal auf die Quantität der Regelungen an, sondern auf die Qualität der Rechtsordnung als solcher. Sie ist in der Lage, alle Fälle zu erfassen, und zwar nicht nur potenziell im Sinne einer Entwicklungsfähigkeit und -offenheit, sondern aktuell im Sinne eines status quo. 1890 1883 So aber der Einwand v. J. lpsen, StaatsR II Rn. 65, gg. die Imperativentheorie. Zur Krit. an dieser m.w.N. Diederichsen, AcP 198 (1998), 209 f. Zur Anwendung dieser auf das VertragsR s. aber Looschelders/Roth, JZ 1995, 1035 Sp. 2, 1037 Sp. 1. Zur letztl. Berechtigung d. Theorie gg. alle Anfeindungen vgl. Röhl, S. 191 ff., 226 ff., 250 ff., m.z.N. 1884 Zur rechtslog. Begr. dieser "schwachen Erlaubnisse" s. Griller, JBI. 1992, 208 ff.; Röhl, S. 196; Holoubek, DVBI. 1997, 1033 Sp. 1. Vgl.a. dens., JBI. 1992, 153 ff.; dens., in: Grabenwarter u.a., S. 71; dens., Gewährleistungspflichten, insbes. S. 251 ff., m.z.N. Abl.zul. etwa Canaris, PrivatR, S. 40 f., m.w.N. 18 85 So aber Schubert, S. 23. 1886 Zu den (damals) ber. bestehenden einfachgesl. u. anwendbaren Regelungen f. den Ber. Biotechnik u. Humangenetik s. nur die Aufzählung bei Hasso Hofmann, JZ 1986, 255 Sp. 1. 1887 V. einem zum. fakt. Verschwinden d. v. ihm gleichwohl anerkannten rechtsfreien Räume geht Schubert, S. 16, aus. 18 88 S.d. BVerwG, DÖV 1999, 911, 913 Sp. 2. 1889 Vgl.d.a. Röhl, S. 196.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
415
d) Materielle Irrelevanz der formellen Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsgebiet
Ein materieller Unterschied hinsichtlich der inhaltlichen Reichweite und der einschlägigen Grundrechtsfunktion kann durch die (bloß) formelle Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsgebiet, insbes. zum öffentlichen oder Zivilrecht, 1891 nicht entstehen. 1892 Das ergibt sich der Sache nach bereits aus der Darstellung der Rechtsprechung des BVeifG zu den verschiedenen normativen Schutzmitteln (insbes. primärer Schutz) 1893 und wird auch in der Literatur insoweit überzeugend und ohne greifbare Gegenargumente nachgewiesen. 1894 Der umfassende Grundrechtsschutz ist "rechtsformenneutra/".1895 Was den sekundären Schutz in Gestalt insbes. der gerichtlichen Durchsetzung anbelangt, ist ebenfalls anerkannt, dass etwa die Ziviljustiz (nur) eine andere "Abteilung" der öffentlichen Gewalt ist. 1896 Mitunter kann es erforderlich sein, bestimmte (Grund-) Rechtsgüter durch VorschrifA.A.offb. Schubert, S. 22 f. Gerade am Bsp.d. Schutzpflichten Schmidt-Aßmann, S. 59 f. Rn. 2/38 - allg. ebd., S. 248 f. Rn. 6/28 ff.; Feik, in: Grabenwarter/Thienel S. 208, jew.m. w.N. Allg. f. objektivrl. GRgehalte Dreier, Jura 1994, 510 Sp. I. Allg. zur bloß rechtstechn. Unterscheidung v. Privat- u. öffentl. Recht s. nur Manssen, S. 13, 54 ff., 196 f., 358 f., m.z.N. Insbes.f. die "allgemeine Wirtschaftsfreiheit" (a. im gemrl. Zushg.) Schubert, S. 41 ff., 369, 371 f. Ausf. zu!. die Beitr. in Hoffmann-Rieml Schmidt-Aßmann. 1892 Zur StrafRunspezifität strafrl. Verhaltensvorschr. s. Lagodny, S. 8, 87 ff., 137, 146. Zur Umwandlung privrl. in (a.) örl. Verhaltensvorschr. inf. kriminalstrafrl. Sanktionierung am Bsp.d. §§ 1360 ff., 1601 ff. BGB u. des § 170b StGB s. ebd., S. 295 f. 1893 S.o., A.V.4.a)aa)(2)(a)(aa). Zu!. zur "Verzahnung unterschiedlicher Rechtsgebiete im Schutzkonzept" BVerfGE 98, 265, 303. 1894 V. a. durch Schwabe, z. B. in: Drittwirkung, S. 26 ff.; ders., AöR 100 (1975), 442 m.Fn. 1; ders., Probleme, S. 84 f., 212 Fn. 7, 226 Fn. 38; ders., AcP 185 (1985), 1 ff.; ders., DVBI. 1990, 477 f. S.a. Griller, ZfV 1983, 8 f.; dens., JBI. 1992, 206 Sp. 1; Berka, S. 128 Rn. 223, sowie darüber hinaus - in hier nicht zu vertiefenden Nuancierungen- Canaris, AcP 184 (1984), 212; dens., JuS 1989, 162; Rüfner, in: Selmer/v. Münch, Martens-GS, S. 221; K. Korinek/Holoubek, S. 129, 132 m.Fn. 398, 145; Dreier, Jura 1994, 510; lsensee, Kriele-FS, S. 32. Vgl.a. Hager, JZ 1994, 375 Sp. 2, 378, 381; Hellermann, S. 93 ff., 204 ff.; Manssen, S. 13, 54 ff., 196 f., 358 f.; Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 208, jew.m. w.N. A.A. aber Medicus, AcP 192 (1992), 59 f., sowie Diederichsen, AcP 198 (1998), 225 ff. Krit.a. Badura, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 173 f. Aus rechtsphil. Sicht zur bloß "konventionellen" u. "pragmatischen", auf Tradition gestützten Unterscheidung einzelner Rechtsgebiete sowie in Gegenüberstellung zu seinem komplexeren Verständnis v. "law as integrity" Dworkin, Law's Empire, S. 250 ff. (251), 402 f. Zur Integrität s.a. Neyer, ZERP-DP 1199, 44 f., 50 ff. (aus politikwissl. u. auf supranat. Foren bezogener Sicht). 1895 So Griller, JBI. 1992, 206 Sp. I. 1896 So nrwOVG, NVwZ-RR 1996, 182, 183 Sp. 2, Afz.i.O. 1890 1891
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ten aus allen Hauptteilrechtsordnungen zu schützen, also durch Verwaltungs-, zivil- und strafrechtliche Normen. Das ist bspw. beim Schutz des Kommunikationsgeheimnisses nach der Privatisierung der Post der Fall gewesen.1897 Auch wenn man das Argument der "Einheit der Rechtsordnung" als die einzelnen Steuerungsziele von Rechtsnormen verschiedener Rechtsgebiete verdeckend zurückweisen sollte, 1898 folgt dennoch aus dem dringenden Bedürfnis jedenfalls nach "Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung'" 899 und einer (relativen) Harmonie aller Rechts gebiete, 1900 dass bei der schutzrechtlichen Beurteilung der normativen Lage traditionelle rechtsgebietsspezifische Denkbarrieren ohnehin nicht anzuerkennen sind. Die einzelnen Teilrechtsordnungen erweisen sich vielmehr bei näherem Hinsehen als "wechselseitige Auffangordnungen". 1901 Zudem ist angesichts der heute selbst innerhalb der einzelnen Teilrechtsordnungen zu konstatierenden "Parzellierung und Diversifizierung" jedenfalls für grundlegende Wertungen ein Rückgriff auf die Verfassung "als gemeinsames ,Rechtsdach"' letztlich unausweichlich.1902 Ferner sei bereits an dieser Stelle der Hinweis auf die europäische Rechtsordnung erlaubt, der bestimmte traditionelle Rechtsgebietseinteilungen der Mitgliedsstaaten ebenfalls (grundsätzlich) fremd sind. 1903 1897 Ausf.d. Th. Groß, JZ 1999, 329 ff. Aus öst. Sicht ganz ähnl. Wessely, ÖJZ 1999, insbes. 497. 1898 Krit. zu dieser Formel am Bsp.d. GRwirkungen im PrivatR P. Lerche, in: Badura/Scholz, Odersky-FS, S. 215 ff., m.z.N. Lerche operiert dann gleichwohl mit dieser Formel, die er inhaltl. m.d. "materiellen Verfassung" gleichsetzt (218 [H.i.O.], 231). Zur "Einheit und Widerspruchsfreiheit" als bloßem Ziel, nicht aber als Zustandsbeschreibung, Engel, S. 4 f. Ausf. Th. Schilling, S. 372 ff., 623 f.; Schuber!, S. 68 ff. Krit. Felix, pass. Aus rechtstheoret. Sicht Röhl, S. 458 ff. Zur GernPerspektive dieser "Argumentationsfigur" instruktiv Kadelbach, EuR Beih. 2/ 1998, 51 ff. 1899 Vgl.d.zul. etwa BVerfGE 98, 83, 97 - Unvereinbarkeit v. Landesabfallabgaben mit dem Kooperationsprinzip d. BlmSchG; 106, 118 ff. - Verpackungssteuer; 265, 301. S.a. Sodan, JZ 1999, 864 ff., m.z.N. 1900 I.d.S. am Bsp.d. Lebensschutzes Stümer, JZ 1998, 319 Sp. 2. 1901 Vgl.d. - f. das öffentl. u. das PrivatR - die Beitr. in Hoffinann-Riem/ Schmidt-Aßmann. Ausdr. .i.B.a. Schutzpflichten Schmidt-Aßmann, S. 59 f. Rn. 2/38 (allg. ebd., S. 248 f. Rn. 6128 ff., m. w.N.). Der Begr. geht zurück auf HoffinannRiem, DVBl. 1994, 1386 f. D.S.n. f. das öst. Recht a. Raschauer, ZfV 1999, 508 Sp. 2 (betr. §§ 364, 364a ABGB) - ausdr., wenn a. in Afz., 517 Sp. 2, 520, jew.a.E., der aber - aus (offb. empir. gewonnenen) Effektivitätsgründen - die verwrl. Lösung zu präferieren scheint (519). 1902 I. d. S. Dreier, S. 59. Ähnl., aber abgeschwächt ("rahmensetzende Leitsterne der Ausdifferenzierung des Rechtssystems") Schubert, S. 372. 1903 S.u., Zweiter Teil, B.VIII.l.a). Zur Berücksichtigung d. "Idee Europäischer Rechtseinheit" i.Z.m.d. "Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung" s. Sodan, JZ 1999, 864 ff. (insbes. 870 f.), der aber nicht auf best. Rechtsgebiete eingeht.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
417
Schließlich ist weiter - wenn auch häufig unausgesprochen - allgemein anerkannt, dass sich die (allgemeinen) Verhaltensnormen keinem (besonderen) Rechtsgebiet zuordnen lassen: 1904 Das (reine) Ge- oder Verbot ist rechtsgebietsunspezifisch. Nur seine Sanktionierung erfolgt in den - herkömmlichen - rechtsgebietsspezifischen Bahnen. Für die materielle Lösung von Konflikten Einzelner ist es deshalb völlig gleichgültig, ob diese als privat- oder öffentlichrechtlich (unter Einschluss des Strafrechts) eingeordnet werden. 1905 e) Verbleibende Rechtsunsicherheiten
Rechtsfreie Räume entstehen insbes. nicht dadurch, dass es mitunter viele rechtliche Unklarheiten und Unsicherheiten geben kann: Das Medium rechtlicher Regelung ist die Sprache, die selbst immer unvollkommen bleibt. Abgesehen davon bedarf es regelmäßig der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Selbst wenn die Vorgaben der Verfassung für "hochpolitische" und sensible Bereiche - insbes. auf dem Feld der Außenpolitik - in der Regel durch eine besondere Weitmaschigkeit gekennzeichnet sind, weil den zuständigen Organen regelmäßig ein erheblicher Entscheidungsspielraum zusteht, ändert dies nichts an der Verfassungsbindung aller Entscheidungsträger in jeder nur denkbaren Situation. 1906 f) Grenzen der Regelungsfähigkeit?
Ein rechtsfreier Raum könnte jedoch dann anzunehmen sein, wenn für bestimmte Fälle Grenzen der rechtlichen Regelungsfähigkeit anzuerkennen sein sollten. Solche Grenzen der Regelungsfähigkeit eines Lebensbereichs kann es aber nicht geben. 1907 Die mögliche gegenteilige Ansicht 1908 weicht 1904 S. nur Röhl, S. 222 f., sowie Schwabe, a. a. 0., u. Griller, insbes. Ztv 1983, 8 f., jew.m.Bsp. 19°5 So a. Berkemann, NuR 1998, 566 Sp. 1. 1906 Ebenso Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 413. 1907 Zu den - hier nicht gemeinten - "Innere[n] Grenzen des Rechtsstaats" s. Diederichsen, Der Staat 34 (1995), 34, 41 ff.: Diese ergäben sich aus der "Natur der Sache", also daraus, dass das Recht den Zeitablauf nicht ändern, niemandem ins Gehirn leuchten, Knappheiten nicht aufheben und Kommunikation nicht steuern könne (34). F. den Ber.d. Kinder- u. Jugendschutzes, der "wegen der Prozeßhaftigkeit von menschlicher Entwicklung einerseits und der darauf einwirkenden Erziehung andererseits besonders von Komplexität und Heterogenität gekennzeichnet" sei, vgl. Engels, AöR 122 (1997), 213, der zwar die Frage aufwirft, "ob das Recht einem solchen Problembereich überhaupt noch gerecht werden kann", diese aber Ietzt!. doch vem. F. die Regulierung gentechn. Forschung s. Gill/Bizer/Roller,
27 Szczekalla
418 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
von der (nur sog.) liberalen Grundannahme ab, dass alles das, was nicht gesetzlich 1909 verboten ist, erlaubt ist. 1910 Fehlt ein (einfachgesetzliches oder verfassungsrechtliches) Verbot, liegt keine Regelungslücke vor - das entsprechende Verhalten (Tun oder Unterlassen) ist vielmehr rechtlich erlaubt. 1911 Natürlich kann aus sachlichen Gründen eine bestimmte Regelung faktisch nicht möglich sein: 1912 Bspw. "[können] Ehen zerbrechen, ohne dass staatliche Gesetze sie zu erhalten oder wiederherzustellen vermögen". 1913 Doch entbindet dieser Umstand den Gesetzgeber nicht davon, etwa den nicht scheidungsbereiten Partner angemessen zu schützen, z. B. eine "Scheidung zur Unzeit" zu verhindern und ihm so eine Umstellung auf die veränderte Lage zu erleichtern. 1914 Daraus, dass sich Liebe aus tatsächlichen Gründen ebenso wenig erzwingen lässt 1915 wie eine unumstößliche LebensgemeinS. 71 ff., m. w.N. Zu Besonderheiten beim grl. Schutzgut d. Ehre Isensee, KrieleFS, S. 16 f., 39 ff. 1908 Vgl. z.B. BVerfGE 88, 203 ff. (abw.Mein. Mahrenholz/Sommer), 338. Ähnl. wohl P. Kirchhof, KAS-AI 08/97, 12, 23: "Wollte der Gesetzgeber jedes menschliche Verhalten . . . regeln, so würden Codices entstehen, die kein Mensch lesen und deshalb auch niemand vollständig beachten kann"; Grimm, in: ders. u. a., S. 11 f.: "Totalverrechtlichung ist weder wünschbar noch möglich" (11). Fragend am Bsp.d. Verrechtlichung v. Erziehungszielen etwa Bothe, VVDStRL 54 (1995), 25 f., m. w. N. ("Scheinsteuerung", 25), der aber letztl. doch v. einer - freil. die "Sachgesetzlichkeiten" d. Regelungsgegenstandes berücksichtigenden - Regelungspflicht ausgeht (26). Skept. i.H.a. "Vollzugs"-Probl. Dittmann, a. a. 0., 65 ff. (67). Vgl.a. den Disk.-Beitr. v. /sensee, ebd., 115 f. 1909 Mglw. a. veifassungsgesl. (s.d. Determann, S. 118, 139, 177, 185 ff. [192 ff.], 262), in jedem Fall in den Fällen d. "Übergangszeit"-Rspr. (s.o.u. A.V.l.a)cc), c)bb); B.II.2.b)dd)). 1910 S.d. nur Schwabe, z.B. in: Probleme, S. 213; Röhl, S. 196; Holoubek, DVBI. 1997, 1033 Sp. 1; dens., Gewährleistungspflichten, insbes. S. 251 ff., jew.m. w.N. 1911 Dazu, dass es a. bei neuen GRkonflikten inf. techn. Realisation immer nur das "rechtliche ,Dürfen'" gehe, "das stets zugleich ein solches von Straf-, Zivilund Standesrecht, vielfach auch des Verwaltungsrechts" sei, Götz, in: Heyde/Starck, S. 74. 1912 Es liegt als eine "innere Grenze des Rechtsstaats" aus der "Natur der Sache" vor, s.d. Diederichsen, Der Staat 34 (1995), 34, 41 ff. (41). 1913 BVerfGE 53, 224, 245. Ganz ähnl. irSC, [1995] ILRM 321 ff., 324 Ls. 6 (T.F./IRL, AG u. M.F.), per Hamitton CJ - Einjährige Trennungszeit, betr. ein bloßes "decree of judicial separation" nach dem Judicial Separation and Family Law Reform Act 1989 (No. 6)- s.d. Casey, ERPLIREDP 8 (1996), 427 f., m.w.N. 1914 BVerfGE 53, 224, 250 f.; 55, 134, 141 f. (u.H.a. die Möglichkeit einer Aussetzung d. Verf., 143 f.). 1915 I.Z.m.d. Regulierung v. Erziehungszielen ("Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft") /sensee, VVDStRL 54 (1995), 116: "Liebe aber ist eine Sache des Gemüts. Das Gemüt läßt sich nicht regulieren". Ganz ähnl. i.B.a. eitert. Liebe irSC, Entsch. v. 3.4.1998 - n.n.v. - Recht informell adoptierter Kinder auf Kenntnis ihrer biolog. Eltern, per Keane J, vgl. Irish Times v. 4.4.1998.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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schaft aus rechtlichen, 1916 folgt jedenfalls nicht, dass dieser Bereich als "rechtsfreier Raum" jeglicher rechtlicher Regelung unzugänglich wäre, 1917 auch wenn sich der Rechtsstaat hier an der Grenze seiner Möglichkeiten zeigt, weil sein Gegenstand (grundsätzlich) die Legalität, die Ordnung des äußeren Verhaltens ist. 1918 Aus rechtstheoretischen Überlegungen handelt es sich dabei ohnehin nicht um einen "rechtsfreien Raum": Auch ohne gesetzgeberische Aktivitäten in Richtung Verhinderung einer "Scheidung zur Unzeit" könnte bereits eine rechtliche Regelung vorliegen, und zwar i.S. einer Erlaubnis zur Scheidung eben zu diesem Zeitpunkt. 1919 Auch hier lässt sich die Existenz eines allgemeinen (Rechts-) Satzes des Inhalts, dass das, was der Staat nicht beherrschen könne, von ihm auch nicht geschützt werden könne, 1920 nicht feststellen. Im Hinblick auf die bereits erwähnte wachsende Bedeutung des Internets sind ferner Thesen eines eigenen, nichtstaatlichen "Rechts"-Raums unbegründet: Eine (staatliche) 1921 Regulierung der dort stattfindenden Informations- und Kommunikationsvorgänge ist durchaus möglich, auch wenn sie schwieriger sein mag und sich im "Wettbewerb der Rechtsordnungen" zu bewähren haben wird. 1922 Auch wenn der Wandel zur Informationsgesellschaft diffus sein mag und nicht als Ganzes rechtlich steuerbar sein sollte, so sind doch bereichsspezifische und möglicherweise auch experimentelle Regulierungen erforderlich, in welche die wissenschaftliche Beobachtung systematisch einzubeziehen ist. 1923 1916 Art. 6 I GG, verstanden i.S.e. Scheidungsfreih. zur Wiedererlangung d. Eheschließungsfreih.. 1917 So aber offb. Roellecke, NJW 1996, 3261 Sp. 2 ("Liebesleben und Stolz sind Spaltpilze, die der rechtlichen Regelung nicht zugänglich sind"), der damit die Wirksamkeit dt. u. eur. Antidiskriminierungsvorschr. vor dem Hintergrund us.-am. Erfahrungen bestreiten will. 1918 I. d. S. /sensee, a. a. 0. 1919 Die Wahl des Konjunktivs soll andeuten, dass es sich hier um eine Frage d. Verfassungsauslegung handelt, welcher hier - inhaltl. - nicht weiter nachgegangen werden soll. 1920 So aber Heintzen, S. 208. 1921 Mglw. aber eher eine solche auf überstaatl., v.a. supranat. Ebene (EG). 1922 So bspw. die Einschätzung Trute, VVDStRL 57 (1998), 244 ff., 271 Ls. B.III.15. Dort (Ls. B.III.16) - a. zum "gewisse[n] Funktionsverlust des Nationalstaats" inf.d. "territorial entgrenzte[n] Kommunikationsinfrastrukturen" (s.a. ebd., 266 ff., 273 Ls. E.29: "Entgegen der visionären Vorstellungen vom Absterben des Staates in den Netzen der Informationsgesellschaft bleibt der Aufgabenkatalog des Staates erheblich. Die Mittel der Erfüllung wandeln sich und es bedarf einer Neubalancierung des Verhältnisses von staatlicher und gesellschaftlicher Verantwortung"). Vgl.a. Similis, Kübler-FrG, S. 296 ff. Eher skept. Th. Groß, JZ 1999, 334 Sp. 1. 1923 I.d.S. etwa Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 216 f.; Ladeur, Constitutional Law, S. 30; Trute, VVDStRL 57 (1998), 268, 273 Ls. E.30; Th. Groß, JZ 1999,
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Schließlich ist es zutreffend, dass der Gesetzgeber sich nicht durch Misserfolge im Tatsächlichen vom Erlass bestimmter rechtlicher Regelungen abhalten lassen darf: Ihm kommt insoweit gerade kein "Recht zur Resignation" zu. 1924 g) Keine grundrechtliehen Lücken
Im übrigen bedeutet das "Fehlen" eines Gesetzes, d.h. einer gesetzlichen Regelung mit einem ganz bestimmten Inhalt, also eine "Gesetzeslücke", nicht notwendigerweise, dass auch eine "Lücke rechtlicher Regelung" in genau dieser Hinsicht besteht: Angesichts der "verfassungsrechtlichen Lage", vor allem in Bezug auf grundrechtliche Gewährleistungen, kann nämlich eine - von Verwaltung oder Gerichten ohne Dazwischentreten des Gesetzgebers (Gesetzesmediatisierung) zu beachtende - Verpflichtung genau zu einem solchen Verhalten bestehen, wie es die - (noch) nicht vorhandene - gesetzliche Regelung vorschreiben könnte. 1925 In einem solchen, gewiss seltenen Fall besteht zwar keine einfachgesetzliche, aber eine verfassungsrechtliche (grundrechtliche) Regelung. 1926 h) Die "Gesetze der Logik"- das sog. logische bzw. deontische (oder: Normen-) Quadrat als Hilfsmittel
aa) Erste Vorbemerkung: Notwendige Beschränkungen Hilfreich ist in diesem Zusammenhang - der Frage nach der Berechtigung des Mythos vom rechtsfreien Raum - schließlich eine nähere Betrachtung der bereits erwähnten "Gesetze der Logik". Das soll hier zum einen unter Beschränkung auf das sog. logische bzw. deontische (oder: Normen-) Quadrat 1921 geschehen. 1928 Die Beschränkung auf dieses Quadrat ist natür334 f. F. das "normale" RundfunkR s. etwa sächsVfGH, NVwZ-RR 1998, 345, 349 Sp. 2. F. das PolizeiR ders., LKV 1996, 273, 282 Sp. 2. F. das ImmissionsschutzR hessVGH, ZUR 1998, 251, 255 - a.insow.best.d. BVerwG, DÖV 1999, 911, 914. Zur "Erprobungspflicht" s.a. Pietrzak, JuS 1994, 748, 752 f., m. w.N. Zur "[e]xperimentelle[n] Gesetzgebung" (a.) im Schutzpflicht-Kontext vgl. noch Hoffmann-Riem, Thieme-FS, S. 55 ff. (insbes. 64 ff.), m.z.N. 1924 So deutl. BVerfGE 39, 1, 66. 1925 Vgl. nur BVerfGE 49, 286, 303. 1926 S. a. Robbers, Sicherheit, S. 202. Eine "Lückenhaftigkeit des Grundrechtssystems" annehmend aber Diederichsen, Rangverhältnisse, S. 77 ff. (78, 81, 84, 96). 1927 S.d. die Grafik im Anh. 1928 Vgl.d. nur- mit jew. etwas unterschied!. Terminologie - Herberger/Simon, S. 179 ff.; Ale.xy, Theorie, S. 182 ff.; Adomeit, S. 41 ff.; Griller, JBl. 1992, 208 ff. (insbes. 209); Röhl, S. 192 ff. (193); dens., JA 1999, 602; Schubert, S. 20 ff. Zu
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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lieh anfechtbar, entspricht aber dem "Grundsatz der analytischen Sparsamkeit''.1929 Mit möglichst wenig Aufwand an Formeln und Ähnlichem sollen schwierige Zusammenhänge einer jeden Rechtsordnung anschaulich gemacht werden. 1930 Mit den Mitteln der Logik soll gezeigt werden, dass jedes private Verhalten durch (mindestens) eine gesetzliche Vorschrift geregelt ist und dass bereits diese gesetzliche Vorschrift und nicht erst das darauf gestützte Verhalten bei Beeinträchtigung eines grundrechtliehen Schutzbereichs einen Eingriff in das Grundrecht als Abwehrrecht darstellt.1931 Eine weitere Beschränkung kommt hinzu: Zur Darstellung der Rechtsordnung reicht es im grundrechtliehen Verdeutlichungszusammenhang völlig aus, außenwirksame Verhaltensnormen bzw. vollständige Rechtssätze einzubeziehen. Außer Acht gelassen werden Ermächtigungs- 1932 und Organisationsnormen sowie Definitions- u. a. Hilfsnormen bzw. unvollständige Rechtssätze.1933 Ob diese sich letztlich nicht immer auch in das Normenquadrat integrieren lassen 1934 bzw. tatsächlich nur Hilfsnormen ohne eigenständige Bedeutung darstellen, braucht hier nicht näher untersucht zu werden. bb) Zweite Vorbemerkung: Grenzen der Logik Die Heranziehung der Logik hat natürlich auch ihre Grenzen. Sie kann nämlich immer nur als Hilfsmittel 1935 dienen. Als solche ist sie nur in der Lage, die Zusammenhänge zu verdeutlichen, nicht aber neue Aussagen aus sich selbst heraus hervorzubringen, welche nicht schon vorher - etwa durch implizite oder gar explizite Annahmen - in sie hineingelesen worden hier nicht weiter zu vertiefenden Probl. Holländer/Knapp, ARSP 77 (1991), 396 ff. Allg. zu Logik u. Rechtswiss. Ratschow, Logik, S. 14 ff. 1929 Zu diesem, wenn a. in anderem Zushg., Alexy, Log. Analyse, S. 34, 36 Fn. 67, 39. Auf die log. Struktur d. GRnormen selbst soll schon desh. nicht eingegangen werden, vgl.d.ausf. etwa Berkemann, Rechtstheorie 20 (1989), 451 ff. 1930 Die gleiche (Selbst-) Beschränkung vornehmend Griller, JBl. 1992, 208 f. 193 1 Vgl. Griller, JBl. 1992, 208 Sp. 1, 217. 1932 Gemeint sind Rechtssätze, die Ermächtigungen enthalten. Dies stellt - anders als der Gebrauch d. Ausdrucks "Ermächtigungsgrundlage" im nicht rechtstheoret. Zushg. - keine Tautologie dar. 19 33 S.d. Adomeit, S. 48 ff. bzw. Röhl, S. 228 ff. 1934 Dazu, dass ermächtigte Akte a. erlaubt sind, s. etwa Griller, JBl. 1992, 209 Fn. 24 m. w. N., 210 Fn. 32, der Ermächtigungen weitergehend als "besondere Erlaubnisse" i. S. v. "Erlauben menschlichen Verhaltens, dessen Sinn die Erzeugung von Geboten, Verboten, Erlaubnissen oder Freistellungen ist, verbunden mit der Zuerkennung von rechtlicher Verbindlichkeit der so erzeugten Regeln", (Fn. 24, Afz.i.O.) begreift. 1935 Das log. Quadrat insow. ausdr. als ("memotechnisches") "Hilfsmittel" bez. Holländer/Knapp, ARSP 77 (1991), 397, 407.
422 l. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
sind. 1936 Allgemein gilt ohnehin, dass logische Aussagen zwischen Normen zwar möglich sind, dass sie aber den Regelungsgehalt von Rechten selbst nicht erweitern können. 1937 Im Wesentlichen ging und geht es bei der hier zu behandelnden Frage nach der Existenz eines rechtsfreien Raumes darum, darzulegen, dass die Annahme einer geschlossenen Rechtsordnung heute nicht mehr ernsthaft bestritten werden kann, m. a. W. dass wir auf die Leistungsfähigkeit einer (oder - bei Einschluss des Gemeinschaftsrechts als eigenständiger Rechtsordnung - mehrerer) Rechtsordnung(en) ohne rechtsfreie Räume angewiesen sind. Diese Annahme lässt sich dann mittels logischer Darstellungen zumindest sehr gut verdeutlichen. 1938 Wenn aber schon die Grundannahmen nicht stimmen, kann die Logik auch nichts mehr ausrichten. Im Gegenteil besteht dann sogar die Gefahr reichlich abstruser Ergebnisse und Gegenüberstellungen.1939 Andererseits sind manche politische und verfassungsgerichtlich sanktionierte Entscheidungen des Gesetzgebers jedenfalls im alltäglichen Sprachgebrauch "unlogisch": Warum der (straf-) rechtliche Schutz des un1936 Allg. zu diesen u. anderen Fragen "juristischer" Logik - a. u. gerade im Ber.d. MRe - s. die Beitr. auf dem IVR Weltkongress 1983 in Helsinki, in: Amaud u.a., Rechtstheorie Beih. 8. Vgl.a. - jew. am Bsp. log. Analyse jur. Begriffe als Bestandteil d. Dogm. u. in Krit. a.d. sog. Begriffsjurisprudenz - Alexy, Argumentation, S. 311, sowie Schubert, S. 65, 352 f. 1937 S. Schuber!, S. 353 f. m. w. N. 1938 Allg. zu den Probl.d. Logik im Recht Adomeit, S. 33 ff., der i.Ü. i.d.Z. gleichwohl v.d. Existenz - "glücklicherweise" - rechtsfreier Räume ausgeht (ebd., 41). 1939 Bsp.: Diederichsen, Jura 1997, 57 f., der VerfR u. bürgerl. R als "disparate Rechts gebiete" begreift u. f. den dies "logisch ... ungleichartig, unvereinbar" bedeutet (wie die Begr. "gut und gelb, die Zahl sieben und der Begriff Wasser", 58 Sp. I, H.i.O.). Unterschlagen wird in diesem Aufs. v.a. die GRbindung jedf. a. d. ZivRGgebers aus Art. 1 111 GG, die nicht erst mit der Wertordnungsjud. d. BVerfG, mit dem Datum d. LüthU (E 7, 198) einsetzte, sondern ber. mit dem Inkrafttreten d. GG! Im Wes!. geht es Diederichsen aber a. nur darum, sich verfrl. Anmaßungen zu erwehren, die er z. B. in der heute angenommenen, (bloßen) Umsetzung grl. Schutzpflichten durch das zivile DeliktsR erblickt (60 f. Fn. 29: "Angesichts einer Jahrtausende alten zivilrechtliehen Tradition ... merkwürdig anmaßend", H.i.O. - ähnl. Windel, Der Staat 37 [1998] 387, 389, 406 f.). S.a. dens., in: Starck, Rangordnung, S. 43 ff., 78, 82, 94, wo auf Art. I II1 GG immerhin eingegangen wird (46 ff., 66 Fn. 147), wenn a. i. unzutr. - Z.m. einer angebl. "Grundwerteordnung". Bei der Bindung a. d. PrivatRgesetzgebers geht es um eine ganz normale GRbindung, u. (noch) nicht um Werte. D.S.n. gg. Diederichsen am Bsp.d. it. "Verfassungsprivatrechts" a. Mengoni, in: Diederichsen u. a., S. 34, sowie - aus öst. Sicht - Griller, ZfV 1983, 11 Sp. 2; K. Korinek/Holoubek, S. 127 ff. Ausdr. gg. Diederichsen Schefold, in: Diederichsen u. a., S. 52 ff. (53, 54), m. w.N.; Canaris, PrivatR, S. 11 ff., 51 ff. (Selbst) Etwas abgeschwächt nunmehr Diederichsen, AcP 198 (1998), 199 ff., 210 ff. (anders wieder ebd., 226 ff., wo die GRbindung d. PrivatRgesetzgebers wieder abgelehnt wird [insbes. 229, 231]).
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
423
geborenen Lebens erst ab dem vierten Lebensmonat des Fötus beginnen soll, lässt sich letztlich nicht rational erklären und beruht auf einer reichlich willkürlichen Setzung. Dies schmälert den Wert der Logik auf abstrakter, von einzelnen mehr oder weniger kontingenten einfachen Gesetzen losgelöster Ebene aber nicht. cc) Ausschließlichkeit von Verbot und Erlaubnis Aus dem im Anhang abgedruckten und dort - näher - erläuterten Normenquadrat ergibt sich, dass jedes beliebige menschliche Verhalten nur entweder verboten oder erlaubt sein kann -ein Drittes gibt es nicht. 1940 Wenn etwas erlaubt ist, kann es zugleich auch geboten sein. Aus alldem folgt, dass jedes menschliche Verhalten (im raum-zeitlichen Anwendungsbereich einer gegebenen Rechtsordnung) als durch Rechtsvorschriften geregelt gedacht werden muss. 1941
Im Extremfall kann es möglich sein, dass eine bestimmte Verhaltensweise von überhaupt keiner ausdrücklichen Vorschrift erfasst wird: Das ist etwa beim Betrachten der Sterne 1942 oder bei der Einladung zum (Abend-) Essen 1943 oder beim Schreiben eines (Liebes-) Briefes 1944 der Fall. 1945 Daraus folgt indes nicht, dass dieses Verhalten im rechtsfreien Raum stattfände. Es ist vielmehr (schwach) 1946 erlaubt. Je weiter entwickelt 1947 eine Rechtsordnung ist, desto seltener werden ausdrückliche Vorschriften fehlen. Konkrete gesetzliche "Ausübungsbedingungen" des Verhaltens wird es ohnehin immer geben: So ist das Schreiben eines letztlich beleidigenden "Liebes"-Briefes ohne weiteres verboten. Im übrigen erklärt sich das Normenquadrat von selbst. Weitere, grundsätzliche Ausführungen sind an dieser Stelle also entbehrlich. 1940 S. Griller, JBl. 1992, 209 Sp. 1. A.A.offb. Canaris, AcP 184 (1984), 230, der ein nur unverbotenes, aber dadurch recht!. noch nicht erlaubtes Verhalten anzuerkennen scheint. Zutr. dagg. Schwabe, AcP 185 (1985), 7. Zum Probl. s.a. noch Griller, ZfV 1983, 5 m.Fn. 30; 110 m.Fn. 79. 1941 Vgl. Griller, JBl. 1992, 209 Sp. 1, m.w.N. Zur These d. "Staatsabgeleitetheit privater Rechtsetzung" s.ber. dens., ZfV 1983, 4 ff. 1942 Bsp. nach Griller, JBl. 1992, 209 Sp. 2. S.d.ber. dens., ZfV 1983, 110 m.Fn. 79. 1943 Bsp. bei Alexy, Theorie, S. 417. 1944 Bsp. bei Adomeit, S. 41. 1945 Weitere Bsp. "[t]agtäg1iche[r] Verha1tensaltemativen, die in einer Sphäre liegen, in denen das Individuum ohne Rücksicht auf die Gesellschaft handeln kann", bei Schubert, S. 23 (Bücher lesen, zu Hause essen). 1946 (Hier:) Im konstruktiven Sinne! 1947 (Hier:) Nicht im qualitativen, sondern im quantitativen Sinne! Offb. v.d. Quantität auf die Qualität (fehl-) schließend Schubert, S. 22 f.
424 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
dd) Gesetzliche Erlaubnisse und grundrechtliche Eingriffsverbote Das logische Quadrat hilft bei der Plausibilisierung der abwehrrechtlichen Lösung sogar noch weiter als bloß die Behauptung der Existenz eines rechtsfreien Raumes zurückzuweisen: Wenn Grundrechte (primär) Eingriffsverbote enthalten, solchen Verboten aber Eingriffe erlaubende Vorschriften (Eingriffserlaubnisse) widersprechen, dann folgt daraus zwanglos die Möglichkeit, in diesen Vorschriften Grundrechtseingriffe zu sehen. 1948 Grundrechtseingriffe liegen dann nicht nur in solchen Normen, die Schutzgutsbeeinträchtigungen gebieten, 1949 oder in Verhaltensweisen, die solche Beeinträchtigungen faktisch bewirken, sondern auch in jeder Vorschrift, die solche Beeinträchtigungen "nur" erlaubt. 1950 ee) Zwischenergebnis Lässt man sich mithin auf eine Heranziehung der "Gesetze" der Logik ein, so lässt sich mit ihnen sehr anschaulich verdeutlichen, dass es keine rechtsfreien Räume geben kann, dass jedes Verhalten rechtlich geregelt ist. Weiter wird klar, dass jede Erlaubnisnorm einen - potenziellen 1951 Grundrechtseingriff enthält. Mit dieser nunmehr auch normlogischen Erhärtung der abwehrrechtlichen Lösung mag es an dieser Stelle sein Bewenden haben. 6. Abgrenzung von Staatszwecken und -zielen
Ein Neuansatz ist schließlich deshalb erforderlich, weil die Vermengung von grundrechtliehen Schutzpflichten und Staatszwecken 1952 nicht nur in den bereits entschiedenen Einzelfallen gefährlich ist, weil damit die (verbale) Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs tendenziell erleichtert wird, 1953 sondern zum Teil auch auf Annahmen beruht, die inhaltlich ein Vgl. Griller, JBI. 1992, 210 Sp. 2, 217; 291 f. Etwa i. S. d. sog. klass. Eingriffsbegr., den es i.Ü. in dieser Form i.d. Praxis nie gegeben hat, vgl. W. Roth, S. 7 ff. (29 ff.). 1950 S. Griller, JBI. 1992, 210 Sp. 2, 217; 299 f. 1951 Ob tatsächl. ein Eingriff vorliegt, hängt v.d. Einschlägigkeit eines grl. Schutzher. sowie davon ab, ob man Bagatellgrenzen o.ä. annehmen will (s.d.d.N.o.u. B.II.2.b)aa)). 1952 S. nur Ress, VVDStRL 48 (1990), 90; K. Stern, HStR V § 109 Rn. 59; Badura, StaatsR C Rn. 22 (S. 98), demzufolge die Schutzpflichten "in der Wurzel nur eine besondere - aber eben die grundrechtliche Freiheit tangierende - Erscheinungsform der ... Staatsaufgaben" seien. 1953 Bsp. aus jüngerer Zeit: bayVerfGH, NVwZ-RR 1998, 273 ff. Ebenso die Krit. v. Bull, CR 1998, 388 f. ("Sicherheit der Bevölkerung als Verfassungswert"), sowie 1948 1949
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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jedenfalls historisch unzutreffendes Bild von Staatszwecken und ihrer Entwicklung vermitteln. 1954 Darüber hinaus schwächt der Rekurs auf Staatszwecke, die nach allgemeiner Ansicht lediglich objektivrechtliche Normen sind, jedenfalls tendenziell und potenziell das subjektive Recht auf Schutz, welches auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren eingefordert werden kann und nicht als bloß objektiver Rechtssatz nur der Durchsetzung in einem Normenkontrollverfahren zugänglich ist. 1955 Besonders problematisch wird der Einsatz "allgemeine[r] sozialstaatliche[r] Schutz- und Leistungspflichten" z.B. bei den Grundrechten aus Art. 6 /, IV, 3 // und 12 GG, 1956 soweit mit diesen eine mindere Bindungsintensität oder eine fehlende subjektivrechtliche Bewehrung verbunden sein sollte. 1957 Kein Grund für eine vorrangige Heranziehung von Staatszwecken zur Ableitung von BayVBl. 1995, 143, 144. Ähnl. J. lpsen, StaatsR II Rn. 84; Denninger, IZ 1996, 587 Sp. 2, an. Zum "Mißbrauch" d. "Staatszwecks Sicherheit" vgl. schließ!. Sommermann, S. 203 f., demzufolge indes das GrundR in seiner "objektiv-rechtlichen Dimension" mit "seinem Staatszielgehalt identisch" sein soll (S. 484 Nr. 11), so dass seine Warnung ganz allg. gilt. 1954 Das gilt insbes. f. die "Schutz für Gehorsam"-Formel (s.d.o., A.IV.2.a)). Das BVerfG kann sich bei seiner Konstruktion d. gegens. Bedingtheit v. Schutzanspr. u. Wehrpflicht d. Bürgers (s. v.a. BVerfGE 48, 127, 161; 69, 1, 22) schwer!. auf den "Urvater" der Sicherheitsphilosophie, Thomas Hobbes, berufen, tut dies zugegebenermaßen allerd. a. nicht ausdr., sondern weicht statt dessen auf den ebf. zweifelhaften Begründungsstrang d. dem. Traditionen seit der Frz. Revolution aus (vgl. nur BVerfGE 69, 1, 22). Dessen Leviathan lässt sich vielmehr entnehmen, dass die Feigheit (!) die Haupttugend des Bürgers ist (vgl. M. Szczekalla, Der Staat 36 [1997], 237 ff.- zust. /sensee, IZ 1999, 271 Sp. 1). Zwar ist "the end of obedience ... protection", aber gleichwohl ist "no man bound ... either to kill hirnself or any other man" (s. Hobbes, Leviathan, Kap. 21, S. 195, u.H.a. die Möglichkeit des Freikaufens sowie die "natürliche[] Furchtsamkeit"; s.a. dens., Vom Bürger, Kap. 2 Abschn. 18, S. 94: "Da nun niemand an Unm~~;liches gebunden ist, so sind die, denen der Tod (welches das größte natürliche Ubel ist) oder Verwundungen oder andere Körperverletzungen drohen und die zu ihrer Ertragung nicht stark genug sind, auch nicht verpflichtet, sie zu ertragen"). Das bedeutet das Verbot d. Einberufung od. jeder anderen Form v. militär. Dienstzwang, vorausgesetzt, es besteht keine unmittelbare Gefahr f. das "Commonwealth", was in allg. Friedenszeiten nicht der Fall ist. Dem folgt das BVerfG jedf. insow., als es a. eine Freiwilligenarmee zulässt. Der Sold dieser Freiwilligen beruht im Hobbesschen Gedankensystem dann auf einem weiteren Vertrag u. ist insow. unbedenkl. (s. Hobbes, Leviathan, 21. Kap., S. 195). Iedf. besteht kein Synallagma zw. Wehrpflicht u. Schutzanspr.! S. zum Ganzen aus a. biograph. Perspektive Münkler, S. 217, m.d.F., dass es nur konsequent sei, "wenn der Hobbesschen Theorie zufolge niemand verpflichtet ist, für die Verteidigung des Staates, in dem er lebt, im Rahmen von Kriegshandlungen sein Leben zu riskieren". Krit. zum Hobbesschen Traditionsarg. jüngst Deiseroth, NI 1999, 636 Sp. 2, in seinem Bespr.-Aufs. zu LG Potsdam, NI 1999, 660 L- Verfassungswidrigkeit d. Wehrpflicht (VorlageB ). 1955 Vgl.d.a. Link, VVDStRL 48 (1990), 11 m.w.N.; Merten, S. 17 f. Zur insow. beschränkten Richtermacht s. Denninger, in: Assmann u. a., Kübler-FrG, S. 85 f. 1956 S.d. etwa Bieback, KJ 1998, 172 (ff.), m. w.N.
426 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Schutzpflichten ist jedenfalls in dem Hinweis zu erblicken, dass dadurch die Grundrechte "in ihrer Begründungsfunktion" entlastet werden würden. 1958 Einer solchen Entlastung bedarf es nämlich gar nicht, weil sich Schutzpflichten nahezu zwanglos aus den in den Grundrechtsnormen enthaltenen Schutzgütern ergeben. Der Rekurs auf Staatszwecke führt vielmehr zu einer - vermeidbaren - Belastung, indem er diesen Zusammenhang verunklart. Denn alle Staatszwecke, -ziele bzw. -aufgaben lassen sich letztlich auf die Grundrechte zurückführen: "zugespitzt" handelt es sich dabei immer um (schutzbereichs-) "differenzierte Grundrechtsaufgaben im Grundrechtsstaat".1959 So gesehen erscheint der Rekurs auf Staatszwecke bzw. -aufgaben als in der Tat vermeidbarer und noch dazu gefährlicher Umweg. Deshalb wird hier auch nicht der - verfassungspolitischen - Forderung nähergetreten, offen (weitere) Staatsziele zu positivieren, anstatt solche "clandestin[ ... ]" aus Schutzpflichten abzuleiten. 1960 Abgesehen davon, dass die Ableitung von Schutzpflichten aus Grundrechten durchaus nicht heimlich, sondern im offenen (Verfassungs-) Diskurs erfolgt, es sich bei diesen Ableitungen auch nicht um Staatsziele, sondern um (zugeordnete) Grundrechtsnormen handelt, ist irgendein Mehrwert der (weiteren) StaatszielPositivierung kaum erkennbar. Die Schaffung von Staatszielen mag zwar vielleicht - zu einem Mehr an objektiver Rechtssicherheit führen, beseitigt aber nicht die naturgemäß und unvermeidlicherweise auch weiter mit gewissen Rechtsunsicherheiten belastete Auslegung subjektiver Grundrechte. II. Irrelevanz wegen Ergebnisäquivalenz Irrelevanz der Ergebnisäquivalenz: Rationalitätsschub durch gutes grundrechtliches Argumentieren Ziel dieser Untersuchung ist es nicht unbedingt, zu anderen Ergebnissen bei der Lösung eines (aktuellen) Grundrechtsfalles zu gelangen. 1961 Das 1957 Vgl. Bieback, KJ 1998, 173, demzufolge solche Schutzpflichten "nicht über ,Appellentscheidung' hinaus[gehen]", der aber immerhin aus Art. 3 I GG i. V.m.d. Schutzpflicht ein "individuelles subjektives Recht auf Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürftigkeit" folgern will (173 f.). 1958 So aber Ress, VVDStRL 48 (1990), 90. S.a. ebd., 75 Fn. 83. 1959 So Häberle, VVDStRL 48 (1990), 129. Ähnl. Bethge, DVBI. 1989, 842 Sp. 1 ("vomehmliche Grundrechtsausrichtung der Staatszwecke"). 1960 I. d. S. aber Denninger, S. 22. 1961 Gut verdeutl. lässt sich dies an den Anm. u. Bepr.-Aufs. zu BVerfGE 81, 242 ff.: S.d. aus abwehrrl. Perspektive etwa Schwabe, DVBI. 1990, 480, der den Fall ([nur] i.E.) f. "vertretbar" gelöst hält, sowie Griller, JBI. 1992, 208; 290 f. (sowohl zur Konstruktion als a. zum Ergebnis teils zust., teils abl.). Im Wesl. zust. Canaris, AP 1990 H. 7-12 Art. 12 GG Nr. 65, BI. 458 ff., der hier ebf. v. einem Eingriff ausgeht. Aus schutzrl. Perspektive zust. etwa Hermes, NJW 1990, 1764 ff.; Wiedemann, JZ 1990, 695 ff.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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könnte zu dem Vorwurf führen, dass der hier zu erarbeitende Ansatz wegen Ergebnisäquivalenz 1962 irrelevant und eigentlich überflüssig sei. 1963 Das ist - wie bei der Diskussion um die (un-) mittelbare Drittwirkung, deren Konstruktion auch heute noch trotz festgestellter Ergebnisäquivalenz 1964 mit unverminderter Intensität fortgesetzt wird - indes nicht der Fall. Vielmehr ist die Ergebnisäquivalenz ihrerseits irrelevant: 1965 1. Gutes grundrechtliches Argumentieren und die Leistungskraft
des abwehrrechtlichen Prüfungsschemas
Da Grundrechtsfälle wegen des Anrufungscharakters 1966 der in den zwingend1967 sprachlich defizitären oder bewusst abstrakt-prinzipiellen, 1968 in 1962 Vgl. bspw. Dirnberg er, S. 96 f.; Haverkate, S. 217 f.; Th. Schilling, S. 502 f. (f. die Konstruktion d. Bindung d. PrivatRgesetzgebers an die GRe), 518, 520 f. (f. die Drittwirkungsdebatte); Schwabe, AöR 100 (1975), 470; dens., Grundkurs, S. 110; Griller, JBI. 1992, 211 (spez. f. die "Drittwirkung" s.a. dens., ZfV 1983, 109 ff. [111 f.]); Detennann, S. 121; Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 35; Berka, S. 60 Rn. 101. A.A. etwa Pietzcker, Dürig-FS, S. 360; König, S. 210, 214 m.Fn. 778 (widersprüchl. aber ebd., 216, wo v. fließenden Übergängen u. allg. Abwägungsvorbeha1ten die Rede ist, u. 220, 223, wo - u. a. - der Prinzipiencharakter d. GRe zur Begr. v. Schutzansprüchen herangezogen wird); Möstl, DÖV 1998, 1035 Sp. 1 ("teilweise fragwürdige[ ... ] Ergebnisse[ ... ]"); Canaris, PrivatR, S. 43 ff. (schwächere Wirkung d. Schutzfunktion) - vorsichtig dagg. ("fraglich") - Medicus, AcP 192 (1992), 70 m.Fn. 19 a.E., jew. i.Z.m.d. Kontrolldichte. 1963 I. d. S. wohl Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 207 ("Letztlich ist es auch gleichgültig, ob man die sogenannten ,staatlichen Schutzpflichten' aus der Abwehrfunktion der Grundrechte oder aus den grundrechtliehen Gewährleistungspflichten ableitet ... "), 219. Bezweifelt wird das indes v. Lagodny, S. 254 f. Fn. 7: V.d. Herleitung d. Schutzpflichten - aus der objektivrechtl. od. der Abwehrfunktion - könne etwa die Frage eines Vorranges staatl. Schutzes vor Ansprüchen auf finanzielle Leistung od. die Einklagbarkeit v. schutzrl. Positionen beeinflusst werden. Das ist indes nicht der Fall, wie oben eingehend nachgewiesen worden ist. 1964 S. nur Dreier-Dreier Vorb. Rn. 61 m. w.N. 1965 Zu den Funktionen "allgemein grundrechtsdogmatischen Argumentationsfiguren", denen als solchen "keine inhaltlichen Antworten auf konkrete Fallkonstellationen zu entnehmen" seien, Holoubek, DVBI. 1997, 1037, m.w.N. 1966 Vgl.d. v.a. Dworkin, Bürgerrechte emstgenommen, S. 229 f. = Taking Rights Seriously, S. 135 f.: ",vage' Verfassungsklauseln" als "Anrufungen [moral.] Begriffe" ("appeals to the concepts") i.G.z. "Konzeptionen" ("conceptions"). S. a. dens., Life's Dominion, S. 111: "The Constitution is a statement of abstract moral ideals that each generation must reinterpret for itself' (ähnl. S. 145); vgl.a. S. 119 ff. ("Constitution of principle" i.G.z. einer "Constitution of detail", S. 119 [H.i.O.]), S. 239 ("genuine constitution of principle"). Zum Einfluss dieser us-am. Sichtweise auf u.a. "Bonn" s.a. S. 123 f. Vgl.a. dens., Law's Empire, S. 70 ff., 361 f., 380, 450 Fn. 8, sowie - allgemeiner- dens., A Matter of Principle, S. 33 ff. (48 ff.), 119 ff. (128 ff.). Ganz ähnl. Jeand'Heur, JZ 1995, 167 Sp. 1 ("gesteigert vage Normtexte"); P. Lerche, in: Böttcher u.a, Odersky-FS, S. 232 ("Abkürzungsformeln"); Denninger,
428 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht summarischer Kürze formulierten 1969 Grundrechtsnormen enthaltenen Grundrechtsgüter 1970 letztlich immer nur im Wege der Abwägung mit andeKritV 1995, 23; ders., S. 18 ff.; Häberle, ERPLIREDP 8 (1996), 16 ("entwicklungsfähig und -bedürftig"); Hoffmann-Riem, DVBI. 1999, 658; Lücke, JZ 1999, 380 f. Rvgl.a. J.P. Müller, in: Bieber/Widmer, S. 133, 143 ("Anrufung oberster verfassungsethischer Werte", durch [nat. od. intemat.] Rechtsprechung und Gesetzgebung "konkretisierungsbedürftige Direktiven"). Vgl.a. noch Weiler, ebd., S. 413, 414 ff., der seine dekalog. Exegese auf die allg. (einschl.d. eur.) Verfassungsauslegung überträgt; s.a. S. 457 ("bland language"). Ähnl. aus phil. Sicht Sprenger, in: Brugger, S. 219 ff. (insbes. 241, 244 ff.), der (positivierte) "Werte" als "Ahnung" d. "anfänglich" bzw. "ursprünglich Guten" begreift u. insow.v. "Wegweiser[n]" u. "Zwischen-Halte[n]" (nicht "End-Stationen") spricht (246). Allg. aus sprachtheoret. Sicht ausf. u. m.z.N. B. Davy, S. 46 ff. Allg. zur Vagheit v. Rechtsnormen Alexy, Argumentation, S. 17, 290 f., 350. Vgl. aber a. die scharfe, "sprachlogisch" unterlegte Krit. a.d. heutigen GRdogm. i.Z.m.d. "Problem der Vagheit" u. dem Gewaltenteilungsgrds. bei Diederichsen, in: Starck, S. 85 ff., 92 (ähnl. Windel, Der Staat 37 [1998], 385, 406). Zum verwandten Probl.d. Unsicherheit grl. Wertungen ebd., S. 90 ff., u.H.a. BVerfGE 46, 160. Zur "Vagheit der Grundrechtstatbestände als Freiheitsrechte" s.a. dens., AcP 198 (1998), 199, 212, 214, 220 ff., 245, 258 f. Die "Vagheit der Formulierungen des Grundrechtskatalogs" sogar zum Anlass nehmend, dem BVerfG - "vielleicht sogar im Regelfall" einen Entscheidungsverzicht anzuraten, ders., Jura 1997, 61. 1967 Eine nur "charakteristische[] textliche[] Weite" annehmend Baumgartner, ZfV 1996, 327 Sp. 1. Weitergehend Everling, in: Weidenfeld, S. 75: "Ein Grundrechtskatalog muß notwendig stark abstrahieren", jew. i.Z.m. Forderungen nach einem GRkatalog im GemR. Ebenso P. Lerche, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 219 f.; Determann, S. 123; Scherzberg, DVBI. 1999, 363. 1968 S. Dworkin, Life's Dominion, S. 130; ders., Law's Empire, S. 361 f. Ähnl. Heinze, S. 125 ff. (128), 142 ff. (142). Das heißt indes nicht, dass diese Normen undurchsichtig sind, s. Dworkin, Law's Empire, S. 362 ("commitments are ... transparent not opaque"). 1969 Bes.deutl. BVerfGE 43, 154, 168: "Es ist die Eigentümlichkeit von in der Verfassung gewährten Ansprüchen, mögen sie in Grundrechten, grundrechtsähnlichen Vorschriften oder Grundsätzen der Verfassung enthalten sein, daß sie in summarischer Kürze formuliert sind, daß man ihnen durch eine Vielzahl von Varianten des Sichverhaltens gerecht werden kann, daß sie also nicht auf eine bestimmte, konkrete Leistung gehen, daß sie der Ausfaltung im einfachen Gesetz zugänglich und regelmäßig bedürftig sind, daß sie aber unbeschadet dieser Regelung im einfachen Gesetz unmittelbar anwendbar sind, und zwar nicht nur als (auslegungsbedürftiger) Maßstab für die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des einfachen Gesetzes, sondern - weil und insoweit sie eben dem Bürger gewährte verfassungsrechtliche Ansprüche enthalten - auch in der Weise, daß ihnen unmittelbar im Wege der Auslegung Rechtsfolgen entnommen werden, die ihrerseits generellen Charakter haben, also auf eine Vielzahl von Fällen anwendbar sind und das einfache Gesetz ergänzen mit der Folge, daß der durch Auslegung der Verfassungsvorschrift gewonnene konkretere Verfassungssatz auf jeden konkreten Sachverhalt, der jenem explizierten Verfassungssatz unterfällt, angewendet werden kann und angewendet werden muß" (H.i.O.). Zur "Eigenart der geringen Präzision ... der Mehrzahl der im Grundgesetz gebrauchten Begriffe" s.a. noch BVerfGE 94, 115, 157 ff. (abw.Mein. Limbach), 160. Vgl.a. Tomuschat, EuR 1990, 355 ("sehr holzschnittartig gefaßte[] Texte");
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
429
ren, konkurrierenden Anrufungen in Gestalt von Grundrechtsgütern oder sonstigen Verfassungsprinzipien gleichsam abgearbeitet werden können, 1971 kommt es wesentlich darauf an, diese Abwägungen offen zu legen, deutlich zu machen, was in die Abwägung einzustellen ist und was nicht, sowie eine Strukturierung der Abwägung zu finden, die eine möglichst rationale Argumentation erlaubt. 1972 Mit anderen Worten geht es "einfach" um eine gute grundrechtliche Argumentation, 1973 wie überhaupt Rechtswissenschaft an Sf/Jrensen, EuGRZ 1978, 36 Sp. 2 ("Ungenauigkeit der Texte"); J. lpsen, StaatsR II Rn. 105 ("vielfach eine an historischen Vorbildern orientierte pathetische Färbung"); 117 (GRe "scheinen . . . nur eine fragmentarische Fassung zu haben"); Pieroth/ Schlink Rn. 4 ("generalklauselartig"). 1970 Zur "normativen Offenheit" der Formulierung der meisten GRkataloge vgl. Höfling, S. 39. Krit. zur These der Unbestimmtheit d. GRe aber Starck, in: Heyde/ Starck, S. 11 f.: Ihm zufolge lasse sich zeigen, "daß die Grundrechte klarer sind, als allgemein angenommen", wenn man u. a. "mit (funktionsrechtlicher) Rücksicht auf die Verfassungsgerichtsbarkeit ... andere als liberalstaatliche Funktionen der Grundrechte nur ausnahmsweise annimmt, wenn sich hinreichend klare Interpretationsanhaltspunkte dafür ergeben" (S. 12). Das ist f. ihn i.H.a. Schutzpflichten nur bei Art. 1 I 2, 6 1 u. IV GG der Fall (S. 26 m.Fn. 76 - ebenso zu!. ders., VVDStRL 57 [1998], 103 f.; 282). Ausf. zum Ganzen jüngst Voßkuhle, AöR 119 (1994), 35 ff. (insbes. 56 ff.). Jedf. f. die Möglichkeit, dass die (Gern-) GRe "richterrechtlich klar und unbedingt formuliert werden" können, Ruffert, EuGRZ 1995, 523 Sp. I. A.A. gerade insow. Besselink, 35 CML Rev. 1998, 636. 1971 Anderes gilt i.H.a. neuere, verfassungsunmittelbare Einschränkungen bzw. Gesetzesvorbehalte (s. etwa Art. 13, 16a n.F.). Krit.d. Grimm, F.A.Z. Nr. 289 v. 12.12.1998, BuZ, I. S.a. noch BVerfGE 94, 166,223 ff. (abw.Mein. Limbach/Böckenförde/Sommer), 228, die v. einer "weitgehenden Klärung verfassungsrechtlicher Fragen" durch die Rspr.d. BVerfG "in vielen Bereichen" ausgehen u. f. die desh. der Erlass einer ew. Ao., welcher ausschließ!. aufgr. einer Abwägung erfolge, nur selten in Betracht komme. 1972 Krit. zur Rationalität d. Abwägung aber Hellermann, S. 107 f., 121 f. 199 ff. (201), 203 m. w. N. ("problematische[], rationalen Kriterien nur begrenzt zugängliche Abwägungsdogmatik"). Zum Prob!. s.a. Koch, in: Erbguth u. a., S. 9 ff.; Ossenbühl, ebd., S. 25 ff. (insbes. 25 f., 33), m. w.N. 1973 Vgl.d. anschau!. BVerfGE 82, 30, 38 f.: "Die Auslegung insbesondere des Verfassungsrechts hat den Charakter eines Diskurses, in dem auch bei methodisch einwandfreier Arbeit nicht absolut richtige, unter Fachkundigen nicht bezweifelbare Aussagen dargeboten werden, sondern Gründe geltend gemacht, andere Gründe dagegengestellt werden und schließlich die besseren Gründe den Ausschlag geben sollen". Allg. zum Erfordernis "rationaler Argumentation ... nach den Maßstäben der praktischen Vernunft" in gerl. Entsch. BVerfGE 34, 269, 287. Zum korrekten grl. Argumentieren i.B.a. sog. "zugeordnete Grundrechtsnormen" s.a. Alexy, Theorie, S. 61 ff. (krit. K. Stern-Sachs, StaatsR III/1 § 65 I 4 E S. 501), zum Konzept der Abwägung a. a. 0., S. 143 ff., allg. zur grl. Argumentation a. a. 0., S. 498 ff., zum Spiel v. Grund u. Gegengrund a. a. 0., S. 286, 469. S. a. dens., Interpretation, S. 79, wo er die erstgen. Entsch. als ein Bsp.f. den - i.Ü. nur schwer zu beurteilenden - Einfluss d. Theorie d. jur. Argumentation auf die Rspr. anführt. Zum allg. Versuch einer diskurstheoret. Begr.d. MRe vgl. dens., Diskurstheorie, S. 127 ff. Zu!. ders., Habermas, S. 165 ff. (insbes. zu Habermas, Faktizität, S. 151 ff.); ders., in:
430 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
sich "konstitutionell rhetorisch" ist. 1974 Eine solche Argumentation kann insbes. dadurch gesichert werden, dass sie in einer bestimmten Form erfolgt: Als hergebrachte und leistungsfähige Form grundrechtliehen Argumentierens hat sich z.B. die dreistufige, auf das Grundrecht als Abwehrrecht bezogene Prüfung von Schutzbereich, EingriJ/ 975 und Eingriffsrechtfertigung erwiesen. 1976 Sie entzerrt die grundrechtliche Argumentation und führt insofern zu deutlichen Rationalitätsgewinnen. 1977 Das dabei vorhandene Rationalitätspotential gilt es auszuschöpfen. Anstaft die Abgrenzung von Schutz und Abwehrfunktion offen zu lassen, 1978 empfiehlt es sich deshalb, zunächst die Reichweite der Abwehrfunktion auszuloten. 1979 Rationale Argumentation gebietet, zunächst anerkannte, durchgestaltete (Grundrechts-) Lehren zu prüfen und erst dann eine neue Denkfigur einzuführen, wenn Brugger, S. 359 f. (insbes.a. dazu, dass ein dem. Verfassungsstaat o. Diskurse gar nicht mögl. sei, S. 352 ff. [354], u.H.a. - u.a. - BVerfGE 5, 85, 132, 198, 206 f.; 89, 155, 185); Hartwig, in: Grabenwarter u. a., S. 25 ff. (nur f. Bürgerrechte). Krit. aber Nickel, in: Brugger u.a., S. 416 f. S.a. Isensee, JZ 1996, 1093 Sp. 2 a.E.; Badura, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 163. F. einen "rechtsvergleichende[n] Diskurs" i. R. eines "gemeineuropäische[n] Verfassungsdenken[s]" Schwarze, ZfV 1993, 8. 1974 So Engel, S. 17, 27. 1975 Dazu, dass die "nüchterne Feststellung" eines GReingriffs noch nicht über die Rechtmäßigkeit desselben aussagt, aber immerhin eine "rationalitätsstiftende Rechtskontrolle" ermöglicht, s. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 316. 1976 Vgl.d.a. Holoubek, in: Grabenwarter u.a., S. 74; dens., DVBI. 1997, 1037. Ähnl. i.H.a. die "Zwei-Schritt-Prüfung" bei der sog. Außentheorie Borowski, S. 46 f., 253. F. eine Tatbestandslösung in Schutzpflichtkonstellationen aber Schubert, S. 396. Abl.a. Calliess/Kallmayer, JuS 1999, 790. 19 77 Zur Bedeutung dieses gestuften Argumentationsproz. s. Höfling, S. 105 f.; Dujmovits, in: Grabenwarter/Thienel, S. 167 (f. die EMRK). Vgl.a. Starck, in: Heyde/Starck, S. 12 f. (zum "schärferen Argumenationszwang" durch "dogmatische Trennung", S. 13); Holoubek, in: Grabenwarter u.a., S. 64; dens., Gewährleistungspflichten, pass., S. 387; Merten, VVDStRL 57 (1998), 113; Besselink, 35 CML Rev. 1998, 635; Borowski, S. 46 f. A.A.offb. Elbing, S. 175, f. den es keinen Unterschied macht ob "konstruktiv der Schutzbereich eingeschränkt wird oder zusätzliche Schranken-Schranken gezogen werden" (ebenso ebd., 256). Zur eingriffsrl. Prüfung v. (seiner Ans. nach) Teilhaberechten s.a. Murswiek, DVBI. 1994, 83. 1978 So BVerfGE 91, 335, 339; EuGHMRE 303-C, 54 f. § 51 (L6pez Ostra/SP); KomMR, ZE v. 1.7.1998 (1. K)- 38387/97 (Khatun u.[l80]a./VK)- n.n.v., S. 6 f. (6) - Straßenbau in den Docklands, wo aber - zum. sprachl. - eher eine Eingriffsprüfung vorgenommen wird. Die Punitive Damages-Entsch. gleichwohl f. "methodisch makellos" haltend Kronke, BerDtGesVR 38 (1998), 35 - insow. a.A. Tomuschat, IPRax 1996, 84 Sp. I: " ... [E]igentlich spricht alles dafür ... , einen Eingriff im klassischen Sinn der Vorbehaltslehre anzunehmen". S. a. noch die Vermischung abwehr- u. schutzrl. GRfunktionen bei BVerwG, UPR 1996, 344, 346. 1979 D.S.n. ähnl. Holoubek, DVBI. 1997, 1033 ff.; ders., Gewährleistungspflichten, S. 251 ff., jew.m.w.N. S.a. schon- noch nicht ganz so deutl. entwickeltdens., JBI. 1992, 137, 153 ff.; dens., in: Grabenwarter u.a., S. 61 ff. (insbes. 74).
