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German Pages 536 Year 2017
Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Band 47
Die Preußischen Jahrbücher zwischen Neuer Ära und Reichsgründung (1858–1871) Programm und Inhalt, Autoren und Wirkung einer Zeitschrift im deutschen Liberalismus
Von
Sebastian Haas
Duncker & Humblot · Berlin
SEBASTIAN HAAS
Die Preußischen Jahrbücher zwischen Neuer Ära und Reichsgründung (1858–1871)
Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Begründet von Johannes Kunisch Herausgegeben im Auftrag der Preußischen Historischen Kommission, Berlin von Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer und Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll
Band 47
Die Preußischen Jahrbücher zwischen Neuer Ära und Reichsgründung (1858–1871) Programm und Inhalt, Autoren und Wirkung einer Zeitschrift im deutschen Liberalismus
Von
Sebastian Haas
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Mittlere und Neuere Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahr 2015 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: CPI buch.bücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0943-8629 ISBN 978-3-428-14990-2 (Print) ISBN 978-3-428-54990-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-84990-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Mein Interesse an den Preußischen Jahrbüchern reicht nun schon einige Jahre zurück. Bereits im Jahr 2007 hat mich Prof. Dr. Hans-Christof Kraus, Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Passau, auf Rudolf Haym und die sogenannten „Blauen Blätter“ aufmerksam gemacht. Aus ersten Gedanken über eine Magisterarbeit ist bis heute dieses Buch entstanden. Über all die Jahre konnte ich mich immer auf die Anregungen und Ratschläge von Professor Kraus verlassen, sei es in den vielen größeren und kleineren Besprechungen oder sei es während seines Oberseminars – in dem der Fortschritt meines Forschungsprojektes regelmäßig der kritischen Überprüfung des Doktorvaters und der anderen Nachwuchswissenschaftler standhalten musste. Für diese steten, anregenden, fachlich ungemein wichtigen sowie menschlich immer höchst angenehmen Rückmeldungen gebührt Herrn Professor Kraus mein aufrichtiger Dank. Dasselbe gilt für den Zweitkorrektor dieser Arbeit, PD Dr. Marc von Knorring, Akademischer Oberrat a.Z. am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Passau. (Bald Dr. und sicher in nicht mehr allzu langer Zeit Prof. Dr.) Michael Buhl und Dr. Markus Schubert haben den ersten Entwurf der gesamten Arbeit komplett gelesen und kommentiert – herzlichen Dank dafür! Nicht minder herzlich möchte ich mich bei denen bedanken, die nicht das gesamte Pensum geschafft haben: Dr. Gero Kellermann von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, Prof. Dr. Uwe Kranenpohl von der Evangelischen Hochschule Nürnberg, Dr. Birgit Aka in Oldenburg sowie meine Schwägerin und meinen Schwager Violetta Hagen und Timur Luftullin in Stuttgart. Jede einzelne Eurer Anmerkungen hat mir geholfen. Dass diese Arbeit in die Reihe der Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte (QUF) aufgenommen wurde, verdankt sie dem wohlwollenden Urteil der beiden Herausgeber Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer und Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll für die Preußische Historische Kommission (PHK). Auf Einladung der beiden Herren sowie des Direktors des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (GStA PK), Prof. Dr. Jürgen Kloosterhuis, durfte ich meine Arbeit auf der gemeinsamen Jahrestagung von PHK und GStA PK im November 2014 vorstellen – meinen aufrichtigen Dank dafür. Für die Unterstützung bei der Drucklegung der Arbeit danke ich Heike Frank im Verlag Duncker&Humblot. Welch schöner Zufall, dass mit Max Duncker ein Sohn des Verlagsgründers eine der Hauptrollen in dieser Arbeit spielt. Ohne praktische Hilfen kann ein Projekt wie dieses nicht zustandekommen. Mein Dank gilt daher der stets freundlichen und kompetenten Unterstützung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Archive, die ich im Laufe meiner Recherchen
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Vorwort
besucht habe: das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, die Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz, die Universitäts- und Landesbibliothek Halle, das Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, die Universitätsbibliothek Heidelberg, das Deutsche Literaturarchiv Marbach, die Württembergische Landesbibliothek Stuttgart und die Universitätsbibliothek Tübingen. Darüber hinaus gilt an der Universität Passau mein herzlicher Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bibliothek, die mich besonders in den Jahren 2009 bis 2014 durch alle Phasen meines Promotionsvorhabens begleitet haben, Dr. Birgit Röder aus dem Dekanat der Philosophischen Fakultät für alle organisatorischen Hinweise rund um den Abschluss des Promotionsverfahrens und Prof. Dr. Bernd Lenz für Anregungen und Denkanstöße zum Start in das Leben als Promovierender. Vielen lieben Dank auch an Milena Behrendt für Ihre Gastfreundschaft während meiner über viele Wochen andauernden Archivaufenthalte in Berlin. In den Jahren 2010 bis 2012 hat mich die Hanns-Seidel-Stiftung in ihr Programm der ideellen Promotionsförderung aufgenommen. Ich danke für die Möglichkeit, so mit anderen Nachwuchswissenschaftlern verschiedenster Fachrichtungen ins Gespräch zu kommen. Auch meinem Arbeitgeber, der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, schulde ich Dank – namentlich dem Altdirektor Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter und der derzeitigen Direktorin Prof. Dr. Ursula Münch. Sie haben mir mit einer gehörigen Portion Langmut und Flexibilität die Recherchen in den Archiven dieser Republik ermöglicht, dazu mehrere Elternzeitphasen sowie home-office-Lösungen, und das Fortschreiten des Promotionsprojekts mit Interesse verfolgt und mit Ermutigungen begleitet. Schließlich möchte ich meiner Familie danken – für all die Unterstützung der vergangenen Jahre, egal auf welche Weise. Liebe Pamina, lieber Michi, liebe Christine, liebe Ursi, lieber Marcus, liebe Lore, lieber Karl, lieber Rolf, liebe Susanne, dieses Buch ist irgendwie auch für Euch. Ein herzlicher Gruß geht an Romy, Cora und Oresta – schaut mal, das hier ist diese Diss, von der Euer Papa immer wieder gesprochen hat! Gewidmet ist dieses Buch meiner Mutter Andrea Haas, die nicht einmal den Beginn meiner Leidenschaft für die Preußischen Jahrbücher miterleben durfte, und meinem Großvater Heinz Hommel. Er verstarb in der Nacht im Januar 2015, als ich die erste Version dieser Dissertationsschrift abgeschlossen hatte. Neuburg am Inn / Würzburg, im September 2016
Sebastian Haas
Inhaltsverzeichnis A. Forschungsstand und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Liberale Politik der Reichsgründungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Die Rolle der Medien allgemein und der Preußischen Jahrbücher im Besonderen 15 III. Zu Fragestellung und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 IV. Zum Aufbau der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Grundzüge der preußischen Politik und die Entwicklung des politischen Liberalismus in der Reaktionszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Die Entwicklung des Altliberalismus in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Die Politische Zeitschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Der geistige Hintergrund der Preußischen Jahrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. Rudolf Haym . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 V. Gründung, Organisation und Programm der Preußischen Jahrbücher . . . . . . . . . 53 VI. Rudolf Hayms Mitarbeiter und seine Redaktionsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 VII. Die Lage der Preußischen Jahrbücher in den Anfangsjahren . . . . . . . . . . . . . . . . 69 C. Die Preußischen Jahrbücher in der Herausgeberschaft Rudolf Hayms: vor und in der Neuen Ära (1858 – 1862) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Die Preußischen Jahrbücher in der Reaktionszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Das politische Geschehen in Grundzügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Die ersten Ausgaben der Preußischen Jahrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Das (alt)liberale Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Die PJ und die Tagespolitik: Auseinandersetzung mit dem reaktionären Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 5. Die Preußischen Jahrbücher vor der Neuen Ära – eine Zwischenbilanz . . . . . 91
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Inhaltsverzeichnis II. Der Beginn der Neuen Ära in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Das politische Geschehen in Grundzügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Meinung und Stellung der Preußischen Jahrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Die Preußischen Jahrbücher, der Italienische Krieg und die Stagnation in der preußischen Außen- und Bundespolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Das politische Geschehen: der Krieg in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Die PJ und der Krieg in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Deutschlandpolitik: das Geschehen und die Interpretation der PJ . . . . . . . . . . 118 IV. Preußische Innenpolitik im Banne der Heeresreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Die preußische Innenpolitik in den Preußischen Jahrbüchern . . . . . . . . . . . . . 130 V. Bundes- und Außenpolitik im Zeichen der innenpolitischen Krise . . . . . . . . . . . 149 1. Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Die außenpolitische Entwicklung in der Beurteilung der PJ . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Die Bundespolitik in den PJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4. Bundes- und Außenpolitik der Neuen Ära in den PJ: eine Beurteilung . . . . . . 168 VI. Das Ende der Neuen Ära und das Ministerium Hohenlohe-von der Heydt . . . . . 169 1. Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Das Ende der Neuen Ära in den PJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Die PJ in der Neuen Ära: eine Bilanz in aller Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866) . . . . . . . . 184 I. Die Preußischen Jahrbücher während des Verfassungskonflikts in Preußen . . . . 184 1. Die ersten Monate des Ministerpräsidenten Otto von Bismarck . . . . . . . . . . . . 184 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Die Preußischen Jahrbücher zu Beginn der Amtszeit Bismarcks . . . . . . . . 191 2. Die Presseverordnung vom 1. Juni 1863 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Die Preußischen Jahrbücher und die Presseverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Preußische Innenpolitik auf dem Höhepunkt des Verfassungskonflikts . . . . . . 213 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Die Preußischen Jahrbücher und der Verfassungskonflikt . . . . . . . . . . . . . . 217 c) Zwischenfazit: Die PJ auf dem Höhepunkt des Verfassungskonflikts . . . . . 228 II. Kriegsjahre: Die Preußischen Jahrbücher und die Bundes- und Außenpolitik des Ministeriums Bismarck (1862 – 1866) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Neue Tendenzen in der äußeren Politik in den Monaten nach Amtsantritt des neuen Ministerpräsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
Inhaltsverzeichnis
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b) Die Stellung der Preußischen Jahrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Bundespolitik im Schatten des erstarkten Österreich (1863) . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Die Beurteilung der Bundespolitik in den PJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3. Außen- und Bundespolitik im Zeichen des Krieges um Schleswig-Holstein
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a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Die Krise in Schleswig-Holstein und die Preußischen Jahrbücher . . . . . . . 249 c) Die PJ inmitten der Diskussion um die Zukunft Schleswig-Holsteins . . . . 266 4. Der Weg zum Krieg gegen Österreich und das Ende des Deutschen Bundes 268 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Die Preußischen Jahrbücher im Jahr der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 c) Zwischenfazit: Kriegsjahre – PJ, Außen- und Bundespolitik bis 1866 . . . . 290 E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I. Rudolf Hayms Suche nach Unterstützung und der Wechsel zu Wilhelm Wehrenpfennig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 II. Die Jahrbücher am finanziellen Abgrund und ihr Aufschwung . . . . . . . . . . . . . . 302 III. Die Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 IV. Neue Mitarbeiter, neue Themen und alte Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 F. Unter neuen Vorzeichen: Preußen und Preußische Jahrbücher im Aufbruch . . . 329 I. Die Konsolidierung des Norddeutschen Bundes (1867 – 1870) . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Die Parteien sortieren sich neu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 b) Die PJ und die Neuorientierung der liberalen Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . 334 2. Deutschlandpolitik ab 1867 unter veränderten Voraussetzungen in Norddeutschem Bund und Zollverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 b) Die Preußischen Jahrbücher zur Entwicklung des Norddeutschen Bundes 354 3. Die preußische Innenpolitik bis zur Reichsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 b) Die Preußischen Jahrbücher zur preußischen Innenpolitik bis 1870 . . . . . . 370 II. Die Preußischen Jahrbücher, der Krieg gegen Frankreich und die Gründung des Deutschen Reiches (1867 – 1870/71) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 1. Die Luxemburg-Krise und der Norddeutsche Bund in Europa . . . . . . . . . . . . . 375 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 b) Die PJ und die Europäische Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
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Inhaltsverzeichnis c) Die PJ und die Situation in Europa zum Jahresbeginn 1870 . . . . . . . . . . . . 384 2. Spanische Thronkandidatur und diplomatisches Vorspiel des Krieges . . . . . . . 385 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 b) Die PJ im Vorfeld des deutsch-französischen Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 3. Der Krieg gegen Frankreich bis zum Frankfurter Frieden im Mai 1871 . . . . . 391 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 b) Die PJ während des Krieges gegen Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 c) Die PJ und das Ende des deutsch-französischen Krieges . . . . . . . . . . . . . . . 403 4. Die Verhandlungen zur Begründung des Deutschen Reiches . . . . . . . . . . . . . . 404 a) Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 b) Die PJ zur Reichsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 c) Zwischenfazit: PJ, außenpolitische Entwicklung bis 1870 und Reichsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
G. Epilog: Politik und Preußische Jahrbücher im ersten Jahr des Deutschen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 I. Das politische Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 II. Die Preußischen Jahrbücher und das erste Jahr des Deutschen Reiches . . . . . . . . 420 H. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 I. Artikelverzeichnis der Preußischen Jahrbücher von 1858 bis 1871 . . . . . . . . . . . . 440 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 Selbstzeugnisse und zeitgenössische Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
Abkürzungsverzeichnis ADB Bismarck GW DLA Marbach GStA PK HPBl MdA MdR NDB NL NPZ PJ StaBi Berlin PK StenBer Norddt. RT StenBer PrAH StenBer RT UB Tübingen ULB Halle WLB Stuttgart
Allgemeine Deutsche Biographie Bismarcks Gesammelte Werke. Briefe, Reden und Aktenstücke Deutsches Literaturarchiv Marbach Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland Mitglied des (preußischen) Abgeordnetenhauses Mitglied des Reichstages Neue Deutsche Biographie Nachlass Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung Preußische Jahrbücher Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz Stenographische Berichte des Reichstages des Norddeutschen Bundes Stenographische Berichte des Preußischen Hauses der Abgeordneten Stenographische Berichte des Reichstages des Deutschen Reichs Universitätsbibliothek Tübingen Universitäts- und Landesbibliothek Halle Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
A. Forschungsstand und Fragestellung I. Liberale Politik der Reichsgründungszeit Das Jahr 1858 markiert einen wichtigen Einschnitt in der preußisch-deutschen Geschichte. Der Amtsantritt Wilhelms I. von Preußen – zunächst als Stellvertreter des erkrankten Friedrich Wilhelm IV., dann als Regent und 1861 schließlich als König – war der erste einer Reihe von Meilensteinen, die das Erscheinungsbild des heutigen Deutschland entscheidend veränderten: Auf den Heeres- und Verfassungskonflikt in Preußen folgten die Berufung Otto von Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten, die Kriege Preußens um Schleswig-Holstein 1864, gegen Österreich und dessen Verbündete 1866, in dessen Folge die Gründung des Norddeutschen Bundes ohne Österreich, die Neusortierung der Parteienlandschaft im Zuge der Indemnitätsvorlage Bismarcks, schließlich der Krieg gegen Frankreich 1870/71 samt Gründung des Deutschen Reichs und der Krönung Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser. Den Prozess der schrittweisen Einigung Deutschlands begleitete seit 1858 eine Zeitschrift, die von Sympathisanten und ehemaligen Mitgliedern der Casino-Fraktion in der Frankfurter Nationalversammlung gegründet worden war: die sogenannten Altliberalen hatten Preußens König Friedrich Wilhelm IV. 1848 vergeblich die deutsche Kaiserkrone angetragen und hielten zehn Jahre später dennoch am Ziel eines preußisch dominierten gesamtdeutschen Verfassungsstaates fest. Ihre monatlich erscheinende Rundschau Preußische Jahrbücher (PJ) entwickelte sich unter den ersten Herausgebern Rudolf Haym, Wilhelm Wehrenpfennig und Heinrich von Treitschke nicht zu einem reinen Parteiorgan. Stattdessen positionierten sich die PJ als Diskussionsforum für die geistige Elite, die eine kleindeutsche Staatsgründung als Schlusspunkt eines historisch notwendigen Prozesses interpretierte. Die Wege, um an dieses Ziel zu gelangen, waren jedoch auch innerhalb dieser Bewegung heftig umstritten. So steht am Beginn des Untersuchungszeitraums dieser Arbeit die Neue Ära in Preußen – eine Periode, die oft nicht ernst genug genommen wird. „[Z]wischen den Alternativen von 1848 und der Reichsgründung von oben gerät sie in den Schatten“, betonte Nipperdey, „aber auch sie war eine Alternative, und wir können daran die Möglichkeiten und Weichenstellungen der deutschen Geschichte besonders gut erkennen“.1 Seit den 1970er-Jahren ist die Geschichtswissenschaft daher gewillt, die Neue Ära als Zeit anzuerkennen, in der Liberale in Preußen ihre Chance zur Re1
Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 697.
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A. Forschungsstand und Fragestellung
gierung hatten – in einem auf Armee, Bürokratie und Monarchie gestützten System, das nicht auf eine liberale Ausgestaltung des Staates vorbereitet war.2 Dass gerade die Altliberalen die Regierung der Neuen Ära parlamentarisch unterstützten, rückt die Meinung der PJ besonders in den Fokus. Die Geschichte des Liberalismus erhält ihre eigentliche Spannung aus der Frage nach den Alternativen zur Geschichte der Reichsgründung.3 So galt seit jeher das besondere Interesse der historischen Forschung dem Verfassungskonflikt in Preußen und dessen Folgen. Bis in die 1930er-Jahre war die Darstellung bestimmt von einer apologetischen Parteinahme in Bezug auf die Frage, wer als Sieger aus dieser Krise hervorgegangen war. Vor allem die linksliberale Geschichtswissenschaft diskutierte nach dem Zweiten Weltkrieg über die vermeintliche Kapitulation des deutschen Liberalismus und lehnte den Herrschaftsanspruch des liberalen Bürgertums ab. Der Liberalismus sei zu schwach, zu differenziert, zu akademisch gewesen, die Opposition gegen Bismarck fruchtlos, nicht scharf genug und opportunistisch.4 Im Dilemma zwischen Freiheit und Einheit, Recht und Macht habe man sich für die falsche Seite entschieden.5 Um diese Sichtweise zu untermauern, wurden wiederholt Textpassagen aus den PJ genutzt. Lange Zeit übersah man dabei willentlich, dass die Liberalen der Reichsgründungszeit auch Selbstbewusstsein, Zukunftssicherheit und Antriebskraft versprühten. Schließlich hatten sie im Norddeutschen Bund eine Reformgesetzgebung angestoßen, die von freien Wahlen zum Reichstag bis zur Gewerbefreiheit und der Reform des Zollvereins reichte. Es war aber nicht möglich, die verfestigten politischen Strukturen in Preußen gänzlich aufzubrechen. Dazu war die liberale Bewegung zu uneins, ihr fehlte zudem ein überzeugendes politisches Alternativkonzept.6 Doch der Glaube an politischen und wirtschaftlichen Fortschritt, die Hoffnung auf Libe2 Vgl. Börner, Krise der Monarchie; Helfert, Liberalismus und Heeresreform; Paetau, Regierende Altliberale. 3 Bußmann, Liberalismus, S. 527. Vgl. Koselleck, Liberales Geschichtsdenken, S. 198 ff. 4 Zwar bemerkt Faber, Strukturprobleme des Liberalismus, S. 201, dass es keinen vorbildlichen europäischen Liberalismus gebe. Doch habe der Liberalismus in Deutschland nie eine Epoche bestimmt und sei nie herrschender Faktor in Staat und Gesellschaft gewesen. „Insofern kann man von einem Scheitern oder zumindest von der Schwäche des deutschen Liberalismus sprechen.“ Vgl. auch Fehrenbach, Verfassungsstaat und Nationsbildung, S. 100 ff. Wehler, Deutsches Kaiserreich, vertritt die These des deutschen Sonderweges, weil sich das Bürgertum ab 1866 der Macht des preußischen Junkertums und Bismarcks gebeugt habe. Ähnlich Sell, Tragödie des deutschen Liberalismus und Kohn, Wege und Irrwege. Gugel, Aufstieg und bürgerliche Herrschaft, wirft den Liberalen eine Entpolitisierung vor, weil sie sich vor allem am wirtschaftlichen Wohlergehen orientierten. 5 Vgl. Bußmann, Liberalismus und Kiesewetter, Von Hegel zu Hitler. 6 Vgl. Lees, Revolution and Reflection, S. 104 ff. und Sheehan, Deutscher Liberalismus, S. 139. Koselleck, ebd., S. 208 ff., interpretiert die Geschichte des Liberalismus als eine des „Sich-Verzehrens“: Kompromissbereitschaft und die Erfüllung eigener Forderungen hätten der Bewegung die Stoßkraft und Zukunftsdimension genommen.
II. Die Rolle der Medien und der Preußischen Jahrbücher
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ralisierung und Freiheit ging den Liberalen auch in der Ära Bismarck nicht verloren. Das Hinwenden der Liberalen zu Bismarck „eine Kapitulation vor der Macht zu nennen, heißt die Dinge allzu sehr ex post beurteilen“7.
II. Die Rolle der Medien allgemein und der Preußischen Jahrbücher im Besonderen Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden politische Meinungen einer breiteren Öffentlichkeit bereits zum großen Teil über Presse und Druckerzeugnisse verbreitet. „Nie zuvor war der Journalist mehr bestrebt gewesen, sich politisch zu engagieren, wenn die Staatsgewalt nicht präventiv eingriff. Nie zuvor hatte Verlegern mehr daran gelegen, einer Idee zu dienen. Nie zuvor waren aber auch politische Gruppen so sehr daran interessiert gewesen, sich eines Mittels zu bedienen, das ihnen ermöglichte, ihre Gedanken schnell zu verbreiten und dadurch neue Anhänger zu gewinnen und die alten fester an sich zu binden. […] Die Zeitung war im 19. Jahrhundert das einzige publizistische Medium, mit dem schnell und wiederholt, also intensiv Politik gemacht werden konnte.“8
Das trifft – abgesehen von der Schnelligkeit – auch für regelmäßig erscheinende Zeitschriften zu. Wilmont Haacke bezeichnete daher die politische Zeitschrift als das führende Medium für das Bilden politischer Meinung.9 Für diese Einschätzung hat er viel Zustimmung geerntet. Nur vereinzelt wird Zeitschriften wie den PJ heute ihre Bedeutung als Schlüsselmedium und Formulierungshilfe der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert abgesprochen.10 Die politische Zeitschrift liefert resümierende Berichte und gebündelte Nachrichten über Ereignisse. Sie notiert Details, ermittelt große Zusammenhänge und deutet beides. Sie bezieht Stellung, beeinflusst und verändert so das Denken vieler.11 „Die politische Zeitschrift spricht nicht nur die Sprache der Politik, viel mehr ist sie es, die der Politik Sprache verleiht.“12 Sie lebt vom Überblick und steht mit ihrem
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Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 117. Vgl. auch die Interpretationen in den Werken von Faber, Fehrenbach, Langewiesche, Nipperdey, Pollmann und Wehler. 8 Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert, S. 127. 9 Vgl. Haacke, Politische Zeitschrift, S. 4 und S. 81 f. Ähnlich Becker, Bilder von Krieg und Nation, S. 81: Druckerzeugnisse waren „die Sprachrohre des Bürgertums, sie dienten der Artikulation seiner Interessen genauso wie der Belehrung des bürgerlichen Lesepublikums.“ Becker erwähnt auch den privilegierten Zugang Gebildeter zur Schriftkultur und damit zu den Druckmedien, was den „Missionierungsdrang“ erleichterte. 10 Vgl. Faulstich, Medienwandel, S. 60. 11 Vgl. Haacke, Politische Zeitschrift, S. 3 und S. 84. 12 Vgl. ebd., S. 84.
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expliziten Deutungsanspruch über der Zeit.13 Ihr Autor ist der Publizist. „Zumeist ist er in der Lage, von Ereignissen, die sich […] zu einer ineinander verknüpften Kette verbunden haben, abschließend zu berichten. Damit erhält seine Kommentierung definitiven Charakter. Der Publizist, dem eine politische Zeitschrift als Tribüne dient, steht zwischen dem Journalisten, dem er zögernd folgt, und dem Historiker, dem er entscheidungswillig vorausgeht.“14 Politische Zeitschriften beeinflussen die Politik, weil sie aktiv in den Prozess der Meinungsbildung eingreifen. Auch wenn von den Medien Objektivität und Ausgewogenheit gefordert wird, sind sie doch in ihrem ureigensten Wesen subjektiv, parteilich und tendenziös. Gerade politische Zeitschriften betrachten die Welt aus einer durch ihr Programm festgelegten Blickrichtung. In und zwischen den Zeilen ist „zwar nur selten die Wahrheit, jedoch stets die politische Absicht zu erfassen“15. Sie sind auf den Geschmack des gewünschten Publikums zugeschnitten und auf begrenzte Publizität aus, sind jedoch keine Sprachrohre von Parteien oder Parteiflügeln. In ihrem Selbstverständnis sehen sich politische Zeitschriften gewöhnlich als parteipolitisch verbunden an, aber dennoch als selbständig. Geschrieben werden sie von einzelnen produktiven Intellektuellen für bestimmte Eliten. Die Eliten ihrerseits beeinflussen Gruppen, die wiederum den Massen Meinungen vermitteln sollen, zu deren Formulierung diese von sich aus nicht fähig wären. So erlangten politische Zeitschriften gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Kraft, Gemeinschaften zu formen oder zu sprengen.16 Auf dieser Basis gelangt Haacke zu folgender Definition der politischen Zeitschrift: „[E]ine periodische Publikation, deren Tendenz sich aus dem von ihr verkündeten Programm ergibt. In deren Sinn behandelt sie fortwirkend staatliche, gesellschaftliche, soziale und kulturelle Erscheinungen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Leitgedanken jeder politischen Zeitschrift werden vom Herausgeber, seinem redaktionellen Gremium und Mitarbeiterstab bestimmt. Politische Zeitschriften stellen sich in den Dienst des Proklamierens von Anschauungen sowohl einzelner Persönlichkeiten wie ganzer Gruppen. Oft dienen sie Einzelnen zur Gruppenbildung oder Gruppen zum Gewinnen Einzelner für ihre Ziele. Politische Zeitschriften erfassen zeitgebundene oder überzeitliche Strömungen entsprechend ihrer politischen Einstellung. Aus propagandistischen Prinzipien nehmen sie indes […] Rücksicht auf Meinungen des Publikums, das sie im Sinne ihres Programms zu beeinflussen wünschen. Die publizistische Aufgabe der politischen Zeit13 Haacke, Politische Zeitschrift, S. 12: „Zeitschriften sind Instrumente, dank deren Hilfe das Substanzielle, Essenzielle einer Epoche zunächst nur für die eigene Epoche aufgezeichnet wird. Nahezu automatisch ergibt sich daraus, dass sie ihre Epoche über ihre Epoche hinaus aufbewahren. Denkt man dabei an die politischen Zeitschriften, so begreift man, dass jede von ihnen die Politik ihrer Zeit auf mannigfache Weise erfasst, umfasst und widerspiegelt. Damit ist die Zeitschrift mehr als eine Chronologie des politischen Geschehens, in dessen Wirbel sie selbst […] steht.“ 14 Ebd., S. 13 f. 15 Ebd., S. 6. 16 Vgl. ebd., S. 38 ff. und S. 81 f.
II. Die Rolle der Medien und der Preußischen Jahrbücher
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schrift ist es, die durch sie dargebotenen Auffassungen in dem Sinne zu vertreten, dass auf Zuruf als kommunikatives Echo Zustimmung erfolgt.“17
Vier Differenzierungen der politischen Zeitschrift werden unterschieden18: Erstens die, die politische Ereignisse unmittelbar widerspiegeln. Zweitens Zeitschriften, die politische Probleme aus der Vergangenheit untersuchen, ohne direkt auf Zeitgenossen einwirken zu wollen. Drittens Organe, die unter vorgehaltenem Erörtern anscheinend historisch gewordener Probleme auf die Gegenwart einzuwirken versuchen. Und viertens die Zeitschriften, die das liberale Lager hervorgebracht hat, um herrschende Systeme zu unterminieren. Dazu kommt die Revue als eine Mischung aus diesen Typen: „Als Monatsumschau hat sie allen Gebieten des politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Fort- und Rückschritts von jeher Aufmerksamkeit geschenkt. Weil sie das politische Dasein nicht im Detail schildert oder Einzelfälle begutachtet, sondern weil sie als ,Rundschau‘, ,Revue‘ oder ,Review‘ das öffentliche Leben in seiner Gesamtheit betrachtet, veranschaulicht sie klarer als einseitige Organe das politische Auf und Ab.“19 Man kann also auch literarische, kulturelle und unterhaltende Zeitschriften als politische verstehen, die nicht unmittelbar zur politischen Auseinandersetzung aufrufen, sondern durch Aufklären zum Nachdenken über politische Gegebenheiten verhelfen – wie Deutsche Vierteljahres-Schrift (1838 – 1870), Grenzboten (1841 – 1922), Preußische Jahrbücher (1858 – 1935) und Im Neuen Reich (1871 – 1881). Ab den 1890er-Jahren begann man sich in den Industriegesellschaften mit dem Einfluss der Presse auf die öffentliche Meinung zu beschäftigen. Zum wichtigen Forschungszweig entwickelte sich die Presseforschung im 20. Jahrhundert.20 Das Spektrum der Wirkungsphänomene reicht von der Allmacht der Medien über die
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Haacke, Politische Zeitschrift, S. 207 f. Vgl. Haacke, Genealogie der politischen Zeitschrift, S. 88 f. 19 Ebd., S. 95. Für das Folgende vgl. Frölich, Volkszeitung, S. 8 f. und Haacke, Politische Zeitschrift, S. 6. 20 Martin Spahn erkannte 1908, dass die Presse „allen Geschichtsschreibern der jüngsten Geschichte die wertvollste Quelle von allen werden wird. Sie hat Vorzüge, in denen keine andere Quellengattung mit ihr wetteifern kann. Ihr Nachrichtennetz ist unvergleichlich dicht und fast lückenlos. Unzählige wichtige Vorgänge bringt sie, fast sogleich nachdem sie sich vollzogen haben, unter der Wirkung verschiedenartiger Beleuchtung von allen Seiten her. Vor allem aber ist die Presse außerordentlich sensibel. Kaum dass sich im Volks- oder Staatsleben ein Neues regt, […] reagiert die Presse darauf.“ (Spahn, Die Presse als Quelle der neuesten Geschichte und ihre gegenwärtigen Benutzungsmöglichkeiten, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 2 (1908), Sp. 1203 f.). Beim ersten Treffen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Jahr 1910 stellte Max Weber erstmals quantitative und qualitative Elemente zur Presseanalyse vor. Webers Rede ist abgedruckt in: Verhandlungen der Deutschen Soziologentage (1911), S. 39 ff. 18
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selektive Medienwahrnehmung in der Bevölkerung bis zur der Ohnmacht der Medien und kann daher niemals in einer einzigen Theorie beschrieben werden.21 Bis zum heutigen Tag geht die historische Forschung eher zurückhaltend mit der Deutung von Presseerzeugnissen um. Denn sicher ist nur, dass die Meinungsbildung heute wie im 19. Jahrhundert nicht allein von der Medienberichterstattung abhängig gemacht werden kann. Die gesellschaftliche Kommunikation kann nicht allein auf die Massenmedien reduziert werden.22 Um also ein konsistentes Bild des eine Zeitschrift umgebenden Weltbilds zu ermitteln, muss eine große Menge an zusätzlichem Material bewältigt werden, sind Fehlurteile einzuordnen und Zusammenhänge zwischen Herausgeber, Redakteur, Politik, anderen Presseerzeugnissen und Lesern aufzudecken. Die vorliegende Studie strebt einen solchen Überblick über das Wollen und Streben der Preußischen Jahrbücher zwischen Neuer Ära und Reichsgründung an. Die Interpretation der Zeitschrifteninhalte kann dabei nur der Anfang einer intensiveren Betrachtung sein. Denn eng verbunden mit dem vordergründigen politischen Geschehen bleibt die Entwicklung des Liberalismus kleindeutsch-preußischer Prägung und seiner Akteure. Dazu kommen die Wechselwirkung zwischen Medien und öffentlicher Meinungsbildung, die Forschungsmeinung über die PJ selbst und biographische Details über die Mitarbeiter der Publikation. Obwohl die PJ über Jahrzehnte zu den wichtigsten und einflussreichsten Zeitschriften in Nord- und Ostdeutschland gehörten, wurden sie bisher von der Forschung weitgehend vernachlässigt. Herausgeber Walter Heynen deutete in der letzten erschienenen Ausgabe 1935 an, es fehle „eine ausholende und wirklich abschließende Darstellung dessen, was diese Zeitschrift in den fast 78 Jahren ihres Bestehens gewollt und erstrebt und vielleicht sogar erreicht hat“23. Daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert. Überhaupt stagniert die Erforschung der Massenkommunikation des 19. Jahrhunderts und vor allem der Reichsgründungszeit seit etwa 40 Jahren.24 Die Auflis-
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Vgl. grundlegend zur Medienwirkung: Bonfadelli, Brosius, Jäckel, Klapper, NoelleNeumann und Schenk. 22 Eisenstein, Meinungsbildung, S. 161 f.: Zwischenmenschliche Kommunikation ist eine notwendige Bedingung für die menschliche Existenz, es wird also immer eine reale Wirklichkeit geben, an der wir die der Medien messen können. Vgl. Requate, Das 19. Jahrhundert als Mediengesellschaft, S. 9. 23 Heynen, Abschied, in PJ CCXL (1935), 3, S. 341 ff., hier S. 341. 24 Vgl. Frölich, Repression und Lenkung, S. 364. Auch Dussel, Deutsche Tagespresse, S. 4, weist auf die Forschungsdesiderate in der Pressegeschichte des 19. Jahrhunderts hin. Bis in die 1970er-Jahre erschienen einige Überblicksdarstellungen zur Pressegeschichte, die eine gute Einführung in die Welt der Druckerzeugnisse boten. Roth veröffentlichte 1912 „Das Zeitungswesen in Deutschland von 1848 bis zur Gegenwart“. 1929 erschien Groths „System der Zeitungskunde“. Zwischen 1960 und 1975 erschienen Werke, die noch heute für einen umfassenden Blick auf die Presselandschaft unverzichtbar sind: Kirchner, Das deutsche Zeit-
II. Die Rolle der Medien und der Preußischen Jahrbücher
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tung der 36 deutschsprachigen Publikationen, die im Verlauf der vorliegenden Untersuchung zum Abgleich der Inhalte der PJ genutzt werden, zeigt: in Mode waren Studien zu einzelnen Zeitungen und Zeitschriften (Längsschnittstudien) bzw. Untersuchungen zur Pressemeinung in politischen Themenkomplexen (Querschnittstudien) in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit. Allein 23 dieser Studien stammen aus der Hochzeit der sogenannten Zeitungswissenschaft vor 1935.25 Mit den Inhalten der PJ haben sich im 20. Jahrhundert lediglich fünf Studien mehr oder weniger ausführlich beschäftigt. Westphal konzentrierte sich in seiner Untersuchung über die Preußischen Jahrbücher und den konstitutionellen Liberalismus in Deutschland von 1858 bis 1863 auf die Neue Ära. Dabei versuchte er, die „Anschauungen des Kreises über Staatsleben, Geschichte, Kultur im ganzen, auch philosophische und z. B. ästhetische Anschauungen, als ein System darzustellen“26, und sah es als die größte Aufgabe der Zeitschrift an, zur politischen Persönlichkeit in einem vernünftigen Staatensystem zu erziehen. In seiner Dissertation von 1948 untersuchte Wassmann das Österreichbild in den PJ. Seine Untersuchung steht in weitgehender Abhängigkeit von der Westphals, wenn er auch dessen Auffassung nicht teilt. Dem Russlandbild in den Politischen Korrespondenzen der Zeitschrift zwischen 1858 und 1871 widmete sich Riethmüller (1975) in einer kurzen Studie. Nach seiner Ansicht war die außenpolitische Berichterstattung den nationalen Interessen untergeordnet, entbehrte ab 1866 jeder Eigenständigkeit und war ein Werkzeug der Regierung Bismarck.27 Das Augenmerk Cranstons (1970)28 lag auf der Binnenpluralität der Monatsschrift, also den verschiedenen darin vertretenen politischen Ansichten, und dem Zwist um den richtigen Weg zur liberalen Ausgestaltung des Staates. Demnach schriftenwesen II (1962), Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert (1966) und Fischers Reihe über Deutsche Zeitungen, Zeitschriften, Publizisten und Verleger (1971 bis 1975). 25 Diese sind: Scheffer, Preußische Publizistik im Jahre 1859 (1902); Dieudonné, Kölnische Zeitung (1903); Buchholtz, Vossische Zeitung (1904); Mittelstaedt, Der Krieg von 1859 (1904); Verlag der Frankfurter Zeitung, Geschichte der Frankfurter Zeitung (1906); Körner, Norddeutsche Publizistik und Annexionsfragen (1907); Nirrnheim, Der Konflikt in Preußen und die Berufung Bismarcks (1907); Nirrnheim, Das erste Jahr des Ministeriums Bismarck (1908); Bandmann, Deutsche Presse und die Entwicklung der deutschen Frage (1910); Frisch, Die Einigung Deutschlands im Lichte der bayerischen Publizistik (1915); Widdecke, Geschichte der Spenerschen Zeitung (1925); Rau, Entwicklung der Dt. Frage im Spiegel der Münchner Neuesten Nachrichten (1926); Bierling, Königgrätz in der Beurteilung der deutschen Presse (1932); Stoll, Politische Stellung der Frankfurter Zeitung (1932); Friehe, Geschichte der Nationalzeitung (1933); Martin, Die Stellung der Historisch-Politischen Blätter zur Reichsgründung (1933); Hahn, Berliner Revue (1934); Gebhardt, Deutsche Politik der Augsburger Allgemeinen Zeitung (1935); Zang, Die Gartenlaube als politisches Organ (1935). 26 Rezension in: HZ 126 (1922), S. 488 ff., hier S. 488 f. 27 Vgl. Riethmüller, Russlandberichterstattung der PJ, S. 13 ff. 28 Cranston, German Unification and the Liberal Ideal in the Preussische Jahrbücher 1858 – 1877, Madison 1970.
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A. Forschungsstand und Fragestellung
waren die PJ nie ein geschlossener Block. Sie zerfielen, ähnlich wie die Altliberalen im preußischen Abgeordnetenhaus, in eine regierungstreue Fraktion und in eine, die sich vor allem für den Ausbau der Verfassung einsetzte. Cranston stellte in seiner Studie, die bis 1877 reicht, die These auf: In den PJ habe immer ein Zug zur Unterordnung unter die Interessen des Staates und der Krone dominiert. Ein Sonderfall ist Berchts Arbeit Die innen- und außenpolitische Konzeption der PJ (1981). Der Autor wollte dem „akuten Nachholbedarf hinsichtlich der konkreten Erforschung der Geschichte der Ausbeuterklasse“ nachkommen und den „historische[n] Verrat der hinter dem Periodikum stehenden bourgeoisen Führungsgruppe“ aufdecken.29 Bercht klammert in seiner Untersuchung die Philosophie, Literatur und Kulturpolitik in den PJ aus. Er setzt einen außenpolitischen Schwerpunkt und hat so wenig Mühe, den Weg der Zeitschrift direkt vom liberalen Lager in das Lager Bismarcks zu zeichnen, der die außenpolitischen Wünsche der Altliberalen zu großen Teilen erfüllt hatte. Berchts äußerst tendenziöse Dissertation besticht aber davon abgesehen durch ausführliches Zitieren und historische Detailkenntnis. Heinrich Wuttke ließ 1875 als erster die Inhalte der PJ in eine wissenschaftliche Überblicksstudie einfließen. Er zitierte sie als Beispiel für die Wendung der Liberalen hin zu Bismarcks Macht- und Expansionspolitik.30 Gerade im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts waren die PJ Teil vergleichender Studien über die Presselandschaft der Reichsgründungszeit. Scheffer (1902), Mittelstaedt (1904), Körner (1907), Nirrnheim (1907/08) und Bandmann (1910) setzten die Veröffentlichungen der PJ in Bezug mit denen anderer Printmedien und behandelten die Zeitschrift als Meinungsführer des gemäßigten Liberalismus – die Hintergründe der Veröffentlichungen beachteten auch sie kaum. Gleiches gilt für die thematisch eng zugeschnittenen Studien von Bierling (1932) und neuestens Richter (2011). Aus Beiträgen in den PJ haben sich auch Kontroversen über historische Detailfragen entwickelt, wie zwischen Gall und Lipgens (1964/68) über die Rolle Bismarcks beim Aufkommen der Annexionsforderungen um Elsass und Lothringen 1870.31 Die Frage der Vermittlung von Krieg in den Printmedien des 19. Jahrhunderts – auch in den PJ – beschäftigte unter anderem Körner (1907) und neuestens Becker (2001).32 Fülling nutzte 1933 in seiner Untersuchung über Die preußischen Altliberalen im Heeresreform- und Verfassungskampf und die Entstehung der Nationalliberalen Partei Äußerungen aus den PJ. Gemeinsam ist allen genannten Studien, dass sie sich lediglich mit dem gedruckten Wort in den PJ auseinandersetzten, um die Haltung der Zeitschrift und den wichtigsten Autoren zu hinterfragen. Die edierten Briefwechsel der Herausgeber 29
Bercht, Konzeption der PJ, S. III und S. V. Vgl. Wuttke, Die deutschen Zeitschriften, S. 147. 31 Lipgens, Bismarck, die öffentliche Meinung und die Annexion von Elsass und Lothringen, in: HZ 199/1 (1964), S. 31 ff.; Gall, Annexion von Elsass und Lothringen, in: HZ 206/2 (1968), S. 265 ff.; Lipgens, Erwiderung, in: HZ 206/3 (1968), S. 586 ff. 32 Becker, Bilder von Krieg und Nation; Körner, Die Annexionsfragen 1870. 30
III. Zu Fragestellung und Methode
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wurden nur von einer Handvoll Forscher zur besseren Einordnung der Inhalte genutzt, ihre Nachlässe – oder gar die weiterer Autoren der Zeitschrift – haben in der Forschung über die PJ bisher keine Verwendung gefunden. Dies führte zum Teil zu fragwürdigen Einordnungen der Zeitschrift, beispielsweise durch Na’aman, der die PJ in seiner anerkannten Monographie über den Nationalverein als „esoterische Zeitschrift“33 bezeichnet hat. Wassmann zumindest wies zu Beginn seiner Studie auf die schwierige Quellenlage hin, da die Archivbestände der PJ während des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen seien.34 Heute sind Teile davon im Verlagsarchiv de Gruyter in der Berliner Staatsbibliothek (vgl. Quellen- und Literaturverzeichnis) wieder zu finden.
III. Zu Fragestellung und Methode In dieser Studie wird die Berichterstattung und Kommentierung der Ereignisse zwischen 1858 (Gründung der PJ und Beginn der Neuen Ära in Preußen) und 1871 (Reichsgründung) in einer der altliberalen Partei nahe stehenden Zeitschrift untersucht, auf diese Weise ihre politische Ideenwelt rekonstruiert, ihre innere und äußere Entwicklung verfolgt und in die Geschichte des kleindeutschen Liberalismus eingeordnet. Das zentrale Erkenntnisinteresse bezieht sich zunächst auf die Themen, die in der Berichterstattung der PJ im Vordergrund stehen und deren Weltbild prägen. Zeitschriftenmacher bestimmten und bestimmen schließlich durch Hochspielen und Vernachlässigen von Sachverhalten, welche Probleme in einer Gesellschaft als wichtig angesehen und welche vernachlässigt werden.35 Entwerfen die Autoren der PJ beispielsweise Alternativkonzepte zur tatsächlichen politischen Entwicklung? Welche Themen werden überhaupt in der Zeitschrift behandelt, welche nicht, und wie kommen die Herausgeber zu ihrer Prioritätensetzung? Denn Zeitschriften können ihr Publikum beeinflussen, sich gegenseitig und auch politische Instanzen. Andererseits werden sie durch die Reaktion des Publikums sowie private und politische Öffentlichkeitsarbeit beeinflusst.36 In Preußen instrumentalisierte das Pressebüro der Regierung Zeitungen und Zeitschriften, um Konflikte durch das Hochspielen und Zurückhalten von Informationen zuzuspitzen. 33
Na’aman, Nationalverein, S. 102. Vgl. Wassmann, Österreich in den PJ, Vorwort. 35 „Massenmedien können also, indem sie beeinflussen, worüber wir nachdenken, zumindest in bestimmten Situationen auch beeinflussen, was wir denken“, erläutert Brettschneider, Agenda-Setting, S. 226. Vgl. Kepplinger, Grenzen des Wirkungsbegriffes, S. 108 f. 36 Vgl. Jäckel, Mediensoziologie, S. 65 und S. 202 sowie Wuttke, Deutsche Zeitschriften, S. 203 ff. Dass bei der Anwendung des Agenda-Setting-Ansatzes und des sogenannten sogenannten Stimulus-Response-Modells Vorsicht angebracht sein muss, betont Schulz, Ausblick, S. 55 ff. 34
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A. Forschungsstand und Fragestellung
Gerade den PJ wird nachgesagt, stets eine wohlwollende Haltung gegenüber der eigenen Regierung eingenommen zu haben und von der Zentralstelle für Pressangelegenheiten (später Literarisches Büro) des preußischen Staatsministeriums in ihrer Themenwahl beeinflusst oder gar subventioniert worden zu sein.37 Tatsächlich hatten wichtige PJ-Autoren wie Hermann Baumgarten und Karl Neumann Pressearbeit für die preußische Regierung geleistet, Wilhelm Wehrenpfennig und Max Duncker hatten zeitweise das Literarische Büro geleitet. Letzterer wirkte später als Berater des Kronprinzen und arbeitete im Wendejahr 1866 in diplomatischer Mission für den preußischen Staat. Zeitgleich stand PJ-Herausgeber Heinrich von Treitschke in regelmäßigem Kontakt mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck. Nur eine genaue Analyse der Korrespondenz der PJ-Herausgeber und Autoren kann ermitteln, wie diese das politische Geschehen interpretierten und ob ihre Kontakte zur Staatsführung über ein kritisch-distanziertes Maß hinausgingen. Ergänzt werden die Ausführungen der Zeitschrift also durch Zitate aus den edierten Briefwechseln ihrer wichtigsten Mitarbeiter, durch Auszüge aus Akten der preußischen Staatsministerien und durch neue Erkenntnisse aus der Auswertung der Korrespondenz von Herausgebern und Autoren aus deutschlandweit zehn Archiven. Als äußerst ergiebig erwiesen haben sich hierbei die Nachlässe der PJ-Herausgeber Rudolf Haym (Universitäts- und Landesbibliothek Halle/Saale), Wilhelm Wehrenpfennig (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz) und Heinrich von Treitschke (Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz) sowie das Archiv des Verlags Georg Reimer (als Teil des Verlagsarchivs de Gruyter in der Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz), in dem die PJ seit 1858 erschienen. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz finden sich darüber hinaus der Nachlass Max Dunckers, dem sich alle Herausgeber bis 1871 anvertraut haben, sowie Regierungsund Prozessakten zu den PJ. Wichtige Erkenntnisse über die Sicht der süddeutschen Mitarbeiter der PJ erbrachten Nachlassauswertungen in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und der Universitätsbibliothek Tübingen. Bei der Untersuchung des Zeitschrifteninhalts an sich muss zwischen der systematischen Inhaltsanalyse und der subjektiven Textinterpretation ein Mittelweg gefunden werden. Frölich hat bemerkt, dass das bei „pressegeschichtlichen Untersuchungen fundamentale Problem der Einordnung einzelner Artikel und Textstellen […] zufriedenstellend zu lösen [ist], wenn dies vor dem Hintergrund einer möglichst breiten Kenntnis und Erfassung des gesamten Zeitungsinhalts geschieht“38. Eine Längsschnittstudie zu einer Publikation über einen Zeitraum von vierzehn Jahren birgt dabei Chancen und Risiken. Die Konzentration auf ein Blatt ergibt ein immenses Wissen über die Hintergründe der Entstehung einzelner Artikel; gleichzeitig 37 Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 24, bezeichnete die Haltung der PJ als abhängig von offiziösen Stellungnahmen. Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 219 und Prugel, Treitschke, S. 76 f. – die sich beide nur am Rande mit den PJ beschäftigten – bezeichneten die Zeitschrift als puren Verfechter Bismarckscher Politik. 38 Frölich, Volkszeitung, S. 10 f.
III. Zu Fragestellung und Methode
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besteht die Gefahr der falschen Einordnung, weil der Vergleich mit anderen Blättern wegen des hohen Arbeitsaufwands nur punktuell erfolgen kann. Dennoch dürfte dieser Längsschnitt genug Vergleichsmaterial innerhalb der PJ erbringen. Auch werden Vergleiche mit anderen Zeitungen und deren Positionen gezogen und andere Stimmen im liberalen Lager gehört. Dabei schließe ich mich dem Urteil an: „Auch wenn dann dabei häufig auf sekundäre Texte zurückgegriffen wird, dürfte doch die Gefahr der ,Isolation‘ eingedämmt sein.“39 Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Studie liegt auf der Erforschung der Rolle von PJ und Altliberalen innerhalb der liberalen Nationalbewegung. Gerade in der Epoche vor der Reichsgründung befanden sich Liberale aller parteipolitischer Schattierungen in einem Zwiespalt zwischen dem Glauben an eine weitere verfassungspolitische Liberalisierung bei gleichzeitiger Überhöhung staatlicher Macht in Bezug auf die Außenpolitik. So wird heute die gängige Meinung vom Wort Lothar Galls geprägt, nach dem die Liberalen „Grundsätze und Zielvorstellungen im Interesse einer Zukunft über Bord w[a]rfen […], die zwar ihren materiellen Interessen und einem Teil ihrer Erwartungen, bei den Liberalen vor allem in nationalpolitischer Hinsicht, entsprach[en], aber insgesamt doch durchaus nicht dem, was ihnen jeweils als die anzustrebende politische und gesellschaftliche Ordnung vorgeschwebt hatte“40. Von Anfang an glaubten die Altliberalen, ihre Ziele am besten in Kooperation mit der Staatsführung fördern zu können. Verrieten sie deshalb ihre Ideale, wie es die linksliberale Geschichtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg postulierte?41 Entwickelten sich die PJ im Laufe der stürmischen innen- und außenpolitischen Entwicklung bis 1871 zu einem Organ der Nationalliberalen Partei, um „Deutschland […] durch die Revolution von oben zu einen, die demokratische Bewegung zu überrollen – reaktionär und militärisch“42 ? Im Folgenden soll also untersucht werden, in welchem Ausmaß ein Gesinnungswandel stattfand, ob die Altliberalen im Zuge der parteipolitischen Neuaufstellung 1866/67 wirklich bedingungslos auf den Kurs der Nationalliberalen eingeschwenkt sind und welche Rolle die PJ in der Kontroverse darüber spielten. Als Quellenbasis dienen auch hier in erster Linie die oben bereits erwähnten archivarischen Fundstücke und die 28 Halbjahresbände der Zeitschrift, die in den Untersuchungszeitraum dieser Studie fallen. Schließlich sind das beste Zeugnis einer Zeitschrift ihre Selbstaussagen und mitnichten ihre Programme, die oft aus leeren Worthülsen bestehen.43 Zudem ermöglicht der regelmäßige Abgleich mit den Ver39
Frölich, Volkszeitung, S. 12. Gall, Europa auf dem Weg in die Moderne, S. 65. 41 Vgl. dazu Kiesewetter, Von Hegel zu Hitler; Kohn, Wege und Irrwege und Sell, Tragödie des Liberalismus. 42 Bercht, Konzeption der PJ, S. 149. 43 Haacke, Erforschung der politischen Zeitschrift, S. 12, spricht von „wohltemperierte[n] Erklärungen über das geplante Vorhaben. In Briefwechseln, die Gründungen vorausgehen oder 40
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A. Forschungsstand und Fragestellung
öffentlichungen anderer führender deutschsprachiger Zeitungen und Zeitschriften – aus dem liberalen Lager vor allem Grenzboten, Volkszeitung, Kölnische Zeitung und Nationalzeitung, aus dem konservativen Lager zumeist die Historisch-politischen Blätter für das Katholische Deutschland und die Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung – eine präzisere Positionsbestimmung der PJ im Kontext der öffentlichen Meinung.44 Hinzu kommt die Analyse der für das Erschließen liberalen Gedankenguts unerlässlichen Politischen Briefsammlungen der Liberalen im Zeitalter Bismarcks, herausgegeben von Julius Heyderhoff und Paul Wentzcke, ergänzt um Christian Jansens Politische Briefe deutscher Liberaler und Demokraten von 1849 bis 1861. Anspruch einer politisch geprägten Zeitschrift und ihrer Autoren ist, die Meinungsbildung eines größeren Publikums zu beeinflussen. Daher bezieht sich das dritte Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie auf die Wirkungsmacht der PJ. Den Einfluss einer Zeitschrift auf ihr Publikum und die Gesellschaft erwarten und messen zu wollen, ist jedoch ein riskantes Unterfangen – erst recht, wenn es im Fall der PJ mit 150 Jahren Abstand geschieht. Wichtige Personen des öffentlichen Lebens können mit ihrer Interpretation der Berichterstattung den öffentlichen Diskurs prägen. Daher stellen sich die offensichtlichen Fragen: An wen wenden sich die PJ? Wer liest sie? Wer interpretiert ihre Inhalte? Die Frage nach der Zielgruppe der Zeitschrift – so es eine genau definierte gibt – beantworten die Korrespondenz zwischen Verleger und Herausgeber gerade in der Gründungsphase und das eigene Programm. Denn jedes Medium enthält eine mächtigere Aussage, die der Diskussion über einzelne Inhalte vorausgeht. Die PJ vermittelten anfangs den „hohen Wert einer wahrhaft unabhängigen, der Parteilandschaft entrückten, den Ereignissen von höherer Warte folgenden Publizistik“45 und versuchten damit eine bildungsbürgerlich geprägte Leserschaft an sich zu binden. Schwieriger dürften Informationen über die tatsächliche Leserschaft zu erhalten sein. Bisher gibt es keine Aufstellungen über die Struktur der Leserschaft und keine systematischen Stellungnahmen darüber, wie die Zeitschrift von ihren Lesern aufgenommen wurde. Wenig verlässlich sind auch die Informationen aus der historiUmwandlungen begleiten, sind sie zu entdecken. Eine Fundgrube ohnegleichen bilden die anlässlich Jubiläen, Verlagswechseln oder Redaktionsumstellungen veröffentlichten Erklärungen in eigener Sache. Nicht minder aufschlussreich sind jede am Ende aller Tage, das für Zeitschriften bisweilen schon nach dem ersten Heft eintritt, von enttäuschten Gründern notierten Fragen, warum das womöglich mit Subventionen ins Leben gerufene Blatt von der Öffentlichkeit nie aufgeblättert wurde. […] In liberalen Zeitschriften-Programmen richtet sich bei inhärent tragischer Programmlosigkeit, doch stets unter medikanten Worten, der Blick weit ins Leere oder leer ins Weite.“ 44 Der großen Menge an zu bearbeitendem Textmaterial ist es geschuldet, dass die Stellungnahmen der genannten Medien zum größten Teil aus der Sekundärliteratur entnommen wurden. Neben den im Literaturverzeichnis genannten Einzelstudien besonders wichtig waren die Bibliographien zur Nationalpolitischen Publizistik Deutschlands von 1859 bis 1871, herausgegeben von Hans Rosenberg und Karl Georg Faber. 45 Heyderhoff, Deutscher Liberalismus, S. 11.
III. Zu Fragestellung und Methode
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schen Forschung: nicht gelesen wurden die PJ in Österreich46 ; die höchste Auflage betrug 1875/6 1700 verkaufte Exemplare47. Durch den exponierten politischen Stellenwert der Zeitschrift und ihrer Leser ist jedoch zu erwarten, dass die PJ beispielsweise von Professoren und Politikern an Studenten, Schüler und Mitstreiter weitergegeben wurden, in Bibliotheken verfügbar waren, von Vereinen oder juristischen Studiengesellschaften48 abonniert wurden. Somit wird der Leserkreis deutlich größer gewesen sein, als es die Zahl der Abonnenten zunächst vermuten lässt. Nur teilweise zu beantworten bleibt die Frage nach dem Einfluss der PJ auf die Meinungsbildung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Es bleibt – so hat es bereits Frölich in seiner ähnlich angelegten Untersuchung über die Volkszeitung angedeutet – nichts anderes übrig, als „die ganz vereinzelten und höchst zufälligen Hinweise Stück für Stück zusammenzutragen und darauf zu hoffen, dass sich so wenigstens Hypothesen und schemenhafte Antworten entwickeln lassen“49. Zumindest die zeitgenössische mediale Interpretation des Zeitschrifteninhalts lässt sich noch heute darstellen: sollten sich in den bereits erwähnten Untersuchungen zu führenden deutschsprachigen Medien wie Grenzboten, Nationalzeitung, Kreuzzeitung und weiteren Verweise auf die PJ finden, werden sie auch in der vorliegenden Studie verwendet. Um die offizielle Deutung nachzuvollziehen, hilft das Hinzuziehen der preußischen Regierungsakten, die heute im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz lagern, und der halbamtlichen Provinzial-Correspondenzen50, die ab Juli 1863 erschienen. Der Denk- und Kommunikationsprozess selbst einzelner Personen jedoch lässt sich mit 150 Jahren Abstand nicht mehr vollständig rekonstruieren. „Nimmt man eine vereinfachte Form des Laswellschen Schemas – Kommunikatoren/ Aussagen/Medien/ Rezipienten – als Raster, so liegt unser Schwerpunkt eindeutig auf den Aussagen. Auf die übrigen Aspekte wird zwar eingegangen, aber keinesfalls in demselben Umfang. Diese Einseitigkeit ist aber durchaus plausibel, denn der Schwerpunkt der Arbeit liegt eben nicht auf kommunikationswissenschaftlichen Fragestellungen, sondern auf politik- und ideengeschichtlichen. […Der] Pressehistoriker wird wohl damit leben müssen, dass die Aussagen in der Zeitung allemal besser und vollständiger überliefert sind als die übrigen Aspekte des Kommunikationsprozesses.“51
Eine gewisse Annäherung kann – wie bereits beschrieben – durch die gründliche Analyse des Briefwechsels von PJ-Herausgebern und Autoren erreicht werden. Unbestritten ist, dass die Übermittlung von Nachrichten und Meinungen per Brief zur 46
Vgl. Westphal, Staatsauffassung des Liberalismus, S. 50. Vgl. Kirchner, Zeitschriftenwesen II, S. 463. 48 Vgl. die Studie von Kellermann über juristische Studiengesellschaften im heutigen Deutschland als Forum verfassungspolitischer Diskussionen ab dem Ende der 1850er-Jahre. 49 Frölich, Volkszeitung, S. 14. 50 Die Provinzial-Correspondenz ist heute komplett digitalisiert verfügbar unter http:// zefys.staatsbibliothek-berlin.de/list/title/zdb/9838247/ (letzter Zugriff vom 6. April 2016). 51 Frölich, Volkszeitung, S. 14 f. 47
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A. Forschungsstand und Fragestellung
Zeit des unfertigen Presse- und Parteiwesens vor der Reichsgründung immens wichtig war.52 Tenor im 19. Jahrhundert war, Gedanken offen auszuschreiben. Dennoch bleibt Vorsicht geboten: Gerade im Brief ist Verstellung leicht möglich, die Absicht hinter einer Aussage oder auch deren Rezeption sind „unter Umständen viel komplexer als ein unbeteiligter Leser erschließen kann“53. Schwerpunkt der Auswertung der politisch engagierten Presse bleibt daher das Medium selbst – also die PJ und deren Autoren, deren politische Absichten und publizistische Möglichkeiten. Damit hängt ein viertes Erkenntnisinteresse zusammen: die Frage nach dem Verhältnis von Alltagsrealität und Medienwirklichkeit in den PJ, oder allgemeiner formuliert, der Glaubwürdigkeit der Zeitschriftenbeiträge. Bieten die Autoren verlässliche Bewertungen politischer Ereignisse und historischer Tatsachen an? Oder konstruieren sie durch den Einsatz journalistischer Stilmittel – wie Wiederholung, Steigerung, Verschweigen oder Verzerren von Sachverhalten – in bestimmten Fällen eine soziale Realität, die von bestimmten Schlagworten oder Stereotypen geprägt ist?54 Denn schon im 19. Jahrhundert machten die meisten Personen keine direkten Erfahrungen mehr mit den Gegenständen der Berichterstattung. So kann organisierte Agitation eine künstliche öffentliche Meinung erzeugen. Die Form eines Artikels und die darin vermittelten Emotionen siegen dann über Sachverstand und Rationalität.55
IV. Zum Aufbau der Studie Die vorliegende Untersuchung erläutert zunächst die politischen und geistesgeschichtlichen Hintergründe der PJ. Danach wird die Entstehung der Publikation thematisiert, Herausgeber Rudolf Haym, seine Arbeitsweise und die erste Generation der Mitarbeiter vorgestellt. Anhand der ersten fünf Jahrgänge der PJ wird im Hauptteil die Sicht der Altliberalen auf das politische Geschehen in Europa, im Deutschen Bund und im Preußen der Neuen Ära (Kapitel C.) dargestellt. Kapitel D. beschäftigt sich mit den Inhalten und Hintergründen der Monatsschrift im Preußi52 Grube, Einheitsbewegung, S. 325, nennt das Beispiel Max Duncker. Dessen Briefe „gingen vielfach unter den Tübinger Professoren und Stuttgarter Politikern von Hand zu Hand […]. Und ebenso fanden die an Duncker gerichteten Schreiben der Württemberger innerhalb der preußischen Regierung und in Berliner politischen Kreisen rege Verbreitung. Gestützt wurde die briefliche Wechselwirkung durch den lebhaften Austausch von Zeitungen, Zeitschriften und politischen Broschüren.“ Vgl. auch Herres/Neuhaus, Briefkommunikation, S. 7 ff. 53 Baasner, Briefkultur, S. 3. 54 Vgl. Bonfadelli, Medienwirkungsforschung I, S. 237. Haacke, Politische Zeitschrift, S. 38 ff., betont, dass Zeitschriften immer auf Geschmack, Wünsche und Sorgen des erwarteten Leserkreises ausgerichtet sind. 55 Vgl. Jäckel, Medienwirkungen, S. 164, und Schenk, Medienwirkungsforschung, S. 149 ff.
IV. Zum Aufbau der Studie
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schen Verfassungskonflikt und den Zeiten außenpolitischer Auseinandersetzungen vom Polnischen Aufstand 1863 bis zum preußisch-österreichischen Krieg 1866. Die PJ im Umbruch lautet der Titel von Kapitel E. Darin wird zunächst der Wandel des äußeren Erscheinungsbildes der Zeitschrift dargestellt: auf das Ende der Herausgeberschaft Rudolf Hayms 1864 folgten der Einstieg Wilhelm Wehrenpfennigs und Heinrich von Treitschkes – und damit zusammenhängend nicht unwesentliche Neubesetzungen im Mitarbeiterstab, neue Themenschwerpunkte und die Rettung der PJ vor dem finanziellen Ruin. Kapitel F. zeichnet die Rolle der PJ im Norddeutschen Bund bis hin zum Krieg gegen Frankreich nach, Kapitel G. fasst erste inhaltliche Entwicklungen der PJ im ersten Jahr des Deutschen Reichs kurz zusammen. Es folgen das Abschlusskapitel H., in dem der Ertrag der vorliegenden Arbeit zusammengefasst wird, ein noch nie so vollständig nachgewiesenes Artikelregister der PJ-Bände I bis XXVIII sowie das Quellen- und Literaturverzeichnis. Zu Beginn der drei Hauptkapitel sowie ihrer Unterkapitel steht eine vereinfachte Darstellung des politischen Geschehens zur besseren Einordnung der folgenden Inhalte aus den PJ. Diese werden oftmals personalisiert: sie fordern, weisen auf etwas hin, loben, tadeln. Schließlich erschienen die Artikel der Monatsschrift anonym, nicht „der berühmte oder unberühmte Mann, sondern die Preußischen Jahrbücher sollten gehört werden“56.
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Haym, Aus meinem Leben, S. 260.
B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher I. Grundzüge der preußischen Politik und die Entwicklung des politischen Liberalismus in der Reaktionszeit Auf dem Papier war Preußen seit 1850 ein konstitutioneller Staat. Die 1848 oktroyierte und zwei Jahre darauf revidierte Verfassung basierte im Kern auf dem Zusammenwirken von Monarch, Ministerium und Landtag. Doch das monarchische Prinzip dominierte. Wegen der mehrdeutigen Konstruktion grundlegender Verfassungsprinzipien konnte Friedrich Wilhelm IV. – König von Gottes Gnaden – seine Herrschaft auf Heer, Bürokratie und Diplomatie stützen und diese der parlamentarischen Kontrolle entziehen. Auch Regierung und Abgeordnetenhaus hingen gänzlich vom königlichen Vertrauen ab. Das vom Volk nach Dreiklassenwahl zusammengestellte Parlament konnte der Monarch berufen, vertagen und auflösen.1 Außerhalb des Königshofes konzentrierte sich sämtliche Macht auf die konservativsten Vertreter des preußischen Landadels, die „von der Unvereinbarkeit des konstitutionellen mit dem parlamentarischen Regierungssystem“2 überzeugt waren. Ihre Vorrechte, Besitz- und Rechtstitel gingen weit über das Maß ihrer ökonomischen Stärke hinaus. Klein- und Hochadel dominierten das Herrenhaus, Kreis- und Provinziallandtage sicherten als ständische Vertretungen den Rittergutsbesitzern die absolute Mehrheit. Armee und Verwaltung waren gänzlich vom Adel durchdrungen. Da die Kreistage die Landratsstellen vorschlugen, hatte der Adel entscheidenden Einfluss auf die untere Beamtenschicht.3 Auch im preußischen Abgeordnetenhaus hatten die Konservativen zwischen 1855 und 1858 eine solide Mehrheit. 181 Konservativen standen 171 Abgeordnete anderer Fraktionen gegenüber. Allerdings war es zu dieser Sitzverteilung nur durch massive Wahlbeeinflussung seitens der Konservativen gekommen.4 Die liberalen Anführer von Vincke und von Patow5 brachten unermüdlich Forderungen ein, die von den Reaktionären zurückgewiesen wurden. Seine politische Hauptaufgabe sah das 1
Vgl. Paetau, Regierende Altliberale, S. 170 f. Fehrenbach, Verfassungsstaat und Nationsbildung, S. 82. 3 Vgl. Börner, Neue Ära, S. 86. 4 Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 160. 5 Die Doppel-Fraktion von Georg Ernst Friedrich Freiherr von Vincke (1811 – 1875) und Erasmus Freiherr von Patow (1804 – 1890) hatte zwischen 1855 und 1858 konstant um die 30 Sitze im Abgeordnetenhaus inne. 2
I. Grundzüge der preußischen Politik
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konservative Junkertum darin, mit allen Mitteln die Neuauflage einer Revolution zu verhindern.6 Das Ministerium Otto von Manteuffel7 arbeitete mit polizeilicher Willkür und Ausbau der Bürokratie an der Restauration der adeligen Vormachtstellung. Die Neue Preußische Zeitung/Kreuzzeitung, das Organ der Konservativen, predigte selbstbewusst den Ausbau einer konservativen Staats- und Gesellschaftsordnung. Doch die preußische Gesellschaft bewegte sich zunehmend in eine andere Richtung. Die Besitz- und Bildungsbürger waren wirtschaftlich und sozial gestärkt und empfanden zumeist Genugtuung über die Rückkehr von Ruhe und Ordnung nach der Revolution von 1848.8 Mit ihrem Glauben an gesellschaftlichen Fortschritt aber war ihre politische Bedeutungslosigkeit nicht zu vereinbaren. Politische Mitbestimmung konnte diese kleine, intellektuell und wirtschaftlich tonangebende Gruppe – Wehler hat sie auf höchstens 0,75 Prozent der Bevölkerung beziffert9 – also nur durch den Machtausgleich mit den monarchischen Kräften erlangen. Innerhalb der Konservativen hatten sich inzwischen verschiedene Strömungen gebildet. Im rechten Lager des preußischen Abgeordnetenhauses war eine „deutlich abnehmende Gruppendisziplin“ zu erkennen, es entspann sich eine „verwirrende Szenerie von sich überkreuzenden oder quer durch Kamarilla, Kabinett und Kammern verlaufenden Frontlinien“.10 Seit 1851/2 opponierte die liberalkonservative Wochenblattpartei teils heftig gegen das Ministerium Manteuffel. Neben der weiter starken Stellung des Königtums forderte sie einen deutschen Nationalstaat unter preußischer Führung, der durch Anlehnung an die Westmächte gesichert werden sollte. Am äußersten rechten Spektrum wirkten im Abgeordnetenhaus die Kreuzzeitungspartei und am Hofe die königsnahe Kamarilla, um die liberalen Ergebnisse von 1848 ungeschehen zu machen. König Friedrich Wilhelm IV. erkannte der Kamarilla die Funktion eines Gegengewichts zum konstitutionellen Ministerium Manteuffel zu. So besetzte dieser Personenkreis einen großen Teil des Staatsapparats und konnte seinen Interessen widerstrebende Entscheidungen in ihrer Ausführung verzögern oder ganz verhindern. 6
Vgl. Fülling, Preußische Altliberale, S. 5; Westphal, Staatsauffassung, S. 28; Mann, Dt. Geschichte, S. 261 f. 7 Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805 – 1882): ab Dezember 1848 preußischer Innenminister, von 1850 bis 1858 Ministerpräsident und Außenminister, ab 1866 Mitglied des Herrenhauses. 8 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte III, S. 112. Politische Apathie bzw. Zurückhaltung des Bürgertums betonen auch Bercht, Konzeption der PJ, S. 1; Grünthal, Parlamentarismus in Preußen, S. 471; Börner, Neue Ära, S. 86; Biermann, Tiger des Nationalismus, S. 252 ff. 9 Wehler, Gesellschaftsgeschichte III, S. 127: „Das ist ein erstaunlich schmales Reservoir für eine so eminent einflussreiche und herausragende bürgerliche Sozialformation, wie sie auch zu dieser Zeit das deutsche Bildungsbürgertum verkörpert hat.“ Vgl. Börner, Neue Ära, S. 85 und S. 91. 10 Grünthal, Parlamentarismus, S. 410. Vgl. auch Börner, Krise preußischer Monarchie, S. 19 ff. Auch Bahne, Vor dem Konflikt, S. 160, erwähnt Auflösungserscheinungen bei den Konservativen während der 1850er-Jahre.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Ministerium und König fehlte eine einheitliche politische Konzeption der Restauration. Sie führten „einen ständigen Kampf zwischen ihren Fraktionen. Diese Situation führte zu einer Lähmung der innenpolitischen Entwicklung und widerspiegelte sich außenpolitisch in einer Reihe von Misserfolgen“.11 In der Außenpolitik blieb nur noch Österreich als Verbündeter. Die Heilige Allianz mit Russland war brüchig, seit Preußen im Krimkrieg mit einer Politik der Neutralität und Drohgebärden aufgetreten war. In Berlin fürchtete man daher ein Bündnis zwischen Paris und Moskau und bemühte sich um gute Beziehungen zu England. Aber auch innerhalb des Deutschen Bundes kam es vermehrt zu Spannungen. Der Dualismus der Führungskräfte Preußen und Österreich machte konstruktive Entscheidungen praktisch unmöglich. Preußen wollte sich nicht mit der Rolle des Juniorpartners abgeben und widersetzte sich allen österreichischen Initiativen, die auf die Erweiterung der Bundeskompetenzen und die Stärkung des Mehrheitsprinzips zielten. Die Donaumonarchie befürchtete, durch die preußische Politik aus Deutschland gedrängt zu werden und lehnte alle Forderungen nach gleichberechtigter Führung kategorisch ab. „Die daraus resultierende Stagnation musste sich früher oder später in einem Konflikt entladen. Von diesen Ahnungen durchdrungen belauerte man sich gegenseitig. Jeder wartete darauf, dass es gelang, das augenblickliche machtpolitische Patt entscheidend zum eigenen Vorteil zu verändern.“12 Indes war der preußische König Friedrich Wilhelm IV. an einer Gesichtsrose erkrankt. Sie zog eine partielle Lähmung wichtiger Gehirnteile und des Sprachvermögens nach sich. Mit dem Erlass vom 23. Oktober 1857 hatte der König seinen Bruder, Thronfolger Prinz Wilhelm, für drei Monate mit seiner Stellvertretung beauftragt. Die Weisung an seinen Bruder war, die Regierung nach den bisherigen Richtlinien weiterzuführen.
1. Die Entwicklung des Altliberalismus in Preußen In der „Ideenfamilie des Liberalismus“13 zeigten sich im Laufe ihrer Entwicklung verschiedene Schattierungen und Verwerfungen. Gemeinsam ist den liberalen Strömungen jeglicher Prägung im Deutschland des 19. Jahrhunderts die Forderung nach Freiheit des Einzelnen im Staat. Die angebliche Staatsfeindlichkeit des Libe11
Börner, Neue Ära, S. 91. Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 465. 13 Sheehan, Deutscher Liberalismus, S. 11. Dazu auch Langewiesche, Liberalismus in Europa, S. 386 f. „Liberale Ideen gestalteten das 19. Jahrhundert, doch sie allgemeingültig zu definieren, ist stets misslungen. Bücher über die Geschichte des Liberalismus pflegen deshalb mit der Hoffnung zu beginnen, am Ende werde man wissen, was Liberalismus gewesen sei. Dieses Verfahren ist […] angemessen, denn die verhaltensprägenden Leitbilder des Liberalismus formten sich immer wieder um, auf die jeweiligen Verhältnisse flexibel reagierend und mit einer großen Spannweite an Meinungen, die von der liberalen Gesinnungsgemeinschaft hingenommen wurde.“ 12
I. Grundzüge der preußischen Politik
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ralismus ist eine Legende: Unter den Liberalen bestand im Gegenteil das Verlangen nach einem starken und effektiven Staat. Dieser Staat sollte gegen äußere Gefahren schützen und gleichzeitig eine Rechtsordnung der Freiheit im Inneren durchsetzen, die auf diesen Prinzipien beruhte: Schutz des Eigentums, freier Markt, gesetzliche Freiheit, bürgerliche Gleichheit, Selbstständigkeit und Öffentlichkeit im Rechtsstaat sowie Repräsentation. Um eine solche soziale Ordnung vor unberechenbaren staatlichen Eingriffen zu schützen, sollte sie durch eine Verfassung gesichert werden. Vollstrecker des Volkswillens blieb das Staatsoberhaupt, also der König.14 Was die Freiheit aber behinderte, galt es abzuschaffen – mit der Reform des Staates statt der Revolution. Man hatte erkannt, dass die Annäherung an die eigenen Ideale in einer allmählichen Entwicklung des monarchischen Staates möglich war.15 Dieses Streben hatte der konservative Ideologe und Politiker Friedrich Julius Stahl als „Halbdurchführung der Prinzipien der Revolution“16 bezeichnet. „Trotzdem ist liberales Denken […] origineller gewesen als das konservative, das jeder Frische entbehrte.“17 Wer liberal war, glaubte an den Fortschritt – in kleinen, nachvollziehbaren Schritten. Parteiähnliche Strukturen innerhalb des Liberalismus lassen sich zu Zeiten der Paulskirche erstmals nachweisen.18 Schon im Vorparlament waren die radikalen Gruppen ins Hintertreffen geraten und konnten sich nur mit einem fraktionellen Zusammenschluss des Übergewichts der Liberalen in der Paulskirche erwehren. Der Wunsch nach Einigkeit und Freiheit im Vaterland blieb der einzige gemeinsame Nenner der Bewegung. Bereits in der Paulskirchen-Debatte um das Wahlrecht zeigte sich: Nicht alle Liberale wollten nach der Gleichheit vor dem Gesetz auch die Gleichheit der politischen Rechte. Die Partizipation sollte auf das Besitz- und Bildungsbürgertum beschränkt werden. „[Die Liberalen] waren der Ansicht, dass mit dem allgemeinen Wahlrecht kein Staat bestehen könne, weil er sich dann auf Schichten des Volkes stützen müsse, die zu leicht zu beeinflussen seien, um eine kontinuierliche Entwicklung zu garantieren. Die unteren Klassen seien politisch nicht reif und selbständig und daher den verschiedenen Einflüssen preisgegeben, die sie einmal zu Revolutionen, dann wieder in die tiefste Reaktion führen könnten.“19 Die Abgeordneten der Casino-Fraktion gingen davon aus, dass nur in Zusammenarbeit mit dem Staat die öffentliche Ordnung wiederherzustellen sei. Sie vertraten das Prinzip der Missbrauchsverhütung durch das Parlament. Dem Monarchen sollte 14 Vgl. Bergsträsser, Geschichte der Parteien, S. 35 ff.; Göhler, Politische Theorien, S. 213 ff.; Kondylis, Niedergang der bürgerlichen Lebensform, S. 186. 15 Vgl. Bergsträsser, Geschichte der Parteien, S. 39; Bussmann, Liberalismus, S. 529; Leontovitsch, Wesen des Liberalismus, S. 50. 16 Zitiert in Wehlers Vorwort zu Rochau, Realpolitik, S. 15. 17 Mann, Deutsche Geschichte, S. 279. Ob konservativem Gedankengut des 19. Jahrhunderts tatsächlich die Frische fehlte, lässt sich kurz nachlesen in Bergsträsser, Geschichte der Parteien, S. 60 ff. 18 Vgl. Parisius, Deutschlands Parteien, S. 1 und Bergsträsser, ebd., S. 45 ff. bzw. S. 77 ff. 19 Gagel, Wahlrechtsfrage, S. 9.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
dabei die volle Initiative zur politischen Handlung obliegen, die Volksvertretung als institutionalisiertes Moment der Rechtswahrung und Opposition auftreten. So war es konsequent, Friedrich Wilhelm IV. die erbliche Kaiserkrone anzubieten, die dieser bekanntermaßen ablehnte. Aus den Vertretern der Casino-Fraktion entwickelten sich im Lauf der Zeit die preußischen Altliberalen. Zunächst trafen sie sich im Gothaer Rumpfparlament wieder, wo sie sich für die Annahme der Erfurter Unionsverfassung aussprachen. Die altliberale Fraktion im preußischen Landtag entstand aus der Diskussion um die oktroyierte Verfassung von 1850. Die demokratischen Kräfte lehnten die Verfassung wegen des monarchischen Prinzips ab. Die Altliberalen aber kämpften für ihre Annahme und versuchten durch die Vermittlung zwischen Konservativen und Demokraten eine Lösung zu finden.20 Die Reaktion im Preußen der 1850er-Jahre erlebten die meisten Altliberalen außerhalb der aktiven Politik – wenn sie auch im Gegensatz zu Linksliberalen und Demokraten keine verfolgte Minderheit waren. Sie bleiben „Einzelpersonen in einflussreichen Stellungen, auch im Staat, die mit den herrschenden Mächten eng verbunden waren“ und weiterhin an den Sieg ihrer Ideen glauben konnten.21 Als Abgeordnete und Professoren hatten sie Einfluss auf die öffentliche Meinung und kritisierten die politische Entwicklung. Die Reaktion aber dominierte das politische Leben weiter, das Abgeordnetenhaus blieb ohnmächtig. So blieb den Liberalen aller Couleur zunächst die Konzentration auf die wirtschaftliche Entwicklung. Dahinter steckte einerseits der Optimismus, über eine liberale Wirtschaftspolitik die gesamte staatliche Politik zu durchdringen. Andererseits ging es ihnen um die Vertretung, Ausbreitung und Festigung ihrer wirtschaftlichen Sonderinteressen. So bilanzierte die Nationalzeitung bereits im Jahr 1856: „Was die idealistischen Bestrebungen vergebens versuchten, es ist dem Materialismus in wenigen Monaten gelungen.“22
II. Die Politische Zeitschrift Zeitungen und Zeitschriften waren in der Mitte des 19. Jahrhunderts das einzige Medium, mit dem schnell, wiederholt und intensiv politische Meinungen gebildet werden konnten.23 Die preußische Verfassung von 1850 garantierte in Artikel 27 die Freiheit von Presse und Meinung, in Artikel 29 und 30 die Versammlungs- und 20 Dazu Bergsträsser, Geschichte der Parteien, S. 89: „Sie kamen dadurch in Preußen in eine unglückliche Zwischenstellung und stimmten schließlich auch einem Kompromiss über die Umwandlung der ersten Kammer in ein Herrenhaus zu, das bis zum Untergang der Monarchie die schwerste Belastung für die preußische und deutsche Innenpolitik werden sollte.“ 21 Na’Aman, Nationalverein, S. 38. Vgl. auch Gall, Liberalismus und Gesellschaft, S. 174. 22 Zitiert bei Sheehan, Liberalismus, S. 101. Für den Abschnitt vgl. ebd. und Bussmann, Liberalismus, S. 541 ff. 23 Vgl. Koszyk, Deutsche Presse, S. 127.