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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diese Prüfung ohne Ergebnis bleibt. 1980 Die "Umetikettierung von der Achtungs- auf die Schutzpflicht" führt nur zu Rationalitätsverlusten und zu "Verwirrung". 1981 Aber auch für den verbleibenden Rest an Fällen, der sich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt der Abwehrfunktion zuordnen lässt, 1982 empfiehlt sich eine der Abwehrprüfung angenäherte dreistufige Vorgehensweise in Gestalt von Schutzbereich, Beeinträchtigung (anstelle des Eingriffs bzw. als Oberbegriff für Eingriff und Verweigerung von Schutz) 1983 und Rechtfertigung der Beeinträchtigung. 1984 Jedenfalls ergibt sich aus der Rechtsprechung des BVeifG, dass dieser in Schutzpflicht-Fällen bisher kein der abwehrrechtlichen Prüfung auch nur annähernd vergleichbares, klar strukturiertes Prüfungsprogramm zugrunde liegt. 1985 Zumindest als "Orientierungshilfe" kann deshalb die "normale" Abwehrrechtsdogmatik auf die- verbleibende- Schutzpflicht angewandt werden. 1986 1980 Vgl.- wenn a. in anderem Zushg. - Puttfarken, RIW 1995, 622 Sp. 1. S.a. Hain, ZG 1996, 83. 1981 Schwabe, DVBI. 1990, 479 Sp. 1. 1982 Dip!. bzw. Auslandsschutz, Schutz vor "Natur"-Katastrophen u. Generationenschutz, s. u., IV.3. u. 4. 1983 V. einem "Eingriff in die Schutzpflichten und damit auch in die Grundrechte selbst" sprechend Bieback, KJ 1998, 173. 1984 Vgl.d. Jarass, AöR 120 (1995), 358 ff.; JIP-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 12 a.E., 13 a.E., 19, 23, 23a (mod. aber bei der Frage d. Gesetzesvorbehalts im Falle d. Verweigerung v. Schutz a. a. 0., Rn. 32a [2], 40a: Weil der Betr. gerade ein staatl. Handeln erreichen wolle, passe diese Figur nicht, da ein Gesetzesvorbehalt ihn noch schlechter stellen würde). Ähnl. f. die GFen Kingreen, S. 182 ff., 199. In diese Richtung a. die hilfsw. Ausführungen v. Koch, DV 30 (1997), 22 f.: Bei einer anzunehmenden umf. Schutzpflicht bestehe die Möglichkeit d. Rechtfertigung staatl. Unterlassens, welche der anerkannten verfrl. Rechtfertigung aktiver staatl. Eingriffe entspreche. Ebenso Borowski, S. 119 ff., 137 ff., 237 ff. (255, 269 ff., 282 ff.). Ähnl. wohl a. Menzer, S. 94, 96, der v. einem "Eingriff' in den Schutzber.d. Art. 2 li 1 GG spricht (S. 94) u. aufgr.d. Gesetzesvorbehalts d. Art. 2 li 3 GG eine "verfassungsrechtlich zulässige Möglichkeit einer Begrenzung der Schutzpflicht" annimmt (S. 96). Aus "begrifflichen" bzw. "konstruktiven" Gründen a. A. Elbing, S. 169, 180 ff. Elbing, der sich auf Alexys Prinzipientheorie beruft, verkennt dabei indes, dass nicht nur Schutz-, sondern a. Abwehrrechte Prinzipiencharakter aufweisen (s. ebd., 178 ff.). Zudem erkennt er an anderer Stelle (ibid., 280) durchaus an, dass "auch das Vorenthalten einer Leistung eine Grundrechtsbeeinträchtigung darstellen" könne. A.A. aber a. Sachs-Murswiek Art. 2 Rn. 34, demzufolge sich die Prüfung indes "implizit" am Eingriffsschema orientieren müsse. Ausdr. gg. eine Anwendung d. "Eingriffstatbestandes" im "status positivus" Jsensee, VVDStRL 57 (1998), 109: Die "Nichterfüllung einer Handlungspflicht" sei kein Eingriff; ebenso Weber-Dürler, a. a. 0., 126, 127. A.A. die Disk.-Beitr. v. P.M. Huber ("Verkürzung grundrechtlicher Schutzgüter bei Untätigkeit" als Eingriff - und zwar "subjektiviert in den Grenzen des Unterrnaßverbotes") u. Lange, ebd., 141, 142 (s.M.) bzw. 143, 143 f. Lange f. den Ber.d. sog. GRvoraussetzungen zust. Bethge, a.a.O., 156. 1985 So a. Möstl, DÖV 1998, 1035 Sp. 1, der das Abwehrrechtsschema aber verwirft.
432 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
Der mögliche Einwand, dass mit dieser Vorgehensweise kein wirklicher Gewinn verbunden sei, weil die gleichwohl erforderlichen, schwierigen Abgrenzungsfragen doch nur auf die dritte Stufe der Rechtfertigung verschoben werden würden, 1987 vermag nicht zu überzeugen: Dass Differenzierungen und Modifizierungen notwendig sein können, zwingt nicht zu deren Vomahme auf einer früheren Stufe als der der Rechtfertigung. Vermieden werden auf diese Weise jedenfalls ein vorschnelles Ausblenden bestimmter Fallkonstellationen und ein unkritisches Akzeptieren staatlichen Verhaltens: 1988 Grundrechtsbeschränkendes Verhalten aller staatlichen Gewalt hat sich vor eben diesen Grundrechten zu rechtfertigen. Warum sollte bspw. der Gesetzgeber aus (vergleichsweise) "nichtigem" Anlass eine Beeinträchtigung vornehmen dürfen, ohne dass seine ("inneren") Motive und seine (äußeren) Gründe einer (kritischen) umfassenden und möglichst rationalen Prüfung anband der grundrechtliehen Garantien unterzogen werden sollten? Gleiches gilt für den möglichen Gegeneinwand, dass die Eingriffsabwehr heute selbst nicht mehr die dogmatische Prägnanz aufweise, die man früher allgemein mit ihr verbunden habe: 1989 Sie sei eine Funktion neben anderen und weder dogmatisch gesicherter noch weniger kompliziert. 1990 Abgesehen davon, dass diese Einschätzung in dieser Allgemeinheit - dogmatische Unsicherheiten in "ausgefransten Randbereichen" der (insoweit gerade nicht mehr "klassischen") Eingriffsdogmatik ausdrücklich zugestanden 1991 -nicht geteilt werden kann, vermag sie jedenfalls nicht die weitere Komplizierung durch (überbordende) Multifunktionalisierung der Grundrechte zu rechtfertigen. Einem bloß zweistufigen Ansatz - Bestehen und Umfang der Schutzpflicht sowie Genügen staatlicher Maßnahmen mit der Folge, dass etwaige Handlungspflichten erloschen sind 1992 - ist der hier gewählte dreistufige ("klassische") nach alledem und in allen Fällen vorzuziehen.
F. die EMRK so a. Engel, RabelsZ 53 (1989), 23 f., 39. I. d. S. wohl Elbing, S. 175, 256. Vgl.a. Schubert, S. 396. 1988 Das Aufdecken v. hinter den Entsch.d. BVeifG liegenden Wertungen ist indes a. Anliegen v. Elbing, S. 174 ff. 1989 Vgl.d. M. Albers, DVBl. 1999, 242. 1990 Albers, ebd., 242. 1991 So beschäftigt sich Albers, ibid., v. a. mit den sog. fakt. GReingriffen. Schön beleuchtet wird dies i.Ü. durch den sich mit dem GReingriff beschäftigenden 1. Beratungsgegenstand in VVDStRL 57 (1998), mit den Referaten v. Bethge (7 ff.) u. Weber-Dürler (57 ff.) sowie der anschl. Disk. 1992 So etwa Calliess/Kallmayer, JuS 1999, 790. 1986 1987
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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2. Beachtung der Gesetze der Logik
Darüber hinaus wird die Rationalität der Argumentation dadurch gefördert, dass man nicht ohne Not gegen die Gesetze der Logik verstößt, wie es nach hier vertretener Ansicht beim "Mythos vom rechtsfreien Raum" der Fall ist. 1993 Auch wenn man gegenüber solchen Mahnungen gern mit Oliver Wendeli Holmes entgegnen mag, dass "The life of law has not been logic: it has been experience" 1994, sprechen Rechtssicherheit und Rechtsfrieden1995 als Ziele einer die praktische Fallbearbeitung anleitenden Dogmatik1996 doch gegen einen allzu großzügigen Umgang mit den "Gesetzen" der Logik, 1997 zumal das Holmes-Zitat seine Wurzeln im angloamerikanischen Fall-Recht hat. 1998
Nicht verkannt wird hier indes, dass es auch Grenzen einer logischen Herangehensweise an das Recht gibt: 1999 Abgesehen davon, dass- wie bereits erwähnt - auch Aussagen der Logik von bestimmten inhaltlichen Voraussetzungen abhängig sind, dass mit ihnen also keineswegs ein Mehr an Wissen generiert werden kann, als es schon vorher - bewusst oder unbewusst - in die Überlegungen eingestellt worden ist, verweisen gerade neuere (rechts-) philosophische, soziologische und theoretische Forschungen auf vielfältige und fundamentale Antinomien und Aporien und Paradoxien im positiven Recht, insbes. auf das Ursprungs- oder Gründungsparadox des positiven Rechts.Z000 Gerade mit letzterem muss man sich indes im grundrechtsdogmatischen Zusammenhang nicht unbedingt näher auseinandersetS.o.u. 1.5. Common Law, S. 1. I.Z.m. dem Streit um den Anspruchsinhaber d. Rechts, das bei Ausübung d. dipl. Schutzes eingefordert wird, zit. z. B. bei Geck, EPIL Vol. 1 (1992), S. 1058 Sp. 1; s.a. Doehring, in: Ress/Stein, S. 15. I99S Doehring (vor.Fn.), S. 15. 1996 Zum Begr. vgl. nochmals A., vor I., Fn. 5. 1997 Nach Doehring, ebd., S. 20, sind "dogmatische Purzelbäume" auf Dauer nicht haltbar. Das verkennt i.Ü. a. Holmes, a. a. 0., nicht: Um seines inneren Zushg. willen müsse ein Rechtssystem eine Folgerichtigkeit in sich schließen. Zu Unterschieden i.H.a. die Urteilstechnik kontinentaleur. Entsch. i. V.z. solchen d. common law s. Leonardi, ERPL/REDP 8 (1996), 1144 f.: Kontinentale Urteile bedienten sich stärker d. Methode log. Deduktion (1146), während im common law ein eher diskursiver Stil vorherrsche (1148). Dort (1146 ff.) a. Nachw. zur insow. unterschied!. Praxis d. EuGHMR einschl.d. Sondervoten, welcher sich gleichwohl überwiegend d. log.-deduktiven Stils befleißige (1147, 1194). Gleiches gelte i.Ü. f. den EuGH (1165). 1998 Allg. zu Rationalität u. Irrationalität im Recht - a. u. gerade im Ber.d. MRe - s. die Beitr. auf dem IVR Weltkongress 1983 in Helsinki, in: Amaud u. a., Rechtstheorie Beih. 8. 1999 Allg. zu den Probl.d. Logik im Recht a. Adomeit, S. 33 ff. S.ber.o.u. 1.5.h). 2000 S.d. nur - m.z.N. - Teubner, Soz.Systeme 2 (1996), 231 ff. (231 f., 241). Vgl.a. Adomeit, S. 59 ff. (60), sowie Hillgruber, ARSP 85 (1999), 361. Zu den Pa1993
1994
28 Szczekalla
434 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
zen, reicht es doch aus, auf die veifassungsgesetzlich und -rechtlich vorgegebene Grundrechtsordnung zu rekurrieren und nicht nach einer weiteren (Grund-) Norm im Kelsenschen Sinne Ausschau zu halten. 2001 Selbst wenn man aber der Ansicht sein sollte, dass "Recht . . . deshalb im letzten ... immer unlogisch [ist]", 2002 entbindet dies doch nicht von einem möglichst rationalen Vorgehen, also einem Streben nach "mehr Rationalität", wenn auch nicht nach "volle[r] Rationalität".Z003 Mit dem hier verfolgten Ansatz wird darum - unter Beachtung der "Gesetze der Logik" - "nur" versucht, durch gutes grundrechtliches Argumentieren einen (dringend notwendigen) Rationalitätsschub zu erzielen. Andere Ergebnisse lassen sich damit regelmäßig nicht erzielen. 2004 Dies ist zwar nicht unbedingt ausgeschlossen, hängt dann aber von weiteren - hier nicht zu thematisierenden - Einzelannahmen und vom jeweiligen Einzelfall ab.zoos Kein Argument gegen eine Heranziehung der Logik ist es jedenfalls, dass dieses Vorgehen "am Menschenbild des Grundgesetzes und damit an der Grundkonzeption unserer Verfassung vorbei[geht]".Z006 Menschenbild und Grundkonzeption sind vielmehr integrale Bestandteile der logischen Analyse. Der Pauschalverweis darauf führt jedenfalls nicht zu rationalen Erkenntnissen.2007 Umgekehrt können manche gesetzgebensehe und verfassungsgerichtlich sanktionierte Entscheidungen im alltagssprachlichen Sinne nur als "unlogisch" bezeichnet werden: Verwiesen sei hier nur wieder auf die erstaunliche Aussage, dass der (straf-) rechtliche Lebensschutz des Ungeborenen erst ab dem vierten Monat beginnen soll. Dies ist gerade vor dem Menschenbild des Grundgesetzes rational nicht erklärlich und beruht letztlich auf einer willkürlichen Setzung (immer unter der Voraussetzung, radoxien d. log. Quadrats u. deren Auflösung s. Holländer/Knapp, ARSP 77 (1991), 396 ff. 2001 Vgl.d. die Bem. bei Griller, ZfV 1983, 4 Fn. 21. 2002 So Engel, S. 20. 2003 So denn a. Engel, S. 21. 2004 Das wird insbes. im Ber.d. Kernenergie u. dort v. a. bei der atomaren Endlagerung deutlich: Eine unterschied!. Wertung staatl. od. priv. Endlagerung hinsl.d. konkreten Schutzumfangs ist ausgeschlossen, vgl.d. nur Menzer, S. 95, 97, m. w. N., der selbst d. herkömml. Schutzpflichtlehre folgt. 2005 Dazu, dass das Erg. einer Abwägung zw. der Beeinträchtigung d. Meinungsfreih. durch VerbotsGe (§§ 823 1/, 1004 BGB; § 186 StGB) einers. u. d. durch diese geschützten Rechtsgüter anderers. i.R.v. Art. 51/ GG zwar "wegen ihres Fallbezugs nicht vorgegeben" sei, doch dass das BVeifG "eine Reihe von Kriterien entwickelt" habe, die bei dieser Abwägung "maßgeblich" seien, zu!. BVerfGE 94, 1, 8, m. w. N. 2006 So aber Diederichsen, AcP 198 (1998), 210 (H.d.V.), in Auseinandersetzung mit Schwabe, Drittwirkung, S. 18 ff. 2007 Zur Brauchbarkeit d. Logik gerade im grl. Zushg. s. etwa Berkemann, Rechtstheorie 20 (1989), 451 ff. (zur log. Struktur d. GRnormen).
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
435
dass der Nasciturus vom Beginn seiner Zeugung an mit allen wesentlichen Eigenschaften einer Person begabt2008 ist, wie es - derzeitiger - Stand der genetischen Forschung ist). 111. Die Leistungsfähigkeit des Grundrechts als Abwehrrecht
Dass das Grundrecht als Abwehrrecht in den einschlägigen Konstellationen mindestens ebenso leistungsfähig ist wie seine Verwendung als Schutzpflicht - nach den obigen Ausführungen vermutlich sogar noch viel leistungsfähiger i. S. v. mehr Rationalität verbürgend -, kann hier nicht mehr vollumfänglich nachgewiesen werden. Es sind indes keine Fälle ersichtlich, die nicht einer gut vertretbaren und argumentativ besser abgestützten Lösung zugeführt werden könnten. Dass in sehr vielen Konstellationen mindestens ein (Schutz-) Eingriff in Grundrechte einer Person vorliegt, nämlich in die des "Störers", 2009 führt jedenfalls nicht zu einem wirklichen Grundrechtsdilemma:2010 Eingriff bedeutet ja nicht Verletzung, und die bei der Prüfung vorzunehmenden Abwägungen sind letztlich unausweichlich. Verbleibende Einzelfragen sollen gleichwohl noch angesprochen werden und zu einer weiteren Klärung beitragen: IV. Einzelfragen 1. Die sog. Drittwirkung und die sog. Schutzpflichten
Der Behandlung von "Drittwirkung" und "Schutzpflicht" in Rechtsprechung und Literatur ist gemeinsam, dass sie von der normalen Prüfung eines Eingriffs in das Grundrecht als Abwehrrecht abweichen. Hier wird nun die Ansicht vertreten, dass Drittwirkung und Schutzpflicht - letztere: im Wesentlichen - übeiflüssige Begrifflichkeifen sind: Statt dessen wird die Grundkonstruktion - weitgehend - auf die Frage zurückgeführt, ob ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts als Abwehrrecht gerechtfertigt ist. Dabei können wesentliche Inhalte und Anliegen der Begriffe Drittwirkung und Schutzpflicht aber durchaus eine Rolle spielen: Wenn mittelbare Drittwirkung und Schutzpflicht bspw. bedeuten, dass die Prüfung einer Grundrechtsverletzung im Regelfall "gesetzesmediatisiert" fst, 2011 weil die konkrete Rechtsanwendung nicht in einem "rechtsfreien Raum" stattfindet Jedenfalls im Sinne eines Darauf-Angelegt-Seins. Im Falle nicht weit genug gehenden Schutzes gg. diesen mglw. aber a. ein weiterer in GRe d. "Opfers". 2010 Ähnl. i. R. ihrer Normbestandsschutzlösung Lübbe-Wolf!, S. 168, die dann aber weitere Grenzen als hier ausmacht, jenseits derer Schutzpflichten zu bemühen seien (ebd., S. 168 ff., sowie S. 14 ff., 146 ff.). 2008 2009
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436 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
und gerade keine "tabula rasa"-Situation gegeben ist, 2012 ist dagegen nichts einzuwenden: 2013 Das sog. einfache Gesetz kann in der überwiegenden Zahl von potenziellen bzw. kalten Grundrechtsfällen ohne weiteres als verfassungsrechtlich gerechtfertigter Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts als Abwehrrecht angesehen werden. In der konkreten Anwendung dieses - an sich verfassungskonformen - Gesetzes spielen die Grundrechte dann insoweit eine "mittelbare" Rolle, als sie die Auslegung und Anwendung des Gesetzes steuern. Das ist nichts anderes als die herkömmliche veifassungskonforme Auslegung, 2014 die ganz allgemein bei jeder Art von Rechtsanwendung vorzunehmen ist. 2015 Der Versuch, die Konstruktion der Drittwirkung über eine angeblich "edukative Bedeutung der Grundrechte" im Verhältnis Privater untereinander zu rechtfertigen, 2016 vermag demgegenüber nicht zu überzeugen: Erstens ist schon gar nicht erkennbar, warum der bloß dogmatisch-konstruktiven Entscheidung für eine mittelbare Drittwirkung eine streitvermeidende Wirkung zukommen sollte.Z017 Dass Private bei ihren privaten Rechtsge2011 Vgl. etwa Griller, JBI. 1992, 294 Sp. 2, 301; dens., Ztv 1983, 6 f., 10 Sp. 2; 109 f. m.Fn. 79, 112 ff., 122 Sp. 2; Holoubek, S. 67, 75; Berka, S. 133 Rn. 229. Wenn Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 233 ff. ("Entfaltung durch das Medium!" [234, H.i.O.]; "Umsetzung [der Grundrechte bzw. -werte] ... auf der Ebene des einfachen Rechts" [235]), in diesem Sinne zu verstehen sein sollte, dann kann ihm zugestimmt werden. Krit. zur Gesetzesmediatisierung im ZivR indes Hager, JZ 1994, 379 f., der aber auf die dort ohnehin bereitstehenden "Schutzinstrumentarien" verweist. F. eine Mediatisierung a. dort etwa Th. Groß, JZ 1999, 331 m. w. N. Bes. deutl. aus öst. Sicht a. Raschauer, Ztv 1999, 516 Sp. 2: "Gerade unter Berücksichtigung der ihm obliegenden Schutzpflichten hat der Gesetzgeber die grundrechtliehen Vorgaben in gegenstandsadäquate Vollzugsprogramme zu , übersetzen'. . .. die grundrechtliehen Vorgaben [bedürfen] der Konkretisierung durch einfachgesetzlich konstituierte subjektive Rechte ... ". 2012 I. d. S. etwa P. Lerche, in: Böttcher u. a., Odersky-FS, S. 228 ff. ("typische Situation", 228). S.a. K. Korinek/Holoubek, S. 117 f. (118), 131 Fn. 388, 141; Möstl, DÖV 1998, 1030 Sp. 2 ("praktisch kaum vorstellbar"), 1036 Sp. 2, sowie Schwabe, Der Staat 31 (1991 ), 284, der nicht einmal eine log. bzw. jur. Sekunde zw. Staatsentstehung u. einfachgesl. Regelungen annehmen will. 2013 Vgl.d.a. Griller, Ztv 1983, 6 f. (7 Sp. 1). 2014 St. Rspr. seit BVerfGE 2, 266, 282 - NotaufnahmeG. Zu den Grenzen (klarer Wortlaut u. Sinn) s. BVerfGE 53, 135, 145; 55, 134, 143, jew.m. w.N. 201s A.A. J/P-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 10, f. den die "Ausstrahlungswirkung" dem Gebot d. verfassungskonformen Auslegung nur "ähnelt", aber insow. über diese hinausgehe, als jene zudem die Vorfrage stelle u. bejahe, ob die Grundrechte u. damit die verfassungskonforme Interpretation privrl. Konflikte überhaupt erfasse. Dagg. Alexy, AöR 121 (1996), 157, demzufolge die Ausstrahlungswirkung bei der Interpretation einfachgesl. Normen a. dann zu beachten sei, wenn es um Abwehr gehe. Zweifelnd Dreie~-Dreier Vorb. Rn. 57 ff. S. a.o., B.II.2.a)jj). 2016 I. d. S. etwa v. Münch, in: ders. u. a., S. 23. 201 7 So aber v. Münch (vor.Fn.).
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
437
schäften immer die Grundrechte und deren - mittelbare - Drittwirkung vor Augen haben und sich (nur) deshalb wechselseitig grundrechtsfreundlich zeigen sollten, dürfte mit der Realität wenig gemein haben und ins Reich des Wunschdenkens zu verweisen sein. Selbst wenn dies aber so wäre, bliebe zweitens noch zu erklären, warum eine ebensolche Wirkung nicht auch auf anderem - konstruktivem - Wege erreicht werden können sollte, auf einem Weg nämlich, der zudem einer viel rationaleren Argumentation zugänglich ist und auf jeglichen Werte-Nebel verzichtet. Insoweit reicht es völlig aus, dass jedermann weiß, dass sein Verhalten grundrechtlich nicht bedeutungslos ist, sondern dass sich andere dem Staat in all seinen Funktionen gegenüber auf ihre Grundrechte als Abwehrrechte berufen können, mit der Folge, dass das erstgenannte Verhalten gegebenenfalls verboten werden muss, sei es durch Auslegung sog. einfachrechtlicher Normen, sei es durch Schaffung neuer Verbotsvorschriften. 2. Das sog. Untermaßverbot
Bei Zugrundelegung der abwehrrechtlichen Konstruktion ist ein gesonderter Maßstab in Gestalt des Untermaßverbotes entbehrlich: Auch sprachlich läuft alles auf die Anwendung des "normalen" Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinaus. Zudem können einige Entscheidungen des BVeifG und von Instanzgerichten durchaus als "verbaler" Beleg für eine Anwendung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in - vorgeblich - Schutzpflicht-Fällen angesehen werden?018 Der Begriff "Untermaßverbot" sollte deshalb als gänzlich überflüssige Schöpfung fallen gelassen werden. 3. Der diplomatische Schutz bzw. Auslandsschutz
a) Fall einer "echten" Schutzpflicht
Der diplomatische Schutz bzw. Auslandsschutz kann nach den bisherigen Ausführungen nicht von der abwehrrechtlichen Lösung eingefangen werden. Auf völkerrechtlicher Ebene werden zwar ebenso wie im innerstaatlichen Recht Diskussionen über die Geltung des Satzes "Alles was (völkerrechtlich) nicht verboten ist, ist erlaubt" geführt, 2019 doch kann 2018 S. insbes. BVerfGE 76, 1, 48 ff. Vgl.a. noch BVerfGE 47, 109, 109 Ls. 1, 118 f.; 49, 89, 132; 56, 54, 80; 71, 206, 206 Ls. 1, 218; 77, 66, 80; 81, 242, 256, 261; 90, 145, 196; BAG, NZA 1997, 647, 651; LAG Hamm, NZA-RR 1999, 455, 458 Sp. 2 - Anspr. auf Neuerteilung eines Arbeitszeugnisses f Transsexuellen). 2019 S. ICH, GA v. 8.7.1996- Advisory Opinion on the Lega1ity of the Threat or Use of Nuclear Weapons, 35 I.L.M. 809 (1996), 819 f. §§ 20 ff., 823 §52 (insow.a.abgedr. in: EuGRZ 1997, 235, 238 Sp. 2)- Atomwaffen-GA= IGHE 1996, 226 ff. Zu diesem "(allgemeinen) negativen Freiheitssatz"- dem sog. "Lotus-Prinzip"
438 l. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
diese Diskussion nicht auf (deutsche) Grundrechtsfälle übertragen werden, in denen es um das Verhältnis zwischen Individuen und (anderen) Völkerrechtssubjekten geht. Das völkerrechtlich erlaubte Handeln eines fremden Staates kann der Bundesrepublik - ohne Hinzutreten weiterer Umstände jedenfalls nicht zugerechnet werden und erlegt dem Einzelnen auch noch keine diesbezügliche (rechtliche) Duldungspflicht auf. Dies gilt indes zwingend nur für den Bereich einseitigen völkerrechtlichen Handeins eines fremden Staates, z. B. für eine völkerrechtswidrige extraterritoriale Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung durch ausländische Stellen: Diese ist in der Tat nur über den Schutzpflichtgedanken "zu erschließen". 2020 Eine andere Frage ist allerdings, ob nicht manche Fälle, in denen Handlungen der deutschen Staatsgewalt in Rede standen, als Eingriffe in Grundrechte als Abwehrrechte angesehen werden müssen, obwohl das BVeifG insoweit- zum Teil jedenfalls der Sache nach- mit der Figur des diplomatischen Schutzes oder der Schutzpflichten gearbeitet hat. Gleiches gilt für die Fälle, in denen das Handeln eines fremden Staates von der deutschen Rechtsordnung als rechtmäßig anerkannP021 wird. Hier geht es nämlich - s.a. Kress!Herbst, RIW 1997, 633 f.; Meng, S. 21; ders., ZaöRV 57 (1997), 295 ff. (jew.m. w.N. u. i.Z.m.d. vrl. Bewertung d. Jurisdiktionsanspr.d. USA beim sog. Helms-Burton-G); Kohen, 8 EJIL (1997), 342 ff. (insbes. 344). Der Streit (Regelungslücke od. Erlaubnis) ist i. E. nicht fruchtbar, weil nach beiden Annahmen jedf. kein (völker-) recht!. Verbot vorliegt, s. Meng, a. a. 0., S. 21 Fn. 44. Nach Meng, ZaöRV 57 (1997), 295, lässt sich i.d. "Realität" d. VR "ohne methodische Überdehnung" kein allg. Grds.d. Inhalts nachweisen, dass diese Rechtsordnung alles Verhalten ihrer Rechtssubjekte entweder ausdrück!. geregelt od. diesen - implizit u. "subsidiär" - die Freih. eingeräumt habe, dasjenige zu tun, was nicht verboten sei. Eine "rein rechtliche Entscheidung nach den Kategorien ,Erlaubnis oder Verbot'" sei nicht einmal- de lege ferenda- aus Gründend. Rechtssicherheit od. Effektivität wünschenswert, weil ans. die ihrerseits pol. erwünschte Flexibilität bei der zwischenstaatl. Kooperation u. Konfliktvermeidung auf Grdl. einer a. ökonom. Analyse d. jew. Konstellation verlorenginge (296 ff.). Zu mögl. rechtsfreien Räumen im VR bei Annahme einer Art Rechtsraumfüllungswechsel s. aber a. Paech, HuV-1 1996, 180 Sp. 2, 183 Sp. l. Ähnl. Meng, ZaöRV 57 (1997), 296 f. ("Grauzonen" [296 f.]; "Nebel" [297]). M.E. geht es hier - ganz ähnl. wie bei den allg. Rgrds.d. GemR - nicht um Lücken im VR, sondern um "Lücken in der Erkenntnis des Völkerrechts" (so wohl a. Giegerich, ZaöRV 57 [1997], 409, 454 m.N.). Diese Frage soll hier aber nicht weiter vertieft werden. 2020 Insow.zutr. Eilers/Heintzen, RIW 1986, 622 Sp. 1 (ebenso Heintzen, S. 156 f.). Das gilt aber nur f. ihr Bsp.d. "DBA-Umgehung" (unmittelbare Zustellungen v. Auskunftsverlangen durch ausl. Steuerbehörden an Inländer od. Betriebsprüfungen im Inland o. Kenntnis dt. Behörden), ebd., 624 f. (zu den anderen Fällen sogl.). Zum Verständigungsverf. als bes. Form d. dipl. Schutzes zugunsten d. Steuerinländers. Gloria, StuW 1989, 139. Restr.d. - i.R. eines AmtshaftungsprozessesOLG Köln, OLGZ 92, 457, 462 - Erwerbsunfähigkeitsrente u. ESt.: Keine Pflicht zum Einsatz dipl. Druckmittel wg.d. weiten Ermessensspielraums.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
439
auch nach herkömmlicher Diktion - jeweils um aktives Tun der umfassend grundrechtlich gebundenen deutschen Staatsorgane (Art. 1 111 GG).Z 022 Wollte man sie von der - vollumfänglichen - Bindung an Grundrechte in ihrer Abwehrfunktion freistellen 2023 und sich allenfalls noch mit der - vermeintlich schwächeren, da flexibleren - Bindung an Grundrechte in ihrer Schutzfunktion2024 begnügen,Z025 so gliche dies dem Bild vom "Lostreten einer Lawine", der (partiellen) Freizeichnung von den Folgen seines eigenen Tuns, die man gleichsam sehenden Auges in Kauf nimmt und die gerade deshalb so gefährlich sind, weil man sie hinterher nicht mehr aufhalten kann. 2026 Einer solchen Gefahrschaffung(sgefahr), bei der eine Kausalreihe in Gang gesetzt wird, die zu einem bestimmten, grundrechtlich verbo2021 Das ist jedf. mehr als die mglw. nicht abwehrrl. fassbare bloße Hinnahme, wie sie offb. Elbing, S. 149, 189 f., vorschwebt. A. bei dem v. ihm in Bezug genommenen Fall Hess (E 55, 349) lag insow. mehr als bloße Passivität vor, näml. Zahlung v. Haftkosten an die Alliierten seitens d. Bundesrep. Insof. hätte durchaus eine Eingriffsprüfung stattfinden können. 2022 Diff. Elbing, S. 185 f., 187, 221 ff. 2023 So der Ansatz v. Eilers!Heintzen, RIW 1986, 621 f., betr. den intemat. Auskunftsverkehr in Steuersachen. Ebenso Heintzen, S. 141; Oeter, BerDtGesVR 38 (1998), 127 f. Diff. Elbing, S. 149, 168 ff., 315, 317. Scharfe Krit. an Heintzen bei Kranke, BerDtGesVR 38 (1998), 42 m. w.N., der aber den Ansatz Oeters aufgreift, ibid., 134, 135 f. F. eine abgeschwächte Anwendung dt. GRe in solchen Fällen indes Kokott, ebd., 96 ff. llO f. These 9, die u. a. desh. f. einen verstärkten Rückgriff auf vrl. MRe plädiert, weil sich bei ihnen nicht die Frage stelle, "in welchem Maße" sie anwendbar seien (These 14 a). Die v. ihr ersehnte Rechtssicherheit lässt sich indes leichter durch die - ggf. konventionskonform auszulegenden - dt. GRe herstellen. Kokott geht i.Ü. a. v. einer abwehrrl. Bindung aus u. verweist auf Parallelen zur Drittwirkungsdisk. (96 f.). Demggü. krit. zur Anwendung d. SchutzpflichtDogm. auf intemat. MRe Engel, BerDtGesVR 33 (1994), 138 f. 2024 S.d. nur Pieroth/Schlink Rn. 90: "Vermutlich macht gerade seine Vielgestaltigkeit, Undeutlichkeit und Unverbindlichkeit, die sich bei der Frage der Erfüllung der Schutzpflicht zeigt, das Schutzpflichtkonzept attraktiv". Ähnl. Determann, S. 124. S. a. Oeter, BerDtGesVR 38 (1998), 128 ("Elastizitätsreserve"). Ausdr. zur schwächeren Wirkung d. Schutzfunktion jüngst Canaris, PrivatR, S. 43 ff. 2025 I.S.v. "vorschützen" als "Ausflucht", "Vertuschung" od. "Entschuldigung" zu dieser Wortbedeutung s. Grimm Bd. 21 Sp. 2129, 2130, 2139, m. w. N. 2026 Vgl.d. W. Roth, S. 325 ff. (327) m.z.N., unter zutr. Krit. an BVerfGE 66, 39 ff. (zum Fall s.a. noch ebd., S. 380 f., 650 f.). Roth weist insbes. u.H.a. die Rspr.d. EuGHMR zu Art. 3 EMRK (N.d.s. u.u., Zweiter Teil, B.V.l.d)bb)(3)) das "Souveränitätsargument" d. BVerfG zurück, demzufolge die verfrl. Verantwortlichkeit d. an das GG gebundenen Hoheitsgewalt u. damit a. der Schutzber.d. GRe grds. dort ende, wo ein Vorgang in seinem wesl. Verlauf v. einem fremden Staat nach seinem, v.d. Bundesrep. unabhängigen Willen gestaltet werde. Wg. engerer Zurechnungskriterien etwas restriktiver Cremer, S. 163 ff. (177 ff.), 233 ff., 255 ff. (276 ff.), 445 ff. Thesen 11.1. ff. (kein GRschutz "ad infinitum", 446 These II.5.) - ganz ähnl. sieht Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 446, in den StationierungsE "in der Regel keine unmittelbaren Grundrechtseingriffe, sondern nur mittelbare Rückwirkungen auf grundrechtliche Gewährleistungen". Gänzl.abl. Maaßen, S. 122 ff.
440 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
tenen Erfolg führen kann und bei der man die Steuerungsherrschaft über den Geschehensablauf aus der Hand gibt oder vollständig verliert, kommt abwehrrechtliche Relevanz zu - sie stellt einen Grundrechtseingriff dar?027 Abzulehnen ist jedenfalls eine Differenzierung nach einer "Je desto"Formel, mit der der Grundrechtsschutz zwischen den beiden "Pole[n]" Abwehr- und Schutzfunktion erst mühsam einzupendeln ist ("Je mehr ein Sachverhalt von der deutschen öffentlichen Gewalt bestimmt werden kann, desto mehr dominiert das Eingriffsverbot, je stärker er dem Einfluss ausländischer Hoheitsgewalt untersteht, desto mehr tritt der Schutzpflichtgedanke in den Vordergrund"). 2028 Dafür besteht erstens keinerlei Bedürfnis, und zweitens ist auch keinerlei dogmatische Begründung für eine derartiges Austarieren ersichtlich. Im Gegenteil, die Funktion der (Grundrechts-) Dogmatik, dem Rechtsanwender die konkrete Fallbearbeitung zu erleichtern, 2029 wird durch Einführung zusätzlicher Unsicherheiten beeinträchtigt. Die "schlichte und nüchterne Behandlung der Grundrechte als Abwehrrechte" erweist sich auch hier als überlegen. 2030 Demgegenüber ist der Zweck, unterschiedlich weite Gestaltungsspielräume der zuständigen Träger staatlicher Gewalt bei Inlands- und Auslandssachverhalten etwa "[m]it der Einführung des Gedankens der Schutzpflicht ... begrifflich zu fixieren", 2031 eher gefahrlieh denn nutzbringend: Die erforderlichen Abwägungen, z. B. zwischen internationaler Zusammenarbeit Ähnl.restr. wie das BVeifG aber a. KomMR, DR 83-A, 26, 29 f. (Tugar/lt) - AntiPersonenmine. 2027 Vgl. W. Roth, S. 327. Zur Rechtfertigung dieses Eingriffs in Art. 2 II 1 GG, der "Schaffung einer abwehrrechtlich relevanten Gefahrschaffungsgefahr", s. ebd., S. 650 f. Restriktiver wieder Cremer, S. 163 ff. (177 ff.), 255 ff. (276 ff.), 445 ff. Thesen 11.1. ff., der aber- zutr. - jew. die Abwehr- u. nicht die Schutzfunktion f. einschl. hält (233 ff. [252, 254 a. E.], 446 These II. 7 .c), Abs. 3 u. 4, 448 These Il.13.). A.A. etwa Heintzen, DVBl. 1988, 621 ff. (622, 624); ders., S. 96 ff., 120 ff., 155 f., 247, der Art. 1 II/ GG insow. unter einen Statusvorbehalt stellt u. bei Dazwischentreten eines souveränen Staates den Zurechnungszushg. selbst bei Veranlassung durch die dt. Staatsgewalt als unterbrochen ansieht ([zutr.] abl. insow. Elbing, S. 75 ff., 201 ff., 220 - "versöhnlicher" indes a. a. 0., 282 -, der ausdr. nicht den sog. klass. Eingriffsbegr. zugrunde legt, sondern einen "rein tatsächlich[en] Vergleich der Möglichkeit vorher und nachher, Rechtsmacht auszuüben", anstellt [274 ff. {277}, 317]). Scharfe Krit. an Heintzen bei Kronke, BerDtGesVR 38 (1998), 42 m.w.N. Hier zeigt sich einmal mehr, wie sehr die Reichweite d. abwehrrl. GRfunktion v.d. Weite d. Eingriffsbegr. abhängt. Deutl.a. Oeter, BerDtGesVR 38 (1998), 127, der den Einsatz v. Schutzpflichten favorisiert. 2028 So aber Heintzen, S. 156 (s.a. ebd., 247). lnsow.zust. Elbing, S. 149, 241. 2029 Vgl.d. nur Jarass, AöR 120 (1995), 346 f., 358 f. F. die EG-GFen ders., EuR 1995, 202 f. - ähnl. jetzt a. Kingreen, S. 18 f. 2030 So die Feststellung v. Heintzen, S. 280, wenngleich in einem anderen Zushg. 2031 So Eilers/Heintzen, RIW 1986, 622 Sp. 1.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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und grundrechtliehen "Interessen"2032 können durchaus auch in einer "normalen" abwehrrechtlichen Eingriffsprüfung eingefangen, dort aber viel rationaler verarbeitet werden, als wenn man von vomherein den Prüfungsmaßstab durch Anwendung der Schutzpflicht-Konstruktion - vermeintlich2033 - verengt. 2034 In Grenzen kann auch ein Respekt vor der "Andersartigkeit der fremden Rechtsordnung" Anerkennung finden, welcher zu "manchen Abstrichen an den Wertvorstellungen des Grundgesetzes" zwingen mag. 2035 Die - ebenso vermeintlichen - Vorteile der Anwendung der Schutzpflicht-Konstruktion, auf die vielfach hingewiesen wird, z. B. Vermittlung von Berücksichtigungs- und Beteiligungsrechten schon im Vorfeld von Entscheidungen, und zwar von der Aushandlung völkerrechtlicher Verträge bis hin zur Anwendung derselben im Einzelfall, sowie Richtschnur bei der Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe und bei der Ermessensausübung,2036 sind demgegenüber Bestandteil des richtig verstandenen abwehrrechtlichen Gehalts der Grundrechte (ggf. durch querliegende Verfahrensdimensionen angereichert) und gerade kein Schutzpflicht-Spezifikum. Warum bspw. Auskünfte von Steuerbehörden "über die Grenze", mit denen grundrechtlich geschützte Rechtsgüter inländisch Betroffener mitunter erheblich gefährdet werden können, über die Schutzfunktion angegangen werden sollen, bleibt deshalb unerfindlich. 2037 "Verräterisch" ist es denn auch, wenn im Hinblick auf solche Auskünfte von "Unterlassungsansprüche[n]" und "Abwehrrechte[n]" des Einzelnen die Rede ist. 2038 Das ist nicht etwa nur eine bloß formelle bzw. rechtstechnische Einkleidung der Schutzpflicht, 2039 sondern trifft auch materiell den Kern der- abwehrrechtlichen - Konstruktion. 2032 S. Eilers/Heintzen, RIW 1986, 622 Sp. I, betr. das Bankgeheimnis. Bsp. bei Kranke, BerDtGesVR 38 (1998), 50 ff., 64. 2033 V. einer "verschiedenartige[n] Schutzqualität" ausgehend bspw. Cremer, S. 235 f. (235). S. a. Oeter, BerDtGesVR 38 (1998), 127 f., sowie - allg. - Pierothl Schlink Rn. 90. Ausdr. jüngst Canaris, PrivatR, S. 43 ff. 2034 Vor den Gefahren einer vorgeschalteten "abstrakten Wertabwägung" warnend a. Elbing, S. 21, 318 f. 2035 Heintzen, S. 156. Krit. u. - zu Recht - vor "pauscha1[en] Persilscheine[n]" warnend indes Kronke, BerDtGesVR 38 (1998), 39, 44 (39 - am Bsp.v. BVerfGE 92, 26 ff.). 203 6 Darauf abstellend Eilers/Heintzen, RIW 1986, 622, 624. 2037 So aber die Konstruktion v. Eilers/Heintzen, RIW 1986, 622 ff., die§ 89 AO (Beratung, Auskunft) insow. als "einfachgesetzliche Ausprägung der Schutzpflicht" ansehen wollen ("Fürsorgepflicht"). Ebenso Heintzen, S. 141. 2038 Eilers/Heintzen, RIW 1986, 624 Sp. 2. 2039 Wie dies v. a. bei den (Bau-) Genehmigungen behauptet wird. Hier soll der mit der Anfechtung verfolgte Genehmigungsabwehranspruch d. Nachbarn materiell Ausfluss d. Schutzpflicht sein, s. insbes. Schwerdtfeger, NVwZ 1982, 7 ff. (w.N.o.u. B.II.4.c)) ).
442 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
b) Keine Besonderheiten bei Auslieferung, Ausweisung und Abschiebung Nicht als Fälle des Auslandsschutzes und der Schutzpflichten können deshalb die Konstellationen angesehen werden, in denen es um Auslieferung, Ausweisung und Abschiebung seitens der Bundesrepublik geht. 2040 Hier bleibt es bei der allgemeinen, durch Art. 1 lli GG angeordneten und grundsätzlich strikten Grundrechtsbindung der gesamten deutschen Staatsgewalt. 2041 Ihr aktives Tun kann nicht von der herkömmlichen Bindung an Grundrechte als Abwehrrechte freigestellt werden. 2042 Die Schutzpflicht ist insoweit nicht einschlägig. 2043
Im Ergebnis ist indes zu berücksichtigen, dass sich bei der Prüfung der Rechtfertigung eines Eingriffs 2044 , 2045 der in der Regel 2046 in der (bloßen) 2040 Zur Auslieferung vgl. nur Häde, Der Staat 36 (1997), 15 ff. m.z.N. Zutr. die Prüfung d. GRe als AbwehrRe i.d. intemat. StrafRhilfe bei Schmidt-Jortzig, in: Theobald, S. 130 ff. Unklar Zimmer, ZAR 1998, 117 Sp. 2 (f. Art. 3 EMRK) - v. "positiven Pflichten" ausgehend ebd., 119 Sp. I. 2041 I.E. ähnl. Häde, Der Staat 36 (1997), 17 ff. (19 f.), d. dann aber weiter diff. zw. vertragsloser Auslieferung u. Auslieferung auf völkervertr. Grdl. (20 ff.): Bei ersterer kämen die GRe voll zum Tragen, während bei letzterer der Grds.d. VRfreundlichkeit zu berücksichtigen sei. S. a. Cremer, S. 163 ff. (177 ff.), 233 ff., 255 ff., 445 ff. Thesen 11.1. ff.; Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 446. 2042 F. die umgekehrte Konstellation abzulehnen daher a. BVerfGE 57, 9, 23: Danach sei eine unter Beachtung d. einschl. innerstaatl. Rechts durch den v.d. Bundesrep. ersuchten Staat vorgenommene Inhaftierung nicht der Bundesrep. als Eingriff in Art. 2 II 2 GG zuzurechnen. Wie hier wiederum Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 446, 536. Eine (abwehrrl.) Bindung besteht a., wenn der dt. Staat ein Auslieferungsersuchen i.B.a. einen Ausländer stellt. Zur Abi. eines solchen aus med. Gründen durch den brit. Innenminister Jack Straw s. dessen Erkl. (v.W.) in Irish Times v. 10.03.1998 (Fall McAliskey, betr. eine d. Beteiligung an einem Mörsergranatenanschlag auf die brit. Quebec-Kaseme in Osnabrück im Juni 1996 Verdächtigen), sowie die diesbzgl. Hintergrundber. ebd.: Eine Auslieferung nach dem Extradition Act 1988 wäre "unjust or oppressive" (s.d. aber Sunday Times No 9,067 v. 7.7.1998: ,"Siek' suspect McAliskey fralies in pub"). Zum (entscheidenden) Unterschied zw. der Verhinderung v. priv. Gewalttaten im eigenen Staatsgebiet durch die VS d. EMRK u. der Beurteilung d. Konventionsmäßigkeit einer Ausweisung etc. anh. v. Art. 3 EMRK s. Clapham, in: MacDonald u. a., S. 174 (Probl.d. Ursächlichkeit). Clapham ordnet diese Fallkonstellationen gleichwohl unter die "Positive Obligations" ein (a. a. 0., S. 170 ff.). 2043 So a. Dietlein, S. 119 f.; Cremer, S. 233 ff. (252, 254 a.E.), m.z.N. (u.H.a.u.a.- BVerfGE 77, 170, 220 i.G.z. 214 f. [244]); K. Stern-Sachs, StaatsR III/2 § 78 III 3 e yy S. 199 ff.; ders., in: ders., Vor Art. l Rn. 67. A.A. etwa mvpOVG, NVwZ-Beil. 8/1998, 82, 83 Sp. 1, das einen finalen Eingriffsbegr. zugrundelegt ("Die Abschiebung bedeutet . . . keinen Eingriff ... , denn sie ist nicht gegen Leib oder Leben gerichtet"). 2044 Zur Diff. zw. versch. denkbaren Eingriffen ("unmittelbare" Auswirkungen d. Verhaltens dt. Behörden [etwa Transport d. Auszuliefemden bei Lebensgefahr "inlandskausale Folgen"] u. "mittelbare" Auswirkungen [z. B. Folter, unfairer Pro-
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
443
Gefahr einer Grundrechtsverletzung im Ausland liegt (etwa durch eine wie auch immer zu bestimmende W ahrscheinlichkeit2047 von Folter oder eines unfairen Gerichtsverfahrens), materiell2048 die völkerrechtsfreundliche Tendenz des Grundgesetzes 2049 und - formell 2050 - die Einschätzungsprärogative der zuständigen Stellen sowie der Erhalt der internationalen Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik2051 ausreichend zu gewichten sind. 2052 zess - "auslandskausale" Folgen]) vgl. Häde, Der Staat 36 (1997), 17 f.; Maaßen, S. 87 ff.,jew.m.w.N. 2045 Anders die Konstruktion v. Cremer, S. 255 ff., der insow. her. einen Eingriff verneinen will (257 ff.). 2046 Zu Ausnahmen einer asylrl. u. (zielstaats-) abschiebungshindernisbegründenden Irrelevanz s. BVerfG, InfAuslR 1998, 241, 242 - Vor/. Reiseunfähigkeit bzw. abschiebungsbedingte Suizidalität. 2047 Desh. Vorhersehbarkeit d. Beeinträchtigung fordernd z. B. Sachs-Sachs Vor Art. 1 Rn. 67. 2048 D.h. bezogen auf die heranzuziehenden inhaltl. Prüfungsmaßstäbe. F. einen insow. eingeschränkten Prüfungsmaßstab etwa Häde, Der Staat 36 (1997), 22 f., m. w. N. Seiner Tatbestands- bzw. Schutzbereichsreduktion ("Einer völkervertraglichen Pflicht zur Auslieferung lassen sich Grundrechte ... nicht unmittelbar entgegensetzen" - "Zurücknehmen des Schutzbereichs") kann allerd. nicht vorbehaltlos zugestimmt werden: Sedes materiae d. - sachl. durchaus berechtigten - Erwägungen ist die Stufe d. Rechtfertigung bzw. die Beschränkung d. Kontrolldichte. Die v. Häde, a.a.O., 22, angeführten "gewichtige[n] Interessen des Gemeinwohls" (Bekämpfung d. internat. Kriminalität, Grds.d. VRfreundlichkeit) können damit durchaus Grundrechtseingriffe rechtfertigen - einer Reduktion d. Tatbestandes (Schutzher.) bedarf es insow. aber gerade nicht. A. die v. Häde, a.a.O., 23, angenommene Reduzierung auf "unabdingbare Verfassungsgrundsätze sowie den völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard" überzeugt so nicht: Diese Zurücknahme kann Ergebnis einer Rechtfertigungsprüfung (v. a. d. dabei vorzunehmenden Abwägung) sein, aber nicht ihr aprior. Ausgangspkt. Zuzustimmen ist Häde, a.a.O., 25 f., m. w.N., aber in seiner Feststellung, dass eine "unmittelbare Beachtung der Grundrechte ... wohl nur selten zu einem anderen Resultat führt" (25). Das entschädigt aber nicht f. das Abgehen v. gewohnten, dreistufigen Prüfungsaufbau mit seinen erwiesenen Rationalitätsgewinnen. 2049 Vgl. Art. 24-26, 32, 59, Präambel. Zur "völkerrechtsfreundlichen Grundhaltung" bzw. "Tendenz" s.a. BVerfGE 18, 112, 121; 31, 58, 75 f.; 45, 83, 97- Dt.-nl. FinV. Zur auf Art. 24-26 u. auf die Präambel gestützten Ans., dass das GG "von der Eingliederung des von ihm verfaßten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft aus[geht]", vgl.a. noch BVerfGE 75, 1, 17- Ne bis in idem im VR: Damit gebiete es "zugleich, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten". Zur "Europa-" u. "Völkerrechtsoffenheit" d. GG vgl.a. P. Kirchhof, HFR 1997, Beitr. 2, I 1 S. 4, II 1 S. 8 -noch stärkere Betonung bei der Entgegnung v. Tomuschat, HFR 1997, Beitr. 8, S. 2. Zul. etwa Dreier, DVBI. 1999, 674 f., m. w. N. 2050 Insow. ist aber a. eine mat. Konstruktion mögl., die her. bei der Best.d. anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe zu einer Abschwächung d. Bindungen gelangt. 2051 Vgl.d. Cremer, S. 282 ff., der insow. aber her. einen Eingriff mangels Zurechenbarkeit vern. will. Dieser Gesichtspunkt lässt sich i.Ü. sowohl form. als a. mat.
444 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
So kann der Beurteilung der zuständigen Bundesregierung, ob im ersuchenden Staat tatsächlich eine Grundrechtsverletzung droht oder nicht, entscheidendes Gewicht zukommen. Gleiches gilt für die Beurteilung der Frage, ob den Zusicherungen des ersuchenden Staates vertraut werden kann oder nicht. Hierbei handelt es sich allerdings um allgemeine Fragen der (verfassungs)gerichtlichen Kontrolldichte bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, 2053 welche es jedenfalls nicht rechtfertigen, vom abwehrrechtlichen Ansatz ohne Not abzuweichen. c) Schutzkonstellationen
aa) Schutz von deutschen Staatsangehörigen bzw. juristischen Personen mit Sitz in Deutschland Unproblematisch einen Fall der echten diplomatischen Schutzpflicht oder der diplomatischen Schutzpflicht i. e. S. 2054 darstellend ist die Konstellation, in der es um den Schutz von deutschen Staatsangehörigen bzw. juristischer Personen mit Sitz in Deutschland geht. Dieser Schutz besteht unabhängig davon, ob die Wirkung ausländischer öffentlicher Gewalt im Ausland oder im Inland eintritt. bb) Schutz von Ausländern bzw. juristischen Personen mit Auslandssitz ( 1) Schutz von Ausländern im Inland Grundsätzlich nicht über das - völkerrechtliche - Schutzmittel des diplomatischen Schutzes in den Griff zu bekommen ist der Schutz von Ausländern im Inland vor den Folgen ausländische?055 öffentlicher Gewalt. Hier greift aber der - allgemeine - grundrechtliche Schutzanspruch ein, 2056 der - außerhalb des Anwendungsbereichs von Deutschen(grund)rechten und einordnen. Er entspricht - (rein) innerstaatl. u. d.S.n. - den Grds.d. SchleyerE (E 46, 160 ff.). 2052 Zur Prob!. diesbzgl. Wahrscheinlichkeitsurteile s. mvpOVG, NVwZ-Beil. 8/ 1998, 82, 83. 2053 Ausf. u. rvgl. zu dieser zu!. etwa Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 409 ff. Krit. zur Rspr.d. BVerfG Elbing, S. 168 ff.; Puttfarken, RIW 1995, 618 ff.; Kranke, BerDtGesVR 38 (1998), 37; Kokott, ebd., 96 ff. Zu Parallelen zw. d. Rspr.d. BVerfG u. d.d. EuGH dies., DV 31 (1998), 364 f. (365). 20 54 Vgl. zu dieser Diff. etwa E. Klein, DÖV 1979, 40 Sp. 1; Elbing, S. 106. 2055 Der GRschutz vor der dt. öffentl. Gewalt erfolgt unprobl. in den abwehrrl. Bahnen u. stellt nachgerade eine Selbstverständlichkeit dar. Gleichwohl ausf.d. Dietlein, S. 117 ff. (118 f.). 2056 Elbing, S. 98 ff., spricht insow. v. einem "Einwirkungsanspruch".
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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dort zumindest über Art. 2 I GG2057 , bei Unionsbürgern ggf. sogar über die Deutschenrechte - aus den jeweiligen Einzelgrundrechten folgt. 2058 Hier spielt das Kriterium der Staatsangehörigkeit bzw. des Sitzes dann keine Rolle (mehr). 2059 Das BVeifG hat bei der Bundesregierung sogar schon wenn auch wohl nur über den Gedanken unbilliger Härte 2060 - angeregt, bei einem Drittstaat auf eine Änderung der dortigen Gesetzeslage (auch) zugunsten der dortigen Staatsangehörigen hinzuwirken. 2061 Eine dieser Entscheidungen betraf auch Personengruppen ausländischer Staatsangehörigkeit mit ständigem Aufenthalt in Deutschland. Rein zahlenmäßig häufiger treten naturgemäß Konstellationen auf, bei denen es um den Schutz von Ausländer gerade im Ausland geht: (2) Schutz von Ausländern im Ausland
Umstritten ist, ob und wenn ja wie weit die Bindung aller deutschen Gewalt an die Grundrechte (Art. I /II GGy2°62 in ihrer Schutzfunktion 2063 auch dazu führen kann, dass die Bundesrepublik zu einem Schutz der Grundrechte von Ausländern im Ausland2064 verpflichtet ist, 2065 eine Konstellation, in der grundsätzlich ebenfalls nicht von einer diplomatischen Schutzpflicht i. e. S. ausgegangen werden kann. Richtigerweise gibt es insoweit aber auch "nur" die allgemeinen Beschränkungen, die bei der Realisierung von Grundrechten als Prinzipien auftreten können: Rechtliche, S.d. Dietlein, S. 118 f.; Robbers, HVR § 11 Rn. 13 ff. (13, 15, 17 f.). Vgl. nur Elbing, S. 240 ff. N.d.sogl. 2059 Elbing, S. 107, sieht es insow. zumindest als "etwas in den Hintergrund gerückt" an. 2060 I.d.S. etwa Elbing, S. 114 Fn. 87. Daneben spielten eine Art Garantenstellung im untechn. Sinne ([mehr od. weniger] freiwillig übernommene "Schutzmachtstellung") sowie der Vertrauensschutzgedanke eine Rolle, weil sich die Bundesrep. d. betroffenen Personengruppe vorher "angenommen" hatte. 206 1 BVerfGE 32, 111, 129; 249, 256 -Ausschluss v. Entschädigungen f Verfolgungsschäden in Vertreibungsgebieten-1 u. -II ("Österreichfälle"-1 u. -II {"AltÖsterreicher"])- hier ist ausdr. v. einer "erhebliche[n] Härte" die Rede. 2062 Vgl.d.umf. etwa Elbing, S. 220 ff., 240 ff. Skept. zu dessen Reichweite (u.B.a. Böckenförde) Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 121: Diese Vorschr. beantworte nicht die Frage, ob den GRen über ihren individualrl. Gehalt hinaus eine objektivrl. Bedeutung als verbind!. Leitlinie allen staatl. Handeins zukomme. 2063 Zur Einsch1ägigkeit a. dieser GRfunktion i.B.a. Ausländer s. etwa Robbers, HVR § 11 Rn. 15. 2064 Und zwar entweder in ihrem eigenen od. in einem anderen Land. 2065 Restr. Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 15 ff., 36 Ls. IV. u. V. Abi. insbes. Heintzen, DVBI. 1988, 621 ff. (622, 624); ders., S. 96 ff., 120 ff. (Statusvorbehalt) - krit.d. Kranke, BerDtGesVR 38 (1998), 42. Restr. aber a. Dietlein, S. 120, 232 These 13: Nur i.H.a. die Abwehr v. Gefahren in!. Ursprungs oder beim Nachsuchen d. Ausländers um Schutz vor pol. Verfolgung a.d. Grenze. 2057
2058
446 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
insbes. völkerrechtliche (Souveränität bzw. völkerrechtliches Territorialitätsprinzip2066) sowie faktische Grenzen. Grundrechts-Optimierung ist nämlich auch eine Zielrichtung von Außenpolitik. 2067 Dies wird im Übrigen in Art. 130u Il EGV und Art. 1.1 Il 5. SpStr. EUV2068 für die gemeinschaftliche Politik der Entwicklungszusammenarbeit der EG und für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU-Mitgliedstaaten nur bestätigt. Soweit die Mitgliedstaaten - und die Gemeinschaft - einer - rechtsgrundsätzlichen - Bindung an die EMRK unterliegen,Z 069 lassen sich auch die EMRK-Garantien als (zumindest) "ethisch begründbare Optimierungsgebote" verstehen. 2070 Sie müssen auch und gerade in auswärtigen Angelegenheiten Beachtung finden. In der Praxis wird dieser Begründungsstrang indes häufig nicht gesehen.Z071 Dass der Asylgarantie eine begrenzende und weiteren Schutz ausschließende Wirkung zukommen soll, kann jedenfalls nicht angenommen werden. 2072 Häufig wirkt sich tatsächliches Schutzhandeln der Bundesrepublik im Ausland im Übrigen sowohl auf deutsche Staatsangehörige als auch auf Ausländer aus. Als Beispiel sei nur auf den ersten Einsatz der Bundeswehr zur Rettung deutscher und anderer ausländischer Zivilisten aus Tirana hingewiesen2073. 2074 Vor dieser "Premiere" waren deutsche Zivilisten auf die Dazu Robbers, HVR § 11 Rn. 16 I. S. bspw. die Disk.-Beitr. v. Frowein, VVDStRL 56 (1997), 108 f., u.H.a. Art. 1 1 2 u. 3 lll GG, sowie Tomuschat, a. a. 0., 114 f., u.H.a. die grl. Unzul. jedf. einer aktiven Unterstützung v. Regimen, die eine Diskriminierung der Frauen betreiben: Vrl. Vertr., die Apartheid stützten, seien nicht absch1ießbar. Ähnl. Pernice, a. a. 0., 117 f. A.A. Hailbronner, a. a. 0., 121 f., der das VR f. den "sachnäheren Maßstab" hält (ebenso 156). Abi. Heintzen, S. 120. Skept. zur Justiziabilität Öhlinger, VVDStRL 56 (1997), 134. Vgl.a. Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 519 ff.; Sommermann, S. 387 ff., m.z.N. F. seinen - schutzpflichtgestützten - "Einwirkungsanspruch" a. Elbing, S. 98 ff., 315. 2068 Art. 177 II EGV, Art. 11 I 5. SpStr. EUV, jew.n.Z. 2069 N.d.s. u.u. Zweiter Teil, A.II.4.b)(3). 2070 So etwa Kälin, BerDtGesVR 33 (1994), 37. 2071 (Nur) /.E. wohl richtig die Antw.d.BReg. auf die Kl.Anfr.d. Abg. Sterzing u.d. Frakt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- BT-Drs. 13/3786 -, BT-Drs. 13/3856 v. 26.2.1996, betr. das Entern d. unter nl. Flagge fahrenden (dt.) Schiffes "Altair" (Eigentümer: Greenpeace e. V.) durch Jrz. Marinesoldaten im it. Hafen v. Brindisi an!. einer Protestaktion gg. die jrz. Atomtests im Südpazifik am 25.10.1995, weil es sich hier um den grds. prob!. Fall d. Anwendung dipl. Schutzmittel v. MS zu MS handeln würde (N.d.s. u.u. Dritter Teil, H.). Die v.d. BReg. gegebenen Begr. (die BReg. sehe keinen Anlass, in Fällen tätig zu werden, bei denen ausschließ!. Dritte betroffen seien) überzeugt demggü. weniger. 20 72 So aber Dietlein, S. 120. 2073 Bei dem Einsatz v. 14.3.1997 sind 20 Deutsche u. 100 Angehörige anderer Staaten (aus insges. 22 Nationen) ausgeflogen worden. Dabei fielen ca. 250 Schuss auf alban. Bewaffnete (Privatpersonen). Zum genauen Ablauf s. F.A.Z. Nr. 64 v. 2066
2067
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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Rettung durch die Streitkräfte "befreundeter" Staaten angewiesen. 2075 Mittlerweile scheint es gängiger Praxis zu entsprechen, dass die Rückführung 17.3.1997, 2, sowie Kreß, ZaöRV 57 (1997), 330 f.; Hennsdöifer, BayVBI. 1998, 652 ff.; Epping, AöR 124 (1999), 424 f. 2074 Zu den hier nicht weiter zu vertiefenden (völker- u. verfassungs-) recht!. Prob!. s. nur ausf. Kreß, ZaöRV 57 (1997), 329 ff. (331 ff. bzw. 349 ff.); Hennsdöifer, BayVBI. 1998, 652 ff.; Epping, AöR 124 (1999), 426 ff. bzw. 457 ff., jew.m.z.N., sowie den knappen, aber präzisen Überblick v. Fastenrath, F.A.Z. Nr. 66 v. 19.3.1997, 8. Umstritten ist bspw., ob f. solche "Noteinsätze" d. Bundeswehr im Ausl. aus Gründen d. veifrl. (Pari.-) Vorbehalts ein G erforderl. ist, wie es etwa die SPD i.A.a. die Aktion eingefordert hat (F.A.Z., a. a. 0., S. I - a. A. etwa Kreß, ebd., 357 f.), u. - dem noch vorgelagert - ob es sich dabei überhaupt um einen Einsatz u. um Verteidigung i.S.d. (nach h.M. wohl anwendbaren) Art. 87a II GG handelt. Die (wg. Gefahr im Verzug einzig mögl.) Nachholung d. - nach wohl überwiegender Ans. erforderl. zust. Parlamentsbeschl. (diff. f. Aktionen v. ganz kurzer Dauer aber Kreß, ibid., 356m. w. N.) bereitet(e) demggü. keine Schwierigkeiten u. stellt(e) sich als reine Formsache dar, jedf. dann u. desh., wenn u. weil alles gut gegangen ist. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Verletzung d. Gebietshoheit d. fremden Staates bei fehlender Zust. (eine solche lag im Albanien-Fall aber wohl vor) -im Einzelfall vrl. gerechtfertigt werden kann (etwa aus Gründen d. - ihrerseits außerordentl. umstrittenen - sog. humanitären Intervention [insbes. im Falle eines sog. "failed" od. "failing state"]). Krit. zur humanitären Intervention Murswiek, Der Staat 35 (1996), 31 ff.; lsensee, JZ 1995, 421 ff., jew.m.z.N. Krit., aber grds. befürwortend Blumenwitz, APuZ B 47/94, 3 ff. Ausf. Gading, pass.; Blanke, AVR 36 (1998), 257 ff. Vgl.a. Hailbronner, in: Graf Vitzthum, VR 3. Abschn. Rn. 197 ff.; H. Maurer, JZ 1999, 694 f. Daneben kommt eine Rechtfertigung aus Gründen d. (vrl.) Notstands od. d. (weit verstandenen) Selbstverteidigung in Betracht. Der Gesichtspunkt d. humanitären Intervention kann a. zu einer tatbestandl. teleolog. Reduktion d. Gewaltverbots in Art. 2 Nr. 4 SVN führen. S.d. nunmehr a. Art. J. 7 II EUV i. d. F.d. AV ( = Art. 17 II n.Z.). Zur verwandten Frage der "ökologischen Intervention", mglw. ein Unteifall d. humanitären Intervention, die a. im grl. Zushg. gesehen werden kann, wobei sich Auslandsschutz u. Schutz vor Naturkatastrophen im Einzelfall überscheiden können, s. etwa Reimann, NuR 1997, 16 ff. m. w.N., der f. eine "staatliche Selbsthilfe" plädiert. Umf. u. diff. zum "Recht der ökologischen Einwirkung" ("ökologische Selbsthilfe" u. "ökologischer Beugezwang") Nettesheim, AVR 34 (1996), 168 ff. (176 ff., 181 ff.) m.z.N., der jedf. die Gewalt aus dem Kanon d. Interventions- bzw. Schutzmittel ausscheiden will (181, 215) u. vor den Gefahren nur symbol. intemat. UmweltpoL warnt. Zum strukturellen Zushg. zw. MR- u. ökolog. Ber. s. ebd., 193 f. Zu Unterschieden ebd., 199 ff., 206. Zur Übertragung d. Hobbesschen Sicherheitsphilosophie auf das Völker(vertrags)R s. ebd., 209. Festzuhalten ist nach alledem jedf., dass solche Schutzmaßn. (völker- u. verfassungs)rechtl. mögl. sind, ihre Unterlassung also a. Rechtfertigungslasten auslösen kann. Nach den Luftangriffen d. NATO (unter Beteiligung d. Bundeswehr) auf (Rest-) Jug. im März 1999 scheint die Frage i.d. Staatspraxis weitgehend geklärt. Vrl. könnte sich - trotz d. Proteste insbes. Russlands - allmähl. GewohnheitsR herausbilden. Allerd. Bleibt der Ausgang d. v. Jug. angestrengten Verf. vor dem IGH abzuwarten. 2075 So z. B. im Fall der elf Mitarbeiter der Dt. Welle im ruand. Kigali, die im April 1994 von belg. Fallschirmjägern evakuiert wurden, s.d. m.z.w.Bsp. Blumenwitz, APuZ B 47/94, 3 ff. Zu Maßn.d. EU i.R.d. GASP aufgr. v. Art. 1.4 II EUV (-Art. 1.7 EUV n.F. =Art. 17 n.Z.) ist diesem Ber. s. z.B. den Beschl.d. Rates v.
448 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
von Zivilisten aus Krisenregionen erstens in diplomatischer und logistischer Zusammenarbeit mit anderen Staaten erfolgt und zweitens keiner Beschränkung auf eigene Staatsanghörige unterliegt. 2076 Handelt es sich ferner bei den ausländischen Staatsangehörigen um Unionsbürger, so kann schon angesichts des EG-rechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 6 EGVl 077 keine unterschiedliche Behandlung erfolgen. 2078
Handelt es sich bei den zu schützenden grundrechtliehen Garantien ohnehin um Menschenrechte, wie bei dem im Rahmen der genannten Rettungsaktionen im Vordergrund stehenden Recht auf Leben und Gesundheit aus Art. 2 Il 1 GG, bereitet die Einbeziehung von Unionsbürgern überhaupt keine (dogmatischen) Schwierigkeiten.Z079 Sollte es einmal um explizite Deutschenrechte gehen, so kann nur um die zutreffende dogmatische Konstruktion einer Einbeziehung der Unionsbürger in den grundrechtliehen Schutz gestritten werden: Entweder legt man die Grundrechtsbestimmung (europarechtskonform) aus und versteht unter "Deutschem" (i. S. v. Art. 116 GG) auch Unionsbürger (einschließlich EG-ausländischer juristischer Personen),2080 oder man greift angesichts des zugegebenermaßen eindeutigen Wortlauts in diesen Konstellationen auf das Auffanggrundrecht des Art. 2 I GG zurück, wobei dann allerdings der Schutzstandard dem einschlägigen speziellen Grundrecht zu entnehmen ist, 2081 um insoweit EG-rechtlich unzulässige Diskriminierungen zu verhindern. 2082 27.6.1996 über Maßn. zur Evakuierung v. Staatsbürgern d. MS, wenn ihre Sicherheit in einem Drittland in Gefahr ist- sow.ersl. n.v. (vgl.d.a. die Antw.v. Kam. Van den Broek auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Dupuis - E-2324/97, ABI. C 60 v. 25.2.1998, 126 f.). 2076 S.d.zul. etwa die Rettung v. 70 Deutschen u. 140 anderen Europäern durch einen Luftwaffen-Airbus aus der eritreischen Hauptstadt Asmara v. 7.6.1998. Die Aktion war mögl. geworden, weil die it. u. andere westl. Diplomaten der äthiopReg. eine auf 13 Stunden begrenzte Nichtangriffserklärung abgerungen hatten (sog. Sicherheitsfenster). Zu den Einzelheiten vgl. F.A.Z. Nr. 130 v. 8.6.1998, 7. 2077 Art. 12 n.Z. 2078 Zu weiteren, eigenständigen Schutzanspr. aus EG-Recht s. u.u. Zweiter Teil, B.IV.3. 2079 Anders wohl Heintzen, S. 138, der über Art. 1 111 GG als "verfassungsrechtliche[n] Adapter" alle GRe aus vrl. Gründen insow. zu Deutschenrechten wandeln will, als es um den dipl. Schutz bzw. Auslandsschutz geht. Zumindest nach neuerer GemRlage dürfte das weder erforderl. noch zu!. sein. A. desh. ist der Lösungsweg über Art. 1 lll GG, den Heintzen i.Ü. verfolgt, einem demggü. direkt auf die (einzel-) grl. Schutzpflichten abstellenden nicht vorzugswürdig. Zu einem "[r]egional abgestufte[n] Grundrechtsschutz" s. aber ebd., 253 ff. (zur Mitgliedschaft i.d. Gern. als solcher i. E. indes ab!.: 256 ff. [258] - Grund f. die Privilegierung sei vielmehr die Homogenität d. Verfassungsstandards d. MS [272, 274]). 2080 Eine weitere Möglichkeit besteht i.d. Unanwendbarkeit der Deutschenklausel inf.d. Anwendungsvorrangs d. GemR (so etwa Ehlers, JZ 1996, 781 m.z.N.).
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
449
Des weiteren soll hier auch nicht verkannt werden, dass sich mit deutschen Grundrechten nicht alle und nicht einmal die meisten Probleme auf der Welt lösen lassen. 2083 Ihre dirigierende Kraft können die Grundrechte gleichwohl auch in der allgemeinen Außenpolitik entfalten. Dass bspw. nicht jeder hungernde Somalier ein definitives Recht auf Zugang zum Bundesgebiet bzw. Einreise haben kann,Z 084 dass den Belangen der konkreten Solidargemeinschaft2085 in der Bundesrepublik (unter Einschluss der bereits hier lebenden Ausländer) sogar im Anwendungsbereich der- mit universalem Geltungsanspruch ausgestatteten - Menschenwürdegarantie ein relativer Vorrang zukommen kann, ändert daran nichts. 2086 Dies entspricht viel20 8 1 Allg. f. eine Einbeziehung d. SpezialGR als wertentscheidende Grdsnorm unabhängig v. Betroffensein eines Unionsbürgers Robbers, HVR § 11 Rn. 18. 20 82 Z.StrStd. v.a. i.H.a. Art. 12 I I GG s. nur Bauer/Kahl, JZ 1995, 1077 ff. m.z.N., die - i.E. zutr. - f. den letztgen. Weg plädieren (1085). Eine "europarechtskonforme Auslegung" gg. den Wortlaut ist näml. gar keine Auslegung mehr. Einer Unanwendbarkeit d. Deutschenklausel inf.d. Anwendungsvorrangs d. EG-Rechts kann demggü. über eine europarechtskonforme Auslegung d. Art. 2 I GG i. V. m. den einschlägigen speziellen GRen vermieden werden. A.A. insow. Scheuing, in: Kreuzer u. a., S. 102 f. m. w. N., der sogar v. einer Verfassungsänderung ausgeht u. (nur) eine Textanpassung anmahnt. S.a. dens., EuR Beih. 1/1997, 50 Tz. 106 ff. Zul. etwa Dreier, DVBI. 1999, 678. 2083 Insow. zutr. die Bedenken bei Robbers, Sicherheit, S. 209; Dietlein, S. 120. 2084 Zur - vor dem Hintergrund d. Rspr.d. EuGHMR zu Art. 3 EMRK nur konsequenten - Einbeziehung v. Zurückweisungsentscheidungen a.d. Grenze Maaßen, ZAR 1998, 108 Sp. 1, 109 Sp. 2, 111 Sp. 1; Hailbronner, DÖV 1999, 623 Sp. 1, die der Rspr. selbst aber krit. ggü. stehen. A.A.offb. Zimmer, ZAR 1998, 117 f., u.H.a. die fehlende Garantie eines Rechts auf Asyl i.d. EMRK, die nur Auslieferung od. Abschiebung an deren Garantien messen will. Das ist inkonsequent (s. aber a. die - offen gelassene - Erwägung, ob die VS gg. Armut i.d. Welt vorgehen müssten, ebd., 118 Fn. 35 m.w.N.). Fragend Schermers, in: Neuwahl/Rosas, S. 125. Dietlein, S. 120, 232 These 13, beschränkt den Schutz v. vomherein auf pol. Verfolgte. 2085 Allg. zu den Schwierigkeiten d. VerfR mit der "Solidarität" u. zu deren versch. Formen Denninger, KritV 1995, 7 ff.; ders., S. 13 ff. Allg. zur "[e]inbeziehende[n] Solidarität des Staatsvolkes" P. Kirchhof, DVBI. 1999, 643 f., m.w.N., 650 f. 20 86 S.d. die Kontroverse zw. Hasso Hofmann, HFR 1996, Beitr. 6, S. 3, 5a, u. Tiedemann, ebd., Beitr. 7, S. 5 f. Während Hofmann die Menschenwürdegarantie v. vomherein auf ein wechselseitiges Staatsgründungsversprechen der hier Lebenden (aber a. der hier einmal gelebt Habenden, aber nicht der noch nicht - hier- Lebenden) reduziert, nimmt Tiedemann eine - teleolog. - Reduktion d. Schutzpflicht auf die konkrete Solidargemeinschaft vor. I.E. besteht zw. beiden f. die hier interessierende Konstellation also kein Unterschied. Einen "hinreichende[n] inländische[n] Anknüpfungspunkt" verlangend Robbers, HVR § 11 Rn. 15 f. (16 I). Vgl.a. die "Frage" v. Brugger, Der Staat 33 (1994), 641, an Denninger, insbes. S. 46, "ob eine Globalverantwortung eines jeden für jeden mehr bringt als eine nach Nähe- und Femesphären gegliederte Verantwortungsethik, die die meisten Menschen faktisch vertreten und die - aus der Sicht jedenfalls einiger philosophischer Schulen - durchaus nicht a priori defizitär ist" (s.a. dens., Der Staat 38 [1999], 477 ff. = Rez.v.
29 Szczekalla
450 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
mehr auch dem allgemeinen Eifahrungssatz, dass das Leiden eines anderen immer dann als besonders intensiv empfunden wird, wenn es sich um einen Verwandten oder besonders nahestehenden Menschen handelt. 2087 Solche regional oder sonst wie - abgestuften Solidaritäten lassen sich jedenfalls nicht in Abrede stellen und müssen bei den rechtlichen Regelungen sowie ihrer Prüfung an den Grundrechten in Rechnung gestellt werden. Schließlich entspricht die hier eingenommene Position auch völker(vertrags)rechtlichen Anforderungen, jedenfalls im Bereich der erga omnes wirkenden Menschenrechte: Hier ist jeder Staat gehalten, zumindest schweren Verletzungen derselben aktiv zu begegnen.Z088 Dies kann und muss ggf. auch durch Bestrafung der Verantwortlichen geschehen, wenn und soweit internationale Tribunale nicht zuständig sind oder ein Aufgreifen des Falles ablehnen. Ganz in diesem Sinne hat der BGH jüngst erstmals das sog. Weltrechtsprinzip 2089 auf die Strafbarkeit wegen Völkermordes ( § 220a StGB) angewandt, wenngleich er dabei in einschränkender Auslegung noch einen (im konkreten Fall gegebenen) 2090 ausreichenden Inlandsbezug verlangt hat. 2091 Letzteres soll - i. S. einer (grundsätzlich zulässigen) vorweggenommenen Abwägung - aber nur verhindern, dass Deutschland für alle einschlägigen Straftaten auf der ganzen Welt zuständig wird, eine offenkundige Überforderung der deutschen (Straf-) Justiz (und eine wenig "angeklagtenfreundliche" 2092 noch dazu). Die daneben angegebene Begründung des sog. Nichteinmischungsprinzips kann demgegenüber im Bereich zwingenden Völkerrechts nicht überzeugen. 2093 Ob diesem generellen Ausschluss der Verfolgung bei fehlendem ausreichendem Inlandsbezug nicht eine - einzelfallbezogene - Anwendung des § I 53c I Nr. 1 StPO vorzuziehen ist, soll hier nur als Fragestellung aufgeworfen, aber nicht weiter vertieft werden.
Isensee [Hrsg.], Solidarität). Diese - moralphil. - Frage kann indes a. hier nicht beantwortet werden. 2087 S.d. in anderem Zushg. BVeifG, B.v. 11.8.1999- 1 BvR 2181-2183/98 (1. K.) - n.n.v., B.II.2.a)cc)(3), S. 26 d.Umdr. 2088 Vgl. ICH, U.v. 11.7.1996- Case conceming the Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide - Preliminary Objections (BH/Jug), IGHE 1996, 595, 616 § 31 a.E., zu Art. I Völkermord-Konv. 2089 S. § 6 StGB, insbes. Nr. I. 2090 Nicht ausr. soll es demggü. sein, wenn sich bloß das Opfer später in Dtschl. aufhält, s. BGH, NStZ 1999, 236. 2091 BGH, JZ 1999, 1176 - Fall Jorgic. S.d.a. das GA f. die Vorinstanz v. Ambos, NStZ 1999, 226 ff., m.z.N. Ausf. zu vrl. Pönalisierungspflichten ders., AVR 37 (1999), 318 ff. 2092 I.S.e. prima facie-Rechts auf "heimatnahe" Aburteilung. 2093 S.d. BGH, NStZ 1999,236 m.w.N.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
451
d) Kontrolldichte
Auch nach hier vertretener Ansicht ist die Kontrolldichte in Bezug auf (unterlassene) Maßnahmen des diplomatischen Schutzes mitunter niedriger als bei anderen, rein inländischen Grundrechtsrechtsfällen. Das gilt aber sowohl für die Fälle, in denen es um eine echte Schutzpflicht geht, als auch für als Eingriffe in Grundrechte als Abwehrrechte zu beurteilende Handlungen der deutschen Staatsorgane. 2094 Grund für die häufig niedrigere Kontrolldichte sind im Wesentlichen die "Völkerrechtsfreundlichkeit" des Grundgesetzes 2095 und Besonderheiten der rechtlichen wie tatsächlichen Wechselwirkungen zwischen deutschem und internationalem Rechtsraum2096?097 Ebenso wenig hilfreich wie im rein nationalen ZusammenEbenso wohl Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 551; Elbing, S. 109 ff., 168 ff. S.d.N.o.u. b). 2096 Wenn man so will, "die Eigengesetzlichkeit der auswärtigen Beziehungen" so Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 14 m.N.; zum Einschätzungs- u. Beurteilungsspielraum sowie zu Feststellungen u. Prognosen im Ber.d. ausw. Beziehungen vgl. ebd., 19 ff. S.a. Kokott, DVBI. 1996, 947 ff.; dies., BerDtGesVR 38 (1998), 96 ff., Sommermann, S. 387 ff. Zul. umf. (monograph. u. rvgl.) Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 409-564, m.z.N.: Zur "Unbeherrschbarkeit der Fakten- und Rechtslage jenseits der Grenze" (416 ff.); zur ("richtig verstandene[n]") "political question doctrine" d. U.S.S.C., deren zugrundeliegende Gedankengänge a. v. nicht-am. Ger. angestellt werden, o. dass diese Doktrin ausdr. in Bezug genommen wird (428 ff. [429 f.], 555, 560 [These 2]). Bsp. aus der Rspr.: BVerfGE 97, 350 ff. [insbes. 377], best. durch BVerfG, NJW 1998, 3187 f.). Zum ir. Recht s. Morgan, Irish Times v. 20.2.1998. Die political question doctrine stellt keinen monolith. Block dar, sondern besteht aus einem Bündel v. Fallgruppen, bei denen die gerl. Kontrolldichte zurückgenommen ist (u. a. beim Fehlen recht/. [i.S. gerl. auffindbarer u. handhabbarer] Maßstäbe; bei [nachweisbaren verfassungstextl.] Zuweisung einer best. Entsch. an eine gleichgeordnete Gewalt [bspw. in Art. 32, 59, 87a GG]; bei Unmöglichkeit einer Entsch. o. vorhergehende pol. Festlegung, welche eindeutig nichtrichterl. Ermessen überantwortet ist; bei Unmöglichkeit einer Entsch., o. auf vrl. Ebene gleichsam "doppelzüngig" zu erscheinen, weil sich die außenpoL zust. Staatsorgane ber. [anderweitig] festgelegt haben). Gg. die Einführung (u. damit erst recht gg. die Geltung) dieser Doktrin in Dtschl. aber BMJ, S. 20, 133 f. (134): U.a. sei eine praktikable Definition der "political question" kaum zu finden. I.Ü. entspreche dies a. nicht dem Verständnis d. GG, demzufolge jeder Zuweisung einer Aufgabe eine Verpflichtung zu deren W ahmehmung korrespondiere. Die Kom. geht indes - anders als hier v. einem engen Verständnis d. Doktrin aus. 2097 Ausdr. a. A. aber Pemice, VVDStRL 56 (1997), 118, der das "Innen- und Außenschema" zugunsten der Annahme einer öffentl. Gewalt in einem "Mehrebenenmodell öffentlicher Aufgabenwahrnehmung und Kompetenz" aufgeben möchte. Dagg. Hailbronner, a.a.O., 122. Fragend Alexy, a.a.O., 140 f., der eine eingeschränkte Kontrollkompetenz des BVerfG dann annehmen will, wenn es ein (formelles, ps) "Prinzip der außenpolitischen Handlungsfreiheit" gebe, das sich auf Bestimmungen od. Normen d. Grundgesetzes zurückführen lasse, der die Existenz od. Geltung eines solchen Prinzips aber offen lässt. Hailbronner, a. a. 0., 155, führt 2094 2095
29*
452 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
bang ist hier allerdings der Begriff der richterlichen Selbstbeschränkung?098 Es geht nicht um ein freiwilliges Zurücknehmen grundsätzlich unbegrenzter Kontrollmöglichkeiten, sondern um die Ermittlung und Beachtung bestehender, funktionellrechtlicher Grenzen zwischen Fach- oder Verfassungsgerichtsbarkeit und den im völkerrechtlichen Verkehr zuständigen Organen, regelmäßig der Bundesregierung 2099 .2100 Sind Grundrechte einschlägig, kann im Übrigen das in Bezug auf manche Maßnahmen der auswärtigen Gewale 101 beobachtete Fehlen verfassungsrechtlicher Vorgaben keine Rolle spielen.Z 102 Jedenfalls liegt dann eine Grundrechtsverletzung vor, wenn aufgrund einer erkennbar falschen völkerrechtlichen Analyse ein bestehender außenpolitischer Handlungsspielraum nicht ausgeübt wird. 2103 Das läuft immerhin auf eine Vertretbarkeitskontrolle hinaus.Z 104 e) Schadensersatz und Entschädigung
Bei rechtswidriger und schuldhafter Nichtgewährung diplomatischen Schutzes kommen Amtshaftungsansprüche gem. § 839 BGB in Betracht. 2105 dazu Art. 32 I u. 73 Nr. I GG an.F. eine Fallgruppenbildung Bothe, a.a.O., 147, 149. 2098 Ebenso, Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 12 ff. (13) m.w.N., 35 Ls. II (s. aber ebd., 19, wo ausdr. v. "Selbstbeschränkung" die Rede ist; s.a. Giegerich, ZaöRV 57 [1997]. 484: "kluge richterliche Zurückhaltung"). 2099 Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 10m. w.N. ("der eigentliche außenpolitische Akteur"), 12. Vgl.a. Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 500 ff., m. w.N. 2100 Zur Ausweitung d. Kreises d. Verpflichteten s. aber a. Eilers/Heintzen, RIW 1986, 621 Sp. 2 (f. die allg. Verw-, insbes. die Steuerbehörden in Auskunftssachen), u.H.a. Art. 1 III GG. Ebenso Heintzen, S. 141; Elbing, S. 116 m.Fn. 103 a.E. 2101 Zum Begr. s. nur Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 415 f. 2102 Vgl.d. Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 13 (u.H.a. die Frage d. Anerkennung ausl. Staaten u. Regierungen od. d. Ausdehnung dt. Hoheitsgewässer), 14. Im Einzelfall können solche Akte indes doch einmal GRrel. sein od. werden: So kann sich die Ausdehnung dt. Hoheitsgewässer als eine a. grl. gebotene Schutzmaßn. i.H.a. die Bekämpfung v. Ölverschmutzungen erweisen, die dt. GRträgem u. U. wirtschl. das Überleben sichern (z. B. Krabbenfischem, Hoteliers a.d. Küste etc.). Gleiches gilt f. die Anerkennung eines ausl. Staates, wenn damit a. grl. geschützte Rechtspositionen Einzelner (Eigentum) entwertet werden. Tend. gg. eine GRrelevanz v. Rechtsakten auf dem Gebiet d. VR, weil diese die Rechtssphäre d. Einzelnen nicht berührten, aber J. Ipsen, StaatsR II Rn. 108, u.H.a. das MaastrichtU (BVerfGE 89, 155) u. Art. 38 GG allerd. relativierend. 2103 So etwa Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 23, sow. in seinem Disk.-Beitr., a. a. 0., 125; 157, jew.m. Krit. u. a. am HessE (E 55, 349, 367 f.). Hailbronner plädiert i.Ü. f. eine Vertretbarkeitskontrolle d. Abwägung u. Prioritätensetzung (24 f.). 2104 S. Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 433 ff. (433), m.z.N.; Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 24 f. 2105 Vgl.d. nur Eilers/Heintzen, RIW 1986, 625 Sp. I; Murswiek, UPR 1986, 375 f.,jew.m.w.N. Restr.d. BGH, NJW 1971,187,187 -Zuckerein- u. -ausfuhr aus
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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Kann ein Einzelner dagegen wegen des von den Gerichten zu beachtenden außenpolitischen Handlungsspielraums diplomatischen Schutz im Einzelfall ganz oder teilweise 2106 nicht erlangen, so muss er -jedenfalls bei entsprechender Schwere oder im Falle eines Sonderopfers - eine angemessene Entschädigung erhalten? 107 Dies entspricht dem jahrhundertealten deutschen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach die Aufopferung privater Rechtspositionen im Allgemeininteresse (hier: keine Störung des allgemeinen außenpolitischen Klimas bzw. Interesse an [weiterhin oder wieder] guten Beziehungen zu einem anderen Staat) die Pflicht zur Leistung einer angemessenen Entschädigung auslöst. 2108 Ob man die Verweigerung (bestimmter Maßnahmen) des diplomatischen Schutzes als im Einzelfall materiell rechtmäßii109 oder rechtswidrig, 2110 im letzteren Fall aber als nicht gerichtlich kontrollierbar ansieht, ist demgegenüber unerheblich 2111 . 2112 der SBZ (lnterzonenhandelsbesprechungen); OLG Köln, OLGZ 92, 457, 462: Keine Pflicht zum Einsatz dipl. Druckmittel wg.d. weiten Ermessensspielraums. 2 106 D.h. bezogen auf best. Schutzmittel. 2107 Ähnl. die Lösung v. Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 541, 553 ff., 558, 564 (These 10), der auf den Gesichtspunkt d. Schutzversagung "im Allgemeininteresse" verweist. Vgl.d.a. - restr. - Elbing, S. 109 m.Fn. 64, 123 ff., der beim erfolglosen Verbrauch eines Schutz-Mittels o. Rücksicht auf die Gründe f. diese Erfolglosigkeit eine Umwandlung d. Einwirkungs- in einen Entschädigungsanspr. ausschließen will. 2108 Murswiek, Verantwortung, S. 117 m.Fn. 52 u. w.N. a. zur GgAns.; ders., UPR 1986, 376 f.; Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 554 f. m.Fn. 447 u. w.N. sowie u.H.a. §§ 74, 75 EinlPrALR; Stein, EuZW 1998, 263 Sp. I. Allg.zul. Stangl, JA 1998, 479 ff. Zur ähnl. neueren Rspr.d. frzCE s. nur C. Lerche, in: Frowein. S.a. noch - im gemrl. Kontext - Fines, in: Heuke1s/McDonnell, S. 26 f.; Bronkhorst, ebd., S. 156 f.; Edward/Robinson, a.a.O., S. 348 f.; Pemice, CDE 31 (1995), 656, jew.m. w. N. N.d.s. u.u., Zweiter Teil, B.IV.3.c)dd). 2109 Dann grds. Anspr. aus Aufopferung od. enteignendem Eingriff. S.d. etwa Murswiek, UPR 1986, 376 f. 2110 Dann grds. Anspr. aus aufopferungsgleichem od. enteignungsgleichem Eingriff. Vgl.d. nur Murswiek, UPR 1986, 376. Die (sprachl.) Unterscheidung zw. aufopferungs- u. aufopferungsgleichem Eingriff ist anges. ans. gleicher Tatbestandsvoraussetzungen u. Rechtsfolgen an sich entbehrt. (s. Stangl, JA 1998, 480) - sie wird hier nur aus Systematisierungsgründen u. um d. semant. Gleichlaufs willen vorgenommen. 2111 Auf Einzelpositionen in diesem Streit kann hier nicht eingegangen werden. Vgl.d. nur E. Klein, in: Ress/Stein, S. 133, der bei einer rechtmäßigen Verweigerung dipl. Schutzes entschädigungsrl. Konsequenzen abl., weil es an einer i. R.d. Aufopferung denknotwendigen, eingriffsfahigen Rechtsposition fehle, u. der dementspr. a. ein Sonderopfer vern. (in den v. ihm angesprochenen, v.d. Rspr. abschlägig entschiedenen Fällen hält er aber die Ermessensausübung f. rechtswidrig u. kommt schon v. daher zu einer Haftung). Diff. u. insow. a.A. Murswiek, ebd., S. 141 f. (142), der einen Aufopferungsanspr. bei einer v. vornherein bestehenden Unmöglichkeit d. Realisierung d. im Wege d. dipl. Schutzes durchzusetzenden (vermögensrl.) Anspr. vern., während ein solcher bei bloßer Rücksichtnahme auf das "außenpolitische Klima" sehr wohl bestehe. Ähnl.ber. ders., Verantwortung, S. 117
454 I. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
4. Schutz vor "Natur"-Katastrophen und Generationenschutz
Auch beim Schutz vor "Natur"-Katastrophen handelt es sich - ebenso wie beim soeben erörterten diplomatischen bzw. Auslandsschutz - um einen Fall der "echten" Schutzpjlicht, der vom abwehrrechtlichen Ansatz nicht eingefangen werden kann. Einem definitiven Anspruch auf bestimmte, überwiegend tatsächliche Schutzmittel (vor allem Geld oder Sachleistungen, z. B. für Maßnahmen des Küstenschutzes) stehen in der Regel die engen finanziellen Spielräume des Staates entgegen, der seiner Verantwortung für den Staatshaushalt als Ganzen 2113 nachzukommen hat. "Heiße" Grundrechtsfälle wird man hier also kaum zu gewärtigen haben. Immerhin können schutzrechtliche Erwägungen aber Begründungs- und Rechtfertigungslasten auslösen sowie - insbes. im Bereich des Küstenschutzes - Gegengründe für sonstige, etwa umweltschutzrechtliche Pflichten abgeben. Schließlich lässt sich auch der Generationenschutz nicht über eine abwehrrechtliche Lösung einfangen, weil es an einem Rechtssubjekt fehlt. Sofern also nicht eine Gemengelage zwischen bereits hier und heute betroffenen Grundrechtsträgern und erst später geborenen Generationen besteht, weil die einschlägigen Gefahren oder Risiken nahezu identisch sind, muss es auch hier bei der Schutzpflicht-Konstruktion bleiben. 5. Die Wahrung des Gestaltungsspielraums von Gesetzgebung und Verwaltung durch die Gerichtsbarkeit, insbes. durch die Verfassungsgerichtsbarkeit
Kritik wird am abwehrrechtlichen Ansatz v. a. auch deshalb geübt, weil er den politischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers schmälere. Das gelte zwar auch für den Schutzpflichten-Ansatz,2 114 doch führe die zugegebenermaßen "präziser[e]"2115 Konstruktion über die Abwehrrechte mit ihrer totalen Zurechnung jedweden privaten Verhaltens an den Staat zu einer völm.Fn. 52; ders., UPR 1986, 376 f. Einen Anspr. aus Aufopferung abl. eine Kammer d. BVeifG, IFLA 1994, ll f. Vgl. zum Ganzen ber. E. Klein, DÖV 1977, 708, 710 m. w.N.z.StrStd., u. - in Entgegnung auf Treviranus, DÖV 1979, 35 ff. - DÖV 1979, 39 f. 2112 Mit aller Vorsicht kann hier BVerfGE 84, 90, 128 ff., angeführt werden, wo das Ger. den Gesetzgeber immerhin zur internen Milderung individualbelastender außenpoL Maßn. im Wege d. Nachbesserung verpflichtete, weil diese Maßn. wg. ihrer externen Komponente nicht der alleinigen Entscheidungsgewalt d. dt. Reg. unterlegen hätten u. im Allgemeininteresse zur Erreichung eines Verfassungszieles (Wiedervereinigung als Verfassungs gebot) hinzunehmen gewesen seien, i. d. S. etwa Giegerich, ZaöRV 57 (1997), 409, 437, 446, 541. 2113 Vgl.d. nur BVerfGE 92, 26, 47. 2114 S. insow. Enders, Der Staat 35 (1996), 361; Seegmüller, DAR 1996, 349 Sp. I; Determann, S. 123. 2 115 So explizit Enders, Der Staat 35 (1996), 361 Fn. 55.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
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Ligen Überforderung vor allem des Gesetzgebers bzw. zu seiner absoluten Entbehrlichkeit. Die Verfassung mutiere von einer bloßen Rahmenordnuni116 zum "allgemeinen Gesetzbuch", welches das Gemeinschaftsleben umfassend und unmittelbar bis hinein in die Beziehungen der Individuen untereinander durchnormiere. 2117
Hinter diesen Bedenken steht der allgemeine Streit zwischen dem sog. Konstitutionalismus und dem sog. Legalismus. 2118 Während für ersteren die Verfassung die inhaltliche Mitte des Rechtssystems, gleichsam die "Zivilreligion" im weitgehend säkularisierten Staat darstellt, ist sie für zweiteren "nur" die Ermächtigung bzw. Rechtsgrundlage und der Rahmen für das sog. einfache Recht. Dabei geht es letztlich wiederum um eine Art Glaubensfrage. Unbestritten dürfte nämlich sein, dass sich jegliches staatliche Verhalten auf die Verfassung stützen muss, in ihr also die - erforderliche Rechtsgrundlage findet. Insofern ist die Gegenüberstellung von RahmenOrdnung und Sinn-Mitte missverständlich. Im Ergebnis geht es deshalb "nur" um die Frage der Existenz eines - "gewissen" - Gestaltungsspielraums für die staatlichen Akteure. Ein solcher Spielraum kann aber unabhängig von der Konstruktion der Grundrechte als Abwehr- oder als Schutzrechte bestehen. In beiden Fällen verlangen nämlich Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip als formelle Prinzipien Berücksichtigung.Z 119 Damit dürfte klar geworden sein, dass der Einwand des Gestaltungsspielraums die abwehrrechtliche Lösung nicht wirklich trifft.
211 6 Allg.d. m.z.N. W. Roth, AöR 121 (1996), 570 ff. ("Rahmencharakter des Grundgesetzes", "nur gewisse ,äußerste Grenzen' und Mindeststandards", "Minimum"); Grimm, in: ders. u. a., S. 12 f. ("Grundordnung, die sich auf die Festlegung von Ziel und Rahmen der Politik beschränkt" [12], "Grund- oder Rahmenordnung" [13]). Krit. zu diesbzgl. Veränderungen im Gefolge der "Ausschweifungen bei der Verfassungsauslegung" Starck, in: ders., Rangordnung, S. 32 ff. ("Verdichtung der Rahmenordnung" u. ," Verfassungsvollzug' !"), 34 (potenzielle Vergrundrechtlichung d. ges. PrivatR durch die Schutzpflichten); krit.a. Rebhahn, Gefahrenabwehr, S. 127 ff.; Störmer, DV 30 (1997), 250 ff.; P. Kirchhof, KAS-AI 08/97, 23; Scherzberg, DVBI. 1999, 363; Hoffmann-Riem, DVBI. 1999, 658. 2117 So Enders, Der Staat 35 (1996), 361 f. (H.i.O.). Die Krit. von Enders bezieht sich allerd. wohl nur auf den Zwang, tatsächl. Interessenkonflikte zw. Priv. in VerwRverhältnisse umwandeln u. Privatinteressen gerade in der Form subj. öffentl. Interessen schützen zu müssen (376), also auf den Zwang zu einem best. normativen Schutzmittel. Ungeachtet staatl. Erlaubnisse sei der Adressat v. Beeinträchtigungen überhaupt nicht rechtlos gestellt- im blieben zivrl. Ansprüche(§§ 823, 1004 BGB), ggf. a. das NotwehrR aus § 32 StGB (376 f. Fn. 132). Dazu, dass aus der Schutzpflicht aber mehr folgt, als den Betroffenen bloß "nicht rechtlos" zu stellen, s. BVerfGE 73, 118, 201. 2118 S.d. nur Dreier, S. 53 f. m.w.N.; Alexy, AöR 121 (1996), 155 f. 2119 Vgl. wiederum Alexy, AöR 121 (1996), 158.
456 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
6. Untauglichkeit eines Abwehrrechtsmodells beim Handeln unter Ungewissheitsbedingungen?
Gelegentlich wird behauptet, das ein Abwehrrechtsmodell dem Handeln unter Ungewissheitsbedingungen von vomherein nicht gerecht werden könne? 120 Erforderlich sei vielmehr eine "organisationale[ ... ] und prozedurale[ ... ] Dimension".Z 121 Dieser - grundrechtstheoretische 2122 - Einwand trifft die - grundrechtsdogmatische 2123 - Abwehrrechtslösung indes nicht: Auch diese kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Kategorien von Organisation und Veifahren i.S. einer Eingriffskompensation einfangen und Risiken verarbeiten. Sie hat im Übrigen den Vorteil, dass der Einzelne als Individuum und Grundrechtsträger im Mittelpunkt der Prüfung bleibt und nicht in "Relationen und Netzwerken" verschwindet. 2124 7. Folgeprobleme
Abschließend sei noch auf einige Folgeprobleme hingewiesen, deren endgültige Lösung in dieser Arbeit nicht angestrebt werden soll, weil sie einer eigenständigen, bereichsdogmatischen Aufarbeitung fähig und bedürftig sind. Dabei handelt es sich vor allem um Probleme, die aus der Anwendung einzelner Absätze des Art. 19 GG sowie etwaiger (qualifizierter) Gesetzesvorbehalte resultieren. (Nahezu) Von selbst dürfte sich hier jedenfalls verstehen, dass das Zitiergebot (Art. 19 I 2 GG) auf diejenigen Fälle keine Anwendung finden kann, die nach herkömmlicher Dogmatik keiner (klassischen) abwehrrechtlichen Lösung zugeführt wurden und werden.Z 125 Das lässt sich auf verschiedene Weise begründen. Am überzeugendsten erscheint insoweit der Hinweis auf die Vorstellung der Veifasser des Grundgesetzes, die in der Tat einem "eingeschränkten" abwehrrechtlichen Grundrechtsverständnis verhaftet waren und genau dafür das Zitiergebot vorgesehen hatten. Eine einschränkende Auslegung dieser Bestimmung ist schließlich auch aus der Rechtspre2120 S. Ladeur, KJ 1986, 197 ff. (insbes. 199 ff.) - in Auseinandersetzung mit Schlink, EuGRZ 1984, 457 ff. 2121 Ladeur, ebd., 204. 2122 Gemeint ist ein die Fallbearbeitung transzendierendes Gesamtkonzept i. S. v.o., A., vor I, Fn. 5. 2123 Hier i.S. einer Fallbearbeitungsanleitung verstanden. 2124 So aber der Perspektivenwechsel bei Ladeur, ibid., 206, der indes "die Ebenen der liberalen und der sozialstaatliehen Modeliierung des Rechtssystems nicht verschwinden" lassen will. (Berechtigte) Krit. an solchen systemtheoret.-autopoiet. Ansätzen bei Denninger, S. 31 f., m. w. N. 2125 F. die Schutzpflichten i. E. ebenso Hermes, S. 260 f. A.A. etwa Dietlein, s. 116.
C. "Neu"-Ansatz: Rückbesinnung und Reduktion
457
chung des BVeifG bekannt? 126 Letztlich müsste ansonsten jegliche gesetzliche Regelung, die dem Ausgleich von Interessen verschiedener Grundrechtsträger dient, 2127 die betroffenen Grundrechte ausdrücklich benennen. Da dies bei - fast - allen Gesetzen der Fall ist, würde es sich um eine bloße Förmelei handeln, wollte man vom Gesetzgeber verlangen, in jedem einzelnen Fall - womöglich sogar beim bewussten Abstandnehmen von einer konkreten Regelung zugunsten einer Lösung über Generalklauseln2128 - die fraglichen Grundrechte aufzuzählen. In eindeutigen, d.h. den sog. "klassischen" Eingriffsfällen (rechtlicher Hoheitsakt - mit Befehl und Zwang angeordnet oder durchgesetzt - unmittelbar - final - regelnd) 2129 verbleibt es demgegenüber bei der Geltung des Zitiergebots, auch wenn diese Eingriffe zum Schutz der Grundrechte anderer erforderlich sein mögen. 2130 Allenfalls für eine Übergangszeit kann hier etwas anderes gelten? 131 Gut verdeutlichen lässt sich die eingeschränkte Anwendung des Zitiergebots an einer jüngeren Kammer-Entscheidung des BVeifG, 2132 die (noch) über das - allerdings moderne - Eingriffsschema (mittelbarer Eingriff) gelöst wird, aber in deutlichem Schutzpflicht-Zusammenhang steht: Das gesetzliche Verbot altruistischer (Organ-) Fremdspenden unter Lebenden (einschl. sog. Überkreuz-Spenden) aus § 8 I 2 TPG ist danach nicht wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot aus Art. I 9 I 2 GG - formell - verfassungswidrig. Denn das Zitiergebot finde nur Anwendung auf Grundrechte, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürften, und gelte darüber hinaus nur für Gesetze, die darauf abzielten, ein Grundrecht über die in ihm selbst angelegten Grenzen hinaus einzuschränken. Als Formvorschrift bedürfe es einer engen Auslegung, wenn diese nicht zu einer leeren Förmlichkeit erstarren und den die verfassungsmäßige Ordnung konkretisierenden Gesetzgeber in seiner Arbeit unnötig behindern solle. Im konkreten Fall liege im Hinblick auf den potenziellen Organempfänger mangels Adressatenstellung jedenfalls kein zielgerichteter und unmittelbarer Eingriff in Art. 2 /I I GG vor. Im Übrigen, d. h. soweit Dazu sog!. anh. eines Bsp. Zu dieser ratio d. Zitiergebots s. etwa BVerfGE 85, 386, 403 f. 2128 Zu derem Einsatz i. R.d. abwehrrl. Lösung s. Griller, JBI. 1992, 218 Sp. 2. 2129 Dass es den "klassischen" Eingriff bist. so nicht gegeben hat (s. W. Roth, S. 7 ff. [29 ff.]), steht der trad. Anknüpfung nicht entgg., berücksichtigt sie doch den Zeithorizont der Verfasser des Grundgesetzes. 2130 Vgl. wiederum BVerfGE 85, 386, 403 f. Abw. W. Roth, S. 453 ff. (461 ff.), 515 ff., 670 ff., f. echte "Grundrechtskollisionen", f. die der Gesetzesvorbehalt nicht gelte. 2131 Dazu ebf. BVerfGE 85, 386, 400 ff. 21 32 BVerfG, B.v. 11.8.1999 - 1 BvR 2181-2183/98 (1. K.) - n.n.v., B.Il.l.a), S. 18 f. d.Umdr., m. w. N. 2126 2127
458 1. Teil: Die sogenannte grundrechtliche Schutzpflicht im deutschen Recht
der potenzielle Transplantationschirurg als Adressat der - auch strafbewehrten - Norm betroffen sei, liege deshalb kein gezielter und gewollter Eingriff vor, weil die Regelungen des Transplantationsgesetzes eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit weder durch den Staat noch durch Dritte zu ermöglichen oder sogar zu befördern, sondern im Gegenteil sogar zu verhindem suchten. Dem Gesetzgeber gehe es nicht darum, um bestimmter Ziele willen die geschützten Grundrechtsgüter zu beeinträchtigen. Seine Regelungen seien vielmehr von dem letztlich lebens- und gesundheitsschützenden Ziel getragen, durch einen klaren rechtlichen Handlungsrahmen Rechtsunsicherheiten auszuräumen und die dadurch bedingte Zurückhaltung bei der Organspende zu überwinden. Zusammenfassend lässt sich insoweit wohl festhalten, dass das Zitiergebot dann keine Anwendung findet, wenn der Grundrechtsschutz selbst im Vordergrund steht und andere Grundrechtsgüter nicht final, genauer: unter Ausschluss notwendiger und damit eigentlich mitgewollter Effekte, beeinträchtigt werden. Mit dieser Argumentation lassen sich sicherlich die weitaus meisten Schutzpflicht-Fälle, die nach dem hiesigen Ansatz als Abwehrrechtsfälle eingeordnet werden, an den formellen Klippen des Zitiergebots vorbeisteuem. Die Abwehrrechtslösung wird an ihm jedenfalls nicht scheitern.
"And you all know security Is mortals' chiefest enemy" William Shakespeare (Macbeth, 3. Akt/ Aufzug, 5. Szene/Auftritt) 1
Zweiter Teil
Die Schutzpflicht im europäischen Recht A. Grundrechte im europäischen Recht Die Gründungsverträge der Gemeinschaft enthalten keinen geschriebenen Grundrechtskatalog. 2 Diesbezügliche, v. a? deutsche Forderungen haben sich zunächst auch im Amsterdamer Vertrag nicht durchsetzen können, weil die Mehrheit der Mitgliedstaaten damals eine breitangelegte "Verfassungsdiskussion" scheute. 4 "Grundrechtskataloge" werden von interessierter Seite zwar immer wieder ent- und (im Laufe der Zeit offenbar) verworfen, 5 haben insoweit aber nur eine rechtspolitische, allenfalls argumentationsstützende Bedeutung. Ein wenig erfolgversprechender scheinen jetzt die Arbeiten an einer "Grundrechtscharta" zu sein, die unter deutscher Präsident1 The Complete Oxford Shakespeare, Vol. III. Tragedies, Guild Publishing, London 1990, S. 1307, 1323 Sp. 2 Z. 31 f. (Hecate). Dt. etwa: "Denn, wie ihr wißt, war Sicherheit/Des Menschen Erbfeind jederzeit." (so jedf. die "klassische" Übersetzung v. Ludwig Tieck [Dorothea Tieck], Shakespeares sämtl. Werke, Bd. VII, Gutenberg-Verlag, Harnburg o.J., S. 289, 329 Z. 32 f.). 2 Zu den (mögl.) Gründen s. nur Emmert § 23 Rn. 1 ff. 3 Zur "querelle "-Prob!. s. o.u. Ein!., A.II., bei Fn. 13. 4 Vgl. N. Riede/, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 82 f. (83); Astola Madariaga, CED Num. 1811998, 139, sowie- krit.- Hilf!Pache, NJW 1998, 1706 Sp. 2, 712 Sp. 1 a.E.; Van der Klaauw, in: Hutter u.a., S. 45 ff.; Entschl.d. EP v. 19.11.1997 - A 4-0347/97- zum Vertr. v. Amsterdam, EuGRZ 1998, 69 ff.- AV-Entschl., mit dem - a. insow. - krit. De Vigo- u. Tsatsos-Ber. über den Vertr. v. Amsterdam v. 5.11.1997, ebd., 72, 76 f. Rn. 31, 34 (insbes. II). Positiver Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 10 ff.; Ber.d. Expertengruppe "Grundrechte", S. 9 f., 11 f. (zur Krit.: ebd., s. 13 ff.). Der AV (zit. nach ABI. C 340 v. 10.11.1997; a.abgedr. in Bull. 94 v. 27.11.1997, 1089 ff.) ist am 1.5.1999 in Kraft getreten (s. Mitt. über den Zeitpunkt d. Inkrafttretens d. Vertrages v. Amsterdam, ABI. C 120 v. 1.5.1999, 24). M.Ausn.d. Überschriften im Text, wo die alte Fass. in Klammem gesetzt worden ist (ex), werden die Vorschr. im Folgenden nach dieser alten Fass. zit., um so besser an die im Wes!. hier verwertete, (noch) "alte" Rspr. u. Lit. anknüpfen u. auf Neuerungen aufmerksam machen zu können. Die neue findet sich jew. in den Fn., wobei Änderungen mit "n. F. ", die bloße Umnummerierung mit "n.Z." gekennzeichnet werden. 5 Der bis dato jüngste Entwurf eines GRkatalogs stammt v. Preuß (abgedr.m. Einf.-Aufs. u. -kommentierung in KJ 1998, 1 ff.)
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
schaft im Juni 1999 angestoßen wurden. 6 Die Entwicklung bleibt insoweit abzuwarten, zumal erhebliche Differenzen über die (künftige) Konkurrenz zur EMRK bestehen7 und zunächst, wahrscheinlich Ende 2000, nur eine rechtlich zumindest nicht strikt verbindliche, feierliche Proklamation des neuen Textes geplant ist. Jedenfalls bedarf es einer Charta im Zusammenhang mit den hier zu erörternden Schutzpflichten nicht etwa deshalb, weil erst durch ein solches geschriebenes Dokument gemeinschaftliche Schutzpflichten generiert werden könnten. 8 Schließlich enthält auch das Grundgesetz nur vereinzelt ausdrückliche Schutzpflichten. Die Herausarbeitung ihrer jeweiligen konkreten Gestalt setzt immer eine entsprechende interpretatorische Leistung voraus, die einem Interpreten auch ein geschriebener Text nicht abnehmen kann. 9 Gefährlich dürfte indes die verschiedentlich in zeitlichem Zusammenhang mit dem Charta-Projekt erhobenen Forderung nach einer zahlenmäßigen Erhöhung der - "amtlichen" 10 - Grundrechtsinterpreten durch Schaffung eines zusätzlichen Gerichtshofes für Grund- und Menschenrechte neben dem EuGH sein. 11 Auch wenn die Realisierung dieser Forderung nicht unbedingt die Errichtung eines weiteren Gerichtes als "Konfliktgerichtshof' mit einer Art Recht des letzten Wortes zur Folge haben muss, 12 würden derlei gerichtsverfassungsrechtliche Änderungen bzw. Auswüchse die Rechtsschutzzeiten doch zu sehr in die Länge ziehen; vollkommen ausreichend wäre eine dem Subsidiaritätsgrundsatz entsprechende allerletzte Kontrolle durch den - inzwischen reformierten - Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, 13 der neben, aber grundsätzlich nach Landes- und mitgliedstaatliehen (Verfassungs-) Gerichten sowie EuG 6 S.d. Eur. Rat, B.v. 4.6.1999, EuGRZ 1999, 365 f. - EU-GRC-Beschl., sowie zur Arbeitsstruktur d. Gremiums EuGRZ 1999, 615. Vgl.a. die Referate u. Diskussionen in Eur. Gespr. 211999. Ausf.d. Rengeling, F.A.Z. Nr. 166 v. 21.7.1999, 13; Di Fabio, F.A.Z. Nr. 268 v. 17.11.1999, 11; Schwarze, DVBI. 1999, 1684 f. S.a. Pemice, F.A.Z. Nr. 154 v. 7.7.1999, 7; dens., 36 CML Rev 1999, 735 ff. Krit. ("Keine Notwendigkeit") Heydt, EUmagazin 7+811999, 25 ff., der f. eine "Fußnotenlösung" plädiert, sowie Gimbal, F.A.Z. Nr. 276 v. 26.11.199, 48 (LB), die eine textl. Übernahme d. EMRK u. deren Kontrolle durch den EuGHMR vorschlägt. Der Charta nicht mehr als eine bloß symbol. Bedeutung beimessend der EuGH-Präs. Rodriguez Iglesias im Gespräch mit der öst. Tageszeitung PRESSE v. 22.10.1999. Vors.d. Gremiums ist i.Ü. der ehemalige dt. Bundes- u. BVerfG-Präs. Roman Herzog. 7 S.d. Smonig, PRESSE v. 24.9.1999. Vgl.a. Gelinsky, F.A.Z. Nr. 225 v. 28.9.1999, 16. 8 S. aber Di Fabio (Fn. 6); Sp. 4 - krit.d. Gimbal, ebd. 9 Ähnl. jüngst Schwarze, DVBI. 1999, 1685 Sp. l. 10 In Gegenüberstellung zum Einzelmenschen als eigenständigem GRinterpreten i.S. Häberles. 11 S. z. B. Di Fabio (Fn. 6). 12 In diese Richtung aber die Krit.v. Doehring, F.A.Z. Nr. 286 v. 8.12.1999, 10 (LB), an Di Fabio.
A. Grundrechte im europäischen Recht
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und EuGH auch in der und für die Gemeinschaft über die gemeinsamen Grundrechte aus der EMRK wacht. Die Gemeinschaftsgrundrechte i. e. S., also die Grundrechte der Europäischen Gemeinschaften, können schon heute verschiedenen Rechtsquellen 14 entnommen werden und werden dies auch seit langem: 15 Zum einen kann zwischen vertraglichen, also geschriebenen, und sonstigen, ungeschriebenen Grundrechten differenziert werden. 16 Letztere bestehen aus den sog. allgemeinen Rechtsgrundsätzen, einer eigenständigen Rechtsquelle des Gemeinschaftsrechts, die vor allem aus den Rechtserkenntnisquellen der mitgliedstaatliehen Verfassungsordnungen und völkerrechtlichen Verträgen gespeist wird. 17 I. Geschriebene Grundrechte In Rechtsprechung und Literatur wird die Entwicklung von Grundrechten aus bzw. in Anlehnung an geschriebenes Gemeinschaftsrecht eher selten vertieft. 18 Gleichwohl gibt es hier eine Reihe von Ansatzpunkten, die es 13 Zum neuen Rechtsschutzsystem nach dem 11. ZP EMRK (ETS No. 155) s.d.N.o., Einl., A.III., Fn. 52. 14 Zu den versch. Rechtsquellenbegriffen (rechtssoziolog., -phil. u. -theoret.) s. zul. nur Ostertun, S. 152 m. w.N., sowie Röhl, S. 537 ff. Hier wird ein rechtstheoret. Rquellenbegr. zugrundegelegt, der nach dem Erkenntnisgrund f. das geltende R fragt u. nicht nach den gesellschaftl. Ursachen (rechtssoziolog.) od. nach der metaphys. Letztbegründung d. R (rechtsphil.). I.d.S. etwa Rengeling, Rgrds., S. 87; ders., Quellen, 43 m.z.N.; W. Weij3, S. 27; Kley, VwR FL S. 38. Abw. Schubert, S. 46 ff. m.Fn. 6, der die Rgrds., die RVgl., das VR u. die Vertr. als "Rechtsquellen" ansieht. 15 Hier soll nur die sog. "rechtsdogmatische Ableitung" d. GRe im GemR (v. a. über die allg. Rgrds.) interessieren. Zu dieser u. zur sog. "funktionellen Ableitung" (Sicherung d. einheitl. Geltung d. GemR in allen MS) s. nur GTE-1-Beutler Art. F EUV Rn. 64, 65 ff. bzw. 71. Die funktionelle Ableitung gewinnt allerd. bei der Begr.d. Notwendigkeit geml. grl. Schutzpflichten eine gew. Bedeutung - N.d.s. u.u. B.I., insbes. 3. 16 Vgl. Rengeling, GRschutz, S. 179 ff.; Pfrang, S. 60 ff. Ausf.d.zul. etwa EUDUR-P. Szczekalla I § 12 Rn. I ff., m.z.N. aus Rspr. u. Lit. 17 Zu den "Auslegungsquellen" f. die Ableitung v. "EG-Rechtsprinzipien", den "Materialien für den Auslegungsvorgang" (Prim- u. Sek-, nat. u. VR), s. nur Zacker, S. 97 ff., m.z.N. Seiner Unterscheidung zw. "derivativen" u. "originären BQ-Rechtsprinzipien" (99, 272) soll hier indes nicht nachgegangen werden, zumal es Überschneidungen gibt (f. internat. Verträge s. ebd., 100) u. der Geltungsgrund einheitl. zu bestimmen ist (a.a.O., 102 ff. [103]). S.a. noch Tonne, S. 243 f., 309 ff., m. w. N., sowie die rechtshist. angelegte Untersuchung zu Begriff u. Funktion allg. Rgrds. v. Jacoby, S. 23-169. Zum Völker- u. GemR s. ebd., S. 170 ff. bzw. 209 ff. Jacoby stellt insow. eine "Kontinuität der Verwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze" fest (S. 282, s.a. S. 20). 18 Vgl. aber aus jüngerer Zeit Wetter, S. 119 ff.