II. Die Politische Zeitschrift
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Vereinigungsfreiheit sowie in Artikel 33 das Briefgeheimnis. Gleichzeitig war die Beschränkung der Pressefreiheit in Artikel 27, Absatz 2 erlaubt: „[1] Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. [2] Die Zensur darf nicht eingeführt werden; jede andere Beschränkung der Pressfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung.“24 Das Gesetz über die Presse25 hatte von 1851 bis zum Erlass des Reichspressegesetzes 1874 Bestand. Nach dessen Wortlaut fand in Preußen keine Zensur statt. Stattdessen mussten sich alle Verleger mit dem Konzessionszwang arrangieren: Zur Gründung einer Zeitung oder Zeitschrift war eine behördliche Erlaubnis und eine hohe Kaution nötig. Unliebsame Verleger lebten in der ständigen Gefahr, festgenommen zu werden. Ihre Druckerzeugnisse mussten sie mit der Post verschicken und eine Stempelsteuer zahlen, die Zeitungen und Zeitschriften verteuerte, größere Druckauflagen erschwerte und den Einzelverkauf behinderte. Außerdem erleichterte das Verschicken der Publikationen per Post den Behörden, Unliebsames zu beschlagnahmen. Gängige Praxis war es, Publikationen zunächst einzuziehen und dann auf das bestätigende Gerichtsurteil zu warten. Aus der Sicht der erzkonservativen Regierung war das ein gangbarer und logischer Weg, um die Opposition in ihrer Agitation einzuschränken. Wolfgang Piereth hat dieses Vorgehen als negativ-repressive Pressepolitik bezeichnet und ihm die positiv-aktive Pressepolitik zur Seite gestellt, bei der die Regierenden publizistische Mittel für ihre politischen Zwecke einsetzen, also Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Gerade im Preußen der Reaktionszeit wurde die Pressepolitik innerhalb des Regierungsapparates stark ausgebaut. 1850 entstand die Zentralstelle für Pressangelegenheiten, die in den anderen deutschen Staaten Filialen eröffnete, im Jahr darauf nahm die preußische Pressestation beim Bundestag unter Leitung Bismarcks seine Arbeit auf. Diese Büros überwachten die Presse, sammelten Informationen für die Regierungen und gaben selbst eigene Publikationen heraus. Die preußische Zentralstelle erhielt jährlich 35.000 Reichstaler aus dem polizeilichen Dispositionsfonds des Innenministeriums, ab 1868 aus dem Welfenfonds.26 Trotz der Versuche der Beeinflussung seitens der Regierungen begann seit der Mitte des 19. Jahrhunderts „aus einer regional und sozial fragmentierten Öffentlichkeit eine nationale Kommunikationsgemeinschaft zu wachsen“27 – allerdings mit Einschränkungen: nur die Minderheit der Bevölkerung las überhaupt Zeitungen und 24 Online unter http://www.documentarchiv.de/nzjh/verfpr1850.html (Zugriff vom 8. April 2016). 25 Zum Pressegesetz und seiner Handhabung vgl. Koszyk, Deutsche Presse, S. 120 ff.; Groth, Zeitung, S. 153 ff. und Stöber, Pressegeschichte II, S. 135. 26 Vgl. Piereth, Propaganda, S. 33. Auf S. 36 weist Piereth außerdem darauf hin, dass es schwierig war, Mitarbeiter für die Pressebüros zu finden: „Wegen des schlechten Ansehens der Pressebüros, das durch ihr geheimes Wirken ja gerade befördert wurde, waren wirklich gute Journalisten für amtliche Pressearbeit jedoch selten zu gewinnen; eine Mitarbeit schädigte den Ruf in der liberalen Öffentlichkeit auf verheerende Weise.“ 27 Schulz, Aufstieg der vierten Gewalt, S. 66.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Zeitschriften. So entstand eine politische Richtungs- und Parteipresse, „die in erster Linie die Überzeugungen im eigenen Sozialmilieu festigte“.28 Liberal-konservative Süddeutsche lasen die Augsburger Allgemeine, National-Liberale die Kölnische, antipreußisch eingestellte Linksliberale die Frankfurter Zeitung. An preußische Konservative richtete sich die Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung, die Germania wandte sich ab Ende 1870 an den politischen Katholizismus.29 Die Zeit zwischen der Revolution von 1848 und der Reichsgründung stand also ganz im Zeichen der Parteipresse. „Nie zuvor war der Journalist mehr bestrebt gewesen, sich politisch zu engagieren, wenn die Staatsgewalt nicht präventiv eingriff. Nie zuvor hatte Verlegern mehr daran gelegen, einer Idee zu dienen.“30 Abgesehen von den großen überregionalen Zeitungen aber war die deutsche Presselandschaft unübersichtlich: Im Jahr 1850 erschienen 182 verschiedene Zeitungen und 1102 Zeitschriften mit einer durchschnittlichen Auflage von gerade einmal 400. Die Zahl der Zeitschriften ging auf 845 im Jahr 1858 zurück. Das hing weniger mit der reaktionären Politik zusammen als mit einer Phase der Konzentration auf dem Zeitschriftenmarkt. Blätter wie Gartenlaube, Illustrierte Welt, Über Land und Meer, Kladderadatsch oder die Neuruppiner Bilderbögen konnten ihre Auflagen um ein Vielfaches steigern und verdrängten kleinere Publikationen.31 Die seriösen Kulturund Fachzeitschriften hingegen konnten eine „bescheidene Größenordnung selten übertreffen. Die liberalen Grenzboten etwa, die im Jahresabonnement freilich auch zehn Taler kosteten, erreichten […] von 1853 bis 1867 nicht mehr als zehntausend Exemplare“32. Dem ist hinzuzufügen, dass sich die meisten Zeitschriften an ein kleines, elitäres Publikum richteten. Im Format einer umfassenden Rundschau dienten sie zunächst als geistiges Verbindungsmittel innerhalb der Gelehrtenrepublik, um den langsamen, oftmals schwerfälligen Briefwechsel zu ersetzen. Sie waren im Format unscheinbar, textlastig und verbanden die Berichterstattung über Politik, Wissenschaft und Kultur miteinander. Langsam entwickelten sie sich zu Periodika mit Bezug zur Tagesgeschichte für einen größeren Leserkreis.33 Vorbild für diese Publikationen war die Revue de Deux Mondes, die von 1829 bis 1877 in Paris erschien und in der illustre Autoren wie Victor Hugo, Honoré de Balzac oder Alexandre Dumas über Politik, Geschichte, Philosophie und Literatur berichteten. Zwischen 1838 und 1870 konnte sich als erste deutsche Zeitschrift dieser Art 28
Schulz, Aufstieg der vierten Gewalt, S. 73. Über das vielschichtige Wesen der Zeitungen und Zeitschriften informieren: Fischer, Zeitschriften; Groth, Zeitung (mit Zuordnung der Presse zu den politischen Lagern); Kirchner, Zeitschriftenwesen; Koszyk, Deutsche Presse. 30 Koszyk, ebd., S. 127. 31 Zahlen aus Stöber, Pressegeschichte II, S. 145 ff. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 434 ff. 32 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 436 (eigene Hervorhebung). 33 Vgl. Kirchner, Zeitschriftenwesen, S. 369 und Stöber, Mediengeschichte, S. 74. 29
II. Die Politische Zeitschrift
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Cottas Deutsche Vierteljahresschrift etablieren. Ihre Mitarbeiter waren Gelehrte von höchstem Rang, die für die Schaffung eines großdeutschen Bundes unter österreichischer Führung sowie den Ausbau des Zollvereins eintraten – und hohe Ansprüche an ihre Leser stellten. Die Texte waren lang, unübersichtlich und wenig aktuell, der Stil bildreich und schwülstig.34 Auch Zeitungen und Zeitschriften mit einer liberalen Grundausrichtung gab es zuhauf; für die Zeit bis in die 1850er-Jahre kann man nur von einer liberalen Parteirichtungspresse sprechen, da liberale Gruppierungen lange nicht als Partei organisiert waren und bis dahin keine eigenen Publikationen geschaffen hatten. Diese entstanden einzig aus der Initiative einzelner liberaler Parteigänger. „Sie wahren sich die Selbstständigkeit gegen die ihnen nahe stehende Partei, lehnen es ab, sich als Organe dieser betrachten und behandeln zu lassen, sind aber auch in der starken Position ihrer publizistischen Leistungen meist imstande, eine entschiedene und klare Vertretung liberaler oder demokratischer Weltanschauung auch im Wandel der Zeiten festzuhalten.“35 So war die liberale Parteipresse einerseits weit über den eigenen Bekennerkreis verbreitet, andererseits stark differenziert und niemals einheitlich. Mit der programmatischen Unbestimmtheit des Liberalismus kämpften auch die Männer, die erste Projekte zu dessen publizistischer Unterstützung starteten. Die von Georg Gottfried Gervinus gegründete Deutsche Zeitung erschien von 1846 an für vier Jahre. 1850 war das Unternehmen bankrott. David Hansemanns Constitutionelle Zeitung ging 1852 ebenfalls ein – sie hatte drei Jahre bestanden. Redaktionsleiter war 1850 Rudolf Haym, der spätere Herausgeber der PJ. Auch ihm war es nicht gelungen, mit einem unbestimmten politischen Programm eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Während der preußischen Reaktionszeit waren zwei regierungskritische Tageszeitungen besonders erfolgreich: Die Vossische Zeitung (seit 1617 in Berlin) unter Otto Lindner erschien in einer Auflage von 15.000. Redaktionsleiter Heinrich Kruse brachte die Kölnische Zeitung (seit 1805) aus dem Hause DuMont auf etwa 14.000 verkaufte Exemplare. Die Auflage der streng konservativen Kreuzzeitung (seit 1848) fiel dagegen mit etwa 7.000 deutlich ab. Die gleiche Zahl erreichte die anti-österreichische Nationalzeitung (seit 1848), die später zum Hausblatt der Nationalliberalen Partei werden sollte. Seit 1841 erschienen Die Grenzboten, gegründet in Brüssel, mit dem Ziel deutsch-belgischer Verständigung. Ab 1843 erschienen sie in 34
Vgl. Boldt, Zeitkritik, S. 43 f. In den Worten der Vierteljahresschrift (DVS 1/1838, S. VI): „Um […] mit wenigen Worten zu wiederholen, was wir zu erreichen wünschen, so ist es eine Reihe von Aufsätzen, welche die praktischen Fragen feststellen, zusammenfassend, berichtigend behandeln, leading articles für den jeweiligen Standpunkt des geistigen Lebens, nicht aufgefasst im Geiste eines Tagblatts, sondern in dem, der einer Vierteljahresschrift Not tut, also mit Entfernung der Leidenschaften des Tags, mit besonderer Beachtung des Notwendigen und Wichtigeren […] mit der ruhigen, würdigen Betonung, welche der Wissenschaft ziemt.“ 35 Groth, Zeitung, S. 456. Vgl. Westphal, Staatsauffassung, S. 29 ff. und Frölich, Pressegeschichte, S. 375.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Leipzig und thematisierten – großdeutsch gesinnt – vor allem die Probleme Österreichs. Ab 1848 machten die Redakteure Gustav Freytag und Julian Schmidt die Wochenschrift zum Organ einer liberalen, preußisch-kleindeutschen Politik.36 Dem gegenüber standen die wichtigsten konservativen Publikationen neben der Kreuzzeitung: Preußisches Wochenblatt, Preußisches Volksblatt, Spenersche Zeitung und Die Zeit. Am rechten Flügel des Spektrums etablierte sich außerdem die Berliner Revue. Die Wochenschrift ging auf Hermann Wagener zurück, opponierte gegen das System Manteuffel und hoffte auf eine neue konservative Ordnung. Die Historischpolitischen Blätter für das katholische Deutschland, 1852 bis 1901 geleitet von Joseph Edmund Jörg, waren Wortführer eines kämpferischen politischen Katholizismus und der Freunde Österreichs – gegen den unchristlichen Liberalismus und für den föderalistischen, ständisch geprägten Staat.
III. Der geistige Hintergrund der Preußischen Jahrbücher „Geistige Regsamkeit war die einzige Quelle, aus der der geschlagene Liberalismus neue Kraft gewinnen sollte.“37 Während der Reaktionszeit blieben die Liberalen, die nach konstitutionellen Reformen und nationaler Einheit strebten, aufgrund der nicht zu erwartenden politischen Fortschritte und der Unterdrückung politisch eher inaktiv, glaubten aber weiter an den Sieg ihrer Ideen. „Wir eben sind die Zeit!“38, hatte der spätere PJ-Herausgeber Rudolf Haym bereits als Student im preußischen Vormärz ausgerufen. Die Sichtweise der Liberalen war rein politisch, gerade für soziale Fragen hatten sie wenig übrig. Damit unterschieden sie sich fundamental von der kleinen Gruppe der Sozialkritiker des aufkommenden Industriezeitalters, die bereits die Verwebung politischer, sozialer und wirtschaftlicher Fragen erkannt hatten. Ebenfalls in der Minderzahl waren die regierenden Konservativen, die vorwiegend damit beschäftigt waren, das bestehende Rechts- und Ordnungssystem aufrecht zu erhalten. Die radikalen Demokraten waren nur eine kleine Randgruppe unter den politischen Denkern. Sie veröffentlichten vergleichsweise wenig theoretische Schriften und arbeiteten isoliert.39 Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat die liberalen Staatskonzepte des 19. Jahrhunderts geprägt. In seinen Grundlinien der Philosophie des Rechts (1820) entwarf er eine politische Denkschule, die im Staat die Ideen von Freiheit und Macht ver36 Die Verkaufszahlen beziehen sich auf das vierte Quartal 1858. Sie stammen aus einem Bericht des Innenministers Heinrich Eberhard von Flottwell an den Prinzregenten vom 15. März 1859, zitiert in Helfert, Liberalismus und Heereskonflikt, S. 31 ff. Vgl. auch Fischer, Deutsche Zeitungen, S. 36. 37 Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 181. 38 Haym, Aus meinem Leben, S. 110. Vgl. auch Mommsen, Historismus, S. 110 f. 39 Zum ganzen Absatz vgl. Lees, Revolution and Reflection, S. 24 f.
III. Der geistige Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
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söhnte. Erst im staatlichen Recht könne sich der freie Wille verwirklichen, ohne Beschränkung führe er zum Chaos: „Es ist die Freiheit der Leere, welche zur wirklichen Gestalt und zur Leidenschaft erhoben, und zwar […] im Politischen wie im Religiösen der Fanatismus der Zertrümmerung aller bestehenden gesellschaftlichen Ordnung und die Hinwegräumung der einer Ordnung verdächtigen Individuen wie die Vernichtung jeder sich wieder hervortun wollenden Organisation wird.“40 Zum Maßstab wird ein Gesetzesstaat, der eine unumschränkte politische Herrschaft ausüben kann. Der Einzelne hat nur noch die Wahl, Gesetze und Gewalten des Staates anzuerkennen und seinen Pflichten nachzukommen. „Die Freiheit der Individuen erschöpft sich darin, dass sie dieser sittlichen Wirklichkeit als Glieder angehören.“41 Der Staat bei Hegel ist wirklich und vernünftig; diese Maxime übernahmen die sogenannten Rechtshegelianer und teilten mit dem Philosophen eine Neigung zum Machtstaat. Nach der Revolution von 1848 wandten sich viele politische Denker und Philosophen von Hegel ab. Ein Forum hatten sie zuvor in Arnold Ruges Hallischen Jahrbüchern (ab 1841: Deutsche Jahrbücher) gefunden. Diese Publikation hat „einen Kampf zugleich für und gegen Hegel geführt, für seine unsterbliche Logik und absolute Methode, für seine Lehre von der Selbstherrlichkeit des Staates, aber gegen die historisch und individuell bedingte Gliederung seines Systems und gegen die verhängnisvollen Konsequenzen seiner Philosophie“42. Auch wenn man die geistige Leistung Hegels bewunderte: Ziel der Gruppe um Ruge war, ihn im Sinne liberaler Forderungen zu verbessern. In Hegels „Restaurations-Philosophie“ sah sie eine der Quellen für das zeitgenössische politische Elend. „Die Junghegelianer, die Jungdeutschen, ein großer Teil der Liberalen, das waren die Kreise, die Hegel immer wieder der Allianz mit dem Beamtenstaat, des Servilismus und Quietismus, der politischen Charakterlosigkeit anklagten und ihm vorwarfen, dass er alles Bestehende als vernünftig zu erweisen versucht hatte.“43 Hegels Philosophie galt als Höhepunkt spekulativer Philosophie. Sie war der „Urtypus einer tatenscheuen, wirklichkeitsfremden, unzeitgemäßen, konstruktionslüsternen, metaphysischen Gedankendichtung“44. So fand die Auseinandersetzung mit Hegel selten auf wissenschaftlicher Ebene statt, sondern meist als tendenziöse Verunglimpfung.
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Grundlinien der Philosophie des Rechts § 5, aus: Hegel, Werke VII, S. 50. Kiesewetter, Von Hegel zu Hitler, S. 95. Für den ganzen Absatz vgl. ebd., S. 85 ff und S. 152 ff. 42 Rosenberg, Geschichte der Hegelauffassung, S. 524. 43 Ebd., S. 526. Auch andere politische Gruppierungen kritisierten Hegel: Konservative warfen ihm verkappten politischen Liberalismus vor, der Staat, Kirche und Sittlichkeit bedrohe. Katholiken erhoben den Vorwurf heidnischer Vergöttlichung des Staates. 44 Ebd., S. 530. Ebenso Lees, Revolution and Reflection, S. 33 f. und Köster, Julian Schmidt, v. a. S. 2 ff. 41
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Viele, die ihre wissenschaftliche Arbeit in den Dienst der politischen Neugestaltung stellen wollten, vermissten bei Hegel das Moment der (Willens-)Freiheit. Einer von ihnen war der spätere PJ-Herausgeber Rudolf Haym. Er gehörte einer Forschergemeinschaft an, die im Banne Hegels stand und dennoch versuchte, dessen System und seinen Aufbau zu widerlegen. In der Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts hatten sie einen Forschungsbereich gefunden, der sich „wegen der ihm zuerkannten fortschrittsweisenden und humanistischen Tendenzen […] zur Fundierung ihres emanzipatorischen Wissenschaftsverständnisses eignete“45. Durch eine kritische Bestandsaufnahme wollten sie das kulturelle Erbe des Deutschen Idealismus für die weitere politische Entwicklung und nationalstaatliche Einigung dienstbar machen. Das zeigte den Übergang der (Staats-)Wissenschaft in die Schnittstelle von Politik und Gesellschaft, von ideologischen Entscheidungen und öffentlichem Recht.46 Die Wissenschaft wurde zur Interpretin der Staatsordnung und erzog zur Auseinandersetzung mit der Nation. Eine besondere Rolle nahm dabei die Geschichtswissenschaft ein. Im 19. Jahrhundert kam es zu einer generellen Aufwertung der Vergangenheit. In einer Zeit beschleunigter politischer und gesellschaftlicher Veränderungen diente die historische Reflexion einerseits der eigenen Orientierung, um sich nicht selbst zu verlieren. Andererseits war sie im Hier und Jetzt verankert und schaffte Klarheit über die Zielrichtung der politischen Entwicklung: „Geschichte wird […] Führungswissenschaft zur Legitimation von Zielen oder Zuständen; sie liefert die Argumente; an sie appelliert man im politischen Streit; von ihr erwartet man eine Lösung.“47 Bereits in den Befreiungskriegen hatte die historisch begründete Nationalerziehung durch die Vertreter der Universitäten einen ersten Höhepunkt erreicht: „Die Dokumentierung der jeweiligen vaterländischen Geschichte […] galt als wichtige Aufgabe, um dem vielfach noch gar nicht aktualisierten Nationalbewusstsein der Bildungsschichten die Wege zu bahnen […].“48 So gelang es einer Gruppe rede- und schreibgewandter Historiker, Philologen und Staatswissenschaftler, bis zur Reichsgründung ein „ideologisches und wissenschaftliches Monopol über die Geschichtsschreibung“49 zu errichten. Für sie war es Selbstverpflichtung, „dass sie die politische Funktion […] als inhärenten Teil ihrer Wissenschaft voraussetzten. Sie suchten durch Steuerungssignale, die sie ihren Texten einbauten, die Rezeption der öffentlichen Meinung in bestimmte Bahnen zu lenken. Geschichte war ihnen nicht
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Ansel, Prutz, Hettner und Haym, S. 104. Vgl. Rosenberg, Geschichte der Hegelauffassung, S. 527 f. 46 Vgl. Schlüter, Reichswissenschaft, S. 3 ff. 47 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 720. Vgl. Koselleck, Liberales Geschichtsdenken, S. 200 ff. 48 Mommsen, Historismus, S. 104. 49 Iggers, Geschichtswissenschaft, S. 186.
III. Der geistige Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
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nur Vergangenheit und Objekt der Forschung, sondern zugleich Zukunft und Bereich der Planung, der Aktion.“50 Die meisten dieser Wissenschaftler gehörten dem liberalen Bildungsbürgertum an. Sie hatten das nützliche Potenzial der Wissenschaft im Prozess der politischen Gestaltung schnell erkannt – und gingen in ihrem Fortschrittsglauben fest davon aus, dass die geistige, wirtschaftliche und politische Zukunft den bürgerlichen Schichten gehören müsse. Am Ende stehe eine liberale Verfassungsordnung, in der die Freiheit des Individuums respektiert werde. „Ihr eigenes historiographisches Werk wurde geleitet von der regulativen Idee der schrittweisen Ausbildung einer bürgerlichen Gesellschaft, im Rahmen und unter den Bedingungen einer nationalstaatlichen Ordnung konstitutionellen Zuschnitts.“51 Liberale Bürger fühlten sich berufen, in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zu wirken. So befand der Schriftsteller Theodor Mundt 1834, der Liberalismus wolle nichts anderes als die Zukunft der Geschichte.52 Der Historismus in Geschichte, Literatur und Architektur diente außerdem dazu, den eigenen Sozialstatus zu untermauern. Die sozial Schwachen nahm man als Faktor des politischen Lebens noch nicht wahr. „Indem die herbeizuführende Zukunft als Soll der objektiven Geschichte verkündet wird, gewinnt das eigene Vorhaben eine Schubkraft, die um so größer wird, als diese Geschichte die Legitimität zum eigenen Handeln gleich mitliefert. Genaugenommen wird eine derartig progressive Geschichte zum Willensverstärker, der die geplante Zukunft um so schneller herbeiführe, als sie sich ohnehin einstelle.“ / „Das Bürgertum war dabei, seine Umwelt schrittweise nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, und die Geschichte, so schien es, war auf seiner Seite. […] Die immanenten Trends der geschichtlichen Entwicklung wiesen in die Richtung beständigen, wenn auch vielleicht nicht immer gradlinigen Fortschritts.“53
Für viele Historiker konnte es nur einen Ort für diesen Fortschritt geben: Preußen. Die Zeit der Befreiungskriege und preußischen Reformen bildete den Mythos des idealen Preußen, den „Keim zu einer Nation mit freier Verfassung und selbst getragener Geschichte“54 und war somit Grundlage für die Preußische Schule, in der Historiker die Geschichtswissenschaft in die Pflicht der politischen Aktualität nahmen. Einer der ersten, der dies aussprach, war Friedrich Christoph Dahlmann. In seinem Werk Die Politik. Auf den Grund und das Maß der gegebenen Zustände zurückgeführt (1835)55 erhielt diese ihre Aufgaben aus der Geschichte, politische Fragen der Gegenwart schärften das historische Bewusstsein. Dahlmanns Vorstel50
Koselleck, Liberales Geschichtsdenken, S. 200 f. Mommsen, Historismus, S. 99. Vgl. auch Koselleck, ebd., S. 205 ff. 52 Vgl. Mundt, Moderne Lebenswirren, S. 33. 53 Koselleck, Liberales Geschichtsdenken, S. 204 und Mommsen, Historismus, S. 110. 54 List, Historische Theorie, S. 36 f. 55 Vgl. für die folgende Interpretation Bleek, Dahlmann und „Die Politik“, in: Dahlmann, Politik, S. 271 ff. 51
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
lungen griffen weit über die Bedeutung des politischen Bürgertums im deutschen Vormärz hinaus. Er baute eine Synthese zeitgenössischer Denkströmungen auf, integrierte liberale wie konservative Auffassungen. Dahlmann stellte den gebildeten Mittelstand als Kern der Bevölkerung und des Staates dar, zuständig für die Fortbildung des Gemeinwesens. Politische Herrschaft verband er damit nicht, vielmehr die öffentliche Meinungsführerschaft der Bildungsbürger. Eine gute Verfassung war für ihn nur im Nationalstaat zu gewährleisten, der sich auf das Gute in der Geschichte besinnt.56 So konnte sich das Bildungsbürgertum mit Dahlmann identifizieren – und seine Politik ließ sich kaum einem Lager zuordnen. Er war konservativ im Hinblick auf eine starke Betonung des Königtums. Er war liberal, weil er Verfassungen und staatsbürgerliche Grundrechte forderte. Dahlmann stellte sich gegen politische Extreme: Absolutismus und restaurative Tendenzen, Umstürze durch Radikale und Demokraten, Volksherrschaft. Er wollte die politische Gemeinschaft der Menschen. So gilt er als Stammvater der Preußischen Schule und als Vorbild für Historiker wie Waitz, Sybel und Treitschke, die seine politische Aufgabenstellung für die Geschichtswissenschaft übernommen haben.57 Doch nicht jeder Historiker ging den Weg der Parteinahme für eine scheinbar progressive Macht in der Geschichte mit: Georg Gottfried Gervinus sah sich und die Historiker zwar als Verfechter des Fortschritts und förderte die politische Erziehung der Deutschen – so als einer der Göttinger Sieben oder 1847 als Gründer der Deutschen Zeitung, in der er die deutsche Einheit mitsamt Verfassung gefordert hatte. Doch die zunehmende Orientierung an der machtstaatlichen Etablierung der Nation und die Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. machten Gervinus zum Gegner Preußens. Seine Geschichte des 19. Jahrhunderts steht im Zeichen des Kampfes zwischen „der durch die Reformation geförderten demokratischen Idee gegen die aristokratischen Methoden des Absolutismus“58. Heute ist das Werk, erschienen in acht Bänden zwischen 1855 und 1866, fast vergessen: „Soweit sie von den Fortschritten des konstitutionellen Gedankens handelt, konnte sie die Leser mitreißen, aber seine Gleichgültigkeit gegen die damalige nationale Gesinnung in Deutschland stand seinem Erfolg im Wege.“59 So ist die Historiographie an der Schwelle der Revolution von 1848 zur Leitwissenschaft geworden. Sie verbindet die Erkenntnisse aus der Vergangenheit mit den Geschehnissen der Gegenwart. Sie wird dem Publikum in einer wirkmächtigen Sprache vermittelt, Nationalstolz ist dabei ausdrücklich erwünscht. Exemplarisch dafür steht Johann Gustav Droysen, der die Tausendjahrfeier zum Vertrag von Verdun 1843 zum Anlass nahm, „zurück zu schauen und um uns her, mit ernstem Bedacht zu prüfen, was verloren, was bewahrt, was zu hoffen ist. So zu fragen und zu forschen ist 56 57 58 59
Vgl. für den gesamten Absatz Bleek, Dahlmann, S. 304 f. Vgl. ebd. S. 311 ff. und Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 374 ff., besonders S. 379 f. Gooch, Geschichtsschreiber, S. 121. Ebd., S. 122.
III. Der geistige Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
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das rechte Amt der Geschichte. Nicht von heut und gestern ist, was uns bewegt; lang vorbereitet und angesponnen webt es sich, tausendfach verschürzt, bis hinauf in das bunte Netz der Gegenwart. Ihre Deuterin ist die Geschichte […].“60 Die Revolution von 1848 machte aus vielen Anhängern der Preußischen Schule aktive Politiker: Dahlmann, Droysen, Duncker, Haym, Waitz oder Gervinus verkörperten die Interessen des Besitz- und Bildungsbürgertums in der Nationalversammlung, Sybel beteiligte sich am Frankfurter Vorparlament, Häusser im badischen Landtag. Theodor Mommsen, der die kurze parlamentarische Periode als Journalist begleitete, formulierte es so: „Dass ein Volk zum Staate werde und zwar Ein Volk zu Einem Staate, das ist politisches Gemeinbewusstsein geworden und wird sich immer mehr realisieren.“61 Die Nationalversammlung und ihr Scheitern erlebten sie meist als Mitglieder der gemäßigt liberalen Casino-Fraktion. In seiner ausgezeichneten Darstellung der Verhandlungen des Parlaments übte Rudolf Haym harsche Kritik an den konservativreaktionären Kräften wie an der Revolution und lobte die Seinigen überschwänglich: die Professoren und Theoretiker hätten genauso viel zur Bildung eines geeinten Vaterlandes beizutragen wie die Männer der politischen Tat. Daher sei die Frankfurter Nationalversammlung das brillanteste, patriotischste und mächtigste Parlament gewesen, das je in Deutschland bestanden hätte. Karl Biedermann, Mitglied der ebenfalls liberalen Fraktionen von Württemberger, Augsburger und Nürnberger Hof, kritisierte dagegen seine Kollegen des Casino heftig: die Fraktion habe sich zu sehr auf die Meinung ihrer Professoren gestützt. Statt nach praktischen Erwägungen zu handeln, hielten diese die Prinzipien der Autorität und den theoretischen Diskurs hoch.62 Eine zentrale Lehre aus der gescheiterten Revolution war für die gemäßigten Liberalen: An der Regierung dürfen nur die bereits herrschenden Schichten und das Bürgertum beteiligt werden, denn sie haben Besitz und Bildung. Das allgemeine Wahlrecht lehnten die Liberalen konsequent ab. Denn die unteren Bevölkerungsschichten seien verführbar und korrumpierbar. Vielmehr brauchten sie Vorbilder – Bürgerschaft und mit Abstrichen der Adel – die sie vor sich selbst beschützen. „One is frequently struck in liberal political writings of this period not only by criticisms of the established powers but […] by willingness to leave considerable prerogatives in royal hands. […] The liberals had seldom disputed the monarch’s right to veto legislation, to appoint his own ministers, and to conduct foreign affairs.“63 60
Die Rede zur tausendjährigen Gedächtnisfeier des Vertrages zu Verdun vom 10. August 1843 neuestens in: Droysen, Historik, Band 2,1 (Stuttgart/Bad Cannstatt 2007), S. 246 ff. Vgl. List, Historische Theorie, S. 42 f. 61 Zitiert nach Wucher, Theodor Mommsen. Geschichtsschreibung und Politik (Göttingen 1956), S. 65. 62 Vgl. Haym, Die deutsche Nationalversammlung (Frankfurt a. M. 1848 – 1850) und Biedermann, Erinnerungen aus der Paulskirche (Leipzig 1849). Beide Beurteilungen auch in Lees, Revolution and Reflection, S. 79 f. 63 Lees, ebd., S. 114, vgl. auch S. 295.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Aus dieser Sicht sprach eine tiefgreifende Angst vor der Demokratie, die zu einer Form der Tyrannei der unteren über die höheren Gesellschaftsschichten führen könnte. Diese Angst führte in außenpolitischer Hinsicht zu einer deutlich kritischeren Bewertung Frankreichs. Das Nachbarland diente nicht mehr als Vorbild im parlamentarischen Sinne. Stattdessen hatte die Wahl Napoleons III. im Dezember 1848 aus der Perspektive der gemäßigten deutschen Liberalen gezeigt, dass die unteren Klassen allgemeines Wahlrecht und Despotismus miteinander vereinbaren konnten und die Franzosen unfähig zu vernünftiger politischer Aktion waren.64 So war es für die Mitglieder der Casino-Fraktion nur ein kurzer Schritt zur Teilnahme am Gothaer Nachparlament und dem Erfurter Unionsparlament in den Jahren 1849 und 1850. Hier versuchten sie, nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung zumindest eine Verfassung und einen engeren Zusammenschluss Deutschlands zu erreichen. Bei der Gestaltung der politischen Grundlagen der Verfassungsentwürfe nahmen sie die Führungsrolle Preußens gerne an, eine deutliche Orientierung zur Monarchie hin und katapultierten sich somit vorerst aus dem Zentrum der Parteiengeschichte.65 Die bürgerlichen Hoffnungen, einen Nationalstaat mit gemeinsamer Verfassung zu verwirklichen, waren gescheitert – und damit zunächst auch die progressive Vorstellung der Historiographen, „dass die Geschichte nichts anderes zeige als die gleichsam naturgesetzliche Ausbreitung bürgerlich qualifizierter Freiheit und konstitutioneller Prinzipien im Rahmen eines geeinten Nationalstaates“66. Während der Reaktionszeit in Preußen fragten liberale Politiker und Historiker nach den Gründen für das eigene Scheitern. Die einen bleiben Idealisten, die keine Kompromisse bei der Parlamentarisierung eingehen wollen. Doch „auf die Dauer wichtiger sind diejenigen, die in der selbstkritischen Analyse des eigenen Scheiterns eine Neuorientierung vollziehen“67. Heinrich von Sybel hatte in seinen Vorlesungen bereits den anarchischen und revolutionären vom positiven und staatsbildenden Liberalismus unterschieden68, August Ludwig von Rochau begründete seine liberalen Überzeugungen neu und proklamierte die Wendung zur Realpolitik. 64
Diese Ansicht vertrat auch Duncker, Die neuere Geschichte Frankreichs, in PJ III (1859), S. 288 ff.; darauf weist Lees, Revolution and Reflection, S. 114 f., richtigerweise hin. 65 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 718. 66 Leonhard, Nationalhistoriographie, S. 192. Leonhard erkannte in der Folge eine historiographische Richtungsänderung: hin zur Nation als Leitfaden der Geschichte, hin zum Kriterium des historischen Erfolges, hin zur offenen ideologischen und politischen Parteinahme des Geschichtsschreibers. Ihre Deutungsmacht erlaubte es den Historikern fortan, historische Entwicklungsprozesse nicht mehr nur in quellenkritischer Absicht zu rekonstruieren, sondern sie gezielt zu bewerten und damit zur Rechtfertigung zeitgenössischer politischer Positionen zu nutzen. „Es ging mithin nicht mehr allein um die Rekonstruktion des bloß objektiv Richtigen, sondern um die Legitimierung politischer Prozesse der Gegenwart durch Erweis historischer Wahrheit.“ (Ebd., S. 198.). 67 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 718. 68 Vgl. dazu Seier, Sybels Vorlesung über Politik und die Kontinuität des „staatsbildenden“ Liberalismus, in: HZ 187 (1959), S. 90 ff. Auch Bussmann (Geschichte des Liberalismus,
IV. Rudolf Haym
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Rochaus Grundsätze der Realpolitik (1853) waren eine Absage an den weltfremden Idealismus der Liberalen und Demokraten. Die Erfolglosigkeit der Revolution von 1848 hänge zusammen „mit dem sonderbaren Glauben an eine selbständige Macht von Ideen und Prinzipien, die doch alle ihre Macht nur von Menschen leihen und die vollkommen ohnmächtig sind einem Parlament oder einem Volk gegenüber, welches ihnen, gleichviel ob aus richtiger Erkenntnis oder aus Irrtum, die Anerkennung verweigert“.69 Erfolg und Macht entscheiden bei Rochau über den politischen Wert einer Idee.70 Seine Zielvorstellung ist der Nationalstaat, in dem der siegreiche Liberalismus seine modernisierenden Kräfte entfaltet – oder untergeht.71 Die Verfassung des Staates werde durch die gesellschaftlichen Kräftekonstellationen bestimmt. Wenn das intelligente, meinungsstarke und wohlhabende Bürgertum endlich machtpolitisch handle, stehe ihm gemeinsam mit dem Adel die Beteiligung an der Macht im Staat zu. Dabei sieht Rochau den Adel als ein nutzloses Überbleibsel vergangener Zeiten an. Spätestens mit dem Verlust seiner ökonomischen Basis sei auch der letzte Anspruch auf politische Macht verloren gegangen. Nur durch Unterdrückung könne sich die Macht des Adels noch aufrechterhalten, und das Bürgertum müsse sich damit zunächst arrangieren.72
IV. Rudolf Haym Einer der Professoren, die sich seit der Zeit des späten Vormärz in der politischen Publizistik bewegten, war Rudolf Haym, der erste Herausgeber der PJ. Für das Verständnis seines Werdegangs und seiner geistigen Entwicklung sind vier Werke unerlässlich: Hayms Autobiographie Aus meinem Leben (1902)73 sowie das FrühS. 529) betont, dass die Liberalen schon früh empfänglich für Macht waren. Schließlich musste der deutsche Liberalismus, im Gegensatz zu den verwandten Bewegungen in Westeuropa, den Staat erst gründen, in dem er wirken wollte. 69 Rochau, Grundsätze der Realpolitik, S. 43 f. 70 Ebd., S. 52: „Der Erfolg ist die Probe, durch welche die revolutionäre Kraft sich selbst und ihren Beruf bewahren muss. Mit dem Erfolge ist die Revolution der Sieg der stärkeren Kraft über die schwächere und also die politische Rechtfertigung ihrer selbst; ohne den Erfolg ist die Revolution die Auflehnung der schwächeren Kraft gegen die stärkere und also die politische Verurteilung ihrer selbst. […] Der Erfolg ist der Urteilsspruch der Geschichte, das ,Weltgericht‘ der höchsten Instanz, von der es keine Appellation in menschlichen Dingen gibt.“ 71 Vgl. Leonhard, Nationalhistoriographie, S. 193. 72 Vgl. Rochau, Grundsätze der Realpolitik, S. 47 ff. und S. 127 ff. Seine Meinung teilt Gustav Freytag in seinem vielgelesenen Roman Soll und Haben (1855) ebenso wie Heinrich von Treitschke (Briefe I, S. 348). Vgl. auch Lees, Revolution and Reflection, S. 107 ff. 73 Richard M. Meyer lobt das Werk, das „Epoche machen muss: die erste Beschreibung des eigenen Lebens, die nach allen Regeln und mit allen Künsten der wissenschaftlichen Biographik ausgeführt ist! […E]in Meisterwerk, das überall wahr und deshalb überall interessant ist; in fein abgetönter schlichter Rede ein Stück Lebensgeschichte und zugleich ein Stück
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
werk Hans Rosenbergs – sein Aufsatz Zur Geschichte der Hegelauffassung (1927), der von ihm herausgegebene Haym-Briefwechsel (1930, 21967) sowie seine Biographie Rudolf Haym und die Anfänge des klassischen Liberalismus (1933). Eine wertvolle Ergänzung dazu bieten die Aufsätze von Wolfgang Harich (Rudolf Haym, Seine politische und philosophische Entwicklung, 1954) und Ernst Howald (Der Literaturhistoriker Rudolf Haym, 1962) sowie Helmuth Widhammers Buch über Die Literaturtheorie des deutschen Realismus (1977).74 In Haym, Liberalism and Bismarck (1989) wird Alan Kahan nicht müde zu betonen, welch wichtige Rolle Haym bei der Entwicklung zentraler Sichtweisen des deutschen Liberalismus einnimmt und welch bedeutende Einblicke seine Werke geben können: „Haym possessed […] a gift for being at the center of moderate liberal opinion, sometimes a few years in advance of more renowned liberals. This gift was expressed in his philosophical work on Hegel, and above all in his political journalism in the Preussische Jahrbücher. Haym’s extraordinarily long period of activity helps make him an interesting mirror of the developing center of German liberal thought.“75 Es ist ein Lebensweg, den Helmuth Widhammer gerade vor 1848 treffend als einen vom religiösen zum politischen Liberalismus beschrieben hat. Rudolf Haym kam am 5. Oktober 1821 im schlesischen Grünberg zur Welt. Er begann sein Studium der Theologie in Halle/Saale, dem Zentrum der rationalistischen Religionswissenschaft und der radikalen Junghegelianer um Arnold Ruge. Diese liefen Sturm gegen theoretischen Idealismus, gegen den preußischen Polizeistaat, der seine Mission des Staates der Intelligenz nicht mehr erfüllte, gegen die Romantik als Verderben bringendes und beschauliches System. Die richtig verstandene Hegelsche Philosophie kannte für sie keinen Abschluss: „Ihr Wesen ist Bewegung, Agitation, Handeln, Fordern, Gestalten. Sie macht Partei und drängt zur Praxis, fordert die ,freie Wissenschaft‘ und den ,freien Staat‘.“76 Haym geriet unter den Einfluss Ruges und der Hallischen Jahrbücher. Sie wurden zur Quelle, aus der „wir unsere Philosophie und unsere Kenntniß der Hegelschen Lehre schöpften. Es war die vornehmste Erscheinung des deutschen Journalismus und das wirksamste Organ desjenigen Theils der Hegelschen Schule, der das friedliche Reich des absoluten Idealismus zu einem kriegerischen und erobernden machte. Wir rissen uns um jede neu erschienene Nummer und leisteten den tapferen Führern […] willig Folge […].“ / „Wir waren […] mit Hegelschem Geist, d. h. mit dem Geiste der kritischen Dialektik nach Rugeschem Schema erfüllt und deutscher Geistesgeschichte; in der lichtvollen Schilderung eines großen deutschen Gelehrten und Künstlers zugleich ein Muster und ein Vorbild für die Kunst der Autobiographie.“ In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Kulturen 109 (1902), S. 380 ff. 74 Der marxistisch-leninistisch geprägte Essay Harichs versucht am Beispiel Hayms den Niedergang des bürgerlichen Denkens zu zeigen. Rosenbergs Biographie begleitet Haym bis in die Revolutionszeit, der Briefwechsel baut quantitativ in der Zeit nach der Reichsgründung ab. Hayms Autobiographie reicht bis 1880/85. Über sein Leben im Alter weiß die Forschung daher nicht viel zu berichten. 75 Kahan, Haym, S. 57. Vgl. ebd., S. 60. 76 Rosenberg, Haym, S. 20.
IV. Rudolf Haym
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bildeten uns ein, Hegel besser zu verstehen, als er sich selbst verstanden habe, weil wir ihn so verstanden, wie der Herausgeber der Halleschen Jahrbücher uns verstehen lehrte.“77
Rosenberg weist in seiner Haym-Biographie auf den großen Einfluss hin, den Strauß’ Leben Jesu (1835) und Feuerbachs Wesen des Christentums (1841) auf Haym hatten.78 Beide gingen über die historische Evangelienkritik hinaus: Strauß’ spekulativer Rationalismus leugnete die übernatürliche Offenbarung, Feuerbach sah die Religion als ein Werk der menschlichen Einbildungskraft aus dem Glauben an die Beförderung menschlicher Freiheit, Bildung und Glückseligkeit. Für den TheologieStudenten Haym stellte sich die Frage: Kann ein Anhänger von Strauß, Ruge und Feuerbach gleichzeitig ein Geistlicher sein? So wandte er sich von der Theologie ab und philologischen, philosophischen und politischen Arbeiten zu. Damit folgte er dem Trend seiner Zeit – und seinem frühen Mentor Arnold Ruge, der an ihn appelliert hatte, auf dem Boden der Wissenschaft zu bleiben und sich nur durch eine historische und philosophische Ausbildung ins Politische zu begeben.79 Bereits seine Erstlingsschriften (darunter ein Nachruf auf seinen Lehrer, den Altphilologen und Theologen Wilhelm Gesenius von 1843) zeigen großes biographisches Interesse. Haym ging es darum, die individuelle Eigenart in Beziehung zum Zeitgeist zu setzen. Denn große geschichtliche Persönlichkeiten seien – ganz nach Hegel – das Mittel, um den Weltgeist zu realisieren. In den großen Persönlichkeiten erblickt Haym also „die eigentlich bewegenden Kräfte des geschichtlichen Lebens. Er sah in ihnen nicht, wie die Aufklärung, berechenbare, vom Eigeninteresse getriebene Einzelkräfte, sondern in sich geschlossene Totalitäten, Träger von Ideen, deren Verständnis nur auf biographischem Wege erschlossen werden könne.“80 Rosenberg hat ebenfalls Hayms erste Forderungen an die Geschichtswissenschaft herausgearbeitet81, die auf Hayms geistige Grundlagen in Hegel, der Aufklärung und der Romantik verweisen: Historiographie soll philosophisch, pragmatisch-exemplarisch und philologisch-kritisch sein. Der philosophische Geschichtsschreiber nach Hegel begreift Geschichte als Geschichte der Ideen und bringt das Wesentliche, Vernünftige, Konkrete, Zusammenhängende in ihr zur Darstellung. Die pragmatischexemplarische Geschichtsschreibung der Aufklärung versucht, aus der Vergangenheit die Gegenwart begreiflich zu machen und diese zur aktiven Tat zu begeistern. „Wissenschaft und Leben müssen sich miteinander verbinden, das ist der Gedanke, der uns hier zum ersten Mal begegnet.“82 Der kritische Historiker zuletzt hat Ehrfurcht vor historischen Tatsachen, darf nicht für vorgefasste Meinungen eine Bestätigung in der Geschichte suchen und muss Quellenkritik üben. Dergestalt schrieb Haym in den späteren 1840er-Jahren Artikel für die Ersch-Grubersche Allgemeine 77 78 79 80 81 82
Haym, Aus meinem Leben, S. 104 und S. 105. Vgl. Rosenberg, Haym, S. 22 f. Vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 115. Rosenberg, Haym, S. 33. Vgl. ebd., S. 27 ff. Rosenberg, Haym, S. 29.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, für die Hallische Zeitung und die Kirchliche Reform.83 Individualität, autonomes Denken sowie das Durchbrechen autoritärer Schranken waren für Haym die Grundlagen eines modernen Geistes.84 In politisch-sozialer Hinsicht trafen sich diese Tendenzen im Reformideal des Liberalismus. So trat Haym 1845 den Lichtfreunden bei, eine Sammelbewegung für alle, die sich von der spekulativen Philosophie und ihrer Abstraktion abgewandt hatten, „sich irgendwie in Oppositionsstellung zu dem Reaktionssystem Friedrich Wilhelms IV. und seinen utopischen Marotten vom ,christlichen Staat‘ befanden und von einem System des Zwangs und der starren Autorität nichts wissen wollten“85. Seine Habilitation in klassischer Philologie trieb Haym voran, scheiterte 1845 in Halle aber, weil die Universitätsgremien Anstoß an seiner kirchlich-religiösen und philosophischen Agitation genommen hatten. Der konservative Rektor Pernice verhinderte literaturhistorische Vorlesungen Hayms, weil er befürchtete, sie würden „der Mittelpunkt derjenigen Hallischen Gesellschaft werden […], welche sich wiederkehrend unter den verschiedensten Vorwänden versammelt, um an objektlosen Sprechereien über religiöse und politische Freiheit sich zu erbauen und zu kräftigen“86. Die kirchlich-philosophische Bewegung der Lichtfreunde war zu diesem Zeitpunkt bereits eine politische geworden. Trotz Verbots durch die preußische Regierung machte sich der „Geist der Unruhe und Opposition gegen das herrschende Bevormundungssystem“87 nun Luft in regelmäßigen Treffen im Gartenlokal Traube, wo Haym im Januar 1846 seine erste öffentliche Rede hielt. Angeführt von „der Autorität eines so unzweifelhaft freisinnigen und doch durchaus maßhaltenden Mannes wie [Max] Duncker“88 setzte sich Haym in der Folge für die nationale Lösung der schleswig-holsteinischen Frage ein. Auch in der Schriftstellerei wandte sich Haym der Politik zu, besprach für die Hallische Allgemeine Literaturzeitung Gervinus’ Schrift über Die preußische Verfassung und das Patent vom 3. 2. 1847 und schrieb ein Buch über die Reden und Redner des ersten Vereinigten Preußischen Landtags. Die Schriften werfen, so Widhammer, „ein bedenkliches Licht auf Hayms politischen Instinkt“89: Haym hielt das Parlament für fähig, durch Kompromiss und Verhandlung den Machthabenden Rechte abzuringen und so den Feudalismus aus den Angeln zu heben. Die Opposition sah er als geschlossene Einheit und Verfechterin des konstitutionellen Systems. Die politisch-publizistischen Erstlinge Hayms zeigen, „dass ihm der weite politische 83
Vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 162 f. Vgl. Widhammer, Literaturtheorie, S. 85. 85 Ebd., S. 86. Vgl. auch Harich, Haym, S. 485 f. 86 Zitiert in Rosenberg, Briefe Hayms, Anm. S. 31. Vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 153 ff. und Rosenberg, Haym, S. 42 ff. 87 Widhammer, Literaturtheorie, S. 98. 88 Haym, Aus meinem Leben, S. 167. 89 Widhammer, ebd., S. 109. 84
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Blick abging, dass er, […] die Macht der Ideen und der Wissenschaft überschätzend, über das ehrliche und redliche Beteuern politischer Gesinnungen und politischer Theoreme, über das Entwickeln von Grundsätzen, Klarmachen von Ideen, über die geistige Agitation und formalistische Auffassung der Politik nicht hinauskam, kurz, dass er Politiker nur soweit war, wie er Schriftsteller, Philosoph und Ideenhistoriker war“90. Anfang 1848 war Haym bei David Hansemann angestellt, dem Bankier, Vordenker des rheinischen Liberalismus und späteren Finanzminister der preußischen Märzregierung. Zwar war die administrative Tätigkeit für Haym nicht wirklich befriedigend. Doch in den Wirren der Revolution, in der Sorge, „dass die Fluth, nachdem sie den Absolutismus beseitigt, nicht auch das Königthum hinwegspüle, […] mich mit einem so entschieden liberalen und ebenso entschieden constitutionell gesinnten Manne verbinden zu sollen, gereichte mir zur größten Beruhigung“91. Auf Vorschlag Max Dunckers kandidierte Haym schließlich im Mansfelder See- und Gebirgskreis für die Nationalversammlung. Dass Haym dort schließlich zur Casino-Fraktion gehörte, die eine neue Staatsordnung im Kompromiss mit den bisher herrschenden Mächten aushandeln wollte, erscheint konsequent. Bereits im Frühjahr 1848, auf dem Höhepunkt der Revolution, schrieb Haym einen Leitartikel für die Nationalzeitung nach eigener Aussage „so ministeriell wie möglich, weil es völlig meine Ueberzeugung war, daß mit diesem Camphausenschen Ministerium, der aus den besten Kräften der Opposition des Ersten Vereinigten Landtags gebildeten Regierung, die Revolution den wünschenswerthesten Abschluss erreicht habe, daß hier die Bewegung Halt machen müsse, wenn das Erreichte nicht wieder in Frage gestellt werden sollte“92. Im Parlament trat Haym als Redner nicht in Erscheinung. „Zum Politiker fehlte ihm sowohl die Vertrautheit mit der Materie wie der äußeren so der inneren Politik, der taktische Verstand, der Sinn für das Nächste“93 – so hat Otto Westphal hart, aber ehrlich über Haym als Parlamentarier geurteilt. Der sah es ähnlich: „Meine meditative und formbedürftige Natur versagte durchaus für die parlamentarische Action und Debatte, wo die Eingebung des Moments Alles ist und wo man, seiner selbst sicher, Thatsachen und Gesichtspunkte, Gedanken und Worte jeden Augenblick in Bereitschaft haben muss.“94 Das Tagebuch des Abgeordneten Gustav Moritz Hall90
Widhammer, Literaturtheorie, S. 115. Haym, Aus meinem Leben, S. 179. 92 Haym, ebd., S. 182. In einem Aufruf vom Mai 1849 (in Harich, Haym, S. 492 f.) bezeichnete Haym Preußen als schwachen, unfähigen, feigen, ideen- und treuelosen Verräter des deutschen Nationalinteresses. Die Konsequenz war für ihn aber nicht die Fortführung der Revolution. Haym beteuerte, nichts mit Bewegungen zu tun zu haben, „welche unter dem Vorwande der Durchführung unserer Verfassung in Wahrheit die Republik bezwecken und die Anarchie zur Folge haben“. Er forderte seine Wähler auf, Petitionen an die Regierung zu richten, damit diese bürgerliche Freiheit und deutsche Einheit garantiere. 93 Westphal, Staatsauffassung, S. 61 f. 94 Haym, ebd., S. 189. 91
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bauer bestätigt Eigen- und Fremdurteil: „Haym (interessantes geistiges Gesicht, Verfasser des Berichts über das rechte Zentrum) spricht höchst befangen, bleibt teilweise stecken. (Verhöhnung auf der Linken).“95 Zumindest tat sich Haym mit der schriftlichen Darstellung der Verhandlungen hervor: Die deutsche Nationalversammlung erschien bis 1850 in drei Bänden. Auch blieb „der Idealist unter den leichtlebigen und gerissenen Politikern“96 bis zuletzt Mitglied der Paulskirche. Im Gothaer Rumpfparlament unterstützte er die Unionspolitik Preußens auf Grundlage der Verfassung von 1848. Die war zwar eine oktroyierte, aber immerhin eine Verfassung, und Haym schien mit diesem Zwischenergebnis zufrieden zu sein. Denn Verhandlungen über die Redaktionsleitung der Hartungschen Zeitung in Königsberg zerschlugen sich im Frühjahr 1850 nach seinen Angaben, „weil der Königsberger Verleger den Standpunkt der Zeitung nicht gothaisch, sondern nach links darüber hinaus haben wollte“97. Haym hatte seine Tätigkeit als politischer Schriftsteller abgehakt. „Ich hatte mein Korn vermahlen und sagte mir selbst, daß mir nichts so noth thue, als ernstes, ehrliches Studium und eben damit Rückkehr von der Politik zur Wissenschaft.“98 Doch genau in dieser Situation trugen ihm sein Weggefährte Max Duncker und sein Fraktionskollege aus der Nationalversammlung, Alexander von Soiron, die Leitung der Constitutionellen Zeitung in Berlin an. „Sie sollte zum zuverlässigen, wirksam auftretenden Organ der unionsfreundlichen deutschgesinnten, constitutionellen Partei umgestaltet werden.“99 Noch einmal erlag Rudolf Haym der politischen Versuchung, hielt das aber zunächst geheim, um sich am 29. Juni 1850 in Halle zu habilitieren. Tags darauf übernahm er die Redaktion der Constitutionellen Zeitung. Wohl ahnte er schon bei Dienstbeginn, dass dies nur ein Intermezzo sein würde – als politischen Schriftsteller sah er sich noch immer nicht, wie ein Brief an den Verleger vom 2. April 1850 zeigt: „Ich bin nicht der Mann, welcher imstande ist, in Zeit von zwei Stunden ex abrupto einen ,bedeutenden‘, […] einschlagenden Artikel zu schreiben. Ich muß bedauern, daß Sie meine Begabung höher anschlagen als meinen guten Willen. Wenn ich die Tüchtigkeit besäße, welche Sie so gütig sind, mir zu leihen, so würde ich auf die erste Anregung durch Duncker meinen Plato und Aristoteles sofort in den Winkel geworfen und mich auf den Dampfwagen gesetzt haben. Alsdann wäre die Journalistik mein […] alleiniger Beruf. Ich würde mich diesem Beruf angetragen haben. Seien wir offen gegeneinander und beginnen wir unser Verhältnis nicht mit Erwartungen, welche getäuscht werden müßten. Die Sache liegt so: Unsere Partei besitzt […] keinen Mann, der mit den Eigenschaften zugleich die Lust und die äußere Möglichkeit verbände, ein Parteiorgan zu dirigieren. Sie greift daher in zweiter 95 Zitiert in: Bergsträßer, Das Frankfurter Parlament in Briefen und Tagebüchern (1929), S. 221. 96 Howald über Haym in NDB 8, S. 152. 97 Haym, Aus meinem Leben, S. 200. 98 Haym, ebd., S. 201. 99 Ebd., S. 201 f.
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Instanz zu einem Manne, der allenfalls das erforderliche Geschick erwerben könnte. Dies Surrogat bin ich. Wenn Sie mich nicht dafür, sondern für mehr halten, so ist das nicht meine Schuld. Ich kenne mich. Weit entfernt, mich zu unterschätzen, bilde ich mir etwas darauf ein, daß ich brav genug bin, auf die Gefahr eines glänzenden Fiasko hin, mich mit meinem Namen in die Bresche zu stellen, in welche kein anderer treten will oder kann.“100
So zaudernd Haym in obigem Brief klingt: als Redakteur zeigte er viel Einsatz. Zwischen 1. Juli und 27. November 1850 hat er die Redaktionsgeschäfte der Zeitung geleitet und alle Leitartikel verfasst. Doch seinen Kampf führte er mit begrenzten Mitteln. Es war einer „von geradezu erschütternder Belanglosigkeit. Abgesperrt von den praktischen Geschäften, ohne tiefere Kenntnis der im preußischen Regierungslager gegeneinander wirkenden und vielfach sich gegenseitig paralysierenden Kräfte und der aus dem Spiel dieser Kräfte hervorgehenden diplomatischen Konstellationen, auf bloßes Raisonnement, auf Kombinationen und Vermutungen angewiesen, ohne nennenswerten Rückhalt in den Volksmassen […] sahen sich die Liberalen nach dem Siege der Gegenrevolution bei ihrer Anhänglichkeit an die Dynastie und ihrem Legalitätskurs auf den Kampf mit moralischen Argumenten und geistig-literarischen Mitteln ,in den Grenzen der Gesetze‘ beschränkt.“101
Haym bilanzierte die Monate als Chefredakteur nüchtern: „Charakter wenigstens hatte die Zeitung.“102 Seine „rückhaltlose Kritik an der Regierung, insbesondere in der Schleswig-Holsteinischen Frage“103 führte am 27. November 1850 zur Ausweisung aus Berlin. Im April 1851 erreichte ihn der endgültige Bescheid mit einer Begründung, die sich auf das preußische Presseedikt von 1817 berief: Haym habe eine Stellung eingenommen, „die als Opposition weder geeignet gewesen zu widerlegen noch zu belehren, vielmehr recht eigentlich darauf hinausgegangen sei, Mißtrauen zwischen der Regierung und den Staatsangehörigen zu säen und damit die Ordnung und die öffentliche Sicherheit zu gefährden“104. So kehrte Haym nach Halle zurück, lehrte als Privatdozent105 und blieb als politischer Schriftsteller aktiv: wegen der Verbundenheit mit der liberalen Idee, wegen der Verbundenheit mit den Parteigenossen, und sicherlich auch wegen der schlechten Bezahlung an seiner Heimatuniversität. „Nicht bedenkend, daß die tiefste Wirkung der Wissenschaft auf das sittliche und staatliche Leben nur aus der gründlichsten Vertiefung in beide hervorgehen kann, war ich bereit, aus der Noth eine Tugend zu machen und ergriff in ehrlichem Glauben eine Reihe schriftstellerischer Pläne, die auf dem Grenzgebiet zwischen Wissenschaft und Leben, zwischen dem gelehrten 100
Haym an J. Lehfeldt am 2. April 1850 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 21 f.). Rosenberg, Haym, S. 185. Vgl. ebd., S. 184 ff. und Haym, Aus meinem Leben, S. 205 ff. 102 Haym, ebd., S. 205. 103 Krohn, Haym, S. 104. 104 Zitiert in: Haym, Aus meinem Leben, S. 210. 105 Hayms Hochschulkarriere in Halle kam nur schwer in Tritt. 1860 regte sich heftiger Widerstand innerhalb der Fakultät gegen seine Aufnahme als außerordentlicher Professor für neuere Literaturgeschichte, eine Stelle, die zudem nur gering besoldet war. Ein reguläres Ordinariat erhielt er erst 1868. 101
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und dem volksthümlichen Interesse, gleich nahe dem Beruf des akademischen Lehrers und dem des Publicisten lägen.“106 Das Gebiet der Wissenschaft verließ Haym mit seinem Büchlein Zur Charakteristik neupreußischer Politik. Er bezog sich darin auf eine Rede Stahls im Herrenhaus vom 25. April 1854. Seine „Philippika gegen die von dem conservativen Redner vertheidigte Politik der freien Hand“ und „Charakteristik seiner geschlossen zu Manteuffel stehenden Partei“107 inklusive Kreuzzeitung ist ein polemisch-rhetorisches Kunstwerk. Haym zeigte sich als Parlamentarier, Mann konkreten Handelns und preußischer Patriot. Er polemisierte gegen Stahls Meinung, dass Parlamente nur zur Redeübung existierten, und fand es geradezu belustigend, dass sich Stahl auf die Politik des Gedankens berufen hatte: „Die Politik des Gedankens und der Prinzipien […] ist am Ende, sobald sie raten und handeln soll. Sie kann nichts tun als ihre Faseleien und ihre hohlen Pointen zusammenzuaddieren. Die Summe von Nichtigkeiten ist ein Nichts.“108 Die Nichtbeteiligung Preußens am Krimkrieg bezeichnete Haym als Albernheit, schließlich würden so weder Maß und Gang des Krieges bestimmt noch das Machtbedürfnis Preußens befriedigt. Folge sei, dass „wir uns vereinsamt, aus der Reihe der Großmächte gestrichen, als den Spott der Völker und Staaten, als einen Staat wiederfinden werden, welchen auch die kleineren Nachbarn nach der Berechtigung und nach dem Sinn seiner Existenz fragen […]“.109 Meist widmete sich Haym aber detaillierten biographischen und literarischen Studien.110 Er selbst meinte: „Zum Historiker fehlte mir das rasch […] verknüpfende Gedächtniß: für die Biografie brachte ich die Neigung zu psychologischer Zergliederung und die Leichtigkeit der Vergegenwärtigung innerer Erlebnisse mit.“111 Seine größten Arbeiten galten Gentz (1854), Humboldt (1856) und Hegel (1857). Der Humboldt, das „Buch eines liebevollen Parteigängers“112, zeigte das „Idealbild eines guten preußischen Politikers, das die Kamarilla um Friedrich Wilhelm IV., das Ministerium der Manteuffel und Konsorten, beschämen und die Jugend des politisch unterdrückten Bürgertums zur Selbstbesinnung bringen sollte“113. Doch es ließen sich bereits Ansätze einer Selbstkritik am deutschen Liberalismus erkennen. Denn 106
Haym, Aus meinem Leben, S. 215 f. Ebd., S. 224. Dort informiert Haym auch darüber, dass nur wenige Exemplare verkauft wurden. „Der Rest wurde beschlagnahmt und eingestampft.“ 108 Haym, Charakteristik, S. 101. 109 Ebd., S. 105. Für den gesamten Absatz ebd., S. 102 ff. 110 Howald, Haym, S. 204 f. lobte, dass Haym als Biograf inmitten der Dinge stehe und „bei aller innern Hingabe immer vom Begriff des Maßes und der Gerechtigkeit beherrscht [ist]. Er respektiert das Eigenleben des andern und seiner Schöpfungen, hält Distanz zu ihm; er will ihn nicht zwingen zu sein, wie er es gerne hätte, aber er will ihn bis in die innersten Falten seines Wesens erkennen und verstehen.“ (ebd., S. 211.) Vgl. ebenso Howalds Kurzbiographie über Haym in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 152 f., hier S. 153. 111 Haym, Aus meinem Leben, S. 225. 112 Howald, Haym, in NDB 8 (1969), S. 153. 113 Harich, Haym, S. 497 f. 107
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Haym – der im Professorenparlament der Nationalversammlung mit den „Untugenden deutsch-bürgerlicher Humanität […] seine Erfahrungen gemacht hatte“ – bemängelte den klassischen Idealismus Humboldts als teils zu weltfremd und unrealistisch, als „zu wenig durchdrungen von realistischen Neigungen und Affekten“114. Das Misstrauen gegen eine spekulative und abstrakte Philosophie, die versucht, das ganze Universum zu umfassen115, führte zu Hegel und seine Zeit. Somit war Haym wieder bei Hegel angelangt, dessen Lehre vom Machtstaat im Zuge der selbst erfahrenen Machtlosigkeit unter den Liberalen der Reaktionszeit wieder diskutiert wurde.116 Mit Hegel und seine Zeit wollte Haym die Suprematie des Philosophen im ermatteten deutschen Denken zerschlagen. Aufgabe der Zeit sei, das Absolute und Selbstgenügsame in dessen System aufzudecken und die Autonomie des Willens zur Grundlage des Seins zu machen. Die philosophische Überwindung Hegels hatte Haym bereits in seinem Habilitationsgesuch von 1845 angekündigt. Rosenberg zitierte aus den Akten des philosophischen Dekanats der Universität Halle: Haym erschien es als die Aufgabe seines Lebens, „an der wahren Weiterführung und Überwindung einer Philosophie arbeiten zu helfen, welche in ihrer Abgeschlossenheit dem Fortschritte der Zeit und ihren Bedürfnissen sich entfremdet, in den schiefen und übereilten Konsequenzen jedoch, zu denen sie den Anlass gegeben, dem Staate und seinen Institutionen, ja, jedem gesunden und Maß haltenden Leben feindlich zu werden droht“117. Hegel wurde von Haym zum Philosophen der politischen Reaktion erklärt und relativiert. Seine Lehre sei fatalistisch, konservativ und das Produkt einer armseligen, kümmerlichen Zeit: „Ein Staatsmann wie Humboldt habe wegen der Karlsbader Beschlüsse mit dem herrschenden System gebrochen, die Hegelsche ,Rechtsphilosophie‘ habe diese Beschlüsse und den Polizeiterror, den sie zur Folge hatten, nicht nur verteidigt, sondern als das Recht der Vernunft gegen die Anmaßungen des subjektiven Meinens und Beliebens geradezu heiliggesprochen […].“118 Haym erklärte und kritisierte Hegels System aus der Sprache und Entstehungsgeschichte heraus.119 Indem er die Lebensumstände des Philosophen, das Empfangen von Ideen und Systemen erforschte, nahm er ihm den Nimbus des Ewig-Gültigen. 114
Harich, Haym, S. 498. Vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 255. 116 Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 32; Meinecke, Staatsräson, S. 422; Heuss, Mommsen, S. 132. 117 Rosenberg, Haym, S. 42. Harich, ebd., S. 511 f., war verwundert über Hayms Schritt, die Überwindung Hegels „der Reaktion in Empfehlung“ zu bringen. Er weiß nicht, worüber er mehr erstaunt sein soll: „[Ü]ber die Charakterlosigkeit, mit der hier allen fortschrittlichen Sympathien als längst erledigten Jugendtorheiten abgeschworen, oder über die listige Verstellung, mit der den ahnungslosen Adressaten eine linke, quasi Feuerbachsche Kritik an Hegel als Beitrag zur Ausrottung staatsgefährdender Tendenzen aufgeschwatzt wird.“ 118 Harich, ebd., S. 499. 119 Vgl. Rosenberg, Hegelauffassung, S. 538 ff. 115
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Haym bekannte sich zu einer praktischen Philosophie, in der die Realität, die erfahrene Geschichte und der durch die Vergangenheit bestimmte Mensch spekulationsfrei erfasst werden.120 Die Geschichte löste auch bei ihm die Philosophie als Leitwissenschaft ab und hatte „die Erbschaft der Hegel’schen Philosophie anzutreten […]. Der Lebenslauf des Absoluten verwandelt sich für die Wissenschaft in den Prozess der lebendigen Geschichte; der teils unreine, teils illusorische Historismus des Hegelschen Systems übersetzt sich ihr in wahre Geschichtlichkeit.“121 Hegels Geschichtsauffassung hatte ausgedient, doch: „Trotz all des heißen Ringens um seine Selbstbefreiung ist Haym niemals wieder ganz von Hegel losgekommen.“122 Sein Ziel einer anspruchsvollen Geschichtsschreibung war es, historische Tatsachen nicht nur darzustellen, sondern ihren Entwicklungen nachzugehen. Die Geschichtswissenschaft in den Dienst der Erforschung national-kultureller Identität zu stellen, war aber nicht neu. „Was Haym als Anlage und Neigung bezeichnet, ist aus historischer Perspektive als Resultat hegelianischer Prägung zu begreifen, die auf den […] Glauben an einen substanzhaften, sich historisch entfaltenden deutschen Volksgeist rekurriert.“123 In seiner Kritik an Hegel ist Haym weit gegangen; „weiter […] als sich mit der Würde wahrer Geschichtswissenschaft verträgt“, wie Rosenberg urteilt. Er rügt zudem „der doktrinären Gedankenwelt des zeitgenössischen Liberalismus entnommene Wertmaßstäbe“ und einen „schulmeisterlich-inquisitorische[n] Ton“124. Der Philosoph David Friedrich Strauß lobte zwar „die Art, wie Sie das System im Geiste des Urhebers entstehen lassen, […] wie Sie das entstandene in seine Bestandteile auflösen“, fragte sich aber, „ob Sie diesem mit Recht alle diejenigen Funktionen und Fähigkeiten wieder absprechen, welche die nachkantische Philosophie ihm zugelegt hat“125. Auch wenn der genuin philosophische Ertrag zu vernachlässigen ist: Hayms System der praktischen Philosophie gehört zum Aufschlussreichsten, was der 120
Vgl. Rosenberg, Haym, S. 62 f. und S. 75. Haym, Hegel, S. 466 f. Vgl. auch Widhammer, Literaturtheorie, S. 42 und Howald, Haym, S. 205 f. 122 Rosenberg, Haym, S. 13. Auch Harich wirft Haym vor, zwar Hegels metaphysische Geschichtsauffassung zu rügen, sich selbst aber nicht gänzlich von ihr zu emanzipieren. 123 Ansel, Prutz, Hettner, Haym, S. 161. Vgl. zum gesamten Absatz ebd., S. 158 ff. Haym begreift den Hegel als Baustein einer „Entwicklungsgeschichte des deutschen Geistes“, um „in der Vergangenheit einen Wegweiser, einen Wink für die Aufgaben der nächsten Zukunft zu finden“ (Aus meinem Leben, S. 256 und S. 218). Diese skizzierte Haym lediglich in seinen Vorlesungen, einen Teilaspekt stellt seine Romantische Schule von 1870 dar. 124 Alle Textstellen aus Rosenberg, Hegelauffassung, S. 542 f. 125 Strauß an Haym am 19. November 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 146 f.). Harsche zeitgenössische Kritik kam unter anderem von Varnhagen von Ense und Rosenkranz in seiner „Apologie Hegels gegen Dr. R. Haym“. Nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist auch Harichs Vorwurf, dass Haym in seiner Kritik an Hegels allumspannender Philosophie verschiedene Theorien und Denkrichtungen wild zusammenwürfelt und neu zusammensetzt (vgl. Harich, Haym, S. 519 f.). 121
V. Gründung, Organisation und Programm der Preußischen Jahrbücher
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Spätidealismus nach Hegel bis dahin hervorgebracht hatte.126 Hegel und seine Zeit ist für die Deutung der Geschichte seiner Zeit ein wesentliches Zeugnis.127 Haym spiegelte „die Überzeugungen, Hoffnungen und Ideale einer ganzen deutschen Generation nicht nur auf wissenschaftlichem, sondern auch auf politischem Gebiet wider“.128 Deshalb hat die Streitschrift dazu beigetragen, dass Hegels Werke kaum noch gelesen wurden. Sie stellt „den schärfsten und gewichtigsten Angriff dar, der gegen Hegel überhaupt unternommen worden ist, zugleich aber auch den folgenreichsten, denn für ein halbes Jahrhundert hat Haym mit seinem Werk die Hegelauffassung in ihren entscheidenden Grundzügen bestimmt“129.