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
auszubauen gilt. Dabei kann geschriebenes Recht einerseits direkt als Grundrechts-Recht angewandt werden, andererseits aber auch Grundlage für die weitere Entwicklung ihrerseits ungeschriebener Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze sein. Letztgenannter Ableitungszusammenhang findet sich häufiger in der Rechtsprechung des EuGH, vor allem zu den vertraglichen Diskriminierungsverboten. Zunächst ist aber die Grundrechtsqualität der Grundfreiheiten näher zu beleuchten, weil mit ihnen bereits ein weites Feld geschützter Verhaltensweisen abgedeckt wird. Darüber hinaus kann auf die Unionsbürgerschaft sowie sonstige Vorschriften abgestellt werden. 1. Grundfreiheiten
Ob es sich bei den geschriebenen Grundfreiheiten des EGV tatsächlich um- echte- (Gemeinschafts-) Grundrechte handelt, ist indes umstritten: 19 Der EuGH scheint dies jedenfalls so zu sehen, wenn er insbes. im Zusammenhang mit Art. 48 EGV20 von einem Grundrecht auf Berufsfreiheit 19 Dagg. bspw. Zuleeg, BB 1994, 584 Sp. 1 - offener aber noch ders., DÖV 1992, 940, 942, jew. Sp. 2 ("Anhaltspunkte" bzw. "wirken ... wie Grundrechte"); ders., Bitburger Gespr., S. 21; Kevekordes, S. 185 ff.; Middeke, S. 204 f.; Jarass, EuR 1995, 204; Emmert § 23 Rn. 11 ff.; Huber, Integration § 6 Rn. 16 S. 94; GTE1-Beutler Art. F EUV Rn. 27, 91, 107 ff. Wohl a. Kokott, AöR 121 (1996), 599, 606, 630 ff., die aber immerhin die Möglichkeit eines "weiten Verständnis[ses] des Begriffs der Grundrechte" unter Einbeziehung d. GFen u. d. Gleichberechtigungsgrds. anerkennt (606) u. die das den Arbeitnehmern d. Gern. v. Vertr. verliehene Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung ausdr. als "Grundrecht" bezeichnet (622); Ruffert, EuGRZ 1995, 528 f. Dafür bspw. Bleckmann, Sasse-GS II, S. 665 ff., insbes. 675 ("absolute Grundrechte"); ders., EuGRZ 1981, 258 ff.; ders., NVwZ 1993, 827 Sp. 1; ders., DÖV 1993, 839; ders., in: Beyerlin u. a., Bemhardt-FS, S. 321; Bleckmann-Bleckmann, EuropaR, S. 221 § 8 Rn. 592, S. 269 ff. Rn. 755 ff., 772, 782. Dafür wohl a. Reich, (1997) 3 ELJ 132, 142, sowie Bieback, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 103 ff. (103)- s. aber a. S. 104, wonach die GFen (nur) "wie Grundrechte" wirkten - deutlicher dann S. 107 ff. (108: "Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Diskriminierungs- und Benachtei1igungsverboten ist ... Grundrechtsrechtsprechung"). S. a. dens., EuR 1996, 409. Jedf. "große Parallelen" ausmachend Kühling, NJW 1999, 403 Sp. 2. (Verfassungspol.) f. eine "Verschmelzung" v. GFen u. GRen Beutler, KJ 1996, 63, m. w. N.: Dieses ProbI. könne nur durch eine "Magna Charta" eur. GRe u. nicht durch den EuGH allein gelöst werden - ähnl. ders., in: GTE-1 Art. F EUV Rn. 110 ("Grundordnung" - ausf. zu einer solchen Grund[rechts]ordnung s. ebd., Rn. 84 ff.). Diff. Hirsch, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 14 f.: Das Verhältnis sei nach wie vor ungeklärt. Sof. GFen mit GRen d. msl. Verf. übereinstimmten, seien sie (echte) GRe unabhängig v.d. gewählten Bezeichnung - s.a. dens., RdA 1998, 200 Sp. 1 (zur Weiterentwicklung d. GFen "in Richtung materielle Grundrechte"). Unentschieden H.G. Fischer § 5 Rn. 8, 17. Zu (nur) "grundrechtspolitischen Ziele[n] insbesondere der Freizügigkeit" s. Häberle, GVR-III, S. 35 (u.H.a. Art. K.l EUV =Art. 29 n.Z.).
A. Grundrechte im europäischen Recht
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spricht?' Jüngst hat er sogar ausdrücklich vom "Grundrecht[ ... ] auf Freizügigkeit" gesprochen? 2 Eine möglicherweise objektiv(rechtlich)e Deutung der Grundfreiheiten kommt im Übrigen in den Entscheidungen zum Ausdruck, in denen eine Grundfreiheit als "fundamentaler Grundsatz des Vertrages" bezeichnet wird. 23 In der Literatur wird zum Teil angenommen, dass es sich bei den Grundfreiheiten um (Wirtschafts-) 24 Grundrechte 25 oder Grundrechte "im weite20
Art. 39 n.Z.
EuGHE 1987, 4097, 4117 Rn. 14 (Unectef/Heylens); 1995, I-4921, 5076 Rn. 129 (Bosman). Dazu, dass der letzterem Urt. "zugrundeliegende Gedanke ... mit der Grundwertung des Art. 12 I GG überein[stimrnt]", BAG, NZA 1997, 647, 652: "Insoweit spiegeln sich die Rechtslagen nach nationalem Recht und nach EGRecht gegenseitig wider". Zust. Hirsch, RdA 1998, 197 Sp. 1. Ganz ähnl. OLG 01denburg, U.v. 25.9.1998 - 11 U 18/90 - n.n.v., S. 8 f. d.Umdr.; ArbG Dortmund, EzA § 611 BGB Berufssport Nr. 10, S. 3. Ausf. zum Ganzen Streinz, SpuRt 1998, 2 ff.; 45, 46 ff.; 89, 89 ff. (zu § 11 DFB-Mustervertrag s. insbes. 46 f., 97). I.Z.m.d. Dienstleistungsfreih. zul. etwa EuGHE 1997, I-3395, 3431 Rn. 19 (Sodemare SA/ Regione Lombardia) - Zulassung zum Erstattungssystem f gesundheitsbezogene Sozialhilfeleistungen. Ebenso übrigens - sekrl. - ber. die VO (EWG) Nr. 1612/68 d. Rates v. 15.10.1968 über die Freizügigkeit d. Arbeitnehmer innerhalb der Gern., ABI. L 257 v. 19.10.1968, 2- ArbeitnehmerfreizügigkeitsVO, 3. BE: "Die Freizügigkeit ist ein Grundrecht der Arbeitnehmer und ihrer Familien ... " (zur Bedeutung d. BE s. nur jüngst Temple Lang, [1998] 23 E.L.Rev. 109, 124 f.; Neyer, ZERP-DP 1/99, 51). S.a. noch EuGHE 1985, 531, 548 f. Rn. 9, 14 f. (Procureur de la Republique/ADBHU) - Altöl, wo v. "den Grundsätzen der Handelsfreiheit, des freien Warenverkehrs und des freien Wettbewerbs" u. in demselben Zushg. (schlicht) v. "freien Warenverkehr" die Rede ist (H.d. V.). Krit. zu dieser Rspr. aber v.a. Rengeling, GRschutz, S. 179 ff., der f. eine schlichte Anwendung d. geschriebenen PrimR plädiert, statt in diesen Fällen von Grundrechten zu sprechen (S. 181) - ähnl. jetzt Kingreen/Störmer, EuR 1998, 273. S. schließ!. C.O. Lenz, EuGRZ 1993, 588 Sp. 1, der die Frage aufwirft, ob mit der gewählten Diktion überhaupt "bewußt eine methodische Unterscheidung vorgenommen werden sollte". 22 U.v. 2.3.1999- C-416/96 (Nour Eddline El-Yassini/SoSHD)- n.n.v., Rn. 45Beendigung d. Beschäftigung durch Abi. einer Aufenthaltserlaubnis-Verlängerung. 23 Vgl. nur f. die Dienstleistungsfreih. zul. etwa EuGHE 1997, I-3899, 3922 Rn. 21 (Societe civile immobiliere Parodi/Banque H. Albert de Bary et Cie) -Zulassungspflicht bei Hypothekendarlehen. Ähnl. f. den "grundfreiheitliche Schutzpflichten" (Formulierung nach P. Szczekalla, DVBI. 1998, 219) betr. Fall einer Beeinträchtigung d. freien Warenverkehrs durch Priv. jüngst etwa EuGHE 1997, 1-6959, 6998 Rn. 24 (Kom./F) - Plünderung v. Lastwagen mit span. Obst u. Gemüse durchfrz. Bauern ("Blockadeurteil"). 24 So Reich, VerbraueherR Rn. lOa S. 51; Rn. 22 S. 81; Rn. 43 S. 124. 25 So etwa Notthoff, RIW 1995, 541, 544 f.; Bieback, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 103, 108; Ruffert, S. 16 ("besondere Form von Grundrechten"); Nettesheim, NVwZ 1996, 342 ff. GTE-IV-Krück Art. 164 EGV Rn. 31; Anweiler, S. 16 m.Fn. 51, 358 ("Grundrechtsverbürgungen"). S.a. C.O. Lenz, EuGRZ 1993, 585, der in den GFen einers. "durchaus Züge grundrechtsähnlicher Verbürgungen", anderers. 21
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
ren Sinne", 26 jedenfalls aber um grundrechtsähnliche 27 bzw. grundrechtsgleiche28 Rechte oder Rechte mit "Grundrechtsgehalt" 29 bzw. "grundrechtliche[m] Unterbau "30 handelt oder dass sie zumindest im Wege der Rechtsfortbildung durch den EuGH "mit Grundrechtselementen aufgeladen" worden seien31 bzw. sich "in Richtung materielle Grundrechte" weiterentwickelt hätten 32 ? 3 Weiter wird vertreten, dass die Grundfreiheiten jedenfalls in dem - "schwächsten" - Sinne "echte" Gemeinschaftsgrundrechte seien, als sie im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts gälten. 34 Schließlich wird - ein wenig undeutlich - formuliert, dass (u. a.) die Grundfreiheiten eine "unmittelbar oder mittelbar . . . grundrechtsintensive Wirkung" entfalteten? 5 aber "- wenn auch nicht nach klassischer Grundrechtsdogmatik - die ursprünglichen Grundrechte der Gemeinschaft" erkennt. Schließ!. sei der freie Personenverkehr "in den Ausprägungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und ihrer Angehörigen, der Niederlassungsfreiheit sowie der Dienstleistungsfreiheit ... durchaus auch nach klassischem Verständnis als Grundrechte anzuerkennen" (sie). Wohl a. Badura, in: Delbrück u. a., 125, der den Terminus GRe allerd. in Anführungszeichen setzt. Diff. Poiares Maduro, (1997) 3 ELJ 71 ff., der die GFen nicht als wirtschl., sondern als pol. GRe begreifen will. 26 A. Schmitt Glaeser, S. 199 f.; Jürgensen, S. 172 ff. (174 ff.). 27 So z.B. Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 855; Kälin, S. 654 ("zumindest"); Schwarze, ZfV 1993, 2 Sp. 1; Chwolik-Lanfermann, S. 74 ff.; dies., ZRP 1995, 127 Sp. 1; P.K. Meyer, S. 331, 369 ff. ("strukturelle Ähnlichkeit"); B.-C. Funk, GV, S. 399, 401 ("grundrechtsartige Bedeutung"); Griller, 12. ÖJT, 1/2, S. 10 ("zumindest", "wenn ... nicht ohnedies ... Grundrechte"), 34 f.; Petersen, S. 168 ("zumindest"); Baratta/Giannoulis, KritV 1996, 242; A. Meyer, S. 176, 178 Fn. 227; W. Schroeder, JZ 1996, 256; Schweitzer/Hummer Rn. 787 f.; Holoubek, GRschutz, S. 79; Kugelmann, S. 13; Pühs, S. 193 ("menschenrechtsähnlich[ ... ]"); Pfrang, S. 63, 74 ff.; Günter, S. 1, 4; Epiney, NZZ Nr. 19 v. 24.1.1998, 81; Uwer, S. 413. S.ber. Fuss, S. 41. 28 Calliess, [1997] EELR 113, 119 Sp. 2 (Art. 30 EGVals "equal to a fundamental right in the single market"); E. Klein, in: Graf Vitzthum, VR 4. Abschn. Rn. 253 Fn. 683. 29 Müller-Michaels, S. 24. 30 So etwa Kluth, AöR 122 (1997), 565, der ans. aber - zum. verbal - Unterschiede betont (a. a. 0., 558). 31 So Hirsch, F.A.Z. Nr. 163 v. 17.7.1998, 18 Sp. 3. S.a. dens., RdA 1998, 196. 32 S. wiederum Hirsch, RdA 1998, 200 Sp. 1. 33 F. eine "interpretatorische Anreicherung der Grundfreiheiten um einen grundrechtlichen Akzent" durch die Annahme eines Beschränkungs- und nicht nur Diskriminierungsverbots immerhin Ukrow, S. 53. Nur f. eine "strukturelle Verwandtschaft" Huber, Integration § 6 Rn. 16 S. 94. V. "ökonornische[n] Grund-Rechte[n], mit einem höchstens beiläufigen ,menschenrechtlichen Gehalt' in traditionellem Sinn", spricht indes Saladin, S. 169. 34 So Schubert, S. 213 ff. (214). Hinsl.d. Weite d. Schutzber. diff. ebd., 346 ff. Zur Probl.d. "Anwendungsbereichs" s. ibid., 213 ff., 374 m.Fn. 36. 35 So Wetter, S. 3.
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Für die Zwecke dieser Arbeit soll der Unterscheidung im Einzelnen nicht vertieft nachgegangen werden. Die angebotenen Differenzierungskriterien zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten vermögen jedenfalls letztlich nicht zu überzeugen: 36 Das gilt zunächst für den "Raumbezug", d.h. die vorgebliche Bindung der Grundfreiheiten an die Herstellung eines Raumes ohne Binnengrenzen.37 Warum der "Raumbezug" die Grundrechtsqualität beseitigen sollte, ist nicht einsichtig. Schließlich ist auch die Anwendung der Gemeinschaftsgrundrechte vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts38 und damit - jedenfalls im Regelfall - von einem potenziell grenzüberschreitenden Sachverhalt abhängig. Richtig ist allerdings, dass die Grundfreiheiten "ohne Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit, Vereinigungs- und Berufsfreiheit nicht zu verwirklichen" sind? 9 Doch lassen sich zumindest Vertrags-, Vereinigungs- und Berufsfreiheit in eine Grundfreiheitsdogmatik integrieren, wenn man die Grundfreiheiten (auch) als Behinderungsverbote versteht. 40 Eigenständiger allgemeiner Rechtsgrundsätze bedürfte es dann in dieser Hinsicht nicht mehr. Gleiches gilt aber auch für die Annahme, dass sich die Gemeinschaftsgrundrechte (primär) gegen die Gemeinschaft richteten, während die Grundfreiheiten (primär) die Mitgliedstaaten als Adressaten aufwiesen. 41 Denn die Gemeinschaftsgrundrechte binden auch die Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts,42 und die Grundfreiheiten binden auch die Gemeinschaft selbst.43 36 S. Jürgensen, S. 174 ff.; Iones, S. 168; EUDUR-P. Szczekalla I § 12 Rn. 5. Das gilt a. f. die anempfohlene "Rücksichtnahme auf unsere Partner in der Gemeinschaft", die wenig Verständnis dafür aufbringen sollen, wenn "[d]eutsche Anwälte ... in Luxemburg ... mit mehr oder weniger Pathos Grundrechte mobilisieren", sowie f. das Arg. einer Entwertung d. GRe und ihres impliziten MRgehalts, so aber Everling, in: K. Stern, 40 Jahre GG, 171. 37 S.d. nur Zuleeg, BB 1994, 584 Sp. 1 (ähnl. Scheffer, S. 177; Kugelmann, s. 13). 38 Vgl. Schubert, S. 213. 39 Zuleeg (Fn. 37) - dies seien "die eigentlichen Grundfreiheiten des Binnenmarktes" - (insow.) zust. Schubert, S. 356; ähnl. Frenz Rn. 769 ff. (771); Wetter, s. 121. 40 S. Zuleeg (Fn. 37), 583 Sp. 1 - zweifelnd aber ibid., 586 Sp. 2. 41 S.d. Th. Groß, S. 164 f.; Rengeling, GRschutz, S. 172; Middeke, S. 204 f.; Baumert, S. 68 ff. (70 f.); Petersen, S. 168; Jarass, EuR 1995, 204; Huber, Integration § 6 Rn. 16 S. 94; Steindorff, PrivatR, S. 106, 129 ff., 167, 191, 218, 189, 395, 423 ff.; GTE-I-Beutler Art. F Rn. 27, 91, 108; Pfrang, S. 63, 75; Möllers, EuR 1998, 34; Günter, S. 1, 4; Bergmann/Lenz-Bergmann Kap. 1 Rn. 5 ("nur"). 42 Rengeling (vor.Fn.), S. 186 ff. 43 Rengeling, ebd., S. 181; ders., DVBI. 1984, 142; ders., EuR 1979, 125 f.; ders./P. Szczekalla, in: Due u. a., Everling-FS II, S. 1190 m.z.N.; Jarass, ebd., 30 Szczekalla
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
Dass sich die Grundfreiheiten infolge ihres inhaltlich begrenzten Regelungsbereichs bzw. ihres beschränkten Anwendungsbereichs nur sehr bedingt als Basis für einen gemeinschaftlichen Grundrechtsschutz eigneten,44 ist schließlich deshalb von vomherein kein Argument gegen ihre Einbeziehung, weil Lücken in jedem noch so vollständigen (Grundrechts-) Katalog verbleiben werden, die die Rechtsprechung ausfüllen kann und wird, und weil die Grundfreiheiten immerhin als Ausdruck eines allgemeineren Prinzips der Freiheit verstanden werden können, aus dem sich weitere Unterprinzipien ableiten lassen. Im Übrigen bezeichnet der EuGH - wie bereits erwähnt - Grundfreiheiten mitunter als Grundrechte, so dass die Einschätzung, der Gerichtshof habe diesen möglichen Ansatzpunkt für einen Gemeinschaftsgrundrechtsschutz im Vertragstext nicht weiter ausgebaut, 45 unzutreffend erscheint, wenn man auch zugestehen mag, dass seine Diktion insoweit nicht völlig klar ist. Ferner vermag auch die Ansicht nicht zu überzeugen, die zwischen Grundrechten und Grundfreiheiten wegen ihrer jeweils anderen Rechtsnatur und Schutzrichtung unterscheidet: So stellten die Gemeinschaftsgrundrechte die Rezeption einer überpositiven Wertordnung dar, während die Grundfreiheiten auf "willkürlicher" Setzung beruhten. 46 Mit ihrer schriftlichen Fixierung (z. B. in den Verfassungen der Mitgliedstaaten oder in der EMRK) werden Grundrechte ebenso zum positiven, geschriebenen Recht wie die vertraglich niedergelegten Grundfreiheiten des EGV. Dass auch diese Grundfreiheiten Ausdruck bestimmter und nicht nur wirtschaftsbezogener47 sowie insoweit auch überpositiver Wertungen sind, ist nicht zu bezweifeln. Im Übrigen ist es keineswegs so, dass alle Grundrechte dem Einzelnen "kraft seines Menschseins" zukämen und seine freie Entfaltung schützten. 48 Manche Grundrechte setzen nämlich einen bestimmten Status oder ein beS. 608 f.; ders., EuR 1995, 211; EUDUR-Müller-Graff I § 10 Rn. 21, 25 f., 87 ff.(insbes. 88); Gramlich, DÖV 1996, 805 Sp. 1; Wemicke, EuZW 1997, 442 Sp. 1; W.-H. Roth, 35 CML Rev. 1998, 476 ff.; Kingreen/Störmer, EuR 1998, 277; Schmidt-Aßmann, S. 329 Rn. 7 /36; Schubert, S. 192 ff., 330 f. (analog); Wetter, S. 126 f.- unklar Kugelmann, S. 13 f., 22 f., demzufolge sich die GFen "zuvörderst gegen einen Mitgliedstaat" richteten (13), u. die GRe ihre "Wirkung vorrangig gegenüber den Organen der Gemeinschaft [entfalten]" (22). Zu!. diff. i.S.e. mittelbaren Anwendung (Übertragung) als Ermessensgrenze Scheffer, S. 121 ff., 158 ff., m.z.N.; Jürgensen, S. 175 f. Ausdr. a.A. aber Emmert § 23 Rn. 13. Vgl. aus der Rspr. nur EuGHE 1997, 1-3629, 3655 Rn. 27 (Kieffer u. Thill) - Detaillierte Anmeldung f statist. Zwecke; 1998, 1-4301, 4350 Rn. 63 (Safety Hi-Tech Srl/S. & T. Sr!); 4355, 4380 Rn. 61 (Bettati/Safety Hi-Tech Srl), jew.m. w.N. 44 So Müller-Michaels, S. 24 bzw. 32; ähnl. Kugelmann, S. 13. 45 Müller-Michaels, S. 24. 46 Vgl. Scheffer, S. 176. 47 S.d. zutr. Jann, JBI. 1998, 32 f. 48 So aber Scheffer, a. a. 0.
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stirnrotes Alter des Einzelnen oder eine bestimmte Situation voraus, um ihre Schutzwirkung entfalten zu können. Die Annahme, dass die subjektive Berechtigung des Einzelnen nur ein Reflex der Verpflichtung aus den Grundfreiheiten sei, 49 verkennt die eigenständige Rolle des subjektiven Rechts, auch wenn es aus objektiven Rechtssätzen - Grundrechts- oder Grundfreiheitsbestimmungen - folgt. Schließlich folgt auch aus einem angeblichen "Vorrang der institutionellen vor der individuellen Gewährleistung" bei den Grundfreiheiten im Gegensatz zu den Grundrechten, bei denen die "Garantie individueller Verhaltensfreiheit im Vordergrund" stehe, kein "entscheidende[r] rechtsdogmatischer Unterschied zwischen den Grundfreiheiten und den Grundrechten". 50 Subjektive Rechte folgen ganz allgemein aus objektiven Normen. 51 Dass die Grundfreiheiten anders als die (nationalen) Grundrechte ursprünglich (bis zum Ablauf der Übergangszeit) ausschließlich als mitgliedstaats- und gemeinschaftsadressierte objektive Verpflichtungen verstanden wurden und verstanden werden mussten sowie erst später, nämlich durch die Rechtsprechung des EuGH, zu subjektiven Rechten "erstarkt" sind, gibt gerade Anlass dazu, gemeinschaftliche Schutzpflichten noch eher aus ihrem objektivrechtlichen Gehalt abzuleiten als dies im nationalen (v. a. deutschen) Recht gängige Praxis ist. 52 Eine scharfe Abgrenzung zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten ist nach alledem nicht möglich. 53 Das gilt schließlich auch für den jüngst unternommenen Versuch, vor allem aus Gründen der Wahrung der "föderale[n] Gliederung des europäischen Gemeinwesens" Grundfreiheiten - entgegen der neueren Rechtsprechung des EuGH und der (wohl) überwiegenden Ansicht in der Literatur54 - ausschließlich als Diskriminierungsverbote Ebd. So aber Kluth, AöR 122 (1997), 574; zutr. demggü. Jann, JBI. 1998, 32 f. 51 Zur "Binsenweisheit", dass "alle Rechtsgehalte ... aus dem objektiven Recht der Grundrechtsbestimmung herzuleiten sind", s. nur K. Stern, StaatsR III/1 § 69 II 4, S. 920; vgl.a. Badura, StaatsR C Rn. 2 (S. 75), 5 (S. 78), 18 (S. 92) - a.A. aber Robbers, Sicherheit, S. 220 ff., sow.- mglw. -Hain, S. 68 ff.; Merten, DÖV 1993, 370 Sp. 1 (s.d.a.o., Erster Teil, B.II.2.h)bb)(2), Fn. 1205 a.E.). 52 So verweist Kluth, a. a. 0., 577 Fn. 80, "unter umgekehrte[m] Vorzeichen" auf das MitbestimmungsU d. BVerfG (E 50, 290, 336 f.). Vgl. zu diesem Ansatz P. Szczekalla, DVBI. 1998, 220 m.Fn. 8 u. z.w.N.- ähnl. Frenz Rn. 58. 53 So a. Griller, 12. ÖJT, I/2, S. 8, 10 ff., 13, 18, 23 Fn. 79, 26 Fn. 92, 34 f. 54 Deut!. i.S. eines Beschränkungsverbots zu!. etwa EuGHE 1997, 1-3899, 3921 f. Rn. 18 ff. (Parodi), betr. die Dienstleistungsfreih.; EuGH, U.v. 21.9.1999 - C-124/ 97 (Läärä, CML u. TSL/Bezirksstaatsanwaltschaft u. FIN) - n.n.v., Rn. 29 - Fin. Monopol f Geldspielautomaten) = ELR 1999, 405 (Buschle), betr. die Warenverkehrsfreih.; 21.10.1999 - C-67 /98 (Questore di Verona/Zenatti) - n.n.v., Rn. 27 Datenübertragungszentrum f Wetten, wieder die Dienstleistungsfreih. betr. (Nur) So lässt sich a. das v. GH angenommene "Grundrecht auf freien Zugang zur Beschäfti49
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
und damit als bloße Instrumente zum Schutz vor denjenigen Belastungen anzusehen, die aus der territorialen Begrenztheit des von den Mitgliedstaaten gesetzten Rechts resultieren. 55 Dieser Versuch stellt nämlich nach eigener Einschätzung des Autors ("möglicherweise") bloß eine "Momentaufnahme" dar, bei der nicht auszuschließen sei, dass im Laufe des Integrationsprozesses die grenzüberschreitende Funktion der Grundfreiheiten immer weiter zurücktrete. Zum anderen bleibt selbst bei Annahme eines bloßen Diskriminierungsverbots Raum für eine grundrechtliche Einordnung und für entsprechende Schutzpflichten. 56 (Letztlich mit-) Entscheidender Anlass für die Einbeziehung der Grundfreiheiten in diese Untersuchung ist indes nicht ihr grundrechtlicher Gehalt, sondern vielmehr der Umstand, dass bei ihnen -ganz parallel zu den nationalen (deutschen) Grundrechten - eine geradezu "klassische" Fallkonstellation nicht nur denkbar, sondern auch schon praktisch vorgekommen ist, bei der (nicht nur) im deutschen Recht auf (grundrechtliche) Schutzpflichten abgestellt wird, 57 nämlich die der Beeinträchtigung der Ausübung von gung" aus Art. 48 EGV (Art. 39 n.Z.) verstehen, vgl. etwa EuGHE 1995, I-4921, 5068 ff. Rn. 92 ff. (5076 Rn. 129) (Bosman). Ebenso die Einschätzung v. W. Schroeder, JZ 1996, 255; Femandez Martfn, (1996) 21 E.L.Rev. 321; Nettesheim, NVwZ 1996, 342 f.; Gramlich, DÖV 1996, 804 Sp. 2 ("Beeinträchtigungsabwehrrecht"); Holoubek, GRschutz, S. 99 f.; M. Novak, DB 1997, 2592 f.; Kluth, AöR 122 (1997), 560 f., 562 ff. (m. Einschränkungen betr. die jew. "spezifische[n] Gewährleistungsgehalte" [565], diese Position aber als "inzwischen ... vorherrschend" bezeichnend [564] u. sie selbst auf eine GRkonforme Auslegung d. GFen stützend [565]); Gomig, in: Blumenwitz u.a., Beitritt, S. 124 f., 142; Griller, Grundzüge, S. 97 f., 103, 119; Schuster Rn. 363, 523 ff., 630 ff., 652; Möllers, EuR 1998, 35 m.Fn. 109; Streinz, SpuRt 1998, 7; 45, 48 Sp. 1; 89, 90 Sp. 1; Hirsch, F.A.Z. Nr. 163 v. 17.7.1998, 18 Sp. 3 ("zumindest einige"- generell offb. ders., in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 15), sowie ders., RdA 1998, 196 Sp. 2; EUDUR-MüllerGraff I § 10 Rn. 3, 59, 61 f., 84; Everling, ZHR 162 (1998), 422 (diff. ders., in: Schön, Knobbe-Keuk-GS, S. 607 ff.); Schubert, S. 186 f.; Burgi, EWS 1999, 327 Sp. 2. Diff. nunmehr a. W.-H. Roth, in: Schön, Knobbe-Keuk-GS, S. 729 ff. Die polare Gegenüberstellung zw. Diskriminierungs- u. Beschränkungsverbot jedf. ab!. jüngst Eilmansberger, JBI. 1999, 347. 55 Vgl. Kingreen, pass., insbes. S. 74 ff., 203 f. (m.ausf. Darstellung abw. Rspr. u. Lit., ebd., 38 ff.). Ebenso f. die Annahme v. bloßen Diskriminierungsverboten Jarass, EuR 1995, 218, Kingreen/Störmer, EuR 1998, 267 ff., 285 f. (die h.M. ref.), 287 ff. (288). Insow. sehr krit. Balthasar, ZÖR 53 (1998), 162 ff. (178 ff.). 56 S. Kingreen, S. 188 ff., 192 ff., der aber trotzdem bestreitet, dass es sich bei den GFen um eur. GRe handelt (16). 57 Bzw. auf die Ausstrahlungswirkung d. GRe, s.d. Jarass, in: Due u.a., Everling-FS I, S. 594 f. m.Fn. 13, der den GFen einen Auftrag f. die EG u. die MS entnimmt, f. die Beachtung der GFen unter Privatpersonen zu sorgen, u. den die zu!. u. gebotene EG-rechtskonforme Auslegung von Normen d. MS bei privrl. Streitigkeiten an die Ausstrahlungswirkung d. GRe im PrivatRber. "erinnert". Ebenso ders., EuR 1995, 211 m.Fn. 41 (zum Verhältnis zw. Schutzpflicht u. Ausstrahlungswirkung s.o., Erster Teil, B.II.2.a)dd), jj)). Allg. zu GRdogm. Parallelen Bleck-
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Grundfreiheiten durch private Dritte, womöglich unter Anwendung physischer Gewalt. 58 Generalanwalt Lenz hat jedenfalls in dem - soweit ersichtlich - ersten insoweit einschlägigen Fall in einem "Fußnoten-Obiter" auf den Zusammenhang zwischen der Frage, ob die EMRK die Vertragsstaaten verpflichtet, aktiv einzugreifen, um Privatpersonen vor der Verletzung ihrer Konventionsrechte durch andere Privatpersonen zu schützen, und der Frage, ob die Grundfreiheiten (hier: Art. 30 EGV59 - in Verbindung mit Art. 5 EGV' 0 -) die Mitgliedstaaten verpflichten, in vergleichbaren Fällen ebenso aktiv einzugreifen, hingewiesen, ohne diese Parallele indes weiter zu vertiefen.61 Das dem der Sache nach folgende sog. Blockadeurteil des EuGH mann-Bleckmann, EuropaR, S. 269 ff. § 8 Rn. 756 ff. F. eine "objektive[] Grundrechtsordnung" mit GRen u. OFen als Schutzpflichten a. GTE-1-Beutler Art. F EUV
Rn. 86. 58 Vgl. z.B. f. Art. 30 EGV (=Art. 28 n.Z.) zuerst EuGH, DVBI. 1998, 228, 228 Rn. 24 ff. (31) (Kom./F) - Plünderung v. Lastwagen mit span. Obst u. Gemüse durch frz. Bauern ("Blockadeurteil"), m.Bespr.-Aufs. P. Szczekalla, DVBI. 1998, 219 u. z.w.N. = EuZW 1998, 84, m.zust.Anm. Meier, a.a.O., 87 = EuR 1998, 47 m.zust.Anm. Schwarze, ebd., 53 = ELR 1998, 7 (M. Novak) = EWS 1998, 212, m.Bespr.-Aufs. Meurer, ebd., 196 = (1998) 23 E.L.Rev. 467 (Muylle) = 35 CML Rev. 1998, 1371 (M. Jarvis) =JA 1998, 838 (H.G. Fischer)= [1998] EELR 176 (Denys) = Erichsen, JK 99, EGV Art. 30/2 = E 1997, 1-6959. S.a. die Antw.v. Korn. Steichen auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Colino Salamanca - E-1818/94, ABI. C 24 v. 30.1.1995, 30, zu dem das Vertragsverletzungsverf. auslösenden Sachverhalt, dort a. m.d.H., das ber. das "Klima der Ungewißheit und Unsicherheit" infolge von Drohungen einiger Organisationen zu "mittelbaren, unmittelbaren oder potentiellen Behinderungen des innergemeinschaftlichen Handels" führe. D.S.n. geht es hier also a. um den Schutz vor Angst od. Furcht (ebenso GA Lenz, in: EuGHE 1997, 1-6959, 6961, 6970 Rn. 15 (Kom./F); ähnl. der EuGH, a.a.O., 7003 Rn. 53 ["Atmosphäre der Unsicherheit ... , die sich auf die gesamten Handelsströme nachteilig auswirkt"). Zu Weiterungen u. Nachahmungen d. sowie zu Parallelen zu den frz. Aktionen s.d.N. bei P. Szczekalla, a. a. 0., insbes. Fn. 2, 62 ff. (zur Entsch.d. DC [QB], R v Chief Constable of Sussex, ex p. ITF [1995] 4 All ER, 364 = [1996] QB 197 - Polizeischutz gg. Tiertransportproteste, s. mittlerweile die Aufhebung durch den CA, [1997] 2 All ER 65 = [1998] QB 477, best.d. H.L., S.v. 11.11.1998, Times No 66,360 v. 16.11.1998 = EuGRZ 1999, 333 ff., m.Anm. P. Szczekalla, ebd., 350 f., m.w.N. - vgl.d.a. Marston/Ward, S. 428 ff. (431), 468 ff. (473); Muylle, a.a.O., 472 f.; M. Jarvis, ibid., 1381). 59
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Art. 28 n.Z. Art. 10 n.Z. Einer Bezugnahme auf diese Vorschr. bedarf es bei schutzrl. Deu-
tung d. Warenverkehrsfreih. demggü. nicht, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. Vgl.d.a. P. Szczekalla, DVBI. 1998, 219 ff. (insbes. 220)- zust. CR-Epiney Art. 28 EGV Rn. 49 a.E.; Hauschild, EuZW 1999, 238; Kingreen, S. 198; wohl a. Kühling, NJW 1999, 404 Sp 1 m.Fn. 8. Nach Meier, EuZW 1998, 87, soll der EuGH aus dieser Vorschr. indes eine "Garantenstellung" d. MS entnommen haben ebenso Erichsen, JK 99, EGV Art. 30/2.; ähnl. Denys, [1998] EELR 181 f. S.a. M. Jarvis, 35 CML Rev. 1998, 1378 f.; Schorkopf, EuZW 1998, 238; Schwarze, EuR 1998, 54; Hinton, NYJILP 1999, 339 ff. (341 f.); Burgi, EWS 1999, 329 Sp. 2; H.L. (vor.Fn.), per Lord Hoffmann u. Lord Cooke (zit.n.d.INF).
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
kann insgesamt nur als Indiz für die Bereitschaft des Gerichtshofs angesehen werden, eine Schutzfunktion der Grundfreiheiten anerkennen zu wollen. 62 Darüber hinaus verdeutlicht es die Schutzfunktion von Gemeinschaftsgrundrechten, etwa im Bereich von Gesundheits- und Verbraucherschutz.63 61 In: EuGHE 1997, 1-6959, 6961, 6977 Rn. 38 m.Fn. 26. Gleiches dürfte f. den Fall d. regelmäßigen frz. Fernfahrerstreiks gelten (P. Szczekalla, DVBl. 1998, 223 f.; ders., FR Nr. 86 v. 14.4.1998, 18 [LB] -ebenso M. Novak, ELR 1998, 8 Sp. 2; fragend: Kühling, NJW 1999, 404): Probl. ist an diesem Fall (nur) die Berücksichtigung d. grl. Koalitionsfreih. u. des StreikR (s. nur Abs. 6 f Präambel 1946; zum "droit de greve" {Abs. 7 Präambel 1946] im Schutzpflicht-Zushg. vgl. etwa frzCC, 80-117 DC, RJC I, 81 - Profeetion des matieres nucleaires [StreikR im KKW]), welche mit den GFen in Ausgleich zu bringen sind. In diesem Fall dürfte eine Abwägung indes einen (relativen) Vorrang d. GFen ergeben u. Frkr. bzw. die Korn. zum Einschreiten (notfalls im Wege eines Vertragsverletzungsverf. m.d. Möglichkeit einer ew.Ao.) zwingen. Die Korn. sieht aber u. a. darin ein Probl., dass das StreikR als solches nicht v. GemR erlaßt werde (s. z.B. Art. 118 V1 EGV i.d.F.d. AV { = Art. 137 VI n.Z. ]). Das ändert aber nichts daran, dass diese Rechte als solche, näml. als allg. Rgrds. im GemR gelten u. insow. gerade kein gemeinschaftsrechtsfreier Raum vorliegt, die Korn. der Frage also gerade nicht ausweichen kann (dies ist aber eine durchaus übl. "Strategie", s. etwa - i.B.a. die Religionsfreih. - die Antw.v. Korn. Flynn auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Sornosa Martfnez u. Sierra Gonzalez- E-2680/97, ABl. C 82 v. 17.3.1998, 127, betr. das Verbot d. Zugangs f. Mädchen u. Frauen zur Aula Dei-Kartause v. Saragossa: Der Korn. geht zwar davon aus, dass ein Verstoß gg. das Gleichheitsgebot vorliege, führt dann aber - u. insow. symptomat.- aus: "Die Kommission ist sich zwar über die Bedeutung des hier aufgeworfenen Problems im klaren, kann aber nicht eingreifen, da sie keine Kompetenzen hat, um im Bereich der Religion tätig zu werden"; dabei ist allerd. zuzugeben, dass die Religionsfreih. gerade bei msl. Antidiskriminierungsmaßn. der "neuralgische" Punkt ist, s. etwa Waaldijk, in: ders./Clapham, S. 108 ff.). Zur gernrl. Gewährleistung d. StreikR s. nur Wetter, S. 172 ff., m.w.N.; Schwarze, EuR 1998, 53, 58 f. m.Fn. 35. Zum Probl. s.a. den Vorschl.d. Korn. 18.11.1997 f. eine VO (EG) d. Rates zur Einführung eines Mechanismus f. ein Einschreiten d. Korn. zur Beseitigung best. Handelsbehinderungen, KOM(97) 619 endg. 97/0330 (CNS), LA. Rn. 2, S. 2 - Anti-Handelsbehinderungs-MechanismusVO-Vorschl. = ABl. C 10 v. 15.1.1998, 14 (zu dessen kontroverser Disk. s. Pries, FR v. 3.4.1998; P. Szczekalla, FR Nr. 86 v. 14.4.1998, 18 [LB]; Schwarze, ebd.; M. Jarvis, 35 CML Rev. 1998, 1382 f.; Schorkopf, EuZW 1998, 240 ff.; Ruschle, ELR 1998, 11 ff.). Dieser Vorschl. ist nunmehr v. Binnenmarktrat am 18.5.1998 grundlegend geändert worden u. enthält keine förml. Entscheidungsbefugnis d. Korn. mehr, sondern nur noch ein sog. Frühwam- u. Informationsverf. (s. die red.Not. in EuZW 1998, 388). Mittlerweile ist die VO so in Kraft getreten, s. VO (EG) Nr. 2679/98 d. Rates v. 7.12.1998 über das Funktionieren d. Binnenmarktes i.Z.m. dem freien Warenverkehr zw. den MS, ABl. L 337 v. 12.12.1998, 8- Binnenmarkt-FunktionsVO, sowie die Entschl.d. Rates u.d. i. R. v. V.R.MS v. gleichen Tage über den freien Warenverkehr, ebd., 10 - Warenverkehrs-Entschl. Ausf.d. jetzt Hauschild, EuZW 1999, 236 ff. 62 Ähnl. wohl Hirsch, RdA 1998, 198, der die Entsch. i.Z.m.d. sog. Drittwirkung erörtert, die er f. die Warenverkehrsfreih. abl.; CR-Epiney Art. 28 EGV Rn. 51.
A. Grundrechte im europäischen Recht
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Ganz allgemein lässt sich mithin formulieren, dass Sanktionen Dritter, die an den Gebrauch der Grundfreiheiten geknüpft werden, zumindest "schutzpflichtverdächtig" sind. 64 Parallelprobleme und gar gleichlautende Argumentationslinien65 tauchen schließlich auch insoweit auf, als man im 63 So- sow.ersl. erstmals - meine Einordnung u. weiterführende Interpretation d. Entsch. in DVBI. 1998, 219 ff. Zust.offb. Schmidt-Aßmann, S. 329 Rn. 7/36 m.Fn. 93. 64 Aus dem Ber.d. Warenverkehrsfreih. s. z.B. die Weigerung v. Vertragshändlern, bei parallelimportierten Motorrädern die Gewährleistungsarbeiten auszuführen. Dies war- d.S.n. -Gegenstand v. EuGHE 1993, 1-5009 ff. (CMC Motorradeentert Baskiciogullari) - Vorvertrag!. Aufklärungspflicht. l.E. hat der GH hier aber keinen Handlungsbedarf gesehen, weil die Gefahr einer Handelsbehinderung nicht durch die (schadensersatzbewehrte) Aufklärungspflicht d. Verkäufers, sondern allenfalls durch Weigerung d. Vertragshändler hervorgerufen werde, deren Wirkung zudem zu ungewiß sei (a. a. 0., 5021 Rn. 11 f.) - zur Krit. s. nur GTE-I-Müller-Graff Art. 30 EGV Rn. 165 m.z.N.; M. Novak, DB 1997, 2589, 2593 m. w.N. A. Beschränkungen d. Freizügigkeit (Art. 48 EGV), z. B. durch priv. Sportverbände, kommen hier in Betracht, s.d. nur EuGHE 1995, I-4921 ff. (Bosman), sowie zul. SA GA Alber v. 22.6.1999 (6. K) - C-176/96 (Lehtonen u. Namur-Braine/ FRBSB u. LB/BL) - n.n.v. - Gestaffelte Transferfristen f Profi-Basketballer (s.d. PM Nr. 44/99 v. 22.6.1999 u. TB Nr. 18/99, 21.-25.6.1999, 6). Sie werden z.T. aber schon über das - a. zw. Priv. geltende - SekR (z. B. Art. 7 IV ArbeitnehmerfreizügigkeitsVO [Fn. 21]) erfasst (s.d. nur GTE-I-Wölker Vorb. Art. 48 EGV Rn. 16; krit. zur [unmittelbaren] Drittwirkung u. zur Wahl d. Rgrdl. dieser VO Jaensch, S. 255, 287). Ähnl. wie hier Steindorff, PrivatR, S. 287; Gram/ich, DÖV 1996, 810; Kluth, AöR 122 (1997), 561, 566; Schuster Rn. 472 ff.; Möllers, EuR 1998, 34 ff. Der Beantwortung d. Frage nach d. gemrl. Zul. v. nat. Meisterschaften (bej. Streinz, SpuRt 1998, 90) hat sich der EuGH jüngst - aus formellen Gründen (noch) einmal entziehen können, s. E 1998, I-4263, 4265 f. Rn. 4 ff. (Ermanno u. Emanuele Agostini/Ligue francophone de judo et disciplines associt~es ASBL u. Ligue beige de judo ASBL) - Staatsangehörigkeitserfordemis bei Sportwettkämpfen. Vgl.d. aber a. die Antw.v. Korn. Flynn auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Muscardini- E-3570/97, ABI. C 158 v. 25.5.1998, 151, demzufolge die Korn. "hier keine Interventionsbefugnis [hat]", weil die Diskriminierungen v. einer priv. Organisation ausgingen, der aber gleichzeitig v. einer unmittelbaren Drittwirkung d. Art. 48 u. 52 EGV (= Art. 39 u. 43 n.Z.) auszugehen scheint u. i.Ü. auf die- insow.unstr. - unmittelbar geltende u. anwendbare - ArbeitnehmerfreizügigkeitsVO hinweist, insbes. auf deren Art. 7 II, dessen Anwendbarkeit hier indessen zweifelhaft ist, geht es doch - jedf. auf den ersten Blick - nicht um die dort gen. "sozialen und steuerlichen Vergünstigungen". Allerd. könnte eine "sonstige[ ... ] Kollektivvereinbarung" i.S. v. Art. 7 IV d. VO vorliegen, die nach dieser Vorschr. ipso iure nichtig wäre. Zur Zurechnung priv. Diskriminierungen bei Genehmigungen dieses Verhaltens durch die öffentl. Gewalt i.Z.m.d. Dienstleistungsfreih. (Art. 59 EGV) s. nur GTE-1Troberg Art. 59 EGV Rn. 46 Fn. 48 (am Bsp.d. sog. "Balkantarife" bei d. Prämiengestaltung i.d. Kfz-Versicherung - diese Praxis sei in Dtschl. auf Drängen d. Korn. korrigiert worden). Zur Niederlassungsfreih. (Art. 52 EGV) s. dens., a. a. 0., Art. 52 Rn. 69. 65 S.d. nur die Beobachtung v. Kluth, AöR 122 (1997), 560 Fn. 14, 580 m.Fn. 94, der aber im Weiteren eine zu institutionalist. Sichtweise einnimmt (ebd., 574 ff.). Immerhin erkennt er die Möglichkeit eines weitergehenden Schutzes "aus
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
Hinblick auf Maßnahmen gleicher Wirkung im Rahmen von Art. 30 EG\1'6 ebenfalls die Frage aufwerfen kann, ob z. B. der nach nationalem Recht zulässige Gebrauch der Vertragsfreiheit dem jeweiligen Mitgliedstaat "zugerechnet" werden kann oder nicht. 67 So ließe sich - zumindest theoretisch überlegen, ob eine private68 Boykottkampagne, bspw. die Aufforderung niederländischer Verbraucherschutzverbände, wegen der französischen Atomtests in Mururoa nicht mehr "Beaujolais Noveau", sondern fortan "nur" noch "Bardolino novo" zu trinken, den betreffenden Mitgliedstaat zum Einschreiten zwingen bzw. Klagen französischer Weinbauern oder -Händler, gestützt auf Art. 30 EGV (ggf. i. V. m. Art. 5 EGV), zum Erfolg verhelfen könnte. 69 Gleiches gilt für den jüngsten Boykott britischer Farmer gegen französische Produkte aus Verärgerung darüber, dass Frankreich sein Importverbot für britisches Rindfleisch nicht entsprechend einer KommissionsEntscheidung aufgehoben hatte. 70 der grundrechtliehen Gewährleistung, die die Grundfreiheiten teilweise unterfängt", an (ibid., 577 Fn. 79). Bei letzteren verlangt er indes das Überschreiten einer ,,Spürbarkeitsschwelle" entspr. Art. 85 f EGV (Art. 81 f n.Z., a. a. 0., 576 f.). 66 Art. 28 n.Z. 67 Vgl.d. diff. GTE-1-Müller-Gra.ff Art. 30 EGV Rn. 290: Während die Einfuhrbehinderung inf.d. Ausübung eines gewerbl. SchutzR durch einen Priv. "staatlich zuzurechnen" sei, da sie einen "Ausfluß des mitgliedstaatlich bereitgestellten Rechtsschutzes" darstelle (Rn. 148 ff., 302), sei dies bei der bloßen "Ausübung der von der einzelstaatlichen Rechtsordnung gewährten Vertragsfreiheit" anders. Allerd. könne sich a. hier ggf. die Frage d. "staatlichen Zurechenbarkeit" stellen, etwa bei Maßn. privrl. organisierter öffentl. Unternehmen od. bei der Festlegung techn. Regeln durch priv. Normungsorganisationen. I.Ü. diskutiert Müller-Graff das Prob!. unter dem Gesichtspunkt d. Bindung Priv. u. nicht-staatl. Organisationen an die GFen (a.a.O., Rn. 301 ff. m.z.N.z.StrStd., 324) u. plädiert f. eine begrenzte Erstreckung d. Bindung v. "handelsbehinderndem nicht-staatlichen Kollektivverhalten" an Art. 30 EGV (ebd., Rn. 305; f. Art. 34 s. ebd., Rn. 34; ebenso ders., in: EUDUR I § 10 Rn. 98 f.). Vgl.d.a. Jaensch, S. 48 ff. (zu weiteren, hier nicht zu prob!. Parallelen s.- d.S.n.- ebd., S. 27 f.). 68 Demggü. betraf EuGHE 1982, 4005, 4022 f. Rn. 23 ff. (Kom./IRL) - "Buy Jrish ", staatl. Maßn. zur (bloßen) Förderung d. einheim. Produktion. Ebenso u. noch deutl. EuGHE 4083, 4119 Rn. 17 (App1e and Pear Deve1opment Council!K.J. Lewis u.a.) - Förderung inl. Äpfel u. Birnen, betr. eine staatl. Einrichtung i.A.z. Erzeugern u. freiwilligen Erzeugergemeinschaften. 69 Vgl.d. die Erwägungen v. Denys, [1998] EELR 182 Sp. 2, m.d. wohl zutr. Annahme, dass dies- in Abwesenheit v. Gewalt u. Einschüchterung- noch nicht, jedf. nicht o.w. der Fall sein dürfte. Gewalt u. Einschüchterung fehlten indes a. bei den Maßn.d. "Kauft Irisch"-Kampagne (vor.Fn.). Dieser Fall unterscheidet sich gleichwohl v. jener Konstellation insbes. dadurch, dass sich Priv. o.w. auf (Gern-) GRe, insbes. auf die Meinungsfreih., berufen können, jedf. sof. es ihnen nicht um die Vernichtung d. wirtschl. Existenz aus Konkurrenzgründen geht. Ähnl. die Erwägungen v. Muylle, (1998) 23 E.L.Rev. 469 ff. (471). S.a. M. Jarvis, 35 CML Rev. 1998, 1383; ders., Times No 66,655 v. 26.10.1999, Law; Burgi, EWS 1999, 327 Sp. 2.
A. Grundrechte im europäischen Recht
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Ferner kann man daran denken, dass auch vergleichbare "mediale" Gewalt in Gestalt von Pressekampagnen, bspw. gegen einen bestimmten Mitgliedstaat oder einen bestimmten Landstrich, "grundfreiheitlichen Schutzpflichten" grundsätzlich zugänglich ist: Richten sich solche "Attacken" subjektiv gegen die Qualität eines Landes(teils) als Reiseziel oder haben sie objektiv einschneidende Auswirkungen auf den Zustrom von Touristen, so können Grundfreiheiten betroffen sein. Das dürfte indes bei einzelnen "Ausreißern" auch und gerade angesichts der gemeinschaftsgrundrechtlich garantierten Pressefreiheit noch nicht der Fall sein? 1 Jedenfalls ist eine diesbezügliche Abwägung erforderlich. Zwar fallt die Überwachung der Presse( organe) nach Ansicht der Kommission gern. dem Subsidiaritätsprinzip in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Doch kann sie selbst tätig werden, wenn der "Ordnungsrahmen", d.h. die nationalen, staatlichen Rechtsvorschriften - ggf. auch freiwillige Selbstverpflichtungen der Presse (zur Vermeidung staatlicher Regulierung) -, oder das "Verhalten der betreffenden Publikation" mit dem Gemeinschaftsrecht, insbes. den Binnenmarktvorschriften, unvereinbar sind. 72 Des weiteren kann die Freizügigkeit oder Niederlassungsfreiheit durch vielerlei Klauseln in privatrechtliehen Verträgen in unverhältnismäßiger Weise beschränkt werden. So ist es etwa denkbar, dass Kreditbedingungen einer Bank, die eine Vermietung eines kreditfinanzierten Wohnhauses in einem Mitgliedstaat von einer vorherigen, schriftlichen Zustimmung der Bank abhängig machen, welche aber - aus willkürlichen Gründen - nicht erteilt wird, diese Grundfreiheiten für denjenigen Hauseigentümer unzumutbar beeinträchtigen, der in einem anderen Mitgliedstaat einer Arbeit nachgehen oder selbständig tätig werden wi11. 73 Dogmatisch spricht im Übrigen viel für eine Sichtweise, die die Grundfreiheiten als Grundrechte betrachtet: Ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine grundrechtskonforme Auslegung auch des Primärrechts erforderlich, 74 70 Ausf.d. M. Jarvis, Times No 66,655 v. 26.10.1999, Law ("Rule of law v the rule of force"). Neben diesem Boykott fanden a. die mittlerweile "traditionellen" Blockaden nach frz. Muster v. Häfen (Plymouth u. Poole) statt. Zum schutzrl. Probl.d. frz. Weigerung s. u.u. Dritter Teil, A.l.4. 71 l.d.S. die Antw.v. Kam. Monti auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Musumeci E-2277 /97, ABI. C 117 v. 16.4.1998, 8, betr. eine angebl. "[s]chamlose Attacke der deutschen Presse gegen das Ansehen Siziliens" (B/W-Artikel v. Mai 1997: "Untreue Braut von Hunden zerrissen" [!]). Ähnl. die Antw.v. Korn. Oreja auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Baldi - P-4078/97, ABI. C 196 v. 22.6.1998, 72, betr. einen (angebl.) "anti-italienischen" Fernsehspot d. brit. Fernsehsenders "Channel Four". 72 Korn. Monti (vor.Fn.). 73 Vgl.d. Connor, (1999) 24 E.L.Rev. 525 ff. 74 S. nur f. Art. 30 EGV EuGHE 1992, 1-2601, 2609 Rn. 23 (Kom./D) - Arztgeheimnis. Vgl.a. EUDUR-P. Szczekalla I§ 11 Rn. 31, 34 f., m.w.N. Ebenso Kluth,
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
so dürfen jedenfalls die grundrechtliehen Gehalte der Grundfreiheiten dabei nicht unterschlagen werden: Im Ergebnis handelt es sich dann nämlich um eine sog. Grundrechtskollision, 75 die durch Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufzulösen ist. 76 Unabhängig von der Frage des Ranges der Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Normenhierarchie 77 ist sicherzustellen, dass es keinen abstrakten Vorrang geschriebener Grundrechte (Grundfreiheiten) vor ungeschriebenen Grundrechten (als allgemeinen Rechtsgrundsätzenf 8 und umgekehrt79 gibt. 80 Jede Norm "mit Grundrechtsgehalt" ist als solche "ernst zu nehmen". 81 Nur dadurch kann der Ausgleich zwischen Grundrechts- und Grundfreiheitspositionen Privater bewerkstelligt werden. 82 AöR 122 (1997), 557, 565, demzufolge der "grundrechtliche Unterbau der Grundfreiheiten ... eine grundrechtskonforme Auslegung [gebietet]". 75 Genauer, aber nicht dem überwiegenden Sprachgebrauch entsprechend: Kollision v. GR(schutz)gütem bzw. Grundrechts(schutz)güterkollision. 76 Ähnl. W. Schroeder, JZ 1996, 256; Gramlich, DÖV 1996, 808 Sp. 2 a. E. ("Zuordnung im Sinne ,praktischer Konkordanz"'), 810 f. S.a. Hirsch, RdA 1998, 197; dens., in: Kreuzer u.a., GRschutz, S. 17; E. Klein, ebd., S. 41. F. einen Zielkonflikt zw. Verbraucherschutz u. Förderung d. Niederlassungs- u. Dienstleistungsfreih. im Bankensektor EuGHE 1997, 1-2405, 2459 (D/EP u. Rat)- Einlagensicherung = EuZW 1997, 435, m.krit.Anm. Wemicke, a. a. 0., 442 f., betr. die RL 94119/ EG d. EP u.d. Rates v. 30.5.1994 über Einlagensicherungssysteme, ABI. L 135 v. 31.5.1994, 5 - EinlagensicherungsRL - sehr krit.d.zul. Everling, ZHR 162 (1998), 403 ff. (insbes. aus grundfreihl. Sicht: 421 ff.). Geht man davon aus, dass der Verbraucherschutz jedf. in Teilber. grl. radiziert ist (zum Verbraucherschutz als "Verfassungsziel" d. EG s. Ende, S. 98, u.H.a. Art. 3 lit. s, 129a I EGV {= Art. 153 n.Z.]), liegt hier sogar eine echte GRkollision vor. Zu "grundrechtlichen Schutzpflichten" d. "Verfassungsstaaten ... gegenüber den Verbrauchern" s. etwa Hilf/ Eggers, EuZW 1997, 564 f., jew. Sp. 1. 77 N.d.s. u.u. 11.5. 78 Ähnl. W. Schroeder, JZ 1996, 256; Gramlich, DÖV 1996, 801 ff. (insbes. 804, 806, 808 f., 810 f.); Kluth, AöR 122 (1997), 557, 578 ff. Unklar GTE-1-Beutler Art. F EUV Rn. 75, u.H.a. EuGHE 1991, 1-4685 (SPUC/Grogan u.a.)- Werbung f Abtreibungskliniken, demzufolge bei einer "funktionellen Ableitung" (s.o., Fn. 15) GFen vorgehen würden. 79 Dies gg. den zu institutionalist. Ansatz v. Kluth, AöR 122 (1997), 557, 574 ff. 80 ([Nur] Auf den ersten Blick) Probl.insow., i. E. aber zutr. aufgr.d. Möglichkeit einer Rechtfertigung nach Art. 48 lll EGV EuGHE 1995, 1-4921, 5065 Rn. 81 (Bosman): Keine Einschränkung der Rechte aus dem EGV durch die Autonomie d. Sportverbände beim Erlass ihrer Regelungen. Zur Rechtfertigungsmöglichkeit priv. Beschränkungen d. Arbeitnehmeifreizügigkeit zu!. etwa EuGHE 1998, 1-2521, 2545 f. Rn. 24 (Clean Car Autoservice Ges.m.b.H./Landeshauptmann v. Wien) Residenzpflicht f Geschäftsführer, sowie SA GA Alber v. 22.6.1999 (6. K) - C-176/ 96 (Lehtonen u. Namur-Braine/FRBSB u. LB/BL): Rechtfertigung durch den "Schutz des sportlichen Wettbewerbs vor Verfälschung" als Allgemeininteresse. 81 A.A. in seiner Gegenüberstellung v. "Bürgerrechte[n]" u. "Warenverkehr" offb. S. Maurer, NOZ Nr. 132 v. 10.6.1998, 3, anl.d. Brenner-Blockade (zu dieser s. u., B.IV.1c)cc)(2)).