V. Gründung, Organisation und Programm der Preußischen Jahrbücher Der Wunsch, eine Zeitschrift zur Orientierung eines breiteren liberalen Publikums herauszubringen, entsprang etwa zeitgleich in zwei Personenkreisen. Die einen: Breslauer Liberale um Theodor Mommsen130, Richard Roepell131 und Theodor Molinari, die später mit den fortschrittlichen Kräften sympathisieren sollten. Die anderen: Max Duncker und seine Mitstreiter, die später eher den staatstragenden Parteien zuneigten. Im Literarisch-politischen Verein des Herzogs Ernst II. von Coburg besprachen sie „Aussichten auf einen Umschwung der preußischen Politik, auf eine Wiederaufnahme der nationalen Einheitspläne immer von Neuem“132. Für beide Gruppen war eine Zeitschrift das bevorzugte Mittel, um die politische Entwicklung zu beeinflussen.133 Bereits im Herbst 1854 hatte Max Duncker im Auftrag 126
Vgl. Rosenberg, Haym, S. 83. Vgl. Howald, Haym, S. 206. Howald befindet darüber hinaus, es sei „nicht abzuschätzen, für wie vieles Haym das Fundament gelegt hat und wie wenig die Nachwelt an ihm zu korrigieren fand.“ 128 von Renthe-Fink, Geschichtlichkeit, S. 52. Vgl. auch ebd., S. 57. 129 Rosenberg in Haym, Hegel, S. 545. Howald, Haym, S. 202, meint, Haym habe mitgeholfen, Hegel „in der Geschichte des deutschen Geistes ein Ehrengrab anzuweisen“. In Nipperdeys Deutscher Geschichte, S. 720, erhält der Hegel den Zusatz „wirkungsvoll“. 130 Über dessen Rolle bei Gründung der PJ ausführlicher: Heuss, S. 166 f. und Rebenich, S. 102. 131 Bernhardi (Tagebücher II, S. 358 ff.) informiert, dass Roepell erst später zu den PJ gestoßen ist. Im Manifest vom 1. Mai 1857 ist er ebenfalls noch nicht als Mitglied des Komitees aufgeführt. 132 Haym, Aus meinem Leben, S. 223. Der Nachlass von Karl Mathy (BArch BerlinLichterfelde N/2184 – 28, Bl. 3 ff.) zeigt, dass Viele aus dem Umfeld des Herzogs später an den PJ beteiligt waren: Karl Samwer, Max Duncker, Karl Lorentzen, Heinrich Christian Schrader und Karl Schwarz. Vgl. Heynen, Blaue Blätter, S. 87. 133 Dass man dabei auf Haym zurückgriff, verwundert Kahan (Haym, S. 58) keineswegs: „He had an unusual faculty for being liked and respected by men of very different political shades.“ 127
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
des Literarisch-politischen Vereins mit Liberalkonservativen um den späteren Kultusminister August von Bethmann-Hollweg darüber verhandelt, das Preußische Wochenblatt in eine Tageszeitung umzuwandeln. Offiziell scheiterte der Plan wegen der ungeklärten Finanzierung. Otto Westphal hat aber zu recht darauf hingewiesen, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine feste nationale Partei in Preußen und Deutschland gab, um dieses Vorhaben zu verwirklichen.134 1857 begann die Planung an einer monatlichen Revue, die mit wissenschaftlicher Intelligenz die Tiraden der Kreuzzeitung kontern sollte. Max Duncker richtete einen Brief an einen unbekannten Verleger mit der konzeptionellen Überlegung, eine Monatsschrift nach dem Muster der englischen und französischen Revuen zu gründen, in der die Politik „durch Lebensbilder deutscher Staatsmänner und selbständige Abhandlungen vertreten“135 sei. Die Zeitschrift sollte die Ideen des gemäßigten Liberalismus ausgestalten, die schon in der Casino-Fraktion der Nationalversammlung und bei den Gemäßigten im Rumpfparlament von Gotha vorherrschten: das parlamentarische System und den Ausbau der Verfassung Preußens fördern ohne die Monarchie anzutasten, wirtschaftlich liberal und kleindeutsch sein. Neben dem Schwerpunkt auf Politik und Geschichte sollte die Monatsschrift auch Wissenschaft und Kunst fördern.136 Am 1. Mai 1857 erging der offizielle Aufruf zur Begründung der Preußischen Jahrbücher137, die im Verlag Georg Reimer erschienen138. Der Aufruf zeigt erstens, dass die „constitutionelle und nationale Partei“ der Altliberalen an die Fortschrittlichkeit ihrer Ideen glaubt, nach Mitbestimmung und Macht strebt. Die Publikation soll zweitens eine verständliche Wissenschaft – auch hier zeigt sich wieder die deutlich gewollte Abgrenzung von der Hegelschen Philosophie – in den Dienst der liberal-patriotischen Sache stellen. Zum dritten informiert der Aufruf über das Vorhaben, für die Sicherstellung des Unternehmens einen Garantiefonds in Höhe von 10.000 Talern aufzubauen, an dem sich die liberalen Parteifreunde beteiligen sollen. Sofort wurde im Preußischen Staatsministerium des Inneren eine Akte über die PJ angelegt. Der erste Eintrag zeigt, dass man das Projekt offenbar nicht sonderlich ernst nahm:
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Westphal, Staatsauffassung, S. 35. Vgl. auch Obenaus, Zeitschriften, S. 56. Max Duncker an Unbekannt (einen Verleger) am 10. Januar 1857 (StaBi Berlin PK, Slg. Darmstaedter. 2 f 1878: Duncker, Max, Bl. 28). 136 Vgl. Cranston, Jahrbücher, S. 2 und Haym, Aus meinem Leben, S. 261. 137 Das Original zum Beispiel in: ULB Halle, NL Haym, Yi 23 V 252a (Rudolf Haym an Vischer). 138 Vermittelt durch Theodor Mommsen, dessen Römische Geschichte in der Leipziger Weidmannschen Buchhandlung von Karl Reimer – zugleich Mommsens Schwiegervater – und Salomon Hirzel erschienen war. Reimer überließ das neue Vorhaben seinem Bruder Georg, in dessen Haus im August 1857 die abschließenden Verhandlungen über Ausrichtung und Erscheinungsweise der PJ stattfanden (vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 259). 135
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„Gothaismus redivivus! […] Die Herrn sagen: Sie bedürfen, um jene Fahne aufzupflanzen, 10.000 rl., hätten aber nur 3.000 rl.139 und bitten ihre Gesinnungsgenossen Garantiescheine auszufüllen, die bereits vorliegen. – Also: eine konstitutionelle und nationale Partei auf Aktien! Bezeichnend ist die Stelle in der Aufforderung, worin die Partei von sich sagt: sie sei mit zuversichtlichem Glauben an den Sieg ihrer Ideen und Interessen an die Zukunft angewiesen. Anbei ein Programm, nebst 3 Garantiescheinen. Auf jedes Programm kommen nämlich 3 Garantiescheine, was spaßhaft ist.“140
Gezeichnet hatten den Aufruf die drei Industriellen, Sozial- und Handelspolitiker Friedrich Wilhelm Harkort, Karl August Milde und Theodor Molinari sowie der Gutsherr und Parlamentarier August von Saucken-Julienfelde. Nicht darunter: der spätere Herausgeber. Rudolf Haym hatte sich zwar als Redaktionsleiter der Constitutionellen Zeitung, Regierungskritiker und zuletzt als Hegel-Biograf profiliert – ihn aber von der Übernahme der PJ-Redaktion zu überzeugen war harte Arbeit.141 Ein positiver Ausgang der Vertragsverhandlungen kam erst im direkten Aufeinandertreffen zwischen Duncker, Haym und Verleger Reimer Mitte August 1857 in Berlin zustande. Zwischenzeitlich hatte Duncker den ehemaligen preußischen Finanzminister David Hansemann, Hayms Arbeitgeber von 1848, als Vermittler eingesetzt.142 Einen Einblick in die zähen Verhandlungen gibt ein Brief Richard Roepells an Max Duncker vom 2. August 1857. Der Breslauer Geschichtsprofessor war neben August von Saucken-Julienfelde, Friedrich Harkort, Theodor Mommsen und Max Duncker Mitglied im Komitee der PJ143, das über Finanzen und Haltung der Zeitschrift wachen sollte. Er schrieb „im Vertrauen, daß ich nicht ganz frei von Sorge über
139 Ein Brief Molinaris an Reimer vom 3. Juli 1857 informiert darüber, dass bereits Garantiescheine in Höhe von 6.000 Talern gezeichnet seien (StaBi PK Berlin, Dep. 42: Archiv Walter de Gruyter, R1 – Theodor Molinari). 140 GStA PK I. HA Rep. 77, Tit. 652, Nr. 4: Ministerium des Innern. II. Abteilung. Acta betr. Die Zeitschrift „Preußische Jahrbücher“, herausgegeben von R. Haym in Halle vom 13. Mai 1857 bis 1859. Eintrag CB. 316. Berlin, den 3. Mai 1857. 141 Haym, Aus meinem Leben, S. 258, gab jedoch an, sich „leicht zu einem Unternehmen bereit finden [zu] lassen, welches eben auf die ausdrückliche Verbindung des Wissenschaftlichen und des Politischen ausging“. 142 Duncker an Karl Mathy am 2. Juni 1857 (BArch Berlin-Lichterfelde N/2184 – 11, NL Mathy, Bl. 24/25). Ähnlich August von Saucken-Julienfelde an Duncker am 5. Juli 1857 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 116/117, Bl. 11/12). In den Notizen zur Autobiographie informiert Haym darüber, dass die Verhandlungen wohl bis zum 11. August dauerten (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 I, Bl. 34). 143 Die Besetzung dieses Gründungskomitees bleibt unsicher. In einem Brief an das Verlagshaus Reimer erwähnt Theodor Molinari neben den oben Genannten auch Karl August Milde und den Hallenser Zuckerfabrikanten Karl August Jacob. Außerdem solle Gustav Freytag in das Komitee aufgenommen werden (Molinari an Reimer am 3. Juli 1857: StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Molinari). Wenn August von Saucken-Julienfelde in seinem Brief vom 30. Mai 1857 an Karl August Reimer (ULB Münster, Autographensammlung) mit dem „Beirat“ der Jahrbücher das Komitee meint, dann könnte ihm auch Verleger Reimer angehören.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
den Ausgang der Verhandlung bin, da Haym mir u. uns allen bei der Besprechung in Berlin als ein sehr eigensinniger Kopf erschienen ist“144. Zwar habe man Haym von Anfang an als Redakteur gewollt, „an keinen andern auch nur gedacht – aber eine Partei kann das von ihr geschaffene Blatt nicht auf Gnade u. Ungnade einem einmal gewählten Redacteur für immer überliefern“145. Daher einigte man sich auf ein halbjähriges Kündigungsrecht vonseiten des Komitees und des Redakteurs sowie eine vermittelnde Rolle des Komitees bei Differenzen zwischen Redakteur und Verleger. Inhaltlich sei er „in keiner Weise gebunden, Artikel, die er nicht aufnehmen will, sich durch das Comité etwa aufdringen lassen zu müssen“. Ebenfalls geregelt waren das Redaktionsgehalt von 600 Talern im Jahr und ein Artikelhonorar von 20 Talern pro Bogen. Über den Titel der neuen Zeitschrift herrschte zunächst keine Einigkeit. Rudolf Haym befürwortete (in Anklang an die Publikation von Arnold Ruge und Karl Marx) Deutsche Jahrbücher, musste sich dann aber dem Argument Theodor Mommsens beugen: Preußen sei etwas, Deutschland nichts.146 In seiner Autobiographie wollte sich Haym nicht mehr an Meinungsverschiedenheiten bei der Namensgebung erinnern.147 Sein Briefwechsel offenbart das Gegenteil: Haym deutete bei jeder Gelegenheit an, dass der Titel zu Missverständnissen „überreichlich Anlaß zu geben imstande ist“ und ihn künftige Mitarbeiter nicht überbewerten sollen. Er habe ihn „nicht gewählt, ihn aber auch nicht hintertreiben können“.148 Auch bei den liberalen Freunden kam die starke Betonung des Faktors Preußen nicht gut an. Heinrich von Arnim empfand ihn als geeignet, „mich über die vorausgesetzte Tendenz der Jahrbücher irre zu machen“, „unwürdig eines Organs“ der deutschen Partei, „höchst unpolitisch und überdies […] ganz unbegründet“149. Auch Rudolf Schleiden äußerte Zweifel, „ob ich mich zur Beteiligung gerade an dieser Zeitschrift entschließen könne. Denn wenn ich auch nicht bezweifle, daß die Jahrbücher den Titel ,deutsche‘ eher als ,preußische‘ verdienen würden, so läßt sich doch nicht verkennen, daß die besonderen Umstände, unter denen die neue Zeitschrift ins Leben tritt, den gewählten Titel gewissermaßen die Mitarbeiter als ein politisches Programm erscheinen lassen […].“150 144
In: Schulze, Entstehungsgeschichte, S. 4 f. Die Verhandlungen aus der Sicht Hayms im Brief am Reimer vom 12. August 1857 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 145 In: Schulze, Entstehungsgeschichte, S. 4, ebenso das folgende Zitat. 146 Überliefert durch Westphal, Staatsauffassung, S. 36. Der Streit um den Titel wird korrekt erklärt, allerdings nur in Fußnoten. Vgl. Haym an Rudolf Schleiden am 10. Dezember 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 148). 147 Vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 259. 148 Zweimal Haym an Rudolf Schleiden am 10. Dezember 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 148). 149 Heinrich von Arnim an Haym am 29. November 1857 (ebd., S. 147 f.). 150 Rudolf Schleiden an Haym am 8. Januar 1858 (ULB Halle, NL Haym, YI 23 IV S 13).
V. Gründung, Organisation und Programm der Preußischen Jahrbücher
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Ein weiterer Streitpunkt bei der Begründung der Zeitschrift war die Anonymität der Autoren. Das Prinzip wurde bis Ende des Jahres 1862 durchgehalten151, war aber höchst umstritten. Und wieder musste sich Herausgeber Haym dem Druck seines Komitees beugen. „Nicht der berühmte oder unberühmte Mann, sondern die Preußischen Jahrbücher sollten gehört werden“152, die politische Botschaft der altliberalen Partei im Vordergrund stehen. Einerseits war die Anonymität ein berechtigtes Prinzip, wenn Autoren in einflussreicher Stellung „frei von aller Rücksicht auf ihre Persönlichkeit sich vernehmen lassen“153 wollten. Das Komitee der PJ war nicht bereit, in diesem Punkt Zugeständnisse zu machen. Denn nur die Anonymität der Beiträge gebe dem Redakteur die Macht, alle Artikel zu redigieren. Unter solchen Umständen ist es aber schwierig, junge oder auch namhafte Mitarbeiter zu gewinnen – das gab Komitee-Mitglied Richard Roepell in einem Brief an Max Duncker zu. Doch er war sich sicher: das Renommee der Zeitschrift werde Autoren binden. „Haym hat wohl Recht, daß die Nennung der Namen der Zeitschrift den Eingang sehr erleichtern würde: Dafür aber haben wir den Garantiefonds gebildet, daß wir dieser u. ähnlicher Mittel entbehren können u. das Unternehmen Zeit hat, sich durch seine Leistung selbst einzubürgern. […] Wir halten die unbedingte Anonymität für eine Lebensfrage.“154 Rudolf Haym hatte die Anonymität kritisiert, da er zu viel Verantwortung auf seinen eigenen Schultern wähnte und seinen Autoren „in wissenschaftlichen Dingen, in Fragen, die der Politik ferner lagen, in Sachen des Geschmacks“ die Chance zur Profilierung unter eigenem Namen geben wollte. „Es ist billig, daß der Autor eines bedeutenden Artikels den Ruhm dafür selbst erntet, und es liegt im Interesse jeder nicht rein-politischen Zeitschrift, durch möglichst glänzende Namen Reklame zu machen.“155 Letzten Endes war es wieder Max Duncker, der Rudolf Haym um151
1862.
Ein Register am Ende der PJ XXV nannte 1870 etwa die Hälfte der Autoren von 1858 bis
152 Haym, Aus meinem Leben, S. 259 f. Vgl. Hayms Rundschreiben an die Mitarbeiter in Westphal, Staatsauffassung, S. 312 und „Ferdinand Walters Erklärung zu den Preußischen Jahrbüchern“ in PJ I, 2 (1858), S. 223 f. 153 Diesen Gesichtspunkt brachte Theodor Mommsen ins Spiel, zitiert in Haym, Aus meinem Leben, S. 260. Der Bonner Kunsthistoriker, politische Schriftsteller und Autor Anton Springer schrieb am 25. November 1857 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV 316), die Anonymität sei in seiner Position eine „conditio sine qua non“. 154 Zitiert in Schulze, Entstehungsgeschichte, S. 5 f. 155 Beide Zitate aus Haym, Aus meinem Leben, S. 260 f. Ähnlich dachten Leser und Autoren. Der Philosoph Jürgen Bona Meyer schrieb am 24. Januar 1858, die gelehrte Hamburger Gesellschaft „billigte nun das Princip der Anonymität nicht; auch ich bin stets der Ansicht gewesen, daß Namen der Sache noch mehr Dienst geben würden“. (StaBi PK Berlin, Dep. 42. Archiv de Gruyter, R1 – Meyer) „Ich würde mich gleich nennen, wenn ich jetzt donnern und wettern wollte“, schrieb der Publizist Ludwig Karl Aegidi an Haym (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV A 26, 22. Januar 1858) und wollte nur noch unter eigenem Namen publizieren (ebd., Yi 23 IV A 29, 11. März 1858). In den PJ hat er nur einen Artikel und vier Notizen veröffentlicht.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
stimmte. Der erste Herausgeber der PJ urteilte aber noch vier Jahrzehnte später: „Alles in Allem: das Prinzip war idealer, als es praktisch war.“156 Die Verbindung von Ideal und Praxis bestimmte den Kurs der Zeitschrift. Am 18. Oktober 1857 hatte Haym ein Manifest für die künftigen Mitarbeiter fertig gestellt und gebeten, es „möglichst bald […] fix und fertig gedruckt zu schicken, da ich es dann den zahlreichen Briefen einlegen will, die zu schreiben jetzt meine Beschäftigung ausmacht“157. Vier auffällige Tendenzen lassen sich aus diesem und Hayms Briefen herausarbeiten. Erstens sah Haym die PJ als Schritt in der Distanzierung von der spekulativen Wissenschaft Hegels: „Ein solches Organ muß sich auf den Boden der Wissenschaft stellen, jener lebendigen Wissenschaft, welche gleich weit von toter Gelehrsamkeit wie von übersichtiger Spekulation entfernt ist.“ / „Es ist […] Bestimmung der neuen Monatsschrift, alle Gebiete des wirklichen wie des geistigen Lebens der Gegenwart […] ins Auge zu fassen. Nur der Grad der Bedeutung, welche alle die Erscheinungen für eine gesunde Entwicklung unseres Nationallebens haben, bestimmt das Maß, nach welchem sie zur Sprache gebracht werden können. Eine vorzugsweise Aufmerksamkeit wird die Geschichtswissenschaft, eine verhältnismäßig geringere werden die dem tätigen Leben ferner stehenden Disziplinen in Anspruch nehmen. Überall jedoch handelt es sich um Verstehen des Wirklichen […].“158
Zweitens war es Hayms Ziel, die Wissenschaft mit dem „Gesamtleben der Nation“ zu verbinden. Die Zeitschrift sollte in die Gesellschaft hineinwirken. „Ihre vorwiegend geschichtliche Haltung, ihr Sinn für das Tatsächliche und Wirkliche, ihr Bemühen um allgemeine Verständlichkeit macht sie zur natürlichen Bundesgenossin derjenigen, welche eine vernünftige und sittliche Entwicklung unserer praktischen Verhältnisse anstreben. […] Ihre Interessen lebendig und ununterbrochen mit der Bewegung der Zeit zu verknüpfen ist eine Aufgabe, die um so ausführbarer erscheint, je mehr die politischen Parteien ihren Streit unter sich beizulegen und zu dem Einen Ziel des Fortschritts und der nationalen Wohlfahrt zusammenwirken angefangen haben.“159
Drittens wollte er „Propaganda machen für bestimmte praktische Überzeugungen und Ziele“ nationaler Art – ohne Beschränkung auf streng altliberale und gothaische Sichtweisen. „Die entschlossene konstitutionelle Partei, diejenige Partei, welche den Gedanken nicht aufgibt, daß das echte Preußen früher oder später an die Spitze Deutschlands zu treten berufen ist, das Zentrum von Frankfurt, die Linke von Berlin – diese sind die Urheber und diese werden den Kern der Schriftsteller bilden, die sich um die Jahrbücher sammeln. Aber 156
Haym, Aus meinem Leben, S. 260. In den folgenden Wochen bat er Verleger Georg Reimer um mindestens 220 Exemplare zur Werbung von Mitarbeitern und für die PJ allgemein (Briefe vom 18. und 31. Oktober sowie 4. November 1857 in StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 158 Rundschreiben Hayms an die Mitarbeiter, abgedruckt bei Westphal, Staatsauffassung, Anlage 2; Original zum Beispiel in ULB Halle, NL Haym, Yi 23 V 138. Ähnlich an Friedrich Theodor Vischer am 21. Oktober 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 142) und an Eduard Zeller am 19. Oktober 1857 (ebd., S. 139 ff.). 159 Aus dem Rundschreiben an die Mitarbeiter (ebenso das folgende Zitat). 157
V. Gründung, Organisation und Programm der Preußischen Jahrbücher
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unsre Ziele sind uns zu wichtig, als daß wir auf unseren Parteicharakter pochen wollten. Die Jahrbücher sollen nicht eine res domestica, sondern eine nationale und allgemeine Sache sein. Es wäre töricht, sich von den Bethmannianern oder denen, die sich einst nach Unruh und Waldeck nannten, zu sondern. Es wäre ebenso töricht, den Namen des Gothaismus zu verewigen oder in einem Augenblick ,Stolz für Preußen!‘ zu rufen, in welchem niemand Ursache hat, auf diesen Staat stolz zu sein.“160
Dass Haym die PJ nicht einer Partei zuzuordnen gedachte, zeigte sich auch im Verhalten in Bezug auf die Neubesetzung der Redaktionsleitung des Preußischen Wochenblattes. Wie Michael Behnen dargestellt hat161, trafen im Kreis dieser Zeitschrift ein konservativer und ein eher gothaisch gesinnter Flügel zusammen. Zwar hatte Haym das Mitarbeiter-Manifest verschickt und den Wunsch geäußert, mit dem Wochenblatt „Hand in Hand zu gehen“162. Als zum Jahr 1858 ein neuer Redakteur gesucht wurde, vermittelte Haym auch den Hallenser Privatdozenten Gustav Hertzberg163, schrieb aber darauf seinem Vertrauten Duncker: „Daß Gruner ihn genommen hat, beweist, wie absolut ratlos die Herren sind.“164 Verhandlungen über eine weitere Kooperation zwischen den beiden Publikationen verliefen sich.165 Realistisch sein, national sein, in die Gesellschaft hineinwirken, Wissenschaft und praktische Politik verbinden – das war für Haym nur möglich „durch eine überall ansprechende und bewegende Form“166. Gegenüber Rudolf Schleiden erklärte Haym, das Wissenschaftliche solle „zugleich eine Waffe sein; allein wir kleiden uns in diese Rüstung, weil es einfach eine Unmöglichkeit ist, die liberal-nationalen Ansichten und Ziele gegenwärtig in Preußen mittelst einer Zeitung zu vertreten. […] Es handelt sich darum, unsere Praktiker zu Schriftstellern, um eben dadurch unsere Schriftstellerei praktisch zu machen.“167
160 Haym an Heinrich von Treitschke am 28. Oktober 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 143, Hervorhebung im Original). Dennoch war Hayms Ansicht, „daß ein bestimmtes Programm über die Zukunft der deutschen Einheit niemals weniger aufgestellt werden konnte als eben jetzt, und dass eben deshalb jede scharf unionistische Politik, jede einseitige und positive Formulierung der Einheitsidee von Übel wäre“ (an Heinrich von Arnim nach 29. November 1857, in Stern, Entstehungsgeschichte, S. 170 f.). 161 Vgl. Behnen, Wochenblatt, S. 84 ff. 162 Haym an Justus von Gruner am 9. November 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 144). 163 Vgl. Haym an Justus von Gruner am 9. November 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 144) und weitere Briefe vom 12. und 29. November sowie 3. Dezember 1857. 164 Haym an Duncker am 17. Dezember 1857 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 71). 165 Behnen, Wochenblatt, S. 100 f., erläutert die Entwicklung des Wochenblatts nach dem Wechsel Gruners ins preußische Ministerium des Auswärtigen als eine „zum offiziösen Organ der Regierung der Neuen Ära“. 166 Aus dem Rundschreiben an die Mitarbeiter (vgl. Fußnote 158). 167 Haym an Rudolf Schleiden am 10. Dezember 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 148 f.).
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Solcherlei gerüstet sorgten die „Freunde durch Besprechungen in den Tageszeitungen für das Unternehmen“168. Die Kölnische Zeitung druckte am 7. November 1857 das Programm der PJ nebst Aufruf zur Mitarbeit ab und rief tags darauf zum Abonnieren auf.169 Jürgen Bona Meyer sorgte für Ankündigungen im Hamburger Korrespondenten, den Hamburger Nachrichten und bei Freunden in Frankreich.170 Georg Reimer kündigte in einem vierseitigen Prospekt vom 26. November das Erscheinen der PJ an und betonte ihre praktische Tendenz: „Sie wollen ein Organ nationaler Bildung sein und werden ebendeshalb ein Herz für die Nation, für deren äußere und innere Wohlfahrt, für deren Recht, Macht, Ehre, Einigkeit und Selbstständigkeit zeigen. Sie werden für eine gedeihliche Entwicklung unseres politischen Lebens zu wirken, staatsbürgerlichen Gemeinsinn zu wecken, die Mängel des Bestehenden zu enthüllen, die Erkenntniß des Besseren zu fördern, dem System constitutionell geordneter Selbstregierung, als dem Ziel und der Bedingung alles sittlichen Fortschritts, zum unbestreitbaren Siege zu verhelfen suchen. Allen Bestrebungen, die auf dieser Bahn rückwärts leiten, werden sie entgegenarbeiten. Rückhaltlos und unablässig werden sie für die Forderung des deutschen Volks eintreten, daß die deutschen Staaten nach ihren wahren Interessen und aus ihren gesundesten Kräften, daß sie gerecht und gesetzlich, ehrlich und deutsch regiert werden.“171
VI. Rudolf Hayms Mitarbeiter und seine Redaktionsführung 216 Autoren aus Wissenschaft und Politik schrieben nachweislich zwischen 1858 und 1871 für die PJ.172 Bereits in den ersten Jahren ihres Erscheinens finden sich in der Zeitschrift die Entwürfe großer Werke historischer und biographischer Forschung: Wilhelm Diltheys Schleiermacher, Rudolf Hayms Romantische Schule, Heinrich von Treitschkes Deutsche Geschichte oder Hermann Reuchlins Geschichte Italiens. Diese Ansammlung von Gelehrten war seitdem niemals mehr in einer allgemeinen Zeitschrift in Deutschland zu finden. 168 Westphal, Staatsauffassung, S. 51. Die Behauptung von Bercht (Konzeption der Jahrbücher, S. 23), die PJ seien ohne Vorankündigung erschienen, muss daher zurückgewiesen werden. 169 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 652, Nr. 4, Mitteilungen II/1427 und II/1147 vom 7./ 9. November 1857. 170 Vgl. seinen Brief vom 18. Dezember 1857 (StaBi PK Berlin, Dep. 42: Archiv de Gruyter, R1 – Meyer). 171 Original in: GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 652, Nr. 4, Mitteilung II 12534 vom 10. Dezember 1857. Mitteilung II 12.566/1435 vom 12. Dezember informiert darüber, dass man im Innenministerium die PJ abonniert – und die Förderung eines „System[s] constitutionell geordneter Selbstregierung“ (Herv. im Original) kritisch betrachtet. 172 Vgl. die von mir erstellte Artikel- und Verfasserliste. Nur 22 der mehreren hundert Artikel und Notizen aus 14 Erscheinungsjahren lassen sich nicht mehr eindeutig einem Verfasser zuordnen.
VI. Rudolf Hayms Mitarbeiter und seine Redaktionsführung
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Doch Rudolf Haym hatte seine liebe Mühe, in der Blüte der Reaktionszeit Mitarbeiter für die liberale Publikation zu finden. Mitte August 1857, als er noch mit dem Komitee der PJ über seine Anstellung verhandelte, wollte der ungeduldige Haym zur Sache kommen und endlich Mitarbeiter anwerben.173 Mehr als fünf Wochen reiste er quer durch die deutschen Staaten. Gleichzeitig stürzte sich Haym in eine enorme Schreibtätigkeit, erklärte das Programm der PJ und bat um die Vermittlung von Autoren – das alles individuell auf den jeweiligen Adressaten zugeschnitten. Der „schlagfertige, überzeugende Volksredner und Agitator“174 Ludwig Häusser zum Beispiel erhielt die Information, „daß die Politik den eigentlichen Brennpunkt des Journals zu bilden bestimmt ist“ und Aufsätze von ihm, Droysen und Gervinus den Geist der Zeitschrift bestimmen sollten175. Friedrich Theodor Vischer wiederum müsse man ausreden, dass die PJ „politisch allzu konservativ seien, […] ein Organ der weiland Gothaischen Partei, einer Partei, die aufgehört hat, als solche zu existieren“176. Hayms Reise durch die Universitätsstädte177 fand in den Semesterferien statt und war kein großer Erfolg. Viele Dozenten waren nicht erreichbar. Alte Gesinnungsgenossen reagierten abwartend oder resigniert. Es hagelte Absagen von Heinrich Friedrich von Arnim178, Ferdinand Christian Baur, Hermann Bonitz, Kuno Fischer179, Gustav Freytag, Georg Gottfried Gervinus180, Klaus Groth, Hermann Hettner181, Paul Pfizer, Gustav Rümelin, Rudolf Schleiden, Theodor Sickel182, Friedrich Theodor
173
Haym an Reimer am 12. August 1857 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 174 Fuchs, Häusser, in NDB 7 (1966), S. 458. 175 Haym an Ludwig Häusser am 21. Oktober 1857 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3741, Br. 1). 176 Haym an Eduard Zeller am 19. Oktober 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 141). 177 Anhand von Hayms Briefen bei Rosenberg und ans Verlagshaus Reimer (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym) sowie in seinen Notizen zur Autobiographie (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 I, 2, Bl. 33) lässt sich die Reise rekonstruieren: Sie begann Ende August 1857 in Jena, führte über Göttingen nach Bremen, Oldenburg, Hamburg und Kiel und von dort ins Rheinland (am 9. September war Haym in Bad Godesberg) und weiter nach Tübingen und Stuttgart. Am 16. September war Haym in München und am 21. September in Gotha. Letzte Station der Reise: die 17. Deutsche Philologenversammlung ab 28. September in Breslau. 178 ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV A 59. Über die Personen, die in obiger Liste ohne Fußnote erscheinen, informiert Haym, Aus meinem Leben, S. 266 f. 179 ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV F 32 – 33. An Fischer gerichtet schrieb Haym merkbar enttäuscht am 8. Juni 1858 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 2614,2): „Da man, verehrter Herr Professor, brieflich von Ihnen doch nichts zu hören bekommt, so wäre es ein Vorschlag zur Güte, daß wir uns Beide […] träfen und sprächen.“ 180 Haym an Gervinus am 4. November 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 143 f.). 181 ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV H 299. 182 ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV S 235b. Sickel und Bonitz hätten ihn „im Stich gelassen“, so Haym an Theodor Mommsen am 12. Februar 1858 (StaBi Berlin PK, NL Wilhelm Mommsen, Kasten 46: Briefe Hayms an Theodor Mommsen, Bl. 1 – 4).
62
B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Vischer183, Hermann Wasserschleben184, Heinrich Albert Zachariae185. Adolph Wagner versprach viel, lieferte aber nicht.186 Haym stellte enttäuscht fest: „[D]er Ertrag [war] nicht so groß, wie ich gehofft hatte. Mit voller Zustimmung wurde unser litterarisches Project nur von den eifrigsten Parteigängern aufgenommen.“187 Auch Johann Gustav Droysen zählte nicht zu diesen Parteigängern. Die Enttäuschung über dessen Absage konnte Haym selbst in seiner Autobiographie nicht verbergen – zumal sich Droysen wenig diplomatisch gezeigt hatte: Im Gespräch mit Haym erklärte er, sich auf seine Geschichte der Preußischen Politik und seine Lehrtätigkeit konzentrieren zu wollen oder selbst die Nähe zur Macht zu suchen, so zu Prinzessin Augusta von Preußen. In einem Brief an Sybel bezeichnete Droysen die PJ als Versorgungsunternehmen für Haym.188 Andererseits hatte er ihm immer wieder Hoffnung auf regelmäßige Mitarbeit an den PJ gemacht.189 Dass besonders der Titel Preußische Jahrbücher für Ablehnung und Missdeutung sorgte, zeigten einige Absagen zur Mitarbeit. Der Württemberger Historiker und Publizist Christian Friedrich Wurm meinte, „keinem fortschrittlich Denkenden sei eine Gemeinschaft mit Leuten zuzumuten, die nach allem, was geschehen sei, noch immer an Preußen glauben“190. Auch Rudolf Schleiden, Bremens Gesandter in Washington, lehnte wegen des gewählten Titels eine Beteiligung an der Zeitschrift ab.191 Haym musste sich erneut erklären: „Gern zwar halte ich an der Hoffnung fest, daß die einheitliche Entwickelung Norddeutschlands durch Preußen vor sich gehen werde, allein die scharfe Betonung dieser Hoffnung würde gegenwärtig mehr zu
183
An Karl Klüpfel hatte Haym noch am 12. November 1857 geschrieben, dass er von Vischer „heut bereits Zustimmung und Zusage erhalten“ habe (UB Tübingen, NL Klüpfel, Md 756 – 16, Bl. 285/6). 184 ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV W 14. An Mommsen hatte Haym geschrieben, Wasserschleben wolle ihn unterstützen (StaBi Berlin PK, NL Wilhelm Mommsen, Kasten 46: Haym an Theodor Mommsen, Bl. 1 – 4). 185 ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV Z 2. 186 ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV W 1 und W 2. Er hatte angeboten, Reiseberichte und volkswirtschaftliche Aufsätze zu schicken. Sein erster Artikel in den PJ erschien erst 1865. 187 Über die Suche nach Mitstreitern schreibt Haym, Aus meinem Leben, S. 262 ff., hier S. 263. 188 Vgl. ebd. und Nippel, Droysen, S. 252 f. Der Brief an Sybel vom 26. September 1857 findet sich in Hübner, Briefe Droysens II, S. 477. 189 Zumindest schrieb Haym von „Zusagen“ Droysens in Briefen an Karl Klüpfel (UB Tübingen, NL Klüpfel, Md 756 – 16, Bl. 285/6, 12. November 1857) und Theodor Mommsen (vgl. Fußnote 184). 190 Wurms Brief vom 9. November 1857 in Harich, Haym, S. 502. Vgl. ULB Halle, NL Haym, Yi 23 I, Bl. 34 (1857) und Haym, Aus meinem Leben, S. 268: „[E]ine nackte Absage, unhöflich, geflissentlich beleidigend, jedes Wort so zugespitzt, daß es verwunden sollte, bitter und höhnisch […]. […E]s war dem Briefsteller gelungen, mir gleich anfangs die Lust an meiner redactionellen Thätigkeit zu vergällen.“ 191 Rudolf Schleiden an Haym am 8. Januar 1858 (ULB Halle, NL Haym, YI 23 IV S 13).
VI. Rudolf Hayms Mitarbeiter und seine Redaktionsführung
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deren Vereitelung als Erfüllung beitragen, und so werden unter meiner Redaktion die Jahrbücher unter allen Umständen mehr deutsche als preußische Jahrbücher sein.“192 Doch es gab auch Erfolgserlebnisse: Der Bremer Senator Otto Gildemeister stimmte dem Programm der Zeitschrift vollauf zu und erklärte sich nach Kräften zur Mitarbeit bereit.193 Der Königsberger Philologe Ludwig Friedländer schlug sogleich die Themen für seine ersten Aufsätze vor.194 Ludwig Karl Aegidi, zu dieser Zeit Professor der Rechte in Erlangen, reagierte nach Aussagen Hayms enthusiastisch und machte einige Mitarbeitervorschläge.195 Max Duncker vermittelte den schwäbischen Historiker Karl Klüpfel.196 Haym hoffte auf Korrespondenten in Berlin, London und Genf197 und Beiträge zur Wissenschaft der Physiker Hermann Helmholtz und Gustav Karsten.198 Besonders erfreute Haym die Zusage des Theologen und Philosophen Eduard Zeller199 für den Dienst an der höheren Journalistik. Denn Haym hatte erfahren, „dass die Herstellung einer revueartigen Zeitschrift, wie die ,PJ‘ sein wollen, mutatis mutandis ein Plan ist, den Sie selbst wiederholt verfolgt haben“200. Diesen Plan hegte Zeller übrigens gemeinsam mit Ferdinand Christian Baur, David Friedrich Strauß und Kuno Fischer, die den PJ meist fern bleiben sollten. Im Großen und Ganzen sollte aber Johann Gustav Droysen recht behalten: „Rechnen Sie von vornherein darauf, daß Sie von unseren guten Freunden im Stich gelassen werden. Sie brauchen auch Miethstruppen und werden sich einen oder zwei Schurken halten müssen.“201
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Haym an Rudolf Schleiden am 10. Dezember 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 149). 193 Otto Gildemeister an Haym am 27. November 1857 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV G 137). 194 Ludwig Friedländer an Haym am 10. November 1857 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV F 58). 195 Haym, Aus meinem Leben, S. 269; Brief Aegidis vom 3. November 1857 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV A 23). 196 Max Duncker an Haym am 4. Juli 1858 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV D 105). Haym an Karl Klüpfel am 2. und 12. November 1857 (UB Tübingen, Md 756 – 16, NL Klüpfel, Bl. 283 – 286). 197 Haym an Verleger Reimer am 14. November 1857 (StaBi Berlin PK, Dep. 42, Archiv de Gruyter, R1 – Haym). Ein ihm unbekannter Arthur Scherrthofs biete Korrespondenzen aus Genf an. Berichte aus Berlin erwartet Haym von Mommsen nach dessen Berufung an die Preußische Akademie der Wissenschaften – der sollte aber nur eine Rezension über Thiers Geschichte der Kaiserzeit, in PJ I, 3 (1858), S. 225 ff., verfassen. 198 Haym an Theodor Mommsen am 12. Februar 1858 (StaBi Berlin PK, NL Wilhelm Mommsen, Kasten 46, Bl. 1 – 4). 199 Eduard Zeller an Rudolf Haym am 29. Oktober 1857 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV Z 7). 200 Rudolf Haym an Eduard Zeller am 19. Oktober 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 139). Haym machte Zeller gleich einige Themenvorschläge. 201 Haym, Aus meinem Leben, S. 264, berichtet über die Reaktion Droysens.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
Einer der „Schurken“ sollte die PJ in den folgenden 40 Jahren als Redakteur und Herausgeber prägen: Heinrich von Treitschke. Haym traf ihn im Herbst 1857, wusste gleich, welche Leistung „von diesem Feuergeist zu erwarten sei, und man muß es zu den besten Leistungen seiner redaktionellen Regiekunst zählen, daß der Höhenflug Treitschkescher Gedankenzüge […] zuerst in den blauen Heften bewundert worden ist“202. Um in Hayms Worten zu sprechen: „[D]as war eben das Feld schriftstellerischer Thätigkeit, wie er es sich wünschte – hier fand seine nationalpolitische Gesinnung, sein historisch-literarisches Interesse, sein Drang, auf seine Zeitgenossen rednerisch einzuwirken, die schönste Gelegenheit. Er machte die Sache der Jahrbücher zu seiner eigenen Angelegenheit – mit nur einem halben Dutzend solcher Mitarbeiter hätte die Zeitschrift das Muster einer deutschen Revue werden müssen.“203 Der Versuch, deutsche Liberale aller Schattierungen durch die PJ-Mitarbeit zu einen, war jedoch gescheitert.204 Zwar kamen Hayms Autoren aus allen Gegenden Deutschlands, standen der liberalen Bewegung nahe und hatten in deren Zentren wie Breslau, Göttingen oder Halle studiert. Auch waren einige seit den 1840er-Jahren in jedweder Form in der liberalen Presse tätig oder Mitglieder des liberalen Teils der Frankfurter Nationalversammlung, des Erfurter Unionsparlaments und des preußischen Abgeordnetenhauses gewesen. „Aber entgegen der Hoffnung, die Haym gehegt hatte, eine Anzahl von bedeutenden Männern aus dem praktischen Leben zu gewinnen, waren es fast ausschließlich Gelehrte, die sich um ihn scharten.“205 Das Urteil, die PJ seien eine Zeitschrift von Gelehrten für Gelehrte, ist dennoch vorschnell gefällt. Die Lebenswege der meisten Autoren hatten sich natürlicherweise zwischen 1840 und 1857 mit denen Hayms oder Dunckers gekreuzt. So fanden sich unter den regelmäßigen PJ-Autoren der ersten Generation vor allem Wissenschaftler, die davon ausgingen, dass die geistige, wirtschaftliche und politische Zukunft den bürgerlichen Schichten gehören müsse. Viele von ihnen vermittelten ihre Erkenntnisse und Ziele jedoch als Publizisten oder Politiker – also sehr wohl als Männer aus dem praktischen Leben – einer breiten Öffentlichkeit. Zu den Mitarbeitern der ersten Stunde gehörten enge Freunde und Studienkollegen Hayms: der Theologe Karl Schwarz (geb. 1812), ab 1845 bei den Lichtfreunden aktiv und später Mitglied der Casino-Fraktion der Frankfurter Nationalversammlung; der Philologe Wilhelm Schrader (geb. 1817), der nach seinem Engagement in der Nationalversammlung in der Schulverwaltung tätig war; der Philologe und Historiker Otto Nasemann (geb. 1821). Das gemeinsame Engagement in der Casino-Fraktion der Nationalversammlung verband Haym mit folgenden Autoren: der altliberale Politiker Adolf Lette 202 203 204 205
Heynen, Blaue Blätter, S. 89 f. Haym, Aus meinem Leben, S. 269 f. Vgl. Kahan, Haym, S. 59. Krohn, Haym, S. 111.
VI. Rudolf Hayms Mitarbeiter und seine Redaktionsführung
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(geb. 1799), der zwischenzeitlich den Constitutionellen Club in Berlin mitbegründete; der Jurist und Hochschullehrer Georg Beseler (geb. 1809); der Historiker Hermann Baumgarten (geb. 1825), der zudem von 1848 bis 1852 die Deutsche Reichszeitung in Braunschweig herausgab. In der Paulskirche knüpfte Haym zudem Kontakte zu dem Staatswissenschaftler Robert von Mohl (geb. 1799), dem Vorkämpfer der Judenemanzipation und Mitbegründer des Nationalvereins Gabriel Riesser (geb. 1806) sowie dem späteren altliberalen Politiker Moritz Veit (geb. 1808). Sie sollten ebenso regelmäßig für die PJ zur Feder greifen wie Karl Freiherr von Vincke-Olbendorf (geb. 1800) und der Historiker und Publizist Ludwig Häusser (geb. 1818), die wie Haym Mitglieder des Erfurter Unionsparlaments waren und sich in den folgenden Jahren zu einflussreichen Politikern kleindeutscher Prägung entwickelten. Geprägt von der Lehrtätigkeit Max Dunckers und mit Rudolf Haym ebenfalls freundschaftlich verbunden waren der Bibliothekar und Historiker Otto Hartwig (geb. 1830), der bis 1865 als Prediger der deutschen Gemeinde in Messina wirkte, und der Philosoph Christoph Sigwart (geb. 1830 in Tübingen), der bis 1855 als Lehrer in Halle tätig war. Außerdem stieß der Historiker Bernhard Erdmannsdörffer (geb. 1833) zu den PJ, der zuvor mit seinen akademischen Lehrern Johann Gustav Droysen und Max Duncker an einer Edition der Urkunden des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg gearbeitet hatte. Max Duncker konnte zudem aus dem Umfeld des Literarisch-politischen Vereins des Herzogs Ernst II. von Coburg Autoren für die PJ gewinnen: seinen langjährigen Freund, den Diplomaten Theodor von Bernhardi (geb. 1803), und Karl Philipp Francke (geb. 1805), Regierungspräsident in Coburg und ab 1858 Spezialminister für alle Coburger Angelegenheiten. Ein großer Teil der PJ-Autoren kann, wie Erstherausgeber Rudolf Haym, dem historisch-philologischen Spektrum zugerechnet werden. Dem Programm der Zeitschrift entsprechend untersuchten sie die Geschichte, Kultur- und Sprachentwicklung in Preußen und den anderen deutschen Staaten, um sich Klarheit über die Zielrichtung der zeitgenössischen politischen Entwicklung zu verschaffen. Dabei betrachteten sie die Rolle Preußens keinesfalls unreflektiert. Dass der Staat niemals eine Lösung für seine inneren Probleme finden werde, solange er nicht die Deutsche Frage löse, war für die folgenden Personen ein unumstößliches Prinzip: der Württemberger Hermann Reuchlin (geb. 1810), der ab 1855 eine voluminöse Geschichte Italiens verfasste, und sein Landsmann, der Theologe und Philosoph Eduard Zeller (geb. 1814); Reinhold Pauli (geb. 1823), der von 1859 an für die PJ aus Württemberg berichtete, war ein Experte für die Geschichte Großbritanniens; der Königsberger Philologe Ludwig Friedländer (geb. 1824); Anton Springer (geb. 1825), der 1852 wegen anti-österreichischer Agitation seine Heimatstadt Prag verlassen musste, 1865 eine entsprechend kritische Geschichte Österreichs veröffentlichte und als Begründer der modernen Kunstgeschichte gilt; der Breslauer Historiker Colmar Grünhagen (geb. 1828), der ab 1862 das schlesische Provinzialarchiv leitete; der Philosoph Wilhelm Dilthey (geb. 1833), der Ende der 1850er-Jahre zunächst als Lehrer und dann als freier Schriftsteller in Berlin lebte – und das in einer Wohn-
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
gemeinschaft mit dem späteren PJ-Herausgeber Wilhelm Wehrenpfennig; zuletzt der württembergische Historiker und Italien-Experte Sigurd Abel (geb. 1837). Neben dieser Riege (später) hochangesehener Wissenschaftler gesellten sich zu den PJ-Autoren der ersten Stunde Publizisten, die in ihren Veröffentlichungen bis dato kleindeutsch aufgetreten waren: Friedrich Oetker (geb. 1809), der ab 1859 als Herausgeber der Hessischen Morgenzeitung und als führendes Mitglied des Nationalvereins Anteil daran hatte, dass die Forderung auf Wiederherstellung der außer Kraft gesetzten kurhessischen Verfassung von 1831 wieder aufkam; der Geograph Karl Neumann (geb. 1823), der 1850/51 die Hartungsche Zeitung in Königsberg leitete, danach in Berlin ein Nachfolger Hayms als Redakteur der Constitutionellen Zeitung war und ab 1856 die Zeitschrift für allgemeine Erdkunde herausgab; der liberal-konservative Politiker und mehrmalige Bremer Senator und Bürgermeister Otto Gildemeister (geb. 1823); der Jurist und Politiker Ludwig Karl Aegidi (geb. 1825), der schon als Student für Gervinus’ Deutsche Zeitung arbeitete und der preußischen Regierung ab 1859 als Verfasser von Denkschriften und Broschüren in antiösterreichischem Sinn diente; der Philologe, Philosoph und Historiker Gustav Hertzberg (geb. 1826), der von 1858 bis 1860 das offiziöse Preußische Wochenblatt redigierte; der Historiker und Philologe August Lammers (geb. 1831), Redakteur der Weser-Zeitung (1852/53 und 1859 bis 1861), der Hildesheimer Zeitung (1853 bis 1857) sowie der Zeitung für Norddeutschland (1857 bis 1859), Autor für PJ, Zeit und Süddeutsche Zeitung sowie Mitbegründer des Nationalvereins. Rudolf Haym selbst war mit der administrativen Tätigkeit für die PJ voll beschäftigt. Vor der Herausgabe des ersten Heftes ging praktisch täglich ein noch heute erhaltener Brief an Verleger Georg Reimer. Haym koordinierte den Versand der Garantiescheine zur finanziellen Absicherung der PJ206 und der Informationsbroschüre über die Zeitschrift207. Außerdem musste er sich in den ersten Monaten seiner Tätigkeit mit Sonderwünschen seiner Autoren auseinandersetzen208, Klagen über verspätete Lieferung der Jahrbücher weiterleiten209 und forderte wieder und wieder mehr Werbung für die Zeitschrift ein210. Auch der Druck der PJ verzögerte sich regelmäßig und machte ein ums andere Mal Schwierigkeiten. So beklagte sich Haym bei Karl Mathy über die „verwünschte Schwerfälligkeit der Reimerschen Einrich-
206 Vgl. Haym an Georg Reimer, 7. Dezember 1857 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 207 Vgl. Haym an Georg Reimer am 9., 10. und 17. Dezember 1857 (ebd.). 208 Vgl. Haym an Georg Reimer am 17. und 18. Dezember 1857 (ebd.). Karl Philipp Francke forderte statt Gehalt zunächst 36, dann 200 Exemplare seines Aufsatzes, um sie an Freunde in Schleswig und Holstein zu verteilen. 209 Vgl. Haym an Georg Reimer am 4. Juni 1858 (ebd.). Die Klage kam von Hayms ehemaligem Arbeitgeber Karl Biedermann in Weimar. 210 Vgl. Haym an Georg Reimer am 22. Februar und 26. Juni 1858 (ebd.).
VI. Rudolf Hayms Mitarbeiter und seine Redaktionsführung
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tungen, des ganzen Druckbetriebes – eine Schwierigkeit, an der ich fortwährend laboriere“211. Auch die Pünktlichkeit der Autoren ließ zu wünschen übrig. Erfreute sich Haym noch im November 1857 an rührigen Mitarbeitern und eingehenden Manuskripten212, so ungeduldig war er mehrere Wochen später: „Bis gestern Abend habe ich vergeblich auf Neumanns Aufsatz gewartet. Da solch ein Aufsatz doch auch redigiert sein will und dies Geschäft eine nicht im Voraus berechenbare Zeit kostet, so ist mein Entschluß gefaßt. Ich warte nicht länger auf die Arbeit. […] Wenn am 9. [Januar] die Kammern zusammentreten, so dürfen die Jahrbücher auch nicht länger auf sich warten lassen. Sie werden ohnehin […] früher erwartet.“213 Als tags darauf der Aufsatz Neumanns Die Engländer in Indien doch noch eintraf und Haym das erste PJ-Heft nochmals umstellte, reagierte Verleger Reimer verärgert.214 Viel Arbeit steckte der Redaktionsleiter ins Redigieren gelieferter Artikel. Regelmäßig klagte Haym darüber, wie viele schlechte und halbfertige Manuskripte eingingen215, die im Vertrauen auf das Prinzip der Anonymität „zum Teil furchtbar von mir zurechtgerückt und überarbeitet [wurden], was mir, beiläufig, recht heillose Zeit und Mühe gekostet hat“216. Noch in seiner Autobiographie bezeichnete er es als „das undankbarste Geschäft“, an den Aufsätzen „herumzubessern“217. Doch selbst wenn Haym einen Artikel ablehnte oder eigentlich nichts daran auszusetzen hatte, schrieb er den Autoren seitenlange Anmerkungen.218 Dabei hatte er es auch mit Plagiaten zu tun. Den Tübinger Historiker Karl Klüpfel hatte er im November 1857 211 Haym an Karl Mathy, 30. September 1858 (BArch N/2184 – 28, NL Mathy, Bl. 25/26). Eine Notiz Mathys über den volkswirtschaftlichen Kongress in Gotha konnte nicht abgedruckt werden. Stattdessen erschien in PJ II, 4 (1858) ein Artikel von Lammers: Der Gothaer Kongress und die Genossenschaftsbewegung in Deutschland. 212 Vgl. StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym, 14. und 30. November 1857. 213 StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym, 17. Dezember 1857. 214 Vgl. Hayms Briefe ebd., 18. und 20. Dezember 1857. 215 Vgl. ebd., 7. Dezember 1857 und Haym an Max Duncker in: GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 258/9, 1. Oktober 1858. 216 Ebd., 13. Mai 1871. 217 Vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 261. Allein in Hayms Korrespondenz aus dem Jahr 1858 finden sich Dutzende ähnlicher Anmerkungen. Einige Beispiele in StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Haym. Am 3. Februar gibt er an, am Aufsatz Adolf Lettes über den preußischen Landtag kaum einen Satz nicht redigiert zu haben. „Er hat mir unsägliche Mühe gemacht.“ Am 26. Juni informiert er Reimer, dass er den Artikel Zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Geistes umgeschrieben habe. Ähnlich am 27. Juli an Max Duncker (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 271/2) über Reuchlins Aufsatz Die Österreicher in Italien: „Sein Manuskript hat mir acht Tage hindurch die gräulichste Arbeit gemacht und habe ich dabei […] wahrhafte Qualen ausgestanden. Über ein Drittel habe ich gestrichen […].“ 218 So an Theodor Mommsen am 12. Februar 1858 (StaBi Berlin PK, NL Wilhelm Mommsen, Kasten 46: Haym an Th. Mommsen) und Eduard Zeller am 14. Februar 1858 (UB Tübingen, Md 747 – 279/NL Zeller).
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
um einen Aufsatz über Hans von Gagern gebeten219 und sich nach dem Eintreffen ausgelassen: „[E]in mageres, trockenes, langweiliges, kindisches Machwerk. So wie es ist, kann ich es nicht aufnehmen.“220 Schnell wurde Haym klar, dass der Aufsatz „ein geschicktes Exzerpt aus dem Buche Heinrichs von Gagern ist“. Er forderte Klüpfel jedoch vergeblich auf, selbständig „die große politische und nationale Moral aus einem solchen Leben“ zu ziehen, wie „es der Geist und die Absicht der ,Jahrbücher‘“ forderten221. Mit Beginn der Neuen Ära in Preußen waren die PJ – wie im folgenden Kapitel dargestellt wird – vollends in der Tagespolitik angekommen, und das mehr, als es manchen Mitarbeitern recht war. Rudolf Haym interpretierte das Programm der eigenen Zeitschrift daher so, wie es zu den Adressaten seiner Briefe passte. Dem Göttinger Philologen Hermann Sauppe kündigte er an, dass man zugunsten der Politik „die wissenschaftlichen und geistigen Interessen nun in den Hintergrund schieben wolle[]“222. Gegenüber dem Philosophen Eduard Zeller meinte er, die Jahrbücher sollten nicht „nur politisieren […]. Ich habe den wissenschaftlichen Teil […] nie bloß als Vorwand und Maske gefaßt, sondern ich glaube ernstlich an den inneren Zusammenhang der gesunden, namentlich historischen Wissenschaft mit dem öffentlichen, dem Staats- und Nationalleben.“223 Dennoch stellte Zeller, der seine Vorstellung von Moral in der Politik gegenüber Haym immer deutlich zum Ausdruck brachte und vom Herausgeber deshalb hochgeschätzt wurde, seine Mitarbeit ein. Der Grund war aber gekränkte Eitelkeit: Haym hatte freundlich abgelehnt, Zellers Philosophie der Griechen zu besprechen, da er „die Veranschaulichung der realen, der kulturgeschichtlichen Seite der Systeme, die pragmatische Ableitung aus und Beziehung auf die historische Situation“224 vermisste. Auf Zellers Einwand („wenn mich die Art, wie mir widersprochen wurde, allerdings […] verdrossen hat, so weiß ich mich doch von Empfindlichkeit gegen fachlichen Widerspruch als solchen frei“225) deutete der Herausgeber eine Besprechung an226, ließ diese aber nicht folgen. Stattdessen band Haym Treitschke
219 Haym an Karl Klüpfel am 12. November 1857 (UB Tübingen, Md 756 – 16, NL Klüpfel, Bl. 285/6). 220 Haym an Max Duncker am 22. März 1858 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 281/2). 221 Haym an Karl Klüpfel am 3. April 1858 (UB Tübingen, Md 756 – 16, NL Klüpfel, Bl. 287/8). Den Aufsatz veröffentlichte schließlich Treitschke in PJ VIII, 5 (1861), S. 444 ff. als Beispiel für einen Politiker, der im Partikularismus verfangen sei (vgl. Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 242 ff., an Haym und seinen Vater). 222 Haym an Sauppe am 25. Oktober 1858 (NSUB Göttingen, Cod. Ms. H. Sauppe 107: Haym). 223 Haym an Zeller am 4. Dezember 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 165). 224 Ebd., S. 164. 225 Zeller an Haym am 15. Dezember 1858 (ebd., S. 167). 226 Haym an Zeller am 23. Dezember 1858 (ebd., S. 169 f.).
VII. Die Lage der Preußischen Jahrbücher in den Anfangsjahren
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enger an die Publikation, indem er ihn zur regelmäßigen Besprechung politischer Flugschriften bewegte.227
VII. Die Lage der Preußischen Jahrbücher in den Anfangsjahren Von Anfang an setzte den PJ die Konkurrenz auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt zu. Der Nationalverein gab eine Wochenschrift heraus und bewarb seine Sache deutschlandweit mit Flugschriften und in Zeitungen.228 Zudem war den PJ in Heinrich von Sybels Historischer Zeitschrift ein Konkurrent unter dem Deckmantel der Geschichtswissenschaft erwachsen.229 Sie band ab 1859 Autoren, die Rudolf Haym gerne bei den PJ gesehen hätte: „Sybel […] sollte sich mehr auf wissenschaftlich geschichtliche Leistungen in seiner Zeitschrift beschränken; sonst kommen wir uns stets ins Gehege, wo nicht gar, wenn dort süddeutsche Politik zum Wort kommen sollte, im Gegensatz zur preußischen – in die Haare.“230 Bei Duncker beklagte sich Haym, für Sybel schrieben „alle gegen uns Verstimmten, alle, die ihren Namen gedruckt lesen wollen, endlich die politisch Halbschlächtigen und Unzuverlässigen wie Ranke“231. In Süddeutschland konnte die preußisch gesinnte Presse, wie die PJ, kaum Fuß fassen. Ein Tagebucheintrag Theodor von Bernhardis über ein Gespräch mit Max Duncker232 informiert über den Plan, ein Organ in Frankfurt zu gründen. Es solle keinen Anschein einer Verbindung zur Regierung erwecken (obwohl Duncker die Gründung mit Ministerpräsident von Hohenzollern besprach), die Redaktion unabhängig und selbständig entscheidend wirken. Aus den Planungen entstand die Süddeutsche Zeitung (SZ), die seit Oktober 1859 unter der Redaktion Karl Braters
227
Vgl. Haym an Treitschke am 23. und 29. Dezember 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 170 ff.). 228 Vgl. Groth, Zeitung, S. 399 und auch die kurze Notiz von Wehrenpfennig, Zur Coburger Wochenschrift des Nationalvereins, in PJ VI, 1 (1860), S. 114 ff. 229 Haym informierte Duncker am 28. Dezember 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 26 f.) über die Sicht Sybels. Der habe „wiederholt geäußert, die Jahrbücher sollten sich der historischen Artikel enthalten und bloß politische Besprechungen bringen. Er sieht in ihnen ein Konkurrenzunternehmen für seine Zeitschrift.“ 230 Haym an Gervinus am 2. April 1859 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 176, Anm. 1). 231 Haym an Duncker am 1. Oktober 1858 (ebd., Anmerkung). 232 Bernhardi, Tagebücher III, S. 227 ff., Eintrag vom 19. Mai 1859. Duncker beklagte sich außerdem, dass süddeutsche Zeitungen von Österreich so gut bezahlt würden, dass sie Artikel im preußischen Sinn gar nicht erst aufnähmen. Mit Flugschriften, entgegnete Bernhardi, reiche man nicht weit. Es müssten „neue Organe der Presse im preußischen Interesse geschaffen werden im südlichen Deutschland“. Würden die nötigen Gelder bewilligt, dann könnte Duncker dies durch seine Verbindungen in den Süden bewerkstelligen (ebd., S. 227).
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
erschien.233 Das Programm aus der Feder Hermann Baumgartens kam den PJ zupass, schließlich zielte es auf eine Konfrontation mit den pro-österreichischen Blättern, wollte die Anschauungen des Nordens vermitteln, den gesamtdeutschen Patriotismus steigern, den Verfassungsstaat vertreten, das Vertrauen in Preußen festigen und auf süddeutsche Verhältnisse Rücksicht nehmen. Zugleich grub die neue Publikation den PJ das Wasser ab: Autoren wie Neumann, Aegidi und Treitschke schrieben regelmäßig für die SZ, auch Duncker legte „bei jeder Wandlung der Konstellation seine Auffassung nieder und gab Ratschläge“234. Die PJ erschienen entgegen allen Ankündigungen noch immer nicht regelmäßig zum Monatsbeginn235, es fehlten Abonnenten und finanzielle Mittel. Das Oktoberheft 1859 sollte zusammengestrichen werden, da man nur mit Kürze und Würze Leser gewinnen und das Blatt vor dem eigenen Komitee rechtfertigen könne – dieser Seitenhieb galt vor allem dem weit ausholenden politischen Korrespondenten Karl Neumann. Darüber hinaus beschwerte sich Rudolf Haym einmal mehr über das mühselige Redigieren und äußerte Zweifel236, ob er, dem das genuin Politische abgehe und der nicht in Berlin lebe, die Redaktion leiten könne. Zum Ende der Neuen Ära – also nach knapp fünf Jahren des Erscheinens – hatten sich die PJ ihren Leserstamm gesichert und galten unter kleindeutschen Bildungsbürgern als „vortrefflich“237, „die vornehmste deutsche Zeitschrift“238 oder „ein Stück Nationalleben“239. Dennoch hatten sie weiterhin einen schweren Stand auf dem Markt. Rudolf Haym verteidigte noch in seiner Autobiographie, „daß der Absatz der 233 Dazu Groth, Zeitung, S. 176 f.; Stark, Baumgarten, S. 138 ff.; Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ IV, 6 (1859), S. 668 ff.; Schulze, Briefe Dunckers (v. a. Nr. 188, 201, 205, 226, 230 ff. und 251). Die Wichtigkeit des Projekts zeigt Sybels Beschwerde vom 12. November 1859 (ebd., Nr. 249, S. 177) über die mangelnde finanzielle Unterstützung durch Preußen. Quittungen, Abrechnungen, Notizen und Korrespondenz zur SZ zwischen Wehrenpfennig, Mathy, Duncker und Brater von 1859 bis 1861 in GStA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig, C Nr. I. 234 Stark, Baumgarten, S. 148. 235 Vgl. Haym an Georg Reimer am 21. Dezember 1859 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). Das Januarheft 1860 sollte zum 7. Januar erscheinen, das Februarheft zum 31. Januar, damit man endlich, nach zwei Jahren, im vorgesehenen Rhythmus sei. 236 Vgl. Haym an Reimer am 28. September und 20. November 1859 (ebd.). Bercht, Konzeption der PJ, S. 52, begründete Hayms Frustration damit, dass ihm die Inhalte im Italienischen Krieg von 1859 durch die Zentralstelle für Presseangelegenheiten vorgeschrieben wurden und er so die feige preußische Politik verteidigen müsse, statt für Freiheit und Ehre Gesamtdeutschlands einzutreten. Für Vorgaben der Zentralstelle in Richtung der PJ konnten in der Korrespondenz der Beteiligten keine Hinweise gefunden werden – allerdings ist richtig, dass sich auch die PJ in ihrer Argumentation auf offizielle Verlautbarungen stützen mussten. 237 Hermann Hettner an Haym am 13. Dezember 1859 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 189 f.). 238 Wilhelm Dilthey an seinen Vater am 23. November 1861 (in Misch, Junger Dilthey, S. 166). 239 Karl Ludwig Aegidi an Haym am 16. September 1860 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV A 47).
VII. Die Lage der Preußischen Jahrbücher in den Anfangsjahren
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Jahrbücher hinter den Erwartungen zurückblieb“, weil das Publikum für eine „zwischen wissenschaftlicher und populärer Mittheilung die Mitte haltende Zeitschrift erst gebildet werden mußte“240. Mitstreiter, die nicht unmittelbar an der Produktion beteiligt waren, bemerkten: „Mit den Jahrbüchern steht es […] ungemein flau.“241 Die linksliberale Bildungselite fühlte sich zudem von Oppenheims Deutschen Jahrbüchern für Politik und Literatur besser angesprochen. Gerade Letztere sorgten für Unruhe bei Rudolf Haym, der „einen Kampf auf Tod und Leben“ erwartete. Besonders enttäuscht war er darüber, dass ihm vertraute Personen wie „Franz Duncker, Delbrück […], Mommsen! – nun erst Deutschland mit einer Revue beglücken wollen“242, die auch noch den Titel trug, den er der seinigen einst geben wollte. In den folgenden Jahren verglich Haym wiederholt die Veröffentlichungen beider Zeitschriften243 und sollte – da die Deutschen Jahrbücher mit Namen wie Unruh, Lasker, Bamberger, Reuchlin, Scherr und Ruge punkten konnten – das Prinzip der Anonymität in den PJ aufweichen und schließlich aufgeben.244 Von besonderer Wichtigkeit blieb Haym, die Programmatik der Zeitschrift zu wahren. Den dritten Band eröffnete ein Vorwort des Herausgebers, in dem er das Mitarbeiter-Manifest vom Herbst 1857 eins zu eins nach Außen transportierte. Haym wies den PJ eine Schlüsselrolle zwischen Wissenschaft und Nationalleben zu und beschwor die Festigung der konstitutionellen Staatsordnung: „Die äußere Stellung und die innere Wohlfahrt, die Macht, das Recht und die Ehre, die Einigkeit und die Selbstständigkeit Deutschlands sollten uns leitende Gesichtspunkte sein.“245 Er kündigte eine verständliche, lebendige und sachliche Darstellung an246 und bezeichnete die Geschichtswissenschaft als „Lehrmeisterin für das heutige Geschehen
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Haym, Aus meinem Leben, S. 279. Ludwig Aegidi an Georg Gottfried Gervinus am 20. Mai 1860 (in Jansen, Politische Briefe, S. 669 f.). Weiter: „[G]ute, klassische Beiträge fließen nirgendwo reichlich; die Kräfte müssen sich also konzentrieren.“ 242 Haym an Duncker am 12. Juli 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 194 f., Hervorhebung im Original) mit der Information: „Die ,deutschen Jahrbücher‘, das Organ der ,entschieden freisinnigen Partei’, werden zweimal monatlich, jeden 1. u. 16. in Heften zu 6 – 8 Bogen erscheinen, u. ich weiß, daß das benötigte Geld bereits da ist.“ Vgl. auch Haym an Duncker am 9. Juni 1861 (ebd., Bl. 198 f.) und Haym an Karl Mathy am 8. Oktober 1861 (BArch Berlin-Lichterfelde, NL Mathy, N/2184 – 28, Bl. 37 f.). 243 Haym an Georg Reimer, 29. September 1861 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym): Das Septemberheft werde „mit dem Oktoberheft der ,deutschen‘ Jahrbücher den Vergleich aushalten können […].“ 244 Damit entsprach Haym dem wiederholt geäußerten Wunsch vieler seiner Autoren – wie Wilhelm Dilthey (vgl. Kühne-Betram/Lessing, Briefe Diltheys I, S. 218 und S. 220 f.; Briefe vom 10. und 18. Januar 1862). 245 Haym, Vorwort, in PJ III, 1 (1859), S. 1 ff., hier S. 4. 246 Vgl. ebd., S. 14. Ebenso an Duncker am 31. Juli 1859 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 233 ff.). 241
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
und für die Aufgaben der Zukunft“247. Auch die für Haym typische Selbstkritik fehlte nicht, gestand er doch, dass die PJ „nur erst von Ferne dem selbst gesteckten Ziele sich angenähert haben“248. Darüber hinaus bat Haym seine Autoren zum Jahreswechsel 1860 erfolgreich um „Reklame für die Jahrbücher. Steht Ihnen zu solchem Behuf eine Zeitung oder Zeitschrift offen, so würden Sie […] der Sache einen großen Dienst leisten.“249 Verleger Georg Reimer brachte im Spätsommer 1861 im Vorfeld der Wahlen zudem einen Werbeprospekt für die PJ in Umlauf.250 Denn, so beschrieb es Heinrich von Treitschke: „Das Blatt braucht Abonnenten und – ich glaube nicht parteiisch zu sein es verdient die Teilhabe aller Gebildeten.“251 Mit der Teilnahme der Mitarbeiter konnte Haym recht zufrieden sein, wenn ihm auch einige große Sorgen bereiteten. Der Berliner Korrespondent Karl Neumann fiel vor allem durch Unzuverlässigkeit auf252, ähnlich Österreich-Experte Anton Springer253. Namhafte Historiker wie Gervinus254 und Dahlmann255 waren nicht zur 247
Haym, Vorwort, in PJ III, 1 (1859), S. 5. Ebd., S. 10. 249 Haym an Treitschke am 14. Januar 1860 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 35). Hayms Bitte wurde vielfach entsprochen, in vielen Heimatzeitungen erschienen Besprechungen aus und über die PJ, initiiert durch Haym selbst (Magdeburg), Oetker (Kassel), Springer (Köln), Baumgarten (SZ) und Frensdorff (Hamburg). Vgl. dazu Haym an Verleger Reimer am 10. Dezember 1859 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). Am 13. April 1860 dankte Haym Treitschke für die Reklame in der SZ (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 38 f.). Diese in von Müller, Treitschke als Journalist, S. 390 ff. 250 Der Einschub ist heute in PJ VIII (1861), zwischen den Heften 2 und 3, abgeheftet. 251 Treitschke an Heinrich Bachmann am 4. Oktober 1860 (GStA PK, VI. HA, NL Meinecke, Nr. 236, S. 97 ff.; Hervorhebung im Original). 252 Haym an Verleger Reimer am 29. Dezember 1859 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym; Hervorhebung im Original): „Neumann wird kein Hinderniß sein – er wird auch für das Januarheft keine Korrespondenz liefern, wie er mit heute schreibt. Es ist das auch kein Unglück. Es ist nur ein neuer Grund, das Februarheft pünktlich zum 1. Februar auszugeben.“ Haym an Duncker am 20. November 1860 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 210 f.): Durch Neumanns Schuld sei „das Erscheinen des Novemberheftes ungebührlich verzögert, obgleich ich ihn, als ich in Berlin war, mündlich bearbeitet, er mir mündlich die ,Korrespondenz‘ zur ersten Woche des November versprochen hatte! Mit Briefen an ihn ist nichts auszurichten – er lässt sie einfach unbeantwortet. Ich verklage ihn also bei Ihnen, möchte aber freilich nicht, dass er davon wisse. Wohl aber bitte ich Sie, Ihrem Versprechen gemäß, dafür sorgen zu helfen, dass er in Zukunft mich nicht ähnlich im Stich lasse. Sie werden leicht Gelegenheit finden, ihn namentlich auch pünktliche Leistung einzuschärfen.“ 253 Haym an Reimer 3. Juni 1860 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym): „Springer hat mich mit einer österreichischen Korrespondenz, trotz viermaliger Mahnung meinerseits, wieder im Stich gelassen!“ 254 Haym bat Gervinus am 27. September 1861 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 2526, 155, Nr. 9) um einen Nachruf auf Schlosser, den Gervinus absagte (vgl. Haym an Gervinus am 30. September 1861; ebd., Nr. 10). Den Nachruf auf Schlosser schrieb letztlich Dilthey in PJ IX, 4 (1862), S. 373 ff. 248
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Mitarbeit zu bewegen. Trotz eines regen und persönlichen Briefwechsels mit Rudolf Haym lieferte Theodor Sickel256 lediglich zwei Artikel; ein ähnlich bescheidenes Resultat brachten die immerwährenden Versuche, Eduard Zeller wieder an die PJ zu binden.257 Der liberale Finanzpolitiker Karl Mathy, damals Direktor der Deutschen Kreditgesellschaft in Leipzig, schlug Hayms Bitte nach Artikeln zur Nationalökonomie wegen „Geschäftsüberhäufung“ aus.258 Die erfolgreichste Zusammenarbeit verband Rudolf Haym während der Neuen Ära mit Heinrich von Treitschke259, Wilhelm Schrader260, Friedrich Kreyßig261, Reinhold Pauli262 und Wilhelm Dilthey263. Über die Zentralstelle für Presseange255 Kurz vor dessen Tod bat Haym Dahlmann um einen Nachruf auf Ernst Moritz Arndt (vgl. Rosenberg, Briefe Hayms, S. 190; Brief vom 31. Januar 1860). Nach Dahlmanns freundlicher Absage (ebd., S. 190 f.) vom 3. Februar 1860 schrieb Haym den Aufsatz über Arndt selbst. Er erschien in PJ V, 5 (1860), S. 470 ff. 256 Am 31. Oktober 1860 bat Haym Sickel (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 197), anstelle des unzuverlässigen Anton Springer einen Aufsatz über die neuen österreichischen Organisationspatente zu schreiben (Sickel, Die Neugestaltung Österreichs, in PJ VI, 5 (1860), S. 492 ff.) und wenn möglich ständiger Mitarbeiter der PJ zu werden. An Duncker schrieb er am 20. November 1860 (ebd., S. 197 f.), dass Sickel auf eine Professur in Tübingen spekuliere. Ein Brief Sickels an Haym vom 26. Januar 1862 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV S 235 e) informiert über Hayms Unterstützung für Sickel bei der Sondierung und Bewerbung auf Professuren in Berlin und Breslau. Doch werde Sickel wohl nicht in den preußischen Spitzelstaat zurückkehren. Sickel informierte Haym auch über eine geplante Reise nach Paris, Südfrankreich, Turin und Florenz und bat um Hefte der PJ, um sich über dortige Verhältnisse aus preußischer Sicht zu informieren – die PJ könne er in Wien nirgends erhalten. 257 Vgl. Haym an Zeller am 4. Oktober 1860 sowie am 6. Januar 1862 (UB Tübingen, NL Zeller, Md 747 – 279). 258 Diverse Anfragen Hayms in BArch N/2184 – 28, NL Mathy, Bl. 35 ff. Mathy dankte im Herbst 1861 (ebd., Bl. 46 f.), „daß Sie nicht müde werden, Wiederbelebungsversuche an mir anzustellen“. Er sei aber „abgestorben […] für jede schriftstellerische Leistung, die etwas Zeit und Mühe erfordert“. 259 Haym hatte ihn auch gegenüber Mathy (ebd., Bl. 33 f.) am 25. Mai 1860 für politische Dienste empfohlen. Zwar werde man Treitschke zunächst als Belastung empfinden, „denn Treitschke ist fast völlig taub und der Verkehr mit ihm sehr beschwerlich. Allein […] ist mir nicht leicht ein liebenswürdigerer, braverer und talentvollerer junger Mann vorgekommen. Er verdient jede Rücksicht und lohnt sie durch Treue und Dankbarkeit.“ 260 Haym überredete seinen Freund immer wieder, Mitarbeiter anzuwerben (ULB Halle, NL Haym Yi 23 V 215). 261 Ebd. erwähnte Haym, dass er an Kreyßig einen besonders guten Mitarbeiter gewonnen habe. 262 Haym, Aus meinem Leben, S. 278, bezeichnete ihn als einen „unvergleichlich zuverlässige[n] Helfer“. 263 Aus Kühne-Betram/Lessing, Briefe Diltheys I und Misch, Junger Dilthey, geht hervor, dass er in den späten 1850er-Jahren in Berlin in einer Wohngemeinschaft mit Wehrenpfennig zusammenwohnte, der ihn ins politische Geschehen und an die PJ heranführte. Dilthey schrieb Luise Scholz im Frühjahr 1861 (Kühne-Betram/Lessing, ebd., S. 185), dass er neben seiner Dissertation und der Edition der Briefe Schleiermachers auch für die PJ schreiben müsse, „da ich mich nun einmal auch mit meiner äußeren Existenz auf meinen Kopf gestellt hatte u. diese […] leider ein wenig kostspielig ist“.
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B. Der Hintergrund der Preußischen Jahrbücher
legenheiten, im Februar 1860 in Literarisches Büro des Königlichen Staatsministeriums umbenannt, kamen mit Hermann Baumgarten und Wilhelm Wehrenpfennig unverzichtbare Autoren hinzu. Dunckers Arbeit dort war aufreibend und abgesehen von der Gründung der SZ wenig erfolgreich. Trotz hohen Engagements gelang es ihm nicht, die gouvernementale Presse einheitlich und nach seinen Plänen zu führen, zudem ging der Absatz der offiziösen Preußischen Zeitung zurück.264 Kompetenzgerangel, Rivalitäten zwischen den Ministerien und eine mangelhafte finanzielle Ausstattung führten dazu, dass er im Frühjahr 1861 denkbar erleichtert als persönlicher Berater des Kronprinzen aus dem Dienst des Ministeriums schied: „Mit der Presse, mit dem Fürsten Hohenzollern und dem Ministerium habe ich kein Jota mehr zu tun […].“265 Er lebe nun endlich in einer angemessenen und anständigen Stellung. Dennoch blieb der Weg vom Literarischen Büro zu den PJ kurz – wobei weder der Autor dieser Arbeit nach intensivem Aktenstudium noch Nöth-Greis in ihrer detaillierten Studie eine finanzielle Unterstützung durch die Regierung nachweisen konnten. Auf personeller Ebene profitierte Rudolf Haym von Hermann Baumgarten.266 Der diente dem Literarischen Büro bis zu seiner Berufung an die Technische Hochschule Karlsruhe als Mittelsmann für Süddeutschland267 – eine Tätigkeit, für die Haym auch Treitschke ins Spiel gebracht hatte268 – und „machte die Sorge um eine wirksame Leitung der Zeitschrift zu seiner eigenen. Er war der treueste und teilnehmendste Berater, der aufrichtigste und wohlmeinendste Kritiker […].“269 Auch Wilhelm Wehrenpfennig band sich letztlich über seine Tätigkeit im Literarischen Büro an die PJ. Er hatte Anfang 1860 mit einer Geschichte der Deutschen Politik unter dem Einfluss des italienischen Krieges für Aufsehen gesorgt270 und nahm in der Folge Dunckers Angebot an, zum September 1860 in dessen Dienst zu
264 Vgl. Frölich, Repression und Lenkung, S. 378; Nöth-Greis, Literarisches Büro, S. 21 ff. und Overesch, Presse zwischen Lenkung und Freiheit, S. 43 ff. 265 Aus einem Brief vom 20. Juni 1861 (zitiert in Haym, Leben Dunckers, S. 238). 266 Vgl. Baumgarten an Reimer (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Baumgarten) am 22. Juli 1861 und in der Rückschau Haym, Baumgarten, S. 609 f. 267 Vgl. den Briefwechsel Baumgarten-Gervinus (in Jansen, Politische Briefe, S. 633 ff., S. 663 f. und S. 690 f.). 268 Haym an Max Duncker am 26. Januar 1861 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 270 f.). 269 Haym, Baumgarten, S. 609. 270 Gervinus hatte bereits am 7. März 1860 über den anonymen Verfasser an Baumgarten geschrieben (in Jansen, ebd., S. 638): „Ist er ein neuer Mann und ein junger Mensch, so wäre dessen Platz ohne weiteres hier. Wenn Sie ihn kennen, werben Sie ihn sogleich. Das ist jetzt ein korrekter Kopf! Bis auf einige klein-preußische Schrullen, die aber auch mehr Zugeständnisse gegen preußische Schrullen scheinen.“ Wehrenpfennig, geboren 1829, 1853 in Halle promoviert, war zuvor Oberlehrer am Berliner Friedrich-Wilhelms-Gymnasium. Ein Lebenslauf von 1861 in GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 3736 (Zentralstelle für Preßangelegenheiten), Bl. 27. Vgl. die Briefe Diltheys an seine Mutter von Sommer bzw. 15. Oktober 1860 (in Misch, Junger Dilthey, S. 131 ff.).
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treten271. Im Literarischen Büro stieg er schnell auf und folgte bereits am 14. Juni 1861 Duncker als Direktor nach. Unter seiner Führung wurden politische Broschüren herausgegeben, Flugschriften subventioniert und mit der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung ein regierungstreues Organ gegründet.272 Erschöpft durch „die außerordentliche Anspannung, welche die gewissenhafte Erfüllung des Amtes unter den schwierigsten Verhältnissen der letzten 6 Monate erforderte“, bat Wehrenpfennig am 12. März 1862 um einen sechswöchigen Urlaub, aus dem er nicht mehr auf seinen Posten zurückkehrte.273 Ab September 1862 verfasste er die Politischen Korrespondenzen für die PJ, war Haym ein wichtiger Ratgeber in politischen Fragen und schließlich sein Mitherausgeber.
271 Vgl. Wehrenpfennig an Duncker am 21. Mai 1860 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 154, Bl. 1). Zu den ersten Monaten Wehrenpfennigs im Literarischen Büro vgl. ebd., Bl. 2 ff. 272 Zu alledem vgl. ebd., Bl. 6 ff.; Nöth-Greis, Literarisches Büro, S. 37 f. und Overesch, Presse zwischen Lenkung und Freiheit, S. 64 ff. und S. 128 ff. (mit Denkschriften Wehrenpfennigs und Dunckers). 273 Overesch, ebd., S. 81: „Wesentliche Gründe waren ihm die Änderung der politischen Richtung angesichts der Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Preußen und sein Ärger über die vom Auswärtigen Amt so schlecht gepflegte Verbindung zu seiner Dienststelle. Doch es dürften wohl nicht die strapaziösen Begleiterscheinungen unberücksichtigt bleiben, die ihm sowohl die Leitung der ,Allgemeinen Preußischen Zeitung‘ als auch sein eigener, mit Duncker näher besprochener, aber dann von ihm allein realisierter und beaufsichtigter Geheimplan [der Gründung der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung] auferlegt haben.“
C. Die Preußischen Jahrbücher in der Herausgeberschaft Rudolf Hayms: vor und in der Neuen Ära (1858 – 1862) I. Die Preußischen Jahrbücher in der Reaktionszeit 1. Das politische Geschehen in Grundzügen Die PJ wurden in einer Zeit politischer Unsicherheit gegründet. Prinz Wilhelm von Preußen war seit dem 23. Oktober 1857 als Stellvertreter seines erkrankten Bruders König Friedrich Wilhelm IV. eingesetzt. Er galt als starr in seinen konservativen Überzeugungen, aber ebenso als pflichtbewusster und würdevoller Ehrenmann. Unter normalen Umständen hätte der 60-Jährige seine politische Karriere aber längst hinter sich gehabt1: Bei der Niederschlagung der Revolution in Berlin 1848 hatte er dafür plädiert, die Stadt von außen sturmreif zu schießen – was ihm den wenig schmeichelhaften Beinamen „Kartätschenprinz“ einbrachte. Gegen die rigide reaktionäre Politik in der Ära Manteuffel hatte Wilhelm seinen Widerwillen geäußert: der preußische Königsthron könne nicht allein durch die einseitige Rücksicht auf die Interessen des Adels gesichert werden. So sammelten sich um den Prinzen die Mitglieder der herrschenden Klasse, die gegen verfassungswidriges Regieren, politische und bürokratische Willkür in einem absolutistischen Staat opponierten. Wilhelm war bereit, den politischen Interessen des Bürgertums entgegen zu kommen, sofern die Prärogative der Krone unangetastet blieb. In seiner Angst vor der wiederkehrenden Revolution sah Wilhelm die Armee als einzige zuverlässige Stütze des monarchischen Systems.2 Während der Stellvertretung blieb Wilhelm loyal gegenüber seinem Bruder. Seinen eigenen Willen konnte er schon deshalb nicht durchsetzen, weil er die Regierungsgeschäfte nur zeitweise durch königliche Vollmachten übernehmen konnte. Die liberale Öffentlichkeit bedauerte zutiefst, „daß der Stellvertreter […] nicht gleich so gründlich aufräumen könne, als es Noth täte. […W]ie die Dinge sind, können sie 1
Schwemmer, Reaktion, S. 45, sah ihn bereits „an der Schwelle zum Greisenalter“. Dabei hatte Wilhelm, geboren am 22. März 1797 und gestorben am 9. März 1888, noch 30 Jahre an der Spitze Preußens vor sich. 2 Zu Wilhelms politischen Anschauungen: Mann, Deutsche Geschichte, S. 293, Haupts, Liberale Regierung, S. 50, Börner, Ergebnis der Neuen Ära, S. 92 und ders., Krise der preußischen Monarchie S. 30 f.
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nicht bleiben, auch wenn man den besten Willen dazu hätte.“3 So forderten liberale Blätter die Regentschaft Wilhelms. Gleichzeitig buhlten die Konservativen um die Gunst des Prinzen. Drei Mal verlängerte sich die Stellvertretung durch königlichen Erlass um ein Vierteljahr, zuletzt am 26. Juni 1858. Dabei war die befristete Stellvertretung in der Verfassung Preußens nicht vorgesehen. Artikel 56 bestimmte, dass bei dauernder Verhinderung des Königs auf Basis eines Landtagsbeschlusses die Regentschaft durch den nächsten volljährigen Prinzen eingerichtet würde. Die dauernde Regierungsunfähigkeit des Königs war augenscheinlich – doch die höchst konservative Umgebung Friedrich Wilhelms IV. fürchtete den Verlust politischer Macht und leugnete sie bis in den Herbst 1858.4 Der preußische Justizminister Louis Simons sah die kurzfristigen Stellvertretungen kritisch und forderte im Kronrat vom 20. September 1858 die Einsetzung der Regentschaft. Die Mitglieder des Ministeriums Manteuffel schlossen sich ihm mehrheitlich an. So nahm Prinz Wilhelm am 9. Oktober 1858 den Erlass seines Bruders an, zur Regentschaft anzutreten. Am 26. Oktober leistete er den Eid auf die Verfassung vor dem Abgeordnetenhaus, das im Streit um die Regentschaft völlig in den Hintergrund getreten war.
2. Die ersten Ausgaben der Preußischen Jahrbücher Die politische Situation hätte viele Gelegenheiten zur Kommentierung im ersten PJ-Heft von Januar 1858 geboten. Doch Rudolf Haym hat diese Chance verstreichen lassen – wohl aus Angst vor den vielfachen Repressionsmöglichkeiten seitens der Administration, und ganz sicher, weil er sich schwer in die Arbeit des Redaktionsleiters hineinfand. Haym gestaltete die PJ in Halle, weitab vom politischen Geschehen in der Hauptstadt. Vor allem fehlte ihm das persönliche Gespräch mit seinem Vertrauten Max Duncker, der zum Wintersemester 1857/58 einen Ruf als Professor der Geschichte nach Tübingen angenommen hatte. Haym hoffte auf dessen Hilfe bei den „üblichen Einschärfungen“5 der Autoren, wusste nicht, wie „deutsch oder nichtpreußisch“6 die Jahrbücher auftreten sollten und schrieb: „Ach, wie sehr und täglich
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Ludwig Häusser berichtete über die Sicht des badischen Großherzogs, der mit Wilhelms Tochter Luise verheiratet war und somit die Familiensicht aussprach (DLA Marbach. B: L. Häusser. Häusser an Karl Reimer, Z 6238/3, Bl. 38, 2. November 1857). Ähnlich Haym an Duncker (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 71) am 17. Dezember 1857: „Ich fürchte, diese Substitutschaft schleppt sich ins Unendliche fort und wir werden diesen F.W.IV. nicht los, selbst wenn er im Grabe liegt, wovon er doch noch weit genug entfernt scheint […].“ 4 Detailliert zum rechtlichen Aspekt der Stellvertretung: Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 269 ff. 5 Haym an Max Duncker am 24. November 1857 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 283/4). 6 Haym an Max Duncker am 17. Dezember 1857 (ebd., Bl. 309/10).
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vermisse ich Sie, lieber Duncker! Es ist mir ein schlechter Ersatz, Sie zu lesen.“7 In seiner Autobiographie ging Haym hart mit sich ins Gericht. Zur politischen Leitung des Blattes habe ihm alles gefehlt. Mehr als das Politische interessierte ihn „die der ganzen Breite der Bildung, dem Zuständlichen und dem sich Entwickelnden auf den verschiedenen Gebieten des geistigen Lebens zugewandte Seite. Es war der Charakter und die Form des Ganzen, worüber zu wachen ich mir zur Aufgabe machte.“8 So ließ das erste Heft der PJ „die Frische und einschneidende Schärfe vermiß[]en, die sogleich das Publicum hätte fortreißen müssen“9. Auf ein Geleitwort hatte Haym verzichtet, man legte einen Werbeprospekt bei.10 Im einzig auffälligen Artikel rechtfertigte der Staatsrechtler Ludwig Karl Aegidi preußische Hegemonieansprüche gegenüber Österreich, das keine konstruktiven Ideen zur Lösung nationaler und sozialer Fragen anbiete. Zudem forderte er eine Reform des Deutschen Bundes – ohne aber seine Vorstellungen genauer auszuführen. Heftige Diskussionen unter den liberalen Unterstützern waren die Folge der ersten Ausgabe: nicht befriedigend „sowohl durch die Wahl der Stoffe, als zum Teil durch die Behandlung“11, „einen üblen Eindruck gemacht“12, „kein Organ der gesamten Opposition“13. „Der Inhalt ist nicht sehr pikant, aber gediegen“14 – das war die positivste Äußerung. Am meisten schmerzten Haym die Urteile Wilhelm Beselers und Treitschkes. Dieser kritisierte den „Grundgedanke[n] des Unternehmens, man müsse durch die Wissenschaft auf unsere politische Wiedergeburt wirken […]“15, jener 7 Haym an Max Duncker am 24. November 1857 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 147). Vgl. auch Theodor Molinari an Georg Reimer am 12. Februar 1858 (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Molinari). 8 Haym, Aus meinem Leben, S. 261. Tatsächlich forderte Haym Ratschläge ein – was Johann Gustav Droysen, Max Duncker und Karl Neumann als Aufforderung auffassten, Einfluss auf den Inhalt der Hefte zu nehmen. Vgl. Neumann an Haym am 4. Januar 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 151), Duncker an Haym am 20. März 1858 (ebd., S. 151 f.) und Droysen an Haym am 30. Januar 1858 (in Hübner, Droysen Briefe II, S. 519 ff.). 9 Haym, Aus meinem Leben, S. 273. Vgl. auch Krohn, Haym, S. 110. 10 Haym an Georg Reimer am 17. Dezember 1857 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 11 Ludwig Häusser an Georg Reimer, 17. Februar 1858 (DLA Marbach, B: L. Häusser, Z 6238/4, Bl. 39). 12 Wilhelm Beseler an Haym am 21. Februar 1858, zitiert von Haym an Max Duncker am 5. Juni 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 155, Anm. 2). 13 Heinrich von Treitschke an Bachmann am 31. Januar 1858 (GStA PK, VI. HA, NL Friedrich Meinecke, Nr. 236: Abschriften von Treitschke-Briefen, S. 83). 14 Theodor Molinari an Georg Reimer am 12. Februar 1858 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Molinari). Konstruktive inhaltliche und stilistische Einzelkritik an den ersten PJ-Ausgaben übte auch Julian Schmidt in Briefen an Haym (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV S 24). 15 Treitschke an Bachmann am 31. Januar 1858 (siehe Fußnote 13). Weiter: „,[D]as Pathos der Wissenschaft sei identisch mit dem der Vaterlandsliebe‘ – diese Idee ist falsch. Die Leute […] übersehen die ungeheure Kluft zwischen Wissen und Handeln. Gott gebe, daß sie immer
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wusste nichts dagegen zu sagen, „daß die Partei der Monatsschrift sich als künftige Hof- oder Regierungspartei betrachte, die wie im Jahre 1850 und später diplomatisiere, um hohe Personen bei guter Laune zu halten“16. Auch Theodor von Bernhardi stritt sich im März 1858 mit schlesischen Liberalen um die Ausrichtung der PJ. Ganz Parteipolitiker, warnte er: Wilhelm die eigene Sichtweise unverhohlen aufzudrängen könne die Liberalen als künftige Regierungspartei unmöglich machen. In diesem Zusammenhang kritisierte er den Bericht zur Vermählung des Prinzen Friedrich Wilhelm mit der englischen Prinzessin Victoria, in dem die Feststimmung des Volkes als Protest gegen die reaktionäre Politik dargestellt und das Paar zu liberalen Hoffnungsträgern stilisiert wurde17, und die Forderung Aegidis nach der Volksvertretung am Deutschen Bund als durch nichts veranlasste Taktlosigkeit. So arbeite man den Konservativen in die Hände. „Wir erwecken das Mißtrauen und die Besorgnisse der Regierenden und veranlassen sie ihre einzige mögliche Stütze in der Junker-Partei zu suchen. Wir müssen suchen, die regierenden Persönlichkeiten zu gewinnen – ihr Vertrauen zu erwerben, sie zu belehren.“18 Beiratsmitglied Richard Roepell und Theodor Mommsen hielten dagegen: die PJ müssten „wühlen“ und dürften kein Journal für den Prinzen von Preußen sein. Hier zeigte sich bereits früh die Trennlinie des Liberalismus in Preußen, die zwischen den Staats- und Königstreuen auf der einen Seite und den Idealisten mit parlamentarischen Tendenzen auf der anderen Seite verlief. Immerhin, so vermerkte Bernhardi, kam man in der Breslauer Runde überein, „nach Möglichkeit zusammenzuwirken und beiderseits Schroffheiten zu vermeiden“19. Der Redaktionsleiter beschwichtigte die Gemüter: Er diplomatisiere nicht, wolle sich aber nicht im Voraus das Publikum aufsässig machen.20 Für die kommenden Hefte versprach Haym Fortschritt nach dem Motto: ein guter Verlauf sei besser als ein glänzender Anfang. Doch er zeigte sich auch einsichtig und gab zu, dass es ein Fehler gewesen sei, Rücksichten zu nehmen anstatt Aufmerksamkeit zu erregen. Das Urteil des Breslauer Freundeskreises sei „kein unbegründetes. Ich selbst fühle, daß das erste Heft […] hätte entfallen können – vielleicht müssen. Es ist leichter, Programm [sic! zu] machen, als zu erfüllen, und es ist am schwierigsten, anzufangen,
deutlicher noch ihre wahren Ziele, die Politik, einkehre, damit das Organ einer großen Partei nicht eine bloße Sammlung wissenschaftlicher Artikel werde.“ 16 Wilhelm Beseler an Haym am 21. Februar 1858 (siehe Fußnote 12). Rudolf Haym verteidigte das „Schweigen“ der PJ statt des „Dreinsprechens“ im Vorwort zu PJ III, 1 (1859). 17 Vgl. Haym/Veit, Das Empfangsfest des 8. Februar, in PJ I, 2 (1858), S. 214 ff. 18 Leben Bernhardis III, S. 6 ff. (Tagebucheintrag vom 14. März 1858). 19 Ebd., S. 8. 20 Haym an Treitschke am 23. Februar 1858 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 7/8).
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weil der Anfang auch in dem Sinn mehr als die Hälfte ist, weil die Erwartung des Publicums in demselben geradezu gleich das Ganze sieht.“21
3. Das (alt)liberale Programm In den kommenden Monaten war Rudolf Haym bemüht, den PJ mehr politisches Profil zu verleihen und zu zeigen, was den geforderten Liberalismus preußischer Prägung ausmachen sollte. Fortan vertraten die Autoren in ihren Essays die Freiheiten des Individuums in einem Preußen, das als Verfassungsstaat nationale Politik betreiben sollte. Die Berichte über die Wirtschaftskrise von 185722 waren, trotz bildhafter Schilderungen der Konsequenzen, Bekenntnisse zum Wirtschaftsliberalismus. Für Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit trat Julius Jolly im Essay über Das französische Sicherheitsgesetz23 (eine Reaktion auf das Attentat auf Napoleon III.) ein. Gabriel Riesser geißelte die Sklaverei als trauriges Stück moderner Kulturgeschichte und forderte die Wahrung der Menschenrechte.24 Das Ende der Konkordatspolitik mit der Kurie, die Trennung von Kirche und Staat sowie die Schaffung umfänglicher Religionsfreiheit forderten Ludwig Wasserschleben und Eduard Zeller.25 Sie spotteten: nachdem die Bekehrung der Heiden abgeschlossen sei, müsse die rückständige katholische Kirche ihre Macht durch Konkordate erhalten – mit Bayern 1817/18, mit Österreich 1855, mit Württemberg 1857. Rechte, die den Landesherren zustehen, würden so als „Vergünstigungen des Papstes hingestellt“26. Andererseits lehnten die PJ auch eine lutheranisch-protestantische Dominanz in Bildung und Kultur ab. Ein Zwang zum Gehorsam unter
21 Haym an Mommsen am 12. Februar 1858 (StaBi Berlin PK, NL Mommsen, Kasten 46), vgl. auch an Reimer tags darauf (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym) und Haym, Aus meinem Leben, S. 273. 22 Gildemeister, Die Verkehrskrisis des Jahres 1857, in PJ I, 2 (1858), S. 97 ff. und Cohen, Hamburg und die Handelskrisis, in PJ I, 3 (1858), S. 275 ff. Die Korrespondenz zwischen Haym und Gildemeister in ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV G 138. Für den Artikel über die Verkehrskrisis erhielten Herausgeber und Autor viel Lob, zum Beispiel von Karl Mathy am 10. Juni 1858: „Der Aufsatz […] ist nicht nur der Form, sondern auch dem Inhalt nach meisterhaft, und ich kenne nicht viele deutsche Brüder vom Handwerk, denen ich die Fähigkeit zutraute, ihn geschrieben zu haben.“ (BArch N/2184 – 28, NL Karl Mathy, Bl. 11/12.) Rudolf Haym berichtete, er halte Gildemeister „für den eigentlichen Normal-Essayisten“ (zitiert in Emminghaus, Lammers, S. 84). 23 Jolly, Das französische Sicherheitsgesetz, in PJ I, 3 (1858), S. 304 ff. 24 Riesser, Amerikanische Anschauungen und Studien, in PJ I (1858), S. 3 ff. 25 Zeller, Der Staat und die Hierarchie, in PJ I, 4 (1858), S. 382 ff. Die Korrespondenz zwischen Haym und Eduard Zeller über seine ersten Artikel in ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV Z 8 – 11. 26 Wasserschleben, Die neuesten Vereinbarungen mit Rom, in PJ I, 3 (1858), S. 244 ff., hier S. 263.
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Kirchenregeln aller Konfessionen würde vom Großteil der Bevölkerung verweigert.27 Voller Bewunderung und fast verklärend blickte Heinrich von Treitschke in den PJ auf England. Dort sei das „Zurücktreten der socialen Klasseninteressen vor den gemeinsamen staatlichen Pflichten“28 die Regel und politische Mitsprache fuße auf Leistung, nicht auf Privilegien29. In Preußen dagegen habe die größte Macht, wer die wenigsten Pflichten erfülle und die höchsten Ansprüche stelle. Sämtliche Beamte seien direkt von der Regierung abhängig, die Juden nicht rechtlich gleichgestellt.30 „So lange die Grundrechte nicht unter gerichtlichen Schutz gestellt sind, steht der Interpretation der Regierung nichts im Wege, welche die prägnantesten und wichtigsten Verfassungsbestimmungen kurzweg für allgemeine Grundsätze und darum für nicht bindend erklärt. […] Die gesetzgebende Gewalt der Kammern ist ein Schein, so lange die Gerichte nicht die Unverbindlichkeit eines ohne die Kammern erlassenen Gesetzes aussprechen dürfen.“31 Bereits in der Einleitung des Aufsatzes betonten die PJ, dass sich die englischen Verhältnisse kaum auf Preußen übertragen ließen. Nichtsdestotrotz forderten sie: eine konservative Partei und einen preußischen Landadel, die ihre destruktive Grundhaltung aufgeben, sich ihren politischen Pflichten stellen, die Monarchie durch den beständigen Ausbau der Verfassung stützen.32 „Der große Grundbesitz muß bereit sein, die größten Lasten für den Staat zu übernehmen, wenn er die geachtetste Stelle in demselben einnehmen will“, sagte Duncker.33 Der Entschluss liege in der Hand des Adels, meinte Haym34 – andernfalls müsse die Abschaffung feudaler Rechte mit Pairsschüben durch das Herrenhaus gebracht werden35. 27 Vgl. Wasserschleben, Vereinbarungen mit Rom, S. 274 und Zeller, Der Staat und die Hierarchie, S. 390 ff. 28 Treitschke, Die Grundlagen der englischen Freiheit, in PJ I, 4 (1858), S. 366 ff., hier S. 370. Die Erhellung englischer Verhältnisse in der Rezension von Gneists englischem Verfassungs- und Verwaltungsrecht dient der Verdunklung der preußischen (vgl. Treitschke an Haym am 13. Dezember 1857, StaBi Berlin PK, Slg. Autogr. I/4504). Vgl. ebenso die Interpretation der „unnachsichtige[n] Philippika gegen die Missstände der preußischen Reaktionszeit“ durch Langer, Treitschke, S. 165 ff. (Zitat ebd., S. 170). 29 Kraus, Rezeption der englischen Verfassung, S. 101 ff., sieht den Aufsatz in der Tradition Dahlmanns, der in der Restaurationszeit der einflussreichste Lobredner der englischen Verfassung war. Grundlegend dafür war bereits sein Wort über Verfassung aus den Kieler Blättern (1815). Eine weitere von Dahlmann und Gneist geprägte Publikation: Die Verfassung Englands von Eduard Fischel (1861) – der wähnte die königliche Gewalt im Verfall begriffen und die Prärogative bereits in der Hand des Parlaments. 30 Treitschke, Grundlagen der englischen Freiheit, S. 375 f. Die Aussage ist insofern bemerkenswert, da Treitschkes späte Schriften antisemitische Züge aufweisen. 31 Ebd., S. 376. 32 Ebd., S. 378, vgl. auch S. 380. Vgl. Langer, Treitschke, S. 169. 33 Zitiert von Haym, Dunckers Vortrag „Feudalität und Aristokratie“, in PJ I, 5 (1858), S. 548 ff., hier S. 553. Vgl. Waitz, Das Königtum und die verfassungsmäßige Ordnung, in PJ II, 6 (1858), S. 624 ff. 34 Haym, Feudalität und Aristokratie, S. 552.
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Aus all diesen Äußerungen wurde deutlich: es geht nicht ohne den Adel. Zwar müssten die reaktionären Kräfte den Anspruch der Bürger auf politische Führung anerkennen, weil bereits die geistige Entwicklung Preußens in deren Händen liege.36 Doch ein gänzlich repräsentatives System oder demokratische Experimenten lagen den Altliberalen – hier Max Duncker – fern: „Wo sind ferner die thatsächlichen Unterlagen und Elemente für ein ständiges politisches Interesse, für eine wirkliche und dauernde Parteibildung, ohne den großen Grundbesitz. Aus idealen Interessen läßt sich keine ständige Politik führen und die idealen Elemente bilden keine regelmäßige Macht. Man kann mit dem Proletariat der Städte und des Landes Revolution machen, aber keine Selbstregirung etabliren. Sie können mit den Bauern, mit den mittleren Bürgerklassen die Gemeindeverwaltung bestreiten; aber ihr Horizont ist zu wenig ausgiebig und die Last ihrer Geschäfte ist so groß, daß sie die Angelegenheiten der Staatsgemeinde nicht mit ihnen bestreiten können.“37
Blickten die PJ über Preußen hinaus, so war die Bildung des deutschen Nationalstaats das ersehnte Ziel, gar eine geschichtliche Notwendigkeit.38 Jeden noch so kleinen Schritt in diese Richtung verwerteten die Autoren der Monatsschrift, egal ob es sich um die Gründung der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht oder den Münzvertrag von 1858 handelte.39 Doch das Vertrauen in die nationale Politik Preußens und eine Zusammenarbeit mit den Mittel- und Kleinstaaten war begrenzt. Der Zollverein werde als Mittel staatlicher Einigung überschätzt und schaffe nicht einmal Voraussetzungen für die Wirtschaftseinheit, meinten die PJ. Besäße er die Macht, das Bankenwesen und den Geldverkehr zu vereinheitlichen, könne ein „reges Leben und Streben in Handel und Wandel“, könne die Hochindustrialisierung beginnen.40 Das größte Hemmnis der deutschen Entwicklung bleibe Österreich – als Gegensatz zum fortschrittlichen Preußen. Weil die Donaumonarchie jeden Versuch 35
Treitschke, Grundlagen der englischen Freiheit, S. 379. Vgl. Haym/Brückner, Zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Geistes, in PJ I, 6 (1858), S. 594 ff. 37 Duncker an Hermann Baumgarten am 10. Juni 1858 (in Jansen, Politische Briefe, S. 467 ff., hier S. 469). Er bemerkte (S. 468), „daß der Parlamentarismus in England […] seine schönsten Stunden gefeiert hat, daß die eine Musterdemokratie, die in Frankreich, kläglich gescheitert ist, die andere in Amerika in den Aristokratismus der Niggerbarone, in die Pöbelwirthschaft und die scheußlichste Korruption, welche die der russischen Beamten überbietet, gefallen ist, und […] daß die Demokratie seit 48 gewiß keinen Fortschritt gemacht hat.“ 38 Aegidi, Die Aufgabe deutscher Staats- und Rechtsgeschichte, in PJ I, 1 (1858), S. 31 ff. 39 Karsten, Das neue deutsche Gewicht, in PJ I, 6 (1858), S. 561 ff.; Haym, Die Rechtswissenschaft der Gegenwart, in PJ II, 3 (1858), S. 358 ff.; Mathy, Der Münzvertrag, in PJ II, 4 (1858), S. 363 ff. Zu letzterem Aufsatz schrieb Haym an Mathy am 11. September 1858 (BArch N/2184 – 28, NL Mathy, Bl. 21/22), er zähle ihn zu dem Besten, was bisher in den Jahrbüchern veröffentlicht wurde. 40 Mathy, Deutsche Interessen und deutsche Politik, in PJ II, 1 (1858), S. 1 ff., hier S. 1. Ähnlich Haym an Mathy und Duncker an Baumgarten, je am 6. Juni 1858 (BArch N/2184 – 28, NL Mathy, Bl. 19 f./ NL Baumgarten, Bl. 11 f.). 36
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einer Vereinheitlichung blockiere, gebe es keinen gesamtdeutschen „Staat, keine Regierung, keine Diplomatie“41. Eine Auseinandersetzung mit dem Kaiserreich um die Vorherrschaft im Bund sei bei dieser Konstellation kaum zu umgehen, auch wenn man außenpolitisch zusammenhalten müsse.42 Umso größer war die Anerkennung für die Belastungsfähigkeit der deutschen Seele, die sich in einem Wirrwarr aus Kompetenzstreitigkeiten zwischen Deutschem Bund und Zollverein, mangelnder Infrastruktur und Egoismen der Landesteile behaupte43 – und in den PJ durch Biographien deutscher Geistesgrößen gestärkt wurde44. Die Sicht der PJ auf die auswärtigen Beziehungen bestimmte 1858 die Unterstützung des nationalen Prinzips in Italien und Schleswig-Holstein, die Frontstellung gegen die Großmächte Frankreich und Russland sowie der Aufbau einer Allianz mit England. Der Grundton in Sachen Schleswig-Holstein stellte das Recht in den Mittelpunkt45 : Die dänische Gesamtstaatsverfassung von 1855 sei ein großes Unrecht gegenüber Schleswig und Holstein. Dank eines Systems schlauer „Winkelzüge und Fälschungen in Kopenhagen, der kläglichsten Willenlosigkeit in Deutschland“46 sei sie nur vom dänischem Reichstag genehmigt und den Ständen der Herzogtümer nicht vorgelegt worden. Einen deutsch-dänischen Gesamtstaat lasse allein das deutsche Volksbewusstsein in Schleswig-Holstein nicht zu.47 Die Verteidigung der Rechte der seit 1460 vereinten Herzogtümer sei eine „unzweifelhaft gerechte, eine conservative, eine rein deutsche“48 Ehrensache, für die man notfalls in den Krieg ziehen müsse. Die Unterdrückung der italienischen Nationalbewegung thematisierte Hermann Reuchlin und nahm Österreich ins Visier, das durch ein komplexes System aus
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Mathy, Deutsche Interessen, S. 4; vgl. auch Aegidi, Staats- und Rechtsgeschichte, S. 44 f. Ebd., S. 6. 43 Vgl. ebd., S. 2. 44 Hinrichs, Beethoven, in PJ I, 1 (1858), S. 46 ff.; Treitschke, Kleist, in PJ II, 6 (1858), S. 599 ff. oder Haym, Ulrich von Hutten, in PJ I, 5 (1858), S. 487 ff. In der Debatte um die Errichtung eines Denkmals für den Freiherrn vom Stein glorifiziert Haym den Reformer als Symbol der nationalen Einigung (vgl. Haym, Ein Denkmal für den Freiherren vom Stein, in PJ I, 1 (1858), S. 95 f.). 45 Vgl. Westphal, Staatsauffassung, S. 107 f. Von Anfang an zeigen die PJ, „mit welcher Schamlosigkeit die Steuerkraft des schleswig-holsteinischen Volkes und Landes für dänische Interessen ausgebeutet wird“ (Bremer, Die schleswig-holsteinische und die „deutsch-dänische“ Frage, in PJ I, 2 (1858), S. 166 ff.). Francke, Das dänische Finanz-Memoir, in PJ I, 1 (1858), S. 61 ff., betont: „[U]m Kirche, Schule, Sprache gemißhandelt, jedes Recht in Frage gestellt, vom dänischen Reichsrat sich beherrscht, die uralte Verbindung beider Lande auf das Vollständigste vernichtet, und die waffenfähige Mannschaft, wie die ganz überwiegende Summe der Steuern nach Dänemark wandern zu sehen!“ Vgl. auch Francke, Schleswig, in PJ II, 6 (1858), S. 663 ff. 46 Francke, Schleswig, S. 666. 47 Vgl. Bremer, Die „deutsch-dänische“ Frage, S. 183 ff. 48 Ebd., S. 172. Vgl. auch Francke, Schleswig, S. 674. 42
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Allianzen, Erbteilungen und Zentralismus weite Teile Italiens beherrsche.49 Eine Allianz zwischen Sardinien-Piemont und Frankreich lehnten die Autoren der PJ ab. Denn erstens fürchteten sie im Zuge eines möglichen Krieges um Italien den Schlag Napoleons gegen die Rheinprovinz. Zweitens sei Frankreich als Despotie oder Demokratie – gemeinsam mit dem feudalistischen Russland – das Gegenbild zu Preußen, in dem das bürgerliche Ideal eines repräsentativen Regierungssystems möglich sei.50 Um die drohende Suprematie Frankreichs und Russlands zu bekämpfen, forderten sie eine neue gemeinsame Allianz mit England und Österreich.51 Das außenpolitische Konzept für die nahe Zukunft entwarf Max Duncker im Juliheft 1858. Seine Politik der Zukunft war „[g]leichsam das Programm für die politische Haltung“ der PJ, „zugleich eine Art Denkschrift, bei der er an die Adresse des Prinzen von Preußen gedacht haben wird“52. Zuvor hatte die Kreuzzeitung die Auffassung vertreten, dass sich Preußen durch die militärische Ausdehnung bis zur Main- und Weichsellinie eine feste mitteleuropäische Stellung verschaffen müsse. Zeitgleich hatte der preußische Oberst Julius Bluhm in der Broschüre Die Politik der Zukunft vom preußischen Standpunkte einen Rassenkampf um Europa zwischen Slawen (unter Führung Russlands), Romanen (unter Führung Frankreichs) und Germanen (in einem preußisch-österreichisch-englischen Bund) vorhergesagt. Im Zuge dessen müsse der Deutsche Bund aufgelöst, Deutschland unter Preußen und Österreich aufgeteilt und Preußen bis zur Main- und Weichselgrenze vergrößert werden.53 Der Antwort in den PJ ging ein intensiver Austauch Hayms und Dunckers voraus, der einmal mehr divergierende Ansichten der Altliberalen ans Licht brachte. Im Prinzip waren sich beide einig: Auswärtige und innere Politik könnten nicht voneinander getrennt werden; Preußen könne sich nur vergrößern, wenn die Mehrheit seiner Bevölkerung die Politik der Regierung unterstütze; die preußische Politik müsse Süddeutschland im Blick haben. Haym aber verstimmte Duncker mit der Belehrung: „Die Jahrbücher dürfen nicht zu preußisch, […] am allerwenigsten 49 Vgl. Reuchlin, Die Österreicher in Italien und die italienische Politik Russlands, in PJ I, 6, PJ II, 2 u. 3 (1858). 50 Mommsen, Thiers Geschichte der Kaiserzeit, in PJ I, 3 (1858), S. 225 ff., war eine Kampfansage an das revolutionäre Frankreich und die „vollständig und genial durchgebildete Despotie“ Napoleons I. Vgl. dazu Rebenich, Mommsen, S. 102 und Bercht, Konzeption der PJ, S. 26. Auf Mommsens Rezension reagierte Haym überschwänglich (vgl. StaBi Berlin PK, NL Wilhelm Mommsen, Kasten 46, Bl. 1 – 4). Ludwig Häusser hatte in der Allgemeinen Zeitung vom Dezember 1857 die Geschichte der Kaiserzeit ähnlich rezensiert (vgl. UB Heidelberg, Heid. Hs. 3405,3: Aufsätze Häussers in der Allg. Zeitung). 51 Vgl. Duncker, Preußen und England, in PJ I, 1 (1858), S. 29 und Reuchlin, Die Österreicher in Italien, S. 666 f. Neumann, Die Engländer in Indien, in PJ I, 1 (1858), S. 4 ff., betonte, dass Preußen in seinem Bestand durch die Allianz mit England gesichert werde. 52 Haym, Leben Dunckers, S. 182. 53 Mehr zum Inhalt der Aufsehen erregenden Broschüre (vgl. Haym, Leben Dunckers, S. 181) bei Bercht, Konzeption der PJ, S. 31; Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik I, S. 6; Scheffer, Preußische Publizistik, S. 22.
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prinzlich auftreten.“54 Dieser antwortete: „Auch ich wünsche, daß die Jahrbücher eine selbständige Macht werden, nur daß ich glaube, damit anfangen zu müssen, auf die Kreise Einfluß zu üben, welche die Macht besitzen. […] Bei dieser Abweichung unserer Ansichten glaube ich auf die Besprechung der preußischen Politik der Zukunft verzichten zu müssen.“55 Dass es dennoch dazu kam, ist dem vermittelnden Wesen des Herausgebers zu verdanken. In einem langen Schreiben erklärte Haym die Beweggründe für seine Belehrung, klagte über die Schwierigkeit „in politischer Tendenz eine Zeitschrift zu redigieren […], die sowohl gelesen wie geschrieben sein will“ und wies jegliches Motiv zurück „diejenigen vor den Kopf zu stoßen, die die literarische Armee der Zeitschrift bilden müssen“56. Zwar gestand Duncker in seiner Replik der Kreuzzeitung und Bluhm zu, die europäischen Machtverhältnisse richtig einzuschätzen. Ein schwerer Irrtum seien dagegen Rassentheorie und die preußische Einverleibung Polens.57 Duncker zeichnete ein Bild der Politik als Machtfrage: Preußen habe seine Chancen nicht genutzt, um Ansehen und Macht zu mehren.58 Bundesgenossen in Deutschland seien Voraussetzung für den Nationalstaat. Die „Ausdehnung seiner Grenze auf Kosten seiner kleinen Nachbarstaaten“59 würde das Misstrauen gegenüber Preußen steigern. Dagegen setzte Duncker auf das Prinzip moralischer Eroberungen. „Preußens Macht und Stellung in Deutschland beruht auf der Vereinigung aller Elemente des deutschen Wesens innerhalb seiner Grenzen, beruht auf seiner gesunden nationalen Grundlage, welche es in den Stand setzt, in allen Richtungen die Spitze der deutschen Entwicklung zu nehmen, den geistigen wie den politischen, den ideellen wie den materiellen Bestrebungen der deutschen Nation Raum zu geben und ihnen innerhalb seiner Grenzen einen großen Schauplatz zu gewähren.“ / „In seiner Entwickelung, in seinen Grenzen nimmt dieser Staat die Entwickelung, die Interessen und die Grenzen Deutschlands wahr. Und wenn es für jeden Staat gilt, so gilt es für diesen vor Allem, daß die Politik der Gegenwart die
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Rudolf Haym an Max Duncker am 1. Juni 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 153). Max Duncker an Rudolf Haym am 3. Juni 1858 (ebd., S. 154). Wassmann, Österreich in den PJ, S. 7, beurteilte Dunckers Rolle richtig: „Nüchterner als Haym, in dem die volle moralische Energie des Altliberalismus schwang und der den Bund mit der nationalen Idee geschlossen hatte, beurteilte Max Duncker Aufgabe und Möglichkeiten der Zeitschrift. Er wollte ihr Wirken nicht nur der ,Idee der Freiheit‘ zugetan wissen, sondern strebte […] die Versöhnung mit dem ,realen Staat‘ Preußen an, vor allem seit mit dem liberalen Regime 1858 die Möglichkeit dazu geboten war.“ 56 Rudolf Haym an Max Duncker am 5. Juni 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 155). 57 Vgl. Duncker, Die Politik der Zukunft, in PJ II, 1 (1858), S. 27 ff., hier S. 28. Vgl. auch ebd., S. 34. 58 Ebd., S. 27: „Es sind die Fragen der gesicherten Existenz und der Macht, welche den Theorien den Vorrang abgewonnen haben.“ Vgl. dazu auch Lees, Revolution and Reflection, S. 107. 59 Ebd., S. 36. 55
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C. Die Preußischen Jahrbücher in der Herausgeberschaft Rudolf Hayms wahre Politik der Zukunft ist. Preußen bedarf weder der Weichsellinie noch der Mainlinie –: es bedarf des Bruches mit dem System von Olmütz.“60
Duncker wies große Übereinstimmungen zu Preußens Bundestagsgesandten Otto von Bismarck auf. Der hatte in seinem Kleinen Buch dem königlichen Stellvertreter Wilhelm Bemerkungen über Preußens Stellung am Bunde (so der Untertitel) übermittelt und ihm eine unabhängige deutsche Politik veränderbarer Allianzen empfohlen.61 Duncker präferierte Bündnisse mit Österreich und England, „wenn deren Staatsmänner die Interessen ihrer Staaten richtig […] würdigen“62 und Österreich seine Hegemoniebestrebungen im Deutschen Bund einstelle. Im Militärischen forderte Duncker den Erhalt der Landwehr, des bürgerlichen Ersatzkorps der Armee, als „ursprüngliche Quelle der Kraft Preußens“63. Um den Staat zu schützen müsse ein Viertel des Haushalts in Organisation und Modernisierung der Armee investiert werden. Neues Vertrauen in Preußen schaffe die innere Liberalisierung: der Ausbau der Selbstverwaltung, eine neue Gemeindeordnung und die Durchsetzung der freien Presse, der freien Wissenschaft und der freien Bildung. So werde preußische Politik zur deutschen Politik, so könne Preußen Volksstaat, Militärstaat und Verfassungsstaat zugleich sein – und so definierten die PJ gleichsam die gewünschte Rolle Preußens in der europäischen Politik.
4. Die PJ und die Tagespolitik: Auseinandersetzung mit dem reaktionären Regime Preußen befand sich in der Zeit der Stellvertretung in einem Zustand politischer Apathie.64 Wilhelm scheute sich, mit der Politik seines Bruders zu brechen, das Ministerium Manteuffel konnte sich seiner Zukunft nicht gänzlich sicher sein und lockerte seine reaktionären Zügel. Das war die Chance für die neue Zeitschrift, sich langsam an die Kommentierung des politischen Geschehens zu wagen und so das erste Ziel zu fördern: „Die Jahrbücher haben die eine Aufgabe, das System Manteuffel-Westphalen in jeder Weise anzugreifen und zum Sturz zu bringen zu suchen,
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Duncker, Die Politik der Zukunft, S. 36 f. und S. 43. Vgl. auch Westphal, Staatsauffassung, S. 99. Dagegen behauptet Bercht, Konzeption der PJ, S. 31, Duncker befürworte, die Olmützer Punktation nicht zu verletzen. 61 Vgl. Müller, Deutscher Bund, S. 270 und Herre, Bismarck, S. 132 f. 62 Duncker, Die Politik der Zukunft, S. 30. Er empfiehlt auch Allianzen mit „Staaten zweiten Ranges“ wie Schweden, der Türkei oder Spanien (ebd., S. 31). Außerdem bringt Wilke, Schweizerische Zustände und Sympathie, in PJ II, 5 (1858), S. 522 ff., die Schweiz als Bündnispartner ins Spiel. Sie gelte als Musterbeispiel für Mitsprache der Bürger, Preußen könne Neutralität und protestantisch-evangelische Christenheit garantieren. 63 Duncker, ebd., S. 40. Zum Folgenden vgl. ebd., S. 41 ff. 64 Eine Einschätzung von Haym/Lette, Der preußische Landtag 1851 bis 1857, in PJ I, 2 (1858), S. 186 ff.
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mit allen Mitteln darauf hinzuarbeiten, daß die Einfluß und Macht besitzenden Kreise von der Verderblichkeit jenes Systems überzeugt werden […].“65 Im Februar 1858 veröffentlichten die PJ eine kritische Rückschau auf die preußische Reaktionszeit. Man erkannte zwar an, dass die Regierung die wirtschaftliche Entwicklung des Volkes nicht verhindert, Geld in Industrie und Infrastruktur investiert, Zollerleichterungen gefördert habe. Doch sei Preußen ein Hort der Reaktion, der Bürokratie und des Zentralismus, das Abgeordnetenhaus nach massiver Wahlbeeinflussung von den Konservativen dominiert und willfährig. Das liefe dem preußischen Wesen entgegen, das „nach vorwärts“ dränge.66 „Kurzsichtige Politiker haben es häufig für den Gipfel der Weisheit angesehen, die Forderung politischer Freiheit durch die Gewährung materieller Vortheile zu beschwichtigen. Sie hätten hundertfach die Erfahrung machen können, wie trügerisch dies Mittel ist […], daß im Eifer des erst zu erwerbenden Wohlstandes höherliegende Güter nur deshalb hintangesetzt werden, um nachher mit verdoppeltem Nachdruck begehrt und erkämpft zu werden. […] Die Beförderung der Bedingungen äußeren Belanges […] wird auf die Dauer zu einem Pfande, das nur durch die Verteilung von Rechten eingelöst werden kann.“67
Zunächst fanden sich in den PJ keine Empfehlungen zur Tagespolitik. Das Prinzip lautete: Nur nicht drängen. Rudolf Haym bezeichnete die Krankheit des Königs Friedrich Wilhelm als großes persönliches Unglück, beurteilte aber das Aussetzen der reaktionären Politik positiv. Mutmaßungen über ein mögliches Ende des Schwebezustands stellte er nicht an.68 Ein Artikel über den Historiker und Politiker Ludwig Timotheus Spittler wies zumindest Parallelen zum Jahr 1858 auf.69 Den „Feind des Überstürzens und des Umsturzes“, der in Württemberg unter dem despotischen Herzog Karl Eugen aufgewachsen war, habe „der Sinn für allmähliche organische Entwicklung der bestehenden Einrichtungen“ geprägt.70 Erst am Ende des ersten Halbjahres schlug Haym in den PJ deutliche Töne an – und das eher versteckt im kleingedruckten Teil der Zeitschrift. Die Notiz Graf 65
Rudolf Haym an Karl Biedermann am 7. Juli 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 156 f.). 66 Haym/Lette, Der preußische Landtag, S. 213. 67 Ebd., S. 201. Dazu Carl Christoph Merkel am 21. März 1858: „Ihr Aufsatz […] ist wesentlich, aber auch stark genug gegen die Regierung, um die Polizei auf die Knie zu bringen.“ (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV M 10a). 68 Vgl. Haym/Lette, Der preußische Landtag, S. 186. Konkreter wurde Haym im Brief, wie am 12. Oktober 1858 an Duncker: Er halte es für wenig wahrscheinlich, dass sich Wilhelm – ob als Regent oder Stellvertreter – schnell von Manteuffel und Konsorten fortsage. „Ich vermute, daß die Beseitigung Manteuffels noch Zeit und Schweiß kosten wird.“ (In Rosenberg, Briefe Hayms, S. 160 und Schulze, Briefe Dunckers, S. 74 f.). 69 Ähnlich verhält es sich mit der einzigen Veröffentlichung Johann Gustav Droysens in den PJ, eine Akte zur Ermordung des Zaren Paul. Vgl. dazu Nippel, Droysen, S. 254 f. und Droysen an Rudolf Haym am 30. Januar 1858 (in Hübner, Droysens Briefe II, S. 519 ff.). 70 Strauß, Ludwig Timotheus Spittler, in PJ I, 2 (1858), S. 124 ff., hier S. 143 und S. 132. Zur Veröffentlichung des Artikels vgl. ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV S 275 – 278.
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Schwerin an seine Wähler war ein verkappter Wahlaufruf, in dem die moralische Integrität, die Sachlichkeit und das Ansehen des liberalen Oppositionsführers im preußischen Abgeordnetenhaus betont wurden. Gleichzeitig äußerte Haym leise Hoffnung auf die Lösung der Regentschaftsfrage, trat gegen Wahlmanipulation ein und kritisierte das „seit dem Jahre 1850 von dem Ministerium Manteuffel-Westphalen befolgte System der polizeilichen Ueberthätigkeit im Innern, der politischen Thatlosigkeit nach Außen, das System der Kreuz-, Quer- und Rückzüge auf dem Boden der Gesetzgebung wie auf dem der Diplomatie“71. Es folgte das Wort mit der Neuen Preußischen Zeitung. Diese hatte in drei Leitartikeln im Juni 1858 – anhand des PJ-Essays über den preußischen Landtag der Jahre 1851 bis 1857 – ihr politisches Programm erklärt. Haym antwortete mit einer Polemik voller Ironie und sprachlicher Schärfe.72 So spät äußerten sich die PJ erst zum Tagesgeschehen, weil gleich das Februarheft 1858 konfisziert worden war. Haym und Lette hatten in ihrem Rückblick auf den Landtag den Vorwurf der Wahlbeeinflussung erhoben („Ein Haus war zusammengeeinflußt, dessen Majorität, dessen große Majorität voraussichtlich in nie gekannter Fügsamkeit sich den Tendenzen der Staatsregierung herleihen werde“73). Darin hatte das preußische Innenministerium eine Verunglimpfung des Staates erkannt74 und das Heft wegen der Härte gegen die Regierung für zwei Monate einziehen lassen.75 Haym, der die inkriminierte Stelle als „nicht bedenklich“76 einschätzte, war scho-
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Haym, Mitteilungen: Graf Schwerin an seine Wähler, in PJ I, 6 (1858), S. 691 f. Haym, Mitteilungen: Ein Wort mit der Neuen Preußischen Zeitung, in PJ I, 6 (1858), S. 685 ff. Ebenso von Mohl, Drei deutsche Staatswörterbücher, in PJ II, 3 (1858), S. 243 ff., hier S. 267: „Reichen die der Reactionspartei zu Gebote stehenden geistigen Kräfte nicht aus, und wird auch hier durch die Erfahrung kund gethan, daß das Wissen und das Denken von Jahrhunderten nicht im Handumdrehen durch einige pietistische Floskeln und einige Leitartikel-Redensarten umgestaltet werden kann, so wird man uns keine Trauer darüber zumuthen. Es wird sich dann eben auf’s Neue zeigen […], daß, sowie diese Partei die Masse des Volkes nicht hinter sich […] hat in ihrem Wollen, sie auch nichts gemein hat mit den geistigen Errungenschaften unserer ganzen Gesittung und sie diese nicht verwenden kann zu ihren Zwecken.“ 73 Haym/Lette, Der preußische Landtag 1851 bis 1857, in PJ I, 2 (1858), hier S. 196. 74 Nach § 101 des Preußischen Strafgesetzbuches, wonach eine Geldbuße bis zu zweihundert Talern oder Gefängnis bis zu zwei Jahren als Bestrafung drohte. 75 GStA PK I. HA Rep. 77, Tit. 652, Nr. 4 (Ministerium des Innern. II. Abteilung. Acta betr. Die Zeitschrift „Preußische Jahrbücher“, herausgegeben von R. Haym in Halle vom 13. Mai 1857 bis 1859): Mitteilung 2098 II vom 28. Februar 1858. Vgl. Mitteilung II. 2461/II. 2262 (9./ 10. März) vom Berliner Polizeipräsidenten von Zedlitz an Innenminister von Westphalen. Mitteilung II 4389 vom 5. Mai informiert über die Rücknahme der Beschlagnahmung des Heftes nach Beschluss der Oberstaatsanwaltschaft. 76 Haym an Duncker am 22. März 1858 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker Nr. 56, Bl. 281/2): „Hinrichs sagt, er würde gern jede Rolle bei dieser Angelegenheit übernehmen – nur die des Staatsanwalts nicht. Ihr Rat zur Vorsicht soll trotzdem befolgt werden; wenn Sie jedoch den Aufsatz kennen, so würden Sie mir […] das Zeugnis nicht versagen können, daß darin das Princip: in der Sache stark, in den Worten vorsichtig, befolgt ist […].“ 72
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ckiert. Schließlich wurde die PJ-Ausgabe eingezogen und kaum gelesen, die nach der heftig kritisierten ersten den Umschwung bringen sollte. „Die Schikanen gegen uns beginnen also bereits, und zwar zu einer Zeit, wo ich geglaubt hatte, daß eine mildere Praxis durch die Umstände, in denen sich das Gouvernement befindet, von selbst sich einstellen müßte. Wenn man das, was ich geschrieben habe, nicht drucken lassen darf […], was darf man alsdann überhaupt drucken lassen, und wie sollen wir in Zukunft mit der Monatsschrift durchkommen? […] Für Verbreitung und Befestigung der Zeitschrift […] kommt dieser Schlag viel zu früh. Ich hatte gehofft, man würde uns ein halbes Jahr ungeschoren lassen und in dieser Zeit würde sich das Blatt festsetzen.“77
Die fortgesetzte Auseinandersetzung mit der Kreuzzeitung im Spätsommer 1858 machte das preußische Innenministerium erneut auf die PJ aufmerksam. In der Notiz Die Regentschaftsfrage und die Presse sprach sich Rudolf Haym explizit für die Regentschaft Wilhelms nach Verfassungsparagraph 56 aus, begründete dies mit der Handlungsfähigkeit des Staates in Krisenzeiten und bezeichnete die Konstruktion der Mitregentschaft als „halbschlächtig und irregulär“. Es sei nicht weise, den Übergang als Kompromiss „mit dem Alten“ zu gestalten. Besser sei, „daß er mit der Verfassung, als ohne oder gar nicht wider dieselbe geschehe“78. Für die ministeriellen Beobachter waren Teile des Artikels „ein Verstoß gegen § 101 des Strafrechts“79. Umso bemerkenswerter war der Entschluss, nicht einzugreifen – begründet mit der fehlenden Durchschlagskraft der PJ und der Undenkbarkeit einer Regentschaft. Ein Nachspiel bis zum Gerichtsprozess hatte ein Artikel Aegidis, der dem Ministerium Manteuffel eine verwerfliche Politik attestierte, deren „Charakter war, den Charakter zu wechseln oder vielmehr, keinen zu haben“80. Die Zeit der Reaktion und Friedrich Wilhelms IV. – bezeichnet als „Romantik[er] des ungeschriebenen Rechts in ihrem Widerstande gegen die Herrschaft des Gesetzes“81 – habe aus Preußen ein Land der Korruption und des politischen Chaos gemacht. „[S]chlimm steht es mit einem Volk, welches genügender Gesetze entbehrt; aber ungleich schlimmer mit
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Haym an Georg Reimer am 1. März 1858 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 78 Haym, Mitteilungen: Die Regentschaftsfrage und die Presse, in PJ II, 3 (1858), S. 351 ff., alle Zitate S. 353. Die Argumentation gleicht der Nationalzeitung, und die war deshalb konfisziert worden (vgl. Haym an Duncker, GStA PK, VI. HA, FA Duncker Nr. 56, Bl. 262 – 4 und 269 – 272; Briefe von Ende Juli u. Mitte September 1858). 79 GStA PK I. HA Rep. 77, Tit. 652, Nr. 4 (siehe Fußnote 75); Mitteilung II 10610 vom 27. September 1858: „[W]as die Induktion bezüglich der Regentschaftsfrage anlangt, so ist sie eine freilich etwas derbe, […] sogar eine Schmähung enthaltende doktrinäre Abhandlung und zwar über etwas, was noch nicht da ist, was auch noch nicht in Aussicht gestellt ist, vielleicht gar nicht ins Leben tritt. In Betracht daß das Buch keine Zeitung, der Kreis der Leser sehr klein und gebildet, die Gefährlichkeit also nicht von Bedeutung ist, unterlasse ich ein Einschreiten, stelle jedoch ehrerbietigst anheim, ob mit Beschlagnahme verfahren werden soll.“ 80 Aegidi, Die Regentschaft in Preußen, in PJ II, 4 (1858), S. 438 ff., hier S. 443. 81 Ebd., S. 440.
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einem solchen, dessen bestehende Gesetze verläugnet werden durch eine ihres Inhalts spottende Regierungspraxis.“82 All das gipfele in der Regentschaftsfrage, in der sicheres Gesetz gegen unsicheres Recht steht – wie in der Diskussion über den Begriff der „Dauer“, die zu dreimonatigen Stellvertretungen führe: „Der Thronfolger an der Spitze des Staates, doch mit gebundenen Händen! Der König nicht ,dauernd‘ verhindert, aber stets auf volle drei Monate ganz außer Stande, die Staatsgewalt auszuüben. Das Bedürfniß einer Vertretung augenscheinlich – und die einzige Form der Vertretung, welche das dringende Bedürfniß zu erfüllen vermochte, von der Hand gewiesen […] – obgleich oder weil das Staatsgrundgesetz sie gebieterisch forderte!“83 Rudolf Haym hatte damit seine Ankündigung umgesetzt, in den PJ nachdrücklicher auf die Tagespolitik einzugehen.84 Zwar gab er zu, „was in dem Regentschaftsartikel steht, ist zum Teil recht stark“, fügte aber hinzu, „daß diese Dinge […] gesagt werden mußten. Mit Vorsicht denke ich in demselben Ton fortzufahren; denn daß sich der schöne Anfang und der Charakter des Prinzen mit dem System und der Genossenschaft Manteuffel nimmer verträgt, dies muß und muß immer wieder gesagt werden […].“85 Doch wieder sah er sich der Kritik Max Dunckers ausgesetzt, mit solchen Aussagen auf den Augenblick zu zielen. „Mit ihrem Regentschaftsartikel bin ich […] nicht sehr einverstanden. Er ist ja literarisch sehr gut, aber politisch glaube ich läßt er sich kaum halten […], in dem Sie die Stellvertretung überhaupt als Verletzung der Verfassung bezeichnen und also den Prinzen als Mitschuldigen hinstellen.“86 Duncker sollte Recht behalten: Haym musste sich im folgenden Januar als verantwortlicher Redakteur vor Gericht verantworten.87 Die Beschuldigung88 lautete,
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Aegidi, Die Regentschaft in Preußen, S. 444. Ebd., S. 448. 84 Zuletzt an Johann Kaspar Bluntschli am 11. Oktober 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 160). 85 Haym an Duncker am 28. Oktober 1858 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 250). Gegenüber Verleger Reimer gab Haym am 30. Oktober 1858 an (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym), er habe an Aegidis Manuskript „Manches gemildert; nur der absolute Mangel an Zeit verhinderte mich, bei der Korrektur nochmals Wort für Wort und Satz für Satz auf die Konfiskabilität anzusehen; ich hätte wohl den ganzen Artikel, wie ich mit meinem Wahl-Artikel getan, der Prüfung eines hiesigen juristischen Freundes unterworfen“. Georg Waitz (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 161 f.) schrieb er, der Artikel sei „kein Muster von sich selbst zügelnder Kraft und Nachdrücklichkeit – sein literarisches Verdienst […] ist größer als sein politisches“. 86 Max Duncker an Haym am 10. November 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 161). 87 Vgl. Haym an Theodor Mommsen am 21. Dezember 1858 (ebd., S. 169). Seine Verteidigungsrede vom 15. Januar 1859 in ULB Halle, NL Haym, Yi 23 I 9 (1). 88 GStA PK I. HA Rep. 77, Tit. 652, Nr. 4 (vgl. Fußnote 75): Mitteilung II 11347/882 vom 26. Oktober 1858 vom Berliner Polizeipräsidium ans Innenministerium. Im Artikel Die Regentschaft in Preußen stellten vor allem die Seiten 443, 444, 446 und 451 nach §§ 101 und 102 83
I. Die Preußischen Jahrbücher in der Reaktionszeit
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die Mitglieder der königlichen Familie und die Anordnungen der Obrigkeit „durch öffentliche Schmähungen und Verhöhnungen dem Hasse und der Verachtung ausgesetzt“ zu haben. Die Ironie der Geschichte wollte es, dass der Einzug des Oktoberheftes an dem Tag erfolgte, an dem Wilhelm als Regent den Eid auf die Verfassung vor dem Abgeordnetenhaus leistete. Haym war darauf vorbereitet. Das Verfahren endete mit einem Freispruch, die Konfiszierung des Heftes wurde aufgehoben und so schrieb er an Duncker: „Ich bin weit entfernt, daraus Konsequenzen über den Geist der neuen Regierung zu ziehen […]. Zu lesen bekommen Sie es [Anm.: das Oktoberheft] jedenfalls; denn glücklicherweise waren diesmal alle Exemplare bereits vor der Konfiskation versandt, so daß die Wirkung ungeschwächt sein wird.“89
5. Die Preußischen Jahrbücher vor der Neuen Ära – eine Zwischenbilanz „[W]ir [hatten] während der ersten acht Monate unsres Erscheinens nicht bloß unser politisches Credo vernehmbar und mit artikulierter Stimme ausgesprochen, sondern auch über unsere moralische Teilnahme an den Ereignissen keinen Zweifel gelassen.“90 Insgesamt war der Start für das Projekt ordentlich, wenn die Monatszeitschrift auch wenig öffentlichkeitswirksam war. Die PJ konzentrierten sich während der Zeit der Stellvertretung in Preußen auf die historisch-kritische Einordnung, man berichtete rational und glaubwürdig. Auf einer spekulativen, emotionalen oder polemisierenden Ebene bewegten sich die Autoren nur im Streit mit der Kreuzzeitung, im Artikel zur Regentschaft, bei den wenig durchdachten Vorschlägen für eine Volksvertretung am Bund oder beim Bericht über die Vermählung des Prinzenpaares. Die Zielgruppe und politische Stoßrichtung der Veröffentlichungen war eindeutig: die PJ richteten sich an national gesinnte, historisch interessierte, verfassungstreue, protestantische Liberale in Preußen und den Drittstaaten. An die Regierung und das Königshaus wandte sich nur Max Duncker in seinem Manifest Die Politik der Zukunft. Die angestrebte Ansammlung liberaler Autoren aller Schattierungen ließ sich dennoch nicht verwirklichen. Zum Beispiel machten Sybels Vorbereitungen zur Gründung der Historischen Zeitschrift die Hoffnung auf eine regelmäßige Mitarbeit von diesem, Gervinus, Häusser und Droysen zunichte.91 des Strafgesetzbuches eine strafbare Handlung dar. Vgl. auch Haym, Notizen, in PJ III, 1 (1859), S. 121 und Haym, Aus meinem Leben, S. 273. 89 Haym an Duncker am 28. Oktober 1858 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker Nr. 56, Bl. 250). Ebenso am gleichen Tag an Verleger Reimer (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 90 Haym, Vorwort, in PJ III, 1 (1859), S. 1 ff., hier S. 13. 91 Haym bezeichnete die HZ als „Konkurrenz, die den verstimmten Heidelbergern, Häusser, Gervinus etc. gerade recht kommt“ (BArch N/2184 – 28, NL Mathy: Bl. 25/26 vom 30. September 1858). Vgl. auch Haym an Duncker am 4. September bzw. 27. Juli 1858 (GStA PK, VI.
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C. Die Preußischen Jahrbücher in der Herausgeberschaft Rudolf Hayms
Außerdem verlor Haym einen Mitarbeiter, von dem er pointierte Beiträge erwartet hatte: Mit dem Philosophen David Friedrich Strauß stritt er um die Nutzungsrechte eines Artikels und kritisierte dessen Biographie über den Humanisten und Reichsritter Ulrich von Hutten92. Zwar betonte Haym: „Strauß bei den Jahrbüchern festzuhalten, wäre mir von der äußersten Wichtigkeit.“93 Doch das Verhältnis zwischen ihm und dem Linkshegelianer war gestört. „Diesen meinen Aufsatz indeß hat mir Strauß niemals verziehen. Daß ich darin an seine epochemachende theologische Vergangenheit erinnerte, verdroß ihn; daß ich seine biographische Methode nicht in allen Stücken billigte, beleidigte ihn. Ich hatte – unklug vielleicht – mit der Empfindlichkeit der Herren zu rechnen versäumt und alle spätere Diplomatie konnte das nicht wieder gut machen; diese particularistische Gruppe, […] fest zusammenhaltend, erwies sich zu spröde, als daß sie sich in den von allgemeineren Zwecken geleiteten Parteiverband der Jahrbücher hätte einschmelzen lassen.“94
Auf die Kritik an den ersten Heften versprach der Herausgeber ein schärferes Profil – was er ab der Jahresmitte 1858 zaghaft verwirklichte. Zuvor hatten lediglich die Artikel Dunckers und Treitschkes für Aufsehen und positive Resonanz in der liberalen Öffentlichkeit gesorgt: Preußen und England wurde in den Hamburger Nachrichten gedruckt95, Über die Grundlagen der englischen Freiheit galt „zu Treitschkes Stolz vielfach als eine Arbeit Mommsens“96. Erst durch die Auseinandersetzung mit der Kreuzzeitung über die Regentschaft und Preußens Stellung in Deutschland und Europa, von Seiten der PJ begonnen mit einem Artikel Dunckers, die erste deutliche Kommentierung der Tagespolitik und Beschlagnahmungen „kam die Sache allmählich in Zug“97. Zuverlässige Mitarbeiter waren in Eduard Zeller, Karl Philipp Francke, Hermann Reuchlin und Reinhold Pauli gewonnen worden. Im Oktober 1858 hatte Haym den lange gesuchten Korrespondenten in Berlin gefunden.98 Karl Neumann, über dessen Unzuverlässigkeit er sich HA, FA Duncker Nr. 56, Bl. 262/3 und 271/2). Droysen sagte Haym die Teilnahme an den PJ am 30. Januar 1858 ab (in Hübner, Droysens Briefe II, S. 519). 92 Vgl. Haym an Georg Reimer am 9. Januar 1858 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym) und Haym, Ulrich von Hutten, in PJ I, 5 (1858), S. 487 ff., hier S. 493 f. 93 Haym an Eduard Zeller am 6. Juni 1858 (UB Tübingen, Md 747 – 279, NL Zeller). 94 Haym, Aus meinem Leben, S. 265 f. Karl Mathy schrieb an Haym am 10. Juni 1858 (BArch N/2184 – 28, NL Mathy, Bl. 11/12): „Wenn es allein auf das Schreiben ankäme, so wäre unsere Partei im Stande, alle übrigen Parteien tot zu machen. Leider sind die meisten unserer Freunde noch stärker im Bekritteln unserer Partei als im Produzieren. Sie schweigen über die Vorgänge, beschreiben die kleinsten Mängel […].“ 95 Vgl. Haym an Reimer am 13. Februar 1858 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 96 Herman von Petersdorff in ADB 55 (1910), S. 263 ff., hier S. 270. Wie bereits erwähnt (und von Köpf, Mommsens, S. 73, falsch verbreitet) hatte Mommsen in den PJ nie einen längeren Artikel veröffentlicht. 97 Haym, Aus meinem Leben, S. 273. 98 Vgl. Rudolf Haym an Georg Reimer am 30. Oktober 1858 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym), ebenso am 16. September und 12. Oktober 1858 an Max
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anfangs noch beschwert hatte, charakterisierte er als „brav und verständig, voll politischen Ernstes und […] taktvoller Berechnung, zugleich aber von bleierner Gründlichkeit und von einem Eigensinn, der mich zweifeln läßt, ob das Engagement Dauer haben wird“99. Schon vor Beginn der Neuen Ära äußerte Haym den Glauben, „daß es mit dem Unternehmen vorwärts gehen wird“100. Das Verhältnis zu anderen Vorzeigepublikationen der Liberalen, Grenzboten und Nationalzeitung, sah er positiv. Von seinem Ziel, eine in die Gesellschaft hineinwirkende Zeitschrift zu leiten, war er aber noch weit entfernt.
II. Der Beginn der Neuen Ära in Preußen 1. Das politische Geschehen in Grundzügen Gut zwei Wochen, nachdem Prinz Wilhelm die Regentschaft in Preußen angetreten hatte, leistete er den Eid auf die Verfassung vor dem Abgeordnetenhaus. Der symbolische Akt zeigte, dass Wilhelm verstand: Eine der Hauptursachen der Revolutionen der vergangenen Jahrzehnte war die absolutistische Herrschaft gewesen; verfassungswidriges Regieren und politische Willkür sichern den Thron nur vorübergehend. Oder vereinfacht ausgedrückt: Da die Verfassung „nun einmal da sei, so war seine Meinung, solle man sie auch halten, und man solle sie nicht durch erzwungene Interpretationen verfälschen“101. Der folgende Personalwechsel im preußischen Staatsministerium war monarchisch, ging allein vom Regenten aus und ohne den erwarteten großen Schnitt vonstatten. Wilhelm entließ lediglich Innenminister Westphalen, Ministerpräsident Otto von Manteuffel und die meisten anderen Minister boten ihren Rücktritt selbst an.102 Größtenteils aus Männern seines persönlichen Vertrauens stellte Wilhelm dann ein Ministerium zusammen, in dem „das gemäßigt-liberale und das gemäßigt-konservative Element“ sich die Waage hielten.103 „So formierte sich […] ein Kabinett des guten Willens, aber der schwachen Personen“: Die Doppelspitze des Ministeriums Hohenzollern-Auerswald beschrieDuncker (GStA PK, VI. HA, FA Duncker Nr. 56, Bl. 256/7 und 260/1, Fortsetzung des Briefes aus Rosenberg, Briefe Hayms, S. 160). 99 Rudolf Haym an Max Duncker am 1. Dezember 1858 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker Nr. 56, Bl. 305 – 8). 100 Rudolf Haym an Max Duncker am 22. März 1858 (ebd., Bl. 281/2). 101 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 698. Vgl. Haupts, Liberale Regierung, S. 50. 102 Informationen zur Entlassung in GStA PK, VI. HA, NL von Westphalen, Nr. 6 (Acta betr. Regentschaftsfrage und Entlassung des Ministers von Westphalen 1858). Nicht entlassen wurde zum Beispiel der Chef des Militärkabinetts Edwin von Manteuffel. Sein Abschiedsgesuch vom 19. Dezember 1858 in Huber, Dokumente II, S. 10. 103 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 273.
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ben Börner und Helfert als ausgebrannt und unfähig zur Initiative.104 Der Ministerpräsident zog sich 1861 aus der Politik zurück, sein Posten blieb verwaist. Der führende Liberale August von Saucken-Julienfelde urteilte: „Tüchtige Männer werden sich zu einem Flickwerk der Art nicht hergeben, und andere können nichts nützen.“105 Der PJ-nahe Theodor von Bernhardi bezeichnete Auerswald als unbrauchbar, die Minister als schwerfällig und ihren Aufgaben nicht gewachsen.106 Obwohl der Ministerwechsel nur eine „halbherzige Liberalisierung“107 der preußischen Politik bedeuten konnte, erwarteten liberal Gesinnte von der neuen Regierung Fortschritte bei der Ausweitung bürgerlicher Rechte. Schließlich schien der Regent auf einen Ausgleich der Eliten und eine Ausweitung der bisherigen Herrschaftsschicht um Teile des Bürgertums zu setzen. Durch diese Allianz und zaghafte Reformen konnte er die monarchische und aristokratische Prägung der bestehenden Ordnung bewahren. „Das war ein sinnvolles Programm mit guten Erfolgsaussichten und breiter Resonanz […]. Das war eine realistische Option.“108 Tatsächlich empfanden liberale Zeitgenossen den Wechsel in Preußen als Signal für eine gesamtdeutsche Bewegung109: Der Kongress deutscher Volkswirte und der Nationalverein wurden gegründet, in Bayern trat der konservative Vorsitzende des Ministerrates Ludwig von der Pfordten zurück, 1860 folgten das liberale Kabinett Roggenbach in Baden und die überarbeitete Verfassung in Hamburg. So meinte der PJ-Mitarbeiter Hermann Baumgarten: „Muß man als politischer Mensch irgendwo eine gewisse Anlehnung haben, so ist mir kein Zweifel, daß wir sie in Preußen zu suchen hätten. Man braucht sich wohl über die jetzigen Regungen dort keine Illusionen zu machen, um zu gestehen, dass Pr[eußen] vielleicht nie der Staat nach unserem Geschmack werden wird, aber immer derjenige ist, der unseren Be104 Helfert, Liberalismus und Heereskonflikt, S. 24. Vgl. Börner, Krise der Monarchie, S. 44 ff. und Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 272 f. Justizminister Simons und Handelsminister von der Heydt blieben im Amt. Der liberal-konservativen Wochenblattpartei zuzurechnen waren Ministerpräsident Karl Anton Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen, Moritz August von Bethmann Hollweg (Kultus), Erdmann III. Graf von Pückler-Limburg (Landwirtschaft), Rudolf von Auerswald (Minister ohne Portefeuille), Freiherr Alexander von Schleinitz (Außen) und mit Abstrichen Kriegsminister Eduard Wilhelm Ludwig von Bonin. Dazu kamen der Altliberale Erasmus Robert Freiherr von Patow (Finanzen) und ab Juni 1859 Maximilian Graf von Schwerin-Putzar (Inneres). 105 Zitiert in Bahne, Vor dem Konflikt, S. 163. 106 Vgl. Helfert, ebd., S. 22. 107 Jansen, Politische Briefe, S. 610, Anm. 4. 108 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 698. Nipperdey analysiert diese Machtoption ebd., S. 718 ff. und macht deutlich, dass der Liberalismus in Deutschland von der neuen Ära bis zum Höhepunkt des preußischen Verfassungskonfliktes (erstaunlich genug) trotz aller Flügel und Richtungen eine Einheit gewesen sei. Erst die nationalpolitische Differenz habe den Gesamtliberalismus in der Folge wieder gespalten. Im Konflikt habe es sich gerächt, dass die Liberalen nicht die führende Kraft des mehrheitlich unpolitischen Volkes waren. 109 Vgl. den Bericht des Innenministers von Flottwell vom 5. März 1859 (in Bahne, Vor dem Konflikt, S. 168 f.).
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strebungen am verwandtesten ist. Ich möchte über Fragen der fernen Zukunft nicht absprechen, aber ich bin überzeugt, wer zu Regungen, wie sie jetzt in Preußen vorgehn, gar kein Verhältnis zu finden weiß, ihnen rein negativ u. skeptisch gegenüber steht, der wird auf die lebendige Politik keinerlei Einfluß üben können.“110
Kurz: „Man glaubte an die Neue Ära, weil man sie wollte.“111 Nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im November 1858 entstand zudem ein Parlament der gemäßigt Liberalen. Die Fraktionen Vincke und Mathis errangen mit insgesamt 195 Sitzen eine überwältigende Mehrheit. Sie versuchten durch konstruktive Arbeit und mit der Devise „Nur nicht drängen“ das Vertrauen des Regenten für die Wünsche des Bürgertums zu gewinnen.112 Am 8. November trug Wilhelm den Ministern sein Regierungsprogramm vor.113 Von Liberalismus war darin wenig zu erkennen. Der Prinzregent bekämpfte die „stereotype[] Phrase, daß die Regierung sich fort und fort treiben lassen müsse, liberale Ideen zu entwickeln, weil sie sich sonst von selbst Bahn brächen. […] Es soll nur die sorgliche und bessernde Hand angelegt werden, wo sich Willkürliches oder gegen die Bedürfnisse der Zeit Laufendes zeigt. Sie alle erkennen es an, daß das Wohl der Krone und des Landes unzertrennlich ist, daß die Wohlfahrt beider auf gesunden, kräftigen konservativen Grundlagen beruht.“ Wilhelm proklamierte das Königtum von Gottes Gnaden, das Festhalten an Gesetz und Verfassung, forderte die strikte Trennung von Religion und Politik, deutete eine Neuorganisation des preußischen Heeres unter erheblichem finanziellen Aufwand sowie eine flexible Außenpolitik an. Die deutsche Politik Preußens charakterisierte der Regent so: „In Deutschland muß Preußen moralische Eroberungen machen, durch eine weise Gesetzgebung bei sich, durch Hebung aller sittlichen Elemente und durch Ergreifung von Einigungselementen, wie der Zollverband es ist, der indes einer Reform wird unterworfen werden müssen. – Die Welt muss wissen, daß Preußen überall das Recht zu schützen bereit ist. Ein festes, konsequentes und […] energisches Verhalten in der Politik, gepaart mit Klugheit und Besonnenheit, muß Preußen das politische Ansehen und die Machtstellung verschaffen, die es durch seine materielle Kraft allein nicht zu erreichen imstande ist.“
Diesen allgemeinen Richtlinien114 sollte kein Regierungsprogramm folgen, die Linie der Neuen Ära blieb in der Schwebe. Die Minister standen vor der unlösbaren 110 Baumgarten an Georg Gottfried Gervinus am 23. Dezember 1858 (in Jansen, Politische Briefe, S. 482). 111 Na’Aman, Nationalverein, S. 43. 112 In Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 133, sind die Forderungen der liberalen Fraktionen im Abgeordnetenhaus vom 12. Oktober 1858 abgedruckt: Wahlfreiheit, Selbstverwaltung, Aufhebung der gutsherrlichen Polizei und der Grundsteuerprivilegien, Schutz der Presse, Religionsfreiheit, Ministerverantwortlichkeit, Freiheit der Lehre und der Wissenschaft, Einschränkung der Rechte der Bürokratie. 113 Ebd., S. 133 ff. und Huber, Dokumente II, S. 31 ff. Dort alle folgenden Zitate. 114 Das Novemberprogramm bot Anlass zu allerlei Interpretationen. Liberale Zeitgenossen hofften auf die Regelung noch nicht gesetzlich geregelter Verfassungsartikel (Gesetzesvor-
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Aufgabe, „ohne mit der Vergangenheit zu brechen und die konservativen Grundsätze zu verlassen sowie die bestehende Machtstruktur anzutasten, eine neue, der Masse der Bevölkerung mehr zusagende Politik [zu] inaugurieren, gleichzeitig auf friedlichem Wege die preußische Hegemonie in Deutschland aus[zu]bauen und Preußens Gewicht als Großmacht in Europa [zu] erhöhen“115. Zunächst machte sich das neue Ministerium daran, die „krasse Reaktion“116 unter den Beamten zu bekämpfen und die hohen Ämter in der Verwaltungshierarchie neu zu besetzen. Das größte Aufsehen erregte dabei die Abberufung Otto von Bismarcks als Gesandter vom Bundestag in Frankfurt nach St. Petersburg – eine politische Kaltstellung, auch wenn der russische Zarenhof eine der vornehmsten Stellungen im auswärtigen Dienst darstellte.117 Eine grundsätzliche Verschiebung der Machtverhältnisse war aber nicht zu erwarten, schließlich blieb der Unterbau der Verwaltung beinahe unverändert bestehen. Gefestigt war das neue System keinesfalls, wie auch diese Beobachtung Karl Mathys zur politischen Lage zeigt: „Der Pr[inz] sei ängstlich wegen der Folgen seiner Schritte, der Schwierigkeiten seiner Aufgabe, ungehalten über das Lob der ,Volkszeitung‘ und Konsorten (verba: ,womit habe ich verdient, daß diese Gesellschaft mich lobt!‘). Die Besorgnisse würden genährt durch Insinuationen aller Art, sowohl der höheren Reaktion in Berlin und Preußen, welche aus ihrem Abscheu gegen Auerswald und Genossen kein Hehl mache, wie seitens der mittelund kleindeutschen Kabinette, die fast alle unter dem Chorführerpaar Beust-Pfordten ihre einschüchternden Warnrufe nach Berlin gesendet haben. […] Man hält […] die neue Richtung weder in der Gesinnung des Pr[inzen] noch ihren Trägern für befestigt, vielmehr von ernsten Gefahren bedroht.“118
2. Meinung und Stellung der Preußischen Jahrbücher Im Oktoberheft der PJ von 1858 hatte Ludwig Aegidi noch eine Entscheidung für die in der Verfassung vorgeschriebene Regentschaft gefordert. Deren Übernahme durch Wilhelm und dessen Eid auf die Verfassung feierten die PJ als Sieg des Rechts. „[D]ieser Regierungsantritt bedeutet die Befestigung der bürgerlichen Freiheit in Preußen, den Aufschwung der erlösten Geistesfreiheit und – Eins vor Allem, wenn behalte) in ihrem Sinn. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 274, interpretierte das Programm als Kampfruf gegen Hochkonservative, reaktionäre Verfassungs- und Verwaltungspolitik, klerikale Kirchen- und Schulpolitik und eine Anlehnung an Russland und Österreich. Helfert, Liberalismus und Heereskonflikt, S. 24 f., weist nach: Der Regent erkannte selbst erhebliche Unterschiede zwischen seinen Ideen und der in seinen Worten „irre geleiteten“ öffentlichen Meinung. 115 Börner, Krise der Monarchie, S. 47. Vgl. auch Haupts, Liberale Regierung, S. 70. 116 Ministerpräsident Karl Anton Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen, zitiert in Bahne, Vor dem Konflikt, S. 165. Vgl. auch Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 274 f. 117 Vgl. Huber, ebd., S. 275 und Herre, Bismarck, S. 132 f. 118 Karl Mathy an Max Duncker am 24. November 1858 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 78).