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Nicht ausgeschlossen wird dadurch indes, dass im Einzelfall angesichts großer Gefahren für die (menschliche) Gesundheit83 dem "Schutz der Volksgesundheit ... gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen vorrangige Bedeutung beizumessen ist". 84 Das EuG hat in diesem Zusammenhang sogar 82 Ähnl. der Ansatz v. Frenz Rn. 769 ff. Das ist a. ein wesl. Anliegen v. Möllers, EuR 1998, 36. Unklar Bamard/Hare, (1997) 60 MLR 410 f. 83 Der Begriff "öffentliche Gesundheit" soll sich nach einer Ans. i.d. Lit. auf die Bevölkerung als Ganze beziehen, während der Begriff o. dieses Adjektiv die individuelle Gesundheit d. Einzelnen bezeichne, s. Berg, S. 71 m.N. Der vielfach verwendete Begriff "Volksgesundheit" beziehe sich ebf. auf die Bevölkerung als Ganze u. stelle ein Synonym zum Begriff "öffentl. Gesundheit" dar (s. Berg, a. a. 0.). Eine Abgrenzung zw. dem Schutz kollektiver u. einzelgrl. Güter scheint damit indes nicht verbunden zu sein. Der EuGH scheint überdies - jedf. i.Z.m. Art. 11 8a EGV ( = Art. 138 n.Z.)- den (weiten) Gesundheitsbegriff d. WHO, der sämtl. MS angehören, übernehmen zu wollen, s. nur EuGHE 1996, 1-5755, 5800 Rn. 15 (VK/Rat) -Arbeitszeitgestaltung. Nach deren Satzungs-Präambel ist Gesundheit der Zustand vollst. körperl., geist. u. soz. Wohlbefindens u. nicht nur das Freisein v. Krankheiten u. Gebrechen (krit. v. a. aufgr.d. mangelnden Konturenschärfe, Berg, ebd., S. 59 ff., der statt dessen als Ergebnis seiner breit angelegten Definitionsversuche [S. 40-62] vorschlägt, Gesundheit als "Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und psychisch-seelischen Wohlseins" zu definieren [S. 62, 433]). Dieser Frage soll hier nicht weiter nachgegangen werden, lässt doch a. das BVerfG offen, ob f. Art. 2 11 1 GG der WHO-Begriff zu übernehmen sei (s.d.N.o., Erster Teil, A.III.l.b), Fn. 63) u. handelt es sich doch a. um ein nicht schutzpflichtentyp., sondern auf die zutreffende Def.d. Schutzber. bezogenes Probl. 84 Zul. i.Z.m.d. Berufsfreih. EuGHE 1997, 1-4315, 4375 Rn. 43 (Affish BV/ Rijksdienst voor de keuring van Vee en Vlees) - Schutzmaßn. bzgl. jap. Fischereierzeugnisse, u.H.a. E 1996, 1-3903, 3936 Rn. 93 (VK/Kom.)- BSE-1 (ew.Ao.); 1998, 1-1531, 1594 ff. Rn. 90 ff. (1595 f. Rn. 94) (Norbrook Laboratories Ltd/MAFF) Genehmigung f. das 1nverkehrbringen v. Tierarzneimitte in. S. a. Schlußfolg.d. Rates v. 18.6.1996 zu den TSE, ABI. C 194 v. 5.7.1996, 1 - TSE-Schlußfolg.-1 ("auf jeden Fall absoluter Vorrang" d. öffentl. Gesundheit), bekr. in Schlußfolg.d. Rates v. 12.11.1996 zu den TSE, ABI. C 374 v. 11.12.1996, 2- TSE-Schlußfolg.-11; LebensmitteiGE d. Korn. v. 30.4.1997, KOM(97) 176 endg., S. ll ("Der Gesundheitsschutz ist ... jederzeit als absolute Priorität zu behandeln und nicht nur in Notfällen zu berücksichtigen"); Begr.d. Vorschl.d. Korn. v. 1.10.1997 f. eine RL d. EP u. d. Rates zur Änderung d. RL 85/374/EWG d. Rates v. 25.7.1985 zur Angleichung d. R- u. VerwVorschr.d. MS über die Haftung f. fehlerhafte Produkte [ABI. L 210 v. 7.8.1985, 29 - ProdukthaftungsRL}, KOM(97) 478 endg., 97/0244 (COD), S. 2 ("Der Gesundheitsschutz wird ... nicht dem Grundprinzip des freien Warenverkehrs geopfert"). Im Binnen-Zushg. m.d. Rechtsgütern d. Art. 36 EGV (= Art. 30 n.Z.) s.a. EuGHE 1994, 1-5243, 5264 Rn. 16 (Ortscheit/Eurim-Pharm) - Werbeverbot f. 1mportarzneimittel. I.Z.m. Art. 37 u. 36 EGV (Art. 30 u. 31 n.Z.) d.S.n. EuGHE 1997, 1-5909, 5976 f. Rn. 76 (Franzen) - Schwed. Alkoholmonopol (Systembolag"Boutiquen"), sowie jüngst EuGH, ELR 1999, 318 (Sami Heinonen)- Alkohol zum Privatgebrauch auf Reisen (20 Stunden-Regelung), m.krit.Anm. M. Novak, ebd. Ähnl.a. BE D d. Entschl.d. EP v. 26.6.1997 zu den Schlußfolg.d. "Hormon-Panel" d. WTO - B4-0573 - 0577, 0579 - 0580/97 - Hormon-Panel-Entschl. Allg. zum ("flächendeckend hohe[n]") Stellenwert d. Gesundheitsschutzes im EGV Berg (vor.Fn.), S. 434 ff. (435), 477 ff., m.w.N. u. u.H.a. Art. 3/it. o (=Art. 31 fit. p),
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
von "übergeordneten Erfordernissen in bezug auf den Schutz der Menschenrechte, die der gesamten Gemeinschaftsrechtsordnung zugrunde liegen", gesprochen, 85 und damit in aller Deutlichkeit einen Bezug zwischen der Volksgesundheit und den Grundrechten auch - jedenfalls der Sache nach - als Schutzrechten hergestellt. Zumindest haben die Gemeinschaftsorgalle bei der Ausübung ihrer Befugnisse nach der Rechtsprechung des EuGH die Pflicht, "den Erfordernissen des Allgemeininteresses, wie etwa des Verbraucherschutzes oder des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren, Rechnung zu tragen". 86 Dem entspricht es, wenn - allerdings nur vereinzelt - in der Diskussion um die (gemeinschafts-) grundrechtliche und grundfreiheitliche Zulässigkeit von Werbeverboten die Frage aufgeworfen wird, ob sich hier nicht auch die Gemeinschaft zur Rechtfertigung von Eingriffen auf Schutzpflichten berufen könne. 87 Die Einbeziehung von Grundfreiheiten in die Untersuchung von Schutzpflicht-Gehalten des Gemeinschaftsrechts lässt sich dogmatisch weiterhin auf Basis der herkömmlichen Schutzpflicht-Dogmatik rechtfertigen: Nimmt man dort an, dass Schutzpflichten - im Gegensatz zu Abwehrrechten - die öffentlichen Gewalten zum Tätigwerden zwingen, so korrespondiert diese Funktion auffällig mit der den Grundfreiheiten zunächst nur quantitativ zugeschriebenen Funktion, häufiger auch ein an die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft selbst gerichtetes Handlungsgebot zu enthalten, nämlich dann, wenn der status negativus für die Ausübung der Grundfreiheit nicht ausreiche. 88 Abschließend bleibt noch zu bemerken, dass die oben angeführten, schutzpflichtträchtigen Konstellationen in dieser Arbeit selbstverständlich nicht einer jeweils ins Einzelne gehenden Lösung zugeführt werden können. Zu sehr hängt die erforderliche Abwägung von den Umständen des 36 (30), IOOa III (95 III), 129 I UA 3 EGV (entspr. c.g.s. Art. 152 I UA 1 n.Z.). Zur sog. BSE-Krise s.ibid., 515 ff. Zur (u.a.) durch diese motivierten n.F. d. Art. 129 EGV nach dem AV vgl. dens./Karpenstein, EWS 1998, 80; v. Schwanenflügel, EuR 1998, 210 ff.; Rack/Gasser, EuZW 1998, 421 ff.; Bluman/Adam, RTD eur. 33 (1997), 241 ff. Vgl.a. noch- i.Z.m. dem Versuch einer Begr. gemrl. Schutzpflichten- Frenz Rn. 55, 57. 85 EuG, EUGHE 1996, II-815, 846 Rn. 75 (NFU u. a./Kom.) - BSE-lll. 86 So zu!. etwa EuGHE 1997, I-1847, 1871 Rn. 37 (Woodspring District Council/ Bakers of Nailsea Ltd) - Tierärztl. Schlachttieruntersuchung u. Kostenabwälzung, u.H.a. EuGHE 1988, 855, 896 Rn. 12 (VK/Kom.) - Honnone. Zum Schutz d. "Volksgesundheit" s.a. nochjüngst EuGHE 1997, I-1877, 1899 f. Rn. 20 (Paul Daut GmbH & Co. KG/OKD d. Kreises Gütersloh) - Separatorenfleisch 87 S. etwa Schwarze, in: ders., Werbung, S. 19; Hatje, ebd., S. 43, 49. Damit wird noch nicht zur Frage d. Kompetenz Stellung genommen. 88 So etwa die Beobachtung v. Jann, JBI. 1998, 32 Sp. 1.
A. Grundrechte im europäischen Recht
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jeweiligen Einzelfalls und den jeweils einschlägigen Grundfreiheiten und Grundrechten (i. e. S.) ab. Immerhin soll hier aufgezeigt werden, dass und wie grundfreiheitliche sowie grundrechtliche Schutzpflichten bei der Entwicklung der Lösung eine Rolle spielen können und auch müssen. 2. Vertragliche Diskriminierungsverbote und Art. 141 EGV (ex 119)
Für die Diskussion um die "Grundrechtsqualität" der besonderen vertraglichen Diskriminierungsverbote der Art. 689 und 40 III EG\fJ 0 sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. //9 EGlfJ' kann auf die Ausführungen zu den Grundfreiheiten verwiesen werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen alle diese Vorschriften jeweils nur eine "besondere Ausprägung" eines ganz allgemeinen Diskriminierungsverbots als allgemeiner Rechtsgrundsatz dar. 92 Hier votiert überdies sogar das ganz überwiegende Schrifttum nahezu einhellig für eine Einordnung der Normen als geschriebene Gemeinschaftsgrundrechte,93 so dass von einer näheren Darstellung insoweit abgesehen werden kann. 89 Zu Art. 6a EGV i. d. F.d. AV (=Art. 13 n.Z.) s. nur Hilf, integration 1997, 249; dens., EuR 1997, 356; Petite, HarvJMCWPS No. 2/98, I.l.c); Wachsmann, RTD eur. 33 (1997), 900 f.; Berg/Karpenstein, EWS 1998, 81; Betten/Grief, S. 137 f.; Colvin/Noorlander, [1998] E.H.R.L.R. 194; Ellis, 35 CML Rev. 1998, 380 f.; Langrish, (1998) 23 E.L.Rev. 15; Lecheler, JuS 1998, 396; Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 14; N. Riede/, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 81 f.; Bergmann/Lenz-Bergmann Kap. 1 Rn. 28 ff.; Van der Klaauw, in: Hutter u. a., S. 47; Cirkel, NJW 1998, 3333; Duvigneau, LIEI 1998/2, 74 f.; Jochum, ZRP 1999, 279 ff.; Mancini/O'Leary, (1999) 24 E.L.Rev. 347 f.; Bergmann/Droutsas, ERPLIREDP 11 (1999), 587 ff., sowie die AV-Entschl.d. EP (Fn. 4) mit dem - a. insow. - krit. De Vigo- u. Tsatsos-Ber. (insbes. 1: keine direkten Auswirkungen, Einstimmigkeitserfordemis, bloßes Konsultationsverf. - ebenso Entschl.d. EP v. 29.1.1998 - B4-0108/98 - zu Rassismus, Fremdenfeindlichkeit u. Antisemitismus u. zu den Resultaten d. Eur. Jahrs gg. Rassismus (1997), ABI. C 56 v. 23.2.1998, 35, 38 Nr. 4 f. - EP-Anti-RassismusEntschl. 1998-I). Spez. zur Diskriminierung Behinderter Whittle, (1998) 23 E.L.Rev. 50 ff. Spez. zum Kampf gg. Rassismus Rosenberg, RTDE 35 (1999), 209 f. 90 Art. 34 ll n.Z. 91 Zu Art. 119 IV EGV i. d. F.d. AV (= Art. 141 IV n.Z.) betr. die "effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männem und Frauen im Arbeits1eben" vgl. nur Hilf, integration 1997, 251; dens., EuR 1997, 355; Wachsmann, RTD eur. 33 (1997), 899 f.; Favret, CDE 33 (1997), 562 f., 574 f.; Ellis, 35 CML Rev. 1998, 381. S.a. die Art Querschnittsklausel im Art. über die Tätigkeiten der Gern., Art. 3 ll EGV (n. F.). 92 So zu!. f. Art. 119 EGV EuGH, U.v. 16.9.1999 (5. K)- C-218/98 (Abdoulaye u. a./Regie nationale des usines Renault SA) - n.n.v. - Rn. 16 - Tarifvertrag/. Mutterschaftsbeihilfe nur f. Arbeitnehmerinnen-I. 93 S. nur Petersen, S. 168; Crones, S. 56 ff. (57 f.); R. Hofmann, in: ders., S. 329 f.; Emmert § 23 Rn. 10, 16; § 24 Rn. 1 ("das einzige echte Grundrecht im geschriebenen Gemeinschaftsrecht"); Seidel, S. 67, 93 ("ein - sogar staatenbinden-
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht 3. Unionsbürgerschaft
Fraglich ist, ob sich auch der Unionsbürgerschaft94 nach Art. 8ff. EGv'l 5 Ansätze für Grundrechtsgewährleistungen der Gemeinschaft und/oder der des- Grundrecht"); Bieback, EuR 1996, 409; W. Weij3, S. 14; GTE-1-Beutler Art. F EUV Rn. 34, 52, 58, 88, 92, 106; Holoubek, GRschutz, S. 79 Fn. 23; Pfrang, S. 61 f.; E. Klein, in: Graf Vitzthum, VR 4. Abschn. Rn. 253 Fn. 683; Hammer!, S. 160 ("echtes Gemeinschaftsgrundrecht"); Rickert, S. 26, 45; Zuleeg, DÖV 1997, 1021; GTE-IV-Krück Art. 164 EGV Rn. 31; Anweiler, S. 16 m.Fn. 51, 358; Barnard, (1998) 57 CLJ 355 ff.; Kingreen/Störmer, EuR 1998, 263, 275 ("das einzige in den Verträgen kodifizierte Menschenrecht", H.i.O.); Hirsch, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 10 ("spezifische Grundrechtsverbürgungen"); dens., RdA 1998, 195 Sp. I (f. Art. 6 I, 4B ll u. 119 EGV); Bergmann/Lenz-Bergmann Kap. 1 Rn. 7, der i.H.a. Art. 119 EGV vom "einzigen echten Grundrecht im geschriebenen Primärrecht" spricht; Steinberg, ZRP 1999, 367 Sp. 1 ("Grundrechtscharakter"). Abgeschwächt Kugelmann, S. 22 ("mit grundrechtsähnlicher Wirkung"), 42. A.A. aber wieder Kokott, AöR 121 (1996), 630. 94 Umf.d. O'Leary; P. Fischer, in: Haller u. a., Winkler-FS, S. 237 ff.; Ende; Neussl, LIEI 199711, 47 ff. S. a. den mittlerweile 2. Unionsbürgerschaftsber. d. Korn. v. 27.5.1997, KOM(97) 230 endg. Dabei handelt es sich um ein "eigenes Statusrecht", s. nur Ress, JuS 1992, 987 Sp. 1: Jed. sei dieses StatusR v.d. klass. Staatsangehörigkeit noch "erheblich entfernt" u. stelle a. kein im Ansatz umf. Treue- u. Schutzverhältnis dar, sondern unterliege gern. Art. B ll EGV (=Art. 17 ll n.Z.) dem Prinzip der Enumeration (a. a. 0., u.H.a. die Ähnlichkeiten zum Institut d. British Subject i. R.d. Commonwealth). Dazu, dass dieses "Rechtsband zwischen Unionsbürger und Union ... in keiner Weise einen vergleichbaren Schutzstandard wie die Staatsbürgerschaft [verbürgt] und mit ihr nicht gleichgesetzt werden kann", s. dens., Bürger, S. 43. D.S.n. ebenso Everling, ZfRV 1992, 247 f.; Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), 226 f.; Häde, Der Staat 36 (1997), 13 f.; GTE-1-Haag Art. 8 Rn. 4 EGV; Tonne, S. 278 f., jew.m. w. N. S. a. die deutl. diesbzgl. Worte im Beschl. 95/553/EG d. i.R.v.V.R.MS v. 19.12.1995 über den Schutz d. Bürger d. EU durch die dipl. u. kons. Vertretungen, ABI. L 314 v. 28.12.1995, 73, 2. BE Schutz-Beseht. 1995: "unter Berücksichtigung des mit dem Vertrag über die Europäische Union eingeführten Status der Unionsbürgerschaft, der sich von der nationalen Staatsbürgerschaft unterscheidet und in keiner Weise an ihre Stelle tritt". Dass das BVerfG die Unionsbürgerschaft "fälschlicherweise" als eine Rechtsbeziehung zw. einzelnen Unionsbürgern angesehen hat (E 89, 155, 184) ist- Ress folgend- zwar richtig. Dass diese Annahme auf dem Zögern d. BVerfG beruhe, die Union - wie Ress es annimmt - als VRsubj. anzuerkennen, ist indes nicht zwingend: Die Unionsbürgerschaft u. die aus ihr folgenden Rechte sind - enumerativ (vgl. Art. B ll EGV {Art. 17 ll n.Z.] i. V.m. den [bes.] Rechten aus den Art. Ba- Bd EGV {Art. 1B-21 n.Z.] sowie i. V.m. den [allg.] Rechten aus den GFen u. Gleichbehandlungsgeboten) -im EGV geregelt (s. aber a. die "Evolutivklausel" in Art. Be II EGV {=Art. 22 ll n.Z.] - vgl.d. Monar/Bieber, S. 59 ff.). Adressaten d. Pflichten sind die EG (u. die MS), nicht aber die EU - die Unionsbürgerschaft ist desh. d.S.n. eine "EG-Bürgerschaft" (ebenso Obwexer, ecolex 1996, 323, 323 Sp. 2; diff. P. Fischer, a.a.O., s. 242 ff.). 95 Zu - inhaltl. nicht sonder!. weit führenden- Ergänzungen i. R.d. AV (Art. 17 ff. n.Z.) s. nur Hilf, integration 1997, 250 f.; dens., EuR 1997, 356 f.; Bldzquez Peinado, R.D.C.E. 3 (1998), 271 ff.: Klargestellt wird ledl., dass die Unionsbürger-
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479
Mitgliedstaaten entnehmen lassen. Aus dem gemeinschaftlichen Rechtsinstitut der Unionsbürgerschaft als solcher folgen sie jedenfalls nicht. Ansatzpunkt sind vielmehr die einzelnen, in den genannten Bestimmungen ausformulierten Rechte. 96 Hier liegt eine "Grundrechtsqualität" in der Tat nicht fern. 97 Jedenfalls wird verschiedentlich eine Verbindung zwischen den Gemeinschaftsgrundrechten als Bestandteil einer objektiven Wertordnung und dem Konzept der Unionsbürgerschaft ausgemacht. 98 Zum Teil wird sogar davon gesprochen, dass die Art. 8a bis d EGV echte "Freiheitsrechte" und als solche den nationalen Grundrechten vergleichbar seien. 99 Sie lösten sich von der bislang (angeblich) allein wirtschaftlichen Funktion der subjektivöffentlichen Rechte im EGV. 100 Zumindest erscheint eine Verbindung von nationalen und/oder Gemeinschaftsgrundrechten mit der Unionsbürgerschaft denkbar. Diesbezügliche Ansätze gerade auch für grundrechtliche Schutzpflichten sollen an dieser Stelle nur kurz erwähnt und später 101 eingehender behandelt werden: 102 schaft die nat. Staatsbürgerschaft "ergänzt", nicht aber ersetzt (Art. 8 I 3 EGV i. d. F.d. AV = Art. 17 I 3 n.Z.). Zur wachsenden Bedeutung d. Vorschr. s. jüngst EuGHE 1998, I-2691, 2725 f. Rn. 59 ff. (Sala/Freistaat Bayern) - Erziehungsgeld nur bei Aufenthaltserlaubnis(§ I Ia BErzGG). 96 Über die geschriebenen Rechte u. Pflichten d. Unionsbürger hinaus will Ende, S. 8 u. pass., indes den Individualrechtsschutz d. Einzelnen erweitern. 97 Vgl.d.a. GTE-I-Beutler Art. F EUV Rn. 111 ff., m.z.N. Das EP bezeichnet etwa das PetitionsR aus Art. 138d EGV als "ein mit der Unionsbürgerschaft verknüpftes Grundrecht", s. BE A d. Ber. über die Beratungen d. Petitionsausschusses i.d. Sitzungsperiode 1996-1997 v. 28.5.1997- A4-0190/97, PE 221.940/end- Petitionsber. 1996/97. Ähnl. Nr. 1, ibid. Die "Grundrechtsträger" erschöpfen sich aber nicht in den Unionsbürgern, sondern umfassen ausweisl.d. Wortlauts d. Art. 138d EGV a. "jede natürliche oder juristische Person mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat". Gleiches gilt f. eine Beschw. an den eur. Bürgerbeauftragten gern. Art. 138e I EGV (=Art. 195 n.Z.). Nach dem Wortlaut d. Art. 8d EGV (= Art. 21 n.Z.) werden v. beiden Rechten indes nur Unionsbürger u. nicht Drittstaatsangehörige erfasst. Vgl.d. nur P. Fischer, in: Haller u. a., Winkler-FS, S. 266 ff., der die Unionsbürgerschaft ohnehin auf natürl. Personen beschränkt sehen will (ebd., S. 252 f., 254, 263 f., 267, m. w.N.). N.d.s. u.u. B.IV.3.a). Zum PetitionsR als Mittel d. außergerl. Durchsetzung v. Staatszielen (einschl. objektivrl. GRgehalte u. damit d. Schutzpflichten) zul. etwa rvgl. Sommennann, S. 457 ff., m.z.N. Zu Art. 8d Ili i.d.F.d. AV (=Art. 21 n.Z.) s. nur Hilf, integration 1997, 247, 250; dens., EuR 1997, 347, 357. Die Ergänzung betrifft das Recht eines jeden Unionsbürgers, sich in seiner Sprache an jedes Organ u. jede Einrichtung zu wenden. 98 Vgl.d. nur O'Leary, 32 CML Rev 1995, 549 ff.; Tonne, S. 279; Neussl, LIEI 199711, 47 ff. 99 Kingreen/Stönner, EuR 1998, 271. F. das (allg.) AufenthaltsR aus Art. 8a EGV (= Art. 18 n.Z.) a. Schmidt-Aßmann, S. 328 f. Rn. 7/35 ("Beispiel für die Überformung einzelner grundfreiheitlicher Elemente zu einem Grundrecht", 329); Grabitz/Hilf-HilfEUK I Art. 8a Rn. 21 ("grundrechtsähnliche Formulierung"). 10 Kingreen/Stönner, EuR 1998, 271, die insow. v. einer "zweiten Generation der subjektiv-öffentlichen Rechte im primären Gemeinschaftsrecht" sprechen.
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
Zum einen kommt Art. 8c EGV103 als Grundlage für eine Pflicht zunächst der in dieser Vorschrift ausdrücklich adressierten Mitgliedstaaten, aber möglicherweise auch der Gemeinschaft selbst, 104 zur Gewährung von diplomatischem bzw. von Auslandsschutz in Betracht. 105 Darüber hinaus ist aus deutscher verfassungsrechtlicher Perspektive insbes. an eine erweiternde Auslegung des Art. 16 11 GG zu denken, der eine Auslieferung 106 Deutscher untersagt. Problematisch ist hier, ob Unionsbürger aus gemeinschafts(grund)rechtlichen Gründen insoweit den gleichen Schutz genießen müssen. 107 4. Sonstige vertragliche Vorschriften
Soweit sonstige vertragliche Vorschriften bestimmte Grundrechtsgüter, insbes. die (menschliche) Gesundheit thematisieren, werden sie von einem Teil der Literatur als "grundrechtsähnlich" angesehen. 108 Der EuGH hat solche Vorschriften bisher nicht ausdrücklich in seine Grundrechts-Rechtsprechung einbezogen. 109 Auf das grundrechtliche und vor allem auch S.u., Zweiter Teil, B.IV.3. Rechts- bzw. verfassungspoL zur "schutzrechtliche[n] Dimension" d. Unionsbürgerschaft Monar/Bieber, S. 15, 70 f. 103 Art. 20 n.Z. Ausf.d. Stein, in: Ress/Stein, S. 97 ff.; GTE-I-Haag Art. 8c EGV. 104 S.a. Art. 1.6 l/ EUV (=Art. J.JO l/ i.d.F.d. AV =Art. 20 l/ n.Z.). Losgelöst von jeder vertragsrl. Anhindung nimmt das EuG eine Pflicht d. EG zum dipl. Schutz an: EuGHE 1995, II-2025, 2053 Rn. 77, 2055 Rn. 85 (Odigitria AAE/Rat u. Korn.) - Fischereirisiko. N.d.s. u.u. B.IV.3.c). 105 S.d.ber. EUDUR-P. Szczekalla I § 12 Rn. 23; dens., EuR 1999, 325 ff. 106 Zur "Schutzpflicht-Nähe" d. diesbzgl. Rspr. v. EuGHMR u. KomMR zu Art. 3 EMRK s. u., Zweiter Teil, B.V.l.d)bb)(e). Pläne, diese Vorschr. im Verhältnis zu den EU-MS und zu internat. StrafGH abzuändern, lassen der Bestimmung im Falle ihrer Realisierung noch einen - durchaus weiten - Anwendungsber. i.H.a. Drittstaaten. 107 Insow. ab!. Häde, Der Staat 36 (1997), 14, mit dem - als solchem wenig überzeugenden- Hinw. darauf, dass die Unionsbürgerschaft keine neue Staatsangehörigkeit begründet habe. 108 F. Art. 130r EGV (Art. 174 n.Z.) u. den in ihm enthaltenen Hinw. auf den "Schutz der menschlichen Gesundheit" vgl. GTE-I-Beutler Art. F EUV Rn. 34 a. E. ("grundrechtsähnliche Formulierung"), 87 ("Handlungsauftrag an die Gemeinschaft wie die Mitgliedstaaten"). Zur mögl. Deutung d. Schutzes d. Gesundheit i. S. v. Art. 36 EGV (= Art. 30 n.Z.) als GR d. Verbraucher s. Zuleeg, Bitburger Gespr. S. 23. 109 Vgl. nur EuGHE 1994, 1-5243, 5264 Rn. 16 (Ortscheit/Eurim-Pharm), wo trotz vorhandener Möglichkeit, i.Z.m. den Schranken d. Art. 30 EGV ( = Art. 28 n.Z.) a. auf den grl. Gehalt d. Art. 36 EGV (=Art. 30 n.Z.) einzugehen- nur darauf hingewiesen wird, "daß die Gesundheit und das Leben von Menschen ... nach ständiger Rechtsprechung unter den in Artikel 36 EWG-Vertrag geschützten Gütern und Interessen den ersten Rang einnehmen ... ". Zu positiven Pflichten aus Art. 2 EMRK (ausf.d.u.u. B.V.l.d)aa)) im ArzneimittelzulassungsR s. nur die vorsichtige Andeu101
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A. Grundrechte im europäischen Recht
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schutzrechtliche Potential dieser vertraglichen Bestimmungen wird aber noch zurückzukommen sein. 110 II. Ungeschriebene Grundrechte- Allgemeine Rechtsgrundsätze 1. Begriff und Geltungsgrund der allgemeinen Rechtsgrundsätze
Die allgemeinen Rechtsgrundsätze 111 stellen im gemeinschaftlichen Rechtssystem eine eigenständige Rechtsquelle dar. Sie sind nicht "Richterrecht"112 - EuGH und EuG erkennen das Recht, setzen es aber nicht tung bei Clapham, in: Macdonald u. a., S. 178: "One could imagine a State being found in violation of Article 2 should it fail to have adequately controlled the release of lethal medicine onto the market by private pharmaceutical companies". 110 S.d.u., Zweiter Teil, B.IV.l.a) u. b). Zur Frage nach einem "Recht auf Sicherheit" als Gegenstück zu den Beschränkungsmöglichkeiten d. Art. 36 EGV ( = Art. 30 n.Z.) s. Reich, VerbraueherR Rn. 209 S. 452 ff.; Rn. 271 S. 533 f.; ders., (1997) 3 ELJ 131, 140, jew.u.H.a. Micklitz, S. 216 ff., 169 ff. (zum "Verbraucherrecht auf Sicherheit" einseht. ökologischer Qualität) [... ]. Skept. zum "Recht auf Sicherheit" einseht. Produktsicherheit als einem "ökologischen Recht" Reich, a.a.O., 151 ff. (153), d. insow. auf das SekR setzt (153 ff.). S.d.a. Ahlfeld, S. 107 ff.; Berg, S. 72 f. Zu "grundrechtlichen Schutzpflichten" d. "Verfassungsstaaten ... gegenüber den Verbrauchern" s. etwa Hilf/Eggers, EuZW 1997, 559, 564 f., jew. Sp. l. 111 Dafür, dass es aufgr.d. Formulierung in Art. F 1/ EUV (=Art. 6 n.Z.) zul. sei, "in Hinkunft nicht von allgemeinen Rechtsgrundsätzen, sondern von Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zu sprechen", Baumgartner, ZfV 1996, 324 Fn. 64; ders., S. 167 Fn. 158. Weil darin aber - wie Baumgartner selbst fortfährt - kein dogm. Unterschied zum Ausdruck kommt, soll hier die eingeführte Terminologie nicht o. Not verlassen werden. 112 So aber offb. Heintzen, S. 257; Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 856; Hilf, EuR 1991, 25; ders., in: Weidenfeld, S. 63; Everling, ebd., S. 74; Badura, in: Delbrück u.a., S. 128; Schwarze, ZfV 1993, 2 Sp. 2; ders., NJ 1994, 53; Zuleeg, NJW 1994, 546 Sp. 2; ders., ZUM 1997, 779 Sp. 1; Ruffert, EuGRZ 1995, 519, 520, 523, 525, jew. Sp. 1, u.ö.; Rönck, S. 180; Ende, KritV 1996, 372; dies., S. 84 f.; Kugelmann, S. 22; Scheuing, in: Kreuzer u.a., Europäisierung, S. 100; Kühling, EuGRZ 1997, 297 Sp. 1; Rickert, S. 27, 122; Pfrang, S. 84 ff.; Pauly, EuR 1998, 252; Hirsch, in: Kreuzer u.a., GRschutz, S. 11, 13; ders., F.A.Z. Nr. 163 v. 17.7.1998, 18 Sp. 3; ders., RdA 1998, 194 f.; ders., GemGRe, S. 44 f., 50 f.; Rupp, JZ 1998, 215 ff.; Schubert, S. 46; Däubler-Gmelin, S. 13, 15, sowie - jedf. zun. - Kokott, AöR 121 (1996), 602 ("lediglich richterrechtliche[r] Grundrechtsschutz"), 634. Anders dann offb. auf S. 606, wo von "Klarstellungen" hinsl.d. Auslegung d. GemGRe durch den EuGH im Vorabentscheidungsverf. die Rede ist. Dem Terminus "Richterrecht" dürfte bei Kokott desh. keine jur.-techn., sondern eher eine bloß deskriptive Bedeutung zuzumessen sein. Unklar a. die Diff. zw. "Rechtsschöpfung" u. "Rechtsfortbildung" bei Borchardt, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 55 ff., 60 ff., sowie die Einschätzung v. Edward, ebd., S. 49 ("in a sense a judicial invention"). "Rechtsschöpfung" ist nach Borchardt jed. a. (nur) "die Erkenntnis dessen, was als Recht in der Gemeinschaftsrechtsordnung gilt" (S. 55; s.a. S. 60). Noch deutl.: Die Formel vom 31 Szczekalla
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
selbst: 113 Die allgemeinen Rechtsgrundsätze sind einem Richterspruch präexistent, die jeweilige Entscheidung zeichnet das bereits vorhandene Recht, dass insoweit auch kein Gewohnheitsrecht darstellt, 114 nur nach. 115 Jeden"Gouvernement des juges ... " od. der "legislation by interpretation" (jew. m.N.) sei "insofern ungenau, wenn nicht sogar unzutreffend, als nicht die Rechtsprechung des EuGH der Erkenntnisgrund für die Rechtsgrundsätze als positives, d.h. anwendbares Recht ist, sondern diese Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung bereits inhärent sind und lediglich erkannt und für die Rechtsanwendungspraxis konkretisiert werden müssen" (S. 56). Ebenso ders., in: Randelzhofer u. a., Grabitz-GS, S. 37 f. V. einer "quasinormsetzenden Arbeit" des EuGH sprechen Feger, DÖV 1987, 334 Sp. 2, u. Chwolik-Lanfermann, ZRP 1995, 129 Sp. 2. Nach P. Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 93, soll die E(W)G nicht strikt zw. Rechtsetzung u. Rechsprechung trennen, sondern "Grenzüberschreitungen ihrer Gerichtsbarkeit zwischen Rechtsfortbildung und Rechtsetzung" tolerieren. Unklar a. G.M. Hoffmann, S. 27 ff., der eine Bewertung als RichterR abl. (S. 33 f.), v. einer - mittlerweile gewohnheitsrechtlich akzeptierten - Kompetenzüberschreitung d. EuGH ausgeht (S. 34 ff., m. w.N.) u. i.Ü. v. "richterlichen" GemGRen spricht (pass.), sowie Zacker, S. 96 f., der insow. v. einem "pouvoir normatif' u. d. Schaffung "generell-abstrakte[r] ,Rechts-Sätze"' durch den EuGH redet (96). S. Zul. die kleine "Kontroverse" zw. Kühne, demzufolge BVerfG, EuGHMR u. EuGH rechtsetzend tätig werden würden, u. Frowein, demzufolge EuGHMR u. EuGH nur auslegten, auf den "3. Würzburger Europarechtstagen" v. 18./19. Juli 1997 i.d. Disk., insow. im Tagungsband v. Kreuzer u.a., GRschutz, n.abgedr. (s. aber Kühnes Vortr., ebd., 55, 63 ff.). Undeutl. aber a. die Rspr. des BVerfG zu den "allgemeinen Rechtsgrundlagen" im dt. Recht, s.o., Erster Teil, A.V.l.a)bb). A. die Spruchpraxis d. IGH, der das geltende Recht zwar feststellt, aber nicht als Gesetzgeber fungiert, selbst wenn er die Reichweite d. Recht spezifizieren muss, spricht gg. die Annahme v. "Richterrecht", s. nur IGH, 35 I.L.M. 809 (1996), 819 § 18 - Atomwaffen-GA = IGHE 1996, 226 ff. Gerl. Entsch. fungieren gern. Art. 38 I lit. d IGH-Statut nur als "Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen". 113 S. aber a. aus rechtstheoret. Sicht Penski, JZ 1989, 114, f. den Rgrds. eines bes. Aktes d. "ln-Geltung-setzens" bedürften, welcher a. v. rspr. Organen vorgenommen werden dürfe. Rgrds. Gehalte würden i.H.a. best. Bedingungen konkretisiert, erlangten als solche aber keine unmittelbare rechtl. Geltung. Wie hier, aber mit anderer Begr., Lehr, S. 407, der darauf abst., dass a. andere Organe als der EuGH allg. Rgrds. "(mit-)herausbilden". Aus rechtstheoret. Sicht zu RichterR u. Behördenpraxis in Gegenüberstellung zu allg. Rgrds. zul. etwa Kley, VwR FL S. 75 f. bzw. 70 ff., m.w.N., sowie Röhl, S. 571 ff. 114 S. nur Borchardt, zit. nach P. Szczekalla!Caspari, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 138 f.; v. Milczewski, S. 9. S. aber a. Ostertun, S. 86 f., demzufolge die Rspr.d. EuGH kein GewohnheitsR darstelle, der aber nach seinem eigenen Ansatz allg. Rgrds. als bsph. Anwendungsfall v. GewohnheitsR anführt (S. 216 ff., m. w. N.) u. demzufolge die Richter (nur) "[p]sychologisch ... nicht frei [sind] - sie schafften die Rechtsgrundsätze nicht, sondern zeigten sie nur auf und setzen sie durch" (S. 219). F. die Annahme einer gewohnheitsrl. akzeptierten Kompetenzüberschreitung seitens d. EuGH durch seine GRjudikatur G.M. Hoffmann, S. 35 ff. Eine andere - hier nicht zu thematisierende - Frage ist, ob allg. Rgrds. neben ihrer Eigenschaft als eigenständiger Rechtsquelle zusätzl. gewohnheitsrl. begründet bzw. verfestigt werden können (i.d.S. etwa Ostertun, S. 221 f. m.Fn. 234 ff. u. m. w. N.). Die dafür u. a. erforderl. longa consuetudo liegt jedf. f. eine Reihe v.
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falls bedarf ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zu seiner Geltung nicht einer positiven Feststellung und inhaltlichen Konturierung durch den EuGH - es besteht keine Abhängigkeit von der Kontingenz eines diesbezüglichen Richterspruches. 116 Der Begriff "Richterrecht" kann lediglich - eher deskriptiv - als Konkretisierung der und allenfalls als eigene Erkenntnisquelle für die Geltung von Rechtsgrundsätzen, nicht aber als Geltungsgrund für Recht verstanden werden 117 • Der EuGH hat deshalb die Gemeinschaftsgrundrechte "weder geschaffen noch erfunden, sondern gesucht und gefunden"Y 8 Eine positivrechtliche Ableitung, jedenfalls aber eine Bestätigung der Existenz der ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze als gemeinschaftlicher Rechtsquelle ist auf zweifache Weise möglich: Zum einen GRen vor. "Neue" GRe, aber a. "neue" GRfunktionen sind einer solchen Begr. indes nicht zugängl. 115 Vgl.d. Vedder, EuR 1996, 12 f.: "kein Akt sekundärrechtlicher Rechtschöpfung", sondern "auslegende Feststellung" (313). F. den gesl. Richter i.Z.m. Art. 6 EMRK vgl. P. Szczekalla, EuZW 1995, 672 Sp. I; allg. dens., in: EUDUR I § 11 Rn. 22m. w. N. D.S.n. a. Gramlich, DÖV 1996, 807 Sp. 1 (f. die Vereinigungsfreih., welche dem "Normtext" d. Art. 9 GG u. 11 EMRK entnommen werden müsse, weil dazu "bislang keine umfangreichere Rechtsprechung vorliege"). Die Frage "deklaratorisch" od. "konstitutiv" offen lassend Tonne, S. 262. S.d.a. zul. etwa EuGHE 1997, 1-6783, 6835 Rn. 36 (Fantask AIS u.a./Industrieministeriet [Erhvervsministeriet]) - Gernwidrige Abgabe f. Gesellschaftseintragung u. nat. Verjährungsvorschr.: "Nach ständiger Rechtsprechung wird durch die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Artikel 177 des Vertrages vornimmt, erläutert und erforderlichenfalls verdeutlicht, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem lnkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre". Diese Aussage bezieht sich zwar in casu auf SekR, kann aber o.w. verallgemeinert werden: Mit Inkrafttreten d. EWGV sind zugleich die allg. Rgrds. in Geltung gesetzt worden! 116 So aber Grzybek, S. 85. Dagg. P. Szczekalla, DVBL 1995, 384. Vg_L a. Rengeling, GRschutz, S. 13 f.; Petersen, S. 174 ff. (175); Ruffert, S. 56 f. Ahnl. - den Streit aber letzl. herunterspielend - W. Weij3, S. 30 f. m.Fn. 161 a. E. Unklar EuGHE 1998, 1-8417, 8503 Rn. 52 (Baustahlgewebe GmbH/Korn.)- Geldbußenermäßigung wg. überlanger Verfahrensdauer (Betonstahlmatten), betr. den Grds.d. Unmittelbarkeit u. Mündlichkeit. Die Korn. vem. die Geltung eines solchen allg. Rgrds. (Rn. 51), der EuGH lässt dies offen (8503 f. Rn. 52 f.), prüft nur geschriebenes VerfahrensR (Rn. 52) u. konkrete nachteilige Auswirkungen auf die Partei, wie etwa Beweisverluste (8504 Rn. 53). S.d.a. den Bespr.-Aufs.v. Schlette, EuGRZ 1999, 369 ff. 117 So a. Rengeling, EuR 1984, 345; GRschutz, S. 8 (s. aber a.a.O., S. 222, wowohl nur beschreibend - v. "Richterrecht" die Rede ist); ders., Quellen, S. 44, jew.m.w.N. Unklar Bleckmann, NVwZ 1993, 828 Sp. 2: "Man kann ... der Auffassung folgen, daß ... die Rechtsprechung des EuGH eine primäre Rechtsquelle darstellt". S. a. Saladin, S. 169 ("nicht ... recht-schöpfend, sondern recht-übernehmend"), sowie jüngst Hirsch, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 13 ("Geltungsgrund ... ist die Eigenschaft der Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft"). 118 So jüngst Hirsch (vor.Fn.). 31*
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werden sie in Art. 215 I1 EGV119 ausdrücklich erwähnt- wenn auch nur in Bezug auf die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft; zum anderen ergibt die Auslegung des Wortes "Recht" in Art. 164 EGV120 ein umfassendes Verständnis dieses Begriffs, der Primär- und Sekundärrecht, aber eben auch ungeschriebenes Recht in Gestalt der allgemeinen Rechtsgrundsätze umfasst. 121 Rechtserkenntnisquellen 122 für die allgemeinen Rechtsgrundsätze sind insbes. die EMRK, daneben andere Menschenrechtsverträge, jedenfalls solche unter Beteiligung aller EU-Mitgliedstaaten, die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen sowie das sog. Soft law, letzteres jedenfalls als Argumentationsstütze. 123
Indem der EuGH in ständiger Rechtsprechung davon spricht, dass die Grundrechte (nur) zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deutet er an, dass es innerhalb der Rechtsquelle "allgemeine Rechtsgrundsätze" auch noch andere, nicht grundrechtliche oder nicht grundrechtlich-radizierte Rechtsgrundsätze gibt. 124 Die genaue Abgrenzung spielt hier indes keine Rolle. 125 119 Art. 288 n.Z. Glltd. Art. 188 11 EAGV. Anders aber Art. 34, 40 EGKSV. Zu dieser Ableitungsmöglichkeit s. nur Zuleeg, DÖV 1992, 940 Sp 2 ("Vorbild"); C.O. Lenz, EuGRZ 1993, 586 Sp. 1; Oppermann, DVBI. 1994, 903 Sp. 1. Diff. (schon) zur Ableitung Pauly, EuR 1998, 251 m.Fn. 37. 120 Art. 220 n.Z. Glltd. Art. 136 EAGV. Ähnl. Art. 31 EGKSV. Vgl.d. nur Rengeling, EuR 1984, 345; Everling, ZfRV 1992, 248 f.: "Auch die Gemeinschaftsgewalt muß aber, wie jede Hoheitsgewalt, nach allgemeinem Verfassungsverständnis rechtlich gebunden sein" (248 Sp. 2); Streinz Rn. 356 ("gemeineuropäische[s] Erfordernis grundrechtsgebundener Herrschaftsgewalt"); Heintzen, EuR 1997, 9 (u.H.a. auf Art. 20 JJJ GG); J. Geiger, S. 39. 121 S. nur Pipkom, RTDH 1993, 226 f.; Dauses, 60. DJT I, S. D 25; Edward, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 50; Zeder, ÖJZ 1996, 121 Sp. 1. l.b.a. die allg. Rgrds. als solche zunächst fragend, dann aber Ietzt!. bej. Baumgartner, ZfV 1996, 321 ("noch ... innerhalb der Grenze zur Rechtsfortbildung und mithin ... Auslegung", u.H.a. den syst. Zushg. zw. Art. 164 u. 215 EGV)- ebenso ders., S. 154 f. F. Baumgartner ist der Einschluss d. GRe in diese allg. Rgrds. - "nach österreichischer Doktrin" - ber. eine (gemrl. zu!., 323 Sp. 1) "Rechtsfortbildung" (zur diesbzgl. "Rechtsfortbildungskompetenz" d. EuGH s. 322 ff. sowie dens., a.a.O., S. 155 ff.). Zu diesen u. weiteren Ableitungsversuchen s.a. noch GTE-IV-Krück Art. 164 EGV Rn. 25; Wetter, S. 75 ff. 122 Zum Begriff Rengeling, GRschutz, S. 184; Baumgartner, ZfV 1996, 320 Sp. 1; W. Weij3, S. 27. S.a. Zacker, S. 97 ff., der insow. v. "Auslegungsquellen" spricht. 123 I. d. S. etwa Clapham/Weiler, in: Waaldijk/Clapham, S. 35 f. (36), 48, 61 ff. (62); Zacker, S. 100 f.; Baumgartner, S. 175 f.; Jacoby, S. 262; Wiebemeit, S. 276 ff., 280 ff.; Sommermann, S. 291; Lehr, S. 422 ff. ("Indizfunktion im Sinne eines ,Geschmacksverstärkers'", 423); Pfrang, S. 61, 73 (unklar aber 93 f., 96); Iones, S. 177 ff., 207. Krit. aber Kingreen/Störmer, EuR 1998, 263, 273.
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Ebenso wenig soll in dieser Arbeit auf die unterschiedlichen sprachlichen Zusammensetzungen und Nuancierungen des Begriffs der allgemeinen Rechtsgrundsätze in der Rechtsprechung des EuGH eingegangen werden, zumal ihnen kein sachlicher Unterschied zugrunde liegt. 126 2. Funktion der allgemeinen Rechtsgrundsätze
Allgemeine Rechtsgrundsätze haben im Wesentlichen 127 zwei Funktionen, 128 eine Art "Vorratsfunktion" bzw. Lückenfüllungsfunktion und eine Art "Kompassfunktion ": a) Vorrats- bzw. Lückenfüllungsfunktion
Zum einen dienen die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Auffüllung von Lücken, die das geschriebene Recht aufweist. 129 Sie stellen sozusagen einen notwendigen Vorrat "allgemeiner Sinngehalte" zur wertenden Auffüllung und Schließung solcher Lücken dar, 130 dessen es im Gemeinschaftsrechts angesichts des eingangs erwähnten Fehlens eines geschriebenen, umfassenden Grundrechtskatalogs in besonderer Weise bedarf.
124 Vgl. nur Baumgartner, ZfV 1996, 321 m.Fn. 19; dens., S. 137 ff. (141 ff., 153 m.Fn. 80). 125 Unterschiede könnten sich allenfalls bei der Frage nach dem Rang dieser nicht grl. Rgrds. i. R.d. geml. Rechtsquellenhierarchie ergeben, N.d.s. u.u. 5. 126 Vgl.d. nur EUDUR-P. Szczekalla I § 11 Rn. 21 m.z.N. ("allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze", "elementare Rechtsgrundsätze", "fundamentale Grundsätze", "Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts"). S.a. W. Weij3, S. 18 ff., m.w.N. 127 Zur ans. übl., wenn a. nicht trennscharfen Abgrenzung d. Funktionen s. zul. etwa EUDUR-P. Szczekalla I § 11 Rn. 32 ff. (Lückenfüllungs-, Auslegungs- u. Maßstabsfunktion). 128 Vgl.d. f. dt. allg. Rgrds. u. Prinzipien Di Fabio, Jura 1996, 571 f. m. w. N. aus der dt. Lit.; ders., Ritter-FS, S. 813 f. Die präzisen Ausführungen Di Fabios treffen trotz ihres dt.-rechtl. Bezuges a. die gernrl. Funktionen. 129 S. nur W. Weij3, S. 14 f.; Heintzen, EuR 1997, 9; J. Geiger, Staatshaftung, S. 40; Tonne, S. 310. 130 Di Fabio (Fn. 128), 571 Sp. 2 bzw. S. 813. Die allg. Sinngehalte müssen allerd. nicht notwendigerweise in einer hohen Abstraktionshöhe verharren - sie können a. einen (relativ) konkreten Gehalt aufweisen. Bsp.: Der Satz "nulla poena sine lege" als geml. allg. Rgrds. Regelm. ist das indes nicht der Fall, s. nur die allg. Rgrds.d. Verhältnismäßigkeit, Rechtssicherheit u. d. Vertrauensschutzes.
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
b) "Kompassfunktion" Zum anderen kommt den allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine Art "Kompassfunktion" in komplizierten Rechtsordnungen zu: 131 Für die Gemeinschaft resultiert die - besondere - Komplexität ihrer Rechtsordnung einerseits aus der - nach überwiegender Ansicht 132 - Existenz Gedenfalls) zweier 133 Rechtsordnungen, nämlich der gemeinschaftlichen und der mitgliedstaatlichen, die sich wechselseitig beeinflussen und von denen die erstere im Kollisionsfall nach überwiegender Ansicht mit einem Anwendungsvorrang134 ausgestattet ist. 135 Andererseits ergibt sich eine gemeinschaftsrechtsimmanente Komplexität aus der Existenz von verschiedenen Fachrechten 136 und der in Art. 164 EGV137 angelegten Geltungshierarchie verschiedener Normebenen. 138 131 Di Fabio (vor.Fn.), a.a.O. bzw. 813, 838. Die dortigen Aussagen zur Geltungshierachie d. Normebenen sind im gern!. Kontext allerd. zu modifizieren u. zu erweitern. Rechtshist. zu allg. Rgrds. als "Bausteine[n] der Systemerrichtung" Jacoby, S. 282 f., 290: "In systematischer Hinsicht wirken sie ... als ,gemeinsamer Nenner' der unterschiedlichen Partikularrechte ... " (S. 282). "Sie werden . . . zu maßgeblichen Ordnungsfaktoren eines sich neu bildenden und konsolidierenden Rechtskreises" (S. 283, s.a. S. 20). Vgib. ist die Bezeichnung d. allg. Rgrds. als "Bindemittel für Vereinheitlichungsvorgänge in Rechtskulturen" bei Häberle, GVRIII, S. 13. Zur (subsidiären) Lückenfüllung s. ebd., S. 29. Zu Rechtsprinzipien als "Aufbau- oder Strukturprinzipien" vgl.a. noch Röhl, S. 273. 132 Zu mögl. Modifikationen s. u.u. C.III., Dritter Teil, A.I. 133 Auf die dritte Rechtsordnung, die d. VR, kommt es hier (noch) nicht an. Re!. wird das VR allerd. bei der Frage d. (direkten od. indirekten) Bindung d. Gern. an die EMRK (aber a. an andere MRvertr. u. sonstiges, insbes. menschenrechtsbezogenes VR). N.d.s. u., A.II.4.b) u. d). 134 Aus rechtstheoret. Sicht dazu, dass es sich bei der Frage nach Nichtigkeit od. bloßer Unanwendbarkeit einer Norm bei Widerspruch in Tatbestand od. Rechtsfolge zu einer anderen, höherrangigen Norm nur um eine rechtstechn. Frage handele, Diederichsen, in: Starck, Rangordnung, S. 39, 52. Immerhin sichert die Lehre v. Anwendungsvorrang die weitere Geltung d. niederrangigen Norm im Falle d. Aufhebung d. höherrangigen (a. a. 0.). Wie Diederichsen ("somewhat technical ... difference") Hartley, in: Mouton/Stein, S. 58; Odersky, ZEUP 1998, 490. V. einem "Geltungs- und Anwendungsvorrang" d. SekR a. ggü. nat. VerfR spricht aber bspw. Badura, in: Delbrück u.a., S. 121. V. einer "faktisch[en] Aufhebung nationalen Rechts" durch den EuGH trotz ,,konkludenter Negierung eines Geltungsvorrangs" spricht a. Epping, Der Staat 36 (1997), 367, 371. 135 Zur Komplexität d. "Parallelität zwischen deutscher Verfassung und europäischer Nebenverfassung" s. nur Ress, Bürger, S. 41 f., 53. Zur "Brückenfunktion" allg. Rgrds., der ",Nabelschnur' zwischen der gemeinschaftsrechtlichen Ebene und den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten", s. Jacoby, S. 21, 288. 136 Zur Komplexität ber.d. PrimR (hier: Art. 130r EGV = Art. 174 n.Z.) jüngst EuGHE 1998, 1-4301, 4344 Rn. 37 (Safety Hi-Tech Srl/S. & T. Srl); 4355, 4374 Rn. 35 (Bettati/Safety Hi-Tech Srl). Krit.d. Epiney, NuR 1999, 182 ff. Positiver Doherty, JEL 11 (1999), 378 ff.
A. Grundrechte im europäischen Recht
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c) Konkretisierungsbedürftigkeit
lnfolge ihres regelmäßig hohen Abstraktionsniveaus sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze allerdings in besonderem Maße konkretisierungsbedürftig. 139 Sie müssen - notwendigerweise - fallbezogen in einzelne Regeln und Unter-Prinzipien bzw. -Grundsätze transponiert werden. 140 Insofern sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze auch und gerade als Grundrechtsquelle auf richterliche Entfaltung im Rahmen einer konkreten Falllösung angewiesen. Deshalb ist es eigentlich kein besonderer Nachteil, dass die Grundrechte bisher auf Gemeinschaftsebene nicht kodifiziert worden sind. 141 Einer eigenständigen "Entwicklungsklausel" bedürfte es bei einer Kodifizierung jedenfalls nicht. 142 Versteht man Grundrechte ohnehin als Prinzipien, 143 also als Optimierungsgebote, 144 liegt in der schriftlichen FiArt. 220 n.Z. Zur "Aufhellung von Unklarheiten des geschriebenen Rechts" als Funktion d. allg. Rgrds. s.a. Heintzen, EuR 1997, 9. Zur (kompetenziellen) Komplexität d. Rechtslage v.a. infolge d. "komplexe[n] Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten" im - schutzpflichtrel. - LebensmittelR (Verbraucherschutz- u. GesundheitsR) s. bspw. das Lebensmitte1GB d. Korn. (Fn. 84), S. 10 ff. (10): "Die Rechtslage ist kompliziert und manchmal nicht nur für den Durchschnittsbürger, sondern auch für den Fachmann schwer zu verstehen". 139 Vgl. etwa v. Milczewski, S. 9 f., 12; W. WeijJ, S. 63; Pfrang, S. 62; Di Fabio, F.A.Z. Nr. 268 v. 17.11.1999, 11 Sp. 2. 140 S. W. WeijJ, S. 63, der aber - wohl nur verbal - das Vorliegen v. Prinzipien in Abrede stellt (75 f. Fn. 422, 441 These 1 a.E.: " ... keine Prinzipien ... , sondern unmittelbar vollziehbare und geltende Regeln"). Aus rechtstheoret. Sicht Röhl, s. 277. 141 Vgl.a. Everling, in: Weidenfeld, S. 75, f. den "[e]in materiellrechtliches Bedürfnis für einen Grundrechtskatalog ... nicht ohne weiteres ersichtlich [ist]". A.A. die regelmäßigen Stellungn.d. EP, zul. etwa BE C d. MRber. 1995 v. 20.3.1997 - A40112/97, PE 218.951/end, DOC-DE\RR\323303 - S. 7. Gefordert wird eine "Europäische Erklärung der Grundrechte ... als vollwertiger Bestandteil des Vertrags" (Nr. 10, S. 9 = Entschl.d. EP v. 8.4.1997- A4-0112/97- zur Achtung d. MRe i.d. EU [1995], ABI. C 132 v. 28.4.1997, 31, 33). Umf. zur Disk. G.M. Hoffmann. A.A. offb. jetzt Di Fabio, F.A.Z. Nr. 268 v. 17.11.1999, 11 Sp. 2 (s.o., vor 1.). 142 So aber C. 0. Lenz, NJW 1997, 3289 Sp. 2, u.H.a. die GRerkl.d. EP v. 1989, ABI. C 120 v. 16.5.1989, 51 (dort Art. 27). Ähnl. die Argumentation v. Sommermann, S. 290, gg. eine Kodifizierung. Gg. dieses "Versteinerungs"-Arg. etwa EUDUR-P. Szczekalla I § 11 Rn. 62 a. E.; § 12 Rn. 65 a. E. 143 Zu den - insow. vglb. - Folgen eines prinzipiellen Verständnisses d. Grds.d. Wirksamkeit d. GemR (effet utile) s. Nettesheim, in: Randelzhofer u. a., Grabitz-GS, S. 464 f. F. eine Übertragung v. Alexys Prinzipientheorie in das Gem(umwelt- u. insbes. abfall)R Zacker, S. 92 ff., 103 f., 272 f. Den geml. Gesundheitsschutz als Optimierungsgebot ansehend Berg, S. 436 f. Die allg. Rgrds. generell als Prinzipien ansehend Häberle, GVR-III, S. 10 i. V.m. 13, 20 f. Wohl nur verbal abw. W. WeijJ, S. 75 Fn. 422, 441 These 1 a.E. 144 EUDUR-P. Szczekalla I§ 11 Rn. 31, 34; § 12 Rn. 17, 23, 30, 59. 137 138
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
xierung kein besonderer qualitativer Fortschritt. 145 Allenfalls ließe sich ein - durchaus wünschenswertes - Mehr an Rechtssicherheit und - womöglich - eine Verbreiterung der Legitimationsbasis der Gemeinschaft erreichen. 146 So wie sich die Grundrechte des Grundgesetzes ohne profunde Kenntnis der Entscheidungen des BVeifG - mindestens derjenigen aus der mittlerweile über hundert Bände zählenden amtlichen Sammlung - auch nicht annähernd sachgerecht erfassen lassen, 147 wäre auch eine entsprechende Lektüre der Entscheidungen des EuGH erforderlich, selbst wenn die Gemeinschafts( verfassungs )rechtsordnung einen Grundrechtskatalog 148 aufwiese149.150 Eine reale Gefahr größerer Akzentverschiebungen bei unge-
145 S. nur Frowein, JuS 1986, 845, 847 Sp. 2 (am Bsp.d. weiten Formulierungen d. EMRK), sow. allg. Everling, in: Weidenfeld, S. 75: "Ein Grundrechtskatalog muß notwendig stark abstrahieren". A.A.offb. Toth, 34 CML Rev. 1997, 494 f., der an anderer Stelle (503) gleichwohl auf die Rechtssicherheit fördernde Kraft d. "case law" hinweist, sowie Besselink, 35 CML Rev. 1998, 633 ff. (633, 635 f.). Vgl.d.a. Chwolik-Lanfermann, ZRP 1995, 126, 128 Sp. 1, f. die es "[a]llerdings ... durchaus einen Unterschied [macht], ob die Konkretisierung von Normbereich und Schranken eines Grundrechts auf Basis schriftlich festgelegter Rechte erfolgt oder im Rahmen einer nur Fachleuten bekannten Judikatur". 146 F. einen GRkatalog v. a. aus Gründen eines Mehr an Rechtssicherheit, der "Dokumentation einer Wertebasis" u. d. Legitimation d. gern!. Hoheitsgewalt bspw. Rengeling, GRschutz, S. 168 f. m. w. N. zu den mögl. versch. Arg. u. Standpkt. S. a. dens.IP. Szczekalla, in: Due u. a., Everling-FS II, S. 1199; EUDUR-P. Szczekalla I § 12 Rn. 65. Ebenso Chwolik-Lanfermann, ZRP 1995, 128 f., m.z.N., sowie Hirsch, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 49 f. Diff. i.H.a. den status quo u. zukünftige Entwicklungen G.M. Hoffmann, S. 120 ff. 147 Zu dieser Argumentation vgl. EUDUR-P. Szczekalla I§ 11 Rn. 22 a.E.; § 12 Rn. 65. S. aber BVerfGE 94, 166, 223 ff. (abw.Mein. Limbach/Böckenförde/ Sommer), 228, die v. einer "weitgehenden Klärung verfassungsrechtlicher Fragen" durch die Rspr.d. BVeifG "in vielen Bereichen" ausgehen. Vgl.a. Häberle, ERPLI REDP 8 (1996), 14: "Derzeit gelten die Grundrechte des GG so, ,wie sie vom BVeifG interpretiert werden'"; 19 (" ... die Grundrechtsprätorik ... ist ,selbst-tragend' geworden"). 148 Einen solchen "vorläufig" bzw. "derzeit" (noch) ab!. insbes. Häberle, z. B. EuGRZ 1992, 431 f. bzw. GVR-11, S. 390; ders., GVR-III, S. 20 f. (mit einem Plädoyer f. das "stille ,Wachsen' gemeineuropäischen Verfassungsrechts", 21), 36 (Europa brauche keine "(geschriebene) Verfassung. Das Grundrechts-Recht in Europa ist gemeineuropäisches Verfassungsrecht par excellence und in einem tiefen Sinne europäisches Bürgerrecht! Das ,Filigran' des hier schon gewordenen GV könnte eher gefährdet werden"). M.Ausn. "spezieller Grundrechte wirtschaftlicher und sozialer Natur" hält bzw. hielt Frowein, EuR Beih. 111992, 75, einen Katalog allg. Grund- u. FreihRe f. "ein großes, ja ein nicht wiedergutzumachendes Unglück", weil die Gern. nicht aus der Rspr. zur EMRK "ausbrechen sollte", welche diesen GRen "immer deutlicher einen gemeineuropäischen Verfassungscharakter" zuweise. "Wo immer Grundrechtsfragen in der EG auftauchen, sollte Straßburg der Maßstab sein". Ebenso ders., 5. Symposion, S. 87. Frawein weist in dieser Frage allerd. auf seine professionell-biograph. Voreingenommenheit hin (langjähr. Mit-
A. Grundrechte im europäischen Recht
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gliedsschaft in der KomMR) u. äußert im letztgen. Beitrag (nur noch) die Hoffnung, "daß es nicht zu einem Gemeinschaftsgrundrechtskatalog kommt, der von der EMRK abweicht". Solche Abweichungen wären jedf. "ein äußerst unglückliches Ergebnis" einer Neuverhandlung (88). Jedf. ging er bis vor kurzem davon aus, dass "der Plan, dem Gemeinschaftsrecht einen Grundrechtskatalog hinzuzufügen, wohl endgültig als gescheitert angesehen werden" könne, was er f. "eine erfreuliche Entwicklung" hielt, s. GRschutz, S. 35. Differenzierender nunmehr ders., Disk.-Beitr., S. 96 ff. Einen eigenen Katalog als "worst possible scenario" ansehend Toth, 34 CML Rev. 1997, 501. Kein Arg. gg. einen eigenen Katalog ist jedf. eine mögl. Rechtszersplitterung: Ein GernKatalog müsste - ggf. nur in seiner Auslegung - an die EMRK in ihrer verbind!. Auslegung durch den EuGHMR "angepaßt" werden, so wie das in den MS a. erforderl. ist, vgl.d. Grabitz/Hilf-Hilf EUK I Art. F EUV Rn. 47 a.E. Verkannt v. Kühne, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 68 f. 149 Vgl. Tomuschat, EuR 1990, 335: "Heute gibt es bei der Grundrechtsauslegung und -anwendung kaum noch eine Frage, die sich allein durch einen Blick auf den Wortlaut lösen ließe. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sich zu einer Kasuistik fortentwickelt, für die der Text allenfalls Ausgangspunkt, aber nicht mehr Bestimmungsmarke ist"; Everling, in: Weidenfeld, S. 75. S. allg. zu diesem Prob!. Pernice, NJW 1990, 2419 Sp. 1; Chwolik-Lanfermann, ZRP 1995, 128 Sp. 1; Wetter, S. 237; Wolter, Disk.-Beitr., S. 113. Desh. kann aber a. C. 0. Lenz, EuGRZ 1993, 589 Sp. 2, nicht zugestimmt werden, der meint, dass ein Katalog dem gern!. GRschutz nicht "unbedingt förderlich" sei, weil dessen Abfassung "vom Ansatz her statisch" sei (insow.zutr.a. Pfrang, S. 90 f.). S. a. Frawein, in: Bieber/Widmer, S. 80: "Die Verfassungsrechtsprechung hat gezeigt, daß die einzelne Formulierung von Grundrechten kaum der Schlüssel zu der Bedeutung der Grundrechte in der Rechtsordnung ist."; s.a. S. 82: "Ein Grundrechtskatalog kann für ein Verfassungsgericht . . . immer nur wieder neue Anstöße zur Bewältigung konkreter Probleme anband einer Fallgestaltung geben". Vgl.a. die Warnung Häberles, GVR-11, S. 361, 383, vor einer "schroffen Alternative ,geschrieben' oder ,ungeschrieben'": "Eine lebende, im Schöpfungsakt geschriebene Verfassung konstituiert sich immer auch aus ungeschriebenen Prinzipien. Im Verlauf ihres Wachstumsprozesses legen Praxis und Judikatur die Texte schöpferisch weitend aus" (H.i.O.). S. a. Bleckmann, in: Baur u. a., Börner-FS, S. 29, 33 f.; Weiler, in: Bieber/ Widmer, S. 457; L. Flynn, 34 CML Rev. 1997, 373 ff.; Lenaerts/Vanhamme, 34 CML Rev. 1997, 531, 568; Kugelmann, S. 9, 39: Da die GRe "ihre Wirkung in der Rechtsprechung der für ihre Auslegung zuständigen Gerichte entfalten, kommt es für den Einzelnen im Ergebnis auf die Haltung dieser Grundrechte an. Die materiellen Grundrechtsverbürgungen und ihre prozessuale Durchsetzung bilden einen internationalen Normen- und Entscheidungsverbund" (9); Pauly, EuR 1998, 252 (ein Katalog könnte a. nicht "[v]iel mehr als Stichworte für die Rechtsanwendung ... liefern"). Ebenso jüngst Ber.d. Expertengruppe "Grundrechte", S. 21. (Wohl bewusst) Übersehen v. Däubler-Gmelin, S. 15. 150 Prob!. ist insow. allein der bisweilen als aussagearm u. formelhaft kritisierte Urteilsstil d. EuGH, s. etwa die Krit. bei Tomuschat, EuR 1990, 357 ("häufig verschwommen" - "im dunkeln" - "Wenig mehr erfährt der Leser bei der Lektüre der Urteilsgründe als das platte Ergebnis"); Rengeling, GRschutz, S. 222, 234; Bleckmann, NVwZ 1993, 827 Sp. 1 ("äußerst unpräzise und unbestimmt"); E. Klein, AfP 1994, 15 Sp. 1, der dem EuGH "dringend" empfiehlt, "mehr Grundrechtsrhetorik, im guten Sinne gemeint, [zu] üben" - ähnl. ders., GRverständnis; Streinz Rn. 359 ("Begründungsdefizit, geringe Methodentransparenz"); ders., SpuRt 1998, 90 Sp. 1
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
schriebeneu als bei "geschriebenen" Grundrechten ist jedenfalls nicht auszumachen.151 Aus dem Prinzip der Rechtsgemeinschaftlichkeit152 folgt das Erfordernis eines Grundrechtskatalogs auf Gemeinschaftsebene mithin nicht. 153 Die Tendenz geht offenbar dahin, in einem schrittweisen Prozess über Ergänzungen primärrechtlicher Bestimmungen eine umfassende Grundrechtskodifizierung gleichsam vorzubereiten. 154 (Angebliche) Schwä("Dogmatische Klarheit gehört ... nicht gerade zu den Stärken des EuGH"). Zu den Gründen s. nur die (allg.) Erkl.f. die Kürze d. Urt.d. EuGH v. Zuleeg, zit. nach P. Szczekalla/Caspari, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 136: In den Beratungen werde manchmal um einzelne Sätze, ja sogar um einzelne Begriffe gestritten (ausf.d.a. Everling, EuR 1994, 127 ff., 139 ff., 141, m.z.N.). Dazu, dass "der auch sonst übliche eher knappe Begründungsstil . . . vorausgehende Differenzierungen nicht ausschließt", s. GTE-1-Beutler Art. F EUV Rn. 78. I.Ü. deutet sich in jüngeren Entsch. eine - zum. spracht. - ausf. Behandlung d. GRprobl. an, s. nur EuGHE 1997, 1-3629, 3655-3657 Rn. 30-37 (Kieffer u. Thill); 3685, 3717-3718 Rn. 27-33 (Familiapress) -ebenso die Einschätzung v. Kühling, EuGRZ 1997, 303 Sp. 1, zu letztgen. Urt. Schließ!. ist der EuGH weit v.d. "extremen Kürze" v. a. frz. Urt. entfernt - zu den daraus resultierenden Prob!. bei der Kontrolle durch den EuGHMR vgl. anschau!. abw.Mein. Martens zu EuGHMRE 1996, 1029, 1046, 1049 ff. § 12 (Hamer/F) - "Schießunfall" (Prinz Victor-Emmanuel v. Savoyen). Inzw. tendiert indes aber a. der frzCC zu etwas längeren Entsch., vgl. Franzke, Jura 1998, 349. 15 1 So aber Theurer, S. 33. 152 St. Rspr., s. nur EuGHE 1986, 1339, 1365 Rn. 23 (Les Verts/EP); 1991, 1-6079, 6102-6107 - EWR-GA-1. Vgl.a. Frowein, Maihofer-FS, 150; Mestmäcker, S. 16; Zuleeg, NJW 1994, 545 ff.; dens., JZ 1994, 5, 7, jew. Sp. 1, 8; dens., BB 1994, 585, 586, jew. Sp. 1; dens., (1997) 22 E.L.Rev. 22; Everling, ZfSR 1993, 338 f.; Oppermann, DVBI. 1994, 901 f.; dens., JZ 1999, 324 f.; Grimm, in: ders.u.a., S. 14 f.; P. Kirchhof, HFR 1997, Beitr. 2, III S. 13 f.; Brenner, DV 31 (1998), 3 - ders., ERPL/RDEP 9 (1997) 597 f.; Hermes, DV 31 (1998), 386; Steinberg, ZRP 1999, 366. Aus rechtshist. (gemeur.) Perspektive Stolleis, KritV 1995, 275 ff. (293). Der Begriff "Rechtsgemeinschaft" geht wohl zurück auf Hallstein, Eur. Reden, S. 108 f. (109), 341 ff. (insbes. 343, 348); dens., EG, S. 51 ff. S.a. schon Fuss, DÖV 1964, 578 ff.; dens., insbes. 18 ff. Nur v. einer "Rechtsgemeinschaft der Völker der in der Europäischen Union zusammengeschlossenen Staaten" spricht Badura, in: Starck, Rangordnung, S. 114 ff. Kein inhaltl. Unterschied besteht i.H.a. die Verwendung d. Begriffs "Rechtsstaatlichkeit" a. f. die Gern., s. etwa Frowein, 5. Symposion, S. 75 ff.; Brenner, a. a. 0.; Buchwald, Der Staat 37 (1998), 189 ff. Inhaltl. neutral BVerfGE 97, 350, 372. Zur Rechtsgemeinschaftlichkeit als "Geltungsgrund" d. GemGRe s. jüngst Hirsch, in: Kreuzer u.a., GRschutz, S. 13. 153 So i.E.a. G.M. Hoffmann, S. 19 ff. (37, 93 ff. [95]), m.z.N. Krit.- i.Z.m. dem sog. Demokratiedefizit d. Gern. - aber Pauly, EuR 1998, 242 ff. (insbes. 246 ff., 256 ff.). A.A.offb. Rickert, S. 48 ("unerträgliche Rechtsunsicherheit"). Die v. ihr zur Stützung angeführten Autoren (ebd., Fn. 37) weisen indes nur auf die (unbestrittenen) Vorteile eines Katalogs hin. Vgl.a. noch Gerkrath, S. 355 ff., m.w.N.; C.O. Lenz, NJW 1997, 3289 f.; Ber.d. Expertengruppe "Grundrechte", S. 18, sowie diff.- Besselink, 35 CML Rev. 1998, 629, 633 ff. 154 Vgl.d. - i.Z.m. dem AV u. insbes. dem Datenschutz -Hilf, Integration 1997, 252.