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auch nicht über Alles –: die Herrschaft des Gesetzes.“119 Gleichzeitig zeigte die Lektüre der PJ, dass die Altliberalen dem preußischen Königtum keine Volkssouveränität zuschrieben: Verfassung und politische Rechte seien eine Selbstbeschränkung des Königs, der Landtag als Versammlung berufener Sachverständiger stehe „nicht über dem Regenten, nicht über dem König“.120 Wilhelm habe die Regentschaft übernommen „mit alleiniger Verantwortlichkeit gegen Gott, kraft agnatischen Rechts, und sie stellte sich sofort auf den Boden unserer Verfassung. Dem Princip der monarchischen Regierungsform […] und dem verfassungsmäßigen Recht war volles Genüge geschehen.“121 Der erste Schritt zur wirklichen Herrschaft verfassungsmäßiger Rechte sollte nach dem Willen Rudolf Hayms nun eine freie Wahl zum Abgeordnetenhaus sein. „Die Lehre, mit welcher eine Coterie im Lande den Sinn der Verfassung, die öffentliche Moral und Vernunft verhöhnen durfte, […] daß die wahre Freiheit der Wahlen in ihrer Beeinflussung bestehe, hat aufgehört officielle Geltung zu haben.“122 Der PJ-Herausgeber appellierte an Moral und Vernunft des Volkes und rief als Wahlziel aus, durch eine Allianz der Liberalen und Staatstreuen das Abgeordnetenhaus von der ständischen Aristokratie und den Beamten zu säubern.123 Das Wahlergebnis mit dem Sieg der Altliberalen wertete Karl Neumann daher als Votum für den Wechsel: das Volk wolle eine Politik der Mäßigung.124 Für die PJ, nun Organ der Mehrheitspartei im Abgeordnetenhaus, bestand daher kein Grund, sich der demokratischen Bewegung anzunähern.125 Zwar betonte Neumann die Frontstellung von Altliberalen und Demokraten gegenüber der Reaktion. Eine Zusammenarbeit sei aber nur möglich, wenn die „demokratischen Querköpfe, politische Schwärmer,
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Aegidi, Die Regentschaft in Preußen, in PJ II, 4 (1858), S. 438 ff., hier S. 454. Auch die Vossische Zeitung begrüßte den Regierungsantritt mit „größten Erwartungen“ (Buchholtz, Vossische Zeitung, S. 154). Die Kölnische Zeitung warnte indes vor überzogenen Hoffnungen (vgl. Buchheim, Kölnische Zeitung IV, S. 56). 120 Aegidi, Die Regentschaft in Preußen, S. 457. 121 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. November 1858, in PJ II, 5 (1858), S. 579 ff., hier S. 580. Vgl. Waitz, Das Königtum und die verfassungsmäßige Ordnung, in PJ II, 6 (1858), S. 624 ff. 122 Haym, Zu den Wahlen in Preußen, in PJ II, 4 (1858), S. 457 ff., hier S. 458. Der politische Korrespondent Neumann bezweifelte ob Innenminister Flottwell tatsächlich „die Klarheit und die durchgreifende Energie besitzen werde, die vorhandenen Uebel gründlich zu beseitigen“ (Politische Korrespondenz vom 10. November, in PJ II, 5 (1858), S. 579 ff., hier S. 587). 123 Vgl. Haym, Zu den Wahlen in Preußen, S. 465 ff. 124 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Dezember, in PJ II, 6 (1858), S. 675 ff., hier S. 699: „Es war nur ein geringes Maaß größerer Wahlfreiheit von nöthen, und klar zeigte es sich, wie das bisherige System beurtheilt wurde, wie arg bei den Wahlen von 1855 gewirthschaftet sein muß.“ 125 Die „naturgemäße Bruderliebe“ zwischen Konstitutionellen und Demokraten hatte die Kreuzzeitung zuvor (Nr. 266/1858) beschrieben (vgl. ebd., S. 685).
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verbissene Principienreiter“126 sich auf die praktische Verbesserung des Bestehenden konzentrierten und nicht auf ihre Utopien. Ihr Programm maßvoller Politik borgten sich die PJ aus dem Breslauer Wahlprogramm.127 Die „gut-conservative[n]“ Forderungen sollten die Basis „gegen die Allianz von Feudalismus und Büralismus“128 bilden. Doch die Forderungen von Wochenblattpartei, Konstitutionellen und Demokraten gingen nicht über das bestehende Recht hinaus und sollten zunächst nur das Zerbrechen der liberalen Front verhindern.129 Zur Geltung gebracht werden sollten die Herrschaft des Gesetzes, die Verbannung aller Willkür, der Schutz der persönlichen Freiheit sowie die Selbstständigkeit der Gerichte und der Verwaltung. Die konkreten Forderungen waren Wahlfreiheit, Selbstverwaltung, Aufhebung der gutsherrlichen Polizei und der Grundsteuerprivilegien, Schutz der Presse, Religionsfreiheit, Ministerverantwortlichkeit, Einschränkung bürokratischer Rechte, sowie Freiheit der Lehre und der Wissenschaft.130 Zeitliche Fristen zur Durchsetzung der Forderungen gab es keine. Auf Seiten der Altliberalen und der PJ predigten Karl Neumann und Max Duncker das Prinzip des Nur-nicht-Drängens, um das Vertrauen Wilhelms nicht zu erschüttern.131 Aufgabe der Altliberalen sei, „den Prinzen auf der Bahn zu befestigen, die er glücklich betreten hat. Er darf nicht erschreckt und brüskiert werden […]. Es darf diese Regierung kein liberales Experiment, sie muß ein festes liberales System werden. Darum predige ich Ihnen Mäßigung […] bis zur Langenweile.“132
126 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Dezember 1858, S. 683. Bercht, Konzeption der PJ, S. 40, urteilte daher: „So unterstützten die PJ […] den undemokratischen Weg der Einigung Deutschlands.“ Demokratisch sind Altliberale und PJ tatsächlich nie gewesen. 127 Vgl. ebd., S. 676 ff.; Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 133 und Westphal, Staatsauffassung, S. 103, Anm. 3. Die Forderungen der liberalen Fraktionen im preußischen Abgeordnetenhaus unterzeichnete Theodor von Bernhardi nur unter Protest, weil er ein Gesetz zur Ministerverantwortlichkeit ablehnte. Das Breslauer Programm mitunterzeichnet hatte unter anderem PJ-Beirat Richard Roepell. 128 Haym, Zu den Wahlen in Preußen, S. 464. 129 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Dezember, S. 678 f. 130 Paetau, Regierende Altliberale, S. 174, weist darauf hin, dass sich das Wahlprogramm wie eine Liste der Verfassungsartikel mit Gesetzesvorbehalt liest – schon allein deswegen könne beim Regenten kein Gefühl des Gedrängtwerdens aufkommen. Tatsächlich wurden in der Neuen Ära meist Gesetzesvorhaben verhandelt, die im Breslauer Programm Erwähnung fanden: Reform der Oberrechnungskammer, Ministeranklage, Grundsteuer und Reform des Herrenhauses, Kreisordnung für die östlichen Provinzen, Reform von Eherecht, Verwaltungsrecht und Unterricht sowie die Rechtsgleichstellung der Juden. 131 Haym, Leben Dunckers, S. 185: „Keiner nahm es ernster damit, keiner schärfte [es] dringender ein als Duncker.“ Vgl. auch Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Dezember 1858, S. 684. 132 Max Duncker an Rudolf Haym am 10. November 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 160). Duncker spielte dem Regenten eine Denkschrift in die Hände, in der er den Zusammenhalt von Bauern, Bürger, Adel und Armee als die Stärke Preußens pries. „Das preußische
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Dennoch forderten Rudolf Haym und der altliberale Sozialpolitiker im Abgeordnetenhaus Adolf Lette im Novemberheft 1858 der PJ: Reform der Grundsteuer, Aufhebung der gutsherrlichen Polizeiverfassung, Reform der Gemeinde-, Kreis- und Provinzialverfassung und Schließen der Verfassungsvorbehalte in den Artikeln 12 (Gewissens- und Glaubensfreiheit), 15 (freie Kirchenverwaltung), 19 (Zivilehe) und 61 (Ministerverantwortlichkeit). Sie gaben aber zu: „Es ist ein weiter Weg bis zur vollen Verwirklichung dieser Hoffnungen.“133 Die PJ wurden nicht müde, die Einheit des liberalen Preußen zu beschwören. Sie erkannten bei allen konstitutionellen und demokratischen Politikern, Wählern und Medien die Überzeugung von der Notwendigkeit einer ruhigen, schrittweisen Entwicklung.134 Das bringe es aber mit sich, „dass manche alte Postulate der liberalen Partei schon deswegen vertagt werden müssen, weil es zur Zeit noch an den unerlässlichen Grundlagen zu einer ersprießlichen Verwirklichung derselben fehlt, ein Gemeingut größerer Kreise geworden zu sein“135. Ohne das Novemberprogramm des Prinzregenten Wilhelm ausführlich zu erläutern oder zu kommentieren, widmeten sich die PJ der Zusammensetzung des Ministeriums der Neuen Ära – und waren damit weitgehend zufrieden. Karl Neumann äußerte in seiner ersten Politischen Korrespondenz seine lebhafte Befriedigung über die Entlassung des Innenministers Ferdinand von Westphalen und die Demission des gesamten reaktionären Ministeriums.136 Außerdem stellte er die meisten Volk verlangt nichts mehr, als zu Anstrengungen aufgefordert, zu großen Aufgaben geführt zu werden.“ (Vgl. Haym, Leben Dunckers, S. 186 ff.). 133 Haym/Lette, Der alte und der neue preußische Landtag, in PJ II, 5 (1858), S. 555 ff., hier S. 558. Neumann erkannte (Politische Korrespondenz vom 10. Dezember 1858, in PJ II, 6 (1858), S. 690 ff.): die Durchsetzung liberaler Forderungen sei besonders schwierig, da die Verwaltung von Reaktionären durchsetzt sei. Auch die Berliner Volkszeitung (Nr. 259, 4. November 1858) hatte dies gefordert (vgl. Frölich, Volkszeitung, S. 222). 134 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Dezember 1858, S. 677. Ähnlich die Mittelrheinische Zeitung am 13. Oktober (GStA PK, I. HA, Rep. 75 G, Nr. 43, Pressestation Frankfurt a. M. – Pressespiegel zur Regentschaft). 135 Ebd., S. 678. 136 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. November, in PJ II, 5 (1858), S. 579 ff., hier S. 580. Rudolf Haym bekannte, wohl am 20. Oktober 1858, gegenüber Duncker (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 252/3) die „große Genugtuung, den Umschwung zu erleben und diesen Menschen nach zehn langen Jahren fallen zu sehen“. Die Beurteilung des Ministeriums Manteuffel war in den Medien unterschiedlich. Die Zeitung für Norddeutschland verhehlte nicht die Freude über den Abgang (GStA PK, I. HA, Rep. 75 G, Nr. 43, Pressestation Frankfurt a. M. – Pressespiegel zur Regentschaft). Die Neue Frankfurter Zeitung mahnte zu gerechter Beurteilung des abgetretenen Manteuffel, „der den Staat wenigstens vor noch weiterer Reaktion gerettet habe“ (Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 47). Die Kölnische Zeitung schrieb über Manteuffel: „Er war ein Ultra von Gesinnung, und wir zweifeln nicht an der Ehrlichkeit seiner Bestrebungen, wohl aber an der Rechtmäßigkeit seiner Mittel. Wie er es mit Verfassung, Recht, Gesetz und Wahrheit gehalten hat, darüber mag die Geschichte entscheiden.“ (In Buchheim, Kölnische Zeitung IV, S. 52.) Die NPZ bedauerte den Regierungswechsel, warnte vor revolutionären Grundsätzen im Novemberprogramm und beurteilte das neue Kabinett „mit mühsam gebändigter Abneigung“ (Bussiek, Kreuzzeitung, S. 158, vgl. auch
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Mitglieder des neuen Ministeriums als Männer moralischer Integrität, Offenheit und Loyalität zum Staat dar.137 Seine Hoffnungsträger standen den Altliberalen und der liberal-konservativen Wochenblattpartei nahe: Außenminister Alexander Freiherr von Schleinitz und Kriegsminister Eduard von Bonin stünden für eine aktive preußisch-deutsche Politik. Die vernünftige Entwicklung der preußischen Innenpolitik vorantreiben sollten der Minister ohne Portefeuille Rudolf von Auerswald, Finanzminister Erasmus Freiherr von Patow und Kultusminister Moritz August von Bethmann Hollweg. „Alle drei haben, wo es sich um Aufrechthaltung der Verfassung, um strenge Beobachtung des gesetzlichen Weges und um Einschränkung polizeilicher Willkür handelte, eng zusammen gehalten und entgegengesetzte Bestrebungen tapfer bekämpft; die Lauterkeit ihrer [sic!] Charakters bürgt uns dafür, daß die Grundsätze, für die sie während des parlamentarischen Kampfes einstanden, auch fernerhin den Leitstern ihrer Verwaltung bilden werden.“138 Auf die erneute Berufung von Handelsminister August von der Heydt, Justizminister Louis Simons und Innenminister Heinrich Eberhard von Flottwell139 blickte Karl Neumann „nicht ohne Besorgnis“140. Sie hätten erheblichen Anteil an der bisherigen reaktionären Politik, die ursprüngliche Idee eines liberalen Ministeriums sei dadurch „zu Boden gefallen“141. Dennoch war sich Neumann sicher: „Der Geist des neuen Ministeriums schien mit großer Bestimmtheit ausgesprochen zu sein; und man konnte nicht daran zweifeln, daß er etwaige heterogene Elemente sich assimiliren werde.“142 So hatten sich die Aussichten auf politische Mitbestimmung für die Altliberalen zwar stark verbessert. Doch Rudolf Haym, der sich von Max Duncker genau über die Börner, Krise der preußischen Monarchie, S. 55 ff.). Überraschenderweise begrüßte die sozialkonservative Berliner Revue das Ministerium „mit ehrlicher Sympathie […]. Die Zeit des Stagnierens sei nun endgültig vorbei und die Möglichkeit zu fruchtbarer politischer Entwicklung gegeben.“ (Hahn, Berliner Revue, S. 84 f.). 137 Vgl. Neumann, Polit. Korrespondenz vom 10. November 1858, S. 590 f. Ähnlich die Leipziger Zeitung am 12. November (GStA PK, I. HA, Rep. 75 G, Nr. 43, Pressestation Frankfurt a. M. – Pressespiegel Regentschaft). 138 Neumann, Polit. Korrespondenz vom 10. November 1858, S. 592. Vgl. auch Neumann, Polit. Korrespondenz vom 10. Dezember 1858, S. 685. Die Berliner Volkszeitung erkannte einen Systemwechsel. „Die Einmütigkeit zwischen dem Regenten und seinen berufenen Räten ist dem Volk eine gute Bürgschaft für kommende bessere Zeiten und in der tief konservativen Sehnsucht des Volkes nach dem ruhigen Genuss verfassungsmäßiger Rechte und Freiheiten ist seine freudige Erregung eine […] tiefberechtigte.“ (In Frölich, Volkszeitung, S. 218.) 139 Flottwell wurde im Juni 1859 vom altliberalen Maximilian Graf von Schwerin abgelöst. Dessen moralische Integrität und Ansehen betonte Haym, Graf Schwerin an seine Wähler, in PJ I, 6 (1858), S. 691 f. 140 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. November 1858, S. 593. 141 Ebd., S. 591. Weniger besorgt war Max Duncker (Brief an Haym vom 10. November 1858, in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 160 f.). Er sei sehr zufrieden mit der Zusammensetzung des neuen Ministeriums. Simons und von der Heydt „sind vollkommen unbedeutend und werden aus der Hand fressen“. 142 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. November 1858, S. 591.
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neuen Minister informieren ließ143 und dessen Argumenten und Ratschlägen weiter willig folgte, wusste auch um die Schwierigkeit der Situation: „[Ü]ber das, was er nicht will, womit gebrochen werden muß, ist sich allerdings der Prinz vollkommen klar gewesen: keineswegs über die positive Tragweite der Systemänderung. Wie sein Vater ist er in Angst vor seinem eignen Werke, und es bedarf daher von unsrer Seite […] der größten Energie, um den Prinzen fest- und Flottwell niederzuhalten, als andererseits der größten Mäßigung und Besonnenheit.“144 Schwierig war die Situation zu Beginn der Neuen Ära auch für die PJ selbst. Zwar hatte sich Duncker zufrieden über die Hefte vor Jahresende geäußert145, doch die Entstehung wichtiger Passagen bereitete dem Herausgeber Kopfschmerzen: Karl Neumann weigerte sich, die November-Korrespondenz um den Ausgang der Wahlen zu aktualisieren. Rudolf Haym hoffte, die Wirkung der PJ als Organ der Mehrheitsfraktion im Abgeordnetenhaus zu verstärken. So beklagte er sich bei Verleger Georg Reimer über den „dickköpfige[n] Eigensinn unseres Freundes […]. Andererseits ist sein Raisonnement vortrefflich, seine politische Mäßigung gerade jetzt sehr schätzbar, so daß ich ihn doch nicht verlieren möchte.“146 Einen Monat später folgte die nächste Beschlagnahmung aufgrund des Paragraphen 101 des Strafgesetzbuches: Neumann hatte Innenminister Flottwell kritisiert und behauptet, die Kreuzzeitung erhalte vertrauliche Informationen von Staatsministerium und Polizei.147 Rudolf Haym fragte fassungslos, „auf wen sich Flottwell eigentlich stützen will, wenn nicht auf die konstitutionelle Partei. Es scheint, wir
143 Vgl. Max Duncker an Haym am 10. November 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 160 f.). 144 Haym an Georg Waitz, Mitte November 1858 (ebd., S. 161 f.). Auch die Pfälzische Zeitung zweifelte, dass Wilhelm „dem Liberalismus weitgehende Zugeständnisse mache, daß er die Presse sich ungezügelt tummeln und den Parlamentarismus bis zu seinen letzten Konsequenzen sich entwickeln lasse. […D]er vollständige Wechsel des Ministeriums bedingt noch keineswegs einen vollständigen Wechsel des Systems.“ (GStA PK, I. HA Rep. 75 G, Nr. 43. Pressestation Frankfurt a. M. – Pressespiegel zur Regentschaft). 145 Vgl. Max Duncker an Haym am 10. November 1858 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV D 112). 146 Rudolf Haym an Reimer am 28. November 1858 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 147 Vgl. GStA PK I. HA Rep. 77, Tit. 652, Nr. 4 (Ministerium des Innern. II. Abteilung. Acta betr. Die Zeitschrift „Preußische Jahrbücher“, herausgegeben von R. Haym in Halle vom 13. Mai 1857 bis 1859): Mitteilung II 13810 vom 25. Dezember 1858. Auf den Handschriftlichen Vermerk „weshalb denn?“ reagierte Mitteilung II 18309 vom 26. Dezember 1858 von Polizeipräsident von Zedlitz an Innenminister Flottwell, in dem die Seiten 691, 694, 696 und 697 der Dezemberausgabe 1858 der PJ angegeben wurden. Die Beschlagnahmung wurde bekannt gegeben in Mitteilung No. II 212 (wohl vom 7. Januar 1859), mit Schreiben vom 12. Januar (II 661) wurde die Freigabe des Heftes nach Beschluss des Berliner königlichen Stadtgerichts angeordnet.
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sollen in allen Fragen der Kultur und der auswärtigen Politik liberal regiert werden, im Innern aber mit Skorpionen gezüchtigt werden.“148 Die Beschlagnahmung war schwer zu begreifen, da Neumanns Berichte stets rationale, kritische und glaubwürdige Bewertungen der aktuellen politischen Lage enthielten.149 Rudolf Haym lobte ihn noch in seiner Autobiographie für die ruhigen und sachlichen Darstellungen, die den PJ die nötige Reputation verschafft hätten.150 Tatsächlich waren Neumanns Korrespondenzen stets vermittelnd, nie auf den Konflikt zwischen Partei, Regierung und König aus und entsprachen ganz dem altliberalen Grundsatz: Nur nicht drängen.151 Beflügelt von der Möglichkeit wirklichen Einflusses auf die preußische Innenund Außenpolitik, aber skeptisch in Bezug auf die schnelle Durchsetzung der liberalen Forderungen erwarteten die PJ das erste volle Jahr einer gemäßigt liberalen Regierung in Preußen. Fürs erste schienen das Volk und die Akteure des politischen Liberalismus befriedigt. Doch 1859 sollte eine außenpolitische Krise mit sich bringen, die gleich die beschränkte Handlungsfähigkeit des Ministeriums der Neuen Ära aufdeckte.
III. Die Preußischen Jahrbücher, der Italienische Krieg und die Stagnation in der preußischen Außen- und Bundespolitik 1. Das politische Geschehen: der Krieg in Italien Der Krieg in Italien152 war bestimmt vom Drang der Eliten nach Freiheit von der österreichischen Herrschaft, geplant und angestiftet nach den Regeln der Diplomatie vom französischen Kaiser Napoleon III. und der liberalen Regierung von SardinienPiemont unter Ministerpräsident Cavour. Mit dem Geheimtreffen von Plombières im Juli 1858 begann die eine konspirative Politik, die mit einem geheimen Offensivbündnis gegen Österreich befestigt wurde. Cavour versprach, im Erfolgsfall Savoyen 148
Haym an Heinrich von Treitschke am 29. Dezember 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 172). Darin (ebd., S. 170) ebenso: „Wie man einen Artikel wie den in meinem Dezemberheft konfiskabel findet, so ist es bloß noch ein Würfelspiel, ob man konfisziert wird oder nicht. Ich glaube nicht, dass unter Westphalen die Beschlagnahme erfolgt wäre. Nie ist eine maßvollere und namentlich nie eine wohlmeinendere Kritik […] geübt worden.“ Ähnlich auch an Max Duncker am 7. Januar 1859 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 247 – 249). 149 Zugute kam ihm dabei die Freundschaft mit dem Unterstaatssekretär des Auswärtigen Justus von Gruner. 150 Vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 278 und Krohn, Haym, S. 112. 151 Vgl. auch Neumanns eigene Einschätzung in Westphal, Staatsauffassung, S. 74 und eine Charakterisierung Neumanns ebd., S. 104 f. 152 Vgl. grundlegend Baumgart, Europäisches Konzert, S. 352 ff.
III. Die Preußischen Jahrbücher und die Stagnation in der preußischen Politik
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an Frankreich abzutreten. Italien sollte künftig in einem vierteiligen Staatenbund nach Art des Deutschen Bundes organisiert werden. Als der Cousin Napoleons III. zu Jahresbeginn 1859 die sardische Königstochter Klothilde heiratete und ihr Vater Viktor Emanuel eine kriegerische Thronrede hielt, schien die offene Auseinandersetzung um Italien unabwendbar. Zwar war Österreich bereit, auf das russische Angebot eines Friedenskongresses einzugehen, wenn Sardinien erheblich abrüste. Doch England und auch Preußen hielten sich mit konkreten Stellungnahmen zurück. Schließlich hatte Prinzregent Wilhelm in seiner Thronrede zu Jahresbeginn die friedliche Natur Preußens und die Freundschaft mit den Mächten Europas betont. So begann Österreich um preußische Unterstützung zu werben, begleitet von Kriegseifer und lebhafter Agitation in großen Teilen Deutschlands zur Sicherung deutsch-österreichischer Rechte in Oberitalien. Davon beflügelt stellte die Donaumonarchie Sardinien überstürzt ein Ultimatum wegen revolutionärer Umtriebe und Verzögerungen bei den Abrüstungsvereinbarungen. Am 29. April 1859 folgte der Einmarsch Österreichs. Die Regierung bezweifelte nicht, dass der Deutsche Bund und England an ihrer Seite um die Aufrechterhaltung der Wiener Ordnung kämpfen würden, die das französisch-sardinische Offensivbündnis gebrochen hatte. Doch die potenziellen Partner sahen durch den Krieg das europäische System nicht gefährdet. Während Österreich mit Preußen um mögliche Bundeshilfen stritt, musste es in Italien herbe Niederlagen einstecken. Nach der Schlacht bei Magenta zog Napoleon III. in Mailand ein, am 24. Juni schlug er die Österreicher bei Solferino erneut. Zeitgleich verselbständigte sich die italienische Nationalbewegung. Im Großherzogtum Toskana, in den Herzogtümern Modena und Parma sowie in der dem Kirchenstaat eingegliederten Romagna kam es zu Aufständen. Freiwillige aus ganz Italien verstärkten die piemontesische Armee. Nachdem Kaiser Franz Josef noch in Solferino um einen Waffenstillstand gebeten hatte, war der ohne Wissen Cavours bereits vorbereitete Frieden von Villafranca schnell ausgehandelt. Unübersichtlicher als der Kriegsverlauf war die Diskussion um die Teilnahme des deutschen Bundesheeres. Diese wurde leidenschaftlich, vor allem in Zeitungen, Flugschriften und Briefwechseln, geführt und beschäftigte alle Parteien und Gruppierungen. Um den Schwerpunkt des Krieges möglichst weit vom österreichischen Stammland fernzuhalten, benötigte Österreich die gesamte deutsche Streitmacht von bis zu 1,5 Millionen Soldaten. Viele preußische und deutsche Konservative sowie ganz Süddeutschland traten für die bedingungslose Unterstützung des Bundesgenossen und dem in seiner weltlichen Herrschaft bedrohten Papst ein. Für sie und auch die Liberalen galt Napoleon als der Unruhestifter Europas. „Der mächtigste deutsche Bundesstaat ist durch die gerechtfertigste aller Kriegserklärungen an das revolutionäre Sardinien mit Frankreich in Krieg geraten, und der Kaiser der Franzosen erläßt ein Manifest, womit er nicht nur die bestehenden Verträge bricht, sondern auch mit beispielloser Frechheit die Nationalitäten zum Aufstand gegen ihre rechtmäßigen Re-
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gierungen aufruft. Österreich kämpft bereits für sein gutes Recht und für die Ehre der gesellschaftlichen Ordnung überhaupt.“153
Doch die preußische Regierung zögerte.154 Einerseits drohte ein europäischer Mehrfrontenkrieg, dem eine österreichische oder französische Hegemonie folgen konnte. Andererseits bot der Konflikt die Gelegenheit, die Stellung gegenüber Österreich im Deutschen Bund zu verbessern. Denn nach Artikel 46 der Wiener Schlussakte155 war Preußen nicht verpflichtet, mit dem Bundesheer in einen europäischen Krieg zu ziehen, und wollte Österreich im Vorgriff gute Bedingungen für eine Bundesreform abringen156. Als sich die militärische Schwäche Österreichs zeigte, begann ein neues Stadium deutschlandpolitischer Positionskämpfe, in dem es drei Standpunkte gab: antiösterreichisch, pro-österreichisch oder preußisch-taktierend. Jede Haltung hatte leidenschaftliche Verfechter, „aber keine […] ließ sich mit einer bestimmten Parteidoktrin identifizieren“157, weshalb das preußische Abgeordnetenhaus keine eindeutige Position bezog158. Prinzregent Wilhelm und Außenminister von Schleinitz hatten ihre Linie festgelegt: Sollte im Kriegsverlauf deutsches Bundesgebiet – Österreichs italienische Besitzungen gehörten nicht dazu – verletzt werden, sei der casus belli gegeben. Krieg führen wollte Wilhelm aber nur als Oberbefehlshaber der gesamten Bundesarmee. Um gegebenenfalls zur „bewaffneten Vermittlung“ über-
153 Großherzog Friedrich von Baden an den Prinzregenten Wilhelm am 9. Mai 1859 (in Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 149 ff., hier S. 149). 154 Die Sicht der preußischen Regierung detailliert bei Helfert, Liberalismus und Heeresreform, S. 53 ff. Vgl. auch [Aegidi], Villafranca, Börner, Krise der Monarchie, S. 66 ff. und Huber, Dokumente II, S. 20 ff. 155 Art. 46 im Wortlaut: „Beginnt ein Bundes-Staat, der zugleich außerhalb des BundesGebiets Besitzungen hat, in seiner Eigenschaft als Europäische Macht einen Krieg, so bleibt ein solcher, die Verhältnisse und Verpflichtungen des Bundes nicht berührender Krieg dem Bunde ganz fremd.“ Online unter http://www.documentarchiv.de/nzjh/wschlakte.html (Zugriff vom 22. April 2016). 156 Vgl. zu diesem Abschnitt Börner, Krise der Monarchie, S. 64 und Schwemmer, Reaktion und neue Ära, S. 62. 157 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 258. Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 75. Die Positionskämpfe zeigten sich in einer regen Publikationstätigkeit zum Thema. Einordnungen und Beispiele bei Huber, ebd., S. 258 ff.; Rosenberg, Publizistik, S. 31 f. und Scheffer, Preußische Publizistik, S. 58 ff. 158 „Die Einflussnahme einer parlamentarischen Versammlung auf die außenpolitische Entscheidungsfindung war in der Regel nicht vorgesehen […]“, betont Kraus, Parlament und auswärtige Politik, S. 121; auch in den PJ äußerte Neumann in seiner Korrespondenz, Kammerdebatten zu diesen Themen dienten lediglich dazu, die eigene Sicht „zur Schau zu stellen“ (PJ III, 2 (1859), S. 223). Nach preußischer Verfassung bestimmte der König die Außenpolitik. Doch da das Budgetrecht des Parlaments auch die Erhöhung des Militäretats in Krisenzeiten einschloss, sahen die Abgeordneten es als ihr Recht an, sich zum Italienkonflikt zu äußern, wie im Mai 1859.
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zugehen, ließ er die Bundesfestungen bewaffnen und die Hauptkontingente des Bundesheeres in Marschbereitschaft versetzen.159 In der deutschen Öffentlichkeit reichten die Meinungen derweil vom Volkskrieg mit Österreich bis zur Unterstützung der italienischen Freiheitsbewegung. Im Ministerium der Neuen Ära fanden Außen- und Kriegsminister keine gemeinsame Linie.160 Einig waren sich viele nur in einer Einschätzung: Österreich hemme in Deutschland und Italien die politische und nationale Entwicklung. Anti-österreichisch argumentierten dabei nicht nur kleindeutsche Liberale wie Constantin Rößler oder radikale Demokraten wie Arnold Ruge, Ludwig Bamberger und Ferdinand Lassalle, sondern auch Otto von Bismarck und der preußische Gesandte in Paris, Albert von Pourtalès. Letztere machten sich für eine Verständigung mit Frankreich stark, um auf Kosten Österreichs den Deutschen Bund neu zu gestalten. Wilhelm und von Schleinitz waren aber nicht bereit, Preußen als „Werkzeug französischer Politik“161 einzusetzen. Auf der Seite Österreichs standen Hochkonservative wie Stahl oder die Gebrüder Gerlach, Kriegsminister von Bonin, Generalstabschef Helmuth von Moltke und großdeutsche Katholiken (angeführt von den HPBl und der Augsburger Allgemeinen Zeitung). Selbst Heinrich von Gagern, Friedrich Engels162 und Karl Marx traten offen ins großdeutsche Lager über, weil sie Österreich als Schutzmacht für die deutsche Westgrenze gegen Frankreich ansahen. Für ein schnelles Eingreifen auf Seiten der Donaumonarchie sprachen sich auch die meisten preußischen Altliberalen aus, allerdings aus taktischen Erwägungen: sie wollten die Machtposition Österreichs in Europa erhalten und durch eine gleichzeitige preußische Machtdemonstration die Grundlage dafür schaffen, eine preußische Vorherrschaft in Deutschland auf dem Verhandlungsweg mit Österreich zu erreichen.163 Wie verworren die Situation war und wie unrealistisch so manche Hoffnung, zeigt dieser Brief Hermann Baumgartens:
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Vgl. Börner, Krise der Monarchie, S. 71 und Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 260. „Außenminister […] von Schleinitz kam mit seinem defensiven Konzept der ,bewaffneten Neutralität‘ nicht vom Fleck. Der den Altliberalen nahestehende Kriegsminister […] von Bonin setzte sich innerhalb des Staatsministeriums zwischen alle Stühle, da er für eine rasche Mobilmachung und gegebenenfalls sogar für eine militärische Intervention gegen Napoleon III. am Rhein plädierte.“ (Paetau, Regierende Altliberale, S. 176). 161 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 257. 162 In Po und Rhein vertrat Engels die Auffassung, die Theorie der natürlichen Grenzen sei nicht haltbar: „Soll Frankreich sich nicht um einer guten militärischen Position willen neun Millionen Wallonen, Niederländer und Deutsche einverleiben, so haben wir auch kein Recht, sechs Millionen Italiener um einer militärischen Stellung willen zu unterjochen.“ Mehr dazu in: Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 146 f. 163 Wie Baumgarten, Bennigsen, Beseler, Droysen, Duncker, Hansemann, Häusser, Sybel, Treitschke oder Waitz argumentierten vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 260 und entsprechend bei Rosenberg, Publizistik. 160
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„Wir können, soweit ich sehe, Österreich nicht allein lassen, noch weniger aber uns mit dem österreichischen System identifizieren. Wir müssen eine Stellung nehmen, die Aussicht hat, von England adoptiert zu werden, ohne uns wie England bei Seite zu halten, was uns bei den divergierenden Stimmungen im Süden und Norden auseinanderreißen würde. […] Es ist mir peinlich, in diesem ungeheuer wichtigen Moment die besten Männer ohne eingreifende Tätigkeit zu sehen! Eine große klare Politik könnte jetzt unsere besten Ideen realisieren, ohne Revolution, durch einen Nationalkrieg. Aber in Berlin fehlt dazu nicht der Wille, sondern die Fähigkeit. Man muß dort zu Hilfe kommen. Duncker wird viel tun. Aber das Volk bedarf eine zusammenhaltende, populäre Direktion, einen ernsten Aufruf zu großen Zwecken auf praktischen Wegen. Eine preußisch- oder deutsch-englische Allianz, die sich unabhängig von österreichischen Sünden hielte, aber gegen Frankreich-Rußland nicht weniger kräftig aufträte, Italien anzöge, die Franzosen neidisch machte, alle großen Ideen der Zeit für sich hätte – das, meine ich, wäre der rettende Gedanke. Vielleicht sollte auch Preußen heute ein Parlament berufen, nicht um Verfassungen zu machen, sondern um eine große Nationalerklärung über den Krieg, ein deutsches Manifest, zu erlassen.“164
Die Geduld der preußischen Liberalen wurde weiter strapaziert, als der Sondergesandte General von Willisen im Mai 1859 ohne Erfolg aus Wien zurückkehrte. Er hatte dort erneut um Konzessionen für den preußischen Kriegseintritt verhandelt, konnte aber die geforderte Mobilmachung des gesamten Bundesheeres unter geteilter Führung nicht akzeptieren. Auch die Österreich freundlich und Frankreich feindlich gesinnten Süddeutschen waren erbost ob des preußischen Taktierens. „[K]ein Mensch weiß, was Preußen will“165, schrieb Sybel an Duncker. Der Heidelberger Historiker Ludwig Häusser hielt sich nicht länger zurück: „Weder die Schleinitzschen Erklärungen, noch die unwürdige Haltung der preußischen Volksvertretung […] gibt mir eine Probe dieses Vorschreitens. Wohl aber sehe ich in allem, was dort geschehe, nur die Fortsetzung der alten Misere und Mattherzigkeit, die Dynastie, Parteiführer und Nation beherrscht, die alte Klugscheißerei, die vor 10 Jahren und vor 5 Jahren Preußen um kostbare Resultate gebracht hat. Wenn es dazu kommt, dass Ultramontane, bayrische Fanatiker, mediatisierte rotten boroughs des heiligen römischen Reiches die Dinge leiten und zum Unsinn treiben, so trägt Preußen daran die meiste Schuld.“166
Währenddessen verlor Österreich seine Schlachten, was ganz nach dem Geschmack des taktierenden preußischen Außenministers, weniger nach dem des um Österreich besorgten Prinzregenten war. Anfang Juli, als bereits die Geheimverhandlungen um den Frieden von Villafranca liefen, reiste der österreichische Fürst Windischgrätz nach Berlin und bot Preußen endlich die Übertragung des Oberbefehls über die Bundesarmee an. Sofort lief die Militärmaschinerie an und Preußen, das 164 Baumgarten an Gervinus am 28. April 1859 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 28 f.). In der Folge zerstritten sich beide, da sich Gervinus für eine unbedingte Neutralität aussprach. 165 Heinrich von Sybel an Max Duncker am 10. Juni 1859 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 137). 166 Häusser an Hermann Baumgarten am 14. Mai 1859 (in Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 153 f.). Ähnlich Karl Klüpfel an Duncker am 2. Juli 1859 (in Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 339 f.).
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„sein langerstrebtes Ziel endlich erreicht zu haben“167 schien, stellte die entsprechenden Anträge beim Deutschen Bund. Der überraschende Abschluss des Vorfriedens von Villafranca aber bereitete aller (Geheim-) Diplomatie ein Ende.168 Preußen hatte somit keinen Einfluss auf den Frieden von Zürich zwischen Frankreich und Österreich. Die Regierung hatte keines ihrer Ziele erreicht: Frankreich war nicht geschwächt, die Vormacht im Deutschen Bund nicht erreicht, man war außenpolitisch isoliert, stand selbst Österreich feindlich gegenüber und hatte im Bemühen um moralische Eroberungen in Deutschland einen peinlichen Rückschlag erlitten. Preußen galt – gerade in Süddeutschland – als Verräter der deutschen Sache. Außerdem hatte der Streit um die Kriegsbeteiligung Preußens auch den Deutschen Bund als Institution weiter geschwächt.169 So waren nicht nur die preußischen Altliberalen von der Außenpolitik der Regierung zutiefst enttäuscht und sahen sich von Feinden umkreist – auch der Prinzregent hatte diesen Sachverhalt erkannt.170 Im Juli 1859 gab er den geheimen Befehl, die preußische Rüstung im folgenden Winter zu verstärken. Das war eine erste reale Vorbereitung zur Heeresreform.
2. Die PJ und der Krieg in Italien Auch in den PJ rückte die Italienische Frage in den Mittelpunkt der Kommentierung und Berichterstattung. Die Zeitschrift spiegelte die erregte öffentliche Meinung wider, „Haym hauchte der Zeitschrift etwas von dem vibrierenden Leben des Augenblicks ein“171. In mehreren Beiträgen pro Ausgabe, der Form und der Interpretation nach verschieden172, berichteten die Korrespondenten über die neu167
Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 263. Vgl. Huber, Dokumente II, S. 26 f. Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 76. Mann, Deutsche Geschichte, S. 298, meint: „Napoleon fürchtete das Eingreifen Preußens, zumal der Prinzregent […] seine Armee am Rhein hatte mobilisieren lassen und von bewaffneter Vermittlung sprach. Franz Joseph fürchtete den Preis, den Preußen für seine Hilfe fordern würde.“ 169 Gewinner schuf der Frieden vom 10. November 1859 tatsächlich nicht: Österreich trat die Lombardei an Frankreich ab, die sie an Sardinien-Piemont weiterreichte. Dafür blieben Venetien und das oberitalienische Festungsviereck in den Händen Österreichs. Ein italienischer Bund konnte nicht entstehen. Cavour fühlte sich um den Sieg betrogen und trat vorübergehend von seinem Amt zurück. Frei von seinen Verpflichtungen konnte er aber solchen Einfluss ausüben, dass die Wiederherstellung der österreichischen Herrschaft in der Toskana, Parma und Modena nicht durchgesetzt wurde. 170 Vgl. Helfert, Liberalismus und Heeresreform, S. 66 und Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 105. 171 Westphal, Staatsauffassung, S. 113. Vgl. für den Absatz ebenso Wassmann, Österreich in den PJ, S. 17 f. 172 Das ausführliche Fazit der Berichterstattung für Wassmann, Österreich in den PJ, S. 29 f.: „Im Großen heben sich ab die Gruppen um Neumann und Reuchlin (Baumgarten) und um Bernhardi, Duncker und Treitschke. Zwischen ihnen vermittelnd und ordnende Kraft der 168
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esten Entwicklungen: Neumann aus Berlin, Baumgarten aus München, Pauli aus London, Springer aus und über Österreich und dazu Reuchlin über die Stimmung in Italien selbst. In der Märzausgabe erschien aus der Feder Hugo Hälschners Ein Krieg gegen Frankreich, seine Voraussetzungen und Zwecke. Dieser Essay blieb die Grundlage für die Politik der PJ in den ersten Monaten des Jahres 1859. Bei der Suche nach dem Hauptmotiv für einen möglichen Krieg wurde Napoleon III. als entscheidende Person ausgemacht. Die Frage nach Krieg oder Frieden könne nur der von innenpolitischen und dynastischen Motiven getriebene173 französische Kaiser beantworten. „Noch scheint Europa im Wesentlichen dasselbe zu sein, das der Wiener Kongress geschaffen hat. Aber schon jetzt ist das europäische Staatensystem halb aus seinen Angeln gehoben, und in einem Augenblicke, dessen Eintritt sich jeder festen Berechnung entzieht, kann von Paris aus der Ruf erschallen, der es in heillose Verwirrung stürzt.“174 Die PJ befürchteten einen europäischen Krieg und schlossen dabei weder den französischen Vorstoß an den Rhein noch eine französisch-sardisch-russische Allianz aus. Daher müsse sich Preußen als Schild des vereinten Deutschland positionieren: an Österreichs Seite gegen Frankreich, gestützt auf die enge Verbindung mit England. Dass Preußen nicht in den Krieg eingreife, hielt man noch im Mai 1859 für „das Unwahrscheinlichste […]. Nicht ob, sondern wann wir ihn aufnehmen wollen, das allein ist die Frage.“175 Hälschner betonte aber, dass die militärische UnterAussage: Rudolf Haym. Ihm ähnlich in der politischen Haltung Hälschner. In der ersten Gruppe der mehr gesamtdeutsch-europäische Horizont, der volle moralische Ton, die ideologische Konstruktion. In der zweiten der preußisch-national kraftvollere, taktisch und militärisch versiertere Liberalismus. Dort das Eintreten gegen Frankreich und für Österreich, europäisches Gleichgewicht, Freiheit und Ehre. Hier das Eingreifen gegen Frankreich und Österreich um des zu schaffenden Deutschland willen. Und doch im Letzten sie alle gebunden an […] freigewählte Verhältnis zu England und Österreich – und somit gegen Villafranca unterlegen, aber auch, durch Villafranca, befreit aus einem eigengeschaffenen Dilemma, wie es 1871 H. Homberger erkannte, als er schrieb, zum Glück habe Österreich diesen Frieden geschlossen, als ,die Besorgnis von Frankreichs Übermacht die Männer der liberalen Ära irrezuführen drohte‘. Oder wie Marcks es […] ausdrückt: ,Da zogen die beiden Kaiser selbst den Karren Preußens aus der Sackgasse heraus.‘ Was hier geurteilt wird, gilt ohne Einschränkung auch die Politik der Jb. in der italienischen Krise von 1858/59.“ 173 Vgl. Hälschner, Ein Krieg gegen Frankreich, seine Voraussetzungen und Zwecke, in PJ III, 3 (1859), S. 300 ff., hier S. 301. Vgl. auch [unbekannt], Aus Berlin, in PJ III, 3 (1859), S. 352 ff., hier S. 353; Duncker, Die neuere Geschichte Frankreichs, in PJ III, 3 (1859), S. 288 ff.; Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ III, 4 (1859), S. 460 ff.; Pauli, Aus London, in PJ III, 4 (1859), S. 478 ff., hier S. 482 und von Bernhardi, Frankreich, Österreich und der Krieg in Italien, in PJ IV, 2 und 3 (1859). 174 Hälschner, ebd., S. 302. Vgl. auch Neumanns Politische Korrespondenzen in PJ III, 2 bis 4 (1859). 175 Vgl. Pauli, Aus London, in PJ III, 3 (1859), S. 355 ff., hier S. 361; Hälschner, ebd., S. 314 ff. und Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ III, 5 (1859), S. 583 ff., hier S. 585 ff. Noch in der Korrespondenz von April hatte Neumann den Krieg als letztes Mittel bezeichnet. Nach Kriegsausbruch schwenkte er aber auf die Linie Dunckers und Bernhardis ein, wonach Österreich im Krieg zu unterstützen sei.
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stützung durch Preußen nur Österreichs vertragsmäßig garantierte Stellung in Italien betreffe, nicht seine militärischen Besetzungen. Außerdem forderte er die Führung Preußens im Heer des Deutschen Bundes.176 Gegen diese Politik aber herrschte im Frühjahr 1859 in Süddeutschland ein „Sturm des Unwillen[s]“, wie Hermann Baumgarten berichtete.177 Österreich verhandle daher energisch und geschickt mit den deutschen Mittelstaaten über eine Allianz. Das wertete wiederum Neumann als erneutes Zeichen dafür, dass die Donaumonarchie Preußen über den Deutschen Bund bevormunden wolle.178 Gegen Österreich und das übrige Deutschland zu ziehen hielten die PJ für unmöglich. Preußen wisse, „daß es damit die Basis seiner Stellung in Deutschland untergraben würde“179. Im Sinne der moralischen Eroberungen sprachen die PJ den Mittelstaaten eine Besitzgarantie aus. Andererseits sympathisierten alle Autoren, die sich in den PJ zu Italien äußerten, mit der dortigen Nationalbewegung und sahen sie als Vorbild für Deutschland; denn an einem von Österreich und Frankreich unabhängigen Italien führe kein Weg vorbei.180 Das österreichische System der Rechtsverletzung wurde regelmäßig kritisiert181, ebenso dessen innere Verhältnisse als 176 Vgl. Hälschner, Krieg gegen Frankreich, S. 310 und S. 322. Gänzlich anders argumentierte Heinrich von Treitschke im Brief an Rudolf Haym vom 30. Mai 1859 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 27): „[U]nter Brüdern darf niemand herrschen – also kein preußischer Oberbefehl!“ Genauso unsinnig sei eine preußische Neutralität: „Mit dem Schwert in der Scheide hat noch nie ein Staat seine Macht behauptet; wir müssen entweder Österreichs Vernichtung verhindern und sein Retter werden oder verhindern, daß das siegreiche Österreich die Tage von Bregenz erneuert. Beides erreichen wir – so paradox es klingt – nur wenn wir Österreich nicht allein lassen.“ 177 Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ III, 4 (1859), S. 483 ff., hier S. 483. Auch Karl Biedermann wies am 26./28. Juni 1859 darauf hin, dass Hälschners Aufsatz unter süddeutschen Liberalen, „selbst bei den Gemäßigten“, heftigen Widerspruch ausgelöst habe (in Jansen, Politische Briefe, S. 534). 178 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ III, 3 (1859), S. 342 ff., hier S. 344. 179 Hälschner, Krieg gegen Frankreich, S. 323. 180 Vgl. ebd., S. 311 ff. Damit zusammenhängende territoriale Fragen wurden allerdings kaum angesprochen. Hälschner sprach sich zumindest für einen Italienischen Bund aus und dafür, die Grenze Österreichs auf einer Linie Gardasee – Po – Mincio (also inklusive der Festungsstädte Verona und Mantua) zu ziehen. Besonders durchschlagende Wirkung hatte ein Artikel in der Vossischen Zeitung vom 16. Juni 1859 (Nr. 137/1859), in dem die begangenen politischen Sünden Österreichs aufgezählt wurden und die rhetorische Frage gestellt: „Wie in aller Welt sollte es Preußen einfallen können, für dieses Österreich unter Anspannung aller seiner Mittel und Kräfte einen Krieg zu beginnen?“ (Vgl. Buchholtz, Vossische Zeitung, S. 155.) Eine der wenigen Zeitungen, die sich nicht auf die Seite der „leichtsinnigen und unwissenden“ Italiener stellte, war die (Augsburger) Allgemeine Zeitung. Sie sprach den Italienern die Befähigung zu eigenstaatlichem Leben ab, eigentlich müsste das deutsche Volk sie erobern und weiter entwickeln (vgl. Gebhardt, AAZ, S. 24). 181 Vgl. Baumgarten, Spanien unter den Habsburgern, in PJ III, 1 (1859), S. 58 ff.; Reuchlin, Farini zur Lage und Stimmung Italiens, in PJ III, 3 (1859), S. 361 ff.; Reuchlin, Zur italienischen Politik Österreichs, in PJ III, 4 (1859), S. 489 ff.; Herrmann, Polens Untergang und die östlichen Großmächte, in PJ III, 6 bis PJ IV, 3 (1859).
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inkompetent geführtes „Länderkonglomerat“ ohne „politisches Gesamtbewusstsein“ inmitten einer außenpolitischen und finanziellen Krise182. „Der von der Regierung eingeschlagene Weg ist falsch, ist ohne Ausgang. Ihrer Politik ist es nicht gelungen, die inneren Gegensätze zu versöhnen, die Machtquellen des Staates zu erhalten, seine Entwicklung zu sichern, seinem Bestande eine organische Form zu geben.“183 / „Das System Oesterreichs […] wird nur dann aufhören in Italien Reform und Selbstständigkeit niederzudrücken, wenn Oesterreich selbst den Weg der Reform wieder energisch betritt und seinen Bürgern ein gesundes Maß Selbstständigkeit verbürgt.“184
Preußen könnte die falsch gearteten Interessen Österreichs nicht vertreten – und müsse dennoch an dessen Seite der europäischen Gefahr entgegentreten, zumal die Donaumonarchie die Kaisertradition am Leben halte und der einzig verlässliche Partner gegen die Zange Frankreich-Russland sei. „Wir stehen für einen deutschen Bundesstaat, dessen vollständige Niederwerfung zu verhindern wir durch feierliche Verträge verpflichtet sind. Wir können nicht abwarten, bis seine Kraft zertrümmert ist; wir müssen die äußerste Gefahr von ihm fernzuhalten suchen oder, wenn dieses nicht gelingt, ihm helfen, so lange er noch ungebrochen dasteht. Wir treten ein für unsere Pflicht. […] Es ist das Recht und die Ehre Oesterreichs, den ersten Waffengang für seine italienischen Besitzungen zu tun […].“185 Ohne das europäische Gleichgewichtssystem anzutasten, müsse der Krieg über den Status quo hinaus führen. Die PJ forderten das Ende der österreichischen Suprematie in Italien, wollten sie aber nicht durch eine französische ersetzen. Auch ein italienischer Einheitsstaat kam für sie nicht in Frage. Preußen solle deutsche Interessen vertreten und militärische Stärke zeigen, zugleich bei der Reform des Deutschen Bundes vorangehen, dort die Vorherrschaft erringen und dabei die Mittel-
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Vgl. Springer, Österreich in den Jahren 1848 bis 1858, in PJ III, 6 (1859), S. 617 ff., hier S. 619. 183 Ebd., S. 651. 184 Reuchlin, Zur italienischen Politik Österreichs, in PJ III, 4 (1859), S. 489 ff., hier S. 491. Die Volkszeitung warnte vor einer Unterstützung Österreichs (Nr. 142, 22. Juni 1859), da diese „trotz aller guten Vorsätze und liberalen Vorbehalte doch in schließlicher Konsequenz darauf hinaus[läuft], das österreichische System unterstützen zu müssen.“ Vgl. dazu Frölich, Volkszeitung, S. 123. Ebenso blieb die Kölnische Zeitung während des gesamten Konfliktes gegenüber Österreich kritisch eingestellt und setzte auf Friedensvermittlung durch Preußen und England (Leitartikel 48/1859, vgl. zu allem Buchheim, Kölnische Zeitung, S. 87 ff.). 185 Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ III, 6 (1859), S. 717 ff., hier S. 733. Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ III, 3 (1859), S. 345 f. und Springer, Österreich 1848 bis 1858, S. 618. Max Duncker warnte in einem Brief an Wilhelm Ludwig Holland am 22. Juni 1859 (in Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 338): „Der Haß, die Abneigung gegen Österreich ist ungemein groß, Olmütz unvergessen, und niemand will einen Krieg für Österreich, für die reaktionäre, despotische Wirtschaft Österreichs in Italien. […] Entschließt sich der Bundestag nicht, durch einen einzigen Beschluß die militärische Leitung Preußen zu übergeben, so ist jeder Schritt vorwärts von den größten Hindernissen umgeben.“ Ähnlich an Ludwig Häusser am 20. Mai 1859 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 37).
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staaten nicht verstimmen. Erst wenn die Weichen in diese Richtung gestellt seien, könne in den Krieg eingegriffen werden.186 Diese Kriegsziele waren kaum zu realisieren – und erklären das Zögern der preußischen Regierung und der PJ inklusive des Übergangs zum Konzept der bewaffneten Vermittlung.187 Dieses „beruht auf der Überzeugung, daß den kollidierenden Ansprüchen Hüben und Drüben ein gewisses Maß der Berechtigung innewohne, und daß es möglich und nützlich sei, das Berechtigte von dem Unberechtigten auszuscheiden und jenem zur Geltung zu verhelfen“188. Die abwägende Kommentierung189 bei gleichzeitigem Ausschließen eines gesamtdeutschen Krieges gegen Frankreich hielt Max Duncker für einen publizistischen Fehlgriff190. Die Kritik „hat mich nicht überrascht. Sie geht von dem Gesichtspunkt aus, daß die Jahrbücher im Namen und für die preußische Regierung Politik machen sollen“, antwortete Rudolf Haym und gestand den PJ eine eigene Position zu: „Weder die Regierung noch die Abgeordneten kümmern sich, in Sachen auswärtiger Politik, darum, was in die Welt geschickt wird. Ich habe daher dasjenige veröffentlicht, was mir das Wichtigste schien.“191 Die Auseinandersetzung zwischen den eng Vertrauten hätte vermieden werden können. Schließlich kannte Haym Dunckers Sichtweise, auch wenn er sich zu Jahresbeginn erneut darüber beklagt hatte, wie sehr ihm Dunckers politischer Rat fehle, und ergänzte: „Preußens Schweigen in der Kriegs- und Friedensfrage dekontenanciert mich völlig, und die Forderung auswärtiger Blätter, daß die Kammer schon ihrer Würde wegen darüber mitsprechen müsse, scheint mir nicht ungerechtfertigt. Ich begreife, daß man nicht sofort marschieren läßt und daß man, da man 186 Vgl. Hälschner, Krieg gegen Frankreich, in PJ III, 3 (1859), S. 319. Damit bewegten sich die PJ auf einer Linie mit der Nationalzeitung, die mit einer „militant antihabsburgischen Tendenz“ (Kahl, Nationalzeitung, S. 182) zum Sprachrohr derer wurde, die aus Österreichs Lage eine deutsche Politik Preußens aktivieren wollen. 187 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ III, 5 (1859), S. 583 ff., hier S. 591. Neumann verwies auf die Sicht der Regierung, wonach der Kriegseintritt schon der wirtschaftlichen Folgen wegen das letzte Mittel sei. Die Spenersche Zeitung vertrat am 8. Mai 1859 dieselben Ziele, kam aber zu einer anderen Konsequenz: Preußen müsse für die Sicherheit Deutschlands einstehen und das europäische Gleichgewicht wahren. Eine Neutralität hätte nur gesteigerten Übermut Napoleons zur Folge (vgl. Widdecke, Spenersche Zeitung, S. 305 f.). 188 Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ III, 6 (1859), S. 723. Vgl. Mai-Korrespondenz (ebd., S. 587). 189 Mittelstaedt, Krieg von 1859, S. 46 ff., schreibt über die Haltung der PJ, sie hätten „warm und beredsam“ die zurückhaltende Politik der Regierung verteidigt, „nicht immer aus vollster Überzeugung, gewinnt man den Eindruck; besonders im April entfährt ihnen manchmal ein Seufzer über die unerschütterliche Schweigsamkeit. Aber man wollte wohl der Regierung Freunde erhalten und Freunde gewinnen zu einer Zeit, wo sie scharfen Angriffen in nächster Nähe ausgesetzt war.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Mittelstaedt die PJ zu den „kleindeutschen“, nicht zu den „preußischen“ Organen, wie z. B. die Grenzboten, zählt (ebd., S. 54). 190 Vgl. Duncker an Baumgarten am 14. April 1859 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 98). 191 Haym an Duncker am 23. April 1859 (ebd., S. 98, Anm. 1).
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es mit Österreich zu tun hat, vorsichtig zu Werke gehen muß, allein die italienische Krisis droht nicht erst seit gestern […] und man hätte zu Präliminarien hinreichend Zeit gehabt.“192 Duncker hatte daraufhin unter der Prämisse „Wenn man den Zweck will, muss man die Mittel wollen“ den Plan entworfen, in einem möglichen Krieg Österreich von Anfang an beizustehen und den Krieg auch zum Schlag gegen das Elsass zu nutzen – das alles in enger Absprache mit England und unter Neutralisierung Russlands.193 Nicht leichter wurde die Situation nach den Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses Mitte Mai, in denen dessen Mitglieder keine gemeinsame Linie fanden. Die Geduld der süddeutschen Preußenfreunde war spätestens zu diesem Zeitpunkt über Gebühr strapaziert, und diese Ungeduld vermittelten sie auch in Richtung der PJ: „Ihr bedürft, scheint mir, dringend eines positiven Prinzips, mit dem Ihr Euch eines Teils der hiesigen öffentlichen Meinung bemeistert“, schrieb Sybel aus München.194 Aus der bayerischen Hauptstadt warnte auch Bluntschli: „[B]ei jedem weiteren Schritt ist es von höchster Wichtigkeit, daß ganz Deutschland immer wieder erfährt, was Preußen will und nicht will. Denn das Schweigen Preußens wird durch das Reden der österreichischen instruierten Presse fort und fort aus dem Feld geschlagen und das einmal vorhandene Misstrauen gegen Preußen angefacht.“195 192
Haym an Duncker am 12. Februar 1859 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 172 f.). Ähnlich Hermann Baumgarten an Duncker, der am 2. April 1859 aus einem Brief Hayms zitiert (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 90 f.): „Das Ministerium lebt von Tag zu Tag – man hat absolut keinen Plan. Hier fehlt überall unser Duncker, der die Leute in der Kammer aus ihrer Lethargie wecken, und der oben größere Gedanken anregen würde.“ 193 Vgl. Duncker an Haym am 17. Februar 1859 (in Rosenberg, ebd., S. 173 f.); ebenso an Baumgarten am 13. März 1859 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 87) und nochmals an Haym am 22. Juni 1859 (in Rosenberg, ebd., S. 187). Zwar hatte Duncker im Frühjahr 1859 bereits die Anstellung als Leiter der Zentralstelle für Presseangelegenheiten in Aussicht (Bernhardi, Tagebücher III, S. 209, mit genaueren Informationen) und war auch von Tübingen aus enorm einflussreich. Doch Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 329, fügt einschränkend und korrekt hinzu: „Dunckers Bestreben, das Berliner Ministerium durch den süddeutschen Druck zum Kriege zu treiben und die Süddeutschen gleichzeitig für den preußischen Oberbefehl in diesem Kriege zu gewinnen, war eine Politik auf eigene Faust.“ Auch die Münchner Neuesten Nachrichten hatten bereits vor Ausbruch des Krieges einen Freiheitskrieg um Elsass-Lothringen gegen Frankreich gefordert (vgl. Rau, MNN, S. 61 ff.). Vgl. ebenfalls das Programm Theodor von Bernhardis (Tagebücher III, S. 218 f.) für den preußischen Bundestagsgesandten Graf von Usedom mit weitgehenden militär- und nationalpolitischen Forderungen. 194 Heinrich von Sybel an Duncker am 16. Mai 1859 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 107 ff.). 195 Johann Kaspar Bluntschli an Haym am 5. Juni 1859 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 183). Haym schrieb in diesem Zusammenhang an Georg Waitz am 21. Mai 1859 (ebd., S. 179 ff.), die Regierung habe sicherlich ein „Programm in Beziehung auf den Moment des Eingreifens und ganz bestimmte Ziele der Aktion“. Waitz schien eine äußerst kritische Korrespondenz für die PJ verfasst zu haben, die Haym mit folgender Begründung nicht veröffentlichte: „In Preußen wenigstens darf niemand sich dazu herbeilassen, das Vertrauen auf die Regierung, entschlossen und verständig wie sie ist, hinwegzuskeptisieren – unsre Presse muß und wird, noch entschiedner als die Landesvertretung, den vollbegründeten Glauben an den Tag legen, daß Preußen in der Tat und durch und durch auf der Seite Deutschlands und des na-
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Trotz anfänglicher Freude über die preußische Mobilmachung blieb also die Unsicherheit über den wahren Kurs der Regierung groß. Neumanns Korrespondenzen wirkten wie hilflose Rechtfertigungen eines treuen Zöglings.196 „Warum muß man es aller Welt so schwer machen, Sinn und Ziel der preußischen Politik zu begreifen?“, fragte Hermann Baumgarten. Nur durch „klares, offenes Darlegen der leitenden Idee“ könne Preußen die öffentliche Meinung für sich gewinnen und seine Aufgaben zur Sicherung Deutschlands erfüllen.197 Verzweifelt klang der PJ-Herausgeber: „Ein positives Pathos für die Politik der Regierung […] kann sich in der Stille der diplomatischen Geheimtuerei und der abwartenden und resignierenden Loyalität andrerseits unmöglich entwickeln. […I]n tiefer Niedergeschlagenheit […] stehe ich den Jahrbüchern gegenüber, mit denen ich so gern nützen und helfen möchte.“198 Das Kriegsende schließlich bedeutete für die PJ das Ende nationalen Bestrebungen – ein „kostbarer Moment zur Einigung Deutschlands ist verloren“199, Italien sei „zerrütteter denn je“200 – und eine erneute Abkühlung im Verhältnis zum Bundesgenossen. „Jetzt stehen uns Oesterreich und Frankreich feindselig gegenüber“201, bemerkte Neumann und stellte die Regierung der Donaumonarchie als eine illoyale dar. Als „Vasall Oesterreichs sollte Preußen in den Kampf eintreten, für Zwecke und Ziele, die […es] entschieden mißbilligen musste“202. Obwohl Österreich den tionalen Interesses steht, und daß dies um so gewisser der Fall ist, je weniger es sich spezifisch österreichische Interessen als deutsche ohne weiteres unterschieben lässt.“ Ähnlich auch an Heinrich von Treitschke am 2. Juni 1859 (ebd., S. 181 f.). 196 Vgl. Cranston, PJ, S. 20. 197 Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ III, 6 (1859), S. 736 ff., hier S. 737. 198 Haym an Max Duncker am 20. Juni 1859 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 186). Darüber hinaus: „Allein verbunden ist damit natürlich eine große Passivität, und da ist die Frage, ob dies gut ist, ob nicht selbst ein Stück Opposition besser ist, sofern es wenigstens die Geister lebendig erhält. Die öffentliche Meinung, dünkt mich, müßte unter allen Umständen einen größeren Spielraum haben, sich zu äußern. In dieser Passivität gären im Stillen die verkehrtesten Ansichten auf.“ 199 Haym, Das deutsche Interesse in der italienischen Frage, in PJ IV, 1 (1859), S. 106 ff., hier S. 110. Karl Klüpfel schrieb Duncker am 30. Juli 1859 (in Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 342 f.), er könne nicht in Abrede stellen, dass „ein günstiger Augenblick zur deutschen Reform, ein Schritt zur Hegemonie Preußens, eben wieder versäumt worden ist […]. Eine ersprießliche Änderung unserer deutschen Verfassung kann ich mir nur denken, wenn infolge gewaltiger Ereignisse der Bund in Trümmer geht, durch einen Krieg oder eine Revolution.“ 200 Neumann, Politische Korrespondenz vom 18. Juli, in PJ IV, 1 (1859), S. 71 ff., hier S. 84. 201 Ebd., S. 88. Einen Kriegszug gegen Österreich, den Wilhelm Beseler für die Konstituierung Deutschlands ohne die Donaumonarchie forderte, lehnten die PJ aber ab. Vgl. Haym, Wilhelm Beseler: Das deutsche Verfassungswerk nach dem Kriege, in PJ IV, 3 (1859), S. 340 ff. 202 Ebd., S. 77. Weiter führt er aus, wie Preußen konsequent auf seinem Vermittlungs- und später Kriegskurs an der Seite Österreichs gestanden habe. „[I]n diesem Moment befiehlt der Kaiser von Oesterreich, den preußischen Antrag beim Bunde hinsichtlich der Oberleitung durch
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Deutschen Bund durch seine Sologänge in außenpolitische Isolation getrieben und die Vermittlung verzögert habe, sei man ein treuer, kritischer Partner gewesen. Nun sei Preußen dem Spott der Staaten ausgesetzt, die sich blind in die Arme Österreichs geworfen hätten – nur weil es selbstständig handeln und die Interessen Deutschlands wahren wollte.203 „Was ist aus ihnen geworden, und was haben sie aus Preußen gemacht, jene Staatsmänner, die seit Jahren Preußens Ehre und Ruhm auf ihrer Zungenspitze balancieren? […] Wo sind die hochtrabenden Verheißungen, mit denen sie die ,neue Ära‘ begonnen?“, hatte die Kreuzzeitung nach Villafranca triumphierend gefragt.204 „Wer trägt die Schuld? Durch die ganze Weltgeschichte erschallt die Antwort: Preußen! Preußen!“ stand in den HPBl.205 „Die Dinge sind gegangen, wie seit 60 Jahren zwischen Österreich und Preußen“, urteilte Max Duncker. „Dort rücksichtslose Perfidie, hier langsames Zögern bei dem besten Willen. Indes war das Wagnis groß, die Stimmung des Volkes in Preußen lud gerade nicht zum Wagen ein, und denen, welche sich dem Eintreten widersetzten, weil Österreich, sowie dasselbe geschehen, einen Separatfrieden machen werde, haben die Ereignisse recht gegeben.“206 Dabei hätte er allen Grund gehabt, mit der eigenen Regierung abzurechnen: Duncker war seit kurzem Leiter der preußischen Zentralstelle für Presseangelegenheiten und hatte – in Absprache mit Ministerpräsident von Hohenzollern und Minister von Auerswald – in einem Artikel für die Preußische Zeitung die Ehrlichkeit der preußischen Absichten dargestellt. Das Außenministerium aber setzte einen Artikel durch, der Napoleon regelrecht Abbitte leistete. Zu viel für Duncker, dessen Rücktritt nur verhindert werden konnte, weil
einen Gegenantrag zu durchkreuzen, und wirft sich den Feinden in die Arme. Und dann schleudert er die Denunciation in die Welt, daß er von Preußen im Stich gelassen sei!“ Österreich stehe für „Niederwerfung der sardinischen Freiheit, Ausbreitung reactionärer Unterdrückung über die ganze italienische Halbinsel, Sieg des Pfaffenthums und der Dunkelmänner, und erschwerter und ertödtender Druck auf Deutschland in demselben Sinne“ (ebd., S. 79 f.). 203 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz vom 18. Juli 1859, S. 78 ff. 204 NPZ 162 vom 15. Juli 1859 (zitiert in Bussiek, Kreuzzeitung, S. 162). Weitere Ansichten der Konservativen und der Kreuzzeitung bei Kraus, Gerlach II, S. 705 ff. Mittelstaedt, Krieg von 1859, S. 101, wies auf ähnliche Töne im Schwäbischen Merkur, dem Stuttgarter Beobachter, dem Frankfurter Journal, der Frankfurter Postzeitung und der Augsburger Allgemeinen hin. 205 HPBl vom 24. August 1859 (in Mittelstaedt, ebd., S. 132). Edmund Jörg hatte bereits zuvor Kritik an der preußischen Politik der bewaffneten Vermittlung geäußert (vgl. ebd., S. 157). Für diese Vorwürfe erntete Jörg auch unter Mitstreitern Kritik, zum Beispiel von Ignaz Döllinger am 21. Juli 1859 (vgl. Jörg, Briefwechsel, S. 85 f.). Auch die Münchner Neuesten Nachrichten hatten eine ungünstige Meinung von Preußen. Man müsse mit „Ekel von dem perfiden Kretinismus der preußischen Diplomatie sich abwenden. […] Nie ist eine gerechtere und tüchtige Bewegung jämmerlicher verpfuscht worden, als die jüngste in Deutschland.“ (In Rau, MNN, S. 69). 206 Duncker an Hermann Reuchlin am 16. Juli 1859 (in Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 341). Vgl. Gustav Freytag an Moritz Busch und Carl Fetzer an Jakob Venedey am 20. Juli 1859 (in Jansen, Politische Briefe, S. 559 f.).
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man sich in der Regierung schnell darauf besann, die eigene Politik nicht zu verleugnen.207 Der Ton in den PJ – gerade bei der Besprechung von Broschüren und Zeitungsartikeln zum italienischen Konflikt – war eindeutig: die preußische Politik sei „hochsinnig, uneigennützig und in allen Hauptzügen correct“ gewesen, Österreich „schloß den Frieden, um Deutschland zu schaden, um die Zersplitterung und Ohnmacht […] aufrecht zu erhalten“208. Hayms wohlwollende Besprechung der Broschüre Preußen und der Friede von Villafranca von PJ-Autor Ludwig Aegidi schloss mit den Worten: „[Z]wischen der Politik der raschen, aber scrupellosen und frivolen Entschlüsse und der Politik der unbedingten Ehrenhaftigkeit kann keine Wahl sein.“209 Ähnlich hatte er bereits im März in der Rezension der Broschüre Preußen und die italienische Frage geurteilt und dabei einen möglichen Waffengang mit Frankreich gegen Österreich als abenteuerliche Konstruktion abgeurteilt.210 Den Krieg gegen Frankreich wieder aufzunehmen, um die nationale Einigung zu beschleunigen, lehnte Haym nach dem Friedensschluss von Villafranca ebenfalls ab.211 Wie üblich urteilten die PJ-Autoren deutlich und sachlich. Auch wenn mit zunehmender Dauer des Krieges der Ton der Korrespondenzen ungeduldiger, aufgewühlter und pathetischer wurde, bezog man das Dargelegte weiterhin auf offizielle Quellen.212 Das korrekte Verhalten legte man aber beiseite, sobald man sich zu Verteidigern Österreichs äußerte. Haym schimpfte über die Herbert Pernice zugeschriebene Broschüre Preußen, der Bund und der Frieden.213 Baumgarten empörte sich über die Augsburger Allgemeine Zeitung (AAZ)214, die in der bornierten Aufregung gegen Preußen215 vorangehe und mit Berserkerwut ins Kriegshorn216 blase. Dabei übersah er, dass die AAZ die Stimmung in ganz Deutschland wiedergab und nicht nur auf die österreichisch-großdeutsche Karte gesetzt hatte. Wie Gebhardt 207
Vgl. Haym, Leben Dunckers, S. 202 ff. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 1 (1859), S. 71 ff., hier S. 85 f. und S. 81. 209 Haym, Preußen und der Friede von Villafranca, in PJ IV, 1 (1859), S. 111 f., hier S. 112. 210 Vgl. Haym, Preußen und die italienische Frage, in PJ III, 3 (1859), S. 365 ff. 211 Vgl. Haym, Beseler: Das deutsche Interesse in der italienischen Frage, in PJ IV, 1 (1859), S. 106 ff. 212 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 2 (1859), S. 197 ff. Er wies darauf hin, dass alles bisher Dargelegte zum italienischen Krieg und den preußischen Motiven durch die Veröffentlichung von Aktenstücken durch die preußische Regierung bestätigt werde. Auch Wassmann, Österreich in den PJ, S. 18, bestätigt: „Hayms Broschürenkritik glättet die Wogen extremer Standpunkte.“ 213 Vgl. Haym, Zur Broschürenliteratur: Preußen, der Bund und der Frieden, in PJ IV, 2 (1859), S. 222 ff. 214 Mehr über deren Haltung im Italienischen Krieg bei Friedjung, Augsburger Allgemeine Zeitung, S. 491 f. Richter, Garibaldis Zug der Tausend, S. 38 f., weist zurecht auf die Rolle der AAZ als Meinungsforum hin. 215 Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ III, 4 (1859), S. 483 ff., hier S. 486. 216 Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ III, 5 (1859), S. 599 ff., hier S. 602 f. 208
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erklärt, erschien eine Flut „von Artikeln, die bestürmend und beschwörend Preußens Zurückhaltung zu durchbrechen versuchen“217. Weiterhin besprachen die PJ auch Sybels Die Fälschung der guten Sache durch die AAZ wohlwollend218 und lobten die Bayerische Wochenschrift219 als fördernswürdige Publikation, da sie die preußische Haltung korrekt wiedergebe. Nach dem Ende des Krieges war das Verhältnis Preußens zu seinen Nachbarn Österreich und Frankreich220 angespannt. Neumann forderte Wachsamkeit, die Verbesserung der Wehrkraft des Landes und die schnelle Schaffung einer preußisch geführten deutschen Flotte.221 Außerdem bemühte er sich, in seiner Berichterstattung das Verhältnis zu Russland zu normalisieren222 und beurteilte die Zusammenkunft Wilhelms mit Zar Alexander positiv. Er stellte die gemeinsamen Interessen und die Reformfreudigkeit beider Monarchien heraus und hegte die Hoffnung, eine französisch-russische Allianz könne verhindert werden.223
217 Gebhardt, AAZ, S. 21. Während des Krieges schrieben auch Ludwig Häusser und Wilhelm Lang in der AAZ – letzterer verwies auf die „moralischen Eroberungen“ Preußens, die in der Diskussion um den Krieg auch in den PJ kaum eine Rolle mehr spielten. 218 Haym/Baumgarten, Sybels „Die Fälschung der guten Sache durch die Augsburger Allgemeine Zeitung“, in PJ IV, 2 (1859), S. 227 f. Die Schrift enthülle, „mit welcher zugleich feinen und unverschämten Kunst die Redaction die Rolle durchgehalten, unter der Maske einer deutsch-nationalen eine specifisch österreichische, unter dem Scheine der Kritik und des Liberalismus eine reactionäre und retardirende Politik zu empfehlen. […] Die Zeit wird darum nicht weniger kommen, wo die Redaction fühlen wird, daß sie nicht ungestraft die Stimme des öffentlichen Gewissens überhören darf; sie wird sich früher oder später sagen, daß sie sich selbst jeden Boden unter den Füßen hinwegzieht, wenn sie fortfährt, allzu groß von der Geduld, allzu gering von dem moralischen und politischen Urtheil des Publicums zu denken.“ 219 Vgl. Haym, Bayerische Wochenschrift, in PJ III, 4 (1859), S. 500 f. und Mittelstaedt, Krieg von 1859, S. 107/167. 220 Die inneren Verhältnisse Frankreichs betrachteten die PJ kaum – ganz im Gegensatz zur Volkszeitung, die es sich mit zwei Artikelserien zur Aufgabe machte, die scheinbar uneigennützige Hilfe Frankreichs für die Freiheit anderer Nationen als puren Opportunismus zu entlarven (vgl. Frölich, Volkszeitung, S. 124). 221 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 1 (1859), S. 71 ff., hier S. 88 und Pauli, Preußen und das Meer, in PJ IV, 2 (1859), S. 163 ff. 222 Wegen der drohenden Konfrontation in Italien hatten die PJ in der ersten Jahreshälfte die Bauernbefreiung in Russland und die Rolle Russlands bei den polnischen Teilungen kritisch betrachtet. Vgl. Bernhardi, Leibeigenschaft und Freilassung der Bauern in Russland, in PJ III, 3 (1859), S. 247 ff. und Herrmann, Der Untergang Polens und die östlichen Großmächte, in PJ III, 6 (1859) sowie PJ IV, 2 und 3 (1859). 223 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 5 (1859), S. 545 ff., hier S. 545 f. Vgl. auch Krohn, Haym, S. 124 f. Westphal übertreibt seine Kritik (Staatsauffassung, S. 117, Anm. 1): „Bei Mittelstaedt […] verkennt das Resümee über die Preuß. Jahrb. (S. 41), diese empföhlen ,die Erhaltung freundlicher Beziehungen zu England, Frankreich und Russland (!)‘, die Grundansicht der Jahrbücher und des gemäßigten Liberalismus überhaupt von der europäischen Politik.“ Mittelstaedt, Krieg von 1859, S. 41, hat meines Erachtens Neumanns Korrespondenz richtig interpretiert: freundliche Beziehungen sind schließlich noch lange keine Allianz.