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eben der Grundrechtsjudikatur des EuGH sind jedenfalls nicht auf das Fehlen eines Grundrechtskataloges zurückzuführen. 155 3. Erkenntnismethode
Die Frage der Konkretisierungsbedürftigkeit allgemeiner Rechtsgrundsätze als eigenständiger Rechtsquelle für Gemeinschaftsgrundrechte hängt eng zusammen mit der Frage der richtigen Erkenntnismethode. Genaugenammen stellt letztere sogar die Vorfrage dar: a) Allgemeines
Die Methode, der sich der EuGH bei der Erkenntnis allgemeiner Rechtsgrundsätze bedient, ist von ihm jedenfalls nicht ausdrücklich näher bezeichnet worden. 156 In der Literatur werden dazu verschiedene Ansätze vertreten: b) Minimal- oder Maximalstandard- Kernbereichsgarantie oder arithmetisches Mittel - Mehrheitslösung?
Unfruchtbar 157 ist dabei jedenfalls die (alte) Streitfrage, ob der EuGH bei seiner Rechtserkenntnis einem Minimal- oder einem Maximalstandard 158 So aber Pfrang, S. 84 f., 87 ff. Vgl. nur Th. Groß, S. 159, 170; W. Weiß, S. 23 ff., 60 f., 441 Thesen 2 ff.; GTE-IV-Krück Art. 164 EGV Rn. 26; Lehr, S. 410, 428. 157 A.A. aber Besselink, 35 CML Rev. 1998, 638 ff. 158 So etwa Baratta/Giannoulis, KritV 1996, 237, 244; Besselink, 35 CML Rev. 1998, 670 ff., u. zwar arn liebsten "universell" (679), wenigstens aber "lokal", 674 ff. (677). Wohl a. Bleckmann, Bömer-FS, S. 31 f.; ders., NVwZ 1993, 826 Sp. 1 ("Maximierung des Grundrechtsschutzes"), 827 Sp. 1, m. w. N., der aber darauf hinweist, dass die wertende RVgl. in den Drittwirkungs- u. SchutzpflichtFällen nicht zu best. Ergebnissen führen könne; vgl.a. dens., DÖV 1993, 840 f.; Bleckmann-Bleckmann, EuropaR, S. 220 § 8 Rn. 588. Trotz verbaler Absetzung wohl a. Pfrang, S. 69, 81. Gg. einen Maximalstandard ("sicher nicht zutreffend") C.O. Lenz, EuGRZ 1993, 587 Sp. 1. Diff. Jürgensen, S. 161 ff., 242 (bej. f. das GR auf Gesundheit). F. einen "allen Verfassungen der westlichen Welt gemeinsamen Grundsatz der Maximierung des Grundrechtsschutzes" immerhin Ukrow, S. 49 deutl. gg. einen gemgrl. Maximalstandard aber S. 49 f. (",Grundrechtstotalitarismus' bzw. ,Grundrechtsimperialismus"', S. 50), m.z.N. Dagg. bspw. a. Everling, in: K. Stern, 40 Jahre GG, S. 169 f., der zwar eine "Tendenz" des EuGH ausmacht, "einen möglichst weitgehenden Schutz zu gewähren", dann aber feststellt: "Es würde ... wohl zu weit gehen, daraus den Grundsatz abzuleiten, dass er stets dem Maximalstandard ... folgt", weil das GemR nicht jeder nat. Sonderentwicklung, insbes. dem jew. Stand d. Verfassungs-Rspr. folgen könne. 155
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
an Grundrechtsschutz, dem allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Kern 159 oder dem aus den mitgliedstaatliehen Rechtsordnungen zu bildenden arithmetischen Mittel- bzw. "goldenem Mittelmaß[. . .]" 160 oder einfach der mitgliedstaatliehen Mehrheitslösung folgt bzw. folgen sollte. 161 (Jedenfalls) Wegen des grundlegenden Erfordernisses der einheitlichen Geltung des Gemeinschaftsrecht162 in allen Mitgliedstaaten kommt ein (nur) theoretisch möglicher, variabler Grundrechtsschutz je nach betroffenem Mitgliedstaat von vomherein nicht in Betracht. 163 Angesichts der Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten lässt sich regelmäßig gar nicht feststellen, welche Rechtsordnung einen "maximalen" und welche einen "minimalen" Grundrechtsschutz gewährt. 164 Ebenso unmöglich ist die Bildung eines arithmetischen Mittels. Möglich wäre allenfalls die (wertende) Feststellung einer bestimmten Kembereichsgarantie. Abgesehen von diesen nicht nur praktischen und/oder methodischen Schwierigkeiten ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des EuCH, dass sich dieser weder an einem - wie auch immer zu ermittelnden - Minima/standard noch an einem Maximalstandard noch an einem allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Kern noch an einem arithmetischen Mittel noch an einer mitgliedstaatliehen Mehrheitslösung orientiert. 165 Vielmehr geht es 159 Nach Zeder, ÖJZ 1996, 121, 122 Sp. 1, ist "das gemeinsame Mindestniveau" (nur) "nicht notwendigerweise" das Ergebnis d. eur. GRschutzes. 160 So Gramlich, DÖV 1996, 809 Sp. 1 (Afz.i.O.). 161 Vgl.d.a. ausf. G.M. Hoffmann, S. 22 ff.; Weiler, in: Bieber/Widmer, S. 448 ff.; Baumgartner, S. 157 ff.; Jacoby, S. 258 ff.; Wetter, S. 42 ff., jew.m. w. N. S. a. noch Clapham!Weiler, in: Waaldijk/Clapham, S. 38: "Everything depends on the context". 162 Daneben wäre a. die Relativierung v. GRen prob!., so a. Besselink, 35 CML Rev. 1998, 629, 640. 163 (Nur) lnsow. zutr. Pfrang, S. 69. Ebenso Baumgartner, S. 158; Besselink, 35 CML Rev. 1998, 640 (unter Beschränkung auf "klassische" GRe mit mögl. Ausn. bspw. f. ein - hypothet. - "Recht auf saubere Luft") - in grenzüberschreitenden Fallkonstellationen erweist sich dies indes als prakt. nicht durchführbar (weshalb die mögl. Ausn. Hesselinks schon deswg. nicht anzuerkennen ist); Wetter, S. 42. 164 Vgl.ber. Sasse, in: Mosler u.a., S. 58, sowie Baumgartner, S. 159. Ähnl. Günter, S. 8; Wetter, S. 44. Das verkennt Rickert, S. 22, 27, pass., die durchweg davon ausgeht, dass es in Dtschl. (u. allenfalls noch in lt.) einen "besonders ausgeprägten Grundrechtsschutz" gebe (S. 27). A.A. a. Th. Groß, S. 162, demzufolge die Annahme eines Minimalstandards "[i]n einem streng einzelfallbezogenen prätorischen Grundrechtsschutz ... durchaus praktikabel" sei. Gleiches gelte f. einen Maximalstandard (ebd., 163). 165 S.d. nur Borchardt, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 65; Ukrow, S. 50; W. Weiß, S. 48 ff. (ebenso zu den SA d. GA: 69 ff.); Weiler, in: Bieber/Widmer, S. 413, 456; Griller, 12. ÖJT, 1/2, S. 14 ff.; Emmert § 23 Rn. 23. Nach GTE-1-Beutler Art. F EUV Rn. 76, soll die Rspr. allerd. "zwischen den Polen eine (!) ,Maximal'- und ,Minimal 'standards" schwanken.
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dem Gerichtshof um die wertende Ermittlung der für die Gemeinschaft "besten Lösung", 166 d.h. um eine Lösung, die nach kritischer Analyse der Ergebnisse der Rechtsvergleichung mit den Zielen und Strukturen der Gemeinschaft harmonisiert wird. 167 (Nicht nur) Für die Zwecke dieser Arbeit kommt noch ein weiteres, im Wesentlichen gegen jegliche "Maximallösung" gerichtetes Argument hinzu: Gerade beim Schutz der Grundrechte des Einzelnen gegen einen "übermäßigen" Freiheitsgebrauch Privater, also in den typischen Schutzpflicht-Konstellationen, kann eine Grundrechtsmaximierung überhaupt nicht funktionieren: 168 Hier geht es nämlich um sog. Grundrechtskollisionen, um einen Ausgleich konfligierender Rechte. 169 Eine Maximallösung i. S. einer Durchsetzung der weitestgehenden Freiheit liefe entweder auf eine Verabsolutierung der Abwehrfunktion i. S. d. bereits angesprochen Asymmetrie der beiden Grundrechtsfunktionen 170 hinaus oder würde - bei Annahme einer Gleichgewichtigkeit von Abwehr- und Schutzfunktion bzw. bei Anwendung 166 S. a. die Erwartung v. BVerfGE 73, 339, 385, "daß der Gerichtshof nach der bestmöglichen Entfaltung eines Grundrechtsprinzips im Gemeinschaftsrecht trachten wird"; Rengeling, GRschutz, S. 228. Die Formulierung v.d. "besten" d. zur Verfügung stehenden Lösungen als Ergebnis d. Wertung bei der RVgl. geht wohl zurück auf Zweigert, Dölle-FS II, S. 417; ders., RabelsZ 28 (1964), 611. 167 Vgl.d.a. A. Schmitt Glaeser, S. 135 f.; A. Meyer, S. 179; GTE-IV-Krück Art. 164 EGV Rn. 27 ff. A.Ä. W. Weij3, S. 41 ff. (43), 61 ff., der aufgr. einer "Textanalyse" einiger EuGH-Entsch. zu dem Ergebnis gelangt, dass der EuGH "immer sogleich auf die Struktur und Einpassung in die Gemeinschaft zu sprechen kam" (43). Abgesehen davon, dass eine solche Textanalyse das zugrundeliegende Prüfungsprogramm ausblendet (was v. Weij3, a. a. 0., 46 f., durchaus erkannt wird), folgt dieses Ergebnis aus den Urt. so jedf. nicht. Weij3 selbst plädiert i.Ü. für die Trennung (a.a.O., 77). S.a. die Mahnung v. Holoubek, GRschutz, S. 103 f. (104). 168 A.A.offb. Besselink, 35 CML Rev. 1998, 638 ff. 169 S.d.a. Griller, 12. ÖJT, I/2, S. 15 f. (16). u.H.a. die Konstellation d. Schwangerschaftsabbruchs; E. Klein, AfP 1994, 9, 11 Sp. 1; Hirsch, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 17; dens., RdA 1998, 197. F. die Forschungsfreih. Th. Groß, S. 168. Vgl.a. Puddephatt (Vors.v. "Charter 88"), Times No 65,979 v. 27.8.1997 (LB): "Indeed, many of the difficult problems facing our society involve a conflict of rights rather than the simple expression of a single right", u.H.a. die Meinungsfreih. u. die Garantie d. Privatsphäre am Bsp. eines geplanten Werbeverbots f. Tabakwaren u. d. Errichtung eines zentralen Sexualstraftäterregisters im VK. Zu!. - d.S.n. f. einen Schutz-Eingriff in die Berufs(ausübungs)freih. - EuGHE 1998, I-1953, 1978 ff. Rn. 21 ff. (Metronome Musik GmbH/Music Point Hokamp GmbH) -Ausschließ!. VermietR ("Die Ärzte"/"Planet Punk"). S.d. aber a. die SA v. GA Tesauro, ebd., 1956, 1960 Rn. 12 m.Fn. 6 a.E., demzufolge in diesem Fall die in vrl. Vertr. (Art. 15 1 lit. c IPwirtR; Art. 27 11 AEMR) vorgenommene Qualifizierung d. UrheberR als MR außer Betracht zu bleiben habe, da das Recht am geistigen Eigentum ein verwandtes SchutzR sei, das nicht in den Anwendungsber.d. gen. Best. falle. 170 Deut!. i. d. S. z. B. 1sensee, Ambivalenz, S. 8 f. ("strukturelle Unterlegenheit"); ders., Kriele-FS, S. 18, 31; Canaris, PrivatR, S. 47. Gg. die These v.d. Asymmetrie
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der hier ohnehin favorisierten abwehrrechtlichen Lösung - keinerlei Erkenntnisgewinn bringen. 171 Schließlich kann es gerade eine gemeinschaftsrechtliche Betrachtung erforderlich machen, das gegenseitige Verhältnis verschiedener Grundrechte zueinander anders zu gewichten, als dies in dem einen oder anderen Mitgliedstaat der Fall ist. 172 Die schlichte Postulierung des Grundsatzes "in dubio pro libertate" 173 verkennt all diese Zusammenhänge:174 Denn welche und wessen Freiheit soll sich im Zweifel durchsetzen? Gleiches gilt für die Annahme, dass man es ohne Maximallösung nicht wirklich mit Grundrechten zu tun habe oder Grundrechte bedeutungslos seien: 175 Der Standard des - letztlich entscheidenden - definitiven Schutzes kann bei bloßer Zugrundelegung des prima facie-Schutzes überhaupt nicht zureichend ermittelt werden. Jedenfalls führt die letztgenannte Erkenntnis, dass in Schutz-Konstellationen regelmäßig die Konkurrenz von Grundrechten bzw. Grundrechtsgütern in Frage steht, welche zudem zugleich inter- und supranationale Menschenrechte sind, dazu, die besondere - erkenntnisleitende - Bedeutung der Rechtsvergleichung in diesem Bereich zu betonen. 176 Die Frage, wie die deshalb zwingend vorzunehmende Rechtsvergleichung zu betreiben ist, kann indes derzeit nur annäherungsweise beantwortet werden: c) Wertende Rechtsvergleichung
Allgemein wird die vom EuGH in ständiger Rechtsprechung angewandte bzw. anzuwendende Methode als "wertende Rechtsvergleichung" bezeichnet. 177 Für die bei dieser Rechtsvergleichung vorzunehmende Wertung gibt u. f. einen Gleichlauf v. Schutzpflicht u. AbwehrR bspw. Hager, AcP 196 (1996), 176; Steinberg, NJW 1996, 1985, 1989 Sp. I. 171 S. a. Bleckmann, NVwZ 1993, 824, 827 Sp. I, u.H.a. "Drittwirkung" u. "Schutzpflicht": In diesen Fällen gelte es, die Schutzber.d. versch. GRträger "zu maximieren". Diese "Mehrdimensionalität" d. (eur.) GRe verkennt Rickert, pass., die in ihrer Untersuchung ausschließ!. auf GRe in ihrer abwehrrl. Funktion abstellt. Der Hinw. ebd., S. 51 Fn. 57, wird in ihrer Arbeit jedf. nicht weiter entfaltet. 172 Ähnl. GTE-IV-Krück Art. 164 EGV Rn. 29, allerd. u.H.a. die "Gemeinschaftsinteressen". Derartige Interessen können indes a. grl. radiziert sein, was Krück, a.a.O., Rn. 30 a.E., selbst zugesteht. 173 So etwa Pfrang, S. 72; Wetter, S. 55, 163. 174 Ebenso die Begr. v. Th. Groß, S.l68, f. seine Ablehnung eines Maximalstandards. Das gilt indes a. f. den "Zwillings"-Grds. "in dubio pro securitate", vgl.d. nur Di Fabio, Risikoentsch., S. 51 f. 175 So etwa Besselink, 35 CML Rev. 1998, 639 f., der insow. sogar v. einem "logical error" spricht (639). 176 So bspw. Stümer, JZ 1998, 317, 321 Sp. I. 177 Vgl. nur Rengeling, GRschutz, S. 228 f.; Schwarze, ZfV 1993, 3 Sp. I; Ruffert, EuGRZ 1995, 524 Sp. I; Haack, S. 25 ff.; A. Schmitt Glaeser, Elemente,
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es allerdings bisher - vor allem angesichts des diesbezüglichen Schweigens des Gerichtshofs - wenig genauere methodische Vorgaben. 178 d) Modellhaftes Vorgehen Im Rahmen der wertenden Rechtsvergleichung kann schließlich ein modellhaftes Vorgehen angezeigt sein: 179 Eine bestimmte Rechtsordnung dient S. 135 f.; Martin-Ehlers, EuR 1996, 385 f.; Heintzen, EuR 1997, 9 f.; Jacoby, S. 18, 273 f. (dort- S. 274 ff. - a. mit einer Darstellung nuancierender Ans.); Pühs, S. 194; Rickert, S. 49; Starck, JZ 1997, 1030 Sp. 1; Häberle, GVR-III, S. 13; Anweiler, S. 360 ff.; Pfrang, S. 71; v. Danwitz, S. 62; Brenner, DV 31 (1998), 11. S.ber. Zweigert, Dölle-FS II, S. 401, 417; ders., RabelsZ 28 (1964), 601, 611. Zur ähnl. wertenden Ermittlung eur. Standards durch den EuGHMR s. R. Weij3, S. 44 ff. (51). A.A. - aufgr. einer "Textanalyse" - W. Weij3, S. 23 ff., 47, 75 ("autonome Rechtsfindung"); 60 ("... eine wirkliche Rechtsvergleichung [fehlt]"), 75 ("Eine Rechtsvergleichung, die diesen Namen verdient, findet nicht statt"); 441 These 2 ("Die Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze ... erfolgt nicht im Wege einer wertenden Rechtsvergleichung ... "). Diese Position wird bisher- sow.ersl. - in dieserverbalen -Radikalität nirgends vertreten (ähnl. allenf. noch Th. Groß, S. 164, 171). 178 So a. Th. Groß, S. 159, 164, 170; Ruffert, EuGRZ 1995, 524 Sp. 1; Ostertun, S. 219 f.; W. Weij3, S. 23 ff., 60 f., der ohnehin das Vorliegen einer wirkl. Rvgl. leugnet, dessen ausschließ!. "Textanalyse" (vor.Fn.) aber verfehlt ist; Jacoby, S. 18, 271. Zum- hier nicht näher dargelegten- Rückgriff des EuGH auf bewährte Maximen aus der Zeit d. vorkodifikator. ius commune s. nur Knütel, JuS 1996, 768 ff. (insbes. 770 ff.), m.z.N. - insof.restr.zul. aber - i. R.d. Auslegung v. SekR EuGHE 1998, I-1605, 1643 ff. Rn. 28 ff. (The Queen/CCE, ex p.: EMU Tabac SARL, The Man in Black Ltd, John Cunningham) - Tabakerwerb über Agenten, betr. den römischrl. (schuldrl.) Grds. "qui facit per alium facit per se". 179 Zum modellhaften Vorgehen bei der Erkenntnis eur. GRe vgl. nur Zuleeg, in: Battis u.a., S. 239; ders., DÖV 1992, 941 Sp. I; Ende, S. 50; EUDUR-P. Szczekalla I § 11 Rn. 26; § 12 Rn. 10, 13, 20, 61; E. Klein, GRverständnis (Disk.); Uwer, S. 407. Wohl a. Wetter, S. 43. Zum Vorbildcharakter der dt. Rechtsordnung zu!. Zuleeg, NJW 1997, 1207. Ähnl. Bleckmann, DÖV 1993, 840 f.; ders., BömerFS, S. 30; Müller-Michaels, S. 27. Wohl a. Due, in: Dahl u.a., S. 15, 27 f.; GTEIV-Krück Art. 164 EGV Rn. 33; Frenz Rn. 57. (Nur) Als theoret. Möglichkeit anerkannt a.v. Anweiler, S. 374 f. Vgl. schließ!. E. Klein, AfP 1994, 13 Sp. 2, der zwar (zu Recht) ein "automatische[s] Hinüberragen nationaler Rechtsprinzipien und Grundrechte in das Gemeinschaftsrecht" ab!., dann indes bemerkt: "Je fundierter und besser begründet nationale Rechtsvorstellungen aber sind, desto stärker wird ihr Einfluß auf das Gemeinschaftsrecht sein"- ähnl. ders., GRverständnis. Zu weiteren "Modellelemente[n] eines gemeineuropäischen Verfassungsrechts" s. Häberle, GVRIII, S. 6. A.A.offb. GTE-I-Beutler Art. F EUV Rn. 68 a.E.: "Eine Zitierung einzelner mitgliedstaatlicher Grundrechte würde sich . . . schon deshalb verbieten, weil sie auch als bloßer Anknüpfungspunkt für eine gemeinschaftliche Auslegung dem Eindruck einseitiger Orientierung Vorschub leisten könnte, die gerade dem allgemeinen Charakter gemeinschaftlicher Grundrechte widerspräche". Immerhin konzediert Beutler,
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dabei als Modell oder Schablone für einen europäischen Grundrechtsschutz, indem sie den Ausgangspunkt der Überlegungen darstellt 180 und im Zuge der (wertenden) Rechtsvergleichung unter Einbeziehung der EMRK in Beziehung zu anderen Rechtsordnungen und zur übrigen Gemeinschaftsrechtsordnung gestellt wird. Sie übt Impulsfunktionen aus und empfängt ihrerseits Impulse aus anderen Rechtsordnungen. 181 Eine solche Vorgehensweise empfiehlt sich insbes. 182 dann, wenn eine bestimmte Grundrechtsordnung ausdrückliche Grundrechtsgarantien enthält, die in anderen Rechtsordnungen (so) nicht- jedenfalls nicht ausdrücklich183 - enthalten sind, 184 oder wenn sie den gegenwärtigen (vermeintlidass jedf. "[i]ndirekt ... durchaus die Auseinandersetzung mit der mitgliedstaatliehen Grundrechtsdogmatik spürbar" werde. 180 S. E. Klein, GRverständnis (Disk.): "Der EuGH macht seine Grundrechtsanleihen insbesondere dort, wo die Grundrechte besonders ausgeprägt sind", a. wenn dies im Urt. nicht so deutl. zum Ausdruck komme. Er orientiere sich am "dogmatisch ausgereiftesten Grundrechtskatalog", u. das sei meistens der d. dt. Rechts. 181 In gewisser Weise verkannt durch BVerfGE 94, 49, 88, wenn dort u.H.a. Art. F /1 EUV (=Art. 6 n.Z.) lapidar festgestellt wird, dass das AsylR nicht zu den GRen gehöre, die die Union achte, weil es weder i.d. EMRK gewährleistet sei noch sich aus den gern. Verfassungsüberlieferungen d. MS als eigenes GR ergebe. Dem widerspricht a. die anschl. (89) getroffene Einschätzung, dass es eine "im wesentlichen einheitliche Rechtsüberzeugung der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf diesem Gebiet" gebe. Mglw. handelt es sich aber bei der Äußerung zum AsylR nur um eine Hilfserwägung, bei der der Konjunktiv vergessen worden ist, etwa in dem Sinne: "Selbst wenn das Asylrecht nicht zu den Gemeinschaftsgrundrechten gehören sollte ... ". Zu den gern. Rechtsüberzeugungen der MS in diesem Ber. vgl.a. Schoenemann, NVwZ 1997, 1049 ff., m. w. N. 182 F. die Heranziehung derjen. nat. Rechtsordnung, die sich am besten in die Ziele u. Strukturen d. GemR einpasst (jedf.) im Falle einer Divergenz msl. GRgewährleistungen a. EuGHE 1970, 1125, 1135 (Internationale Handelsgesellschaft); Bleckmann, Börner-FS, S. 30; ders., NVwZ 1993, 826, 827, jew. Sp. 1; Rengeling, GRschutz, S. 228; Ukrow, S. 50. Diesen Ansatz gilt es über die Divergenz-Situation u. die optimale Ziel- bzw. Strukturkompatibilität hinaus zu erweitern. 183 Etwa weil durch das Zusammenwirken mehrerer anderer Garantien (funktionale) Ergebnisgleichheit herbeigeführt wird, s.d. z. B. Wetter, S. 43. 184 Ähnl. GTE-IV-Krück Art. 164 EGV Rn. 33 (Orientierung an derjenigen Verfassungsordnung, die "Inhalt und Grenzen des betroffenen Rechts am deutlichsten formuliert"); E. Klein, GRverständnis (Disk.). Eine solche Konstellation war Gegenstand v. EuGHE 1982, 1575, 1610 ff. Rn. 18 ff. (AM & S/Kom.)- Legal privilege, betr. einen Rgrds., der nur in den zwei MS d. common law in dieser Reichweite bekannt war. Nicht ganz in dieses - ohnehin unvollkommene Bild - passt allerd. die "Serie" EuGHE 1989, 2859, 2924 Rn. 17 (Hoechst AG/Korn.); 3137, 3157 Rn. 28 (Dow Benelux BV/Kom.); -3165, 3185 f. Rn. 14 (Dow Chemical lberica SA u.a./ Korn.)- Kein Schutz von Geschäftsräumen-I-/11 (s. u., Fn. 251). Zur (method. u. ergebnisbezogenen) Diskrepanz zw. diesen beiden Entsch. s. nur Ukrow, S. 51 f., der auf den unterschied!. Sozialbezug als mögl. Differenzierungskriterium nennt. Zur Verfassungsangleichung in solchen Fällen s. Bieber, in: Kreuzer u. a., Europäisierung, S. 83 ("Kennt eine innerstaatliche Ordnung den Grundsatz nicht, dann wirkt
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eben) Maximalstandard darstellt, 185 der nach dem oben Dargelegten nicht End-, sondern nur Ausgangspunkt der Überlegungen sein kann. Sie ist aber auch dann angebracht, wenn es in einer bestimmten Rechtsordnung eine ausgefeilte Rechtsprechung zu bestimmten Grundrechtsfragen oder eine umfängliche Literatur dazu gibt, was jedenfalls bei den grundrechtliehen Schutzpflichten für die deutsche Rechtsordnung offensichtlich ist. Sie reduziert die Komplexität der wertenden Rechtsvergleichung beträchtlich, läuft allerdings auch Gefahr, einseitig verabsolutierend zu wirken und bestimmte Gesichtspunkte zu unterschlagen. 186 Der Sache nach findet das modellhafte Vorgehen jedenfalls Eingang in die Schlussanträge der Generalanwälte, 187 die sich ebenfalls "nur" mit ausgesuchten Rechtsordnungen befassen, aber auch in die Urteilstexte des Gerichtshofs selbst. 188 Mitunter wird vom EuGH sogar allein auf die Rechtslage nach der EMRK abgestellt, ohne dass insoweit eine rechtsvergleichende Analyse der Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten erfolgt. 189 Die mündlichen Beratungen im Richterkollegium dürften jedoch angesichts der dort vollständig vertretenen Rechtsordnungen, die eine permanente Rechtsvergleichung ermöglichen, breiter verlaufen, selbst wenn sich das bisher aus vielerlei Gründen 190 nicht in der schriftdie Anerkennung eines Prinzips als ,allgemein' auf dieses staatliche Recht zurück und gleicht es den übrigen Ordnungen an") - ebenso ders., in: Müller-Graff/Riedel, GVR EU, S. 217. Vgl.a. Due, in: Dahl u.a., S. 27: "When the nationallaws vary in their approach, the Court has to find the one ... that is appropriate ... " (15). Skept. zur Berücksichtigung eines GR, das nur ein einziger MS kennt, durch den EuGH aber Lenaerts/Vanhamme, in: Bieber u.a., S. 184 m.Fn. 26 u. w.N. (am Bsp.d. - schutzpflichtrel. - verfassungsmäßigen Verbots d. Schwangerschaftsabbruchs in IR [Art. 40 Ill irV- N.d.s.u.V.l.a)bb), b)aa)] u. EuGHE 1991, I-4685 (SPUC/Grogan u.a.). A.A.a. Besselink, 35 CML Rev. 1998, 636 f., u.H.a. das HoechstU. Beim gesl. Richter, den er weiterhin anführt (637, 671 ff., 680), ist die Lage indes nicht so eindeutig, s. P. Szczekalla, EuZW 1995, 671 f., einers., u. Stotz, ebd., 749; Hirsch, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 12, anderers., jew.m. w. N. 185 Das soll nach Kluth, AöR 122 (1997), 579 Fn. 88, bei der Berufsfreih. der Fall gewesen sein: Die Rspr.d. EuGH orientiere sich "am hohen Schutzniveau des Grundgesetzes, das von den Verfassungen der meisten anderen Mitgliedstaaten nicht erreicht" werde (m. w. N.). 186 Zu dieser Gefahr s. nur Schwarze, ZfV 1993, 3 Sp. 1; Hirsch, Verhältnismäßigkeitsprinzip, S. 2. 187 Ausf. zu deren "Methodik" W. Weij3, S. 66 ff. 188 Vgl.d.a. Petersen, S. 188 f.; W. Weij3, S. 43 ff.; Uwer, S. 407, jew.m.w.N.; E. Klein, GRverständnis (Disk.). 189 Das gilt v. a. im Ber.d. Meinungsfreih. (Art. 10 EMRK), s. etwa i. d. S. EuGHE 1991, I-2925, 2964 Rn. 44 (ERT); 1997, I-3689, 3717 Rn. 25 (Familiapress). F. das Verbot überlanger Veifahrensdauer vgl. jüngst EuGHE 1998, I-8417, 8498 ff. Rn. 26 ff. (Baustahlgewebe GmbH/Korn.). Vgl.a. Kingreen/Störmer, BuR 1998, 263, 272 m.Fn. 59 a. E. 190 S.d. nur die (allg.) Erklärung f. die Kürze der Urteile des EuGH v. Zuleeg (Fn. 150). 32 Szczekalla
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liehen Urteilsfassung niedergeschlagen hat. 191 Immerhin können die oben beschriebenen Gefahren auf diese Weise vermieden werden. 192 Für eine Untersuchung wie die vorliegende kommt ohnehin und von vomherein nur das - bescheidenere - modellhafte Vorgehen in Betracht. 193 Die eigene Rechtsordnung mit ihrem ausführlichen Grundrechtskatalog und der noch ausführlicheren Ausarbeitung desselben in Rechtsprechung und Literatur gerade in Sachen grundrechtliche Schutzpflicht ist Ausgangspunkt der Überlegungen. 194 Sie wird - wertend - der Gemeinschaftsrechtsordnung (unter Einschluss der EMRK) entgegengehalten und empfängt Impulse aus einer notwendigerweise relativ kursorischen Rechtsvergleichung. Mehr kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. 195 Dem Umstand, dass hier die deutsche Grundrechtslage als Modell zugrundegelegt wird, kommt im Übrigen die recht häufig gemachte Beobachtung entgegen, dass die Rechtsprechung des EuGH "zur Existenz und Definition der Gemeinschaftsgrundrechte wie auch deren Ausgestaltung und die Konfliktlösung im Kollisionsfall ... erkennbar von der deutschen Doktrin geprägt" sein soll. 196 191 Ebenso Borchardt, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 65. S. a. Ukrow, S. 49: "Die Enthaltsamkeit, die der Gerichtshof hinsichtlich der Rechtsvergleichung in den Urteilsbegründungen übt, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der interne rechtsvergleichende Aufwand oft beträchtlich ist"; A. Schmitt Glaeser, S. 136; Starck, JZ 1997, 1026 Sp. 1; GTE-IV-Krück Art. 164 EGV Rn. 32. 192 Zu der darüber hinaus bestehenden Möglichkeit, in Einzelflillen auf Vorschlag d. BE, d. GA od. eines anderen Mitglieds d. GH in einer Rs. eine sog. "note de recherche" bei der Abt. "Forschung und Dokumentation" beim EuGH, i.d. Juristen aus allen MS vertreten sind, anzufordern, s. nur Borchardt (vor.Fn.), S. 64 f. Anh. einer genau vorgegebenen Fragestellung wird dann die Rechtslage in den einzelnen MS u. ausgewählten Drittstaaten (regelmäßig die USA) dargestellt. Häufig enthalten diese Studien a. ber. rvgl. Ergebnisse, deren Wertung jed. selbstredend dem EuGH überlassen bleibt. Leider werden diese Dokumente nicht veröff. Als Bsp. f. die Arbeit des Dokumentationsdienstes s. nur EuGHE 1996, 1-2169, 2197 Rn. 34 u.H.a. die SA v. GA Tesauro, a.a.O., 2171, 2178 f. Rn. 14 f. (15) (NL/Rat)- Zugang zu Ratsdokumenten. Zur umf. RVgl. innerhalb d. EuGH s.a. Due, in: Dahl u. a., S. 26, 30. 193 Ähnl. der Ansatz v. Frenz Rn. 57, sowie Uwer, S. 189, 407. 194 Nicht verkannt wird hier, dass Begriffe u. Inhalte d. nat. (dt.) Rechts keinesfalls "kurzschlüssig" gleichgesetzt werden dürfen, wenn u. weil das GemR eine eigenständige Rechtsordnung darstellt, welche v .d. Gesetzgebung d. MS unabhängig ist u. eine eigenständige Begrifflichkeit u. institutionelle Ausprägung aufweist, vgl.d. nur Hirsch, Verhältnismäßigkeitsprinzip, S. 2, f. den es aber immerhin "dem Verständnis des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Gemeinschaftsrecht dienlich [ist], vorweg seine Ausprägung im nationalen Recht schlaglichtartig zu beleuchten", weil das dt. Recht hier "Pate gestanden, jedenfalls aber in besonderem Maße befruchtend gewirkt hat". Die Übertragung dt. GRdogm. f. probl., die d. EMRK aber f. mögl. haltend jüngst Berka, S. 207 Rn. 361. 195 Zu den Gründen s.o., Einleitung, III. 196 So zul. etwa Hirsch, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 18, 24 ("wesentlich mit beeinflußt von der deutschen Doktrin und Rechtsprechung"). Diff. i.H.a. das
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Gegen ein modellhaftes Vorgehen im grundrechtliehen Bereich können ferner auch nicht diejenigen Erwägungen ins Feld geführt werden, die den EuGH jüngst zu einer Klarstellung seiner auf das sekundäre Gemeinschaftsrecht bezogenen Auslegungsgrundsätze veranlasst haben: Danach wolle die Gemeinschaftsrechtsordnung ihre Begriffe grundsätzlich nicht in Anlehnung an eine oder mehrere nationale Rechtsordnungen definieren, sofern dies nicht ausdrücklich vorgesehen sei. 197 Bei der Ermittlung ungeschriebener allgemeiner Rechtsgrundsätze ist demgegenüber notwendigerweise eine Suche nach - u. a. - nationalen Verankerungen derselben erforderlich. Die Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten sind eine Rechtserkenntnisquelle, innerhalb derer bestimmte Modelle herangezogen und - autonom - in die Gemeinschaftsrechtsordnung einbezogen werden können. Schließlich verstößt das modellhafte Vorgehen auch nicht gegen einen angenommenen - Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten. 198 Jeder Mitgliedstaat hat jedenfalls die abstrakte Chance, mit seinem - ausdifferenzierten - Modell "gehört" zu werden. Kann er ein solches nicht vorweisen, so ist sein diesbezügliches "Schweigen" für die Anerkennung eines Gemeinschaftsgrundrechts nicht von Belang. Wird in einem Mitgliedstaat dagegen ein grundrechtlicher Schutz im Einzelfall ausdrücklich abgelehnt, ein Fall, der bisher - soweit ersichtlich - noch nicht virulent geworden ist, 199 so spricht auch dies nicht zwingend gegen eine gemeinschaftsrechtliche Anerkennung dieses Schutzes: 200 Es ist nämlich nicht anzunehmen, dass ein Mitgliedstaat eine "Versteinerung" des europäischen Grundrechtsschutzes herbeiführen und sich einem gemeineuropäischen Grundrechte-Dialog entziehen darf. Was zählt, ist die Kraft (guter i. S. v. rationaler) grundrechtlieber Argumentation. Immerhin bietet die Anerkennung eines Gemeinschaftsgrundrechts dem bisher "abstinenten" Mitgliedstaat die Chance, seine Position - auch innerstaatlich - zu überdenken. Solche Wechselwirkungen sind aus der Rechtsprechung hinreichend bekannt.
"Schutzniveau" aber ebd., 22 ("Die deutsche Grundrechtsdogmatik kann nicht den Anspruch erheben, Urmeter europarechtlicher Grundrechtsrechtsprechung zu sein, die ja auch noch auf 14 anderen Rechtsordnungen aufbaut") - ebenso ders., RdA 1998, 200 Sp. 1. 197 EuGH (Fn. 178), 1643 Rn. 30. 198 A.A.offb. Th. Groß, S. 171 (dort gg. die Theorie d. wertenden RVgl.). 199 Das gilt a. f. die Frage d. Schwangerschaftsabbruchs: In keinem MS ist das ungeborene Leben völlig schutzlos gestellt (N.d.s. u.u. Vl.l.b)aa)). Darauf abst. indes Th. Groß, S. 171. Das (eingeschränkte) Verbot priv. Universitäten gern. Art. 16 Vlll 2 grV (dazu Th. Groß, ibid., 70, 174) ist bisher noch nicht Gegenstand v. (eur.) GRkonflikten gewesen. 200 So aber Th. Groß, S. 170. 32*
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4. Rechtserkenntnisquellen
a) Vertragsrecht
Dass auch geschriebenes Vertragsrecht Rechtserkenntnisquelle für die allgemeinen Rechtsgrundsätze sein kann, 201 mag auf den ersten Blick verwundern.202 Bei der Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze geht es jedoch nicht um die schlichte Anwendung geschriebenen Vertragsrechts, sondern um die Anwendung von darüber hinausgehenden allgemeinen Prinzipien. 203 Deshalb spricht auch der Hinweis darauf, dass die Gemeinschaftsgrundrechte ("nur") Lücken des geschriebenen Primärrechts füllen sollten, nicht gegen die Heranziehung dieses bei der Ermittlung bzw. Konkretisierung jener. 204 Dem entspricht es denn auch, wenn der EuGH immer wieder betont, dass Grundfreiheiten oder Diskriminierungsverbote "nur" Ausdruck eines weitergehenden, allgemeineren Grundsatzes seien205 und dass Grundfreiheiten fundamentale Grundsätze des EGV darstellten. 206 Gerade letzterer Erwägung kann - mit aller Vorsicht - eine objektivrechtliche Deutung aller Grundfreiheiten entnommen werden, die dann - wie etwa bei den deutschen Grundrechten - der Begründung der Schutzfunktion dient. 207 Dies 201 S.d. z.B. Edward, in: Eichenhofer/Zuleeg, 47, 49, 50; Hirsch, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 11. Krit. Kingreen/Störmer, EuR 1998, 273. 202 Eine Erklärung bietet z.B. Everling, in: K. Stern, 40 Jahre GG, S. 169, an: Der EuGH bemühe sich, die Rechte nicht abstrakt aus allg. Überlegungen zu gewinnen, sondern sow. wie mögl. an Bestimmungen d. GemR, welche er dann fallweise fortentwickle. Gleichwohl sei eine solche Anknüpfung nicht notwendig. 203 Edward (Fn. 201), S. 49. 204 So aber Kingreen/Störmer, EuR 1998, 273. 205 Vgl. aus jüngerer Zeit nur EuGHE 1996, 1-569, 609 Rn. 25 ff. (Duff)- Spez. Referenzmengen aufgr. eines Entwicklungsplans: "Das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 des Vertrages ist nur ein spezifischer Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes, der zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört" (609 Rn. 26). Ebenso EuGHE 1996, 1-795, 847 Rn. 49 (F u. IRL/ Korn.) -Begrenzung d. interventionsfähigen Schlachtkörpergewichts; 1997, 1-1847, 1868 f. Rn. 27 (Woodspring District Council/Bakers of Nailsea Ltd) - Tierärztl. Schlachttieruntersuchung u. Kostenabwälzung; 1-1961, 1996 Rn. 36 (EARL Kerlast/ Unicopa); 1-7493,7511 Rn. 18, m.w.N. (Annibaldi); 1998,1-973, 1016 Rn. 62 (D/ Rat) - BMO-XVI (Rahmenabk. GATT 94-1); 1-023, 1056 f. Rn. 81 (T. Port GmbH & Co./HZA Harnburg Jonas) - BMO-XVII (Rahmenabk. GATT 94-l/ [T. Port-III]). W.N. (a. zu Art. 6, 48, 119 EGV) bei Edward, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 47, 51 f., sowie bei Bieback, ebd., S. 103 ff.; dems., EuR 1996, 409. S.a. Schwarze, NJ 1994, 53, 56; Dauses, 60. DJT I, S. D 1, 27; Zuleeg, BB 1994, 581; dens., NJW 1994, 546 Sp. 2; dens., NJW 1997, 1204 Sp. 2; Rengeling, GRschutz, S. 138 ff., 182. 206 V gl. nur f. die Dienstleistungsfreih. zul. etwa EuGHE 1997, 1-3899, 3922 Rn. 21 (Parodi). Ähnl. f. den "grundfreiheitliche Schutzpflichten" betr. Fall einer Beeinträchtigung d. freien Warenverkehrs durch Priv. jüngst etwa EuGHE 1997, 1-6959, 6998 Rn. 24 (Kom./F).
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gilt um so mehr, als die Grundfreiheiten in ihrer judikativen Entfaltung durch den EuGH ohnehin erst allmählich zu subjektiven Rechten des Einzelnen erstarkt sind, die objektivrechtliche Schicht hier also (eindeutig) die ursprünglichere ist. 208 b) EMRK
aa) EMRK als vorrangige Rechtserkenntnisquelle Dass die EMRK vorrangii09 zu berücksichtigen ist210, 211 rechtfertigt sich nicht nur aus praktischen Erwägungen (leichtere - textliche - 212 Zu207 So meine Überlegungen in DVBI. 1998, 219 ff. Zust. Schmidt-Aßmann, S. 329 Rn. 7/36 m.Fn. 93; Kühling, NJW 1999, 404. S.a. Meurer, EWS 1998, 196 ff.; Schärf, EuZW 1998, 618; Feik, in: Grabenwarter/Thienel, S. 207 m.Fn. 7; Th. Groß, JZ 1999, 330 Sp. 2. 208 Vgl. P. Szczekalla, DVBI. 1998, 220 m.Fn. 8 u. z.w.N. Ähnl. Frenz Rn. 58; Kingreen/Störmer, EuR 1998, 263; P.K. Meyer, S. 371, sowie jetzt a. Kingreen, S. 24; Schubert, S. 35, 45, 137, 146 f. 209 Vgl. nur Due, in: Dah1 u.a., S. 26 ("special significance"); Kugelmann, S. 24 ("maßgebliche Erkenntnisquelle"); Ende, Individualrechtsschutz, S. 85 ("zentrale Bedeutung"); Holoubek, GRschutz, S. 77, jew.m.w.N. F. eine (nur) "gleichgewichtige Bedeutung der EMRK als Rechtserkenntnisquelle" Ukrow, S. 49. Ebenso Bleckmann-Pieper, EuropaR, S. 54 § 2 Rn. 101; Lehr, S. 421. Nach Zeder, ÖJZ 1996, 122 Sp. 1, kommt der EMRK wenigstens unter den vrl. Vertr. "überragende Bedeutung" zu. 210 Zur "besonderen Bedeutung" der EMRK unter den "Hinweisen", v. denen sich der EuGH bei seiner GR-Rspr. "leiten" lässt, s. nur EuGHE 1996, I-1759, 1789 Rn. 33 a.E. S.a. noch EuG, EuGHE 1997, 11-1739, 1763 Rn. 53 (SCK, FNK/Kom.) - Vermietung mobiler Kräne (Zumietverbot); 1998, II-545, 564 Rn. 46 (Van der Wal/Korn.)- Kein Zugang zu ([Wettbewerbs-] R-) Auskünften d. Korn. an nat. Ger.; 11-1875, 1900 Rn. 55 (Enso Espafio1a SA/Kom.) - Unabhängiges u. unparteiisches Ger. im Karton-Verf. Zur Entwicklung der Rspr.d. EuGH Petersen, S. 173 f.; W. Weij3, S. 36 ff.; Vedder, EuR 1996, 316 f., jew.m.w.N. Zur "stetige[n] Bedeutungszunahme" bzw. "Aufwertung" d. EMRK s.a. Kokott, AöR 121 (1996), 602 f. m.z.N. (602), 638. Zur EMRK als "wesentliche[r] Stütze" d. wertenden RVgl. Starck, JZ 1997, 1030 Sp. 1. Vgl. schließ!. noch CKS-D. Sirnon Art. F Rn. 10 ("place eminente"); Scudiero, RivDE XXXVI (1996), 279 ff.; Rodrfguez lglesias/Valle Galvez, R.D.C.E. 2 (1997), 329 ff.; Selmer, S. 121. (Zu UnR leicht) Krit. aber die Korn. im "Grünbuch über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde in den audiovisuellen und den Informationsdiensten" v. 16.10.1996, KOM(96) 483 endg., S. 38 - JugendschutzGB: "Da Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aber relativ selten und langwierig sind, stellt dessen Rechtsprechung eher ein langfristig wirkendes Druckmittel auf die . . . Gesetzgebung als ein unmittelbares Instrument zum Schutz der Meinungsfreiheit dar". Positiver, was die "Methode" der Prüfung der Verhältnismäßigkeit anbelangt, jedoch aufS. 15: "mächtige[r] Konvergenzfaktor". Gg. eine Überbewertung der EMRK f. den GRschutz aber P.K. Meyer, S. 326 f., u.H.a. Foster, HRLJ 1987, 247 ff. (insbes. 270 ff.), der aber nur die Rspr. bis 1986 zugrundelegen
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
gänglichkeit, Zweisprachigkeit), 213 sondern auch aus (gemeinschafts- und völker-) rechtlichen Gründen: 214 Alle Mitgliedstaaten215 sind Vertragsparteien dieser Konvention216 und - zunächst völkerrechtlich 217 - zur Einhaltung ihrer Garantien verpflichtet: Die Rezeption218 der EMRK-Garantien durch das EG-Recht - und sei es auch "nur" im Wege des "Filters"219 der konnte - ob die Einschätzung damals berechtigt war, braucht hier indes nicht entschieden zu werden; heute ist es jedf. anders, s. ausdr. Lawson, in: ders./de Blois, Schermers-FS III, S. 235. Ähnl. Th. Groß, S. 159- diff. aber ebd., 165, 170. Fragend wieder Ress, in: Haller u. a., Winkler-FS, S. 917 ff. ("Wachsende Distanz des EuGH zur EMRK?"). 211 A.A.offb. Pfrang, S. 67. Abl.a. A. Schmitt Glaeser, S. 201 f., der ein Abstellen auf die EMRK erstens f. überflüssig hält u. zweitens vor einem falschen Maßstab warnt, da die nat. Verf. über die EMRK hinausgingen. Das beruht auf der unzutr. - Annahme eines bloßen "Mindeststandards" (s.d. schon Einl., A.III., Fn. 45 a.E.; s.a.u., Fn. 232). 212 Darauf abst. Th. Groß, S. 170, der der RV gl. desh. nur einen "subsidiären Rang" zuweisen will. 213 Vgl.d.a. Holoubek, GRschutz, S. 77; Baumgartner, ZfV 1996, 326; dens., S. 162 ff. (164), 171; ); dens., ZÖR 54 (1999), 128. Das könnte sich demn. indes ändern, wenn die Arbeit d. sog. Venedig-Korn. (genauer: "European Commission for Democracy through Law [Venice-Commission]"/"Commission europeenne pour 1a democratie par 1e droit [Commission de Venise]") kontinuiert. u. zeitnah weitergeführt wird. Diese, auf eine Vereinbarung d. ER v. 1990 zurückgehende Kom. gibt (u. a.) das dreimal im Jahr erscheinende "Bulletin on Constitutional Case-Law"/ "Bulletin de jurisprudence constitutionnelle" heraus, das die aktuelle "Verfassungs"Rspr. in Europa (u. darüber hinaus, einschl.d. EuGH u. EuGHMR) ebf. zweisprachig (engl./frz.) seit 1993 zugängl. macht. Daneben gibt es die CD-ROM "CODICES". 214 Zur rechtstatsächl. "Harmonisierung von unten" durch Urt.d. EuGHMR s. Schermers, EuR Beih. 111992, 53 f. Ähnl. i.B.a. die Entsch. zu "positiven Pflichten" Sudre, RTDH 1995, 384 § 37. D.S.n.a. abw.Mein. Van Dijk zu EuGHMRE 1998, 2011, 2043, 2046 § 6 II (Sheffield u. Horsham!VK)- Transsexuelle- V= ÖJZ 1999, 571. Allg. Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 721 ff. (zur "Europäisierung" d. MRe ebd., 726 ff.). 215 Zu den Plänen einer Inkorporation d. EMRK in das ir. u. brit. Recht Hogan, Irish Times v. 17.3.1998 (der Autor ist- u.a. -Mitglied d. "Constitution Review Group"). Zur Rechtslage im VK s. u., Vl.l.a)dd)(1), m. w.N. 216 Zum jeweiligen Rang in den VS s. nur Schmid, m.z.N. Nur in Öst. kommt der EMRK ein (nachträgt.) Verfassungsrang zu (Schmid, S. 102 ff., 147). 217 S. nur Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 854, u.H.a. den "Rechtsgedanken" d. Art. 30 V WVK (diesen f. unergiebig haltend aber W. Weiß, S. 88 f. [89], der die EG indes auf eine bloße "Zollunion" reduziert u. desh. meint, dass EMRK u. EGV keine Verträge über dens. Gegenstand seien). Vgl.a. R. Bernhardt, in: Due u.a., Everling-FS I, S. 105; Ress, in: Haller u.a., Winkler-FS, S.919 ff. (insbes. 920 Fn. 109); Besselink, 35 CML Rev. 1998, 653 ff.; Uwer, S. 400 f. 218 Petersen, S. 173, 175, 186, spricht sowohl v. einer materiellrl. "Inkorporation" als auch v. einer "Rezeption" (S. 175), lehnt aber eine unmittelbare Bindung d. Gern. an die EMRK ab (S. 172, 178). 219 Begriff nach Wachsmann, RTD eur. 32 (1996), 473; Zeder, ÖJZ 1996, 122 Sp. 2, der dessen "Vorschaltung" aus Autonomie-Gründen sogar f. "erforderlich"
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allgemeinen Rechtsgrundsätze - ist aus völkerrechtlichen Gründen geboten und stellt eine durch Art. 234 I EGV220 lediglich bestätigte Selbstverständlichkeit dar.Z21 Die in Art. F II EUV222 enthaltene Selbstverpflichtung zeigt, dass auch die EU223 dieser völkerrechtlichen Pflicht der Mitgliedstaaten im Innenverhältnis nachzukommen beabsichtigt.Z24 Dies entspricht an sich auch dem vom EuGH immer wieder postulierten (Auslegungs-) Grundsatz, demzufolge Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts - nach Möglichkeit im Lichte des Völkerrechts auszulegen sind.Z25 Diese Rechtsprechung ist allerdings bisher noch nicht ausdrücklich auf die EMRK angewandt worden, hält; Besselink, 35 CML Rev. 1998, 638; Pauly, EuR 1998, 253 m. w.N. Von den allg. Rgrds. als "Schiene", über die die "Transponierung" d. EMRK-Garantien in das GemR erfolge, spricht Baumgartner, ZfV 1996, 325 Sp. 1; ders., S. 168. 220 Art. 307 n.Z. 221 So a. Vedder, EuR 1996, 309, 317; Uwer, S. 400. Vgl.a. Ress, in: Haller u.a., Winkler-FS, S. 920 Fn. 109, 932; Besselink, 35 CML Rev. 1998, 659 ff., 679 (u.H.a. [insbes.] EuGHE 1993, I-4287 [Levy] - Nachtarbeitsverbot-I); Bultrini, ZEuS 1998, 500. Abw. W. WeijJ, S. 87 ff., 113 f., 116, 120 ff., m. w.N., der aber ledl. v. einer gemrl. Freistellung d.jew. MS ausgeht, genauer: v. einer Unzul. eines Vertragsverletzungsverf., falls der MS seinen gemrl. Verpflichtungen aus Gründen seiner Bindung an die EMRK nicht nachkommen sollte (120 f.). Das ist m.E. zu wenig, zumal der Einzelne darauf kein Recht haben soll (122). 222 Art. 6 n.Z. Krit. zur Neufass. der "Eurosceptic" u. brit. Schattenaußenmin. Howard, Times No 65,930 v.1.7.1997 (LB). 223 U. hier kommt es einmal auf die Unterscheidung zw. EU- EG- EGKSEAG an (s. Einl., A.l., Fn. 4). 224 V gl. darüber hinaus die weiteren Bezugnahmen auf die "Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten" in der Präambel zum EUV (lll) u. in Art. 1.1 ll 5. SpStr. EUV (= Art. 1.1 I 5. SpStr. EUV i. d. F.d. AV =Art. 11 n.Z.) sowie- unmittelbar auf die EMRK- in Art. K.2 I EUV (s.d. BVerfGE 94, 49, 88 f.; Napoli, in: Neuwahl/Rosas, S. 298, 300). Im EGV selbst findet sich ein Hinweis auf die "Menschenrechte und Grundfreiheiten" in Art. 130u ll (= Art. 177 n.Z.). Vgl.a. noch die Präambel zur EEA (Ill) mit Bezugnahmen auf die EMRK u. die ESC. Auf die EEA-Präambel Bezug nehmend bspw. EuGHE 1989, 1263, 1290 Rn. 10 (Korn./ D) - Angemessene Wohnung. F. letztl. nicht ausschlaggebend hält diese Bezugnahmen aber W. WeijJ, S. 107 ff., 117. Anders offb. Uwer, S. 400; Steinberg, ZRP 1999, 367; Wetter, S. 6 ff. Zur inhaltl. insow. unergiebigen Neufassung d. Art. F EUV (= Art. 6 n.Z.) durch den AV vgl. nur Hilf, integration 1997, 248; dens., EuR 1997, 354 f.; dens.!Pache, NJW 1998, 706 Sp. 2; Langrish, (1998) 23 E.L.Rev. 14 f.; Bergmann/Lenz-Bergmann Kap. 1 Rn. 13 ff. S. a. die "Sanktionsklausel" in Art. F.1 EUV ( = Art. 7 n.Z. ), sowie Art. 236 EGV n. F. ( = Art. 309 n.Z. ), Art. 96 EGKSV n. F., Art. 204 EAGV n. F. 225 Vgl.d. zul. etwa EuGHE 1998, I-4301, 4340 Rn. 22 (Safety Hi-Tech Srl/S. & T. Srl); 4355, 4369 Rn. 20 (Bettati/Safety Hi-Tech Srl), jew. zum Wiener Übereinkommen zum Schutz d. Ozonschicht v. 1985 sowie zum dazugehörigen Montrealer Prot. v. 1988. Auf diese Verträge wird indes a. in den BE Bezug genommen, so dass es sich um eine bloß vermittelte völkerrechtskonf. Auslegung nach Maßgabe d. subj. Willens d. GemGgebers handeln könnte. Der EuGH formuliert allerd. o. Rückgriff auf diesen.
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sondern bezieht sich regelmäßig auf die Umsetzung völkerrechtlicher Abkommen, die unter Beteiligung der Gemeinschaft zustande gekommen sind. Die Bedeutung der Konvention hat der EuGHMR zudem erst kürzlich prägnant zusammengefasst, indem er von der Konvention als einem Veifassungsinstrument des europäischen ordre public gesprochen hat. 226 Hinzu kommt, dass die im Rahmen der Rechtserkenntnisquelle der mitgliedstaatliehen Verfassungsordnungen erforderliche Grundrechtsvergleichung- jedenfalls grundsätzlich 227 - auch Grundlage der Rechtsprechung von EuGHMR und KomMR ist228 .Z29 Deshalb kann der Konvention insoweit zumindest die 226 EuGHMRE 310, 27 § 75 II (Loizidou/T). Zu den (mögl.) Folgen dieser erstmaligen, "zugleich kühne[n] und ehrgeizige[n]" Kategorisierung d. EMRK s. nur Schlette, ERPLIREDP 9 (1997), 205. Vgl.a. Engel, AfP 1994, 5 Sp. 1 (EMRK als "materielle Verfassung" d. ER). (U.a.) Zur EMRK als "völkerrechtliche[r] Nebenverfassung" Tomuschat, HStR VII § 172 Rn. 73. Vgl. ber. Menzel, DÖV 1970, 512 Sp. 1 (EMRK als "Grundrechtsteil einer gesamteuropäischen Verfassung"). 227 A.d. Entsch. EuGHMRE 1997, 1346 ff. (Balmer-Schafroth u.a./CH)- KKW Mühleberg = ÖJZ 1998, 436 = RdU 1997, 188 m.krit.Anm. Raschauer, ebd., 189 = M en R 1999/3, Nr. 13, 31, m.nt. Verschuuren, ebd., 33 = EuGRZ 1999, 183, m.krit.Anm. Kley, ebd., 177 ff., wird v.d. abw.Mein. Pettiti u.A.v. Cölcüklü u.a. (a.a.O., 1361 ff.) indes zu Recht gerügt, dass der GH keine eur. RVgl. betrieben habe, weil er dann zu einer Anwendbarkeit u. Verletzung v. Art. 6 I EMRK hätte gelangen müssen (1364 ff. [insbes. 1365]). Näheres zu diesem Fall s. u.u. V.l.d)dd)(3)(c). S. demggü. aber die Heranziehung v. EC-"soft law" (N.d.s. u.u. f)) durch den EuCHMR, z.B. in EuGHMRE 1996, 483, 500 § 39 II (W. Goodwin/VK) -Presser/. lnformantenschutz, betr. die Entschl.d. EP v. 18.1.1994 zur Geheimhaltung joumalist. Quellen u. zur Auskunftsbefugnis d. Beamten, ABI. C 44 v. 14.2.1994, 34 ff. (u.H.a. Art. 10 EMRK in Nr. 1 u. 6). 228 Vgl. nur R. Bemhardt, in: Matscher/Petzold, Wiarda-FS, S. 67: "some type of comparative-law approach is often necessary"; Bleckmann, in: Erichsen u. a., S. 9; R. Weij3, S. 44 ff. ("[w]ertende Ermittlung europäischer Standards", S. 51). S.a. Prowein, Maihofer-FS, 150; dens. Elemente, S. 71, 82: "Wichtige Gesichtspunkte der nationalen Grundrechtsrechtsprechung werden in den europäischen Entscheidungen aufgenommen und weiterentwickelt und wirken dann auf alle nationalen Verfassungssysteme zurück". Mglw. sieht a. der EuCH in den Vorschr.d. EMRK- in ihrer durch EuCHMR u. KomMR vorgenommenen Auslegung - eine Art "geronnene gemeineuropäische Grundrechtsordnung". Dafür lässt sich immerhin eine Entsch. anführen, derzufolge "das in Artikel 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privatlebens, das sich aus den gemeinsamen Veifassungstraditionen der Mitgliedstaaten herleitet, ein von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschütztes Grundrecht dar[stellt]", EuGHE 1994, 4780, 4789 Rn. 17 (X/Korn.) - Aidstest (H.d.V.). Ähnl. f. Art. II EMRK EuGHE 1995, 1-4921, 5065 Rn. 79 (Bosman). Aus dieser Formulierung lässt sich indes wohl keine direkte Anwendbarkeit d. EMRK entnehmen - in diese Richtung überlegend, aber Ietzt!. wohl a. vem., Kokott, AöR 121 (1996), 603, 615 Fn. 63. Der Ans., dass der EuCH im Aidstest-Fall die Konventionsrechte mit den GemGRen gleichsetze und sie d.S.n. als Prüfungsmaßstab heranziehe, aber Baumgartner, ZfV 1993, 319, 322 Sp. 1; ders., S. 169 f., 171, u. wohl a. Grabitz/Hilf-Hilf EUK I Art. F EUV Rn. 31. Ähnl. Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 9, 13. Mglw. handelt es sich bei zit. Pas-
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Funktion eines "Indikators" dessen zukommen, was in den Mitgliedstaaten und für diese als Grundrecht gilt bzw. gelten soll?30 Das gilt erst recht, wenn und weil der Einfluss der Konvention in ganz Europa gerade in jüngerer Zeit weiter wächst. 231 Ist man schließlich der Ansicht, dass die EMRK nur einen "Mindeststandard" enthält, 232 dann kann ihre vorrangige Berücksichtigung zudem die gemeinschaftsgrundrechtliche Prüfung gleichsam entschlacken bzw. entzerren: Weil das gemeinschaftsgrundrechtliche Schutzniveau jedenfalls immer dann nicht erreicht ist, wenn bereits eine Verletzung einschlägiger Garantien der Konvention vorliegt, kommt es auf weitergehende Gewährleistungen in den nationalen Verfassungen nicht an. 233
sage aber nur um einen Übersetzungsfehler, heißt es doch bspw. im frz. Text d. BosnumU: "ce principe, consacre par l'article 11 ... et resultant des traditions constitutionnelles commune aux Etats membres ... " (H.d.V.). S. aber schon EuGHE 1984, 2689, 2718 Rn. 22 (R./Kirk): "Das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften ist ein allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Grundsatz, der in ... [Art. 7 EMRK] als Grundrecht verankert ist und zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört ... "; ebenso EuGHE 1990, 1-4023, 4068 Rn. 42 (Fedesa u.a.). 229 Vgl.d. ausf. Leonardi, ERPL!REDP 8 (1996), 1139 ff. m.z.N., der insow. sogar - allerd. wohl eher beschreibend - von einem "Multikulturalismus" spricht (1139, 1194). Zu den - wg.d. Erweiterung d. ER - krit. Stimmen s. aber o., Ein!., A.III. 230 Ähnl. Jacoby, S. 262 m.N. Dem EuGH eine Beachtung d. Urt.d. EuGHMR "dringend" empfehlendE. Klein, AfP 1994, 12 Sp. 2, 15 Sp. 1 (Zit.). 231 Vgl.d. A. Weber, Verfassungsjudikatur, S. 232. 232 Eine anges.d.ber. ergangenen Rspr. schwer nachvollziehbare, gleichwohl aber weitverbreitete Position, s. nur Clapham/Weiler, in: Waaldijk/Clapham, S. 44, 68; Petersen, S. 174 Fn. 32; Lawson, in: ders./de Blois, Schermers-FS III, S. 230 f.; Streinz Rn. 358, 361; Zimmermann, S. 155, 159, 162, 177 f., 227; Kugelmann, S. 45, 58; Bieber, in: Kreuzer u. a., Europäisierung, S. 75; dens., in: Müller-Graff/ Riede!, GVR EU, S. 219; Sommermann, S. 290 f.; Lehr, S. 420 f.; Anweiler, S. 363 f.; Uwer, S. 128, 372, 389 f., 413, 595, 612 Thesen 17 f.; Duvigneau, LIEI 1998/2, 65, 85, 86 f., 90; Kneihs, JBI. 1999, 80 Sp. 2; Wetter, S. 9, 243, die a. v.d. KomMR geteilt wird, vgl.zul. etwa KomMR, ZE v. 3.12.1997 (2. K)- ZE v. 32603/ 96 (Evcen/NL) - n.n.v., S. 5 -Ehebruch im Laden-Keller. Krit.d. u. m.N. EUDURP. Szczekalla I § 12 Rn. 31 m.Fn. 141; Trechsel, ZEuS 1998, 380 f. (Mit-) Ursache f. diese Position dürfte Art. 60 EMRK (=Art. 53 i.d.F.d. 11. ZP) sein, eine f. eine an Schutz u. Förderung d. MRe ausgerichtete Konv. (s. nur Abs. 3 Präambel EMRK ["Wahrung und ... Entwicklung"]) an sich selbstverständl. "Kollisionsnorm", die indes bei sog. GRkollisionen gerade nicht weiterführt (a. A. offb. Besselink, 35 CML Rev. 1998, 629, 638 ff. i. V. m. 657 ff.). Hier ist in einer Art Gesamtbetrachtung festzustellen, ob ein höherer Schutzstandard i.B.a. die eine Garantie nicht die andere zu sehr in Mitleidenschaft zieht. 233 I. d. S. etwa T. Stein, in: Randelzhofer u. a., Grabitz-GS, S. 789 f. Aus diesem Grunde nicht überzeugend A. Schmitt Glaeser, S. 201 f.
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
Abschließend sei an dieser Stelle noch auf ein eher pragmatisches Argument für die vorrangige oder sogar ausschließliche Berücksichtigung der EMRK jedenfalls in bestimmten Fallkonstellationen hingewiesen: Überprüft der EuGH im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrecht/ 34 auch mitgliedstaatliches Handeln am Maßstab der Gemeinschaftsgrundrechte, 235 und zwar vor allem dann, wenn diese sich auf Schutzklauseln zu den Grundfreiheiten oder auf sog. zwingende Erfordernisse berufen, 236 dann besteht nach Ansicht mancher die Gefahr, dass dadurch nationale, mehr oder weniger berechtigte "Grundrechtssensibilitäten" verletzt und im Ergebnis desintegrierende und zentrifugale Kräfte mobilisiert werden. Schließlich bezog sich der mitgliedstaatliche Ruf nach einer Grundrechtskontrolle durch den Gerichtshoe 37 auf die Gemeinschaft und ihre Organe selbst, nicht aber auf die - vermeintlich schon ausreichend "grundrechtsversorgten" - Mitgliedstaaten. Diese Gefahr kann zumindest abgemildert werden, wenn der EuGH als Prüfungsmaßstab für die Kontrolle mitgliedstaatliehen Handels die EMRK heranzieht, ist diese doch Ausdruck eines allgemeinen (normativen, nicht immer faktischen) Konsenses der Mitgliedstaaten?38 Die Bedeutung der Konvention hat in letzter Zeit sogar noch weiter zugenommen, was hier nur an zwei Punkten exemplifiziert werden soll: Zum einen wird der Mitgliederkreis des Europarats, dem mittlerweile nur Staaten beitreten können, die die EMRK ratifiziert haben, immer größer, 239 zum anderen ist die Konvention auch materielle Grundlage einer neueren, speziellen Menschenrechtsinstanz, welche mit dem Dayton-Abkommen eingesetzt worden ist: der Menschenrechtskammer für Bosnien und Herzegowina. 240 Deren Rechtsprechung 241 befasst sich relativ häufig mit schutzpflichtrele234 Zur Sinnlosigkeit dieser Formel jedf. nach Inkrafttreten d. AV Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 14 Sp. 1. Allg. Holoubek, GRschutz, S. 81 ff.; Jürgensen, S. 185 ff., jew.m.z.N. I.R. seiner "Vorschläge" die Bedeutung dieser Formel betonend gleichwohl Duvigneau, LIEI 1998/2, 88 ff.; Iones, pass., insbes. S. 54 ff. Nur pragmat. u. derzeit ebenso wohl Schubert, S. 213 ff., 374 m.Fn. 36. RechtspoL f. eine einheitl. Geltung Ber.d. Expertengruppe "Grundrechte", S. 20. 235 Vgl.d. nur Petersen, S. 176 ff.; z.T. krit. Ruffert, EuGRZ 1995, 518 ff.; Kühling, EuGRZ 1997, 296, 298 ff.; Zuleeg, ZUM 1997, 779 Sp. 1; Jürgensen, S. 185 ff.; Uwer, S. 415 ff., jew.m.z.N. 236 Weitere anerkannte Konstellationen einer solchen Prüfung sind die Umsetzung v. RL u. d. VerwVollzug v. GemR. Damit hat es derzeit "[n]och" sein Bewenden, i.d.S. Bieber, RuP 1991, 205 f. (205). 237 V.a. v. BVerfGE 37, 271, 285. 238 Ähnl. die Überlegungen v. W. Weiß, S. 38; Kühling, EuGRZ 1997, 299 Sp. 2; Jacoby, S. 262 m.N.; E. Klein, GRverständnis. 239 Darin darf nicht o.w. ein Nachteil gesehen werden, so aber o.N., 33 CML Rev. 1996, 217. 240 MRK (-BH; engl.: HRC[-BH]). Vgl.d. Nowak, EuGRZ 1998, 7 ff.; Rauschning, ebd., 11 ff., sowie jüngst- im Schutzpflicht-Kontext- Wiesbrock, S. 147 ff.
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vanten Fallkonstellationen. Sie soll deshalb in dieser Arbeit als ergänzende Rechtserkenntnisquelle herangezogen werden, spiegelt sie doch einerseits die Rechtsprechung von EuGHMR und KomMR in relativer Ausführlichkeit wider und entwickelt diese andererseits sogar in Teilbereichen weiter. Immerhin können ihr Denkanstöße und weiterführende Argumentationsansätze entnommen werden, deren potenziellen Reichtum zu unterschlagen sich eine wertende Rechtsvergleichung nicht leisten kann. Unangebracht sind jedenfalls allzu formale Kriterien bei der Auswahl des rechtsvergleichenden Erkenntnismaterials, wie sie indes mitunter beim EuGH durchscheinen. 242 bb) Bedeutung der EMRK ( 1) Rechtsprechung
(a) Allgemeines Während der EuGH anfangs lediglich ganz allgemein von (bloßen) ,,Hinweise[n]" gesprochen hat, die aus den internationalen Menschenrechtsverträgen, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind, entnommen werden könnten und die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts (nur) "zu berücksichtigen" seien, 243 finden sich in späteren Urteilen bereits ausdrückliche Bezugnahmen auf einzelne Vorschriften der EMRK. 244 Mittlerweile wird sogar auf die Spruchpraxis des 241 Derzeit im Internet im engl.Orig. zugängl. unter "http://www.gwdg.de/-ujvr/ hrch/hrch.htm". 242 So i.B.a. den MRA (V.v. 31.3.1994-488/1992 [Toonen/AUS]- insbes. § 8.7 - Strafbarkeit d. Homosexualität) EuGHE 1998, I-621, 650 f. Rn. 44 ff. (Grant/ South-West Trains Ltd)- Diskriminierung wg. sex. Orientierung-! (Keine Fahrpreisermäßigung f lesb. Lebenspartnerin) = EuZW 1998, 212, m. (a.insow.) krit.Anm. P. Szczekalla, ebd., 215 f. = ELR 1998, 99 (Pelz/)= JZ 1998, 724, m. (allerd. nicht insow.) krit.Anm. Giegerich, ibid., 726 (727 f. m.Fn. 20) = Ehlers, JK 99, EGV Art. 119/l = 93 AJIL 1999, 200 (Helfer) = SEW 1999, 67, m.Anm. Prechal/ Senden, ebd., 69 f.= 36 CML Rev 1999, 1043 (Mclnnes). S.d.a. Cirkel, NJW 1998, 3332 f. 243 EuGHE 1974, 504, 507 Rn. 13 (Nold/Kom.)- H.d.V. Zum Grund f. die noch nicht ausdr., sondern nur indirekte Bezugnahme auf die EMRK in diesem Fall ("Beitritt" Frkr. zur EMRK) s. nur Tomuschat, EuR 1990, 356; Edward, in: Eichenhofer/Zuleeg, S. 45. 244 EuGHE 1979, 3727, 3745 Rn. 17 f. (Hauer/Rhein1and-Pfa1z)- Verbot d. Neuanpflanzung v. Weinreben: Art. 1 1. ZP EMRK; 1984, 2689, 2718 Rn. 22 (Regina/ Kent Kirk): Art. 7 EMRK; 1986, 1651, 1682 Rn. 18 (Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary); 1987, 4097, 4117 Rn. 14 (Unectef/Heylens): Art. 6, 13 EMRK; sowie EuGHE 1994, 4737, 4789 Rn. 17 (X/Korn.): Art. 8 EMRK. Die erste Bezugnahme auf die Vorschr.d. EMRK i.Z.m.d. Prüfung v. Art. 48 EWGV findet sich ber. in EuGHE 1975, 1219, 1232 Rn. 32 (Rutili/Min.d. Innern) -
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EuGHMR Bezug genommen, 245 und sei es auch nur, um daraus die rechtliche Definition eines bestimmten Lebenssachverhalts oder Umstandes 246 zu übernehmen.Z47 Insbesondere in jüngeren Judikaten begnügt sich der EuCH zudem mit einer Heranziehung der EMRK und stellt nicht mehr eigens auf die nationalen Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten ab. 248 Allerdings ist der Gerichtshof einer klaren Antwort auf die Frage, ob die KonPol. motiviertes partielles Aufenthaltsverbot: Art. 8, 9, 10 u. 11 EMRK sowie Art. 2 4. EMRK-ZP. Krit. zur Wortwahl (Rückgriff nur auf die "leitenden Grundsätze" d. EMRK) im JohnstonU aber Tomuschat, EuR 1990, 356. Eher zust. aber Pfrang, S. 67. 245 Sow.ersl., zuerst in EuGHE 1989, 2859, 2924 Rn. 18 (Hoechst AG/Korn.), dort allerd. in einem negativen Sinne, näml. m.d. - Uedf.) nicht zweifelsfreien Behauptung fehlender Rspr.d. EuGHMR zur Frage d. Schutzes v. Geschäftsräumen durch Art. 8 I EMRK. Zu!. etwa positiv i.S. einer unmittelbaren Übernahme d. einschl.Rspr. EuGHE 1996, 1-6609, 6637 Rn. 25 (X) - RL-konforme Auslegung u. Art. 7 EMRK, u.H.a. EuGHMRE 260-A, 22 § 52 (Kokkinakis/GR) - Proselytismus1; 335-B, 28, 41 f. § 35 (S.W./VK) - Vergewaltigung i. d. Ehe-!= ÖJZ 1996, 356; 335-C, 56, 68 f. § 33 (C.R./VK)- Vergewaltigung i. d. Ehe-li, sowie EuGHE 1997, 1-3689, 3717 Rn. 26 (Familiapress), u.H.a. EuGHMRE 276 (lnformationsverein Lentia u.a./AU)- Öffentl. Rundfunkmonopol = EuGRZ 1994, 549 = ÖJZ 1994, 32. S. a. noch EuGHE 1998, 1-8417, 8499 Rn. 29 (Baustahlgewebe GmbH/Korn.); EuG, EuGHE 1997, 11-1739, 1765 Rn. 57 (SCK, FNK). Vgl.d. Kühling, EuGRZ 1997, 297 Sp. 1, m.w.N., f. den "[d]adurch ... der normative Streit über eine materielle Bindung der Gemeinschaft an die EMRK angesichts einer faktischen Bindung an Bedeutung [verliert]". Ähnl. Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 12 ff., m.z.N.; Cirkel, NJW 1998, 3332 f. Zur "sorgfältigen Untersuchung" d. FaHR d. EuGHMR durch den EuGH s.a. Due, in: Dahl u.a., S. 13, 26. Verkannt v. Sommermann, S. 291 (" ... in keinem Fall hat er [der EuGH, ps] bisher bei der Auslegung von Bestimmungen der EMRK eine konkrete Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte herangezogen"). 246 Z. B. in den Transsexuellen-Fällen, s.d.N.o.u. Ein!., A.III., Fn. 62. Zur EMRK als "privilegierter lnspirationsquelle" d. EuGH s.a. Cohen-Jonathan, in: Bieber u. a., S. 57. Insof. ist die Feststellung v. W. Weij], VS. 37, dass der EuGH "nie" versucht habe, die Auslegung d. EMRK anh.d. Straßburger Spruchpraxis nachzuvollziehen, jedf. heute überholt. 247 Zu diesbzgl. Wechselbeziehungen s. noch Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 655, 731 ff., m. w. N.; Micklitz/Weatherill, S. 522 f. ("crossfertilization", 523). Zum Einfluss d. ,"Rechtsstaat[s]' EG" mit seinen "stärkeren Strukturen" auf das "schwächere[] System der EMRK" in den 70er Jahren s. Frowein, EuR Beih. 11 1992, 66. Ähnl. f. die heutige Zeit Calliess, EuGRZ 1996, 198 Sp. 2, der insow. v. einem "sich überschneidende[m] Netzwerk[ ... ]" spricht. Vgl.a. Ress, in: Haller u. a., Winkler-FS, S. 897, 928 f., der Wechselwirkungen i.d. Interpretation od. sogar i.d. Übernahme v. Rechtsinstituten zw. allen drei Ebenen (VerfRIEG-Recht/EMRK) ausmacht, m.z.N. - ebenso Bieber, in: Kreuzer u. a., Europäisierung, S. 73. S. a. Lagodny, S. 539, der im Verhältnis GG u. EMRK v. einem "Rücktransfer" spricht, "haben sich doch die internationalen Menschenrechtsstandards aus den nationalen entwickelt". 248 EuGHE 1997, 1-3689, 3717 Rn. 26 (Familiapress). Ebenso die Einschätzung v. Kühling, EuGRZ 1997, 297 Sp. 2.
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vention als solche Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist, bisher ausgewichen. 249 (b) Divergenzgefahr Trotz der dargelegten Entwicklung besteht angesichts der jeweils für sich in Anspruch genommenen autonomen Auslegung ihrer jeweiligen Maßstabsnormen durch EuGH und EuGHMR die Gefahr einer Ergebnisdivergenz. 250 Diese Gefahr hat sich auch bereits (mindestens) in einem Fall rea249 Vgl. Baumgartner, Ztv 1996, 319 Sp. 1; Kälin, EWR-Abk., S. 657; Lord lnglewood, in: Bieber u.a., S. 149 Rn. 18; Pfrang, S. 67 ("schwankende Einstellung"); Jürgensen, S. 169, 200 f. Nicht zul.desh. hat er sich wohl a. Vorlage d. östOGH i.d. Rs. C-299/95 "eingehandelt", EuGRZ 1995, 570 ff. -Fall Kremzow. Zur Krit. an der VorlageE vgl. nur Zeder, ÖJZ 1996, 121 ff.; Baumgartner, JBL 1996, 338 ff.; Ress, in: Haller u.a., Winkler-FS, S. 921 f. Der GH hat sich in diesem Fall aber wiederum auf die übl. "Formel" v. "Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts" berufen, der vorliegend nicht eröffnet sei, EuGHE 1997, 1-2629, 2644 ff. Rn. 14 ff. (2646 Rn. 18), m.w.N. (Kremzow/AU). Damit wird die weitere Konkretisierung dieser Formel auf zukünftige Entsch. verschoben (so a. Holoubek, JBL 1998, 238 m. w.N.). Ebenso zul. wieder EuGHE 1997, 1-7493, 7509 ff. Rn. 13 ff., m. w. N. (Annibaldi), dort aber wesl. ausführt. (der Anwendungsber.d. GemR sei u. a. desh. nicht eröffnet, weil mit der str. msl. Maßn. nicht "eine Durchführung des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Landwirtschaft, der Umwelt oder der Kultur bezweckt wurde" [7511 Rn. 21], weil bloß mittelbare Beeinflussungen einer Gern. Agrarmarktorganisation insow. nicht ausreichten [7512 Rn. 22] u. weil schließt. "eine spezifische Gemeinschaftsregelung für die Enteignung fehlt und die Maßnahmen über die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte die Eigentumsordnung für landwirtschaftliches Eigentum unberührt lassen" [ebd., Rn. 23, u.H.a. auf Art. 222 EGV {Art. 295 n.Z.}] sowie unter dem Vorbehalt d. "gegenwärtigen Stand[es] des Gemeinschaftsrechts" [ibid., 24]). S.a. noch die "Serie" EuGHE 1998, 1-3101, 3108 Rn. 19 (Nour/Burgenländ. Krankenkasse); EuGH, B.v. 25.5.1998 (2. K) - C-362/97 (Kamer/Burgenländ. Gebietskrankenkasse) - n.v. - Rn. 19; C363/97 (Lindau/dies.)- n.v., Rn. 19- "Vorlage in eigener Sache"-1-ll/. 250 S.d.a. jüngst Wolter, S. 103 f.; Besselink, 35 CML Rev. 1998, 632 ff. (650 ff.); Pauly, EuR 1998, 254 m.Fn. 60; Theurer, S. 24 ff.; Toth, 34 CML Rev. 1997, 499 f.; Wachsmann, RTD eur. 33 (1997), 886 f.; Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 733 ff.; Micklitz/Weatherill, S. 523; Baumgartner, S. 333 ff. (relativierend: ders., ZÖR 54 [1999], 131); Kokott, AöR 121 (1996), 611 f., 613 ff., 636 (zur Eliminierung der Divergenzgefahr de lege ferenda durch einen [langfristigen] Beitritt "der Gemeinschaften/EU" zur EMRK als "beste Option"); Baratta/Giannoulis, KritV 1996, 244 f.; De Schutter/Lejeune, CDE 32 (1996), 578 ff.; Scudiero, RivDE XXXVI (1996), 279 Fn. 42 a. E.; Bleckrnann-Bleckmann, EuropaR, S. 221 § 8 Rn. 593. Vgl.a. noch Th. Groß, S. 165, 170; E. Klein, AfP 1994, 12 Sp. 2; Lawson, in: ders./de Blois, Schermers-FS III, S. 234 ff.; Ruffert, EuGRZ 1995, 526 Sp. 1; Griller, 12. ÖJT, 1/2, S. 73 f., der das Auftreten eines Widerspruchs aber f. "unwahrscheinlich" hält - ebenso ("tres hypothetique") Abraham, in: Mouton/Stein, S. 55; Ress, Bürger, S. 47 m. w.N.; Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 13 Sp. 1 ("extremement rares"); Baumgartner, a.a.O., S. 333 bzw. 131. Zur Vermeidung v. Diver-
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lisiert?51 Die Entwicklung der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH bleibt abzuwarten?52 Solange keine institutionelle Verklammerung, etwa in Gestalt eines "Beitritts" 253 der EG254 zur EMRK vorliegt,Z55 hängt alles genzerr plädiert Van Gerven, S. 9, 55, f. ein System ggs. Informationsaustausches (i.Ü. a. zw. EuGH u. msl. Ger. f. Probl. verfrl. Art, 55 f.). Nach Frowein/PeukertFrowein Einf. Rn. 14 a. E., sei das Divergenz-Prob!. aber "[i]n der Praxis ... bisher nicht bedeutsam geworden". Ausdr. dagg. Polakiewicz, ZaöRV 57 (1997), 246. Trotz Anerkennung v. Divergenzen das Risiko eines Konflikts als "purely hypothetical" bezeichnend indes a. Due, in: Dahl u.a., 26 f. (27)- ähnl. HKEUV-E. Klein Art. F EUV Rn. 8 ("theoretisch"). 251 Vgl. EuGHE 1989, 2859, 2924 Rn. 17 (Hoechst AG/Korn.); 3137, 3175 Rn. 28 (Dow Benelux BV/Kom.); 3165, 3185 Rn. 15 (Dow Iberica SA u.a./Kom.), einers. u. EuGHMRE 251-B, 23, 33 ff. Rn. 29-33 (Niemietz/D) - Anwaltskanzleidurchsuchung = EuGRZ 1993, 65 = NJW 1993, 718 = ÖJZ 1993, 389 = JBI. 1993, 451 (wo die EuGHE immerhin Erwähnung finden [S. 31 f. § 22]); 256-C, S. 75, 87 § 28 (Miailhe [Nr. 1]/F) - Konsulatsdurchsuchung, anderers. Diff. hinsl. d. Schutzumfangs KomMR, DR 82-A, 51, 54 f. (Reiss/AU)- Homosexuellen-Porno-Bar. F. den - allerd. i. V.z. Privatwohnungen ebf. verminderten- Schutz a. v. Geschäftsräumen durch Art. 13 I GG BVerfGE 32, 54, 54 Ls. 1, 68 ff. - Schnellreiniger. Den Straßburger Instanzen offb. folgend nl. H.R., s.d. KomMR, ZE v. 3.12.1997 (2. K) - ZE v. 32603/96 (Evcen/NL) - n.n.v., S. 3 (in dieser Entsch. bezweifelt die KomMR selbst allerd. die Vglbk. m.d. Konstellation im NiemietzU, nimmt aber gleichwohl einen Eingriff in die Rechte aus An. 8 I EMRK an [S. 4 f.]). Unanwendbar ist An. 8 EMRK jedf. auf ausschließ!. landwirtschl. genutzte Grundstücke, s.d. KomMR, ZE v. 4.7.1997 (1. K)- 19734/92 (F.S./It.)- n.n.v., S. 11 § 1 - Abfallverwertungsanlage u. Zugangsstraße. Vgl. zum Ganzen a. Kugelmann, S. 33 ff., 47 ff.; Rodrfguez lglesias/Valle Gtilvez, R.D.C.E. 2 (1997), 341 ff.; Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 655, 733; Ruthig, JuS 1998, 509 Sp. 2, 515 f.; Besselink, 35 CML Rev. 1998, 629, 651 ff.; Sherlock, (1998) 23 E.L.Rev. HRC/62, 68. Die Feststellung d. EuGH u. a. im Hoechst-Fall, dass zum Zeitpunkt d. Entsch. noch keine Rspr. d. EuGHMR zu der Frage vorgelegen habe (a.a.O., Rn. 18), kann i.Ü. i.H.a. EuGHMRE 152-A, 21 ff. §§ 50 ff. (Chappell/VK) - Videotauschclub, mit guten Gründen bezweifelt werden, s. etwa IKEMRK-Wildhaber Art. 8 Rn. 466 (1992); W. Weiß, S. 37, 87 Fn. 474; Ress, Bürger, S. 47; De Schutter/Lejeune, CDE 32 (1996), 579 Fn. 74; Lenaens/Vanhamme, Art. 2-16, S. 212, 215; dies., 34 CML Rev. 1997, 552 f.; Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 13 Sp. 1; A. Weber, Verfassungsjudikatur, S. 232. A.A.offb. Ricken, S. 58; v. Danwitz, S. 63 m.Fn. 171. A. Badura, in: Delbrück u.a., S. 129, meint, dass Art. 8 EMRK nicht auf Geschäftsräume anwendbar sei. Insow. ist zuzugeben, dass in letztgen. Entsch. Wohn- u. Geschäftsräume betroffen waren. Wg.d.desh. gegebenen u. v. An. 8 EMRK verlangten stark personalen Bezugs d. betroffenen Geschäftsräume eine Divergenz d. Entsch. vem. Amold, EuR Beih. 11 1995, 18. Ebenso Gaja, 33 CML Rev. 1996, 987 Fn. 20; Rodrfguez lglesias/Valle Gtilvez, ebd., 344. A.A. etwa Toth, 34 CML Rev. 1997, 499 f.; Wils, CDE 32 (1996), 352; Chaltiel, RMC 1997, 38 Sp. 2; Wachsmann, RTD eur. 33 (1997), 886 f. Diff. Lawson (vor.Fn.), S. 236 ff., 241 f. Der Streit mag f. Zwecke dieser Arbeit dahinstehen (vgl. zum Ganzen aber noch P. Szczekalla, RabelsZ 61 [1997], 403 f. m. w. N.). Zul. f. eine (a.) "wirtschaftliche" Auslegung d. Art. 8 I EMRK immerhin EuGHMRE 1996, 915, 923 § 25 II (C./B)- Ausweisung nach Marokko-/ (Nach 30jähr. Aufenthalt), demzufolge "Privatleben" i.S. dieser Vorschrift a. das Recht eines Einzelnen beinhalte, mit anderen Menschen Beziehungen einzugehen u. fortzuent-
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wickeln, einschl. Beziehungen professioneller od. geschäftl. Natur (u.H.a. auf die NiemietzE, a. a. 0., 33 § 29) - zu diesem Zushg. s.a. Sherlock, a. a. 0. Als weiteres Bsp. f. seiner Ans. nach "in der Sache divergierende[] Entscheidungen" führt Ress, in: Haller u.a., Winkler-FS, S. 914, zun. einers. EuGHE 1991, 1-2925 (ERT), u. anderers. EuGHMRE 276 (lnformationsverein Lentia u. a./ AU), an (ebenso Wachsmann, RTD eur. 33 [1997], 886 f.; A. Weber, ebd.). Ob hier tatsächl. eine Divergenz vorliegt, ist indes zweifelhaft, hat der EuCH doch seine Zust. zur GRprüfung in diesem Fall gerade einschr. ausgelegt. Gleiches gilt i.Ü. f. EuGHE 1991, 1-4685 (SPUC/Grogan u. a.), einers. u. EuGHMRE 246-A (Open Door u. Dublin Well Woman/IRL)- Werbung f Schwangerschaftsabbrüche= EuGRZ 1992, 484 = ÖJZ 1993, 280, anderers. So denn a. später ausdr., allerd. krit., Ress, a. a. 0., S. 916. Umgekehrt könnte sich allerd. a. der EuCH einmal als "Vorreiter" einer best. GR-Rspr. betätigen, vgl. nur Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 731 f., m. w. N. Ergebnisdivergenzen gibt es i.Ü. a. zw. BVerfC u. EuCHMR (s.d.N.o.u. Einl., A.III. Fn. 67). Auf die Normalität v. Ergebnisdivergenzen zw. nat. Oberger. u. dem EuCHMR hinweisend Due (vor.Fn.), S. 27. 252 "[K]eine Zweifel" daran, dass der EuCH nunmehr dem EuCHMR folgen wird, hat insow. Holoubek, GRschutz, S. 78. 253 Im untechn. Sinne. Einem Text wie der EMRK kann natürl. niemand beitreten. 254 Solange die EU keine VRsubjektivität aufweist, kommt ein Beitritt dieser Dachorganisation nicht in Betracht, s. nur Chwolik-Lanfennann, ZRP 1995, 126, 129 Fn. 66 m. w.N.; Reflexionsgruppe, S. 46 Rn. 34, 2. Abs.; o.N., 33 CML Rev. 1996, 217; Baumgartner, ZfV 1996, 330 Fn. 123; De Schutter/Lejeune, CDE 32 (1996), 555, 600 Fn. 100; Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), 204; Chaltiel, RMC 1997, 49 Sp. 2; Duvigneau, LIEI 199812, 85. Ebenso die Antw.v. Kom. Van den Broek auf die schriftl.Anfr.v. MdEP Kostopoulos - E-3655/93, ABI. C 251 v. 8.9.1994, 37: " ... denn die Europäische Union hat keine internationale Rechtspersönlichkeit und kann somit als solche nicht beitreten". Das EP hatte deshalb die RK 96 (s. Art. N Il EUV) ausdr. aufgefordert, die EU mit eigener Rechtspersönlichkeit auszustatten, damit sie ebf. d. EMRK beitreten könne, Nr. 5 d. MRber. 1995 (Fn. 141), S. 9; s.a. ebd., S. 29. 0. diese Aufforderung f. einen Beitritt d. EU Nr. 4 d. MRber. 1996 d. EP v. 28.1.1998- A4-00341/98, PE 224.436/end, DOC-DE/RR/ 344/344978 - S. 8 (= Entschl.d. EP v. 17.2.1998 - A4-0034/98 -zur Achtung d. MRe i.d. EU [1996], ABI. C 80 v. 16.3.1998, 43, 45)- zul. wieder Entschl.d. EP v. 17.12.1998- A4-0409/98- zu der Mitt.d. Kom. an den Rat u. das EP "DieMenschenrechte in den Außenbeziehungen der Europäischen Union: Von Rom zu Maastricht und danach" (KOM(95)0567- C4-0568/95), ABI. C 98 v. 9.4.1999, 267, 269 Nr. 28. F. eine VRsubjektivität aber bspw. Ress, JuS 1992, 985, 986 Sp. 2. S. zum Ganzen oben, Einl., AI., Fn. 4. F. ECKS u. EAC erledigt sich die Frage eines gleichzeitigen Beitritts dieser beiden eindeutigen VRsubjekte bei einer in Aussicht genommenen Fusion mit der EC, evtl. a. mit der EU. 255 F. den nach EuGHE 1996, 1-1759, 1789 Rn. 35, eine Vertragsänderung erfordert ist. Zum GA s.a. die Anmerkungen bzw. Bespr.-Aufs.v. v. Escobar Hemandez, R.I.E. 23 (1996), 817 ff.; Scudiero, RivDE XXXVI (1996), 281 ff. Krit. v.a. Wachsmann, RTD eur. 32 (1996), 467 ff., insbes. 491; Caja, 33 CML Rev. 1996, 973 ff., insbes. 988 f.; Waelbroeck, CDE 32 (1996), 549 ff.; Ruffert, JZ 1996, 624 ff., insbes. 625; Burrows, (1997) 22 E.L.Rev. 61 ff. S.a. noch Ress, in: Haller u.a., Winkler-FS, S. 914 ff. (915, 917 ff., 924: "Eindruck eines nicht völlig realistischen Rückzugsgefechts", 927), d. einem Instanzenzug (EuCH, KomMR u. EuCHMR)
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davon ab, ob der Gerichtshof die - auch die Auslegung der Konvention durch EuGHMR und KomMR in Betracht ziehende 256 - rechtsgrundsätzliehe Geltung der EMRK im und für das Gemeinschaftsrecht ernst nimmt. Nach hier vertretener Meinung besteht dazu angesichts Art. 234 I EGV257 eine echte Rechtspflicht, 258 die gegebenenfalls auch eine Änderung der aber krit. ggü. steht (924) - ebenso jüngst Frowein, Disk.-Beitr., S. 102. I.E. wohl zust. Vedder, EuR 1996, 309 ff.; Kingreen/Stönner, EuR 1998, 283, 290. Ausf. zu den ggw. (drei) Optionen - Beibehaltung d. status qua, eigener Katalog, Beitritt zur EMRK- Toth, 34 CML Rev. 1997, 491 ff. (492 ff., 501 f., 502 ff.), dessen eigenem Vorschl. (Inkorporation d. mat. Vorschr.d. EMRK in den EUV, Ausdehnung d. Gerichtsbarkeit d. EuGH auf diese u. Kündigung d. EMRK durch alle MS gern. Art. 65 EMRK [= Art. 58 i. d. F.d. 11. ZP], 512 ff. [512]) hier aber nicht nähergetreten werden soll: Eine gernexterne Kontrolle (EuGHMR) wird vielmehr f. unverzichtbar gehalten. Sie entspricht i.Ü. der bish. Praxis i.H.a. die msl. Verfassungsger. u. die Straßburger gr!. Spezialgerichtsbarkeit (abl.a. Besselink, 35 CML Rev. 1998, 630 m.Fn. 2; Duvigneau, LIEI 1998/2, 86 ff.). 256 Vgl.d. De Schutter/Lejeune, CDE 32 (1996), 589 f.; HKEUV-E. Klein Art. F EUV Rn. 8; dens., in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 53 (aber "ohne ... formales Abhängigkeitsverhältnis" zum EuGHMR). 257 Art. 307 n.Z. 258 S. a. Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 854, der in Art. 234 EWGV eine "gemeinschaftsrechtliche Akzeptanznorm für den Vorranganspruch der EMRK" sieht; Ress, JuS 1992, 990 Sp. 2, f. den jedf. Art. F ll EUV "einen Verweis auf die EMRK in ihrer jeweiligen Auslegung durch die Straßburger Cour" enthält (H.i.O.). Zum "Damokles-Schwert der Pflicht zur Beachtung der EMRK - und zwar in jener Interpretation, wie sie von Kommission und Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg vertreten wird - als eine Art rechtlicher Drohung" s.a. dens., in: Haller u. a., Winkler-FS, S. 921, der insow. a. v. einer "mittelbaren Unterordnung" d. EuGH unter die Rspr.d. Straßburger Instanzen (922 f.) u. einer "Art Verfassungsautonomie der EMRK und ihrer Anwendung durch Kommission und Gerichtshof' (932) spricht (H.jew.i.O.). F. eine Bindung d. EuGH an die EMRK "in ihrem konkreten, durch die Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs definierten Normenbestand" wohl a. Tomuschat, EuR 1990, 356, der aber ohnehin der sog. "Hypothekentheorie" zu folgen scheint (356 f. - dies aber nur f. die EMRK, nicht f. die msl. Verfassungen, 342 - insof. anders S!:'lrensen, EuGRZ 1978, 34 Sp. 1 - zur "Hypothekentheorie" s.d.N. in Fn. 274). F. eine nur mittelbare Bindung d. EG-Organe an die Interpretation der EMRK durch die Straßburger Instanzen i.S.e. "Auslegungs- und Konkretisierungshilfe" Schmidt-Aßmann, JZ 1994, 839 Sp. 2. F. eine "Leitbildfunktion" dieser Rspr. zu!. etwa Müller-Michaels, S. 28 m. w. N., der aber auf der autonomen Auslegung durch den EuGH beharrt u. sich an anderer Stelle m.d. Einschätzung dieser Jud. als bloßer "Diskussionsgrundlage" begnügt (S. 62). F. eine solche Bindung aus Gründen d. Art. F ll EUV wohl Kugelmann, S. 51 f., 58: "Die Kooperation beider Gerichte kann ... nur in einer grundsätzlichen Übernahme der maßgeblichen Auslegungen ... bestehen [... ]. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg kann hinter den Straßburger Standard nicht zurück, aber er kann darüber hinaus" (51). F. eine echte Rechtspflicht zu!. etwa C.O. Lenz, NJW 1997, 3290. S. aber a. zur Befugnis d. MS, "aus Gründen des Selbstschutzes völkerrechtswidriges sekundäres Gemeinschaftsrecht [hier: die BMO] nicht anzuwenden, in direkter oder analoger Heranziehung von Art. 234 EGV", Stein, EuZW 1998, 263
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eigenen Rechtsprechung im Falle eines gegenteiligen259 Judikats des Straßburger Gerichtshofs 260 einschließt, was insoweit einer gemeinsamen "Tradition" der Mitgliedstaaten entsprechen würde.Z 61 Jedenfalls hat der Luxemburger Gerichtshof bisher weder direkt noch indirekt angenommen, dass er Sp. 1. Unklar Ber.d. Expertengruppe "Grundrechte", S. 21 f. (21); Simitis, S. 41; Jürgensen, S. 226, 230 ff. Abt. Rosenthal, S. 77; Theurer, S. 25 (diff. ebd., 26). A.A. a. Lawson, in: ders./de Blois, Scherrners-FS III, S. 232 f.; Baumgartner, ZfV 1996, 327; ders., S. 172 ff. (174 f.), 333. 259 D.h. "schutzintensiveren". Dazu, dass eine Straftburger Entsch., die in concreto zu keiner Verletzung einer Konventionsgarantie kommt, natürl. nicht übernommen werden müsse, Clapham/Weiler, in: Waaldijk/Clapham, S. 44. Prob!. ist indes, dass im Fall einer sog. GRkollision, also gerade in typ. Schutzpflicht-Fällen, nur in einer Art Gesamtbetrachtung festgestellt werden kann, welches Ergebnis eine insges. bessere "Grundrechtslage" hervorbringt. 260 Die Frage einer (rechtsgrds.) Berücksichtigung d. Judikate nat. Verfassungsger. über Art. F Il EUV (= Art. 6 n.Z.) aufwerfend Gram/ich, DÖV 1996, 807 Sp. 1. Insow. bej. Grabitz/Hilf-Hilf EUK I Art. F EUV Rn. 32. Dazu kann es v. a. beim modellhaften Vorgehen kommen (s.o.u. 3.d)). 261 Vgl. Emmert § 23 Rn. 22. Wohl a. Clapham/Weiler, in: Waaldijk/Clapham, S. 24; Holoubek, Gewährleistungspflichten, S. 71 m.Fn. 260 ("grundsätzlich"). A.A. aber Baumgartner, ZfV 1996, 327; ders., S. 172 ff. (174 f.), 333, der ledl. (aber immerhin) dann zu einer Änderung d. jew. allg. Rgrds. gelangen will, wenn die MS ihre Rechtsordnungen dem entspr. Urt. des EuGHMR anpassen od. deren Ger. die frag!. Auslegung übernehmen. Diese einschr. Beachtenspflicht ("Die Rechtsprechung der Konventionsorgane ist ... höchstens ein Indikator für eine gemeinsame Rechtsüberzeugung der Mitgliedstaaten", 327 Sp. 2 bzw. 174) negiert jedoch die Eigenständigkeil d. EMRK. Warum es a. im Ber. dieser Konv. noch auf die "Rechtsüberzeugung der Mitgliedstaaten" ankommen soll, wird nicht klar. I.Ü. liegt ein schwer zu erklärender Widerspruch zur (zutreffenden) These Baumgartners vor, wonach sich "[d]er Inhalt grundrechtlicher Garantien ... erst durch die Judikatur der zu ihrer Auslegung berufenen Organe" ergebe (327 Sp. 1). Warum Struktur u. Ziel d. Gern. ein im Einzelfall anderes Ergebnis rechtfertigen sollen, ist a. nicht ersl. (so aber offb.a. Grabitz/Hilf-Hilf EUK I Art. F EUV Rn. 32 a. E.). Schließ!. ist die konventionskonforme Auslegung d. nat. Rechts unter Berücksichtigung d. Rspr.d. EuGHMR ohnehin in den MS weit verbreitet. Allg. zu dieser ausdr. od. jedf. impliziten Rücksichtnahme vieler nat. Ger., aber a. d. EuGH selbst R. Hofmann, in: ders. u. a., S. 16. F. eine Orientierung an u. eine lntegrierung d. Rspr. zur EMRK Frowein, EuR Beih. 111992, 75: "Wo immer Grundrechtsfragen in der EG auftauchen, sollte Straßburg der Maßstab sein". Zur rechtstatsächl. "Harmonisierung von unten" durch Urt.d. EuGHMR s. Schermers, a. a. 0., 49, 53 f. Ähnl. i.B.a. die Entsch. zu "positiven Pflichten" Sudre, RTDH 1995, 363, 384 § 37. D.S.n.a. abw.Mein. Van Dijk zu EuGHMRE 1998, 2011, 2043, 2046 § 6 II (Sheffield u. Horsham/VK) = ÖJZ 1999, 571. Allg. Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 655, 721 ff. Zur "Europäisierung" d. MRe ebd., 726 ff. Ähnl. Sommermann, S. 406 ff., m.z.N. Zu weiteren Bsp. aus den MS: S. nur f. Dtschl. die N.o.u. Ein!., A.III., Fn. 67. Zu!. etwa ndsOVG, NVwZ-Beil. 711998, 65, 66 Sp. 2 a.E. - Abschiebungsschutz u. religiöses Existenzminimum (Ahamdiyya). Zur Kontroverse zw. BVerwG u. EuGHMR i.Z.m. Art. 3 EMRK s. aber u., V.l.d)(3). Zur "presumption of compatibility" in IRL s. nur Kelly, S. 298 f., 33 Szczekalla
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431 ("persuasive effect"): "Es gibt keinen Grund, warum Entscheidungen des EuGHMR bei ähnlichen oder analogen Garantien . . . nicht eine Einflußquelle für irische Gerichte sein sollten", 920. Zu den jüngsten Plänen einer Inkorporation d. EMRK in das ir. Rechts. Hogan, Irish Times v. 17.3.1998, der v. den vier Möglichkeiten - brit. Modell einfachgesl. Inkorporierung, Ersetzung d. Art. 40-44 irV durch die EMRK-Garantien, schwed. Modell einer entspr. Verfassungsklausel u. selektive Inkorporation (u. a. bei nicht ausdr. Schutz best. Rechte i.d. irV, höherem Schutzstandard d. EMRK-Garantien, Verbesserung d. Verfassungstextes)- m.d. Mehrheit d. Korn. zur Verfassungsrevision letztere favorisiert. F. Belg. s. nur Cour d'arbitrage, EuGRZ 1996, 455, 466 Sp. l (B.7.6.) - Völkermordlüge, u.H.a. EuGHMRE 24 (Handyside/VK); 295-A (Otto-Preminger-Institut/AU) - Liebeskonzil = ÖJZ 1995, 154 = JBI. 1995, 304. Zu dieser Entsch. vgl. Simonart, ERPLIREDP 9 (1997), 450 f., 453. Allg. Grabitz-Pieters S. ll f. (Vorrang d. EMRK vor nat. Gesetzesrecht), 42 ("außerordentlich wichtiger Platz" d. EMRK-GRe); Verdussen, RFDC 181994, 433 ff.: Die Cour d'arbitrage wende die EMRK immer häufiger an, um Verfassungsstreitigkeiteil zu lösen - allerd. nicht autonom, sondern nur hilfsw. (438); Simonart, ERPLIREDP 8 (1996), 541 f.; ders., a.a.O., 452 ff.; Andersen/Simonart, ERPLIREDP 9 (1997), 639 ff., jew.m. w.N. Zur konventionskonformen Auslegung gg. den klaren Wortlaut u. zur Vermutung konventionskonformer Gesetzgebung in Dk. s. nur M.H. Jensen, ERPLIREDP 8 (1996), 253 f., 255 m.N. (u.a. wurde auf EuGHMRE 298 [Jersild/DK] - Schutz vor Rassismus = ÖJZ 1995, 227, Bezug genommen). S. a. Rehof, in: Dahl u. a., S. 59 ("Rule of Presumption"). Zur 1992 erfolgten Inkorporation d. EMRK in das dän. Recht s. S. 83, sowie R. Hofmann, EuGRZ 1992, 253 ff. Rehof zufolge könne die Konv. die wichtige Rolle einer "surrogate constitution" übernehmen (S. 83). S.a. Holdgaard Bukh/J.A. Jensenf Troels Poulsen, ERPLIREDP 9 (1997), 675 ff. (zur Rechtslage vor [675 ff.] u. nach der Inkorporation 1992 [678 ff.]). F. FIN vgl. Pellonpää, EMRK, S. 9 ff.; EuGRZ 1993, 590 f.; Mäenpää, ERPLIREDP 9 (1997), 705 f. Zur EMRK als "ständig wachsender Bedeutungsquelle" in Frkr. vgl. nur Grabitz-Savoie S. 215 ff.; Badinter, in: Bieber u.a., S. 162 f. (Rspr. v. EuGHMR u. KomMR jedf. als "source d'inspiration" f. denfrzCC); Pacteau, ERPLIREDP 9 (1997), 730 ff. F. Lux. s. Grabitz-Pieters S. 448 ff., 559 Fn. 331: Die innerstaatl. Anwendung d. EMRK sei f. den GRschutz v. größerer Bedeutung als die nat. Verfassung (unmittelbare staatl. Geltung). F. die NL vgl. H.R., NedJur 1992 Nr. 58, 177 ff.- Laufpass, u. dazu v. Bar, DeliktsR I § 6 Rn. 563 m.Fn. 52, der die Entsch. als ein "schönes ... Beispiel" dafür anführt, dass wg. Art. 94 u. 120 nlV i.d. Praxis Staatsverträge - u. damit a. die EMRK- durchaus wichtiger sind als die eigene Verf. - ähnl.insow. Waaldijk, in: ders./Clapham, S. 79; allg. Grabitz-de Blois/Heringa, S. 513 f., 522 ff. (insbes. S. 524: Durch Art. 93 u. 94 nlV werde gewährleistet, dass u. a. Entsch. d. EuGHMR a. i. d. innerstaatl. Rechtsordnung Wirksamkeit erlangen u. dem nat. Recht vorgingen. Darüber hinaus erachte die nl. Rspr. die Entsch. d. EuGHMR als "maßgebliche Autorität" ["Leitfaden"] in Auslegungsfragen, die die EMRK beträfen, m.z.N.), 560, 584. S.a. noch Tonne, S. 108 f.; Arnold, in: Müller-Graff/Riedel, GVR EU, S. 139 f. ("Ersatznormenkontrolle" anh.d. EMRK, 139), sowie KomMR, ZE v. 3.12.1997 (2. K)- ZE v. 32603/96 (Evcen/NL)- n.n.v., S. 3. Zum gleichwohl bestehenden Durchsetzungs-Probl. bei Annahme "positiver Pflichten" d. Gesetzgebers zur Ergänzung d. Rechtslage s. aber a. H.R., NedJur 1995 Nr. 249, 1118, 1126 f., m.krit.Anm. de Boer, ebd., 1127 = RvdW 1995 Nr. 226, 1267 - Unmöglichkeit d. Bestreifens d. Vaterschaft d. Ehemannes. F. SP s. schon Art. 10 li spanV u. vgl. etwa nur Martfnez Soria, ERPLIREDP 9 (1997), 341 f.; Borrajo lniesta, ERPL/ REDP 9 (1997), 873 f., jew.m. w.N.
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F. das VK s. nur H.L., EuGRZ 1996, 391 ff. - Tonbandaufnahme; (1997) 9 JEL 345, 366, 369 (Hunter a.o./Canary Wharf Ltd; Hunter a.o./LDDC), per Lord Cooke of Thomdon (diss.), u.H.a. KomMR, DR 19 (Arrondelle/VK) - Fluglänn-I, u. EuGHMRE 303-C (L6pez Ostra/SP), jew. als " ... legitimate consideration in support of treating residence as an acceptable basis of standing at common law ... ", also f. eine konventionskonforme Auslegung d. gemeinen Rechts betr. die Klagebefugnis-Beschränkung d. Fernsehempfangs (Canary Wharf Tower) u. Staubemissionen beim Straßenbau in den Docklands (Limehouse Link Road) - s.d. nunmehr KomMR, ZE v. 1.7.1998 (1. K)- 38387/97 (Khatun u.[180]a./VK)- n.n.v.- Straßenbau in den Docklands. S.a. noch H.L., S.v. 21.5.1997 (R/SoSHD, ex p. Launder), per Lord Hope of Craighead u.Z.v. Lord Browne-Wilkinson, Steyn, Clyde u. Hutton, Times No 65,899 v. 26.5.1997, Law Report- Auslieferung nach Hongkong = 3 All ER 961 [1997] (s.d.a. KomMR, ZE v. 8.12.1997- 27279/95 [Launder!VK] - n.n.v.- Auslieferung nach Hongkong), wonach die EMRK das common law beeinflussen könne, aber grds. nicht die Verw. binde. Allerd. müssten die Ger. jedf. dann eine VerwE einer strengen Kontrolle unterwerfen, wenn im vorangegangenen VerwVerf. im Wesl. die Frage einer mögl. Verletzung v. GRen erörtert worden sei: Wenn dem Entscheidungsträger bei der von ihm selbst behaupteten Berücksichtigung d. EMRK Fehler unterlaufen seien, könnten Ger. seine Entsch. sicher!. auf solche Fehler hin überprüfen, u. zwar nach den allg. Prinzipien gerl. Kontrolle (Rationalität u. Legalität d. Entscheidung), v. a. nach dem sog. reasonableness-test. Zu einer anderen konventionskonformen Auslegung (betr. Art. 3 I u. 40 I UN-Kinderkonv.) bzw. einer Konventionskonformitätsvermutung vgl.a. H.L., S.v. 12.6.1997 (R/SoSHD, ex p. V., u. R/SoSHD, ex p. T.), per Lord Browne-Wilkinson, Times No 65,915 v. 13.6.1997, Law Report- Fall Bulger. Zul. zur Relevanz d. EMRK u.d. Rspr. v. EuGHMR u. KomMR CA, U.v. 27.11.1997 (R/SoSHD, ex p. Gangadeen a.ao.; Same/Same, ex. p. Khan), per Lord Hirst U u.Z.v. Sir Brian Neill, Lord Swinton Thomas U conc., Times No 66,071 v. 12.12.1997, Law Report- Ausweisung u. Kindeswohl, u.H.a. (u. a.) EuGHMRE 94 (Abdulaziz u. a./VK) - Familiennachzug-I; 5.2.1998 (R/SoSTI, ex p. McCormik), per Lord Morritt U u.Z.v. Lord Waller U, Sir Christopher Staughton conc., Times No 66,121 v. 10.2.1998, Law Report - Verwertung erzwungener Aussagen bei der Entlassung (betr. Art. 6 I EMRK), i.A.z. E 1996, 2044 ff. (Saunders/VK) - Verwertung erzwungener Aussagen im Strafverf., sowie 8.7.1998 (Reynolds/Times Newspapers Ltd ao.), per Lord Ringharn of Comhill LCJ, Lord Hirst u. Lord Robert Walker UJ., Times No 66,249 v. 9.7.1998, Law Report- Qualified Privilege (s.d.a. Bale, ebd.). Aus der Lit. vgl. nur Craig, ERPL/REDP 8 (1996), 446 ff.; dens., ERPL/REDP 9 (1997), 883 ff.; Amold, a.a.O., S. 141 f., Wright, OJLS 18 (1998), 1 ff. (insbes. 16), die indes (fundierte Krit.) an einzelnen Entsch.d. H.L. übt, welches den Einfluss d. EMRK auf eine common law duty of care d. Behörden u.a. im Fall d. Schutzes v. Kindem vor Misshandlungen nicht hinreichend beachtet hätten. Restriktiver insow. aber - jedf. früher- oftb. das schott. Recht, s. CS (OH), ILR 93 (1993), 602 ff. (Kaur u.a./LA): Die EMRK schaffe keine vor schott. Ger. durchsetzbare Rechte, und zwar weder nach nat. Recht noch nach GemR (608 f.). Anders als engl. Ger. könne ein schott. Ger. die EMRK nicht zur Auslegung v. Gesetzen heranziehen (612), m.z.N. aus Rspr. u. Lit. (zu der Entsch. s.a. Grabitz-Kingston!Imrie S. 715, 820 f.). Immerhin berücksichtigen Schott. Ger. aber die Rspr. V. EuGHMR u. KomMR, s. zul. etwa es (IH, 2nd Div.), U.v. 24.5.1997 (Kelly/Kelly), per Lord Cullen U-C, McCluskey u. Wylie LJJ, Times No 65,908 v. 5.6.1997, Scots Law Report - Keine originären Lebens- od. Klageanspr.d. Fötus, u.H.a. KomMR, DR 19, 244, 249 ff./258 ff. (252/ 261 f.) §§ 5 ff. (18-20) (Paton!VK) - Med. Indikation. Ausf. rvgl. zum engl., 33*
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der Straßburger Judikatur nicht zu folgen habe.Z 62 Kein Argument gegen eine echte Rechtspflicht, diese Rechtsprechung zu beachten, ist schließlich die Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung: 263 Die Gemeinschaft kann nordir. u. schott. sowie ir. Recht i.B.a. die Auswirkungen d. EMRK zul. etwa Dicksan. Zur nunmehrigen - teilw. - Inkorporation d. EMRK in das brit. Recht s. u.u. Zweiter Teil, VI.l.a)dd)(l) a.E. F. Österreich selbst kann die Skepsis v. Baumgartner hinsl. d. m.d. Rspr.d. EuGHMR "nicht immer konform" gehenden Jud.d. östVfGH (ebd., Fn. 87 bzw. 173 f. Fn. 181 a. E.) nicht nachvollzogen werden (relativierend jetzt a. ders., ZÖR 54 [1999], 120 ff. [126 f.], 131]), jedf. was die hier im Vordergrund stehenden grl. Schutzpflichten betrifft: s. nur den Hinw. bei Morscher, EuGRZ 1990, 460 darauf, dass der östVfGH mittlerweile mit Rücksicht auf die EMRK u. die dazu ergangene Rspr. eine Schutzpflicht d. Gesetzgebers anerkenne. Aus der Rspr. s. nur östVfGH, ÖJZ 1986, 122, 123 Sp. 2 - Briefwahl; JBl. 1990, 305, 306 - Kein gern. elterl. SorgeR (nach Scheidung), u.H.a. EuGHMRE 31 (Marckx/B)- Diskriminierung ne Kinder; 32 (Airey/IRL) -Zugang zu Ger.; EuGRZ 1990, 550, 551 - "HOSI"-Fall, m.Anm. Nowak, ebd., 552 f., u.H.a. EuGHMRE 139 (Plattform "Ärzte für das Leben"/AU) - Versammlungsstörung = ÖJZ 1988, 734 = EuGRZ 1989, 522 ("Der Verfassungsgerichtshof steht auf dem Boden dieser Rechtsprechung"); EuGRZ 1995, 664, 668 - Entschädigungsanspr. bei Vorverurteilung. Zur ausschließ!. Zust.d. EuGHMR zur Klärung d. Frage d. Vorliegens einer Konventionswidrigkeit vollst. Unterlassens d. Gesetzgebers mit verbindl. Wirkung s. aber noch östVfGH, JBl. 1996, 713 f. - Kein Rechtsschutz gg. völlige Untätigkeit d. Gesetzgebers. Aus der Rspr.d. ordentl. Ger. vgl. nur östOGH, JBl. 1980, 372 f. - Wissentl. falsche Strafanzeige; JBl. 1998, 370 ff. - Fall Kremzow; OLG Wien, EuGRZ 1996, 214 f. KovdcS; ÖJZ 1997, 25 f.- Sorgerechtsentziehung f Scientologin. S. a. rvgl. u. umf. die Beitr. in Gearty (betr. F, D, IRL, It, NL, S u. das VK), sowie die Hinweise bei Frowein, GRschutz, S. 25, 26 ff., u. Zimmer, ZAR 1998, 115, 123 ("Normative Leitbildfunktion der Rechtsprechung"); Wiesbrock, S. 70 ff. Noch weitergehender Engel, AVR 36 (1998), 371 f., der desh. v. einer bindenden Wirkung d. Einzeljudikate ausgeht, weil die VS diese durch ihre regelmäßig erneuerten Unterwerfungserklärungen sowie als nachfolgende Vertragspraxis akzeptiert hätten (krit. zur Praxis d. EuCH ders., DVBl. 1999, 1076 Sp. 2). Das wird jedf. als Arg. f. Urteile bis zum lnkrafttreten d. 11. ZP ausreichen. Danach kommt es nicht mehr zu erneuerungsbedürftigen Erklärungen. Diff. zur rechtstatsächl. Befolgung der EMRK in den VS Grosser, in: Hutter u. a., S. 237 f. 262 Vgl. Gaja, 33 CML Rev. 1996, 987; Kugelmann, S. 48 f., 51, 58; Rodr(guez lglesias!Valle Gdlvez, R.D.C.E. 2 (1997), 341 ff., 346. Im Hoechst-Fall (Fn. 251) wurde die mglw. anderslautende Rspr. vermutl. schlicht nicht zur Kenntnis genommen (wie sie auch i.d. Lit. häufig "unterschlagen" wird, s. nur Kugelmann, S. 33 ff.). Nach Bleckmann, NVwZ 1993, 827 Sp. 1, soll der EuCH aber offsl. nicht gewillt sein, sich an die Rspr. der Straßburger Instanzen zu binden. Damit weiche er von der Rspr.d. BVeifG zur konventionskonformen Auslegung ab. Diese Aussage kann hier nicht bestätigt werden! 263 So aber offb. Glaesner, in: Due u. a., Everling-FS I, S. 333. Wohl a. Toth, 34 CML Rev. 1997, 511; C.O. Lenz, NJW 1997, 3290; Pauly, EuR 1998, 254 m.Fn. 60. Dazu, dass Art. 164 EGVeinem Beitritt zur EMRK nicht entgg. steht Rengeling/P. Szczekalla, in: Due u. a., Everling-FS II, S. 1206 f. F. die im Wege d. Auslegung gewonnene Pflicht zur Beachtung d. EMRK-Rspr. kann nichts anderes gelten. Das Autonomie-Arg. betonend aber a. Zeder, ÖJZ 1996, 122 Sp. 2. Krit.d.