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Rudolf Haym äußerte sich gegenüber Max Duncker erleichtert, dass „die neuste Gestaltung der Dinge“ nun für klare Verhältnisse sorge und sprach bereits im Sommer 1859 aus, woran die liberale Öffentlichkeit noch nicht denken wollte: „Jetzt haben sich die Mächte zusammengefunden, die durch ihren Haß gegen uns und ihre uns feindlichen Interessen tatsächlich zusammengehören, und die Spitze unsrer Aktion wird sich gegen eben diejenigen Potenzen richten, gegen die sich die Antipathie unsres Volkes richtet. Möglich, daß dies ein letzter und furchtbarer Kampf um unsre Existenz wird – ein Kampf um Schlesien und um den Rhein, d. h. also um die Behauptung dessen, was wir durch Friedrich den Großen und […] durch die Befreiungskriege geworden.“224 Die Entwicklung in Italien betreffend nahm Neumann im Oktober 1859 Bezug auf eine Depesche des preußischen Außenministers von Schleinitz. Der hatte Reformen im von Österreich dominierten Norditalien gefordert, um Ruhe und Ordnung zu bewahren. Der Korrespondent forderte gar die Vereinigung Sardinien-Piemonts mit den Herzogtümern Toskana, Parma und Modena. Hielte man es weiter klein, so werde es sich an Frankreich halten. Wachse es, betreibe es aktive Interessenpolitik und wäre ein „höchst erwünschter Bundesgenoß“225. Die Situation in Österreich war für die PJ eindeutig: „Es zieht die feste Ueberzeugung durch unsre Herzen, daß die Regierung keinen leitenden Gedanken besitzt, unfähig ist zu irgend welcher positiven Schöpfung, nur fest im Schwanken, nur klar in der Rathlosigkeit, nur glücklich in dem Verderben und Auflösen des Bestehenden.“226 Der Bestand der Donaumonarchie könnte nur durch einen harten Reformkurs in der Verfassungs- und Finanzpolitik gesichert werden. Da man zwischenzeitlich in Süddeutschland die Schwäche Österreichs realisiert habe – und gleichzeitig von der Übermacht Napoleons bedroht sei – gestalte sich das Denken gegenüber Preußen wohlwollender, wenn auch Zweifel an Kontinuität und Energie der inneren Entwicklung bestünden.227
224
Haym an Max Duncker am 16. Juli 1859 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 188). Ähnlich Treitschke an Wilhelm Nokk am 9. Juli 1859 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 39). Das Preußische Wochenblatt sah Europa nach Villafranca „am Vorabend von Ereignissen schwerwiegender Bedeutung […], da keine der kriegführenden Mächte mit dem Resultat des Feldzugs zufrieden sein kann“ (in Mittelstaedt, Krieg von 1859, S. 165). 225 Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 4 (1859), S. 422 ff., hier S. 430. Geffcken, Eine Aufgabe für den Congreß, in PJ IV, 6 (1859), S. 612 ff. empfahl, Italien die Lösung der Nationalfrage selbst zu überlassen. 226 Springer, Aus Österreich, in PJ IV, 4 (1859), S. 445 ff., hier S. 446 f. 227 Vgl. Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ IV, 6 (1859), S. 665 ff., hier S. 666. Über die Urheberschaft des Artikels klärt ein Brief Baumgartens ans Verlagshaus Reimer vom 6. Dezember 1859 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Baumgarten) auf: „Herr Dr. Haym forderte mich von einigen Tagen auf, für das Januarheft der Preußischen Jahrbücher einen einleitenden Aufsatz, und für das Dezemberheft einige Bemerkungen über süddeutsche Verhältnisse zu schreiben. Ich sagte ihm beides zu […].“ Vgl. den Brief vom 17. Dezember (ebd.).
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3. Deutschlandpolitik: das Geschehen und die Interpretation der PJ Der Streit um die Kriegsbeteiligung in Italien hatte den Deutschen Bund als Institution geschwächt und eine neue Diskussion um die nationale Politik ausgelöst.228 Diese manifestierte sich in der Gründung des Nationalvereins, in dem viele Liberale und Demokraten in der Sorge um Deutschlands Sicherheit den Schulterschluss suchten.229 Im Eisenacher Programm vom 14. August 1859 betonten die Gründungsmitglieder des Vereins die Gefahr für die Unabhängigkeit eines nicht vereinten Vaterlandes, forderten eine Gesamtverfassung, das Ersetzen des Bundestags durch eine Zentralregierung, eine Nationalversammlung sowie die preußische Führung in Politik und Militär.230 Altliberale wie Duncker, Haym, Baumgarten oder Aegidi beteiligten sich nicht am Nationalverein, da sein „[g]eräuschvolle[r] Nationalismus“231 ihrer Politik des Nur-nicht-Drängens zuwider lief. „Da nun einstweilen niemand seine Erwartung auf eine nationale Revolution setzen konnte und auch niemand auf eine gewaltsame, kriegerische Lösung, spitzte sich die deutsche Frage zu auf die Frage nach der Reform des Deutschen Bundes […]. Deutsche Politik dieser Jahre, das ist ein Gewirr von Plänen, Aktionen und Gegenaktionen, Irritationen und Schwankungen.“232 So hatte der preußische Außenminister von Schwerin erklärt233, nur eine Umgestaltung der Bundesverfassung könne die Unabhängigkeit Deutschlands sichern. Ein gesamtdeutsches Parlament aber lehnte er ab und sprach sich stattdessen für eine gestärkte Wehrkraft unter preußischem Oberbefehl und eine verstärkte Zusammenarbeit im Zollverein aus.234 Somit blieb es zunächst Aufgabe der Mittelstaaten, Reformen des Bundes anzuregen. Die Würzburger Konferenz im November 1859 228
Emotional geschürt wurde die Diskussion durch die Feste zum 100. Geburtstag Friedrich von Schillers. Die Schillerfeste galten als „Kundgebung nationalen Geistes“ (Schwemmer, Reaktion und neue Ära, S. 66 f.). In den PJ stellte Haym, Schiller an seinem Jubiläum, in PJ IV, 5 und 6 (1859), die Feste als Symbole deutscher Einheit dar. Er wies aber darauf hin, dass Schiller moralische, keine politischen Güter transportiere. 229 Zum Nationalverein vgl. Na’Aman, Nationalverein. Zur Gründung ebenso Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 387 ff., Schwemmer, Reaktion und neue Ära, S. 67 f. und Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 104 f. 230 Im endgültigen Programm des Nationalvereins war die preußische Führung nicht mehr enthalten. 231 Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 189. 232 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 704 f. Auch Mommsen meint, die Idee der nationalen Einigung sei die „stärkste Waffe im Arsenal der deutschen liberalen Bewegung“ geblieben (Freiheit und Einheit, S. 26). 233 Als Antwort auf die Stettiner Adresse an den Prinzregenten Wilhelm (GStA Berlin, III. HA, Nr. 147, fol. 119 f.), die besagte: die deutsche Bundesverfassung bedürfe der Reform, um Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Nation zu sichern. Zur Begründung der deutschen Einheit sei die Schaffung einer starken Zentralgewalt erforderlich. Nur so könne Preußen als europäische Großmacht dem Bund ohne Gefahr weiter angehören. 234 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 3 (1859), S. 317 ff., hier S. 318 f.
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brachte zwar keine zählbaren Ergebnisse, doch hatten sich neun deutsche Staaten konstruktiv mit der Bundesreform befasst und erste Ideen einer Trias-Lösung diskutiert.235 In den PJ hatte der Italienische Krieg Preußens Deutschlandpolitik in den Hintergrund gedrängt.236 Nach dem diplomatischen Desaster machten sich die Autoren keine Illusionen um ein Fortschreiten der deutschen Einheit und sprachen der Politik jeglichen Willen dazu ab.237 „Jetzt nach dem Friedensschluß wird für die deutsche Sache nichts mehr zu machen sein; Österreich wird sich so steif als je gegen deutsche Bundesreformen stellen und ein Vorgehen Preußens in dieser Richtung als größte Gefahr betrachten und bekämpfen.“ / „Daß die deutschen Mittelstaaten nie auf dem Wege gütlicher Verhandlung dazu zu bringen sein werden, ihre Militärgewalt und ihre diplomatische Vertretung an Preußen zu überlassen, das steht mir fest. Und zwar sind es nicht die Fürsten allein, die widerstreben, sondern auch die Kammern. Sie stecken noch voll Partikularismus.“238
Als Beispiel für diese Blockadehaltung führten die PJ den Zollverein an. Dieser sei zu einem Debattierclub verkommen, in dem jede Initiative Preußens als Versuch zum Machtausbau angesehen werde – und nicht als ehrlich gemeinter Versuch einer moralischen Eroberung, bei der Preußen die Souveränität der Mitgliedstaaten achte.239 Friedrich Heinrich Geffcken macht detaillierte Vorschläge zu einer Strukturreform des Zollvereins240 und empfahl unter anderem eine Zentralbehörde mit gewählten preußischen Vorsitzenden, bayerischem Stellvertreter sowie Beisitzern aus Württemberg, Hannover und Sachsen. Ein Beitritt Österreichs wurde mit Verweis auf die schlechte wirtschaftliche und finanzielle Lage abgelehnt. Die Gründung des Nationalvereins ignorierten die PJ übrigens völlig – stellvertretend für die Einstellung der Altliberalen gilt der Satz Karl Klüpfels über das Eisenacher Programm: „Ich muß gestehen, ich kann noch kein praktisches Ziel in diesen Bestrebungen absehen.“241 235
Vgl. zum Absatz Müller, Deutscher Bund, S. 293 ff. So schrieb Neumann, die Innenpolitik sei bei der drängenden außenpolitischen Lage zu vernachlässigen und werde auch vernachlässigt (Politische Korrespondenz, in PJ III, 3 (1859), S. 342 ff., hier S. 342). 237 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 3 (1859), S. 317 ff., hier S. 323 ff. 238 Karl Klüpfel an Duncker am 30. Juli/23. September 1859 (in Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 342 ff.). 239 Vgl. Geffcken, Die Zukunft des Zollvereins, in PJ IV, 4 (1859), S. 397 ff. 240 Diese Reformen würden auch eine Finanzentlastung bedeuten, da der Verwaltungsaufwand sinke (vgl. ebd., S. 415). Vgl. ebenso Bercht, Konzeption der PJ, S. 62: „Durch den Aufbau und durch das Wirken einer von Preußen geleiteten Zentralbehörde, die ihre Kompetenz in einem sich über Jahre erstreckenden Einigungsprozess ständig erweitert, könne sich – so hoffte Geffcken – der preußische Einfluss auf ökonomischem Gebiet, der ohnehin von dem politischen Einfluss nicht zu trennen sei, ständig erweitern.“ Bercht wies auf einen ähnlichen Reformplan David Hansemanns hin, bezeichnete es aber als unrealistisch, Österreich bereits zu diesem Zeitpunkt völlig aus bundesdeutschen Überlegungen auszuschließen. 241 Karl Klüpfel an Duncker am 23. September 1859 (in Grube, ebd., S. 343 f.). 236
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C. Die Preußischen Jahrbücher in der Herausgeberschaft Rudolf Hayms
Die weiteren Forderungen der PJ zur deutschen Einheit blieben auf der Regierungslinie, boten keine neuen Sichtweisen und wurden halbherzig vorgetragen. So nutzte Neumann die Antwort des Grafen Schwerin auf die Stettiner Adresse als Blaupause für eine Korrespondenz: Eine gesamtdeutsche Volksvertretung sei zwar wünschenswert, man stimme aber mit der Regierung überein, die zunächst die wirtschaftliche Vernetzung, die gemeinsame Wehrkraft und das Rechtssystem der deutschen Staaten stärken wolle.242 Dieses Programm verdiene die Unterstützung der Nation. Außerdem forderten die PJ „authentische und ausführliche Kunde“ in der Presse und eine Veröffentlichung aller Bundestagsprotokolle. „Soll die Nation mitwirken, so muß sie vor allen Dingen wissen, was geschieht.“243 Aber es geschah nichts. Preußen schien sich die Chance auf moralische Eroberungen im Süden Deutschlands im Laufe des Jahres 1859 völlig verbaut zu haben. Gerade weil die „sittliche Wiedergeburt Preußens“244 der beste Weg zu Deutschlands Größe sei, gerade weil Preußen als liberaler Staat vorangehen müsse, gerade weil man sich gegen die reaktionären und das Recht verhöhnenden Systeme in Bayern245, Hannover und Kurhessen stellen müsse246, stieß die preußische Agonie den Süddeutschen sauer auf247. Dabei wären erhebliche Anstrengungen nötig, um die gemeinsamen deutschen Ziele zu proklamieren: die konstitutionelle Entwicklung, die gemeinsame Außenpolitik, die Angleichung und Durchsetzung des Rechts. „Statt dessen ist zur Vertretung des preußischen Standpunkts im Süden bis heute […] so gut wie nichts geschehen; man hat den geschickten Agitationen der österreichischen Diplomatie lediglich das Feld gelassen und ihnen die öffentliche Meinung des Südens preisgegeben.“248 Hermann Baumgarten bemerkte, dass Österreich im Gegensatz dazu energisch um die süddeutschen Staaten geworben, die wirtschaftliche Vernetzung mit ihnen vorangetrieben und sie mit der Schwärmerei für ein mitteleuropäisches Reich an-
242
Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 3 (1859), S. 317 ff., hier S. 320 ff. Ebenso Haym an Duncker am 16. Juli 1859 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 188 f.). 243 Neumann, ebd., S. 326. Zum vorherigen vgl. ebd., S. 322 ff. und Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 4 (1859), S. 422 ff., hier S. 432 ff. 244 von Treitschke, Broschüren-Literatur: Woran uns gelegen ist, in PJ III, 3 (1859), S. 368 ff., hier S. 372. 245 Das leide unter der „Rückschrittspolitik des Ministeriums von der Pfordten“, schrieb Barth, Zehn Jahre bayrischen Verfassungslebens, in PJ III, 3 (1859), S. 325 ff., hier S. 325. 246 von Treitschke, ebd., S. 371. 247 Vgl. Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ III, 4 (1859), S. 483 ff., hier S. 483 f. und PJ IV, 6 (1859), S. 665 ff. 248 Ebd., S. 487. Heinrich von Treitschke schilderte Max Duncker am 3. September 1859 (in Cornicelius, Treitschkes Briefe II, S. 49): In einer Dresdner Lesegesellschaft „machte ein mir befreundeter Gelehrter den Vorschlag, die von Haym herausgegebenen liberalen ,deutschen‘ Jahrbücher anzuschaffen. Man erhob einige Bedenken wegen des Liberalismus und stimmte endlich bei; da sagt der Antragsteller er habe sich versprochen, der Titel sei ,preußische‘ Jahrbücher. Was? Preußische! Und der Antrag fiel sofort!“
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gesteckt habe.249 So blieb den PJ nichts anderes übrig, als regelmäßig die Mängel in der Donaumonarchie hervorzuheben250 : Finanzkrise, schlechter Zustand der Armee, fehlende politische Konzepte vor allem in den nicht-deutschen Gebieten – die seien „mechanisch an einander gereiht, ohne je organisch zu einem Ganzen zusammen zu wachsen“251. Das habe zur Folge, „daß die Regierung ihre höchsten Zwecke nicht im Wohl der Staatsangehörigen, sondern in der Behauptung, Befestigung und Erweiterung ihrer immer bedrohten Herrschaft“ sehe.252 Mit dieser Art der Korrespondenz sollte gezeigt werden: der einzig verlässliche Partner für die deutschen Drittstaaten ist Preußen. Österreich stattdessen siecht in den Augen der PJ unter einer unfähigen Regierung dahin, das finis austriae253 ist nahe. Für hartes Durchgreifen zur Förderung der nationalen Sache setzten sich die PJ in Kurhessen, Hannover und Holstein ein. „Diese faulen Flecke Deutschlands, diese eiternden Wunden am Leibe der deutschen Nation müssen geheilt werden […].“254 Kurhessen, seit 1850 im Verfassungskonflikt, biete die erste Gelegenheit in der nationalen Einigung fortzuschreiten.255 Mit dem Abdruck der Verfassungsbriefe aus Kurhessen256 schlossen sich die PJ der Bewegung an, die sich für die Rücknahme der oktroyierten Verfassung von 1852 aussprach257.
249
Vgl. Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ III, 4 (1859), S. 483 ff. Wassmann, Österreich in den PJ, S. 10: „Süddeutschland die ,wahre Natur‘ Österreichs und Preußens vor Augen zu stellen, blieb denn auch vornehmstes Ziel der Zeitschrift, soweit die den Fragenkomplex ,Österreich‘ aufgriff.“ Ein Mitstreiter war die Bayerische Wochenschrift, die Süddeutschland „durch ideale und praktische Erwägungen den Weg zu einer preußenfreundlichen Politik [zeigte]“. (Mittelstaedt, Krieg von 1859, S. 107). 251 von Bernhardi, Frankreich, Österreich und der Krieg in Italien IV, in PJ IV, 5 (1859), S. 457 ff., hier S. 457. Vgl. Springer, Österreich 1848 – 1858, in PJ III, 6 (1859), S. 617 ff. / Aus Österreich, in PJ IV, 4 (1859), S. 445 ff. 252 Baumgarten, Spanien unter den Habsburgern II, in PJ III, 2 (1859), S. 123 ff., hier S. 152. 253 Natürlich wurden die PJ nicht müde, auf Parallelen in der Geschichte hinzuweisen, wie Baumgarten, Spanien unter den Habsburgern I, in PJ III, 1 (1859), S. 58 ff., hier S. 58: „Wir lernen […], wie ein höchst begabtes Volk in zwei Jahrhunderten von der Höhe seltener Macht zu tiefstem Verfall herabsinkt durch übermäßige Richtung nach außen und dadurch, daß es, sich selber von der Bildung der Zeit feindselig abwendend, den Glanz der europäischen Entwicklung willkührlich zu hemmen unternimmt. Wir sehen, wie dieses Volk geistig, sittlich, ökonomisch, politisch verkommt dadurch, daß es sich zum fanatischen Träger der unbefleckten katholischen Weltanschauung aufwirft […]. Endlich wird der deutsche Betrachter von diesem Zeitraum der spanischen Geschichte deswegen angezogen, weil in ihm diejenige Dynastie ihr viel bestrittenes Wesen offenbart, welche auf die deutschen Geschicke seit bald sechshundert Jahren von höchster Stelle eingewirkt hat.“ Vgl. auch Springer, Österreich 1848 – 1858, S. 634 f. und Aus Österreich, in PJ IV, 5 (1859), S. 445 ff., hier S. 446 f. 254 Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ III, 6 (1859), S. 736 ff., hier S. 739. Vgl. von Treitschke, Broschüren-Literatur: Woran uns gelegen ist, S. 371. 255 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 3 (1859), S. 317 ff., hier S. 326. 256 Oetker, Verfassungsbriefe aus Kurhessen in PJ IV, 3, 5 und 6 (1859). Vgl. Oetker am 23. September 1859 an Julius von Jasmund (GStA PK, NL Jasmund, Nr. 4). 250
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In einem ausführlichen Artikel – der „großes Aufsehen macht, von Gesinnungsgenossen ebenso lebhaft gewürdigt, wie von politischen Gegnern angefochten wird“258 – und mehreren Korrespondenzen schilderten die PJ Rechtslage und Verfassungskonflikt in Hannover.259 August Lammers berichtete, das seiner Meinung nach kopflose, monarchisch verbrämte Adelsregiment wandle am Abgrund und biete Preußen geradezu die Gelegenheit einzugreifen. „In Hannover erscheint jetzt dem Volk, gerade wie in Kurhessen und Schleswig-Holstein, die Einigung der Macht in Deutschland als die wesentliche Bedingung gesicherter innerer Freiheits- und Rechtszustände.“260 Als Beweis für diese These führte Lammers die Hannoversche Erklärung vom 19. Juli 1859 an: 781 Unterzeichner unter der Führung Rudolf von Bennigsens hatten sich für eine Bundesverfassung eingesetzt, die Macht und Freiheit aller Deutschen wirklich sichere, und Preußen aufgefordert, in der nationalen Sache voranzugehen.261 Trotz allem blickten die Altliberalen um die PJ positiv in die Zukunft: „Ich glaube, daß wir in der inneren und äußeren Politik in einem ganz festen Gange bleiben und vorwärts kommen werden. Der Prinz hat sich sehr bewährt in dieser Krisis, man kann ihn aufhalten, Momente versäumen lassen, aber nicht aus der Richtung bringen, und die Person des Regenten pflegt doch das Feste und Zuverlässigste zu sein, worauf man für die Zukunft bauen kann.“262 Die außenpolitische Krise des Jahres 1859 war aber noch nicht überwunden, da drohte im innenpolitisch gespaltenen und blockierten Preußen bereits die nächste: der Heeres- und Verfassungskonflikt zog auf.
257 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ IV, 5 (1859), S. 545 ff.; auf S. 550 äußert er keinen Zweifel, „daß der Bundestag bei seinem Beschluß vom 27. März 1852, durch den er die kurhessische Verfassung von 1831 außer Wirksamkeit setzte und die Oktroyirung einer neuen Verfassung anordnete, die Grenzen seiner Competenz überschritten hat“. Vgl. die Besprechungen Hayms, Die kurhessische Verfassung vor der Bundesversammlung, in PJ IV, 3 (1859), S. 340 und Was ist zu tun? Ein Wort eines Kurhessen, ebd., S. 337 ff. 258 Emminghaus, Lammers, S. 72. 259 Lammers, Hannovers Reaktionsjahre, in PJ III, 5 (1859), S. 505 ff.; Lammers, Aus Hannover, in PJ IV, 1 (1859), S. 90 ff. und PJ IV, 3 (1859), S. 328 ff. „In seiner schlichten Darstellung treten die an die Rückbildung der Verfassung gewandten Künste der Reaktion eindrucksvoll hervor.“ (Westphal, Staatsauffassung, S. 107). 260 Lammers, Aus Hannover, in PJ IV, 3 (1859), S. 328 ff., hier S. 328. Der Ursprung der bis dato nicht zugeordneten Korrespondenz ließ sich zurückverfolgen durch Hayms Brief ans Verlagshaus Reimer vom 7. Oktober 1859 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 261 Vgl. ebd. Abgedruckt ist die Hannoversche Erklärung bei Biefang, Der deutsche Nationalverein, S. 435 ff. 262 Max Duncker an Hermann Baumgarten am 30. Juli 1859 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 165).
IV. Preußische Innenpolitik im Banne der Heeresreform
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IV. Preußische Innenpolitik im Banne der Heeresreform 1. Das politische Geschehen Wandel in engen Grenzen, um die Kontinuität der Politik zu gewährleisten; Reformansätze mittragen, aber von liberalen und hochkonservativen Forderungen abgrenzen – das war das innenpolitische Programm des preußischen Prinzregenten. So verwundert es nicht, dass die liberalere Ausgestaltung der preußischen Verfassung parallel zur außenpolitischen Krise nur schleppend voranging. Gescheitert war ein Gesetz gegen die Wahlbeeinflussung durch Beamte, ins Stocken gerieten Versuche zur Judenemanzipation, zur Einführung der Zivilehe, der Entwurf einer neuen Kreisordnung und einer Unterrichtsreform. Obwohl die Liberalen der Reform des Eherechts eine Schlüsselstellung bei der Trennung von Kirche und Staat beigemessen hatten, konnte das Ministerium die Abschaffung der obligatorischen kirchlichen Trauung nicht durchsetzen, der Vorbehalt in Artikel 19 der Verfassung blieb bestehen.263 Zudem erschien mit der Heeresreform264 das Thema auf der Tagesordnung, an dem die Neue Ära letztlich scheiterte. Über die Kernfrage, ob der König kraft Organisationsgewalt das letzte Wort in Militärfragen habe oder das Parlament aufgrund seines Budget- und Gesetzgebungsrechts, kam es zu keiner Entscheidung – auch, weil die Altliberalen das preußische Abgeordnetenhaus dominierten und „bis zur Selbstentwaffnung“265 passiv agierten. Doch diese Taktik war hinfällig, sobald die Politik von den politischen Lagern prinzipielle Standortbestimmungen verlangte. Der Prinzregent zog aus dem außenpolitischen Desaster in Italien die Folgerung, Preußen „eine stärkere militärische Rüstung anzulegen“266. Die Liberalen interpretierten die Stärkung des staatlichen Machtmittels Armee vor allem als Versuch der Konservativen, ihre wirtschaftliche – und neuestens auch politische – Dominanz zu umgehen. Damit übersahen sie zwar die außenpolitische Notwendigkeit der Heeresreform, doch täuschte sie ihr Gefühl nicht. Die verbliebenen konservativen Beamten leisteten „stillen Widerstand gegen eine ihnen missliebige Politik“267, um den Regenten bildete sich eine adelige Opposition. Zwar waren die reaktionären Kräfte in
263
Vgl. Paetau, Regierende Altliberale, S. 185 ff. Zur Heeresreform u. a. Schulze-Wegener, Roon, S. 101 ff. und Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 277 ff. Die ausführlichste und verständlichste Darstellung: Helfert, Liberalismus und Heeresreform, besonders S. 67 ff. 265 Mann, Deutsche Geschichte, S. 311. Vgl. Biefang, Fortschrittspartei, S. 365 und Sell, Liberalismus, S. 191. 266 Adam, Liberalismus und Fortschrittspartei, S. 148. 267 Bahne, Vor dem Konflikt, S. 168. Vgl. Börner, Krise der preußischen Monarchie, S. 56 ff. 264
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ihrer politischen Wirksamkeit eingeschränkt, nutzten aber den militärischen Bereich, um ihre Ansprüche zu verteidigen und die Politik der Neuen Ära zu unterminieren.268 Die Reformbedürftigkeit des preußischen Heeres indes war unumstritten. Die preußische Bevölkerung hatte sich seit 1815 verdoppelt, die Zahl der Rekruten war aber gleich geblieben. So wurde nicht einmal ein Viertel eines Jahrgangs in die Armee eingezogen. Hochrangige Militärs nahmen überdies Anstoß an der Landwehr. Der volkstümliche Teil des preußischen Heeres durchlief keine militärische Ausbildung und konnte zudem eine Gefahr für die königliche Macht darstellen. Denn der „Landwehrmann war Bürger, Wähler, durch zivile Tätigkeit der Armee entfremdet, bürgerlich waren seine Offiziere. Er gehörte seinem Kriegsherrn nicht so mit Haut und Haar wie die Linientruppe.“269 Motor der Reorganisation war der Prinzregent.270 Er beauftragte den altliberalen Kriegsminister Eduard von Bonin, konkrete Entwürfe auszuarbeiten. Doch der dachte nicht daran, Wilhelms Vorstellungen kompromisslos durchzukämpfen und setzte auf den Einklang mit dem vorwiegend liberal besetzten Abgeordnetenhaus. Unter diesen Voraussetzungen sah sich der Regent gezwungen, seinen Minister abzusetzen. Nachfolger Bonins wurde Generalfeldmarschall Albrecht von Roon, der wie kaum ein zweiter für die antiliberale Kamarilla der gerade überwundenen reaktionären Zeit stand. Seine Berufung am 5. Dezember 1859 war ein „Bugschuss gegen die altliberalen Minister“271. Der Kurs des Ministeriums der Neuen Ära stand aber außer Frage, wie Huber betont: „[D]as Erscheinen Roons in der Regierung [hatte] allenfalls den Charakter einer Vorwarnung. Dagegen war der Wechsel im Kriegsministerium das Zeichen für einen Kurswechsel in der Militärpolitik. Das Ziel des neuen Kriegsministers war die uneingeschränkte Durchsetzung seines militärpolitischen Reformprogramms.“272 Überzeugung des neuen Kriegsministers von Roon war es, das Heer als ausschließliches Herrschaftsinstrument der Krone zu verteidigen.273 Sein Entwurf für 268 So behauptete sich Edwin von Manteuffel, der Cousin des ehemaligen Ministerpräsidenten, als Chef des Militärkabinetts; der spätere Kriegsminister Albrecht von Roon trieb die Planung der Heeresreform voran; über die Berliner Revue versuchten die sozialkonservativen Gebrüder Gerlach, Blanckenburg und Wagener auch Handwerker, Bauern und Arbeiterschaft für ihre Politik zu gewinnen. 269 Mann, Deutsche Geschichte, S. 308 f. Vgl. auch Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 282, der das tiefe Misstrauen Wilhelms gegenüber der Landwehr darstellte. 270 Wilhelm hatte bereits 1832 Pläne ausgearbeitet, um die Armee zu einem zuverlässigen Machtinstrument umzugestalten. Vgl. Schwemmer, Reaktion und neue Ära, S. 38 f. Tatsächlich sollte „eine Kriegsmaschine von vollendeter Präzision, ein völlig willenloses, ungeheuer mächtiges Werkzeug in der Hand des königlichen Feldherrn [entstehen], sie war also, vom militärischen Standpunkte, eine glänzende Lösung […]. Was dieser Monarchie auf der einen Seite durch die notwendigen Zugeständnisse an den bürgerlichen Geist der Zeit verloren gegangen war, das sollte ihr auf der anderen Seite wieder zuwachsen.“ (Ebd., S. 76). 271 Paetau, Die regierenden Altliberalen, S. 176 f. 272 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 280. 273 Vgl. Schulze-Wegener, Roon, S. 110 und S. 129 f.
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ein neues Kriegsdienstgesetz erhöhte die Zahl der jährlichen Rekruten um die Hälfte274, verlängerte den aktiven Dienst auf drei Jahre und bedeutete die faktische Auflösung der Landwehr. Die jährlichen Kosten betrugen 9,5 Millionen Taler, was fast die Hälfte der Staatseinnahmen ausmachte.275 Das politische Tauziehen um die Reorganisation begann im Ministerium der Neuen Ära. Finanzminister von Patow trat Roon entgegen und argumentierte mit der angespannten Finanzlage für die Beibehaltung der zweijährigen Dienstzeit und für die Verschiebung des ganzen Vorhabens. Doch war der dreijährige Dienst Wilhelms „militärisch-politischer Glaubenssatz geworden“276. Im Februar 1860 drohte der Regent mit Abdankung, sollte dem Reformplan nicht in dieser Form zugestimmt werden. Die parlamentarische Diskussion über die Reformvorschläge wurde über Monate mit großer Emotionalität geführt277, zumal zeitgleich liberale Vorstöße zu Wuchergesetz, Zivilehe, Kreisordnung und Grundsteuer scheiterten. Doch die Zustimmung des Abgeordnetenhauses war nötig, weil es das Geld für die Reform bewilligen musste. Die liberalen Volksvertreter bestätigten, dass Roons Vorschläge einen Fortschritt in der Organisation des Militärs waren und Preußen nur mit einem schlagkräftigen Heer in bundes- und außenpolitischen Konflikten handlungsfähig sei. Doch die dreijährige Dienstzeit bezeichneten sie als übertrieben, die Eingliederung der Landwehr in die Linienregimenter war für sie eine Schwächung des bürgerlichen Elements, die Erhöhung des Militäretats eine zu große Belastung für den Staatshaushalt und die Erhöhung der Heeresstärke eine Chance für den Adel, Hunderte neue Offiziersstellen zu besetzen und seine Macht zu steigern.278 Außerdem be274 Die Armee sollte nach der Reform gut 215.000 Soldaten stark sein. In Frankreich standen allein im Frieden 400.000 Männer unter Waffen. Vgl. Helfert, Liberalismus und Heeresreform, S. 110. 275 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 281 und Helfert, ebd., S. 94. 276 Schwemmer, Reaktion und neue Ära, S. 73. Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 177. 277 Vor allem der liberale Fraktionsführer Georg von Vincke attackierte Roons Reformpläne. Er war einer der wichtigsten Verbindungsmänner zum Regenten und hatte diesem in der Denkschrift Zur Vermehrung der Wehrhaftigkeit Preußens vom 1. 1. 1859 empfohlen, die Wehrhaftigkeit des ganzen Volkes zu nutzen, weil man sonst keine Militärmacht werden könne und eine zu große Armee zu viele Kosten in Friedenszeiten mache. Das Auftreten Vinckes wiederum kritisierte Bernhardi, weil es Wilhelm seines Erachtens in die Arme der Reaktion treibe. Tatsächlich fasste Wilhelm diese Kritik als Eingriff in die Rechte des Kriegsherrn auf und kritisierte Vincke scharf. Vgl. dazu Bahne, Vor dem Konflikt, S. 175 ff. und Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 195. Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 14, urteilt: „Von vornherein arbeiteten Regierung und liberale Mehrheit nicht genügend zusammen. Von der bevorstehenden Heeresreform wurde die Partei nicht rechtzeitig unterrichtet; nicht einmal der Parteiführer Vincke wusste davon. Die Fraktion hatte darum zur Verhandlung der Reformvorlage keinen Plan, und die Sachlichkeit der Diskussion litt […] darunter.“ 278 Vgl. Engelberg, Bismarck, S. 509 f. und Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 282 ff. Die Betonung des aristokratischen Elements in der Armee erklärt Helfert, Liberalismus und Heeresreform, S. 113 ff.
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harrten sie auf ihrem verfassungsmäßigen Recht, jede Position des Staatshaushalts der Prüfung zu unterziehen. Der Prinzregent wiederum fühlte sich persönlich beleidigt und beschuldigte die Gegner der Reform, den Geist der Armee untergraben zu wollen. Schließlich kam es zum Kompromiss: Das Abgeordnetenhaus gewährte bis Juni 1861 einen außerordentlichen Kredit, um die Armee angesichts der kritischen außenpolitischen Lage in gutem Zustand erhalten zu können. Die Regierung sollte zugleich ihren Reformvorschlag überarbeiten und die Finanzmittel für die Armee jährlich zur Bewilligung vorlegen. Mit dem Beschluss279 fügten sich die Liberalen einen schweren Schaden zu. Sie hatten das verfassungsrechtliche Provisorium geschaffen, das zum Auslöser des Verfassungskonflikts wurde und die Neue Ära zu Fall brachte. Gleichzeitig machte die Bewilligung des Geldes die Heeresreform militärisch definitiv. Regent und Kriegsminister führten die geplante Reform in Teilen sofort aus, überzeugt, dass „eine Abstimmung des Landtages sie nicht mehr würde aus der Welt schaffen können“280. Viele Liberale gaben sich zudem dem Irrglauben hin, dass das Ministerium im Gegenzug zur Heeresreform ihre Vorstellungen realisiere. So häuften sich Anträge konfliktträchtiger Reformgesetze zu Eherecht, Herrenhaus, Oberrechungskammer, Gewerbe und Unterricht. Im Streit um die Kreisreform beugte sich Wilhelm im Februar 1861 zunächst dem Willen der Minister, bevor er seine Zustimmung nach Eingabe Roons widerrief: in Preußen könne kein Wille gegen den König geltend gemacht werden. Zumindest die in der Verfassung geforderte Grundsteuer – die Steuerprivilegien für den Landadel aufhob – wurde durchgesetzt, nachdem der Regent im Herbst 1860 das Herrenhaus mit einem Pairsschub unter Druck gesetzt hatte.281 Abgesehen von diesen punktuellen Erfolgen blieb die Bilanz der Neuen Ära dürftig. Das Ministerium kämpfte gegen das Misstrauen Wilhelms, der, bedingt durch das fehlende Regierungsprogramm, die Handlungsfreiheit seiner Minister fürchtete und sich Konservativen und Militärpartei annäherte.282 Die Kritik aus der
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In Huber, Dokumente II, S. 34, Nr. 36: Das Provisorium von 1860/61. Gesetz betreffend den außerordentlichen Geldbedarf der Militärverwaltung für die Zeit vom 1. Mai 1860 bis zum 30. Juni 1861 vom 27. Juni 1860. Dass sich die Abgeordneten damit vor einer Entscheidung drücken wollten, meint Engelberg, Bismarck, S. 511. 280 Mann, Deutsche Geschichte, S. 312. „Eine derart umfangreiche und kostspielige Heeresreform ließ sich unmöglich nach 12 Monaten zurücknehmen“, schreibt auch Helfert, Liberalismus und Heeresreform, S. 175 f. 281 Auf die Durchsetzung der Grundsteuer hatte die Ernennung neuer Repräsentanten im Herrenhaus keine Auswirkung – sie wurde im Verfassungskonflikt nicht angewandt. Vgl. Paetau, Regierende Altliberale, S. 183 f. 282 Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 187 und Haupts, Liberale Regierung, S. 71.
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liberalen Presse wurde lauter283 und auch im Abgeordnetenhaus sah sich der altliberale Fraktionsführer von Vincke Vorwürfen ausgesetzt, bisher nicht kräftig genug opponiert zu haben.284 Die Gegensätze zwischen dem kaum kompromissbereiten Wilhelm, den ungeduldigen Abgeordneten und den unentschlossenen altliberalen Ministern waren kaum zu überbrücken. Besonders deutlich wurde dies in der Thronrede, die Wilhelm als rechtmäßiger Nachfolger des am 2. Januar 1861 verstorbenen Friedrich Wilhelm IV. hielt. Der neue König machte deutlich, dass er die für die Reorganisation des preußischen Heeres getroffenen Maßnahmen als endgültig betrachte. Er werde hart gegen jeglichen „Geist des Umsturzes“ vorgehen: „Es wird alles darauf ankommen, daß das Land in seinen Vertretern mit mir einig sei.“285 Führende Altliberale aber hatten keinen Zweifel an einer Lösung des schwelenden Konflikts: „Die Fortdauer des gegenwärtigen Gouvernements bei uns ist gesichert, man wird von einem liberalen und nationalen Gange nicht abweichen. […D]ie Linie wird zuverlässig eingehalten werden. Die inneren Schwierigkeiten sind bereits als beseitigt zu betrachten. Das Herrenhaus wird die Grundsteuer nötigenfalls mit Hilfe eines neuen Pairsschubes votieren und die Abgeordneten mit großer Mehrheit die Armeereform.“286
Von dieser allseits proklamierten Einigkeit war aber nichts zu spüren. Während der Kammersession des Frühjahrs 1861 stritten sich Regierung und Abgeordnetenhaus um die Heeresreform. Aus Sicht der meisten Volksvertreter war ein neues Wehrgesetz Grundlage für die Schaffung neuer Truppenteile mit veränderter Dienstzeit. Die Finanzmittel für die Heeresreform könnten zudem nur durch ein ordentliches Etatgesetz bewilligt werden. Die Regierung wies diese Forderungen zurück. Man hielt das bestehende Wehrgesetz von 1814 ausreichend für die Heeresorganisation, zumal nach den Verfassungsartikeln 46 und 47 der König oberster Kommandant der Armee war, das Recht zur Besetzung von Stellen hielt und somit die Stärke und Gliederung des Heeres faktisch alleine festsetzen konnte. Schlussendlich gelang es König und Kriegsminister, die Verlängerung des Provisoriums durchzusetzen. Auch wenn eine Dreiviertelmillion Taler eingespart werden musste, war das bemerkenswert, weil „die befristete Bewilligung von Mitteln für eine auf Dauer angelegte Maßnahme die prinzipielle Anerkennung der Heeresreorganisation bedeutete“287. Wilhelm sprach bei Schließung des Abgeordnetenhauses am 5. Juni 1861 von vollendeten Tatsachen.288 283 Vgl. Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 7 ff. mit den Beispielen Nationalzeitung und Morgenblatt. 284 Vgl. Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 22. 285 In: Stenographische Berichte des Preußischen Abgeordnetenhauses, 5. Legislaturperiode 1859/61, 3. Session 1861, Bd. 1, S. 1 ff. Vgl. Börner, Krise der Monarchie, S. 127 f. und Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 290. 286 Max Duncker an August Ludwig Reyscher am 25. März 1861 (in Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 346). 287 Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 482. Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 291.
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Die liberalen Minister der Neuen Ära traten im Heeresstreit kaum noch in Erscheinung. Ministerpräsident von Karl Anton von Hohenzollern hatte sich aus gesundheitlichen Gründen fast völlig aus der Politik zurückgezogen und wurde beispielsweise von Max Duncker gedrängt, von seiner „erhabenen Stellung einen durchgreifenden Gebrauch“ zu machen. „Soll es der Monarchie in Preußen gelingen, den in freier Selbstbestimmung getanen Schritt aus dem Absolutismus in die Bahnen des konstitutionellen Lebens auch in voller Freiheit durchzuführen, oder soll eine neue Erschütterung im Innern und eine Schwächung der äußeren Stellung diesen Prozeß unterbrechen und seinen glücklichen Ausgang in Zweifel stellen?“289 Denn inzwischen war die nächste Regierungskrise ausgebrochen, ausgelöst durch den monatelangen Streit um die mögliche Huldigung des neuen Königs.290 Auf der einen Seite stand Wilhelm, der an der altständischen Tradition festhalten wollte, auf der anderen Seite drängten ihn die Minister zur Krönung. Bevor sich Wilhelm am 18. Oktober 1861 in Königsberg schließlich selbst krönte, hatten die Konservativen ein Schattenkabinett aufgestellt und die Minister geschlossen Rücktrittsangebote eingereicht, um aus ihrer „unhaltbaren Stellung mit Ehren hinauszutreten“291. Duncker, der in seiner neuen Stellung als Ratgeber des Kronprinzen Friedrich Wilhelm sogleich Personalvorschläge für ein neues Kabinett gemacht hatte, erhielt vom Ministerpräsidenten die Ankündigung seines bevorstehenden Rücktritts: „Nach oben hin dürfen wir den reaktionären Erwartungen nicht gerecht, nach unten hin, d. h. dem Volk und den Kammern gegenüber, können wir es nicht werden! Ein solcher Zwitterzustand ist gefährlich und unerträglich, und mit negativen Leistungen nimmt heute niemand mehr vorlieb! Also abgetreten und dem Könige den Entschluß leicht gemacht!!! […] Ein System Bernstorff-Roon muß an die Stelle des sogenannten Hohenzollern-Auerswaldschen treten, wobei jedes Parteitriumphgeschrei vermieden wird. Es muß sächlich und tätig regiert werden, ohne daß den Maßregeln ein Farbenton angeblickt werde. Die Worte feudal und liberal müssen vermieden werden. Die Bedürfnisfragen sind in den Vordergrund zu stellen und die Verfassungsbestimmungen niemals theoretisch, sondern stets praktisch auszulegen. Der König muß das Gefühl des persönlichen Regiments in sich tragen, er soll aber die Last desselben nicht fühlen. […] Ich kann unmöglich mehr bleiben, meine Gesundheit zwingt mich zu diesem heilsamen Entschluß.“292 288 Vgl. Huber, Dokumente II, S. 35, Nr. 38: Ansprache Wilhelms I. bei Schließung des Abgeordnetenhauses am 5. 6. 1861 und ebd., S. 34, Nr. 37: Das Provisorium von 1861/62. 289 Duncker an den Fürst von Hohenzollern am 19. März 1861 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 273 f.). Briefe Dunckers und Tagebucheinträge von Charlotte Duncker zur Rettung der Politik der Neuen Ära ebd., S. 273 ff. 290 Vgl. Börner, Krise der Monarchie, S. 138 ff. und Bußmann, Krönung Wilhelms, S. 189 ff. 291 Fürst Karl Anton von Hohenzollern an Duncker am 26. Juni 1861 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 281). 292 Ebd. Vgl. auch einen Brief Hohenzollerns an Duncker vom 20. Januar 1862 (ebd., S. 306 ff.). Kronprinz Friedrich Wilhelm schrieb am 10. Juli 1861 an Duncker (ebd., S. 289): „Sollte Fürst Hohenzollern wirklich ganz resignieren, so halte ich Auerswald doch immer für den geeignetsten als Nachfolger statt der erwähnten Diplomaten.“ (Dazu ebd., Anm. 5: diese waren Bismarck und Graf Bernstorff).
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Zwar konnte der Rücktritt des Ministeriums durch das Vermeiden der Huldigung letztmals abgewendet werden. Doch Wilhelm inszenierte die gesamte Krönungsfeier als Spitze gegen die Liberalen, verkündete ein Programm von Gottes Gnaden und behandelte die Volksvertreter herablassend. Ein Bruch mit der reaktionären Vergangenheit war nicht zu erkennen, das Vertrauensverhältnis zwischen König und liberalen Ministern war schwer beschädigt. Zu dieser scheinbaren Entfremdung Wilhelms von allen liberalisierenden Tendenzen hatte auch die Gründung der Fortschrittspartei beigetragen. Im Vorfeld der Landtagssession 1861 hatten ostpreußische Abgeordnete ein Programm mit nationalem, parlamentarischem und wirtschaftsliberalem Fokus aufgestellt. Neunzehn der sogenannten Jung-Litauer293 spalteten sich bis zum Ende der Session von der altliberalen Fraktion Vincke ab, weil sich diese ihrer Meinung nach nicht genug für die liberale Ausgestaltung des Staats eingesetzt habe. Gemeinsam mit (Links-)Liberalen, Demokraten, Mitgliedern des Nationalvereins und liberalen Berliner Pressevertretern gründeten sie im Juni 1861 die Deutsche Fortschrittspartei.294 Grundlage ihres Programms waren Treue dem König und der Verfassung, eine deutsche Zentralgewalt und ein deutsches Parlament. Sie forderten die Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaften, die Trennung von Kirche und Staat, die Zivilehe, die grundlegende Reform des Herrenhauses, die Verwirklichung des Rechtsstaates, die Unabhängigkeit der Richter sowie eine neue Gemeinde-, Kreisund Provinzialordnung auf Grundlage der Selbstverwaltung. Auf dieser Basis versuchte man konstitutionelle Altliberale und Demokraten anzusprechen, also gemeinsam für die Neue Ära und gegen die Konservativen zu kämpfen.295 Doch manche Ziele der Fortschrittspartei gingen weit über das altliberale Maß hinaus296, wie die Aufrechterhaltung der Landwehr, rigorose Sparsamkeit bei der Heeresreform oder ein Gesetz zur Ministerverantwortlichkeit vor der Landesvertretung. So waren die Altliberalen und ihre Minister vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Spätherbst 1861 angreifbar. Die liberale Ausgestaltung des preußischen Staates war seit drei Jahren nicht vorangekommen. Eine Lösung des Heereskonflikts war nicht in Sicht. König Wilhelm war fest entschlossen, den Kampf gegen jegliche Beschneidung seiner Prärogative aufzunehmen. Die Altliberalen jedoch vermieden die direkte Auseinandersetzung mit der Fortschrittspartei. Sie setzten sich lediglich für ein Gesetz zur Beamtenverantwortlichkeit ein, um sich 293 Den spöttischen Namen erhielten die Abgeordneten, da sie meist aus Ostpreußen stammten, wo Pressearbeit zugunsten des Fortschrittsliberalismus betrieben wurde. In Westpreußen fanden sie Anklang bei der Danziger Zeitung. Vgl. Adam, Liberalismus in Preußen, S. 146 ff. und Börner, Krise der Monarchie, S. 128 und S. 135 f. 294 Das Gründungsprogramm vom 6. Juni 1861 bei Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 212 ff. 295 Parisius, Deutschlands politische Parteien, S. 40, meinte, dass der Fortschritt als einzige Partei konsistente, realistische Forderungen aufstellte. Vgl. auch Adam, Liberalismus in Preußen, S. 179. 296 Vgl. Eisfeld, Entstehung der liberalen Parteien, S. 90.
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gegen die Forderung nach der Verantwortlichkeit der Minister vor dem Parlament zu profilieren. Die Bedrohung der liberalen Einheit durch die neue Gruppierung schien man – was ein verhängnisvoller Fehler war – nicht sonderlich ernst zu nehmen: „Der größere Teil der liberalen Partei wird […] mit einem ,insuffizienten‘ Ministerium seiner Farbe zufrieden sein; er wird […] bereit sein, sehr erhebliche Konzessionen seiner Prinzipien eintreten zu lassen, um dasselbe am Ruder zu erhalten, d. h. um ein Ministerium der entgegengesetzten Farbe fernzuhalten. Aus diesem Grunde kann ich der Gründung der sogenannten entschieden liberalen oder unabhängigen Partei entfernt nicht die Bedeutung beimessen, welche die süddeutschen Blätter derselben zuerkennen. Diese Parteibildung ist nichts als ein geschicktes Manöver der klügeren Demokraten, die konstitutionelle Partei zu sprengen, und ich kann nicht annehmen, daß irgendein erheblicher Bruchteil der letzteren in diese plumpe Falle gehen könnte. Wenigstens würde jedes Mitglied der bisherigen Majorität des Abgeordnetenhauses, welches dieses Programm unterschreibt, seine Erbärmlichkeit und Ehrlosigkeit unterschreiben.“297
2. Die preußische Innenpolitik in den Preußischen Jahrbüchern Scheinbar entspannt blickten die PJ zu Beginn des Jahres 1859 auf die preußische Innenpolitik. Karl Neumann kündigte an, der Regierung in seinen Korrespondenzen genau auf die Finger schauen zu wollen, übertrieb dabei das Nichtdrängen aber maßlos. Den neuen Ministern sprach er für die Realisierung der Verfassung, für ein „ordentliches Werk aus Einem Guß“298, ein „Menschenalter“ Zeit zu299. Für die Arbeit an der freiheitlichen Epoche seien Vorsicht, Takt, Entschlossenheit und Konsequenz nötig. Diese Besonnenheit sei aber nicht mit Mattheit oder Ängstlichkeit gleichzusetzen. „[M]an wird es der Regierung danken, wenn sie nicht um des Scheines der Geschäftigkeit willen, über nichtige Angelegenheiten flüchtig entworfene, nicht hinlänglich gereifte Vorschläge vor die Landesvertretung bringt.“300 Darüber hinaus verteidigte Neumann die Inaktivität der Altliberalen im preußischen Abgeordnetenhaus.301 Solange Recht und Gesetz gewährt blieben, sei in der 297 Duncker an Franz von Roggenbach am 4. Juli 1861 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 284 f.). Auch Bernhardi hatte die Mitglieder der Fortschrittspartei als Demokraten bezeichnet. Vgl. Fülling, Altliberale, S. 22. 298 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Januar, in PJ III, 1 (1859), S. 93 ff., hier S. 96. 299 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Februar, in PJ III, 2 (1859), S. 219 ff., hier S. 225. 300 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Januar 1859, S. 96. 301 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. April, in PJ III, 4 (1859), S. 460 ff., hier S. 467: „[N]icht das Ministerium strebt darnach, durch eine blinde Nachgiebigkeit den Einklang mit der Volksvertretung aufrecht zu erhalten, sondern die letztere bemüht sich, unter gewissenhafter Berücksichtigung der Situation, durch Verzichtleistung auf manche ihrer […] Wünsche ein harmonisches Zusammenwirken mit der Regierung zu erzielen.“
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laufenden Sitzungsperiode „kein specielles Anliegen von hervorragender Dringlichkeit und Wichtigkeit dem Regenten vorzutragen“302. Die Volksvertreter hätten noch keine Anträge zur Reorganisation der ländlichen Gemeindeordnung, der Polizei-, Presse- und Ehegesetze vorgelegt303, bereiteten aber große Taten vor. Denn: „Ueberall sind Privatpersonen entweder auf Grund mangelhafter Gesetze oder durch falsche Anwendung der bestehenden Gesetze zugunsten der Interessen des Fiscus oder der Verwaltung unbilligen Schädigungen ausgesetzt gewesen.“304 Aus dem Ende der ersten Kammersession der Neuen Ära zogen die PJ ein nüchternes Fazit. Anlass zur Befriedigung bot nur die Thronrede des Königs, in der weitere Beratungen über die Änderung des Eherechts und der Grundsteuer angekündigt wurden. Das sei ein Zeichen für das gestärkte Vertrauen zwischen Volk und Königshaus. Der „systematische[] Widerstand“ des Herrenhauses und der „von ihm vertretene[n] Partei im Lande“ laufe ins Leere. „Es freut uns, constatiren zu können, daß das Ministerium sich dadurch in keiner Weise beirren ließ und unberechtigten Bestrebungen mit Entschlossenheit entgegen getreten ist.“305 Hoffnungsfroh stimmte ein Ministerwechsel: für das Innere war seit Juni 1859 Maximilian Graf von Schwerin zuständig, zuvor liberaler Fraktionsführer im Abgeordnetenhaus. Seinem Vorgänger Flottwell bescheinigte Neumann große Verdienste für die liberale Sache, da er „auf dem Boden derselben Gesetze, auf denen das verhaßte System Manteuffel-Westphalen erwachsen war, Zustände begründete, die in die verschiedensten Schichten der Bevölkerung die frühere Mißstimmung in Befriedigung verwandelten“306. Diese war bemerkenswert, da es keine durchschlagenden Gesetzesänderungen gegeben und Neumann den Minister zu Beginn der Neuen Ära als „böse[n] Dämon“ bezeichnet hatte, der „von der Natur der gegenwärtigen Verhältnisse und von den daraus resultierenden Pflichten keine Ahnung“307 habe.
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Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Februar 1859, S. 224. Ähnlich auch die Westfälische Zeitung vom 14. August 1859 (in Behrbalk, S. 11), deutlich kritischer die Kölnische Zeitung (vgl. Buchheim, S. 63). 303 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. April 1859, S. 466 ff. Bereits in seiner Februarkorrespondenz (PJ III, 2, S. 229 f.) hatte sich Neumann in diesem Punkt nachdringlich gezeigt: „Auf dem Gebiete der Preßpolizei haben sich so zahlreiche Incongruenzen zwischen Gesetz und Praxis eingeschlichen, daß wir die Bitte um eine vollständige Revision des Preßgesetzes nur dringend wiederholen können.“ 304 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Februar 1859, S. 231. 305 Neumann, Politische Korrespondenz von Mitte Mai, in PJ III, 5 (1859), S. 583 ff., hier S. 597. 306 Neumann, Politische Korrespondenz vom 18. Juli, in PJ IV, 1 (1859), S. 71 ff., hier S. 89. 307 Neumann an Haym am 18. November 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 160, Anm. 2). Vgl. sein Bericht vom 12. Nov. über „böse Gerüchte über Vorgänge“ im Ministerium (ULB Halle, NL Haym: Yi 23 IV N 14).
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Das Herrenhaus stellte für die Autoren der PJ eine Institution dar, um liberale Regierung, Volk und Monarchie zu korrumpieren. „Diese Institution steht dermaaßen außerhalb unseres nationalen Lebens, und die Mehrzahl ihrer Mitglieder befindet sich in einem so schneidenden, zum Theil feindseligen Gegensatz zu dem gegenwärtigen Entwickelungsgrade der Cultur und Intelligenz, daß es in der That erklärlich ist, wenn eine so beschaffene Körperschaft unbeachtet bleibt.“308 Nur ein Pairsschub oder die Auflösung könne dieses größte Übel des preußischen Staates ausmerzen. Eine Stärkung des bürgerlichen Moments im Herrenhaus sei nötig, allein um die Ansichten von Regierung und Unterhaus überhaupt zur Diskussion zu bringen.309 „Die Herren, welche die von der Krone ernannten Minister als zur Opposition gehörig bezeichnen und sich selbst also als die permanenten Regenten des Landes betrachten, werden sich einigermaßen besinnen, wenn sie thatsächlich daran erinnert werden, daß in dieser Monarchie noch eine Macht existirt, welche ihnen eine beliebige Anzahl neuer und sehr unerwünschter Mitregenten zur Seite zu stellen die Kraft und das Recht besitzt.“310 Im Zuge der Diskussion um die neue Kreisordnung ernannte Prinzregent Wilhelm im September 1860 tatsächlich 24 neue Mitglieder für das Herrenhaus, was etwa einem Zehntel der Gesamtzahl entsprach. Die PJ lobten diesen Pairsschub. Zwar würden sich die Beschlüsse des Herrenhauses kaum ändern, wohl aber seine politische Kultur – hin zu offenen Debatten. Außerdem liege endlich eine Tat vor, die beweise „daß das Ministerium […] einen Plan hat und die Durchführung desselben entschlossen beginnt“ und „daß das Schicksal dieses Landes in der Hand eines festen und entschlossenen Fürsten ruht […], der sich in den Entschlüssen, welche seinen Regierungsantritt bezeichnet haben, nicht durch das ungebehrdige Auftreten einer oligarchischen Clique beirren läßt“311. Darüber hinaus blieb es ein Schwerpunkt der PJ, „die Resultate wissenschaftlicher Bildung nutzbar zu machen für die Sittlichkeit und das öffentliche Leben unseres Volkes“312. Sie forderten Reformen wie die rechtliche Gleichstellung der Juden313, 308
Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. März, in PJ III, 3 (1859), S. 342 ff., hier S. 350. 309 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Oktober, in PJ VI, 4 (1860), S. 400 ff., hier S. 406 ff. 310 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende Mai, in PJ V, 6 (1860), S. 598 ff., hier S. 604. Auch die Volkszeitung rief ein „festes Vorgehen“ gegen die „Hecknester der Reaktion“ aus (vgl. Frölich, Volkszeitung, S. 231). 311 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Oktober 1860, in PJ VI, 4 (1860), S. 411 f. und S. 408 f. Zum Pairsschub warf die Kreuzzeitung der Staatsgewalt am vor, sie verkenne die Grenzen ihrer Macht wenn sie glaube, die Aristokratie brechen zu können. Man verachte ein Ministerium, das seine Freisinnigkeit „nur durch entschieden unfreisinnige und verwerfliche Maßnahmen zu erhärten vermag“ (in Bussiek, Kreuzzeitung, S. 164 f.). 312 von Treitschke in der Süddeutschen Zeitung, 24. April 1860 (in von Müller, Treitschke als Journalist, S. 393). 313 Riesser, Die Rechte der Juden in Preußen, in PJ V, 2 (1860), S. 105 ff.; Riesser, Die Judenfrage noch einmal vor beiden Häusern des Landtags, in PJ VII, 1 (1861), S. 11 ff.; Soldan,
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liberale Ergänzungen des Rechts, deutschlandweite Rechtseinheit314 und die volle Durchsetzung der Pressefreiheit315. Eine weitere zentrale Forderung war die strikte Trennung von Kirche und Staat.316 Nach den Konkordaten der Kurie in Rom mit Österreich, Baden, Bayern und Württemberg fürchteten die PJ eine zunehmende klerikale Beeinflussung in Preußen, die „zur Verwirrung der Begriffe und zur Desorganisation und Demoralisation“ führen könne.317 Unter den Autoren war es vor allem Heinrich von Treitschke, der „politische[] Wünsche und Gedanken der Mehrheit des preußischen Volkes“318 in den PJ zur Sprache brachte. Im März 1859 besprach er Carl Twestens Broschüre Woran uns gelegen ist. Gefordert wurden darin Gewaltenteilung und Verfassungsstaat, Meinungs- und Pressefreiheit, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Abgrenzungen staatlicher Befugnisse – was die volle Zustimmung der PJ fand.319 Rudolf Haym versuchte in der Folge, Twesten als Autoren zu gewinnen320 ; Treitschke setzte der
Die Juden im christlichen Abendland, in PJ VIII , 1 und 2 (1861). Soldan bezieht sich bei seiner Argumentation auch auf Martin Luther, der geraten habe, „daß man säuberlich mit den Juden umginge“. 314 Die geforderten legislativen Reformen sieht Hinrichs, Alte und neue Rechtszustände in Preußen, in PJ V, 4 bis 6 (1860) in der Tradition Friedrichs des Großen. Der habe zum Beispiel die Justizverfassung eingeführt, die noch immer Fundament des ganzen Staatslebens sei und auf die es aufzubauen gelte. Außerdem: Wendt, Die Bildung der Gegenwart und die Kirche, in PJ III, 5 (1859), S. 577 ff.; Schrader, Das Unterrichtsgesetz in Preußen, in PJ III, 1 (1859), S. 16 ff.; Goldschmidt, Das preußische Recht und das Rechtsstudium, insbesondere auf den preußischen Universitäten, in PJ III, 1 (1859), S. 29 ff.; Meyer, Das Institut der Staatsanwaltschaft in Deutschland, in PJ IV, 1 (1859), S. 22 ff. Letztgenannter Artikel wird im Autorenverzeichnis der PJ dem Juristen August Georg Ludwig Meyer zugeordnet. Tatsächlich stammt er aber von dem liberalen Juristen und Publizisten Alexander Meyer (vgl. Meyer an Rudolf Haym am 13. Juni 1859 in ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV M 13). 315 Neumann, Politische Korrespondenz vom 10. Februar 1859, S. 229. Vgl. auch Haym, Zur Tagesliteratur, in PJ III, 4 (1859), S. 492 ff., bes. S. 501 ff. sowie Veit, Pressgesetzgebung in Preußen, in PJ III, 4 (1859), S. 408 ff. 316 Vgl. Schwarz, Die kirchliche Reaktion in Preußen, in PJ V, 3 (1860), S. 281 ff., hier S. 292; Wendt, Die Bildung der Gegenwart und die Kirche, S. 583; Klüpfel, Württembergische Zustände, in PJ VII, 4 (1861), S. 357 ff. und Loebell, Die Stimmungen und Bestrebungen der Katholiken in Rheinpreußen, in PJ IX, 3 (1862), S. 249 ff. 317 Holtzmann, Das Badische Konkordat, in PJ V, 2 (1860), S. 188 ff., hier S. 205. 318 von Treitschke, Broschüren: Woran uns gelegen ist. Ein Wort ohne Umschweife, in PJ III, 3 (1859), S. 368 ff. 319 Auszüge bei Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 139 ff.; zudem über die Schrift Renner, Twesten, S. 24 ff. Eine „glänzende publizistische Leistung“ befand von Treitschke, Broschüren: Woran uns gelegen ist, S. 368. 320 Haym an Twesten am 2. April 1859 (in Heyderhoff, Briefe Haym-Twesten, S. 235 f.). In seiner Antwort vom 8. April (ebd., S. 236 ff.) versprach Twesten einzelne kurze Aufsätze. Dazu Haym am 13. April (ebd., S. 239): „[D]ie Jahrbücher wollen nicht eine Publizistik wie die gewöhnliche treiben, und wenn dieselben in der letzten Zeit ausschließlich politisch geworden sind, so befinden sie sich eben nur in demselben Falle wie Sie, als Sie Ihre Broschüre schrieben – der Umschwung der Dinge in Preußen und die Zeitverhältnisse haben ihnen momentan diese
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Besprechung der Broschüre Twestens den programmatischen Passus hinzu: „Wenn man unter einer starken Regierung eine Regierung versteht, die unter allen Umständen ihren besonderen Willen durchsetzen, sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen könne, so widersprechen wir einer starken Regierung.“321 Treitschkes Aufsatz Das Selfgovernment begann als Rezension von Gneists Englischem Verfassungs- und Verwaltungsrecht und entwickelte sich zu einem Forderungskatalog zur Durchsetzung bürgerlicher Mitbestimmungsrechte.322 Bei der lokalen Selbstverwaltung betonte Treitschke die Einbindung des Adels und die daraus resultierende Zusammenarbeit mit dem Bürgertum – diese bedinge, nach Gneists Vorbild England, das konstitutionelle Leben. Auch wenn sich das Modell der englischen gentry nicht auf Preußen übertragen ließe, so forderte Treitschke doch die Beteiligung des Adels an der Selbstverwaltung und ein Ende seiner Steuerprivilegien. Die Verbindung zwischen Verfassung und Verwaltung sollte durch einen Staatsrat gestärkt werden, der überflüssige Institutionen wie das Militärkabinett oder das Herrenhaus ersetzen könnte.323 So könnte der Adel wieder lernen „ein politischer Stand zu sein“324, meinte Treitschke – und sprach damit PJ-Herausgeber Haym aus der Seele, der eine Besprechung von Gustav Freytags Trauerspiel Die Fabier mit der Bemerkung „noblesse oblige“325 geschlossen hatte. Das Stück habe Rechte und Pflichten von Adeligen und Bürgern zum Thema und zeige, dass sich das Adelige in hohem Maß mit dem Edlen decken könne. Kern von Treitschkes Ausführungen in den PJ blieben die Ansprüche des Individuums im Staat. Der Aufsatz über Die Freiheit326 kann dabei zweifelsohne als Richtung gegeben. Es ist aber hohe Zeit, dass wir jenen allgemeineren Charakter wieder dem Publikum und uns selbst in Erinnerung bringen.“ 321 von Treitschke, Broschüren: Woran uns gelegen ist, in PJ III, 3, S. 370. 322 von Treitschke, Das Selfgovernment, in PJ VI, 1 (1860), S. 25 ff. Treitschkes Aufsatz interpretierten Langer, Treitschke, S. 173 ff.; Kraus, Selfgovernment, S. 231 ff. und Lees, Revolution and Reflection, S. 110. Rudolf Gneist (1816 – 1895) war seit 1844 Professor für Öffentliches Recht in Berlin, von 1858 bis 1893 Mitglied im preußischen Abgeordnetenhaus, 1868 bis 1884 Mitglied des Reichstages (nationalliberal) und über Jahrzehnte Vorsitzender des Deutschen Juristentags. Sein vielbesprochenes Englisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht von 1859 war jedoch wenig leserfreundlich und viel zu umfangreich. 323 Vgl. von Treitschke, Das Selfgovernment, S. 50 ff., besonders S. 52. 324 Ebd., S. 53. 325 Haym, Die Fabier, in PJ III, 6 (1859), S. 656 ff., hier S. 683. Über seine Kritik am Stück schrieb Haym an Hirzel am 20. April 1859 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 179), er sei „Parteimann genug, um zu wissen, daß wir alle Ursache haben, diesen fast einzigen Poeten, den wir besitzen, recht ordentlich vorzurücken. Auch die Moral des Stücks: siehe da, das ist ein Adel, wie man ihn respektieren muß usw. wird dem Publikum in dieser poetischen Form eingeschärft werden müssen.“ Vgl. auch Bussmann, Treitschke, S. 137 ff. 326 von Treitschke, Die Freiheit, in PJ VII, 5 (1861), S. 381 ff. Treitschkes besprach darin John Stuarts Mills On liberty. Mills Betrachtungen des politischen Systems in England waren für den anglophilen Treitschke vorbildhaft. Die „fulminante Abhandlung“ Treitschkes wiederum bespricht Langer, Treitschke, S. 177 ff.
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politisches Glaubensbekenntnis des jungen Treitschke gelten327. Er beschrieb das Verhältnis von Volk und Staat als eines gegenseitiger Rechte und Pflichten. Der Staat habe die Pflicht, seine Bürger in ihrer Selbständigkeit nicht zu bevormunden, denn persönliche Freiheit sei nur durch politische Freiheit zu erreichen. Der würdevollste Staat vereinige „die Kräfte der Bürger zu den meisten gemeinnützigen Werken“328 und garantiere ihnen Parlament, unabhängige Gerichte, Selbstverwaltung, Handels-, Meinungs-, Glaubens- und Lehrfreiheit. Treitschke zeigte sich so in der deutschen idealistischen Tradition verhaftet. Dennoch war sein Staatsverständnis weit von dem einer Volksherrschaft entfernt. Im Gegenteil: dem Staat dürften in seiner Gewalt keine absoluten Schranken auferlegt werden. „[V]ielmehr besteht für den Staat die physische Nothwendigkeit und die sittliche Pflicht, Alles zu befördern, was der persönlichen Ausbildung seiner Bürger dient. Und wieder besteht für den Einzelnen die physische Nothwendigkeit und die sittliche Pflicht, an einem Staate theilzunehmen und ihm jedes persönliche Opfer zu bringen, das die Erhaltung der Gesammtheit fordert, sogar das Opfer des Lebens.“329 Freiheit wurde so zur politisch beschränkten Freiheit im Staat, nicht zur alleinigen persönlichen Freiheit vom Staat. Treitschke war sich dem scheinbaren Widerspruch seiner Ausführung – Langer spricht zudem von mangelnder Konkretheit der Forderungen „bei zunehmendem rhetorisch-appellativen Charakter seiner Suada“330 – durchaus bewusst. Dies zeigt sein Brief an Rudolf Haym: „Das Seltsame an dem Thema ist dieses: ich rede von der persönlichen Freiheit; da aber diese weit mehr noch durch die unduldsame Macht der öffentlichen Meinung als durch den Staat beschränkt wird und die öffentliche Meinung wieder sich aus unzähligen Einzelmeinungen zusammensetzt, so wird mein im Beginne politischer Aufsatz im Verlaufe immer mehr moralisch und wendet sich mehr gegen die Einzelnen als gegen den Staat. […] Ich denke, es ist uns recht gesund, uns einmal ernstlich zu fragen, wie weit wir denn innerlich frei und frei sind für die politische Freiheit.“331
Während die PJ über den Freiheitsbegriff diskutierten, geriet die Entwicklung des liberalen Preußen ins Stocken. Deshalb blieb Baumgarten in seinem Aufruf Zum Jahreswechsel nichts übrig, als um Geduld und Vertrauen in den preußischen Staat zu werben, der doch der einzige mit großer politischer Entwicklungskraft sei.332 „Daß wir Deutschen in der Politik es nie zu glänzenden Dingen bringen werden, daran habe ich mich längst gewöhnt, aber den Glauben, daß es bei uns ein gut Stück besser
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Schiemann, Treitschkes Lehr- und Wanderjahre, S. 169. von Treitschke, Die Freiheit, S. 387. 329 Ebd. 330 Langer, Treitschke, S. 183. 331 Treitschke an Haym am 6. April 1861 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 133 f.). 332 Vgl. Baumgarten, Zum Jahresanfang, in PJ V, 1 (1860), S. 1 ff.; vgl. Stark, Baumgarten, S. 151 f. 328
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werden wird, habe ich noch nicht verloren“, schrieb er an Gervinus.333 In seinem Artikel bemängelte er die Inkonsequenz der Regierung, warnte vor einer Spaltung der liberalen Bewegung und kritisierte, dass das Bürgertum das innenpolitische Machtvakuum nicht ausfülle, das der geschwächte Adel hinterlassen habe. Diese Vorwürfe sollten 1866 in seiner bahnbrechenden Selbstkritik des Liberalismus wieder auftauchen. Auch für Karl Neumann begann das Jahr 1860 mit dem Wechsel im Kriegsministerium und den fehlenden Gesetzesvorlagen für eine Reform von Grundsteuer und Eherecht wenig verheißungsvoll. Zumindest die Thronrede hatte nach Meinung des Korrespondenten die Überzeugung gekräftigt, „daß der Wille, auf der Bahn des Fortschritts rüstig vorwärts zu gehen, nicht nur ungeschwächt fortbesteht, sondern an Festigkeit gewonnen hat“334. Bereits in der März-Korrespondenz dominierte die Skepsis gegenüber der Regierung. Neumann vermisste die Konsequenz beim Austausch reaktionärer Beamter und im Umgang mit dem Herrenhaus, das die liberalen Vorschläge zur Zivilehe mit Sicherheit kippen werde.335 Die Diskussion um die Heeresreform beanspruchte zunehmend mehr Raum in den PJ. Zum ersten Mal hatte Treitschke im Januar 1859 die Organisation des Heeres thematisiert. Haym hatte ihn aufgefordert, die Broschüre Der Militärstaat von Constantin Frantz „mit einem Fußtritt abzumachen“336. Dieser Bitte kam Treitschke gerne nach: „Frantz soll seinen Fußtritt erhalten, den ich ihm schon lange gönne […]. [D]er Sache wegen – lohnt es sich wohl der Mühe ein Wort über die Stellung unseres Heeres zu sprechen. Ich glaube nicht durch meine militärische Erziehung verblendet zu sein, wenn ich behaupte, daß die meisten Politiker unserer Partei die Bedeutung der Armee auf unbegreifliche Weise unterschätzen.“337 Treitschke wies in seiner Besprechung Frantz’ These zurück, dass Preußen ein Militärstaat werden müsse. Dennoch deutete er die prinzipielle Zustimmung zu einer Neuorganisation des Heeres und einer Erhöhung des Militärbudgets an. Da der Adel in der Armee seine Existenz nur im Bündnis mit der (liberalen) Intelligenz behaupten könne, ließe sich mit einer Heeresreform auch die Durchdrängung des Heeres mit Ultrakonservativen beenden. In dieser Phase sah Treitschke die Reform also als Chance zur Gleichberechtigung der Bürger.338
333 Baumgarten an Georg Gottfried Gervinus am 28. Februar 1860 (in Jansen, Politische Briefe, S. 633 f.). 334 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende Januar, in PJ V, 2 (1860), S. 206 ff., hier S. 206. 335 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende Februar, in PJ V, 3 (1860), S. 299 ff., hier S. 307. 336 Haym an Treitschke am 23. Dezember 1858 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 170). 337 Treitschke an Haym am 25. Dezember 1858 (in Cornicelius, Treitschkes Briefe I, S. 480). 338 Vgl. von Treitschke, Broschüren-Literatur: Der Militärstaat, in PJ III, 1 (1859), S. 108 ff.
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Als die Frage der Neuorganisation des Heeres zu Beginn des Jahres 1860 zunehmend das politische Geschehen bestimmte, hielt sich der enge Mitarbeiterkreis der PJ mit Bewertungen und eigenen Vorschlägen merklich zurück. Dafür legte im Februar 1860 der altliberale Fraktionsführer im preußischen Abgeordnetenhaus, Karl Freiherr von Vincke-Olbendorf, seine Sicht der Dinge dar339 : Die Rekruten sollten im Frieden nur so lange bei der Armee gehalten werden, bis sie vertraut genug seien mit der Handhabung von Waffen, mit der Struktur der Armee, mit Disziplin und Gehorsam. Eine allzu lange Dienstzeit, mehr als zwei bis zweieinhalb Jahre, habe mechanische Gewohnheit und mangelnde Motivation zur Folge. Die Landwehr bezeichnete Vincke als militärisch nicht ideal, doch politisch, finanziell, wirtschaftlich und sozial als beste Lösung. Denn Preußen benötige im Kriegsfall eine große, im Frieden eine kleine Armee. Da die Steuern für das Heer im besten Fall nicht erhöht werden sollen, müsse durch Umschichtung des Etats Geld gespart werden, ohne das Heer zu verkleinern.340 Ähnlich argumentierte in der Frühphase des Heereskonfliktes die Nationalzeitung.341 Eine einheitliche Linie gegenüber der Reform sollten die PJ und die Altliberalen während des gesamten Heereskonflikts nicht finden.342 Sie waren auf dem Weg zum liberalen Verfassungsstaat gefangen zwischen einer im Kern unterstützenswerten Reform, der Radikalisierung von links und der Notwendigkeit preußischer Vormacht in Deutschland – so hat Cranston das Grundproblem beschrieben343 und innerhalb der PJ Trennlinien ausgemacht: hier Haym, Neumann und Treitschke, die eine Übereinstimmung mit dem Abgeordnetenhaus fordern; dort Duncker, der auf die mi-
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von Vincke, Über Reformen der preußischen Kriegsverfassung, in PJ V, 2 (1860), S. 143 ff. Dem Ganzen ging ein Briefwechsel voraus (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV V 5 bis 8), zu dessen Beginn sich Vincke über einen PJ-Artikel geäußert hatte. Haym überredete ihn daraufhin zu einer ausführlichen politischen Stellungnahme. Abgesehen davon schlug Götz, Die Berechtigung zum einjährigen Militärdienst, in PJ VII, 2 (1861), S. 153 ff., sogar einen einjährigen Militärdienst vor, um ohne Kostensteigerungen mehr Rekruten ausbilden zu können. Vgl. auch Kreyßig, Die Erziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit, in PJ VI, 6 (1860), S. 543 ff. 340 Die Forderungen Vinckes (ebd., S. 172): 1. Stehende Kader für alle Feldtruppen, so viele wie finanzierbar und für Ausbildung notwendig. 2. Dreijährige aktive Dienstzeit im Frieden für Kavallerie, Artillerie und Pioniere, zwei- bis zweieinhalb Jahre für Infanterie 3. Dienstpflicht bis zum 28. Lebensjahr, danach in die Landwehr. 4. Gesetzliche Bestimmungen zum Kriegsdienst bleiben in Kraft. 5. Unteroffiziere (auch finanziell) besser stellen. 6. „Beseitigung alles dessen, was sich im Frieden eingeschlichen hat, und für den Krieg nicht […] nützlich ist.“ 7. Sparen in der Verwaltung. 8. Neue Einteilung des Heeres in Friedenszeiten. 9. Jährliche Übungen im Heer. 341 Vgl. Nationalzeitung Nr. 246 vom 29. Mai 1861 (in Friehe, Nationalzeitung, S. 110). 342 Deshalb schrieb Konstantin Rößler an Duncker am 28. März 1860 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 189): „Ich bin sehr ergrimmt über die knabenhafte Haltung der liberalen Presse den Militärvorlagen gegenüber. Dies gilt besonders von den ,Preuß. Jahrbüchern‘ und den ,Grenzboten‘.“ Ebenso Bercht, Konzeption der PJ, S. 68. 343 Vgl. Cranston, PJ, S. 30 ff.