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sich nicht mit diesem Argument einer (indirekten) externen Kontrolle entziehen, während die Mitgliedstaaten weiterhin der direkten, nur durch einen Solange- Vorbehalt abgeschwächten Kontrolle unterliegen, der im Übrigen jederzeit wieder zurückgenommen werden könnte, wenn das Verhalten der Gemeinschaft Anlass dazu bieten sollte. 264 (2) Literatur
In der Literatur ist im Wesentlichen nur umstritten, ob die EMRK direkt -und nicht nur über den "Filter" 265 oder die "Schiene" 266 der allgemeinen Rechtsgrundsätze - anwendbar ist. 267 Zum Teil wird die (praktische) ReleRess, in: Haller u.a., Winkler-FS, S. 917 ff. (insbes. 922). F. eine Auslegung d. EMRK a. in ihrer Funktion als allg. Rgrds. d. GemR im Lichte d. Straßburger Rspr. immerhin GA Lenz, in: EuGHE 1988, 5132, 5137 (Bergemann); Frowein, GRschutz, S. 36. Bleckmann, EuGRZ 1994, 150 Sp. I, will demggü. die Möglichkeit offen halten, dass "die besondere Zielrichtung der Wirtschaftsgemeinschaft eine Anpassung der Freiheiten der EMRK an die besonderen Bedingungen der EG verlangen". S. a. die Stellungnahme d. Generalsekr. d. ER, Daniel Tarschys, F.A.Z. Nr. 209 v. 8.9.1995, 16: "Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg bezieht sich oft auf das Straßburger Fallrecht, ist jedoch offiziell nicht verpflichtet, die ECHR anzuwenden". Zur EMRK u. der einschl. Rspr. als "bedeutsame Erkenntnisquelle" immerhin Hirsch, in: Kreuzer u.a., GRschutz, S. 12 Fn. 8. 264 S.u., (3)(b ). 265 Begriff nach Wachsmann, RTD eur. 32 (1996), 467, 473 Zeder, ÖJZ 1996, 121, 122 Sp. 2, der dessen "Vorschaltung" aus Autonomie-Gründen sogar f. "erforderlich" hält. 266 Begriff nach Baumgartner, ZfV 1996, 325 Sp. 1; ders., S. 168. 267 Dafür v.a. Bleckmann, Bindung, pass., insbes. S. 79 ff.; Bleckmann-Bleckmann, EuropaR, S. 221 f. § 8 Rn. 594 ("im Vordringen befindliche[ ... ] Lehre"); Dauses, JöR N.F. 31 (1982), 16. Neuerdings z.B. a. Krogsgaard, LIEI 199311, 108. Ebenso wohl Tomuschat, jedf. in: EuR 1990, 356 f. (357: "partielle Pflichtennachfolge"); Lenaerts, EuR 1997, 36 f.; Wetter, S. 55, 63 ff. (zweifelnd aber ebd., S. 66). Vgl.a. Rengeling, GRschutz, S. 185. Jedf. f. eine erneute u. verstärkte Prüfung dieser Auffassung anges.d. zunehmenden Kompetenzen u. Aktivitäten d. EG R. Bemhardt, in: Due u.a., Everling-FS I, S. 107. Dagg. bspw. C.O. Lenz, EuGRZ 1993, 586 f.; Baumert, S. 72; Baumgartner, ZfR 1996, 324 ff. (326), f. den aber immerhin "nicht mehr zu übersehen [ist], daß der EMRK schon jetzt die Funktion eines gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtskatalogs zukommt und sie praktisch als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts angewandt wird" (322 Sp. 1); ders., JBI. 1996, 339 f.; Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), 220; Reich, (1997) 3 ELJ 136; GTE-I-Beutler Art. F EUV Rn. 65, 105; Ress, in: Haller u.a., Winkler-FS, S. 914, 921; HKEUV-E. Klein Art. F II EUV Rn. 8, der aber f. eine - dann wohl freiwillige - Berücksichtigung d. Auslegung d. EMRK durch die Straßburger Instanzen seitens d. EuCH plädiert (s.a. dens., in: Kreuzer u.a., GRschutz, S. 53: "ohne ... formales Abhängigkeitsverhältnis" zum EuGHMR); Rodriguez lglesias/Valle Gdlvez, R.D.C.E. 2 (1997), 368 f. Vorsichtig dagg. Everling, in: K. Stern, 40 Jahre GG, S. 178: Die EMRK "dürfte nicht unmittelbar im Gemeinschaftsrecht gelten".
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vanz des Streits aber auch unter Hinweis auf die Rechtsprechungspraxis des EuGH bestritten, weil dieser - jedenfalls in jüngerer Zeit - Urteile des EuGHMR explizit und positiv zitiere und diesen sodann unmittelbar folge? 68 Mitunter wird auch vorsichtig festgestellt, dass der Rechtsprechung des EuGHMR vom EuGH eine "besondere Beachtlichkeit" beigemessen werde, welche "im Ergebnis einer quasi-formellen Präjudizwirkung gleichkommen dürfte". 269 Jedenfalls soll der EuGH die EMRK praktisch als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts anwenden. 270 (3) Stellungnahme
Der Streit bleibt indes gleichwohl praktisch relevant, wenn und weil der EuGH selbst nicht offen legt, ob er der Ansicht ist, aus Rechtsgründen der EMRK und der diesbezüglichen Spruchpraxis des EuGHMR folgen zu müssen oder nicht. Die in jüngerer Zeit in der Tat zu beobachtende wachsende Bezugnahme auf Judikate des Straßburger Gerichtshofs entbindet jedenfalls nicht von einer eigenen Stellungnahme, zumal eine solche Bezugnahme auch aus Gründen der Einfachheit erfolgen könnte, macht sie doch unter Umständen eine mühsame Grundrechts-Recherche in den mitgliedstaatlichen Verfassungsordnungen entbehrlich: 271 (a) Keine direkte Bindung der EU an die EMRK Die neuerdings in Art. F 1/ EUV272 enthaltene direkte Inbezugnahme auf die EMRK273 ändert an der bestehenden Rechtslage (und an dem schon Dass der EuGH die EMRK-Garantien jedf. "im Ergebnis als solche" anwendet, bemerkt Kälin, EWR-Abk., S. 657. Kälin plädiert immerhin f. eine direkte Anwendung d. EMRK durch EFTA-Überwachungsbeh. u. -GH (664 f., 666), u.a. desh., weil "[e]ine Berücksichtigung der EMRK im Rahmen allgemeiner Rechtsgrundsätze ... , wie die Praxis des EuGH belegt, letztlich dazu [tendiert], die Menschenrechtskonvention zwar anzurufen und ihre Geltung zu bekräftigen, ihre Verletzung aber bereits nach rudimentärer Prüfung zu verneinen". Vgl.a. noch ausf. Jacque, in: Macdonald u. a., S. 889 ff. 26 8 So Kühling, EuGRZ 1997, 297 Sp. 2. 269 v. Danwitz, S. 63 f. (64), 100 These 11.1. 270 So jüngst Holoubek, GRschutz, S. 77. 271 Das dies ein nicht zu unterschätzender - prakt. - Vorteil d. vorrangigen Heranziehung d. EMRK darstellt, ist ber. erwähnt worden, s.o.u. Einl., A.III. Ebenso Holoubek, GRschutz, S. 77. 272 Art. 6 n.Z. 273 Die nach Kokott, AöR 121 (1996), 603, eine direkte Anwendung d. EMRK im GemR "abstützen" könne. Ebenso Gaja, 33 CML Rev. 1996, 985 ff. (insbes. 986) m. w. N., der im Fall eines Beitritts zudem keine Änderung d. ber. bestehenden Bindung annimmt, sondern - als bloß prakt. Konsequenz - ledl. erwartet, dass der
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sehr alten Streit274 um die direkte oder rechtsgrundsätzliche Anwendbarkeit275 der EMRK im Gemeinschaftsrecht) jedenfalls nichts?76 Sie stellt nur eine Art Kodifizierung 277 der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH EuGH d. Rspr.d. EuGHMR dann (noch) größere Aufmerksamkeit spendet (987). A.A. Toth, 34 CML Rev. 1997, 494. 274 Mitauslöser u. Hauptvertr.d. sog. "Hypothekentheorie" ist v. a. Pescatore, in: Mosler u. a., S. 70 ff. ("Substitutions- und Sukzessionseffekt"), d.d. EMRK aber f. die inhaltl. GRprobl. i.d. Gern. wenig Bedeutung zumisst (S. 72, 75); ders., EuGRZ 1978,442 f.; ders., in: Matscher/Petzold, Wiarda-FS, S. 450 f., m.w.N. S.a. S~ren sen, EuGRZ 1978, 34 Sp. 1; Dauses, JöR N.F. 31 (1982), 16; Sommermann, S. 290 f. Die These soll nach Baumgartner, ZfV 1996, 319 Fn. 6, in Rspr. u. h.M. o. Anerkennung geblieben sein; vgl.d.a. Rengeling, EuR 1979, 127 ff.; Lawson, in: ders./de Blois, Schermers-FS III, S. 232 f.; Scudiero, RivDE XXXVI (1996), 290 f.; Ress, in: Haller u. a., Winkler-FS, S. 921 f.; W. Weif3, S. 79 ff., jew.m. w. N. Auf sie ist hier a. nicht mehr näher einzugehen. Zur "Hypothekentheorie" vgl. aber neuerdings wieder Dauses, EuZW 1995, 430 ("nach dem Substitutionsprinzip ... in ihren einschlägigen materiellrechtlichen Vorschriften bereits de lege lata . . . unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht", Sp. 2); R. Bernhardt, in: Due u. a., Everling-FS I, S. 107, der immerhin eine erneute u. verstärkte Prüfung dieser "Mindermeinung" empfiehlt u. sogar die - nicht weiter vertiefte - Frage aufwirft, "ob nicht die Kontrollbefugnisse der Straßburger Organe schon de lege lata auf Gemeinschaftsaktivitäten zu erstrecken sind" (H.i.O.); Sommermann, a. a. 0. 275 Auf eine - a. sprach!. - Diff. zw. unmittelbarer Geltung u. unmittelbarer Anwendbarkeit d. EMRK im GemR drängend Baumgartner, ZfV 1996, 319 f. - s. demggü. die Grenzen selbst verwischend 322 Sp. 1, wenn er ausführt, dass die EMRK ,_,_praktisch als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts ausgeführt wird" (ähnl. ders., ZOR 54 [1999], 128). 276 So a. Petersen, S. 172; W. WeifJ, S. 109 ff.; CKS-D. Sirnon Art. F Rn. 11; Rickert, S. 47; Lehr, S. 420 f.; Pauly, EuR 1998, 253; Uwer, S. 395 ff., jew.m. w. N. A.A. wohl Gaja, 33 CML Rev. 1996, 986; Kugelmann, S. 27, 51 -anders aber offb. S. 43: "Die Organe der Gemeinschaft und der Union insgesamt sind nicht an die EMRK gebunden", jew.m.w.N. F. Baumgartner, ZfV 1996, 323 ff., besteht die dogm. Veränderung d. Grdl.d. gern!. GRschutzes immerhin darin, dass der EuGH nunmehr verpflichtet sei, die GRe d. EMRK zu beachten (324): "Es ist ihm nunmehr primärrechtlich verwehrt, einzelnen Konventionsrechten nicht die Stellung als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zukommen zu lassen" (Sp. 2). Gleichwohl bleibe es bei der rechtsgrds. Anwendung. Keine Beachtenspflicht bestehe überdies bei denjenigen ZP, die nicht v. allen MS ratifiziert worden seien. Nach Zeder, ÖJZ 1996, 122 f., sollen GRe "im Anwendungsbereich" d. Art. F /1 EUV "nicht nur über den Umweg der allgemeinen Rechtsgrundsätze" gelten (121 Sp. 2), während f. den EGV alles beim Alten bleibe. Diese Diff. (unmittelbare bzw. rechtsgrds. Geltung) ist anges.d. "Tempel"-Konstruktion der EU nicht einsichtig- a. aus Art. L od. M EUV (Art. 46, 47 n.Z.) folgt insow. nichts anderes. Eine "materielle Bindung" annehmend jüngst Jürgensen, S. 170. 277 Zur bloßen Bekräftigung seiner st. Rspr. durch Art. F ll EUV (u. durch die Präambel zur EEA) s. nur EuGHE 1995, 1-4921, 5065 Rn. 79 (Bosman). S. aber a. Griller, 12. ÖJT, 112, S. 20 f., der Art. F ll EUV "als Sitz der primärrechtlichen Verankerung des Grundrechtsschutzes" i.d. EU u. in den drei Gern. ansieht, hinsl. letzterer "zumindest klarstellend neben der Verankerung dieses Schutzes in den all-
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dar, indem sie auf die EMRK und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten "als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts" verweist. 278 Im Übrigen unterlag die Anwendung dieser Bestimmung ausweislich des Art. L EUV279 bislang nicht der Gerichtsbarkeit des EuGH, was bei der Auslegung auch heute noch Berücksichtigung finden muss. 280 Ein "grundrechtlicher Quantensprung" war bzw. ist damit also trotz der rechtlich verbindlichen vertraglichen Verbriefung 281 nicht verbunden.Z82 Eine direkte Bindung der EU an die EMRK besteht damit nicht. 283 Allerdings bleibt die Bindung der Mitgliedstaaten an die Konvention in gewissen Grenzen bestehen. Zudem können die EMRK-Garantien das Gemeinschaftsrecht auch auf andere Art und Weise (grundrechtlich) effektuieren. Umgekehrt kann das Gemeinschaftsrecht schließlich zur einer (vor-) rangmäßigen Effektuierung der Konventionsrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze in allen Mitglied- und Vertragsstaaten beitragen. 284 Hierauf soll im folgenden kurz eingegangen werden:
gemeinen Rechtsgrundsätzen" (20). Ähnl. Kugelmann, S. 27, 51 -anders aber offb.
s. 43.
278 Als "weitere Rechtserkenntnisquelle" f. den EuGH sieht Chwolik-LLmfennann, ZRP 1995, 127 Sp. 2, Art. F II EUV an. Das wird der vertragl. Positivierung nicht gerecht. 279 Art. 46 n.Z. 280 Krit. zu dieser "justiziellen Immunität im intergouvernementalen Bereich" Middeke!P. Szczekalla, JZ 1993, 291 f.; Rengeling/P. Szczekalla, in: Due u.a., Everling-FS li, S. 1188 f.; GTE-V-Degen Art. K.2 EUV Rn. I ff. Frowein, 5. Symposion, S. 86, vermutet einen "in der Eile begangene[n] Redaktionsfehler". Nach Griller, 12. ÖJT, 1/2, S. 21 f., kann die Vorschr. gleichwohl v. EuGH zur Herleitung d. GRschutzes in den drei Gern. herangezogen werden. Ähnl. Reich, (1997) 3 ELJ 135 f.; Kugelmann, S. 27, 51; Pauly, EuR 1998, 251 f. A.A. Toth, 34 CML Rev. 1997, 494, f. den Art. F /1, 1.1 /1, K.2 1 EUV wg. Art. L EUV "are nothing but embellishments on the Treaty, with no real legal effect". Zur Einschränkung d. bisherigen Restriktionen d. Art. L EUV durch den AV (=Art. 46 n.Z.), wonach sich die Gerichsbarkeit d. EuGH nunmehr ausdr. a. auf die in Art. F II EUV (= Art. 6 II n.Z.) gen. GRe erstrecken wird, s. nur Hilf, integration 1997, 248; dens., EuR 1997, 354 f.; dens./Pache, NJW 1998, 711 Sp. I; Langrish, (1998) 23 E.L.Rev. 14; Besselink, 35 CML Rev. 1998, 629 f. m.Fn. 1; Hirsch, in: Kreuzer u.a., GRschutz, S. 14; E. Klein, ebd., S. 52; Duvigneau, LIEI 1998/2, 91. 281 Chwolik-Lanfennann, ZRP 1995, 127 Sp. 2; Pauly, EuR 1998, 251 f. 282 Vgl. Everling, ZfRV 1992, 249. 283 Vgl. nur Kingreen/Stönner, EuR 1998, 272. S. a. Temple Lang, (1997) 22 E.L.Rev. 10, der aber auf die geringen Unterschiede i.d. prakt. Rechtsanwendung hinweist. V. einer internen Verbindlichkeit aufgr. einseitiger Erkl. geht etwa E. Klein, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 52, aus. 284 Ausf. zu den vielfältigen Wechselbeziehungen jüngst Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 655, 729 ff., m.z.N.
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(b) Völkerrechtliche Residualverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten Die Mitgliedstaaten bleiben -jedenfalls im Grundsatz - weiterhin völkerrechtlich für die Einhaltung der Garantien der EMRK verantwortlich, wenn auch eine gegen sie285 gerichtete Menschenrechtsbeschwerde wegen der Anwendung zwingender Vorgaben des EG-Rechts derzeit unzulässig sein sollte? 86 Schon dieser Umstand entschärft die Bindungs-Problematik in der Praxis erheblich, wenngleich die KomMR in jüngerer Zeit - allerdings in anderem Zusammenhang - die Bindung der Mitgliedstaaten an die EMRK bei Abschluss völkerrechtlicher Vereinbarungen deutlicher akzentuiert hat. 287 Im Regelfall wird die Frage einer kollektiven Verantwortlichkeit indes - soweit irgend möglich - offen gelassen. 288 285 Gg. die EG selbst ist sie ohnehin - ratione personae - unzul., s. nur KomMR, DR 13, 231, 235/240 (CFDT/EG u.a.)- Organzusammensetzung = EuGRZ 1979, 431 f.; 64, 138, 1441152 (M. & Co./D)- "Solange-li" (Melchers); abw.Mein. Weitzel u.a. zu KomMR, Ber.v. 29.10.1997-24833/94 (Matthews/VK)- n.n.a.v., S. 19, 23 ff. § 3 (24) - WahlR zum EP in Gibraltar (ebenso der EuGHMR [GrK] in diesem Fall, U.v. 18.2.1999, § 32 = EuGRZ 1999, 200 = JBI. 1999, 590 = EuZW 1999,308, m.Anm. C. Lenz, ibid., 311 = 36 CML Rev 1999,673 [Schermers] = JK 99, EMRK, Art. 3 1. ZP/2 {Ehlers]). F. das EPA KomMR, DR 76-A, 125 (Heinz/ VS d. EPÜ) - EPA-1 (Erneuerungs- und zusätzl. Gebühr); KomMR, ZE v. 12.4.1996-27410/95 (Reber u.a./D)- n.v., S. 3 ff.- EPA-lll (Wiedereinsetzung); vgl.a. KomMR, ZE v. 12.4.1996- 26991195 (Van der Peet/D)- n.v., S. 3 f. (4)EPA-11 (Urlaubs- u. Beförderungsablehnung). S. aber neuerdings die Frage einer "kollektive[n] oder gar individuelle[n] Verantwortlichkeit für etwaige Grundrechtsverletzungen" aufwerfend R. Bernhardt, in: Due u. a., Everling-FS I, S. 107 ("schon de lege lata" - [nur] aus Gründen d. Rechtssicherheit aber eine vertragl. Lösung f. besser haltend, H.i.O.). 286 S. Lawson, in: ders./de Blois, Schermers-FS III, S. 230; Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 15 f. Aus der Rspr. s. nur KomMR, DR 64, 138, 144 f./152 f. (M. & Co./D): Die Verantwortung d. VS f. die Akte ihrer Organe nach der EMRK bestehe unabhängig davon, ob diese eine Konsequenz des nat. Rechts od. intemat. Verpflichtungen seien. Allerd. sei die Übertragung von Hoheitsgewalt auf intemat. Organisationen mit der EMRK vereinbar, vorausgesetzt, dass die GRe innerhalb dieser Organisation einen äquivalenten Schutz erführen, was f. die Eur. Gern. zutreffe. Umf. zur Prob!. Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 836 ff. Damit hat die KomMR i.Ü., um den sprach!. Gleichklang d. Entscheidungsbezeichnungen herzustellen, die KonventionsRspr. sofort mit einer "Solange-li" Entsch. bereichert, s. nur Kälin, EWR-Abk., S. 663, sowie Griller, 12. ÖJT, 112, S. 74, der dieser Rspr. i.Ü. krit. ggü. steht (Fn. 291), weil die KomMR den Schutzanspr. d. EMRK dadurch reduziere. Jedf. bestehe keine pauschale Exemtion. Ähnl. Ress, in: Haller u.a., Winkler-FS, S. 919 ff.; Besselink, 35 CML Rev. 1998, 655 f. Positiver die Einschätzung v. Kugelmann, S. 52 f.; Chaltiel, RMC 1997, 38 f. F. eine grds. Zu!. einer menschenrechtl. Beschw. bei staatl. Handeln auf der Grdl.v. GemR a. R. Bernhardt, in: Due u.a., Everling-FS I, S. 105: Die staatl. Akte "dürften" in Straßburg überprüfbar sein. 287 ZE v. 24.2.1997- 26083/94 (Waite u. Kennedy/D)- n.n.v.- ESA (AÜG)-1, sowie 28934/95 (Beer u. Regan/D) - n.n.v. - ESA (AÜG)-ll. Vgl.d. a. Ress (vor.Fn.), S. 920 f., m.d.H.d., dass hierin ein Abrücken d. KomMR v. ihrer "- un-
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(c) Zulässigkeit einer Menschenrechtsbeschwerde bei mitgliedstaatlichem Spielraum Hinzu kommt, dass eine Menschenrechtsbeschwerde gerade dann nicht unzulässig ist, 289 wenn den Mitgliedstaaten bei der Anwendung des EG-Rechts ein Spielraum zukommt. 29 Ferner hat der EuGHMR kürzlich entschieden, dass der bloße Umstand, dass ein nationales Gesetz fast wörtlich auf eine EG-Richtlinie gestützt ist, nicht zu einer Freistellung des betroffenen Vertrags- und Mitgliedstaats von den EMRK-Garantien führen kann. 291 Ob daraus schon abgeleitet werden kann, dass der Straßburger Gerichtshof in jedem Fall mitgliedstaatliche Umsetzungsakte einer Kontrolle
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richtigen - Auffassung" im Melchers-Fall vorliege, derzufolge eine Beschw. ratione materiae unzul. sein soll(t)e. Zur Bindung d. MS an die EMRK i. R.d. JIZA s. etwa GTE-V-Degen Art. K.2 EUV Rn. I a. E., u.H.a. Middeke/P. Szczekalla, JZ 1993, 291. Bes.deutl.zul. etwa a. abw.Mein. Schermers zu KomMR (Fn. 285- Matthews), S. 27 a.E. Die Kom.-Rspr. zusf. jüngst ders., 36 CML Rev 1999, 679. Die KomMR hat in den beiden ESA-Fällen indes inzw. mit knapper 17:15-Mehrheit eine Verletzung v. Art. 6 I EMRK vem., s.d. die B.v. 2.12.1997, EuGRZ 1998, 480 ff. (vgl.a. noch die [Un-] ZE v. 9.9.1998 [1. K] - 38817/97 [Lensing AGIVK] - n.n.v. EPA-IV [Patentwiderspruch-I]; 39025/97 [Lensing AG/D] - n.n.v. - EPA-V [Patentwiderspruch-1/], jew.m.d. Feststellung einer Schutz-Äquivalenz). Der EuGHMR hat inzw. est. ebenso entsch., s. die U.v. 18.2.1999, §§54 ff. u. §§ 44 ff., EuGRZ 1999, 207 = NJW 1999, 1173 = NVwZ 1999, 517 L = ÖJZ 1999, 776 (Waite u. Kennedy). Anders als die KomMR kam er (GrK) indes im Gibraltar-Fall (Fn. 285) mit 15 zu 2 Stimmen zu einer Verletzung d. Art. 3 1. ZP EMRK. 288 So zuletzt etwa KomMR, ZE v. 22.10.1998 (1. K)- 32384/96 (Garzilli/MS d. EU)- n.n.v. - Teilnahme am Concours, betr. Art. 6 I EMRK u. den Zugang zum eur. öffentl. Dienst. 289 Vgl.d. etwa KomMR (1. K), ZE v. 4.9.1996- 27026/95 (Zacher/D) -Milchquoten-Transfer nach Zwangsversteigerung; ZE (1. K) v. 4.9.1996 - 30032/96 (Zacher/D) - Milchquoten-Transfer nach Pachtbeendigung, jew. n.n.v. Ebenso ber. KomMR, DR 75, 5 ff. (PROCOLA) - Milchquoten. Zur "doppelten Bindung" d. Gesetzgebers bei der Umsetzung v. GemR (hier: Bindung an die Art. 8 i. V. m. Art. 14 EMRK als äst. Bundesverfassungsrecht) vgl.a. ästVfGH, EuGRZ 1997, 362, 363 Sp. 2 § 2.3. IV - Unzulässige Diskriminierung äst. Staatsbürger ggü. anderen EWR-Bürgern. F. das EPÜ gilt insow. etwas anderes, als es hier regelm. überhaupt keine Basis f. einen solchen Spielraum gibt, was das Verf.d. EPA i.B.a. die (außenwirksame) Patenterteilung bzw. die internen Personalstreitigkeiten anbelangt, s. KomMR (Fn. 285), Reber u.a. bzw. Van der Peet. Die erstgen. Entsch. macht das bestehende Dilemma bes. deutl.: Zur Vermeidung d. Verdikts d. Unzul. ratione personae hatten die Bf. ihre Beschw. nur gg. D gerichtet. Die KomMR prüft gleichwohl d.S.n. eine Beschw. gg. das EPA (S. 3 f.), um festzustellen, dass diese rationae personae unzul. ist - obwohl sie a. gar nicht eingelegt worden war! In einem folgenden kurzen Absatz wird sodann ledl. festgestellt, dass die Abweisung d. Vb. durch das BVerfG i.d. frag!. Angelegenheit keine Verletzung d. EMRK deutl. werden lasse (S. 5). S. nunmehr aber a.- wes!. ausführ!. - die beiden (Un-) ZE in Sachen Lensing AG (Fn. 287), jew.m.d. Feststellung einer Schutz-Äquivalenz. 290 Vgl. etwa Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 731.
A. Grundrechte im europäischen Recht
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unterziehen wird, also auch dann, wenn kein Spielraum besteht, ist allerdings fraglich. 292 Im insoweit jüngsten Fall ging es nämlich "nur" um die Anforderungen an eine dem Bestimmtheilsgebot des Art. 7 I EMRK entsprechende Richtlinienumsetzung. Hier dürfte es der Mitgliedstaat in der Hand haben, - zumal bei (nicht notwendig gebotener) strafrechtlicher Bewehrung der Umsetzungsvorschriften - diese hinreichend bestimmt abzufassen. Das Gemeinschaftsrecht dürfte dem insoweit nicht entgegenstehen?93 Der Umstand, dass der EuGHMR hier gerade nicht differenziert hat, lässt weitergehende Schlussfolgerungen allerdings zur Zeit noch nicht zu?94 Das (z. T. eher informelle) Zusammenspiel der verschiedenen Organe wird im Übrigen an der mitunter vorkommenden Praxis deutlich, dass der Petitionsausschuss des EP Petitionen, zu deren Beantwortung er sich als nicht zuständig ansieht, mit Zustimmung des jeweiligen Petenten an die KomMR bzw. den EuGHMR 295 verweist, den Petenten zumindest aber bittet, sich selbst an den Gerichtshof zu wenden?96 Gleiches gilt offenbar auch für den Europäischen Bürgerbeauftragten. 297 Jedenfalls sind Beschwerden nicht deshalb von vornherein unzulässig, weil das gemeinschaftliche Rechtsschutzsystem mit dem EuGH an der Spitze unter die Vorschrift des Art. 27 I fit. b EMRK298 zu subsumieren wäre. 299 Denn beim EuGH handelt es sich zumindeseoo um eine Universalund nicht um eine grundrechtliche Spezialgerichtsbarkeit. 291 EuGHMRE 1996, 1614, 1628 § 30 (Cantoni/F) - Arzneimittelverkauf im Supermarkt= ÖJZ 1997, 579 = EuGRZ 1999, 193 m.krit.Anm. Wink/er, ebd., 181 ff., betr. Art. 7 EMRK. Demggü. hatte die frzReg. geltend gemacht, dass ein Verstoß d. frz. Gesetzes gg. diese Vorschrift a. die entspr. Richtlinienbestimmung infizieren müsste (a. a. 0., 1627 § 28 II a. E.). Hier ging es indes nicht um zwingende Vorgaben d. GemR im gen. Sinne, u. eine Verletzung d. Vorschr. wurde i. E. verneint, so dass es insow. nicht zum "Schwur" kam. Vgl.d.ber. EUDUR-P. Szczekalla I § II Rn. 10, 41 f.; § 12 Rn. 12, m. w. N. 292 So interpretieren aber C. Lenz, EuZW 1999, 312, u. Winkler, EuGRZ 1999, 182, die CantoniE. 293 S.d.a. den Ber.d. Korn. zum Cantoni-Fan v. 12.4.1995, §56. 294 A.A. Wink/er, ebd., der insow. aber im Spekulativen bleibt. 295 S. Nr. 16 d. Ber. über die Beratungen d. Petitionsausschusses i.d. Sitzungsperiode 1996-1997 v. 28.5.1997- A4-0190/97, PE 221.940/end- Petitionsber. 1996/ 97. Umgekehrt hat die KomMR jüngst die prozessuale Frage offen gelassen, ob der Aussch. eine Ausgleichsinstanz i. S. v. Art. 27 I lit. b EMRK ( = Art. 35 II lit. b EMRK i.d.F.d. 11. ZP) ist, s. ZE v. 4.7.1997 (1. K)- 19734/92 (F.S./It.)- n.n.v., s. 15 § 1. 29 6 Zu!. etwa ABI. C Nr. 128 v. 7.5.1999, 3; 153 v. 1.6.1999, 4. 297 S. dens., Jahresber. 1997, S. 35 =ABI. C 380 v. 7.12.1998, 17 Sp. 1. 298 Art. 36 II lit. b EMRK i. d. F.d. 1 I. ZP ("andere internationale Untersuchungsund Ausgleichsinstanz"). 299 Vgl.d. Besselink, 35 CML Rev. 1998, 654 f. m.Fn. 34 u. w.N.
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
(d) EG-(Grund-)Rechtseffektuierung durch die EMRK Abschließend soll an dieser Stelle anhand einiger ausgewählter und aussagekräftiger Beispiele301 noch kurz auf (prozessuale und materielle) Möglichkeiten einer EG-Grundrechts- und Grundfreiheitseffektuierung durch die EMRK-Garantien hingewiesen werden, die bisher noch nicht hinreichend ausgelotet sind, das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen EG-Recht und EuGH auf der einen und Konvention und EuGHMR auf der anderen Seite jedoch aus einer anderen Perspektive erhellen und so die Rangfrage besser verstehen helfen können: (aa) Prozessual (Vorabentscheidungsverfahren und fair trial-Gebot aus Art. 6 I 1 EMRK) So kann die EMRK die Anwendung des Gemeinschaftsrechts (einschließlich seiner Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze) auch prozessual effektuieren, 302 wenn eine Nichtvorlage entgegen Art. 177 III EGV303 als Verstoß gegen das fair trial-Gebot aus Art. 6 I 1 EMRK angesehen wird. 304 Aus dieser Vorschrift kann in diesem Zusammenhang u. U. 300
an.
Auf die umstr. bes. Qualität d. GemR als aliud zum VR kommt es desh. nicht
301 Zu weiteren aus dem Ber.d. Arbeitnehmerfreizügigkeit s. nur Moore, 35 CML Rev. 1998, 456 f., m. w.N. Allg. Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 9, 13 Sp. 1, m. w.N. Restr. i.H.a. Art. 2 1. ZP EMRK u. Art. 14 EMRK KomMR, ZE v. 20.5.1998 (l. K) - 29043/95 (Karus/lt.) - n.n.v., S. 3 ff. - Nichtanerkennung v. ausl. Studienleistungen u. ungleiche Studiengebühren. 302 Vgl. nur Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 732 m.w.N. 303 Art. 234 n.Z. 304 Baumgartner, S. 330 ff.; Sudre, L.S.J. (J.C.P.) 1998, 9, 15 f.. Zu dieser Möglichkeit - allerd. nur bei Vorliegen v. Willkür - KomMR, DR 75, 39, 47 f./55 f. (F.S. u. N.S./F)- Straßburger Flohmarkt. Dazu, dass a. Rechte aus einer supra- od. intemat. Rechtsordnung zivrl. Anspr. i. S. v. Art. 6 I EMRK darstellen, zust.Mein. De Meyer zu EuGHMRE 1997, 1149, 1165, 1165 f. § 1 a.E. (Gustafson/S)- Opferentschädigung. Das entspricht dem Willkür- bzw. Evidenzkriterium d. BVerfG bei der Prüfung einer Verletzung d. Art. 101 I 2 GG durch Nichtvorlage, seit BVerfGE 73, 339, 366 ff., st. Rspr., s. etwa BVerfGE 75, 223, 233 f.; 82, 159, 195 f.- Absatifonds-11; NJW 1993, 2017, 2017 f.- Vorlagepflicht bei Nichtannahme d. Revision (Gewinnspiel u. "Willkommensgeschenk"); NVwZ 1997, 159, 160 Sp. 1; 481 - Ausn.v. UVP-Pflicht; 573, 575 f.; EuZW 1997, 575, 576 - Nichtbeachtung d. "Christel Schmidt"-Rspr. (wo eine K. trotzVorliegen eines Verstoßes gg. Art. 101 I 2 GG die Annahme d. Vb. gleichwohl gern. Art. 93a II BVerfGG ablehnte). Zu!. etwa BVerfG, WM 1998, 1554, 1557 - Metro-li/; EuGRZ 1998, 537, 538 f. -Art. 119 EGV u. "Barber"-Prot. Eine ebensolche Willkürprüfung unter Offenhalten der Frage, ob der EuGH gesl. Richter i. S. d. Vorschr. sei, haben her. vorgenommen BVerfGE 29, 198, 207 ff. - Verweisung auf EG-Recht-1; 213, 219 ff. - Verweisung auf EG-Recht-11.
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auch eine Pflicht schon der mitgliedstaatliehen Instanzgerichte zur Vorlage an den EuGH folgen, wenn man das Gebot der Vermeidung einer überlangen Veifahrensdauer305 ernst nimmt. Daran ändert auch die - zutreffende Ansicht der KomMR nichts, die davon ausgeht, dass die EMRK nicht ein Recht auf Vorabentscheidung als solches enthalte, 306 und die meint, dass sie genauso wenig die richtige Anwendung von EG-Richtlinien durch die nationalen Gerichte überprüfen könne, wie dies auch sonst und allgemein bei tatsächlichen oder Rechtsfehlern nationaler Gerichte in Bezug auf nationales Recht der Fall sei, es sei denn, solche Fehler deuteten auf eine mögliche Verletzung von Konventionsrechten hin. 307 Denn dabei handelt es sich "nur" um allgemeine Beschränkungen des Prüfungsumfangs bzw. der Kontrolldichte308 einer (internationalen) grundrechtliehen (Spezial-) Gerichtsbarkeit. Ginge die KomMR bei der Anwendung europarechtlich induzierten Rechts durch nationale Gerichte anders, d. h. strenger oder aber weniger streng vor als bei rein nationalen Sachverhalten, so resultierte daraus ein Widerspruch zum aus der EuCH-Rechtsprechung bekannten Nichtdiskriminierungsgebot. 309 Schon gar nicht entbindet die (mögliche) Pflicht zur S.a. noch BVerfGE 31, 145, 169- Umsatzausgleichssteuer. Zur Bedeutung d. Art. 6 I EMRK f. einen "gemeineuropäischen Grundrechtsschutz" a. i.H.a. das BVerfG s. Ende, KritV 1996, 371 ff. (374 ff.). Zur EuGH-intemen Prob!. d. gesl. Richters anges.d. Überbesetzung d. Kammern s. P. Szczekalla, EuZW 1995, 671 f. m. w.N. Zur Geltung d. Vorlagepflicht a. f. msl. Verfassungsger. s. jüngst hessStGH, EuGRZ 1997, 213, 213 Ls. 1, 215 Sp. 1 a.E. (Rs. C-158/97 [Badeck u.a./Hess. MP, Landesanwalt beim StGH d. Landes Hessen], TB Nr. 16/97, 2.-16.6.1997, 26 - f. ein Normenkontrollverf. - krit.d. Störmer, NJ 1998, 341, der indes übersieht, dass sog. Europaklauseln in Landesverf. zur Vorlageberechtigung u. damit a. zur -pjlicht führen können - ein Weg, der zugegebenermaßen v. hessStGH nicht gewählt worden ist); östVfGH, EuGRZ 1999, 352, 354 Sp. 2 - Tourismusförderungsbeitrag (grds.Best.d. Vorlagepflicht); 365, 367 Sp. 2 - Erstattung v. Energieabgaben als Beihilfe, m.red.Anm., ebd. (erste Vorlage eines eur. Verfassungsger. [Rs. C-143/99 {Adria-Wien Pipeline GmbH u. Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke GmbH/Finanzlandesdirektion Kärnten}, ABI. C 188 v. 3.7.1999, 18 =TB Nr. 19/99, 28.6.2.7.1999, 23 f.]). Krit. zur (fehlenden Vorlage-) Praxis d. BVerfG Stein, EuR 1997, 171 ff. S. aber a. KomMR, ZE v. 13.1.1997 - 28979/95 u. 30343/96 (Adams u. Benn/VK) - n.n.v., S. 10- Einreiseverbot-1; 12.9.1997 - 24889/94 (McCullough/ VK)- n.n.v., S. 9 f. § 2- Einreiseverhot-li- N.d.u.u. VI.l.b)cc). 305 Vgl.d. nur v. Danwitz, S. 79 f., m.w.N., der insow. von einer "kritischen Frist von 10 Jahren" ausgeht (80). 306 S. nur KomMR, DR 74, 274, 274 Ls. (Divagsa Company/SP) - Kein Recht auf Vorabentsch. gern. Art. 177 EGV aus Art. 6 I EMRK; 75, 39, 47 f./55 f. (F.S. u. N.S./F); ZE v. 20.5.1998 (2. K)- 34325/96 (J.J.W.M. Mens u. P.P.M. Mens-Hoek) - n.n.v., S. 7 § 2 - Deichverstärkung-li (Deltaweg Grate Revieren - Deich im Garten). 307 S. wiederum KomMR (vor.Fn., a.E.), S. 6 f. § 2. 308 N.d.s. u.u.V.l.j). 309 Zu!. etwa EuGHE 1997, I-6783, 6836 ff. Rn. 39 ff. (6836 Rn. 39, 6839 Rn. 47), m. w. N. (Fantask AIS u. a./Industrieministeriet [Erhvervsministeriet]) -
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
amtswegigen Vorlage nationaler Gerichte die Beschwerdeführer im EMRK- Verfahren von ihrer Obliegenheit zur Rüge einer Nichtvorlage bzw. von der Stellung eines diesbezüglichen Antrags im nationalen Gerichtsverfahren. In Ermangelung einer solchen Rüge bzw. eines solchen Antrags fehlt es nämlich an der erforderlichen Rechtswegerschöpfung i. S. v. Art. 26 EMRK. 310 Nicht verschwiegen werden soll indes, dass das Vorlageverfahren im Einzelfall nicht nur zu einer Effektuierung von EMRK-Garantien führen muss. So kann es infolge der "immanenten Zwänge" der Verfahren vor EuGH und EuG, insbes. der Notwendigkeit der Veröffentlichung der Urteile in den (allen) Amtssprachen, dazu kommen, dass sich das Verfahren verzögert?'' Solche Verzögerungen sind aber notgedrungen hinzunehmen? 12 Das ändert indes nichts daran, dass die institutionellen Gemeinschaftsgerichte selbst an Art. 6 I EMRK (als allgemeinen Rechtsgrundsatz) gebunden sind. Diese Bindung kann zwar nicht im Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH selbst sanktioniert werden (es sei denn man konstruiert eine Art - ungeschriebener - Verfahrensverzögerungsbeschwerde), wohl aber im Rahmen sonstiger Klagen im Wege des Rechtsmittelverfahrens vom EuG zum EuGH. Dies ist jüngst gerade erst einmal praktisch geworden? 13 (bb) Materiell (Art. 16 EMRK und Gesetzesvorbehalte) Darüber hinaus beschränkt der Status der Unionsbürgerschaft den Spielraum der Staaten, die die EMRK ratifiziert haben und Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sind: Das hat der EuGHMR kürzlich der Sache nach im Hinblick auf den eigenständigen Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in Art. 10, 11 und 14 EMRK, Art. 16 EMRK, entschieden, demzufolge keine der genannten Bestimmungen so ausgelegt werden darf, dass sie den Hohen Vertragsschließenden Partein verbietet, die politische Tätigkeit von "Ausländern" Beschränkungen zu unterwerfen? 14 Gernwidrige Abgabe f Gesellschaftseintragung u. nat. Verjährungsvorschr. I.Z.m. einem - schutzpflichtrel. - Opferentschädigungsanspr. s.a. EuGHE 1989, 195, 221 Rn. 17 (Cowan/Tresor public ). Aus der Lit. vgl. etwa Gellermann!P. Szczekalla, NuR 1993, 56 f.; Deckert, EuR 1997, 212 ("Mindeststandardgebot (Diskrirninierungsverbot; Meistbegünstigungsregel; Prinzip des nationalen Mindeststandards)"). Ausdr. best. in Erkl. Nr. 1911 a.E. zum EUV. 310 :::::Art. 35 I EMRK i.d.F.d. 11. ZP. S. KomMR (Fn. 306 a.E.). 311 Vgl. EuGHE 1998, 1-8417, 8502 Rn. 43, 46 (Baustahlgewebe GmbH/Korn.). 312 Zu Probl.d. Verfahrenslänge s. jüngst a. Schermers, 36 CML Rev 1999, 674 m.w.N. 313 EuGH (Fn. 311 ). 314 EuGHMRE 314, 24 § 64 (Piermont/F)- Ausweisung u. Einreiseverweigerung einer MdEP aus/in Frz.-Polynesien u. Neukaledonien = ÖJZ 1995, 751. (Nur)
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Denkbar ist ferner, dass das "Band der Unionsbürgerschaft" auch bei der Auslegung der Gesetzesvorbehalte, insbes. der Art. 8 bis 10 EMRK, eine Rolle spielen kann, indem hier ein kommunitärer Standard zugrunde gelegt wird, der den im Einzelfall ansonsten möglicherweise weiten Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten beträchtlich verengen kann? 15 (cc) Wabirecht zum EP (Mittelbar) EG-rechtliche Relevanz kommt schließlich auch der Garantie des Art. 3 1. ZP EMRK insoweit zu, als sie einer mitgliedstaatlichen, aber durch einen EG-Rechtsakt vorgesehenen Beschränkung des Wahlrechts zum EP entgegensteht: Nachdem die KomMR eine diesbezügliche Beschwerde vor kurzem mehrheitlich für zulässig erklärt hatte, 316 hat sie zwar in ihrem Bericht die Frage verneint, ob das EP - insbes. nach und wegen Einführung des Mitentscheidungsverfahrens in Art. 189b EGV317 - als "gesetzgebende Körperschaft" ("legislature"/"corps legislative") i. S. v. Art. 3 1. ZP EMRK anzusehen ist, 318 weil die Bestimmung auf "non-national instituWg.d. Umstands, dass die GemVertr. zum fragl. Zeitpunkt (1986) noch keine Bestimmung über die Unionsbürgerschaft enthielten, stützte sich d. GH nur auf den Besitz d. Staatsangehörigkeit eines MS d. EG u. ihren Status als MdEP. Demggü. hatte die frzReg. u. a. geltend gemacht, dass sich die Meinungsäußerungen d. Bf. auf die territoriale Integrität d. "Gastlandes" u. auf die nat. Verteidigung bezogen hätten, Ber., die außerhalb d. Zust.d. Gern. lägen. Schließl. hätten sich die MS a. das Recht vorbehalten festzulegen, unter welchen Umständen die Staatsangehörigkeit erworben werden od. verloren gehen könne, weshalb jedermann, der nicht die Staatsangehörigkeit d. Staates besitze, in dem er seine nach Art. 10, 11 u. 14 EMRK garantierten Rechte auszuüben gedenke, als Ausländer anzusehen sei (a. a. 0., 23 f. § 61). Krit. zum Ausschluss d. Art. 16 die gem.teilw.abw.Mein. Ryssdal u.a., a. a. 0., 31 f. § 4, die eine fehlende Begr. u. die Kreation einer "neuen Immunität" im Wege einer "judicial action" rügen, die aber a. eine "zunehmende Internationalisierung der Politik in der Gegenwart" konstatieren u. deshalb das Prinzip aus Art. 16 i.R.v. Art. 10 11 EMRK berücksichtigen wollen (32 § 5). Zu dieser völlig "neuen Lesart" d. Art. 16 u. den Folgen i.H.a. Art. 14 EMRK s. nur Schlette, ERPL/ REDP 9 (1997), 2ll m. w. N., 235 ff. 315 In diese Richtung etwa Calliess, EuGRZ 1996, 295, 297 Sp. 2, 298 Sp. 2, der vorschlägt, bei d. Definition eines gern. eur. Standards auf das Recht der EU Bezug zu nehmen, so etwa i.H.a. das europarl. Leitbild v. "mündigen Verbraucher" (297 Sp. 2). Ähnl. Kugelmann, S. 50 f.; Kühling, EuGRZ 1997, 299 f. Zum "Verbraucherleitbild" d. EuGH (u. dessen integrationspoL Bedeutung) s. zul. etwa Ahlfeld, S. 121 ff., 126 ff.; EuGHE 1998, I-4657, 4691 Rn. 30 f., 4693 Rn. 37 (Gut Springenheide GmbH u. a./OKD Steinfurt - Amt f. Lebensmittelüberwachung) - "6-Korn - 10 frische Eier", jew.m.z.N. Näheres zum sog. margin of appreciation s. u.u. V.l.j). 316 KomMR, ZE v. 16.4.1996- 24833/94 (Matthews/VK). 317 Art. 251 n.Z. 318 KomMR (Fn. 285 - Matthews), §§ 54 ff., m. w. N. (§ 63 a. E.).
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
tions" gar nicht anwendbar sei. 319 Dem ist der EuGHMR in einem insoweit grundlegenden Urteil aber gerade nicht gefolgt. 320 Soweit das Wahlrecht als Schutz-Mittel gedeutet wird (Schutz durch Repräsentation), 321 kommt dieser Entscheidung auch schutzrechtliche Bedeutung zu? 22 Die Unionsbürger haben ein Recht auf Schutz, das auch im Wege der Repräsentation durch das EP wahrgenommen wird. 323 (e) Vorrang-Teilhabe und "gespaltener" Rang Über den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gewinnen schließlich und umgekehrt die EMRK-Garantien als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts eine gleichsam andere Qualität, indem sie an diesem Vorrang teilhaben 324 und sich deshalb auch in denjenigen Mitglied- und Vertragsstaaten durchzusetzen vermögen, die sie überhaupt nicht in das nationale Recht transformiert bzw. adoptiert haben 325 oder ihnen "nur" den Rang eines einfachen Gesetzes (mit gewissen Auslegungsbzw. Vermutungsregeln) zukommen lassen. 326 Ob sich auf die Dauer ein dadurch bewirkter gleichsam "gespaltener" Rang der EMRK in denjenigen mitgliedstaatliehen Verfassungsordnungen, in denen die Konvention - wie in der Bundesrepublik - keinen Verfassungsrang und also letztlich keinen Vorrang vor späteren Gesetzen hat 327 , 328 halten lassen wird, bleibt abzuwarten. 329 Jedenfalls ist schon heute mit einigem Recht bemerkt worden, dass die EMRK durch die Rechtsprechung der Straßburger Instanzen zu einer "gemeinsamen europäischen A.A. die ausf. (u. überzeugende) abw.Mein. v. Weitzel u. a., S. 19 ff. (insbes. f. § 2). 320 U.v. 18.2.1999 (GrK), §§ 30 ff. (insbes. §§ 32, 34, 51). 321 Zum Recht auf Schutz als Recht auf Repräsentation nach dt. Recht s. Robbers, Sicherheit, S. 160 ff. Zur Übertragung auf die EG Micklitz, S. 223 ff. 322 S.d.a.- i.Z.m.d. EMRK u. dem Minderheitenschutz- u.u. V.l.d)oo)(l). 323 Der Ansatz soll hier aber nicht weiter vertieft werden, weil aus ihm keine abw. Einsichten folgen. 324 So f. EMRK u. /PbürgR E. Klein, GRverständnis. 325 So i.H.a. die noch bestehende Rechtslage im VK etwa Lord lnglewood, in: Bieber u.a., S. 149 ff. Rn. 18 ff. 326 Zu diesem Aspekt einer "indirekten Verstärkung" vgl. nur Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 731 m. w. N. Vgl.a. - i.B.a. die dt. Rechtslage - Bleckmann, EuGRZ 1994, 149 ff., insbes. 152 ff. 327 Vgl.d. nur Micklitz/Weatherill, S. 522. 328 Es sei denn, man sieht die EMRK-Bestimmungen jew. als SpezialG an. 329 I.E. keine Probl. sieht insow. E. Klein (Fn. 324, Disk.) auf entspr. Nachfr.d. Verf. 319
s. 21
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,Bill of Rights'" geworden ist. 330 Das sollte sich über kurz oder lang auch auf ihren (Vor-) Rang auswirken. c) Veifassungen der Mitgliedstaaten Eine zweite (Haupt-) Rechtserkenntnisquelle stellen die Veifassungen der Mitgliedstaaten dar. 331 Entsprechend dem modellhaften Vorgehen 332 reicht es aus, wenn ein bestimmtes Grundrecht nur in einer oder wenigen Verfassungen der Mitgliedstaaten enthalten ist. Der EuGH hat bspw. zur Herleitung der gemeinschaftsgrundrechtliehen Eigentumsgarantie und ihrer Beschränkungen - neben Art. 1 1. ZP EMRK- nur auf die Verfassungsordnungen von drei Mitgliedstaaten abgestellt. 333 d) Sonstige Völkerrechtstexte aa) Überblick Darüber hinaus werden vom Gerichtshof auch sonstige (rechtsverbindliche) Völkerrechtstexte herangezogen: Insbes. völkerrechtliche Verträge, an denen alle Mitgliedstaaten beteiligt sind, dienen als Rechtserkenntnisquelle für die Ermittlung von Gemeinschaftsgrundrechten als allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Das gilt auf regionaler Ebene bspw. für die Europäische Sozialcharta (ESC/ 34 und auf internationaler Ebene für die beiden Men330 S. Ber.d. Expertengruppe "Grundrechte", S. 7, 24 - ebenso Gradin, S. 23 Sp. 2 ("de facto ... a Common European Bill of Rights"). 331 S.d. die Slg. in dt. Sprache v. Kimmez4 (1996), sowie die lfd. aktualisierten eng!. Übersetzungen im Internet unter "http:/ /www.uni-wuerzburg.de/law/ index.html" (dort a. weitere Verfassungen u. nähere Informationen). Eine ausgezeichnete Link-Slg. findet sich überdies unter "http://www.urich.edu/-jpjones/confinder/" - der "Constitution Finder", unterhalten v. Jon Paul Iones v.d. T.C. Williams School of Law, University of Richmond. "Verfassungsordnung" umfasst dabei u. U. aber a. einzelne sog. einfache Gesetze (s.d. W. Weij3, S. 25 f., 33), die GRrel. sind. 332 S.d.o.u. 3.d). 333 EuGHE 1979, 3727, 3746 f. Rn. 20 (Hauer/Land Rheinland-Pfalz): D, IR u. lt. 334 Zur ESC (u. zum Übereinkommen Nr. 111 d. IAO v. 25.6.1958 über die Diskriminierung in Beschäftigung u. Beruf) s. nur EuGHE 1978, 1365, 1379 Rn. 26/29 (Defrenne/Sabena) - Defrenne-111. Das EP fordert seit längerem a. einen Beitritt d. EG zur ESC, s. zu!. etwa Nr. 11 d. MRber. 1995 (Fn. 141), 31, 33. Bezugnahmen auf die ESC (sowie die GemCharta) finden sich nunmehr a. in den Bestimmungen v. EGV u. EUV i. d. F.d. AV, s. z. B. Abs. 4 d. Präambel zum EUV n. F., Art. 2, 117 I EGV (=Art. 136 I n.Z.). Vgl.d.a. Wachsmann, RTD eur. 33 (1997), 898 f. Spez. f. Diskriminierungen wg. Behinderung i.Z.m. Art. 6a EGV n. F. (= Art. 13 n.Z.) Whittle, (1998) 23 E.L.Rev. 56 m.Fn. 34 (zu Art. 26 ESC 1989). Zur Heranziehung d. ESC durch den EuGHMR s. etwa EuGHMRE 1996, 637, 656 §53 (Gustafsson/ 34 Szczekalla
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
schenrechtspakte335 der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1966336 als Konkretisierungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 337 sowie für Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAOy3 38?39 Dieser Rückgriff wird durch Art. F // EUV340 nicht abgeschnitten, weil dort nur der unabdingbare Kernbestand gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes angesprochen wird, dessen Fortentwicklung dem EuGH im Rahmen seines Rechtswahrungsauftrags aus Art. 164 EGV341 weiterhin anvertraut bleibt. 342
S) - Restaurantblockade u. -boykott-II = ÖJZ 1996, 869. Zu den Plänen d. PV d. ER, einen "Europäischen Sozialgerichtshof' mit Individualklagemöglichkeit einzuführen, s. NZZ Nr. 22 v. 18.1.1998, 8. 335 Zum /PbürgR s. nur EuGHE 1989, 3283, 3351 Rn. 31 - (Orkem/Kom.); 3355, 3356 Ls., Abs. 3 (Solvay & Ce); 1990, I-3763, 3800 Rn. 68 (Dzodzi/B); 1993, I-5683, 5711 Rn. 11 (Otto BV/Postbank BV). Restr.zul. aber i.H.a. MRA, V.v. 31.3.1994-488/1992 (Toonen/AUS)- insbes. § 8.7- Strafbarkeit d. Homosexualität, EuGH (Fn. 242), 650 f. Rn. 44 ff. Zur Heranziehung d. /PwirtR durch den EuGHMR s. etwa E 1996, 637, 656 § 53 (Gustafsson/S). Ausf. zum Beziehungsgeflecht zw. den versch. intemat. MRinstrumenten Tomuschat, in: Bieber u.a., S. 29 ff. (insbes. 41 ff.); Pappa, S. 209 ff., 232 ff., m.z.N., sowie E. Klein, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 43 f., 52 ff. Zum Verhältnis zw. /PbürgR u. EMRK s. M. Schmidt, in: Harris/Joseph, S. 629 ff. (insbes. 646 f.). 336 Zu den Gründen f. eine nur eingeschränkte Möglichkeit d. Heranziehung d. Paktes durch den EuGH s. E. Klein (vor.Fn.), S. 52 ff.: Erstens sei die EG nicht Mitglied, zweitens gebe es keine interne Beachtlichkeitserklärung, drittens hätte GR den Pakt bis zum 5.5.1997 noch nicht und viertens habe das VK das FP bis heute nicht ratifiziert. Zu (rechtspol.) Forderungen (u. a.) nach Ratifizierung d. (1.) FP IPbürgR durch das VK s. aber den LB v. Lord Lester of Heme Hili, QC, u.a., Times No 66,162 v. 30.3.1998. GR hat den Pakt mittlerweile im August 1997 ratifiziert, vgl. E. Klein, ebd., 54; dens., GRverständnis. (Zu Recht) Gg. das Erfordernis eines formellen Beitritts aller MS nach Analyse d. einschl. EuGH-Rspr. aber W. Weij3, s. 24 f. 337 Zu Art. 12 AEMR vgl. noch EuGHE 1994, I-5173 (5190 Rn. 18, 5193 f. Rn. 29 ff.) (Scararnuzza/Kom.). Der EuGH bevorzugt aber regelmäßig die Anwendung d. "ortsnäheren" Garantie, hier d. Art. 8 I EMRK. Die Bezugnahme erfolgt "nur ergänzend und aufspürend", so Grabitz/Hilf-HilfEUK I Art. F EUV Rn. 25. 338 EuGHE 1978, 1365, 1379 Rn. 26/29 (Defrenne/Sabena). Zu deren Heranziehung durch den EuGHMR s. etwa EuGHMRE 1996, 637, 656 §53 (Gustafsson/S). Zu deren Funktion als "Auslegungshilfe auch für das Grundgesetz" s. jüngst BVerfGE 98, 169, 206. 339 S.a. den Überblick bei Wetter, S. 59 ff. Gleiches gilt i.Ü. f. den EuGHMR, vgl.d. - m.z.N. - Andriantsimbazovina, CDE 33 (1997), 696 ff. (insbes. 699 ff.), sowie vor.Fn., jew.a. E. Zur Berücksichtigung d. UN-Kinderkonv. s. jüngst EuGHMRE 1998, 2692, 2699 § 22 II (A./VK)- Prügelnder Stiefvater= ÖJZ 1999, 617, betr. Art. 19 u. 37. Allg. zu den Zusammenhängen zw. den versch. MRvertr. u. ihrer (quasi-) gerl. Durchsetzung Wiesbrock, S. 4 ff. 340 Art. 6 n.Z. 341 Art. 220 n.Z.
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bb) Besondere Bedeutung des IPbürgR? Fraglich ist, ob dem IPbürgR - neben der EMRK - eine besondere Bedeutung343 beizumessen sein sollte. Das ist in Literatur und Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, gerade für die Frage nach gemeinschaftlichen Schutzpflichten aber durchaus von Bedeutung: (I) Gegenwärtige Rechtslage
Denn insbesondere im Schutzpflicht-Kontext344 könnte - trotz der schon sehr umfangreichen und "orts-" bzw. "sachnäheren" Rechtsprechung von EuGHMR und KomMR - auch die "Judikatur" 345 des UNO-Menschenrechtsausschusses (MRA) 346 insbes. zu Art. 6 I 2 IPbürgR 347 Berücksichtigung finden, soweit sich diese mit staatlichen Schutzpflichten zugunsten des Lebens befasst. 348 Das ist in jüngerer Zeit indes zweifelhaft geworden, 342 So a. Grabitz/Hilf-Hilf EUK I Art. F EUV Rn. 25, 35. Zu den intemat. Standards im Schutzpflichtkontext ausf. jüngst Wiesbrock. 343 F. eine Gleichberechtigung insow. Holoubek, GRschutz, S. 77. 344 Zum "Drittrichtungscharakter" d. IPbürgR s. nur J. Wolf, S. 273 ff.; E. Klein, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 46, jew.m. w. N. Ausf. zur einschl. SchutzpflichtRspr. jüngst Wiesbrock, S. 133 ff. 345 Dabei handelt es sich v.a. um die nach Art. 5 IV 1. FP IPbürgR zum Abschluss eines jeden Beschwerdefalls u. im Anschluss an vorher v. MRA festgestellte Verletzungen d. Pakts wiedergegebenen Auffassungen, Stellungn. u. Empf. ("views"), vgl. nur M. Schmidt, in: Bailey/Joseph, S. 649 ff.; J. Wolf, S. 279; E. Klein (vor.Fn.), S. 48 ff.; dens., EuGRZ 1999, 112 ff. Zu den Staatenber. s. Art. 40 IV IPbürgR. Zu den Staatenbeschw. vgl. Art. 4I IPbürgR. Schließl. sind noch die General Comments zu den einzelnen Artikeln zu berücksichtigen, die aber nicht (notwendigerw.) die Handhabung d. ("nur" allg.) kommentierten Vorschr. in einem Individualbeschwerdeverf. vorbestimmen u. die desh. hier weitestgehend vernachlässigt werden sollen, s. nur MRA, ZE v. 8.4.1993 - 42911990 (E.W. u.a./NL) §§ 3.2, 6.2 - NATO-DoppelE. 346 (Unveröff.) Entsch.d. MRA werden zit. nach "http:/ /www.umn.edu/humanrts/ undocs/undocs.htm". 347 Die Vorschr. ("Dieses Recht [auf Leben, ps] ist gesetzlich zu schützen") ist jedf. sprachl. - noch deutl. als Art. 2 I 1 EMRK ("Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt"). Vgl.d. etwa Nowak, IPbürgR Art. 6 Rn. 3 ff.; M. Schmidt, in: Harris/Joseph, S. 630 ff.; J. Wolf, Haftung, S. 273 ff. (273); E. Klein, in: Kreuzer u. a., GRschutz, S. 46. Zu einschl. (umweltrel.) Rspr. s. etwa EUDURP. Szczekalla I § 12 Rn. 14 a.E. m.Fn. 44; 37 m.Fn. 180 (zu Art. 9 I I IPbürgR, Art. 5 I I EMRK). 348 Wenngleich best. Fallkonstellationen, etwa die sog. Disappearance-Cases v. a. aus Südamerika, im eur. Kontext (außerhalb der Türkei- s.d. nur EuGHMRE 1998, 1152 ff. [Kurt/T] - Disappearance-Case-I; KomMR, ZE v. 7.4.1997 - 25656/94 [Orhan/T] - n.n.v. - "Bum Down"-IV u. Disappearance-Case-II; 30.6.1997 26307/95 [T.A. u.. M.A./T]- Disappearance-Case-III; 1.12.1997- 25165/94 [Ak34*
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2. Teil: Die Schutzpflicht im europäischen Recht
weil der EuGH349 die Bedeutung der Judikatur des MRA für die Gemeinschaftsgrundrechte mit - nur formeller und keineswegs überzeugender Begründung - zumindest relativiert hat. 350 Gleichwohl gilt es gerade angesichts einer auf allen denkbaren Gebieten stattfindenden Globalisierung auch einen entsprechenden "globalen Grundrechte-Dialog" anzustreben statt einer ",Festung Europa' (auch) in Menschenrechtsfragen" das Wort zu reden. 351 Immerhin handelt es sich bei dem Ausschuss aus verschiedenen Gründen jedenfalls um ein quasi-gerichtliches Gremium, und nicht nur um einen herkömmlichen "Treaty Body" ohne eine gewisse Rechtsschutz- und vor allem Befriedigungsfunktion bei der Individualbeschwerde. 352 Die Entscheidungen sind zwar nicht strikt rechtsverbindlich, 353 aber auch nicht gänzlich unverbindlich. Jedenfalls über den allgemeinen völkerrechtlichen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben lassen sich gewissen Bindungswirkungen konkretisieren. 354 Die Generalanwälte und Richter am EuGH sollten die ihnen dadurch abverlangte "zusätzliche Verifikationsaufgabe" gegendeniz/T] - n.n.v. - "Bum Down"-V u. Disappearance-Case-IV; B.v. 12.3.199823657/94 [