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nisterielle Linie einschwenkt; zudem machten Haym und Treitschke die zweijährige Dienstzeit und den Erhalt der Landwehr zur Voraussetzung ihrer Zustimmung. Auch Westphal hat verschiedene altliberale Positionen an Namen festgemacht344: Neumann sehe die handelnden Personen als Hauptursache für den Heereskonflikt, unter anderen personellen Voraussetzungen würde die Reform kaum diskutiert; Bernhardi und die süddeutschen Häusser und Sybel konzentrierten ihre Kritik auf das oppositionelle Abgeordnetenhaus und die Minister; Duncker hoffe als Befürworter der Reform auf eine energische Außenpolitik. Die Einordnungen Cranstons und Westphals lassen sich nur auf einen unbefriedigenden Nenner verallgemeinern: jeder Beteiligte zog eigene Schlussfolgerungen und war bereit, diese unter veränderten politischen Voraussetzungen anzupassen. Die inhaltlichen und politischen Gräben innerhalb der PJ-Autoren vertieften sich im Laufe der Auseinandersetzung. Grundsätzlich aber waren sie an großen Lösungen interessiert. In seinen Korrespondenzen kritisierte Karl Neumann, dass dem Ministerium der Neuen Ära nicht ohne weiteres ein verstärktes Heer als Mittel zur Machtausdehnung überlassen werden könne. Der Frage nach der Dienstzeit345, der finanziellen sowie der organisatorischen Seite der Reform sprach er die Wichtigkeit ab, vielmehr müsse „die gegenwärtige politische Weltlage in ihrer Abnormität und Gefährlichkeit“346 die politische Diskussion bestimmen. Als die Kosten für die Reform auf zehn Millionen Taler geschätzt wurden, forderte er für solch enorme Ausgaben eine stichhaltige Begründung auch des Außenministers.347 Heinrich von Treitschke äußerte sich im beginnenden Heereskonflikt in den PJ zunächst nicht mehr zur Reform.348 Die eindeutigste Position unter den Altliberalen nahm Max Duncker ein: Er wünschte kein Abweichen vom Gesetzentwurf der Regierung. Preußens Politiker würden durch eine gestärkte Armee verpflichtet, eine „konsequentere Haltung einzunehmen und das Selbstgefühl des preußischen Volkes 344 Vgl. Westphal, Staatsauffassung, S. 130 ff.; ähnliche Versuche der Kategorisierung auch bei Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 15 und Helfert, Liberalismus und Heeresreform, S. 111. 345 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz, in PJ V, 4 (1860), S. 392 ff., hier S. 409. Auch die Vossische Zeitung sprach sich für den dreijährigen Dienst aus (vgl. Helfert, Liberalismus und Heeresreform, S. 110). 346 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende Januar, in PJ V, 2 (1860), S. 206 ff., hier S. 208. Bercht, Konzeption der PJ, S. 66, suchte in den Korrespondenzen Neumanns, „der sich dort mit der Tatsache der Reorganisation des Heeres voll identifizierte und sehr unterstützend wirkte, ergebnislos nach konkreten inhaltlichen Forderungen von seiten des Altliberalismus in den Fragen der bevorstehenden Heeresorganisation“. 347 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende Februar, in PJ V, 3 (1860), S. 299 ff., hier S. 305 f. 348 Lediglich in der Süddeutsche Zeitung vom 15. April 1860 sprach er sich für die zweijährige Dienstpflicht im Heer aus. Vgl. von Müller, Treitschke als Journalist, S. 389; Cranston, PJ, S. 32; Dorpalen, Treitschke, S. 70.
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für die Lasten zu entschädigen, welche diese Verstärkung des Heeres ihm auferlegt“349. Ein Kompromiss war für ihn nur denkbar, um den Rücktritt der Regierung oder eine Auflösung des Abgeordnetenhauses zu verhindern. Denn die Folge dessen wären ein konservatives Ministerium oder radikalere Abgeordnete, was die Unsicherheit im Land nur weiter steigern würde.350 Auch Theodor von Bernhardi blieb regierungstreu und forderte in der Denkschrift Die Reform der Heeresverfassung von März 1860 die dreijährige Dienstzeit, die Beseitigung der Landwehr und die allgemeine Wehrpflicht, um Preußen aus der außenpolitisch bedrohlichen Lage zu befreien.351 Bis ins Frühjahr 1860 hinein hatte es Bernhardi trotz vielfacher Bitten Hayms352 abgelehnt, seine Meinung zur Heeresreform in den PJ darzulegen. Dazu ließe sich nichts sagen, „ohne die Mängel und Schwächen unseres bisherigen Systems, und namentlich die Unhaltbarkeit unserer Landwehrformation rücksichtslos offen zu legen – und das schien mir dem großen Publicum – der ganzen Welt gegenüber, nicht wohlgethan; besonders zu einer Zeit wo das System doch nach der Form […] schon seit einigen Monaten nicht mehr dem Wesen nach in Geltung ist.“353 Erst als Rudolf Haym ihn über das Erscheinen eines PJ-Artikels informierte, der sich für die zweijährige Dienstzeit aussprechen sollte, wurde Bernhardi aktiv. Denn: „Ich halte die dreijährige Dienstzeit für nothwendig. Aber wenn sie das auch nicht wäre, schiene mir durch Gründe politischer Klugheit geboten, darüber zu schweigen. – Die dreijährige Dienstzeit wird doch angenommen; der Prinz-Regent läßt nicht davon. Es kann zu nichts Gutem führen, wenn dann die mißmuthige Ueberzeugung durch das Land schleicht, daß sie bloß angenommen sei, daß man ein paar Millionen, die erspart werden könnten, bewilligt habe, bloß um die Parade-Gelüste und Kamaschendienst-Liebhabereien des Prinz-Regenten zu befriedigen. – Ich will bei R. Haym anfragen, ob er in dem Märzhefte einen Artikel über die Nothwendigkeit der dreijährigen Dienstzeit aufnehmen will.“354
Den Artikel Bernhardis zur Verteidigung der dreijährigen Dienstpflicht lehnte Haym ab und besprach dessen Broschüre zur Reform der Heeresverfassung nur kurz, 349
Duncker, Politische Korrespondenz, in PJ VII, 6 (1861), S. 568 ff., hier S. 574. Vgl. Cranston, PJ, S. 32. 350 Vgl. Haym, Leben Dunckers, S. 210 und S. 242. 351 Eine kurze Zusammenfassung in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik I, S. 166. Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 176 und S. 181. Die Tagebücher Bernhardis III informieren, dass Duncker am 7. Februar 1860 Bernhardis Schrift mit Änderungen zurückgeschickt hatte, die sie ministerieller wirken ließen. Am 24. Februar sprach sich Bernhardi dafür aus, die Schrift so nicht zu veröffentlichen und führte ein Gespräch mit Duncker über innere und äußere Politik (vgl. ebd., S. 263 ff.). Nach abermaliger Umarbeitung (vgl. ebd., S. 304) konnte die Denkschrift durch Vermittlung Dunckers bei Hirzel in Leipzig verlegt werden (nochmals: ebd., S. 321 ff.). 352 Auch Georg von Vincke und Theodor Mommsen hatten derart auf Bernhardi eingewirkt; darüber informierte am 1. Juli 1859 PJ-Verleger Georg Reimer (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 353 Bernhardi an Gustav Freytag am 30. Januar 1860 (StaBi Berlin PK, NL Freytag Nr. 57, Bl. 1 ff.; auch: acc. Darmst. 1920.332). 354 Tagebücher Bernhardis III, S. 262 (Eintrag vom 28. Januar 1860).
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aber wohlwollend.355 Auch mit der prononcierten Meinung seines Weggefährten Duncker war Haym nicht immer einverstanden. An seiner regierungstreuen, beinahe apologetischen Korrespondenz zur Reform hatte er „Manches zu leiden“, „einige officiös klingende Wendungen weggewünscht“ und „(indem ich mir immer zugleich Ihr Urtheil vergegenwärtigte) wirklich modificirt“. Haym gab aber zu, dass der Spagat zwischen Unterstützung der Neuen Ära, Bindung der Parteigenossen und einer unabhängigen Meinung extrem schwierig zu bewerkstelligen sei: „Ich wiederhole, daß ich Ihnen vollkommen beipflichte, wenn Sie den großen Gesichtspunkt unserer politischen Pflicht nach Außen zu dem Mittelpunkt machen […]. Es ist wichtig, dass die Jahrbücher bei ihrem Publicum, d. h. bei unseren Parteifreunden und denen, die es werden sollen, den vollen Kredit der Unabhängigkeit und Einmüthigkeit sich bewahren, den Ihr Urteil bei mir und für mich unter allen Umständen hat. Am meisten ist zu vermeiden, daß man nicht wittre, aus welcher Region diese Correspondenzen kommen. Sie selbst würden sich dann zurückziehen, und das wäre für die Jahrbücher und für die beabsichtigte Einwirkung auf die öffentliche Meinung ein irreparables Unglück.“356
Zur Heeresreform äußerte sich der Herausgeber in den PJ zunächst nur in der Besprechung der Broschüre Die äußere Politik des Abgeordnetenhauses und die Militärreform357 Wilhelm Wehrenpfennigs, der damals in Dunckers Zentralstelle für Presseangelegenheiten arbeitete. Zwar hoffte Haym auf eine aktive Rolle des Abgeordnetenhauses und auf einen Ausgleich der Gegensätze. Doch in seiner Besprechung machte er deutlich, dass die Heeresreform nur dem Ganzen dienen könne, wenn in ihr liberale Innenpolitik mit Erringung der deutschen Einheit nach außen verbunden würde.358 Öffentlich schloss sich Haym dem Aufruf an, das Provisorium der Regierung zu bewilligen. Privat jedoch übte er Kritik an der Einbringung der Reformpläne durch die Regierung und der konfrontativen Verhandlungstaktik der Abgeordneten. Für ihn waren die „liberalen Minister Schwächlinge […] ohne Lust und Freude am Regieren, ohne Geschick und ohne erheblichen Ehrgeiz […]. Summa: Die Militärvorlage ist das A und O; an ihr hängt Grundsteuer und alles; sie
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Vgl. Tagebücher Bernhardis III, S. 304; Haym, Notizen: Bernhardi zur Reform der Heeresverfassung, in PJ V, 5 (1860), S. 532. 356 Alle vorangegangenen Zitate: Haym an Duncker am 12. Juli 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 194/5; Hervorhebungen im Original) 357 Auszüge der anonym erschienenen Broschüre bei Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik I, S. 168 f. 358 Haym, Wehrenpfennigs „Die äußere Politik des Abgeordnetenhauses und die Militärreform“, in PJ V, 6 (1860), S. 605 ff., hier S. 606: Die Heeresreform sei „die militärische Vorbereitung zur Befreiung der preußischen Politik von ihrem passiven und defensiven Charakter. Die Aufgabe des Abgeordnetenhauses und der liberalen Partei – in diese Form kleidet er seine Mahnung an die Regierung – besteht darin, jenen Reformplan schlechterdings in diesem Sinne aufzufassen, ihn als Mittel zum Zwecke, als eine Maaßregel auswärtiger Politik zu betrachten, von diesem Gesichtspunkt aus die Regierung entgegenzukommen, um sie auf die Bahn ihrer Bestimmung, der Einigung, Führung und Rettung Deutschlands zu drängen.“
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aber wieder hängt an der auswärtigen Politik. Gerade die letztere aber ist schwer und gerade in ihr sind wir keine Meister.“359 Zum Ende der Parlamentssession 1859/1860 waren die Reformvorlagen zu Ehegesetz, Grundsteuer, Kreisordnung und Wuchergesetz ebenso gescheitert wie eine Verständigung in der Heeresfrage. Durchgesetzt werden konnten lediglich die Neuorganisation der Wahlbezirke und eine liberalisierte Pressegesetzgebung. Daher verloren die PJ die Geduld mit Regierung und Abgeordnetenhaus: „Wir sehen auf die parlamentarische Thätigkeit zurück wie auf ein mit Erschlagenen und Trümmern bedecktes Schlachtfeld.“ Setze sich die „Nichtregierung, die nur hin und wieder durch ein planloses und überraschendes Dazwischenfahren unterbrochen wird“, fort, stehe in der folgenden Parlamentssession ein totaler „Zusammensturz“ bevor.360 Dass die reaktionäre Vergangenheit in Preußen noch lange nicht überwunden war, zeigte der Stiebersche Prozess, in dessen Folge Justizminister Simons zurücktrat.361 Rudolf Haym kündigte an, nun das Prinzip des Nur-nicht-Drängens fallen zu lassen und betonte, die Regierung dürfe das nicht als offene Feindschaft auffassen.362 Die Schlussfolgerungen der PJ aus dem Prozess waren unterschiedlich und vielsagend363: Herausgeber Haym forderte einen raschen und rücksichtslosen Läuterungsprozess in Verwaltung, Gesetzgebung und Regierungspersonal, der die Herrschaft des Gesetzes zeigen und die Sittlichkeit der Nation stärken sollte.364 Eindringlich wiederholte er dies im Aufruf Am 4. Januar 1861, als Wilhelm I. nach dem Tod Friedrich Willhelms IV. zum König erklärt wurde, und erinnerte an das 359 Haym an Heinrich von Treitschke am 3. April 1860 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 194). 360 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende Mai, in PJ V, 6 (1860), S. 598 ff., alle Zitate S. 598. Dies sei erfolgt, „obgleich die aus Wahlen hervorgegangene Volksvertretung sich im Wesentlichen mit der Staatsregierung in vollster Uebereinstimmung befindet. Es ist erfolgt, obgleich die vorgelegten Gesetzentwürfe nicht absonderliche Hirngespinnste verwegener Projectenmacher, sondern die reifen Früchte jahrelanger Erfahrungen und Vorarbeiten sind, und obgleich sie von Männern herrühren, die in ihren Fächern zum Theil selbst von ihren Gegnern als die ersten Autoritäten des Landes anerkannt werden.“ Ähnlich reagierte die Berliner Volkszeitung, die daraufhin wegen Beleidigung des Staatsministeriums konfisziert wurde (vgl. Frölich, Volkszeitung, S. 224). 361 Der Leiter der Sicherheitsabteilung der Berliner Polizeipräsidiums Wilhelm Stieber war im April 1860 wegen des Verdachts auf Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch verhaftet worden, weil er unter anderem im Kölner Kommunistenprozess von 1852 gefälschte Belege vorgelegt haben sollte, die mehrjährige Haftstrafen für die Angeklagten zur Folge hatten. Er konnte aber eine Verteidigungsschrift veröffentlichen, in der er Justizminister Simons und Oberstaatsanwalt Schwark belastete. Im November 1860 wurde Stieber in zweiter Instanz vor dem Berliner Kammergericht freigesprochen, verlor aber infolge der Affäre wie Simons und Schwark seinen Posten. 362 Vgl. Haym, Zum Stieberschen Prozess, in PJ VI, 6 (1860), S. 593 ff., hier S. 600. 363 Vgl. Cranston, PJ, S. 41 und Krohn, Haym, S. 128 f. 364 Vgl. Haym, Zum Stieberschen Prozess, S. 596 ff. Haym bezog sich auf eine Forderung der Preußischen Zeitung und betonte zurecht, die PJ hätten dies schon 1858 angemahnt (ebenso die Berliner Volkszeitung, vgl. Frölich, ebd., S. 232 f.).
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Programm der Neuen Ära.365 Max Duncker hingegen stellte das aktuelle System nicht in Frage und sah lediglich die falschen Personen am Werk.366 Das enge Band zwischen den Altliberalen lockerte sich weiter: so wäre der Stiebersche Prozess ein Thema für den Korrespondenten Karl Neumann gewesen, doch der hatte Anfang Dezember 1860 seinen Dienst beendet. Zum einen hatte er sich für eine Anstellung bei der Regierungspresse entschieden, weil er sich dort mehr Respekt für seinen Einsatz für die Heeresreform erhoffte. Dort gab es aber bereits Ärger, weil er im Preußischen Wochenblatt (ähnlich wie Haym in den PJ) die eigene Regierung in Sachen Stieber heftig kritisiert hatte.367 Rudolf Haym war aufgebracht – „So greifen die schmählichen Zustände in unserer Regierung auch in unsere Jahrbücher ein!“ – und versuchte die Situation zu retten, indem er Neumann die Redaktion der Monatsschrift anbot.368 Doch der hatte für Haym kaum mehr als ein Lob für die Einordnung des Stieberschen Prozesses übrig und erläuterte die Gründe für seinen Abschied: Er glaube nicht, dass ihm die Regierung „zur Sicherstellung meiner publicistischen Wirksamkeit unerläßlichen Spielraum gönnen werde“. Rudolf von Auerswald, der die Geschäfte des Ministerpräsidenten von Hohenzollern faktisch übernommen hatte, sei bereits gegen seine kritischen Äußerungen außerhalb der offiziösen Presse vorgegangen. „Konnte ich voraussetzen, daß derselbe Mann, der mir eine Opposition in der Preußischen Zeitung gestatten wollte, mich wegen einer Opposition in ganz unabhängigen Blättern disciplinarisch werde belangen wollen? [W]ahrlich nicht leichtsinnig, habe ich Ihnen mein Versprechen gegeben. Und doch, ist es jetzt möglich, daß ich es erfülle, da meine Voraussetzung sich als eine total irrige erwiesen hat?“369
Die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich schwierig. Neumann selbst hatte von Wehrenpfennig aus Dunckers Pressestelle abgeraten und einen unabhängigen Mann wie Johann Gustav Droysen vorgeschlagen – doch hatte der sich bereits bei 365 Vgl. Haym, Am 4. Januar 1861, in PJ VII, 1 (1861), S. I ff. Ähnlich schrieb auch Heinrich von Treitschke in der Süddeutschen Zeitung vom 6. Dezember 1860 (vgl. von Müller, Treitschke als Journalist, S. 400 ff.). 366 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. Mai, in PJ VII, 5 (1861), S. 482 ff., hier S. 489 f. Ebenso Duncker an Heinrich von Sybel am 10. Dezember 1861 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 52 f.): „Für so große und gewaltige Fragen sind unsere leitenden Männer leider nicht ganz suffizient. Sie sehen, wie wenig man mit einem Zwischenfall (Schwark – Stieber) fertig zu werden vermag, während ganz andere Dinge vorliegen. […] Man hat in der Wilhelmstraße die heilloseste Neigung zum Verschieben und Abwarten und es gehören riesenhafte Kräfte dazu, dieselben zu überwinden.“ 367 Vgl. Hayms Jahresnotizen 1860 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 I 2, Bl. 36) und seinen Brief an Georg Reimer vom 7. Dezember 1860 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). Ebenso Neumann an Haym am 28. Dezember 1860 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV N 24). 368 Vgl. Haym an Reimer am 7. Dezember 1860 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 369 Alle Zitate: Neumann an Haym am 28. Dezember 1860 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV N 24).
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Gründung der PJ von einer Mitarbeit distanziert. In der Folge war auch kein verstärktes Bemühen Hayms zu erkennen, direkt auf Droysen einzuwirken. Dafür wandte er sich mit der Bitte um Vermittlung fähiger Autoren an liberale Mitstreiter370 und altliberale Abgeordnete, um „uns klar zu Gemüte zu führen, daß die Berliner Politische Correspondenz der Ruin der Jahrbücher werden muss, wenn sich nicht ein zuverlässiger Mann dafür gewinnen läßt“371. Georg Beseler erklärte er, die Altliberalen seien „solidarisch verpflichtet […], mir es möglich zu machen, die Jahrbücher […] als Parteiorgan zu erhalten“372. Der Aufruf an den altliberalen Rechtsgelehrten und Abgeordneten hatte zumindest zur Folge, dass dieser die Märzkorrespondenz 1861 beisteuerte. Übergangsweise übernahm Theodor von Bernhardi373 die Korrespondenzen (wenn sie unter seiner Feder auch nicht so genannt wurden), ihm folgte bis März 1862 Max Duncker. Zwei liberal-konservative, regierungstreue Altliberale kommentierten nun das politische Geschehen, in dem sich das Ende der liberalen Einheit in Preußen deutlich abzeichnete. Dabei wandten sie sich gegen jeglichen Radikalismus in der Politik und das Schnüren der „parlamentarischen Siebenmeilenstiefel[]“374. Bedingt war dieser Kurs auch durch die Gründung der linksliberalen Deutschen Jahrbücher für Politik und Literatur, von denen sich die PJ deutlich absetzten.375 Bereits mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen prognostizierte Theodor von Bernhardi: „Alles wird von der moralischen Haltung dieses Landtags abhängen.“376 370
Haym erklärte Treitschke am 28. Dezember 1860 (StaBi Berlin, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 52), „daß mich jetzt Neumann, von der Regierung in Beschlag genommen, u[nd] wie er selbst sagt, seiner Unabhängigkeit beraubt, verläßt. Ich kann Ihnen nicht widersprechen, daß mir mit officiösen Correspondenzen jetzt am allerwenigsten gedient ist. Empfindliche Wahrheiten müssen gesagt werden. Aber von wem? Für Geld ist kein brauchbarer […] Correspondent zu bekommen. Wenn Sie auch nur einen Einfall in dieser Beziehung haben, so teilen Sie ihn mit.“ Ebenso an Sybel, 28. Dez. 1860 (GStA PK, VI. HA, NL Sybel, B I Nr. 16 – 16a, Bl. 280 ff.). 371 Haym an Georg Reimer am 23. Februar 1861 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 372 Übermittelt ebd. Auch noch im April 1861 thematisierte Haym die mögliche Rückkehr Neumanns zu den PJ. 373 Am 29. Dezember 1860 hatte Haym an Reimer geschrieben, dass Neumann unwiederbringlich verloren sei, er über dessen Ersatz aber schweigen müsse (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 374 Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. Juli, in PJ VIII, 1 (1861), S. 88. Vgl. Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 22 und Westphal, Staatsauffassung, S. 170. 375 Vgl. Westphal, Staatsauffassung, S. 168 und Haym an Karl Klüpfel am 28. September 1861 (UB Tübingen, NL Klüpfel, Md 756 – 16, Bl. 289/90). Eine einfache Erklärung für die Haltung der PJ liefert Fülling, ebd., S. 24: „Etwas anderes ist […] bei einer Zeitschrift nicht zu erwarten, deren Mitarbeiter Wehrenpfennig und Neumann Hilfsarbeiter im Ministerium waren.“ Dabei übersieht er, dass Neumann zu dieser Zeit nicht mehr Autor der PJ war und Wehrenpfennig erst ab Herbst 1862 regelmäßig Korrespondenzen schrieb. 376 von Bernhardi, Die Situation beim Regierungswechsel, in PJ VII, 1 (1861), S. 73 ff., hier S. 82.
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Er hoffte auf ein Ende des Prinzipienstreits, auf Festigkeit im Großen, Nachgiebigkeit im Kleinen und legte wenig Wert auf ein Gesetz zur Ministerverantwortlichkeit: „[V]erfassungstreue Minister werden sich verantwortlich fühlen, solche, die Unrecht nicht scheuen, wird ein Specialgesetz nicht mehr binden als ein Paragraph der Verfassung.“377 Wichtiger war ihm die Beamtenverantwortlichkeit, um ungesetzliche Staatsdiener endlich bestrafen zu können. Die Unabhängigkeit des Rechtssystems zu sichern sei Aufgabe des neuen Justizministers von Bernuth.378 Die von den PJ proklamierte liberale Einheit zerfiel indes zusehends, zunächst innerhalb der Presselandschaft. Nachdem die Wochenschrift des Nationalvereins im Sommer 1860 altliberale Abgeordnete heftig kritisiert hatte, empfahl Rudolf Haym, „dergleiche Differenzen nicht thöricht zu vergrößern“379. Die Grenzboten argumentierten zugunsten einer Koalitionswürdigkeit der Demokratie, die bereits auf linksliberale Positionen eingeschwenkt sei, forderten konzessionsbereite Demokraten zum Eintritt in den Nationalverein auf und unterschieden sich damit zutiefst von den PJ.380 Während Haym und seine Korrespondenten das Ministerium der Neuen Ära auf publizistischem Wege zu stabilisieren versuchten, schrieb die Nationalzeitung: „Stillstand, Hemmung, Tendenzgeist; das sind die Merkmale einer Zeit, die vor drittehalb Jahren als eine reformatorische ausgerufen wurde.“381 Es bedurfte des Abgeordneten Georg Beseler, um in den PJ das „Zerwürfnis in der großen liberalen Partei“382 zu thematisieren, provoziert von Abgeordneten wie Schulze-Delitzsch und Waldeck mit ihren Reden über die Fehler der Gemäßigten.383 Eine entschlossene liberale Regierung müsse nun das Lager wieder vereinen und dem Herrenhaus entgegentreten, das weiterhin wichtige Beschlüsse wie die Zivilehe und die Grundsteuer blockiere. 377
von Bernhardi, Die Situation beim Regierungswechsel, S. 83. Vgl. ebd. und von Bernhardi, Politische Korrespondenz vom 10. Februar, in PJ VII, 2 (1861), S. 161 ff., hier S. 164. 379 Haym, Notizen, in PJ VI, 2 (1860), S. 215 ff., hier S. 215, Fußnote. Ebenso Haym an Duncker um den 4. August 1861: „Dieser Tage war aber auch ein gewisser Giseke aus Dresden bei mir, ein rechtes Modell eines liederlichen Feuilletonisten, den hat er zum Redakteur einer eigenen Koburger Zeitung engagiert!! Der Mensch hatte die rohsten politischen Anschauungen im Kopf und tat, als ob die Revolution in Deutschland morgen ausbrechen könne, wenn Preußen sich nicht ,an die Spitze der Bewegung‘ stelle […]. Ich riet dem Giseke, nachdem ich ihm einige konservative Gesichtspunkt entwickelt, sich, ehe er den Koburger Moniteur zu schreiben anfange, die Sachen in Berlin selbst einmal anzusehen.“ (In Schulze, Briefe Dunckers, S. 293 f.). 380 Vgl. Thormann, Grenzboten, S. 59 f.; die Position von PJ und Grenzboten war demnach mitnichten identisch, wie Widhammer, Literaturtheorie, S. 13, behauptet. 381 Nationalzeitung vom 14. März 1861 (zitiert in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 201). 382 Beseler, Politische Korrespondenz vom 16. März, in PJ VII, 3 (1861), S. 260 ff., hier S. 265. 383 Auch Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. Juli, in PJ VIII, 1 (1861), S. 85, berichtete von demokratischen Tendenzen im Abgeordnetenhaus: Rheinische und westfälische Mitglieder seien aus der Fraktion Vincke ausgetreten, weil sie – wie die PJ – mit dem wenig entschlossenem Ministerium unzufrieden seien. 378
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„An ihr ist es, zu zeigen, daß auch der Weg der Mäßigung und des Rechts ein Weg des Fortschrittes ist. Eine stagnirende, plan- und entschlußlose Politik entzieht dem Zusammenwirken der liberalen Elemente jeden positiven Boden. Das Selbstgefühl und die moralische Macht einer politischen Partei kann sich […] nur in Erfolgen oder in Angriffen behaupten. Will die Regierung die letzteren vermeiden, so wird sie sich und ihre Freunde durch die ersteren von Neuem zu Herren der Situation zu machen haben.“384
Mit dem Programm der Fortschrittspartei beschäftigten sich die PJ kaum, Duncker erwähnte lediglich, dass es nach „langwierigen und mühseligen Berathungen“ entstanden sei und man nicht in der Lage sei, „dasselbe auch für das Programm unserer, der constitutionellen Partei gelten lassen zu können“. Gleichzeitig übte er Kritik an der altliberalen Fraktion Vincke: hätte diese die Vorlagen zur Heeresreform passieren lassen, wären weder der Landtag aufgelöst, noch Neuwahlen ausgerufen oder die Fortschrittspartei gegründet worden.385 Eine besondere Angst herrschte unter den Altliberalen davor, dass ein Erfolg der Fortschrittspartei zu einem konservativen roll-back in der Regierung führen könne. „Sobald die Feudalen dem Könige tatsächlich sagen können, der Liberalismus hat wieder nichts weiter vermocht als die Demokratie heraufzubeschwören, so ist dies Ministerium unrettbar verloren, an welchem doch, wie herabgekommen es sein mag, die Hoffnung hängt, Preußen zusammenzuhalten und Deutschland zu gewinnen.“386 Obwohl Liberale wie Haym, Mommsen und Treitschke die Öffnung nach links im Prinzip befürworten, kamen sie zum gleichen Schluss. Wenn „die sog[enannte] ,entschiedene Fortschrittspartei‘ ihrerseits den Kampf anfängt, so muss die constitutionelle Partei nicht minder Farbe bekennen, denn es ist klarer als die Sonne, daß, wie bei uns in Preußen die Verhältnisse sind, diese Herren mit ihrer Opposition gegen die Heeresorganisation und ihrem Zerren an dem dermaligen Ministerium, wenn sie damit durchdrängen, nichts Anderes herbeiführen würden als eine Bewegung nach rückwärts, eine wenigstens halb feudales Ministerium, wovon uns Gott bewahre.“387
Zur Abgrenzung von der Fortschrittspartei diente den Altliberalen die Auseinandersetzung um das Herrenhaus und die Huldigung König Wilhelms I. Die neue Bewegung forderte eine Herrenhausreform bis hin zur Abschaffung aller aristokratischen Elemente. Duncker nahm die Annahme der Grundsteuer durch das Herrenhaus im Mai 1861 zum Anlass für eine Replik: „Wir glauben nicht, daß die Interessen und Kräfte des Bürgerthums und des kleineren Grundbesitzes ausreichen, um ein gesundes und volles politisches Leben in unserm Lande 384 Beseler, Politische Korrespondenz vom 16. März 1861, S. 267. Vgl. auch Krohn, Haym, S. 123 f. 385 Alles in: Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. Juli, in PJ VIII, 1 (1861), S. 84 und S. 85. 386 Duncker an Sybel am 18. November 1861 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 70 f.). 387 Haym an Karl Klüpfel am 28. September 1861 (UB Tübingen, Md 756 – 16, NL Klüpfel, Bl. 289/90).
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nicht bloß aufzurichten, sondern regelmäßig und allseitig zu ernähren. Wir müssen die Elemente, welche wir zu einer Aristokratie besitzen, benutzen, wir müssen dieselbe selbst wider ihren Willen zu einer politischen machen.“388
Die Krönung Wilhelms am 18. Oktober 1861 in Königsberg wurde in den PJ als Zeichen für das enge Band zwischen Monarchie, Volk und gemäßigten Volksvertretern dargestellt389 – auch wenn die private Meinung der Autoren eine andere war. So hatte sich Max Duncker bereits über das gesteigerte Zeremoniell am Hof beklagt und hinzugefügt: „Überdies sind wir seit dem Thronwechsel sehr viel konservativer geworden und was an Kraft übrig ist, geht in inneren Friktionen verloren.“390 Rudolf Haym hatte im Sommer 1861 eine Korrespondenz Dunckers zum Thema Huldigung so weit redigiert, dass „nach unserem Standpunkt, die ganze Formalität auch hätte können fallen gelassen werden“391. Je näher die Wahlen im November 1861 rückten, desto mehr betonten die PJ ihre Nähe zur Staatsführung: Es gelte, sich weiterhin vor übermäßigen Forderungen fern zu halten und die liberale Einheit zu erhalten. Denn eine Spaltung in Liberale und Demokraten führe zum Bruch zwischen Abgeordnetenhaus und Ministerium und somit zu einer – von der Kreuzzeitung gewünschten – bürokratisch-feudalen Folgeregierung. „[A]uch die Selbstüberwindung ist That. […] Die liberale Partei betrachtet die Verhältnisse des Landes objectiv, und ist aus diesem Grunde der Ansicht, daß die Fortdauer eines auch nur mäßig freisinnigen und nationalen Regiments dem Lande wie der liberalen Partei selbst heilbringend genug sei, um nicht durch mindestens höchst gewagte Experimente auf das Spiel gesetzt zu werden […].“392 Darüber hinaus empfahl Max Duncker den Altliberalen, ein Programm zu erstellen, um bei der bevorstehenden Wahl überhaupt eine Chance auf den erneuten Sieg zu haben393 – und die gehorchten. Im Oktoberheft der PJ erschien ein fast hundertseitiger Rechenschaftsbericht für die vergangene Legislaturperiode, „durch 388 Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. Mai, in PJ VII, 5 (1861), S. 482 ff., hier S. 488. 389 Vgl. Schrader, Aus Königsberg am 19. Oktober, in PJ VIII, 4 (1861), S. 420 ff. Die Urheberschaft der Korrespondenz aus Königsberg klärt sich im Brief Hayms an Duncker vom 6. Oktober 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 176/177): „Schrader hat sich bereit erklärt, den Krönungsbericht zu schreiben.“ 390 Duncker an Heinrich von Sybel am 11. Januar 1861 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 53). 391 Haym an Max Duncker am 27. Juli 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 188/9). 392 Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. Juli, in PJ VIII, 1 (1861), S. 87 f. Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 14. Oktober, in PJ VIII, 4 (1861), S. 413 ff., hier S. 419. 393 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 14. Oktober 1861, S. 418 f. Haym betonte in seiner Autobiographie (Aus meinem Leben, S. 279), man habe im Kampf gegen „Sturm und Windstille […] den schwersten Stand zwischen der schonenden, rücksichtsvollen Vertheidigung und der treibenden, vorwärtsdrängenden Kritik“.
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welchen noch eine Einwirkung auf die Wahlen geübt werden soll“394, gezeichnet vom Abgeordneten Moritz Veit. Rudolf Haym erläuterte: „Es ist nicht Veit’s, sondern eine Kollectivarbeit. Leider habe ich nur die Correktur gelesen u[nd] nur einige Überflüssigkeiten u[nd] stilistische Monstra noch beseitigen können. Erwarten Sie ja nicht zu viel, namentlich nichts sehr Durchschlagendes. Das Ganze ist viel zu lang, u[nd] mischt Wichtiges u[nd] Unwichtiges mit derselben urtheils- und geschmacklosen Langweiligkeit, welche die Sitzungen charakterisirte. Nichts desto weniger ist Vieles (z[um] t[eil] über die Armeereform) recht gut; man hat das Material einmal beisammen; der Bericht muß nach Kräften verbreitet und ausgebeutet werden.“395
Grundsätzlich empfahl der Rechenschaftsbericht, das mit der Neuen Ära Begonnene weiterzuführen, begründete das Prinzip des „Nur-nicht-Drängens“ als eine allgemein geteilte Auffassung und verteidigte das Nachgeben im Kleinen zum Wohl einer stabilen Regierung. Nur Ruhe und Kompromissbereitschaft könnten den Altliberalen den Sieg bringen, der Zeitpunkt für Opposition gegenüber der Regierung sei noch nicht gekommen, da diese noch immer den feudalen Kräften entgegentrete. Im Gegensatz dazu führe das populistische Programm der Fortschrittspartei mangels Kompromissbereitschaft zur Revolution.396 Den „Kampf um die verfassungsmäßige Ordnung des ländlichen Gemeinwesens“397 betonten die Altliberalen besonders. Die wichtigste verfassungsrechtliche Änderung sei die Reform der Grundsteuer als Vorbedingung für die neue Gemeinde-, Kreis- und Provinzialordnung. Die Regierung habe die Notwendigkeit dieser Revision erkannt, aber zögerlich agiert und den Entwurf einer neuen Kreisordnung für die östlichen Provinzen erst im März 1861 vorgelegt.398 Ein Schritt zur „wahrhaft volksthümliche[n] Gestaltung unseres Rechtswesens“399 und zur nationalen Rechtseinheit sei der Entwurf zu einem allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuch, der zum 1. April 1862 in Kraft treten solle. Dieser wurde „mit lebhaften Zeichen des Beifalls aufgenommen“400. Dennoch bedauerten die Altliberalen, „daß es noch immer nicht gelungen ist, für die […] Staaten des deutschen Bundes eine politische Organisation zu schaffen, bei der neben einer starken, einheitlichen Bundesregierung in Fragen der Gesetzgebung eine gemeinsame Volks- und Staatenvertretung entscheidend mitzuwirken hat“401. 394
Haym an Treitschke am 22./23 Oktober 1861 (StaBi Berlin PK, NLTreitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 63). 395 Haym an Wilhelm Dilthey am 18. Oktober 1861 (in Kühne-Betram/Lessing, Briefe Diltheys I, S. 197 f.). 396 Veit, Die Legislaturperiode des Hauses der Abgeordneten 1859 – 1861. Ein Rechenschaftsbericht, in PJ VIII, 4 (1861), S. 315 ff., v. a. S. 318 ff. und S. 402. 397 Ebd., S. 352. 398 Vgl. ebd., S. 354. 399 Ebd., S. 374. 400 Ebd., S. 378. 401 Veit, Rechenschaftsbericht, in PJ VIII, 4, S. 378 f.
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Die Heeresreform war für die Altliberalen aus außenpolitischer Sicht notwendig, ebenso die Abschaffung der Landwehr wegen ihrer militärischen Mängel. Im Gegensatz zu manchen bis dato geäußerten Stimmen in den PJ weigerte man sich aber, den finanziellen Forderungen der Regierung zuzustimmen und von der zweijährigen Dienstzeit abzurücken. Man berief sich „auf früher gemachte Erfahrungen und glaubte einen Ersatz der geringeren Ausbildung in der für den Krieg zu erwartenden Begeisterung, in der volksthümlichen, alle Stände umfassenden Organisation des Heeres zu finden […]. Man stellte der technischen Frage die politische und volkswirthschaftliche gegenüber, und hob außer dem finanziellen Nachtheile der dreijährigen Dienstzeit die Schwächung der nationalen Arbeitskraft bei der consequenten Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht hervor.“402 Der Kriegsdienst müsse durch eine Gesetzesnovelle geregelt werden. Eine weitere vorläufige Bewilligung des Militäretats schien unmöglich. Außerdem forderten die Altliberalen nachdrücklich eine Oberrechnungskammer zur Kontrolle des Staatshaushalts, um den Gesetzesvorbehalt nach Artikel 104 der Preußischen Verfassung zu schließen.403 Auch setzten sie sich ein für eine Senkung der Zölle, Staatskredite für den Bau der Eisenbahn, die volle Pressefreiheit und das Ende des Konzessionswesens in der Presse, die Zivilehe, die Religionsfreiheit und ein allgemeines Unterrichtsgesetz. Vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus Ende 1861 hatten sich die PJ mit dem Abdruck des wenig leserfreundlichen Rechenschaftsberichts deutlich als altliberales, regierungsfreundliches Organ positioniert. Sie führten in der preußischen Medienlandschaft einen einsamen Kampf für eine regierende Partei, die mangelnde Erfolge rechtfertigen musste, und konnten nur an die Kompromissfähigkeit und den Staatsgedanken hinter der Neuen Ära appellieren. Im Gegensatz dazu konnte die Fortschrittspartei mit einem Aufruf Karl Twestens glänzen, der in Folge seiner Flugschrift Was uns noch retten kann und des folgenden Duells mit dem Chef des Militärkabinetts Edwin von Manteuffel innerhalb weniger Monate zur anerkannten Symbolfigur des Linksliberalismus geworden war.404 Zudem riefen liberale Publikationen wie die Volkszeitung zur Unterstützung des Fortschrittsprogramms auf, das „die Wahl von festeren Charakteren […], die unter Umständen ebenso gegen wie für das Ministerium stimmen“, bezwecke.405 Ein Zirkularerlass des Innenministers tat sein übriges, um die altliberale Position weiter zu schwächen und eine heftige Polemik der konservativen Presse auszulösen406: Maximilian Graf von Schwerin hatte von den Ober- und Regierungspräsidenten 402
Veit, Rechenschaftsbericht, in PJ VIII, 4, S. 386. Vgl. Paetau, Regierende Altliberale, S. 181 f. 404 Vgl. Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 24 f. 405 Aus der Berliner Volkszeitung Nr. 176 vom 31. Juli 1861 (in Frölich, Volkszeitung, S. 238 f.). 406 In der Kreuzzeitung vom 8. November 1861 schrieb zum Beispiel Gerlach dagegen an (vgl. Kraus, Gerlach, S. 731). 403
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unbedingten Gehorsam – also Stimmen – gefordert. Das kam amtlicher Wahlbeeinflussung gleich, gegen die er sich während der Reaktionszeit noch heftig ausgesprochen hatte. Unter denkbar schlechten Voraussetzungen gingen die Altliberalen also in die Wahlen vom 6. Dezember 1861.
V. Bundes- und Außenpolitik im Zeichen der innenpolitischen Krise 1. Das politische Geschehen Der Heereskonflikt ließ die Bundes- und Außenpolitik Preußens in den Hintergrund treten, zumal diese kaum Fortschritte machte. Preußens Stellung im Deutschen Bund entsprach bei weitem nicht seiner Macht. Vorschläge zur Umgestaltung des Bundes gingen zunächst von der Würzburger Koalition des Dritten Deutschland aus. Preußen antwortete mit einem Reformantrag zur Bundeskriegsverfassung, der eine dauerhafte Teilung der Bundesfeldherren zwischen Preußen und Österreich vorsah, was wiederum die Mittelstaaten ablehnten. Auch dem von den Liberalen geforderten Eingreifen in Schleswig-Holstein kam die Regierung nicht nach.407 Außenminister von Schleinitz sah sich deshalb heftiger Kritik ausgesetzt. Bereits Anfang 1860 kamen Gerüchte auf, dass Bismarck seine Nachfolge antreten würde.408 Auch der Fürstentag von Baden-Baden im Juni 1860 brachte keinen Schwung in die Deutschlandpolitik. Der französische Kaiser Napoleon III. hatte versucht, sich Preußen freundschaftlich zu nähern und so eine Allianz zwischen Preußen, Österreich und England zu verhindern. Weil Wilhelm fürchtete, dass Gerüchte über preußische Zugeständnisse an Frankreich auf Kosten seiner Bundesgenossen entstehen könnten, sagte er ein Treffen ab. Inzwischen wünschten die Könige von Bayern und Württemberg, mit Wilhelm persönlich über die deutschen Angelegenheiten zu sprechen. Letztlich kamen in Baden-Baden achtzehn deutsche Fürsten und der französische Kaiser zusammen.409 407 „Verlassen wir uns nur auf uns selbst und suchen wir da, wo wir können, unser gesunkenes Ansehen zu heben, darum nochmals: Schleswig-Holstein!“, schrieb Max Duncker am 9. Februar 1860 an Heinrich Geffcken (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 262). Vgl. ebenso Heinrich von Treitschke an Franz Overbeck am 3. Dezember und an Rudolf Haym am 24. Dezember 1860 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 115 f.). 408 Über dieses Gerücht wurde Duncker vom Legationsrat von Zschock am 21. Januar 1860 informiert (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 183 f.), der hinzusetzte, der Name Bismarck allein genüge, „eine Scheidung zwischen Preußen und dessen bisherigen Bundesgenossen zu bewirken, […] dieser Name ist zugleich – sei es mit Recht oder Unrecht – jedem Freunde Preußens in Deutschland in tiefster Seele verhaßt.“ 409 Die Zeitgenossen hatten vor dem Treffen keine großen Hoffnungen, so zum Beispiel Treitschke im Brief an seinen Vater am 19. Juni 1860 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 89 f.).
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Bei dem Treffen der versammelten Fürsten410 konnte der preußische Regent seine Autorität festigen, trat als primus inter pares auf und versprach, den deutschen Territorialbestand zu schützen. Napoleon, der den preußisch-österreichischen Dualismus für eigene Annexionswünsche ausnutzen wollte, musste sich angesichts der geschlossenen Front deutscher Souveräne auf Friedensbeteuerungen beschränken.411 Deutschlandpolitisch aber waren die Ansichten der Teilnehmer so widersprechend, dass selbst eine mittelfristige Einigung unmöglich schien. Bei den Sondierungen von Teplitz Ende Juli 1860412 rang der österreichische Kaiser Franz Josef dem preußischen Regenten die Zusage ab, den wechselnden Bundesvorsitz nicht mehr anzustreben und bei einem Angriff auf Venetien an Österreichs Seite zu kämpfen.413 Die Konsequenzen dieser Geheimvereinbarung brachte Huber auf den Punkt: „Die parlamentarische Opposition in Preußen hatte allen Grund, in der Frage der Heeresreform unzugänglich zu bleiben, nachdem die Regierung so eindeutig für Österreich Stellung bezogen hatte. Umgekehrt distanzierte Österreich sich mit der Teplitzer Vereinbarung von […] den Mittelstaaten der Würzburger Koalition. Denn es musste sich die preußische Beistandszusage erkaufen, indem es die bisherige Konsultationspflicht durch eine Kooperationsabrede für alle Bundesangelegenheiten ersetzte. Auf seine antipreußische Bundespolitik im Sinn der Würzburger Koalition leistete Österreich […] Verzicht.“414
In Österreich selbst hatte die Niederlage in Italien für den Zusammenbruch des Neoabsolutismus gesorgt. Eine Verfassung war zwingend nötig geworden, um den Staat auf stärkere gesellschaftliche und ökonomische Kräfte zu gründen, um deutsche Politik zu machen und um Versöhnung mit den nationalen Kräften zu erreichen. Dass diese Ziele „zueinander in Spannung standen, machte einen Teil des Dilemmas der österreichischen Verfassungspolitik aus. Darum auch entwickelte sie sich als eine Abfolge von Experimenten.“415 Das Oktoberdiplom von 1860 begründete einen konservativen Föderalismus mit Fokus auf Ungarn. Die Kronländer sollten autonom wiederhergestellt, Gesetze und Steuern von einem Reichsrat aus ernannten (Landtags-)Mitgliedern erlassen werden. Das Februarpatent 1861 des neuen leitenden Staatsministers von Schmerling schuf ein Gesamtstaatsparlament mit Herrenhaus 410 Vgl. Herre, Wilhelm I., S. 275 f.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 403 f.; Schroth, Liberalismus, S. 76. 411 Max Duncker begleitete den preußischen Ministerpräsidenten Fürst Hohenzollern nach Baden-Baden und schickte Anweisungen für die Presse an seinen Mitarbeiter Hermann Baumgarten in Berlin, so am 16. Juni 1860 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 208): „[N]achdrücklich vorzubeugen“ sei der Interpretation des Treffens als Huldigung für Napoleon. Man solle hervorheben, dass die Fürsten Deutschlands einmütig zusammenstehen. 412 In diesem Zusammenhang reiste Minister Rudolf von Auerswald nach Wien. Duncker riet ihm am 4. Juli 1860 (in Schulze, ebd., S. 209 f.) davon ab, da man Österreich bereits genug entgegengekommen sei. 413 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 129 ff. und Müller, Deutscher Bund, S. 324 f. 414 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 405, vgl. ebd., S. 399 ff. 415 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 702.
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und Abgeordnetenhaus, das von den Landtagen gewählt und mit vollen Legislativrechten ausgestattet wurde. Die konstitutionell-liberale Verfassungspolitik Österreichs geschah mit Blick auf den Deutschen Bund. Die Legitimität und Resonanz der Donaumonarchie war gestärkt. Die Liberalisierung in Österreich, der Thronwechsel in Preußen und das kurz vor dem Abschluss stehende Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch416 ließen die Hoffungen auf eine Bundesreform wieder aufkeimen. Doch die Berliner Konferenzen im Frühjahr 1861 verliefen ergebnislos. Österreich lehnte alle Forderungen des konfliktgeschwächten Preußen ab: eine Defensivallianz gegen Frankreich, die preußische militärische Hegemonie über Norddeutschland, einen alternierenden Bundesvorsitz und den Verzicht Österreichs auf die Unterstützung der Würzburger Koalition.417 Das Scheitern der Verhandlungen brachte Letztere zurück ins Spiel. Doch weder ein Reformplan des badischen Außenministers von Roggenbach noch einer des sächsischen Ministerpräsidenten von Beust konnten Preußens Ansprüche befriedigen. Zudem zeigte sich, dass das liberale System in Österreich instabil war: im August 1861 wurde in Ungarn der Landtag aufgelöst und im November der Belagerungszustand verhängt. Auch die Entwicklung in Italien war für den Deutschen Bund ein Grund zur Sorge, weil der österreichische Besitz dort stark gefährdet war. Noch vor Kriegsende hatten Aufständische in der Toskana, Parma und Modena die habsburgischen Landesherren gestürzt und den päpstlichen Legaten aus der Romagna vertrieben. Volksabstimmungen in diesen faktisch noch immer österreichischen Gebieten brachten eine überwältigende Mehrheit für einen Anschluss an das Königreich Sardinien-Piemont. Volksabstimmungen am 21. Oktober 1860 besiegelten den Anschluss Neapels und Siziliens – das Freiwilligenverbände unter Giuseppe Garibaldi unter ihre Kontrolle gebracht hatten – und damit die fast vollständige Einheit Italiens. Am 17. März 1861 schließlich wurde Viktor Emanuel II. zum König von Italien ausgerufen, Ministerpräsident Cavour amtierte jedoch nur drei Monate, dann starb er im Juni 1861. In dieser für Österreich ungünstigen Lage belebte der neue preußische Außenminister von Bernstorff die alte Idee des engeren und weiteren Deutschen Bundes. Im engeren Bundesstaat sollte Preußen die diplomatische und militärische Hegemonie zufallen. Damit hätte man Österreich komplett von den engeren deutschen Angelegenheiten ausgeschlossen. Mit identischen Noten vom 2. Februar 1862418 wehrten
416 Nach 589 Sitzungen in vier Jahren hatte der handelspolitische Ausschuss der Bundesversammlung am 31. Mai 1861 das Handelsgesetzbuch fertig gestellt. Das preußische Abgeordnetenhaus nahm es einstimmig an, Skeptiker im Herrenhaus wurden überstimmt. 417 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 132 ff. und Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 406 ff. 418 In Huber, Dokumente II, S. 109 ff.; die preußische Antwort vom 14. Februar ebd., S. 111 f.
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sich die Staaten der Würzburger Koalition gegen den Entwurf eines preußisch-hegemonialen Bundesstaats. Nach dieser herben Niederlage erklärte die preußische Führung ihre deutschlandpolitische Offensive für beendet; das war aber nur die halbe Wahrheit, sorgte man doch zeitgleich mit einem Handelsvertrag mit Frankreich für Aufsehen.419 Einerseits sollte der Freihandel die Garantie für den weiteren wirtschaftlichen Aufschwung darstellen, andererseits wollte ihn Preußen zur Neuorganisation des Zollvereins unter seiner Führung nutzen. Die endgültige Ausarbeitung des Vertrages im März 1862 war bereits ohne Konsultation des Zollvereins geschehen – gleichzeitig eine preußische Provokation und Machtdemonstration. Österreich freundlich gesinnte Staaten wie Bayern, Württemberg, Hannover, Hessen-Darmstadt und Nassau lehnten den Vertrag daher ab. Die preußische Führung war bereit, den Zollverein zu opfern, zumal Österreich nun verstärkt seine Aufnahme in diesen forderte. Der folgende Notenkrieg gipfelte im Juli 1862 in der Anerkennung des Königreichs Italien durch Preußen. Auch der preußische Landtag votierte kurz darauf fast einstimmig für den Handelsvertrag, der Deutsche Handelstag in München sprach sich ebenfalls für die Ratifizierung aus. Währenddessen startete Österreich abermals Initiativen zur Bundesreform. Die Ziele waren die Erweiterung des Bundeszwecks, die Gesetzgebung durch ein Delegiertenparlament, gemeinsames Bundesgericht und Exekutive. Die Mittelstaaten und der Deutsche Reformverein420 befürworteten das Projekt, Preußen setzte ihm erbitterten Widerstand entgegen.421
2. Die außenpolitische Entwicklung in der Beurteilung der PJ Auch im Nachgang des Krieges in Italien spielte die Außenpolitik in den PJ eine wichtige Rolle. Nach dem Grundsatz der Altliberalen war eine energische Außenpolitik Grundlage für die Liberalisierung im Innern. Die PJ positionierten sich mit eigenen Vorschlägen vor allem in den Korrespondenzen von Neumann, Duncker und Bernhardi. Alle teilten sie die Kritik an der Konzept- und Handlungslosigkeit der
419 Für die traditionell protektionistische französische Wirtschaftspolitik bedeutete der Vertrag, gemeinsam mit dem Handelsabkommen mit England, eine „sensationelle Wende“ (Brandt, Deutsche Geschichte, S. 136). Vgl. Börner, Krise der Monarchie, S. 192 f.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 616 ff. und Nirrnheim, Bismarck und die öffentliche Meinung, S. 432 ff. 420 Zum im Oktober 1862 gegründeten Reformverein Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 396 ff. 421 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 140 und Müller, Deutscher Bund, S. 338.
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aktuellen Regierung und den Wunsch nach Selbständigkeit der preußischen Außenpolitik vom Deutschen Bund.422 Die Ausgangslage barg Chancen wie Risiken und wurde in Neumanns Korrespondenzen des Frühjahres 1860 so skizziert: Europa sei gespalten, Preußen außenpolitisch isoliert, seine Nachbarstaaten innerlich zerrissen und gewillt, sich durch außenpolitische Erfolge auf Kosten Preußens zu stabilisieren. Die deutschen Staaten seien außenpolitisch handlungsunfähig und vom um Savoyen und Nizza vergrößerten Frankreich bedroht.423 Ein europäischer Krieg stehe bevor, weil Frankreich erneut in Italien gegen Österreich ziehen und dann das Rheinland angreifen werde. „Deutschland ist das nächste Object für Frankreichs Begehrlichkeit, das einzige, welche Frankreichs Vergrößerungssucht wirklich befriedigen kann.“424 Preußen könne das entstandene Machtvakuum in Europa füllen, wenn es sich zur treibenden Kraft in einer antifranzösischen Koalition mit Österreich und England mache – allerdings sei dafür in der Donaumonarchie eine neue Regierung nötig, England müsste zudem seine freundschaftlichen Verbindungen zu Frankreich beenden.425 Eine Initiative sei „nur von Preußen zu erwarten. Und dieser Staat ist dazu ebenso berufen wie verpflichtet.“426 Leider stoße man aber auf „Ungewißheit, […] wo wir nach der auswärtigen Politik Preußens fragen“427. Im Jahr 1860 kreiste die außenpolitische Berichterstattung der PJ fast gänzlich um Italien.428 Die dortigen Ereignisse interpretierte man als Zeichen dafür, dass „Absolutismus und Hierarchismus nirgends mehr die Bedürfnisse europäischer Völker befriedigen kann“429. Die Verselbständigung der italienischen Nationalbewegung betrachteten die Korrespondenten der PJ430 wegen der revolutionären Mittel skep422 Vgl. Max Duncker an Heinrich von Sybel am 11. Januar 1861 und Wilhelm Wehrenpfennig an Hermann Baumgarten am 8. Juni 1861 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 53 und S. 67), ebenso von Bernhardi, Die Situation beim Regierungswechsel, in PJ VII, 1 (1861), S. 73 ff., v. a. S. 81. 423 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz von Ende März, in PJ V, 4 (1860), S. 392 ff. 424 Ebd., S. 397. 425 Vgl. auch Wassmann, Österreich in den PJ, S. 53 und Riethmüller, Russlandberichterstattung der PJ, S. 7. 426 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende März 1860, S. 397. 427 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende Februar, in PJ V, 3 (1860), S. 299 ff., hier S. 301. Ähnlich Baumgarten, Zum Jahresanfang, in PJ V, 1 (1860), S. 1 ff., hier S. 9. 428 Eine genaue Interpretation und Einordnung der Texte liefert Richter, Garibaldis Zug der 1000, der außerdem die Augsburger Allgemeine Zeitung und die Kreuzzeitung des Jahres 1860 analysiert hat. 429 Baumgarten, Zum Jahresanfang 1860, S. 5. 430 1860 berichteten aus Italien: Pietro Peverelli mit Korrespondenzen in PJ V, 2 und 6 sowie PJ VI, 2 und 4; ein Brief Peverellis aus Turin vom 30. August 1860 zu den „wichtigsten politischen Vorkommnissen“ findet sich in ULB Halle, NL Haym, YI 23 II a2, Mappe 1 Varia. Damit bestätigt sich Richters Vermutung über die Autorenschaft Peverllis (vgl. Garibaldis Zug der 1000, S. 47). Auch Erdmannsdörffer lieferte in PJ V und VI Berichte aus Rom, Florenz, Pisa und dem Kirchenstaat, wie er es Haym am 11. Januar 1860 versprochen hatte (ULB Halle, NL
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tisch. Doch waren sie voller Bewunderung dafür, dass die nationale Unabhängigkeit „dem Volke ein Heiliges geworden [sei] von zweifellosester Glaubwürdigkeit“431 und sprachen sich gegen Einmischung aus. Das galt für Garibaldis „Zug der Tausend“, die Besetzung des Kirchenstaates durch piemontesische Truppen und Garibaldis Verzicht auf seine Diktatur zugunsten des Königs Viktor Emanuel. Die nationale Politik Italiens sei jedoch auch von Unheil, weil sie revolutionäre Umtriebe schüre (wie Garibaldis republikanische Diktatur in Sizilien) und sich am französischen Vorbild orientiere (wie Cavours Politik der Einigung über Volksabstimmungen).432 Die Hoffnung einer Emanzipation der italienischen Nation von Frankreich bestimmte auch die Berichte über die Auseinandersetzung im Kirchenstaat. Zur Sicherung der weltlichen Macht des Papstes – die der italienischen Einheit zuwiderlaufe – hatte Napoleon III. etwa 40.000 Soldaten stationiert. Als die ersten zu den italienischen Truppen überliefen, hofften die PJ auf eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Sardinien-Piemont und Frankreich.433 Andererseits war klar: Napoleon würde sich das Ende der weltlichen Macht des Papstes bezahlen lassen. „[E]r würde einen Preis fordern, dessen Gewährung Europa noch mehr verwirren und in einen neuen Strudel blutiger Kämpfe stürzen müßte.“434 Die Lage in Italien war seit dem zweiten Halbjahr 1860 verworren, das machte die Berichterstattung in den PJ ebenso deutlich wie die Korrespondenz der Autoren.435 „Die Veränderungen […] sind von so bedeutender Art, daß ich Ihnen in der kurzen Haym, Yi 23 IV E 5): „Ihre Aufforderung in Betreff einiger Correspondenzen für die Preuß [ischen] Jahrbücher ist mir ebenso erfreulich als ehrenvoll gewesen.“ Er informierte Haym außerdem, bereits für die Süddeutsche Zeitung aus Italien berichtet zu haben. Zuletzt beeindrucken die Sizilischen Briefe Otto Hartwigs in PJ VI, 1 und 3 (alle 1860), in die Lebensumstände und der Aufstand unter Garibaldi beschrieben werden. 431 Erdmannsdörffer, Aus Italien (Pisa, Mitte Februar) in PJ V, 3 (1860), S. 311 ff., hier S. 316. Vgl. Peverelli, Sardinien und die Annexionen, in PJ VI, 1 (1860), S. 53 ff., besonders S. 84. 432 Vgl. Abel, Das Priesterregiment im Kirchenstaat, in PJ VI, 5 (1860), S. 449 ff., hier S. 482 f. 433 Vgl. zum vorherigen Erdmannsdörffer, Aus dem Kirchenstaat, in PJ VI, 3 (1860), S. 302 ff. 434 Abel, Das Priesterregiment im Kirchenstaat, S. 483. Vgl. auch den Brief Theodor von Bernhardis an Gustav Freytag vom 29. Januar 1861 (StaBi Berlin PK, NL Freytag Nr. 57, Bl. 5/ 6; acc. Darmst. 1920.332). 435 Auch Richter, Garibaldis Zug der Tausend, S. 78 ff., spricht von einer „Flut von Korrespondenzen aus dem südalpinen Raum […] von verschiedenster Zuverlässigkeit und Qualität“ in der Augsburger Allgemeinen Zeitung (AAZ). Widersprüchlich berichtete die Kreuzzeitung über den Beginn der Erhebung auf Sizilien (vgl. ebd., S. 112 ff.), sah den Aufstand aber angezettelt vom „sardinischen Agenten“ (NPZ 97, 25. April 1860) Garibaldi. Seine Expedition sollte die konservativen Mächte zu einem kräftigen Einschriten „gegen das finstere Treiben der revolutionären Politik“ ermutigen (NPZ 114, 16. April 1860). Zuletzt zeigte die Berliner Volkszeitung uneingeschränkte Bewunderung für die Heroen des Risorgimento. Auf Cavour laste dennoch die Bürde des Bündnisses mit Frankreich, er agiere im Gegensatz zu Garibaldi aber umsichtig (vgl. Frölich, Volkszeitung S. 127).
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Zeit meines dreimonatigen Aufenthalts nicht werde Herr werden können, und ich muß mich in dem meisten auf die Darstellungen meiner Freunde verlassen“, schrieb Erdmannsdörffer.436 Als die Truppen Sardinien-Piemonts in den Kirchenstaat einmarschierten, warnten die PJ: „Die Ereignisse in Italien drängen ihrer Schlußkatastrophe entgegen“437 – und meinten damit eine Kettenreaktion von Bündnisverpflichtungen, an deren Ende eine zweite Front im Rheinland stehe. Denn selbst wenn Napoleon bereit sein sollte, den Kirchenstaat zu opfern und sich innenpolitisch somit weniger auf den Klerus zu stützen, so wolle er sich doch die deutschen Gebiete Tirol, Dalmatien und Istrien einverleiben. Venetien stehe auf der Liste seiner Begehrlichkeiten und auf der Sardinien-Piemonts. Dem müssten Österreich und Preußen vereint entgegentreten.438 Auch wenn die PJ die weitere Entwicklung in Italien mit großer Sorge betrachteten439, empfahlen sie – im Gegensatz zu vielen konservativen Publikationen440 – der eigenen Regierung dennoch, eine positive Politik gegenüber der italienischen Einheit zu verfolgen441. Denn moderate Politiker im Turiner Kabinett planten augenscheinlich, vor der Annexion weiterer Gebiete die „colossale und zeitraubende Arbeit“442 der inneren Gestaltung Italiens in Angriff zu nehmen. Werde diese Partei unterstützt, könne die Emanzipation Italiens von Frankreich vorangetrieben werden – und so ein Motiv für einen preußisch-französischen Krieg wegfallen. 436
Bernhard Erdmannsdörffer an Haym am 29. August 1860 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV E 7). Am 31. Januar 1861 schrieb er Haym, dass sein Informant in Rom Leopold von Pezold sei, ein Deutsch-Russe aus der Ostseeprovinz, der in Rom Maler werden wolle (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV E 8). 437 Neumann, Politische Korrespondenz von Mitte November, in PJ VI, 5 (1860), S. 516 ff., hier S. 516. Zum möglichen Krieg viele Briefe Max Dunckers in Schulze, Briefe Dunckers, S. 230 ff. 438 Vgl. von Bernhardi, Die Situation in Italien und an der Eider, in PJ VII, 2 (1861), S. 110 ff., hier S. 124 und von Bernhardi, Die Situation beim Regierungswechsel, in PJ VII, 1 (1861), S. 73 ff., hier, S. 78. Rudolf Haym berichtete Treitschke am 14. September 1860 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 49), er habe eine italienische Korrespondenz für die PJ „ihres gar zu sardischen Geschmacks wegen“ kassieren müssen. 439 Besonders lesenswert sind die Berichte aus Italien, die anschaulich die Stimmung in Stadt und Land beschreiben: Hartwig, Süditalische Zustände, in PJ VII, 1 (1861), S. 66 ff.; Herzberg, Zur neuesten Geschichte Italiens, in PJ VII, 2 (1861), S. 146 ff.; [anonym], Aus einem Privatbrief aus Rom, in PJ VII, 2 (1861), S. 175 ff. und Erdmannsdörffer, Die ewige Stadt und das Papsttum, in PJ VII, 3 (1861), S. 204 ff. 440 Das Preußische Wochenblatt forderte ein rasches Eingreifen gegen Sardinien-Piemont, weil die italienische Einheit deutsches Bundesgebiet bedrohe (vgl. dazu Neumann, Politische Korrespondenz von Mitte November, in PJ VI, 5 (1860), S. 519). Richter, Garibaldis Zug der Tausend, S. 96 ff., berichtet über schärfste Ablehnung der Augsburger Allgemeinen Zeitung gegenüber dem Eingreifen Turins im Kirchenstaat und Rom. Die Kreuzzeitung ergreife Partei für den Papst (vgl. ebd., S. 128 ff.), da sie Tradition und territoriale Integrität verteidige. 441 Vgl. von Bernhardi, Politische Korrespondenz vom 10. Februar, in PJ VII, 2 (1861), S. 161 ff., hier S. 167. 442 Neumann, Politische Korrespondenz von Mitte November 1860, in PJ VI, 5 (1860), S. 525.
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Den Tod des Grafen Cavour werteten die PJ als schweren Schlag für Italien.443 Zuvor hatte Beseler noch gelobt, dass sich Italien unter Cavour und Viktor konsolidiere, „Alles Erfolg, Glück und Dauer zu verkünden“ scheine und Italien als Beispiel für die deutsche Nation gelte.444 Rheinland und Venetien seien sicher, da Napoleon seine Machtsicherung im Inneren durch wirtschaftliche Erfolge vorantreiben würde.445 Doch nun, mutmaßten Duncker und Bernhardi, sei ein französisches Großreich wieder möglich. Napoleon werde Venetien gewinnen und von dort aus über den Balkan bis in den Orient übergreifen.446 Aus zwei Gründen verschwand die instabile Lage in Italien dennoch aus den PJ: zum einen nahm die preußische Verfassungskrise des Jahres 1862 die Berichterstattung komplett ein.447 Zum anderen begann eine vorsichtige Annäherung an Frankreich, die sich in der erwähnten Korrespondenz Beselers und einer Reihe über französische Kulturgeschichte448 zeigte. Mit einem Aufruf an die liberale Presse449 war Max Duncker die treibende Kraft dieser Annäherung an Frankreich, für die er auch Widerspruch erntete. Theodor von Bernhardi betonte, dass Napoleon den konstitutionellen Fortschritt nur vorgaukle.450 Duncker stellte die außenpolitischen Notwendigkeiten in den Mittelpunkt451 und betonte, dass Frankreich bereits den Wert einer Allianz mit Preußen erörtere. Außerdem widerspreche man einem Eingreifen in Schleswig-Holstein nicht, solange dies auf Boden des Deutschen Bundes geschehe. Ein Offensivbündnis mit Frankreich 443 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. Juni, in PJ VII, 6 (1861), S. 568 ff., hier S. 576 und von Bernhardi, Glossen und Enthüllungen zur Tagesgeschichte, in PJ VIII, 1 (1861), S. 48 ff., hier S. 50. Auch die Volkszeitung beurteilte Cavour am 8. Juni 1861 als kaum ersetzbar (vgl. Frölich, Volkszeitung, S. 129). 444 Beseler, Politische Korrespondenz vom 16. März, in PJ VII, 3 (1861), S. 260 ff., hier S. 261. Im altliberalen Rechenschaftsbericht zitierte Veit (PJ VIII, 4 (1861), S. 395) das Amendement Vincke vom 6. Februar 1861: der „Consolidierung Italiens entgegen zu treten, erachten wir weder im preußischen noch im deutschen Interesse“. 445 Vgl. Beseler, Politische Korrespondenz vom 16. März 1861, S. 262 f. 446 Vgl. von Bernhardi, Glossen und Enthüllungen zur Tagesgeschichte, S. 52 ff. und Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. Juni 1861, S. 576. 447 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. Dezember, in PJ X, 6 (1862), S. 622 ff., hier S. 636 f. 448 In zehn Folgen zwischen April 1860 und Mai 1864 betonte Friedrich Kreyßig, dass ein dauernder Frieden mit dem Nachbarn möglich sei, z. B. in Kreyßig, Studien zur französischen Literatur- und Kulturgeschichte: III. Châteaubriand, in PJ VI, 2 (1860), S. 117 ff., hier S. 118. 449 Erwähnt von Haym in einem Brief an Duncker vom 8. Oktober 1861 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 298). 450 Vgl. von Bernhardi, Politische Korrespondenz vom 10. Februar, in PJ VII, 2 (1861), S. 161 ff., hier S. 162. Auch Rudolf Haym blieb skeptisch und wollte mit den PJ „nicht allein diesen Ton anstimmen. Man könnte sonst sagen, diese ließen sich zu Demonstrationen mißbrauchen, welche die Regierung zu machen vorübergehend für zweckmäßig erachte […].“ (An Duncker am 8. Oktober 1861, in Schulze, Briefe Dunckers, S. 299). 451 Vgl. Westphal, Staatsauffassung des Liberalismus, S. 159.
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schloss Duncker aus. Vor dem Hintergrund des zähen Ringens um die Bundesreform aber empfahl er der preußischen Regierung, schnell neue Bündnispartner zu binden und deshalb den Handelsvertrag mit Frankreich voranzutreiben sowie Italien anzuerkennen.452 Die Begegnung zwischen Napoleon und Wilhelm in Compiègne im Herbst 1861 verband Duncker daher mit hohen Erwartungen.453 Damit zusammenhängend wandelte sich die außenpolitische Ausrichtung der PJ in einem weiteren Aspekt: die Distanzierung von England – bedingt durch dessen scheinbare Nähe mit dem zunächst noch als gefährlich eingestuften Frankreich. Die faktische Annexion Savoyens durch Frankreich im März 1860 sei von der englischen Politik gedeckt worden. Dabei sei doch wichtigste Aufgabe der Politik „dem erdrückenden Uebergewicht Frankreichs Schranken zu setzen“454. Premierminister Palmerston aber suche dessen Nähe, deshalb sei der Sturz seiner Regierung „unerläßliche Vorbedingung einer preußisch-englischen Allianz“455. Federführend in der Kritik war wiederum Max Duncker. Dies war doppelt erstaunlich, da England immer das Herzstück seiner außenpolitischen Planungen gewesen war und er als Berater des Kronprinzen Friedrich Wilhelm engen Kontakt mit dessen Ehefrau Victoria hatte, die wiederum die älteste Tochter von Queen Victoria war. Doch hatte ihn Englands Politik zu oft enttäuscht, beispielsweise während des Krieges in Italien. Zunächst blieb er aber dabei, dass Preußen und England in auswärtigen Angelegenheiten Seite an Seite stehen müssten.456 452
Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 22. Februar, in PJ IX, 2 (1862), S. 229 ff., hier S. 238. Ähnlich Heinrich von Sybel an Duncker am 25. Oktober 1861 (in Schulze, ebd., S. 300 f.). 453 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 14. Oktober, in PJ VIII, 4 (1861), S. 413 ff., hier S. 413. 454 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende April, in PJ V, 5 (1860), S. 517 ff., hier S. 517. Vgl. Pauli, Kavaliere und Rundköpfe: Oliver Cromwell, in PJ VI, 3 (1860), S. 221 ff., hier S. 248. 455 Neumann, Politische Korrespondenz von Ende März, in PJ V, 4 (1861), S. 392 ff., hier S. 404; von Bernhardi, Politische Korrespondenz vom 10. Februar 1861, S. 169, betonte die farblose Thronrede von Queen Victoria. 456 Auch wenn er sich gegenüber Reyscher am 25. März 1861 (in Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 346) noch beklagte: „Schreitet die Emanzipation der unterdrückten Nationalitäten in diesem Maßstabe fort – auch die Tschechen regen sich gewaltig –, so wird für die deutsche Rasse bald wenig Platz in Europa bleiben, und nichts ist gewisser, als daß England vorläufig ruhig zusehen wird.“ Weiter an Karl Philipp Francke am 17. Mai 1860 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 198 f.): „Wenn dem Mann in Paris die Herrschaft Europas nicht zufallen, wenn der Ruin Englands durch den Verlust Ägyptens an Frankreich und Konstantinopels an Rußland verhütet werden soll, so muß das Einverständnis zwischen England, Preußen und Österreich hergestellt werden, so müssen Belgien, Holland, die Schweiz und Schweden in dasselbe hineingezogen werden. Es kommt zunächst auf England an. Das Einverständnis würde uns Schleswig-Holstein sogleich eintragen.“ Vgl. an Fürst von Hohenzollern am 30. Mai und 4. Oktober 1860 (ebd., S. 203 ff. und S. 225 ff.), an Unbekannt (evtl. von Auerswald) am 4. Oktober 1860 (ebd., S. 224 f.) und nochmals an Francke am 16. Oktober 1860 (ebd., S. 229 f.).
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Der gänzliche Umschwung kam 1861. Zunächst echauffierte sich Theodor von Bernhardi darüber, dass England weiter auf das unhaltbare Bündnis mit dem imperialistisch geneigten Frankreich setze. So lange Palmerston in England regiere, werde er „revolutionäre[n] Friedensstörungen auf dem europäischen Festlande“ zum Ausbruch verhelfen.457 Als ein Treffen zwischen Außenminister John Russell und dem liberalen Fraktionsführer von Vincke wegen einer plötzlichen Unpässlichkeit des Briten scheiterte, wurde Max Duncker deutlich: „Wir sind im Stande, uns ohne die Flotte Englands zu vertheidigen; England besitzt keine Armee zur Vertheidigung Londons, außer der preußischen, es müßte denn die der Freiwilligen sein; seine reguläre Armee wird durch die Besetzung der neuen Küstenbefestigungen vollständig absorbirt. Es wäre in der That zu wünschen, daß John Bull anfinge, sich größerer Bescheidenheit zu befleißigen. Wenn der Gipfel der Staatsweisheit darin besteht, Allianzen mit Frankreich zu schließen und dieselben trotz Allem zu erhalten, so sind auch andere Staaten in der Lage, diese Palme zu erringen. Der erste Staatssecretär irrt gewaltig, wenn er glaubt, daß Preußen ein für alle Mal zu Englands Verfügung stehe. Bleibt England bei seiner Haltung in den holsteinischen Dingen, so stehen für Preußen andere Wege offen.“458
Das Fass zum Überlaufen brachte nach Dunckers Ansicht die englische Forderung nach der Abtretung Venetiens an Italien; auch durch die „entgegengesetzte Art seiner Politik in der holsteinischen Frage, durch sein rücksichtsloses Eintreten für Dänemark gegen die nationalen Interessen und die nationalen Tendenzen Deutschlands“ habe sich das Vereinte Königreich „die Allianz Preußens verscherzt“459. Die offensichtliche Tendenzpolitik gipfle in dem Plan, Englands Thronfolger mit der Tochter des dänischen Protokollprinzen zu vermählen. „Selten hat Duncker mit gleich zorniger Ereiferung in seinen publizistischen Äußerungen sich vernehmen lassen wie bei diesem Anlaß.“460 England verhindere damit die Lösung der deutschdänischen Frage, vernichte den sittlichen Boden einer Allianz und trete „jetzt und für die Zukunft auf die Seite der Feinde Deutschlands“461. Von Außenminister von Bernstorff462 erwartete Duncker nun die Abkehr von England und die Annäherung an Frankreich463. 457 von Bernhardi, Glossen und Enthüllungen zur Tagesgeschichte, in PJ VIII, 1 (1861), S. 48 ff., hier S. 66; vgl. von Bernhardi, Die Europäische Weltlage, in PJ VII, 5 (1861), S. 453 ff., hier S. 480 f. 458 Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. Mai, in PJ VII, 5 (1861), S. 482 ff., hier S. 492. 459 Duncker, Politische Korrespondenz vom 25. August, in PJ VIII, 2 (1861), S. 162 ff., hier S. 170. 460 Haym, Leben Dunckers, S. 248. 461 Duncker, Politische Korrespondenz von 23. September, in PJ VIII, 3 (1861), S. 266 ff., hier S. 274. Vgl. Duncker an Francke am 16. und Aegidi an Duncker am 20. September 1861 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 295 ff.). 462 Duncker, Politische Korrespondenz vom 25. August 1861, S. 166, bezeichnete Bernstorff bei seinem Amtsantritt als umsichtigen, ruhigen, festen, keineswegs konservativen und doktrinären Politiker.
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3. Die Bundespolitik in den PJ „[W]ir haben keinen fertigen, arrondirten, nationalen Staat. Und wir halten diese traurige Thatsache für so unermeßlich wichtig, daß wir glauben: nur dann und nur deshalb hat der Deutsche ein Recht, über fremde einheitliche Staaten zu urtheilen, wenn und weil er die klare Ueberzeugung in sich trägt, daß auch sein Vaterland zu der Vorbedingung des modernen Staatslebens, zur nationalen Einheit gelangen wird.“464
Die Möglichkeiten zur Reform des Deutschen Bundes betrachteten die PJ ohne Illusionen. „[D]ie Verständigung über das letzte Ziel unserer nationalen Bestrebungen und die Mittel, es zu erreichen, liegt […] in weiter Ferne. Nie haben wir einen größeren Wirrwarr der Ansichten erlebt“465, schrieb Hermann Baumgarten, der sich nach tatkräftigen Politikern und einer die Meinungen ordnenden Presse sehnte. Die PJ wiederholten ihre Forderungen nach einer deutschen Flotte und Rechtseinheit und versuchten ein Einheitsempfinden aufzubauen, indem sie große deutsche Wissenschaftler, Staatsmänner und Reformer porträtierten.466 Dass Preußen für seine inneren Probleme nie eine Lösung finden werde, solange es nicht die Deutsche Frage angehe, war für die führenden Köpfe der Zeitschrift ein unumstößliches Prinzip. Also musste die Blockade im Deutschen Bund durch Preußen beendet werden ohne Unterordnung unter Österreich und/oder die Drittstaaten.467 Duncker sagte deutlich: „Die deutsche Frage ist Machtfrage und ohne Machtentfaltung Preußens, ohne Beweise des nationalen Machtgebrauchs und Machterfolges wird sie nie gelöst werden. […N]ur unsere absolute Tatlosigkeit, unsere endlose Zungendrescherei hat notwendig die Schwätzer großgezogen.“468 Doch was nütze aller geforderter Tatendrang, wenn die „größeren deutschen Re463
Vgl. Duncker, Politische Korrespondenzen vom 25. August 1861, S. 170, und 23. September 1861, S. 266 ff. Mit dem Tod von Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha sei der deutsch-englische Zusammenhalt weiter geschwächt (vgl. Duncker, Politische Korrespondenz von 24. Dezember, in PJ VIII, 6 (1861), S. 636 ff., hier S. 646 f.). 464 von Treitschke, Das Selfgovernment, in PJ VI, 1 (1860), S. 25 ff., hier S. 47. 465 Baumgarten, Zum Jahresanfang, in PJ V, 1 (1860), S. 1 ff., hier S. 6. 466 Daniel, Carl Ritter, in PJ V, 4 (1860), S. 323 ff.; Nasemann, Heinrich Theodor Schön, in PJ V, 1 bis PJ V, 3 (1860); Haym, Ernst Moritz Arndt, in PJ V, 5 (1860), S. 470 ff.; von Stinzing, Friedrich Carl von Savigny, in PJ IX, 2 (1862), S. 121 ff.; Dilthey, Friedrich Christoph Schlosser, in PJ IX, 5 (1862), S. 528 ff.; Häusser, Friedrich der Große und sein neuester Ankläger, in PJ VII, 4 (1861), S. 318 ff. – Briefe Hayms an Häusser zur Rezension der Reihe „König Friedrich II. und die deutsche Nation“ von Onno Klopp in UB Heidelberg, Heid. Hs. 3741, Brief 3 ff. Zur Flotten-Forderung vgl. Lammers an Duncker im Juli 1860 (GStA Berlin, Rep. 92, NL Duncker/73, Fragment) sowie Goldschmidt, Die deutsche Hansa, in PJ IX, 5 (1862), S. 528 ff. und Königer, Die neuen Systeme der Kriegsschiffe und ihre Bedeutung für Deutschland, in PJ IX, 6 (1862), S. 634 ff. 467 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. April 1861, in PJ VII, 4, S. 376 f. und von Treitschke, Aus Süddeutschland, in PJ VIII, 5 (1861), S. 510 ff., hier S. 516 f. 468 Duncker an Heinrich von Sybel am 18. November 1861 (in Heyderhoff, Preußischdeutsche Einigung, S. 71). Vgl. auch Duncker, Politische Korrespondenz vom 22. November, in PJ VIII, 5 (1861), S. 519 ff., hier S. 526.
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gierungen in ihrer Opposition gegen Preußen“469 von der eigenen Bevölkerung unterstützt würden? Erfreut – und etwas zu euphorisch im Hinblick auf seine Konsequenzen – nahmen die PJ den Fürstentag von Baden-Baden zur Kenntnis. Prinzregent Wilhelm sei dort loyal, offen, uneigennützig aufgetreten und habe mit der Festigkeit seiner Ansichten für die preußische Politik geworben. Er habe versichert, dass der Deutsche Bund die Nation nach außen stärken solle und nicht als Instrument zum Eingreifen in die Politik der Mitgliedstaaten diene. Von Napoleon geplant, um „den Prinz-Regenten [zu] gewinnen, – und wenn dieses nicht gelang, ihn in Deutschland [zu] compromittiren“470, habe diese Veranstaltung stattdessen Grundlagen für weitere Gespräche zur Bundesreform geschaffen.471 Realistischer urteilte Treitschke in der Süddeutschen Zeitung: er sah Wilhelm zwar auch in der Rolle des gesamtdeutschen Führers, eine Verständigung bei der Bundesreform sei aber weiterhin unmöglich.472 Auch die Zusammenkunft von Teplitz zwischen Franz Josef und Wilhelm bewertete man positiv. Ein erneutes gemeinsames Bündnis gegen Frankreich, von Wien gewünscht, könne aber erst nach dem Bruch der Donaumonarchie mit der absolutistisch-reaktionären Tradition zustande kommen.473 Daher zeigte das Diplom vom 20. Oktober 1860, dass Österreich noch einen langen Weg zu einem verlässlichen Partner vor sich habe.474 Die drei Paragraphen kurze Verfassung trage der Autonomie der Kronländer Rechnung und zeige, dass die Regierung in Wien die Schwachstellen ihres Staates erkannt habe. Doch sei sie nur ein „Schritt weiter in der Desorganisation“475. Die Stellung Ungarns sei mit einem Schlag umgewandelt, weder bestünde eine Gleichheit vor dem Gesetz, noch bei den Steuern oder der Wehrpflicht. Wenig Vertrauen in die Donaumonarchie hatten die PJ auch nach Annahme der Februarverfassung. Duncker hielt nun zwar eine dauerhafte Verständigung mit 469 470
S. 94. 471
Baumgarten, Zum Jahresanfang, in PJ V, 1, S. 3. Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz vom 1. Juli, in PJ VI, 1 (1860), S. 85 ff., hier
Ebd., S. 97, bewertet Neumann, „daß wir den Besprechungen der deutschen Fürsten untereinander eine ungleich höhere Bedeutung beilegen mußten, als ihrer Zusammenkunft mit Napoleon“. 472 Süddeutsche Zeitung Nr. 345 vom 13. Dezember 1860 (zitiert in Müller, Treitschke als Journalist, S. 401). 473 Vgl. Neumann, Politische Korrespondenz vom 4. August, in PJ VI, 2 (1860), S. 201 ff., hier S. 204 ff., Neumann, Politische Korrespondenz von Ende März 1860, S. 407 und Bercht, Konzeption der PJ, S. 77 f. 474 Vgl. Sickel, Die Neugestaltung Österreichs, in PJ VI, 5 (1860), S. 492 ff., hier S. 510. In Bezug auf die Urheberschaft seines Artikels bestand Sickel auf Geheimhaltung, wie er im Brief an Haym vom 12. November 1860 betont (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV S 235 c, vgl. auch den Briefwechsel zwischen Sickel und Haym Ende Oktober 1860 in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 197). 475 Sickel, Neugestaltung Österreichs, S. 492. Lob kam von den HPBl (vgl. Rosenberg, Publizistik, S. 227 f.).
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Ungarn für möglich, ebenso aber auch Untergang oder Auflösung Österreichs.476 Auch Anton Springer sah sein Heimatland in der Existenz bedroht, so sehr er auch versuchte, den neuen politischen Kurs aus seiner kleindeutschen Perspektive positiv zu werten. Korruption und Ränkespiele bestimmten das politische Leben. Das neu geschaffene Parlament sei zerrissen: Separatisten, Zentralisten, Verfassungstreue und -gegner stünden gegeneinander; Österreicher, Kroaten, Serben und Ungarn seien untereinander zerstritten; alle Slawen seien aus Sicht der Österreicher politisch bedeutungslos.477 Springer empfahl der Donaumonarchie, ihre Politik künftig auf den Balkan zu konzentrieren und sich aus der deutschen Politk zurückzuziehen.478 Mit Freude konstatierte Springer die Auflösung des ungarischen Landtages und schlug sich auf die Seite der Publizisten, die der Machtpolitik den Vorrang vor der politischen Freiheit einräumten. Die Geschehnisse zeigten, „daß die Regierung an dem Februarpatente unwiderruflich festzuhalten gesonnen ist, daß sie eine selbständige Nebenstellung Ungarns ebenso wenig als eine leichtsinnige Uebergabe der Staatsmacht an die czechischen Föderalisten duldet und in diesem Streben von der deutschen Bevölkerung Oesterreichs kräftig unterstützt wird“. – „Ungarn läßt sich auf die Länge nur durch Waffengewalt pacificiren. […D]er Haß gegen die Dynastie, die Abneigung gegen das Gesamtösterreicherthum [ist] weitaus in der Majorität der österreichischen Bevölkerung überwiegend. Nach unserer Ueberzeugung läßt sich ferner die Macht Oesterreichs vorläufig nur erhalten, wenn auf die politische Freiheit Verzicht geleistet wird.“479
Ein Brief Hayms gibt genaueren Aufschluss über die Situation in Wien und die Interpretation des Korrespondenten: So sehr man dort mit inneren Angelegenheiten beschäftigt sei, so sehr arbeite man auch an einem gesamtdeutschen Programm, um Österreichs Machtstellung in Deutschland durch Gewinnung der süd- und westdeutschen Liberalen zu sichern. „Mit den von der Regierung vorbereiteten Schritten geht die Bildung von großdeutschen Vereinen, die zugleich die Deutschen in Österreich gegen Tschechen usw. stärken und die Verbindung mit den liberalen Großdeutschen draußen vermitteln sollen, Hand in Hand.“480 Tatsächlich wurde in den PJ das Bild eines selbstbewussten Dritten Deutschland vermittelt. Im „sonst so
476 Duncker, Politische Korrespondenz von 20. April, in PJ VII, 4 (1861), S. 366 ff., hier S. 375 und Duncker, Politische Korrespondenz von 25. August, in PJ VIII, 2 (1861), S. 162 ff., hier S. 167. 477 Vgl. Springer, Zur Eröffnung des österreichischen Reichsrates, in PJ VII, 4 (1861), S. 345 ff. Verfall und Zerfall seien personifiziert im Suizid des Finanzministers Bruck, der vergeblich den Systemwechsel gefordert hatte. Das finis austriae auch bei Springer, Aus Österreich, in PJ V, 4 u. 5 (1860) sowie PJ VII, 1 u. 2 (1861). 478 Vgl. Springer, Zur Eröffnung des österreichischen Reichsrates, S. 356 und Bercht, Konzeption der PJ, S. 89 f. 479 Springer, Österreich als Verfassungsstaat, in PJ VIII, 3 (1861), S. 235 ff., hier S. 235 und S. 254. 480 Aus einem Brief Hayms an Bernhardi im Dezember 1861 (in Tagebücher Bernhardis IV, S. 169 f.).
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ruhigen Würtemberg macht sich […] eine lebhafte politische Bewegung bemerkbar“481, die einen großdeutschen Bund auf parlamentarischer Basis wünsche. In Bayern beobachtete Treitschke (im Gegensatz zum „System des lächelnden, schleichenden Despotismus“ in Sachsen482) einen deutschen, liberalen Geist, die faktische Gleichstellung von Katholiken und Protestanten und das Ende der kirchlichen Macht in der Wissenschaft. Doch werde das Ansehen Preußens durch „Schmutz- und Klatschgeschichten“ ebenso geschädigt wie durch das bundespolitische Unvermögen: „Gelingt es Preußen nicht, durch ein geordnetes, einheitliches und consequentes Regiment die alte Achtung wieder zu gewinnen, dann schwebt der nationale Gedanke haltlos in den Lüften, dann wird die […] nationale Bewegung nur in neuer Verbitterung und Entzweiung endigen, und der noch ungebrochene Particularismus – wo nicht gar der Reichsfeind – einen neuen Triumph erleben.“483 Aus Treitschkes Worten sprachen Leidenschaft und eigene Erfahrung: im Sommer 1861 hatte er sich für ein halbes Jahr nach München begeben. Er arbeitete an einer Geschichte des Deutschen Bundes und fand in dieser Zeit kaum Anschluss.484 Treitschkes Korrespondenzen waren „leicht hingeworfene Stimmungsbilder“, die dennoch seine politischen Ideale transportierten. „Er redet[e] als ein sorgender Freund Preußens aus einem der Kleinstaaten, aber als ein sorgender und bekümmerter Freund.“485 Treitschke wollte in Preußen Mut und Hoffnung wach halten, machte aber auch klar, dass es seiner Vorbildfunktion – stark nach außen, liberal im Innern – nachkommen müsse. „Zu scharf habe ich sicher nicht gesprochen: es ist jetzt keine Zeit zum Vertuschen“, schrieb er daher auch an Haym.486 „Man soll in Preußen wissen, wie viel der Staat in den letzten Monaten verloren hat. Mir treibt es das Blut in 481
Klüpfel, Württembergische Zustände, in PJ VII, 4 (1861), S. 357 ff., hier S. 357. Weiter auf S. 359: „Die Mehrheit der gebildeten Gesellschaft in den würtembergischen Städten ist antipreußisch, großdeutsch, und, gegenüber von Norddeutschland, particularistisch gesinnt.“ Auch Duncker musste selbiges gegenüber Reyscher am 25. März 1861 eingestehen (vgl. Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 345). Aus der Publikation Grubes sowie aus der Korrespondenz zwischen Reuchlin und Klüpfel (UB Tübingen, NL Klüpfel, Md 756 – 35) wird deutlich: Die Schwaben Reuchlin, Klüpfel und Reyscher waren wichtige Informanten für Max Duncker in Bezug auf Süddeutschland. Zum Misstrauen gegenüber Preußen auch Pauli, Lebenserinnerungen, S. 219. 482 von Treitschke, Die Zustände des Königreiches Sachen unter Beusts Regiment, in PJ IX, 3 (1862), S. 344 ff. 483 von Treitschke, Zwei süddeutsche Korrespondenzen: Aus München, in PJ VII, 6 (1861), S. 544 ff., hier S. 545 (Bezug auf die Augsburger Allgemeine Zeitung) und S. 553 f. Vgl. Klüpfel, Württembergische Zustände, S. 360. 484 Dorpalen, Treitschke, S. 66: „He met few congenial souls: of those he did meet, most withdrew from him after a short time, evidently offended by his uninhibited criticisms of all things Bavarian.“ 485 Schiemann, Treitschkes Lehr- und Wanderjahre, S. 168 f. 486 Treitschke an Haym am 11. Juni 1861 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 155 f.). Vgl. auch seine Briefe an Haym vom 12. und 19. Oktober 1861 sowie an Bachmann am 22. April 1861 (ebd., S. 142 ff. und S. 173).
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die Wangen, wenn ich diese Bayern über Preußen reden höre und nicht mehr widersprechen kann.“487 Auch Baumgarten erkannte ein „Vorrücken der freisinnig nationalen Tendenzen“488 im Süden und eine steigende Zahl derer, die von Preußen die Führung in Deutschland erwarteten; doch verlören die Sympathisanten zunehmend das Vertrauen in die preußische Regierung, da diese keinen politischen Weitblick zeige und sich nicht an die Spitze der nationalen Reformbewegung stelle.489 Man dürfe nie vergessen: „Wir nichtpreußisch Deutschen wissen sehr wohl, daß wir ohne Preußen nicht vorwärts kommen werden, wir meinen aber auch, daß Preußen ohne uns nicht vorwärts kommen wird.“490 Doch schätzte Baumgarten die Bevölkerung Süddeutschlands als politisch zu träge ein, um sich zur vollständigen Abnabelung von Preußen oder zu demokratischen Experimenten hinreißen zu lassen: „[I]ch kann die Kräfte zu einer demokratischen Wendung nirgend entdecken, kaum irgendwo die Neigung. Ich sehe überall nur Chancen für […] kriegerische Wendungen; ich höre überall das Verlangen nach starker, durchgreifender Gewalt; ich höre hier mehr Klagen über die Unfähigkeit der Abgeordneten als über die der Minister. Der Gegensatz gegen den Napoleonismus wird unfehlbar der beherrschende Impuls der nächsten Jahre werden. Das Alles scheint mir nicht zur Demokratie zu führen. Ich habe […] nach schweren Kämpfen den Glauben an eine demokratische Entwicklung nur aufgegeben, weil ich mich überzeugen mußte, daß der tatsächliche Gang der Dinge in entgegen gesetzter Richtung sich bewege.“491
Die Vorschläge der Würzburger Koalition zur Bundesreform vom Sommer 1861 lehnten die PJ ab.492 „[D]em blödesten Auge“ sollte nicht entgehen, dass man die deutschen Truppen ohne Rücksicht auf „redlich gemeinte Zweckmäßigkeit“ dem preußischen Oberbefehl entziehen wolle.493 In Folge der Politik der identischen 487 Treitschke bezog sich hier auf die Zeitläufte Edmund Jörgs in den HPBl, über die sich selbst Jörgs Vertraute echauffierten, wie hier Ignaz von Döllinger am 16. Februar 1860 (in Jörg, Briefwechsel, S. 101): „Warum müssen Sie so viel Treffendes und Wahres durch die eingemischten Kraftausdrücke – ich rede euphemisch – verunzieren? […] Das nenne ich doch Wasser gießen auf die Mühle derer, die stets die Maßlosigkeit der ,ultramontanen‘ Presse im Munde führen! […S]chreiben Sie ruhiger, würdiger, staatsmännischer.“ 488 Baumgarten, Aus Süddeutschland, 18. August, in PJ VIII, 2 (1861), S. 171 ff., nennt auf S. 179 als Beispiele die Gewerbefreiheit in Württemberg und die beginnende Trennung von Justiz und Verwaltung in Bayern. Marcks, Aufsätze Baumgartens, S. LIV, betont, dass die Berichte der Annäherung von Nord und Süd dienten. 489 Vgl. Baumgarten, Aus Süddeutschland, S. 180 und Baumgarten, Zwei süddeutsche Korrespondenzen: Vom Main, in PJ VII, 6 (1861), S. 554 ff., hier S. 557. 490 Baumgarten, Vom Main, S. 559. 491 Baumgarten an Georg Gottfried Gervinus am 18. April 1860 (in Jansen, Politische Briefe, S. 664). 492 Das, obwohl Max Duncker in engem Kontakt mit dem badischen Außenminister Franz von Roggenbach stand. Dessen Vorschläge – einige deutete er bereits am 25. August 1860 in einem Brief an Duncker (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 215 ff.) an – aber waren für die preußische Politik und die PJ nicht akzeptabel. 493 von Bernhardi, Glossen und Enthüllungen zur Tagesgeschichte, in PJ VIII, 1 (1861), S. 48 ff, hier S. 69.
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Noten Anfang 1862 empfahlen die PJ der preußischen Regierung, ihre Ziele für den Deutschen Bund genau zu formulieren, sie mit Nachdruck und in Gegnerschaft zur Würzburger Koalition zum Erfolg zu führen.494 Auch der Blick in die nördlichen Herzogtümer war für die PJ unbefriedigend. Weder in Schleswig noch in Holstein seien verfassungsrechtlich befriedigende Zustände geschaffen worden, erläuterte Karl Philipp Francke in seiner programmatischen Korrespondenz Preußen und Schleswig-Holstein. Der Konflikt sei mit einem preußischen Militärschlag leicht zu lösen, zumal die Bevölkerung in den Herzogtümern eine heftige Abneigung gegen das oktroyierte dänische Wesen hege.495 Zudem seien die Versuche Dänemarks zum Scheitern verurteilt, die Finanzprobleme in den Griff zu bekommen und die Lage in Schleswig zu beschönigen.496 „[E]in dänischer Gesammtstaat mit Selbstständigkeit und Gleichberechtigung aller Theile ist eine Unmöglichkeit; einen Landestheil auf Kosten der anderen bevorzugen, bleibt ein Unrecht, das nie zum Frieden führen kann. Wer die Befriedigung eines Landes, das durch die Verschuldung des Deutschen Bundes Unsägliches gelitten hat, und eine zeitgemäße Entwicklung der inneren Verhältnisse herbeiführen will, die jetzt in den Herzogthümern vollständig stagnirt, […] muß sich sagen, daß das Londoner Protokoll […] und der Bundesbeschluß vom 29. Juli 1852 auf den Ruin von Schleswig-Holstein berechnet sind.“497
Im Streit um das dänische Staatsbudget498 im Frühjahr 1861 lehnten die holsteinischen Stände den Haushaltsplan ebenso ab wie das dänische Programm, eine „constitutionelle Vereinigung aller Theile der Monarchie zu einem Gesammtstaat mit absoluter Unterordnung der deutschen Nationalität unter die dänische, oder wenn es nicht zu erreichen sein sollte, [die] Aussonderung Holsteins“499 durchzuführen. Auch die PJ konnten nicht verstehen, warum Konzessionen für Holstein nur möglich 494
Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 22. Februar, in PJ IX, 2 (1862), S. 229 ff., hier S. 236 ff. Vgl. auch Baumgarten an Hermann Reuchlin am 9. Februar 1862 (WLB Stuttgart, NL Reuchlin, Cod. Hist. fol. 815 Fasz. 5, Brief 13) und Treitschke an Haym am 17. Juli 1862 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 223 f.). 495 Vgl. Francke, Preußen und Schleswig-Holstein, in PJ V, 3 (1860), S. 251 ff., hier S. 253 f. und S. 257. Zur Korrespondenz selbst: Francke an Droysen am 11. Februar 1860 (in Hübner, Droysen Briefe II, S. 663). Vgl. Haym an Georg Waitz am 12. Januar 1861 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 199 f.) und Duncker an Staatsrat Karl Francke am 6. Mai 1860 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 195), die sich für eine Intervention in Schleswig-Holstein aussprachen. Auch Gustav Freytag schrieb Duncker am 26. Januar 1861 (ebd., S. 259), selbst nach einer erfolgreichen Bundesexekution folge wohl Schleswig-Holsteins Selbständigkeit nach einer europäischen Konferenz. Eine definitive, günstige Lösung scheine sich nur in einem europäischen Konflikt zu finden. 496 Vgl. Francke, Preußen und Schleswig-Holstein, S. 251. 497 Francke, Preußen und Schleswig-Holstein, S. 261. 498 Im Februar 1861 drohte eine Bundesexekution, weil das dänische Staatsbudget der holsteinischen Ständeversammlung nicht zur Beratung vorgelegt worden war – nach Bundesbeschluss von 1860 durfte bis zur Herstellung eines definitiven Verfassungszustands kein Gesetz für Holstein ohne deren Zustimmung erlassen werden. 499 Handelmann, Itzehoer Landtag und Kopenhagener Regierung, in PJ VII, 5 (1861), S. 430 ff., hier S. 452 f.
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seien, wenn Schleswig näher an Dänemark gebunden werde. Föderalismus und Zentralisation seien nicht miteinander vereinbar. Duncker sprach den schleswigholsteinischen Ständevertretern großes Lob aus: sie hätten ihre Pflicht als deutsche Männer erfüllt und „alle Verlockungen und Anerbietungen Dänemarks, […] Vortheile und Freiheiten für Holstein zurückgewiesen“, die nicht auch Schleswig nutzen sollten.500 Die verfassungsmäßige Schwebe und die Ausbeutung der Herzogtümer aber setzten sich weiter fort und die PJ warteten vergebens auf politisches oder militärisches Eingreifen durch den Deutschen Bund oder Preußen. Der Korrespondent Karl Lorentzen ereiferte sich: „Seit zehn Jahren hat die deutsche Diplomatie in dieser Sache sich ein Ziel gesetzt, welches unvernünftig ist und gar nicht erreicht werden kann; sie sucht eine Aufgabe zu lösen, welche der bestehenden Verhältnisse wegen sich gar nicht lösen läßt. Man will Mittel ausfindig machen, um eine Gesammtstaatsverfassung in’s Leben zu rufen, durch welche Dänemark, Schleswig, Holstein und Lauenburg zu einem organischen Ganzen so verschmolzen werden, daß dabei die einzelnen Theile doch zugleich ihre Selbständigkeit und Gleichberechtigung bewahren. Ebenso leicht wird man die Quadratur des Zirkels finden.“501
In seiner Beurteilung des Umgangs mit dem „verzogene[n] Schooßkind der europäischen Diplomatie“502 war Lorentzen nicht alleine: „Seit mehr als drei Jahren verhandeln Oesterreich und Preußen mit Dänemark, ohne irgend ein positives Resultat erreicht zu haben“, schrieb Bernhardi in den PJ und verwies zusätzlich auf die „unfruchtbar sich hinschleppenden Verhandlungen über die Reform der Militärverfassung, Küstenvertheidigung“503. Karl Francke schrieb Duncker: „Das ist eben das Deprimierende, daß bei aller Hingebung […] das frische, ermutigende Gefühl des Vertrauens auf Preußens Taten nicht aufzukommen vermag.“504 Auch Treitschke kritisierte in der Süddeutschen Zeitung die apathische preußische Außenpolitik.505 Die einzige Lösung blieb für die PJ die Teilung Schleswigs und die Einverleibung des südlichen, deutschen Teils gemeinsam mit Holstein in den Deutschen Bund – oder die ungeteilte Unabhängigkeit beider Herzogtümer von Dänemark und Deutschland.506 Der neue preußische Außenminister Albrecht von Bernstorff wurde 500 Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. April, in PJ VII, 4 (1861), S. 366 ff., hier S. 378. 501 Lorentzen, Preußen und Schleswig-Holstein, in PJ VIII, 5 (1861), S. 426 ff., hier S. 429. Karl Lorentzen, geboren 1817 in Segeberg, war Philologe, Journalist und liberaler Politiker und propagierte bereits vor 1848 den deutschen Nationalstaatsgedanken in Schleswig-Holstein. 1860/61 war er Redakteur der Preußischen Zeitung. 502 Ebd., S. 431. 503 von Bernhardi, Die Situation beim Regierungswechsel, in PJ VII, 1 (1861), S. 73 ff., beide Zitate S. 81. 504 Karl Francke an Duncker am 7. September 1861 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 295). 505 SZ vom 13. Dezember 1860 (in Müller, Treitschke als Journalist, S. 402 ff.). 506 Vgl. Lorentzen, Preußen und Schleswig-Holstein, S. 443 und Veit, Rechenschaftsbericht, S. 399.
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aufgefordert, mit einer deutschen Flotte eine Drohkulisse für die Sicherung deutscher Rechte aufbauen.507 Der einzige Erfolg, den er im Folgenden verzeichnen konnte, war die Zustimmung Englands zum Vorgehen, die Beschlüsse des dänischen Reichsrats für Schleswig für ungültig zu erklären, eine Selbstregierung Schleswigs zuzulassen und die Unterdrückung der deutschen Bevölkerung zu verurteilen.508 Von Bernstorff forderte man auch Einsatz für die kurhessische Verfassung von 1831. Die Anerkennung der aktuellen Verfassung sei nicht hinnehmbar, zumal deren Durchsetzung von Bundestruppen unterstützt worden war.509 Zudem erwarteten die PJ die Führung Preußens innerhalb der deutschen wirtschaftlichen Reformbewegung.510 Sie hofften auf Zollfreiheit, Gewerbefreiheit, ein gemeinsames Handelsgesetzbuch, Verbesserungen in der Infrastruktur, Vereinheitlichung der Maße sowie Aufhebung der Zinsbeschränkungen und Wuchergesetze. Im Jahr der Verfassungskrise 1862 beschäftigten sich die PJ kaum mit Außen- und Bundespolitik. Genauer erörterte man lediglich den Abschluss und die Folgen des Handelsvertrages zwischen Preußen und Frankreich. Der sei ein erheblicher „Fortschritt der Handelspolitik und Tarifgesetzgebung in Deutschland“511, auch wenn er keinen vollständigen Freihandel bedeute, sondern nur ein vorzeigbarer „Compromiß mit dem Schutzzollsystem“512 sei. Eine Ablehnung des Übereinkommens sei nicht zu verantworten – und dennoch taten dies im Deutschen Bund trotz grundsätzlicher Zustimmung Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Hannover.513 Denn Preußen hatte die österreichische Forderung verneint, für die Annahme des Handelsvertrages in den Zollverein aufgenommen zu werden. Die PJ-Autoren vermuteten als wirtschaftlich unsinniges
507
Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 24. Januar, in PJ IX, 1 (1862), S. 103 ff., hier S. 114. 508 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. November, in PJ X, 5 (1862), S. 498 ff., hier S. 507. 509 Damit nahmen die PJ die Position der Linken im preußischen Landtag ein, einschließlich der Fortschrittspartei. Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 24. Januar 1862, S. 114; von Bernhardi, Die Situation beim Regierungswechsel, S. 79 f.; den Brief Franz von Roggenbachs an Duncker vom 25. August 1860 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 216) und Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 443 f. 510 Vgl. Lammers, Die wirtschaftliche Reformbewegung in Deutschland, in PJ VI, 6 (1860), S. 563 ff., hier S. 583. Westphal, Staatsauffassung, S. 143 f., betont, dass das Programm aus deutscher Zentralgewalt unter preußischer Vorherrschaft, dem Ausbau des Zollvereins, der Lösung der Konflikte in Kurhessen und Schleswig-Holstein sowie der Reform der Bundeskriegsverfassung genau das von Wilhelm I. gewesen sei. 511 Fubel, Politische Korrespondenz vom 25. August, in PJ X, 2 (1862), S. 200 ff., hier S. 202. 512 Geffcken, Der deutsch-französische Handelsvertrag, in PJ IX, 5 (1862), S. 557 ff., hier S. 575. 513 Vgl. Baumgarten, Aus Süddeutschland, Ende Mai, in PJ IX, 5 (1862), S. 600 ff., hier S. 600 f.
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Ziel die Kündigung des Zollvereins und die Gründung einer süddeutsch-österreichischen Zollliga.514 Auch Haym war darüber informiert: „Ein […] Punkt, auf den mein Correspondent mich aufmerksam macht, ist der, daß man in Wien genau von allen Phasen der Verhandlungen zwischen Preußen und Frankreich über den Handelsvertrag unterrichtet ist, so genau, daß selbst die dortigen Beamten über die geschickte Spionage, die über Leipzig geht, erstaunt sind. Daran knüpfte man dann auch Gegenprojecte zu einer Handelsverbindung zwischen Oesterreich, Süddeutschland und der Schweiz, und bereitete Alles zu einem überraschenden Schlage vor.“515
Die Reform des Zollvereins stand für die PJ außer Frage.516 Eine Aufnahme Österreichs sei im Gegensatz zu Handelserleicherungen unmöglich.517 Dafür aber müsse die Donaumonarchie ihre übertriebenen Forderungen zurücknehmen, die schon der Deutsche Handelstag verworfen hatte, als er die Annahme des preußischfranzösischen Handelsvertrages befürwortete: „Was ihnen seit vierzig Jahren im deutschen Bunde gelungen, das wollten sie jetzt im Zollvereine erringen: sie wollen Deutschland verbieten, sich seinen Bedürfnissen gemäß zu gestalten und zu entwickeln; sie wollen gebieten, daß in Deutschland nur geschehe, was Oesterreich will. Ihr Antrag wurde mit großer Majorität verworfen. Er hatte ohne Zweifel dazu beigetragen, Augen zu öffnen, welche der Antrag der Mehrheit des Ausschusses hatte verblenden sollen.“518
Die Vorschläge Österreichs und der Drittstaaten zur Bundesreform infolge der Politik der identischen Noten war für die PJ Intrige, poetische Phantasie und Schwindel zugleich519 : nur Preußen könne die Rolle des politischen Vorreiters in Deutschland übernehmen, wenn es die Wahrung von Freiheit, Einheit und Recht zunächst im eigenen Land durchsetze520. „So groß ist der Abstand zwischen der augenblicklichen Erscheinung des preußischen Staates und dem, was man von der führenden Macht in Deutschland mit Recht fordert, daß alle Antipathien gegen 514
Vgl. Fubel, Politische Korrespondenz vom 25. August 1862, S. 202 f.; Mathy, Die Zollvereinsfrage, in PJ X, 4 (1862), S. 386 ff., hier S. 387. 515 Haym an Theodor von Bernhardi, erhalten am 22. Dezember 1861 (in Tagebücher Bernhardis IV, S. 170). 516 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. November 1862, in PJ X, 5 (1862), S. 498 ff., hier S. 509 f. 517 Mathy, Die Zollvereinsfrage, S. 389, zitiert aus einer anonymen Broschüre: „[E]ine Zollvereinigung mit Oesterreich hieße für uns so viel, als einen Gesunden zu einem Typhuskranken in’s Bett legen.“ 518 Mathy, Die Zollvereinsfrage, in PJ X, 4 (1862), S. 386 ff., hier S. 391. Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. Oktober, in PJ X, 4 (1862), S. 402 ff., hier S. 417. 519 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. Oktober 1862, S. 417; Fubel, Politische Korrespondenz vom 25. August, S. 203 und Veit, Rechenschaftsbericht, in PJ VIII, 4 (1861), S. 399. 520 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. Oktober 1862, S. 415: „Deutschland läßt sich nicht militärisch erobern, sondern nur politisch gewinnen […].“ Vgl. Veit, Rechenschaftsbericht, S. 399.
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diesen Staat im Süden wieder wach geworden sind“521, berichtete man desillusioniert und blickte neidisch nach Baden, das unter dem liberalen Ministerium LameyRoggenbach Fortschritte mache: „Was ließe sich aus diesen Dingen lernen, wenn man lernen wollte!“522
4. Bundes- und Außenpolitik der Neuen Ära in den PJ: eine Beurteilung In der außenpolitischen Analyse der PJ lässt sich – wie bereits Wassmann festgestellt hat – nach dem Krieg um Italien ein Wendepunkt an Max Duncker festmachen. Für ihn war aus der „bedingungsweisen österreichisch-preußischen ,Notgemeinschaft‘ […] im Geiste der alten ,österreichischen Schule‘ des friedlichen Dualismus“523 ein Gegensatz geworden. Anstelle Englands handelte man nun Frankreich als möglichen außenpolitischen Kooperationspartner. Infolge dieses Wandels wurde die instabile Lage in Italien zunächst positiver betrachtet, dann praktisch nicht mehr. Beim Blick auf die Bundespolitik bot sich den PJ ein jammervolles Bild, das dem geforderten nationalen Machtgebrauch gerade in Kurhessen und Schleswig-Holstein widersprach. Die Konferenzen von Baden-Baden und Teplitz änderten daran nichts. Auch die liberale Verfassungsentwicklung in Österreich steigerte die Kooperationsbereitschaft nicht, vielmehr betrachteten die PJ besorgt das gestärkte Selbstbewusstsein der Drittstaaten, die eigene Lösungen für die Bundesreform entwarfen oder sich dafür mit Österreich zusammentaten. Dass sich Preußen auf wirtschaftlichem Gebiet Anerkennung erwarb, wie beim Abschluss des Handelsvertrags mit Frankreich, genügte den Autoren nicht. Zunehmend emotional kommentierten sie die daher die Vorstöße Österreichs und Süddeutschlands in der Bundespolitik. Dennoch wurden die PJ in der bundespolitischen Auseinandersetzung ihrem selbst gesetzten Ziel gerecht, ein Organ nationaler Bildung zu sein und sich auf verständliche und glaubwürdige Weise für Wohlfahrt, Recht, Macht, Ehre, Einigkeit und Selbständigkeit der Nation einzusetzen sowie die Mängel des Bestehenden zu enthüllen. Auffallend dabei war, dass die Autoren zumeist politisch argumentieren und nicht historisch, wie es im Programm der Monatsschrift geschrieben stand. Beispielsweise wurde der Streit zwischen Heinrich von Sybel und Julius Ficker524 – der die Debatte zwischen Verfechtern der groß- bzw. kleindeutschen Lösung spiegelte – in den PJ mit keinem Wort erwähnt. Möglicherweise wollte man dem Konkurrenzunternehmen Historische Zeitschrift keinen Raum gönnen. Aber da dieser für die Zunft der Historiker eminent wichtige Streit auch im Briefwechsel der 521 522 523 524
Haym, Politische Korrespondenz von 26. Juli, in PJ X, 1 (1862), S. 78 ff., hier S. 78. Baumgarten, Aus Süddeutschland, Ende Mai, in PJ IX, 5 (1862), S. 600 ff., hier S. 604. Wassmann, Österreich in den PJ, S. 45. Mehr zum Sybel-Ficker-Streit in Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 398 f.
VI. Das Ende der Neuen Ära und das Ministerium Hohenlohe-von der Heydt
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PJ-Autoren praktisch keinen Niederschlag fand, so ist das doch als Zeichen dafür zu werten, dass sich die Zeitschrift mehr und mehr ins rein politische Fahrwasser begeben hatte.
VI. Das Ende der Neuen Ära und das Ministerium Hohenlohe-von der Heydt 1. Das politische Geschehen Der Zerfall der liberalen Einheit beschleunigte sich nach der Wahl im Dezember 1861.525 Zwar waren die Liberalen der klare Sieger, doch war mit der Fortschrittspartei eine neue Kraft ins preußische Abgeordnetenhaus eingezogen. 104 Fortschritts-Abgeordnete sahen sich 14 Konservativen gegenüber. Die Fraktion der Altliberalen wuchs auf 91 Mitglieder, darunter amtierende und ehemalige Minister, doch sollte Fraktionsführer Georg von Vincke im Streit mit seinen Kollegen aus der Volksvertretung scheiden. Zudem spalteten sich 50 Abgeordnete des regierungskritischen linken Zentrums (Fraktion Beckum-Dolffs) von den Altliberalen ab. Unter ihnen war auch Heinrich von Sybel, der den König in reaktionären Verstrickungen gefangen und zu eigener Initiative unfähig sah. Dennoch glaubten viele, wie auch Sybel, „daß man von allen Seiten zu einem Kompromiß streben wird“526. Zwar besetzten die Altliberalen in der Folge einen wichtigen Posten, der aber kaum Chancen zur Profilierung bot: der neue Parteiführer Wilhelm Grabow, der die Altliberalen unter dem Siegel „konstitutionelle Partei“527 führte, wurde Präsident des Abgeordnetenhauses. Mit Blick auf die eindeutig liberal ausgerichtete Volksvertretung sprach er vom Volke neben dem Thron. Das war für den König, der zuvor versucht hatte, die Wahl eines linksgerichteten Abgeordnetenhauses zu verhindern, eine doppelte Kränkung. Wilhelm I., scheinbar des Vertrauens seines Volkes beraubt, beschuldigte es der Treulosigkeit und schrieb die Schuld daran den nicht minder treulosen liberalen Ministern zu.528 Trotzdem versuchte eine Mehrheit im Staatsministerium weiter, dem König im Zuge der Heeresreform liberale Gesetze abzuringen. Weil Wilhelm darin eine Beschränkung seiner Vorrechte sah, leistete er meist heftigen Widerstand. Die Situation 525
Vgl. für das Folgende Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 291 ff. und Börner, Krise der Monarchie, S. 162 ff. 526 Heinrich von Sybel an Hermann Baumgarten am 7. Dezember 1861 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 73); vgl. Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 26. 527 Diese konstitutionelle Partei trat nun auch mit einem eigenen täglichen Presseorgan auf: Julian Schmidt und Konstantin Rößler redigierten die Berliner Allgemeine Zeitung. 528 Edwin von Manteuffel, Chef des Militärkabinetts, arbeitete sogar einen StaatsstreichsPlan aus. Vgl. Börner, Krise der Monarchie, S. 148 ff.; Börner, Ergebnis der Neuen Ära, S. 114; Canis, Taktik der Militärs, S. 140 ff.
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für das Kabinett war ausweglos: Politisch waren Volksmeinung und Volksvertreter so weit nach links gerückt, dass die dennoch treu dem König ergebenen liberalen Minister sich deutlich vom Programm der Fortschrittspartei absetzten und wiederholt mit der Auflösung des Abgeordnetenhauses drohten.529 Auf der anderen Seite waren Militärs und Herrenhaus nicht zu Konzessionen bereit. Dennoch sandten alle Beteiligten wiederholt Zeichen des Entgegenkommens aus. Wilhelm stimmte den liberalen Forderungen nach Reform von Polizei und Herrenhaus zu. Auf die Schaffung einer Oberrechnungskammer einigte sich das Ministerium Anfang 1862 nach heftigen Debatten um die Stärkung parlamentarischer Etat- und Finanzkontrolle und die Begrenzung monarchischer Rechte. Finanzminister von Patow musste dabei viele Abstriche von seiner ursprünglichen Gesetzesvorlage machen530, die zudem von der zuständigen Kommission des Abgeordnetenhauses in allen Einzelheiten negativ bewertet wurde. Der Gegenentwurf kam ebenso wenig zur Beratung wie das Gesetz zur Ministeranklage, forciert vom altliberalen Justizminister August von Bernuth, der im Dezember 1860 Simons abgelöst hatte. Der nicht zu lösende Streit um die Heeresreform führte schließlich im März 1862 zur Auflösung des Abgeordnetenhauses und der Entlassung des Ministeriums der Neuen Ära.531 Die zur Finanzierung der Reorganisation nötigen Kredite außerhalb des Staatsetats waren 1861 nur mit geringer Mehrheit von der Volksvertretung bewilligt worden und nur unter der Bedingung eines Dienstpflichtgesetzes zur definitiven Anerkennung der Heeresorganisation und der Bewilligung der erforderlichen Haushaltsmittel. Ende Januar 1862 beantragte der Fortschritts-Abgeordnete Adolf Hagen eine Aufstellung der einzelnen Positionen des Staatsetats, unterstützt auch von der altliberalen Fraktion. Wie das Staatsministerium zugab, war dies finanzpolitisch gerechtfertigt, da der Haushaltsplan nur wenige große Pauschalbeträge für bestimmte Positionen aufwies. Die Annahme des Antrags aber hätte die Regierung außerstande gesetzt, die Kosten für die Neuorganisation des Heeres zu verschleiern, weshalb sie ihn ablehnte. Die Volksvertretung stimmte dafür, was in dieser Frage den Bruch des gesamten Abgeordnetenhauses mit der Regierung offensichtlich machte.
529
Vgl. Haupts, Liberale Regierung, S. 75 f. Vgl. Paetau, Regierende Altliberale, S. 179 ff. und Börner, Krise der Monarchie, S. 154 ff., der das Verhalten Patows so deutet: „Den Ministern ging es in erster Linie um die Verhinderung eines konservativen Kabinetts. Deswegen waren sie bereit, ihre politischen Prinzipien weitgehend zu opfern.“ 531 Vgl. zum Folgenden grundsätzlich Bergsträsser, Konfliktszeit, S. 346 ff. Bergsträsser führt aus, dass der reine Bezug auf die Partei- und Wahlprogramme einen Kompromiss in der Heeresfrage möglich gemacht hätte. Die Forderung der Fortschrittspartei nach verfassungspolitischen Garantien im Gegenzug zu einer Zustimmung hätte den Konflikt eskalieren lassen. Außerdem: der Gegenantrag des Abgeordneten Hagen zu dem Antrag der Budgetkommission vom 6. März 1862 in Huber, Verfassungsdokumente, S. 36. 530
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Der König vertagte das Abgeordnetenhaus. Adolf Fürst zu Hohenlohe-Ingelfingen übernahm am 12. März den Posten des Ministerpräsidenten, Rücktrittsgesuche der liberalen Minister wurden zunächst abgelehnt. Da Wilhelm bestrebt war, weiter auf Grundlage der Verfassung zu regieren, forderte er Denkschriften zur zukünftigen Politik ein. Das Exposé der Konservativen war eindeutig: Keine Etatspezialisierung, Wahlbeeinflussung, keine weitere Zusammenarbeit mit einem oppositionellen Abgeordnetenhaus, ein Herrenhaus als Festung im Kampf gegen liberale Tendenzen. Die liberalen Minister setzten auf Verfassungstreue, Judenemanzipation, Pairsschub im Herrenhaus, Zugeständnisse ans Parlament und eine Senkung des Militäretats. Wilhelm erklärte, dieses Programm führe zu Republik und seiner Abdankung und entließ die liberalen Minister. Der regierende preußische Liberalismus zerbrach zwischen Macht und Ideal. Die Neue Ära endete vom einen Tag auf den anderen. Das neue Ministerium, faktisch geleitet von Finanzminister August von der Heydt, „stand an konservativer Entschiedenheit dem früheren Kabinett Manteuffel kaum nach“532. Im Zuge der Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus am 6. Mai 1862 ordnete König Wilhelm massive Wahlbeeinflussung im Rahmen des verfassungsmäßig Erlaubten an und zwang Staatsbeamte, für die Regierung zu stimmen. Als Zugeständnis an die Liberalen und zur Abgrenzung von den Ultrakonservativen ließ er den geplanten Steuerzuschlag für die Heeresreform streichen. Der Wahlerlass des Innenministers von Jagow enthielt das Regierungsprogramm: Verfassungstreue, Wahrung der Rechte der Krone, Vorgehen gegen die Demokratie und Reformen unter stark beschränkter Mitsprache des Parlaments.533 Die Altliberalen hofften mit dem Ende der Neuen Ära auch auf ein Ende der halbherzigen Politik. Sie wollten in der Opposition zu alter Stärke gelangen.534 Während die Forderungen in ihrem Wahlprogramm die alten waren535, griff die Fortschrittspartei an und sprach deutlich aus, was alle dachten: die Regierung reformiere den Staat nicht, die Verfassung werde nicht vollendet, das Herrenhaus blockiere Reformansätze536. Damit hatte die Fortschrittspartei das Volk auf ihrer 532
Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 295. Erlass des Innenministers von Jagow vom 22. März 1862 (in Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 243 ff.). 534 Vgl. Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 31. 535 Das Programm der Altliberalen für die Wahlen vom 12. März 1862 (in Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 238 f.): Treue dem König und der Verfassung, ein preußisch geführter deutscher Bundesstaat, liberaler Ausbau der Verfassung, eine effektive Leitung des Staates durch die Einheit von leitenden Staatsmännern und Beamten, die Reform des Herrenhauses und Einsparungen bei der nötigen Neuorganisation des Heeres. Gezeichnet unter anderem von Grabow, Beseler, Lette, Saucken-Julienfelde, Vincke-Olbendorf, Droysen und Julian Schmidt. 536 Die wichtigsten Punkte aus dem Aufruf der Fortschrittspartei zu den Wahlen vom 14. März 1862 (ebd. S. 240 ff.): Deutschlands Zukunft liege in der freiheitlichen Entwicklung Preußens; Wahrung der Rechte des Volkes ohne Rücksicht auf leitende Staatsmänner; Kontrolle über die Geldmittel des Landes in der Hand des Parlaments; zweijährige Dienstzeit in der 533
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Seite. „Eine Wahlbeteiligung, wie sie das Königreich Preußen noch nicht erlebt hatte und nie wieder erleben sollte, bewies die Erregung der Wählermassen; mit überwältigender Mehrheit zog die Fortschrittspartei in den neuen Landtag ein […].“537 Die Spaltung der Liberalen war nicht mehr aufzuhalten. Die Fraktion BeckumDolffs und Altliberale um Grabow, die das Parlament als entscheidenden Faktor im politischen System auffassten und von der zweijährigen Dienstpflicht im Heer nicht abrücken wollten, schlossen sich dem fortschrittsnahen linken Zentrum an. Zurück blieb eine kleine Gruppe, die auf die unbedingte Kooperation mit dem König setzte. Zum endgültigen Bruch zwischen Regierung und Abgeordnetenhaus führte der scheinbar unlösbare Heereskonflikt. Die Standpunkte waren seit drei Jahren dieselben, doch weniger vereinbar denn je. Die Volksvertreter drängten auf die zweijährige Dienstpflicht, um einen parlamentarischen Halbsieg zu erringen. Der Antrag der Abgeordneten Sybel, Twesten und Stavenhagen538 wahrte die königliche Prärogative, bewilligte den finanziellen Mehraufwand der Heeresreform, hinterfragte die Landwehr und verfocht die zweijährige Dienstzeit. Ein letztes Mal suchten beide Seiten den Kompromiss. Vincke und Roon besprachen sich. Der Kriegsminister sprach sich kurzzeitig für die zweijährige Dienstpflicht aus, um Reform und Volksvertretung zu retten.539 Wilhelm lehnte auch dieses Vermittlungsangebot ab. Daraufhin strich der Landtag alle Mehrkosten zur Heeresreform aus den Finanzplanungen der Regierung und stellte den König vor die Alternative, entweder ohne Etat zu regieren oder die neuen Regimenter nach Hause zu schicken. Wilhelm war unsicher: Der Ehrenmann wollte die Verfassung achten, der Oberbefehlshaber der Armee seinen Willen durchsetzen. Eine erneute Auflösung des Abgeordnetenhauses hätte zudem keine Änderung der Verhältnisse gebracht. Finanzminister von der Heydt drängte den König, die zweijährige Dienstpflicht im Heer zu akzeptieren und mit einem verfassungsgemäß genehmigten Etat zu regieren. Ministerpräsident, Finanz-, Innen-, Außen- und Handelsminister reichten ihre Rücktrittsgesuche ein, um ihre Bereitschaft zur Rettung von Regierung und Verfassung zu unterstreichen. Der König entwarf eine Abdankungsurkunde, gleichzeitig plante eine Gruppe um Otto von Manteuffel und den Königsbruder Carl einen Armee sowie „Beibehaltung der volkstümlichen Grundlagen des Heeres“. Eine Ablehnung der aktuellen Regierung bedeute aber keine Ablehnung des Königtums. 537 Mann, Deutsche Geschichte, S. 312. Vgl. auch Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 295. Die Fortschrittspartei erhielt 133 Sitze, die Altliberale Fraktion Grabow schrumpfte von 91 auf 65, die Konservativen erhielten 11. In der dritten Wählerklasse hatten 30 Prozent mehr Personen ihre Stimme abgegeben als im Dezember 1861. 538 Abänderungsvorschlag der Abgeordneten Stavenhagen, von Sybel und Twesten zum Bericht der Budgetkommission vom 8. September 1862 (in Huber, Verfassungsdokumente, S. 36). 539 Schulze-Wegener, Roon, S. 157 f., sieht in dem Kompromissversuch eher einen taktischen Winkelzug Roons als eine wirkliche Ausgleichsbemühung.
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Staatsstreich.540 In dieser aussichtslosen Situation wurde Otto von Bismarck auf den Plan gerufen.
2. Das Ende der Neuen Ära in den PJ Das Ergebnis der Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Dezember 1861541 war für die PJ ernüchternd. Duncker bilanzierte: „Die Stellung der Minister der höchsten Stelle gegenüber ist durch den Ausfall der Wahlen in hohem Maße gefährdet.“542 Obwohl die Altliberalen weiter „Kern und den Schwerpunkt […], die einzig compacte Masse“ der Volksvertretung darstellten, sei diese unberechenbar geworden, weil eine absolute Mehrheit gegen die Regierung möglich sei. Man habe die Führung des Landes „nicht mehr vollständig in der Hand“.543 Der Hauptgrund für fehlende Wählerstimmen war für Duncker und PJ die Uneinigkeit der Liberalen bezüglich der Heeresreform. Daher forderten sie ein klares, liberales, regierungsfreundliches Programm und die Verbesserung der Organisation und Kommunikation in der Fraktion.544 Sie betonten: nur die Neue Ära – und nicht die Fortschrittspartei – könne sich mit ihrem antifeudalen Programm des gemäßigten Fortschritts auf liberale und konservative Kräfte stützen. Wer das Ministerium angreife, greife auch die Altliberalen an.545 In ihrer Privatkorrespondenz bemerkten die PJ-Autoren jedoch, dass die Altliberalen „in hoffnungsloser Minorität“546 stünden. So ging Wilhelm Dilthey mit der starrköpfigen und heftigen Rhetorik der altliberalen Kandidaten ins Gericht: „Die Wahlen sind hier in Berlin geworden, wie zu vermuthen stand […]. Wenigstens Duncker wäre bei größerer Besonnenheit sicher gewählt worden. Wir haben also eine Kammer ohne die bisherigen Häupter der constitutionellen Parthei: Vincke, Simson, Duncker, Veit, Riedel usw., was ein großer Übelstand ist. Du kannst denken, wie aufgeregt und erbittert die Leute sind […].“547 Treitschke wiederum bemängelte die 540 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 296 ff., Börner, Krise der Monarchie, S. 170 f. und Bergsträsser, Konfliktszeit, S. 368 ff. 541 Bereits nach dem für die Altliberalen erschreckenden Ergebnis der Urwahlen Ende November hatte Duncker nochmals versucht, die staatstragende Rolle der Altliberalen zu betonen. Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz von 22. November, in PJ VIII, 5 (1861), S. 519 ff., hier S. 521 ff. 542 Duncker an Heinrich von Sybel am 26. Dezember 1861 (in Heyderhoff, Kritische Parlamentstage, S. 144). 543 Duncker, Politische Korrespondenz von 24. Dezember, in PJ VIII, 6 (1861), S. 636 ff., hier S. 636 und S 639. 544 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz von 24. Dezember 1861, S. 640 f. und Westphal, Staatsauffassung, S. 171. 545 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz von 22. November 1861, S. 524 ff. 546 Heyderhoff, Kritische Parlamentstage, S. 140. 547 Dilthey an seinen Vater, Ende November 1861 (in Misch, Junger Dilthey, S. 168 f.).
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Tatlosigkeit der Altliberalen und war weniger skeptisch gegenüber der Fortschrittspartei. „Es laufen sicherlich unter den Fortschrittsmännern manche unsaubere Gesellen mit um. Trotzdem bin ich mit dem Ausfalle der Wahlen im Ganzen zufrieden. Wenn die neuen Männer in der Armeefrage dem Könige entgegenkommen, dann bringt die Kammer vielleicht neues Leben in die Berliner Stagnation.“548 Die PJ sahen es nun als ihre wichtigste Aufgabe an, die Regierung im Amt zu stützen und die völlige Entfremdung zwischen Krone und Volk zu verhindern. Erleichtert bemerkte Max Duncker im Januar 1862, dass der König den Ausbau der Verfassung, die Reformen der ländlichen Institutionen und die Bundesreform in den Mittelpunkt seiner Thronrede gestellt hatte. Die liberalen Elemente in Ministerium und Abgeordnetenhaus hätten „das Feld behauptet“549. In einer ungewöhnlich kämpferischen und von Kriegsrhetorik durchsetzten Korrespondenz thematisierte Duncker den Kampf der Altliberalen „zwischen dem hartnäckigen Feudalismus des Oberhauses und dem […] ungestümen Fortschrittsdrang des Unterhauses“550. Doch zu einer fortschreitenden Entwicklung der Verfassung könnten nur politische Erfolge führen. Also müsse die Heeresreform unbedingt angenommen werden: „Die politische Bedeutung dieses Schritts ist so groß, daß alle anderen Erwägungen und Bedenken – und wir sind nicht gemeint die Schwere derselben zu verringern – dagegen in den Hintergrund treten müssen.“551 Allerdings hänge die Entscheidung des Abgeordnetenhauses über das Militärbudget mit der Entscheidung des Herrenhauses über die Kreisordnung zusammen.552 Die Notwendigkeit eines schlagkräftigen Heeres könnte der Volksvertretung durch eine militärische Initiative in Schleswig-Holstein oder Kurhessen bewiesen werden.553 Ansonsten sei die Regierung in der Gefahr, „zwischen den entgegengesetzten Strömungen des Herren- und des Abgeordnetenhauses allen Boden zu verlieren oder von dem Zusammenstoß beider Körper erdrückt zu werden“554. Die Grenzboten 548 Heinrich von Treitschke an Salomon Hirzel am 25. November 1861 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 183). Ähnlich an Hugo Meyer am 1. Dezember 1861 (ebd., S. 186). 549 Duncker, Politische Korrespondenz von 24. Januar, in PJ IX, 1 (1862), S. 103 ff., hier S. 103. Vgl. auch Duncker an Heinrich von Sybel am 16. Januar 1862 (in Heyderhoff, Kritische Parlamentstage, S. 146). 550 Duncker, Politische Korrespondenz von 24. Januar 1862, S. 104 f. 551 Ebd., S. 106. 552 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz von 22. Februar, in PJ IX, 2 (1862), S. 229 ff., hier S. 231 f. Weil die Heeresreform dem Adel nütze, benötige man im Gegenzug ein „Gesetz, welches auf anderen Gebieten das Uebergewicht desselben Standes vermindert“. Die neue Kreisordnung sah das Herrenhaus extrem kritisch. 553 Ähnlich argumentierte Duncker in der Politischen Korrespondenz von 24. Dezember 1861, S. 642 und privat (an Sybel am 26. Dezember 1861, in Heyderhoff, Kritische Parlamentstage, S. 144): „Auch ich sehe den Grund unseres ganzen Jammers darin, daß man das Land in elenden inneren Fragen sich aufreiben läßt, statt ihm eine große Aufgabe zu stellen.“ Ähnlich argumentierten auch Berliner Allgemeine Zeitung und Grenzboten (vgl. Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 28). 554 Duncker, Politische Korrespondenz von 22. Februar, in PJ IX, 2 (1862), S. 231.
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befürchteten dabei einen „Wettlauf der Langsamkeit […]: Beide werden sich bemühen, möglichst spät zu den großen entscheidenden Fragen zu gelangen, weil jedes Haus wünschen wird, vorher die Abstimmung des anderen Hauses zu kennen.“555 Nach dem Motto „Das Wesen der Politik ist der Kompromiss“ stellten die PJ die Unterschiede zwischen Altliberalen und Fortschrittspartei als überbrückbar dar.556 Je bereitwilliger alle Liberalen in Vorleistung gingen und die Heeresreform bejahten557, desto mehr sei das Ministerium verpflichtet, „die neue Kreisordnung und die ländliche Polizeiverwaltung, auch dem Herrenhause gegenüber, zur Durchführung zu bringen“558. Darüber hinaus stimmte es die PJ hoffnungsfroh, mit der Berliner Allgemeinen Zeitung einen neuen Mitstreiter für altliberale Perspektiven in den Reihen der Presse zu finden. Doch es folgte der Fall der „sittlich reinste[n] Verwaltung“559. Das Ministerium der Neuen Ära war nach Ansicht Dunckers gescheitert an mangelnder Initiative und Führungsstärke der Ressortchefs sowie an den Fehlern aller liberalen Parteien: zwar hätten sich die Minister deren Forderungen nach Kreisordnung, ländlicher Polizeiverwaltung, Gemeindeordnung, Ministerverantwortlichkeit und Oberrechnungskammer zu eigen gemacht, doch sei der Druck von außen zu groß gewesen. „Wir dürfen uns nicht verhehlen, dass die constitutionelle Partei des Guten entschieden zu viel gewollt und zu viel gethan hat.“ Mit dem Ende der Neuen Ära sei auch die Hoffnung auf ein vereintes Deutschland „in’s Grab gesunken“560. Der Antritt des konservativen Ministeriums Hohenlohe-von der Heydt wurde in den PJ zunächst nicht als Systemwechsel interpretiert.561 Das Verhalten der Minister, wie die Aufrufe zur Wahlbeeinflussung562, offenbarten aber einen schneidenden Gegensatz zur Neuen Ära. Der einzige richtige Weg gegen eine Regierung, die sich der Verwurzelung im Volke beraubt habe563, „die sich auf der einen Seite der Reaction 555
Zitiert in Bergsträsser, Konfliktszeit, S. 361. Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz von 24. Dezember 1861, in PJ VIII, 6 (1861), S. 642; Politische Korrespondenz von 22. Februar 1862, S. 229 und Politische Korrespondenz von 24. Januar, in PJ IX, 1 (1862), S. 103 ff., hier S. 107. 557 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz von 22. Februar 1862, S. 233 f. 558 Duncker, Politische Korrespondenz von 24. Januar 1862, S. 111. 559 Duncker, Politische Korrespondenz von 25. März, in PJ IX, 3 (1862), S. 356 ff., hier S. 357. 560 Beide Zitate Duncker, Politische Korrespondenz von 25. März 1862, S. 361 und S. 363. Die Neue Ära, so die Volkszeitung (in Frölich, Volkszeitung, S. 246), sei an der Passivität der Staatsspitze gescheitert und stemple sich „für die Weltgeschichte vollkommen ab“. 561 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz von 25. März 1862, S. 361. 562 Vgl. Haym/Duncker, Politische Korrespondenz von 24. April, in PJ IX, 4 (1862), S. 467 ff., hier S. 467 und Haym, Politische Korrespondenz von 26. Mai, in PJ IX, 5 (1862), S. 589 ff., hier S. 596. 563 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz von 25. März 1862, S. 363; Haym, Politische Korrespondenz von 26. Mai 1862, S. 600; Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 26. Juni, in PJ IX, 6 (1862), S. 675 ff. 556
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in die Arme geworfen hat, auf der anderen Seite durch die Art und Weise und durch den Sinn ihrer Gewährungen dem schlechtesten demokratischen Geiste in die Hände []arbeitet“564, sei nun eine von der Rücksicht auf die Interessen des preußischen Vaterlandes getragene sittliche Opposition. Die Wahlen im Mai 1862 hatten ein weit nach links gerücktes Abgeordnetenhaus zur Folge. Vor allem die Altliberalen hatten Sitze im Parlament eingebüßt. Daher forderte Rudolf Haym das Ende altliberaler Selbstbeschränkung: mit klaren Worten sollte der König von der Treue des Parlaments überzeugt und eine konstitutionelle Mehrheit erreicht werden.565 Doch die „Zersetzung oder Verschiebung der constitutionellen Partei“566 hatte bereits begonnen. Wilhelm Wehrenpfennig hatte in der Korrespondenz von Juni 1862 – seiner ersten – Schwierigkeiten, die Altliberalen noch von liberaler Rechten oder linkem Zentrum zu unterscheiden. Sicher war er nur in der Ablehnung einer Koalition zwischen Altliberalen und Demokraten.567 Wie der Kampf gegen die konservative Regierung und teils maßlose Forderungen des Abgeordnetenhauses geführt werden soll und was den Altliberalismus überhaupt ausmacht – darüber waren sich die Mitarbeiter der PJ zunehmend uneins. Sie wollten weiter besonnen die Tagespolitik kommentieren und ordneten sich selbst zwischen dem versprengten Rest der Fraktion Vincke und dem linken Zentrum ein, ohne sich aber den Ideen der Fortschrittspartei gänzlich zu verschließen.568 Duncker hatte bereits vor der Wahl angekündigt, die Altliberalen seien „nicht die Exliberalen“569. Nun hoffte er auf eine altliberale Mehrheit im Abgeordnetenhaus, sollte es gelingen, mit dem rechten Flügel der Fortschrittspartei zusammenzuarbeiten.570 Diese Mehrheit könne das aktuelle Ministerium gleichzeitig drängen und stützen. 564
Haym/Duncker, Politische Korrespondenz von 24. April 1862, in PJ IX, 4 (1862), S. 476. Vgl. Haym, Politische Korrespondenz von 26. Mai 1862, S. 600. Bei der Kreuzzeitung herrschte Freude. Das neue Ministerium zeichne sich durch „ehrenwerte Männer“ aus; die Entscheidung Wilhelms sei eine „kräftige Willensäußerung des Königtums gegenüber dem Andrängen der Demokratie“, Konservative blickten „mit großer ungeheuchelter Befriedigung und Freude“ in die Zukunft; die anstehenden Wahlen sah man als „Entscheidungskampf, ob königliches, ob parlamentarisches Regiment“ (NPZ 20.–23. März 1862; alle in Bussiek, Kreuzzeitung, S. 170 f.). 565 Vgl. Haym, Politische Korrespondenz von 26. Mai 1862, S. 596 ff. Bereits ein Jahr zuvor hatte Heinrich von Treitschke gefordert (an Heinrich Bachmann am 22. April 1861, in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 142 ff.), die Krise in Preußen müsse „endlich zum heilsamen Ausbruche kommen“. Das Volk werde seine Schuldigkeit tun und eine möglichst demokratische Kammer wählen. Für den „Wahnsinn“ eines „Junkerministerium[s]“ oder eines Staatsstreichs sei „die Zeit nicht angetan“. 566 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 26. Juni 1862, in PJ IX, 6 (1862), S. 678. 567 Ebd., S. 677 f. 568 Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 37 f., beschrieb dies als Honoratiorenpolitik, die nur zu einer dauernden Zuschauerrolle führen konnte. 569 Duncker, Politische Korrespondenz von 25. März, in PJ IX, 3 (1862), S. 356 ff., hier S. 364. 570 Vgl. Haym/Duncker, Politische Korrespondenz von 24. April, in PJ IX, 4 (1862), S. 476 f.; Cranston, PJ, S. 43; Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 34 und Westphal,
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Theodor von Bernhardi erwartete von den PJ keine wirkliche Abgrenzung von der Fortschrittspartei und wandte sich daher von der Zeitschrift ab. „[D]ie große Masse läuft aus purer Dummheit mit, will den ,Rechtsstaat‘, den ,Fortschritt‘ und wäre in arger Verlegenheit, wenn sie diese Herrlichkeit definieren sollte; ich kenne aber keinen kläglicheren Anblick als Dummheit die genial tut. – Doch liegt die Gefahr der Lage […] in der Charakterlosigkeit und Feigheit der Liberalen – die sie zu Knechten der Demokraten macht […].“571 Im Preußen des Jahres 1862 regierte nach Sicht der PJ das Misstrauen. Die Fortschrittspartei lehne selbst nützliche Gesetze wie eine Vorlage zum Passwesen ab, die Regierung setze in Berlin einen Polizeipräsidenten ein, der schon unter Manteuffel gewirkt habe. Rudolf Haym wirkte resigniert: Eine „moralische Versöhnung“ sei unmöglich572, die Minister seien reaktionär und unrühmlich im Auftreten. Zudem sei es „eine schwere Inconvenienz, daß ein Mann wie Herr v. d. Heydt momentan als der Repräsentant eines Staatswesens erscheint, das auf strenge Consequenz, auf Ehrlichkeit, Lauterkeit und Tapferkeit gestellt ist […].“573 Diese Aussage hatte Konsequenzen: das Juliheft der PJ wurde eingezogen und vernichtet, im November 1862 wurde Haym zu einer Strafzahlung von 20 Talern verurteilt – eine milde Strafe, bedingt durch die sonst „patriotische[], ja würdige[]“ Haltung seiner Korrespondenz, wie Haym in den PJ berichtete. Außerdem bemerkte er: „Beinah volle vier Jahre sind seit der letzten über uns ergangenen Beschlagnahme verflossen. Politische Preßprocesse waren in dieser Zeit […] zu einer Antiquität geworden – in dem neusten Preußen sind sie ein stehender Artikel der Tagesgeschichte.“574 Man werde sich wieder auf den Kampf zwischen den Zeilen besinnen. Diesen führte ab Herbst 1862 Wilhelm Wehrenpfennig, dessen Korrespondenzen Haym zunächst noch redigierte, um ihm aber vermehrt freie Hand zu lassen. Für große Aufmerksamkeit sorgte im August 1862 Das deutsche Ordensland Preußen575. Treitschkes Abhandlung ist bis heute kontroverser Gegenstand der historischen Forschung. Er wollte mit der Schrift die „Fabelsucht“576 in der Geschichte des Ordensstaates bereinigen, den Willen zur deutschen Einheit fördern Staatsauffassung S. 176. Eine ähnliche Haltung nahm auch Konstantin Rößler in seiner anonym erschienenen Broschüre „Die liberalen Parteien angesichts der Zukunft Preußens“ von April 1862 ein (in Rosenberg, Publizistik, S. 484). 571 Theodor von Bernhardi an Rudolf Haym am 8. Juli 1862 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 208). Vgl. Westphal, Staatsauffassung, S. 179 und Cranston, PJ, S. 43. 572 Haym, Politische Korrespondenz von 26. Juli, in PJ X, 1 (1862), S. 78 ff., hier S. 81. 573 Ebd., S. 89. Duncker/Haym, Politische Korrespondenz von 24. April 1862, S. 472 ff., hatten bereits den inneren Widerspruch und das sittlich Widerwärtige des Heydt’schen Auftretens festgestellt. 574 Haym, Notiz, in PJ X, 5 (1862), S. 526. 575 Interpretationen des Aufsatzes unter anderem durch Bussmann, Treitschke, S. 89 f.; Dorpalen, Treitschke, S. 70 ff.; Hertz-Eichenrode, Das deutsch-polnische Verhältnis, S. 45 ff. und Langer, Treitschke, S. 92 ff. 576 von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, in PJ X, 2 (1862), S. 95 ff., hier S. 97.
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sowie den politischen und kulturellen Führungsanspruch Preußens bekräftigen577. Daher projizierte Treitschke die Grundzüge der eigenen Gegenwart in die Welt des Mittelalters, hob den Wert von Staatlichkeit und bürgerlicher Ordnung hervor und kritisierte den Partikularismus.578 Treitschke erläuterte, dass die Ritter des Deutschordens unter Hermann von Salza im frühen 13. Jahrhundert den Auftrag erhalten hatten, die baltischen Pruzzen zu christianisieren und somit eine „die Ostsee umspannende Kette deutscher Kolonien“579 zu vervollständigen. 150 Jahre dauerte die Eroberung des Landes (beschrieben als Unendlichkeit aus Sümpfen, Seen und Urwäldern) und hatte die Halbierung der Bevölkerung der Pruzzen zur Folge.580 Die Staatengründung der Ordensritter inszenierte Treitschke als gesamtdeutsches Ereignis und Idealbild der Kolonisierung581, ausgehend von einer wagemutigen und selbstbewussten Tatkraft. Er erkannte darin viele Vorbilder für das zeitgenössische Preußen: den Siegeszug der deutschen Sprache, die effiziente Wirtschaftspolitik, das straffe Verwaltungssystem, die Betonung des politischen Lebens und die wichtige Rolle des Bürgertums.582 Treitschke schrieb emotional, leidenschaftlich, romantisch, bildhaft – ein „Erlebnis für den Leser“583, wie selbst einer der größten Kritiker des Aufsatzes eingestehen musste. Dieter Hertz-Eichenrode macht jedoch deutlich, der historisierende Mystizismus sei „ohne Beweiswert für die nationalpolitische Aufgabe Preußens […]. Die assoziative Phantasie musste mit malerischen Worten ersetzen, was die wissenschaftliche Darstellung nicht liefern konnte.“584 Aus heutiger Sicht kann Das deutsche Ordensland Preußen Botschaften transportieren, die nationalistisch, rassistisch, sozialdarwinistisch, kriegsverherrlichend, kulturchauvinistisch und antipolnisch gedeutet werden können. Treitschke beschreibt die Slawen als Volk der Knechte, Prostituierten und Faulenzer. Das dient zugleich der Glorifizierung des eigenen Volkes, das sich durch die Unterwerfung eines kaum bildungsfähigen Volkes verdient machen kann. 577
Vgl. Hertz-Eichenrode, Das deutsch-polnische Verhältnis, S. 86. Vgl. von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, S. 151; ebenso der Brief Treitschkes an Rudolf Haym vom 9. Juli 1862 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 221 f.) und Langer, Treitschke, S. 94. 579 von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, S. 102. 580 Von etwa 170.000 Pruzzen im Gebiet überlebten den Eroberungszug nur 90.000. Was mit den anderen geschah, sei nicht eindeutig zu beantworten, bemerkt Hertz-Eichenrode, Das deutsch-polnische Verhältnis, S. 41. 581 Treitschke überhöhte den Staat, aus dem später das Königreich Preußen entstehen sollte: gegründet von einem Ritterorden, der seine Ursprünge im göttlichen Land Palästina habe. Vgl. Hertz-Eichenrode, ebd., S. 51 ff. und Langer, Treitschke, S. 94. 582 Vgl. von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, S. 109. Auf S. 116 entdeckte er ein banausisches Wesen des Ordensstaats in der Bildung, das man durch Glanz der Bau- und bildenden Kunst überspielt habe. 583 Hertz-Eichenrode, Das deutsch-polnische Verhältnis, S. 49. Über die ästhetische Qualität von Treitschkes Schilderungen der Landschaft und des Krieges vgl. Bussmann, Treitschke, S. 89 f. 584 Hertz-Eichenrode, ebd., S. 55. 578
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„Bei dem unseligen Zusammenprallen tödtlich verfeindeter Racen ist die blutige Wildheit eines falschen Vernichtungkrieges menschlicher, minder empörend als jede falsche Milde der Trägheit, welche die Unterworfenen im Zustande der Thierheit zurückhält, die Sieger entweder im Herzen verhärtet oder sie hinabdrückt zu der Stumpfheit der Besiegten. Ein Verschmelzen der Eindringlinge und der Urbewohner war in Preußen unmöglich, wo weder das Klima des Landes noch die Cultur der Bewohner der Deutschen irgend eine Lockung bot, vielmehr die Unfähigkeit des Volkes zu nationalem Staatsleben, sogar den Slaven gegenüber, klar am Tage lag. Ein menschliches Geschenk daher, daß nach der Unterjochung der Herr dem Diener seine Sprache gab, ihm so den Weg eröffnend zu höherer Gesittung.“585
„[D]erartige Äußerungen […] lassen kaum eine mäßigende Interpretation zu“586, bemerkt Hertz-Eichenrode. Allerdings war eine derartige Einstellung für die damalige Zeit nicht ungewöhnlich, Antislawismus und Antisemitismus waren tief verwurzelt. Zudem sah es Treitschke als seine Aufgabe an, in der Gegenüberstellung mit den Slawen „in diesem Ritterbunde einige Züge des deutschen Wesens verkörpert zu finden, die man selten recht beachtet – die aggressive Kraft und die herrische gemütlose Härte“587. Als er Haym den Aufsatz sandte, bat er „um Schonung: manches dem raschen Blicke anstößige Wort ist den Quellen entnommen“588. Die weitere Geschichte stellte Treitschke als eine Art Rassenkampf dar. Der menschenwürdig kolonialisierte Ordensstaat war bedroht durch die „Barbaren des Ostens“589 : Polen und Litauer, deren kriegerisches Wesen er zugleich anerkannte und verabscheute. Der Krieg gegen die Slawen – „ein Schlachten, unerhört in der Geschichte des Nordens“590 – ließ ein Drittel der Ordensritter tot zurück. Die Vernichtung deutscher Kultur war die Folge. „Das übrige Land […] empfand schwer die klägliche politische Unfähigkeit der Polen. Untergraben wurden die Grundlagen reinerer Menschensitte, die deutscher Fleiß gelegt, und in Preußens Ober- und
585
von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, S. 110. Hertz-Eichenrode, Das deutsch-polnische Verhältnis, S. 78. Vgl. Wiegrefe, Gottesreich an der Ostsee, S. 45 und Langer, Treitschke, S. 93 f. Anregend für Treitschkes Aufsatz war auch eine Reise durch Böhmen 1860. An Bachmann schrieb er am 4. Oktober (GStA PK, VI. HA, NL Meinecke, Nr. 236, Treitschke-Abschriften, S. 99): „[S]chade, daß der herrlich Gau einem so faulen, schmutzigen, energielosen (allerdings heiteren und für ein paar Tage ganz liebenswürdigen) Mischvolke in die Hände gefallen ist. Das rechte Eisen des reinen deutschen Charakters fehlt. In 100 Jahren, wenn ein nationaler großer deutscher Staat auf sie eingewirkt hat, können sie vielleicht wirkliche Deutsche werden wie Preußen aus den Schlesiern in noch kürzerer Zeit einen deutschen Stamm gemacht hat.“ 587 Treitschke an Gustava von Havelberg am 14. August 1862 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 230). 588 Treitschke an Rudolf Haym am 9. Juli 1862 (in Cornicelius, ebd., S. 221 f.) über die erste Version des Aufsatzes. Mit den angesprochenen Quellen hatte Haym Probleme, wie Treitschke am 18. August 1862 an PJ-Verleger Reimer schrieb (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 4): Die Korrektur seiner Arbeit bereite „wegen der vielen seltenen und veralteten Ausdrücke Schwierigkeiten“. 589 von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, S. 113. 590 Ebd., S. 134. 586
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Unterständen war das Gebaren des polnischen Reichstags eifrig nachgeahmt. Ein Ziel nur lockte die neuen Herrscher, die Vernichtung deutscher Sprache und Sitte.“591 Unbestritten ist, dass sich Das deutsche Ordensland Preußen deutlich von Treitschkes bis dato in den PJ veröffentlichten Essays unterschied, gab es doch dem Postulat der staatlichen Einheit den Vorzug vor dem der persönlichen Freiheit. Daher wurde Treitschkes Betonung außenpolitischer Aggressivität nach 1945 oft als partielle ideologische Wegbereitung für die nationalsozialistische Expansionspolitik gedeutet.592 Jedoch sollte die Präferenz der staatlichen Einheit das liberale Denken der Jahre bis 1871 bestimmen – und Treitschkes Essay ist als ein frühes, wenn auch drastisches, Beispiel dessen zu betrachten. Rudolf Haym beispielsweise lobte das Ordensland als staunenswertes Kapitalstück.593 Inzwischen hatte sich der Heereskonflikt weiter zugespitzt. „Die militärische Frage ist in diesem Augenblick […] die einzig politische Frage. Mehr oder weniger ist sie es überall.“594 Die PJ bemühten sich trotz der angekündigten Opposition zum neuen Staatsministerium um Sachlichkeit595, beließen es aber bei allgemeinen Postulaten oder gerieten in ein Wirrwarr aus Rechtfertigung und Abwägung verschiedener Ansichten. Immer wieder stellten sie klar, dass es ihnen bei der Vermittlung nicht darum gehe, die Regierung zu stützen: „Wir betrachteten und vertraten die Reorganisation der Armee nur im Zusammenhang mit einem activen politischen System, das unsere Kräfte im Innern und unsere Macht nach Außen entwickeln sollte. Die letzte Spur der Hoffnung auf ein solches System ist augenblicklich erloschen, und wir haben nicht die Aufgabe, die Sorgen unserer Gegner zu erleichtern […].“596 Die PJ forderten die Abgeordneten zu Sachlichkeit auf, statt nach dem Grundsatz „keine Konzessionen“597 zu handeln und übertriebene Forderungen zu stellen598. 591
von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, S. 147. Vgl. Langer, Treitschke, S. 92 und S. 96 f. 593 Vgl. Hertz-Eichenrode, Das deutsch-polnische Verhältnis, S. 48. Treitschke hatte Haym vor der Veröffentlichung gebeten (am 9. Juli 1862, in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 221 f.), für einen unbefangenen Eindruck das Manuskript nicht zu zerteilen. Eine unterbrochene Lektüre verderbe den Genuss und das Verständnis. 594 Haym, Politische Korrespondenz von 26. Juli, in PJ X, 1 (1862), S. 78 ff., hier S. 82. 595 Angekündigt durch Haym, Politische Korrespondenz von 26. Mai, in PJ IX, 5 (1862), S. 589 ff., hier S. 599. Für Sachlichkeit war Julius Königer verantwortlich. Er besprach in PJ X, 1 und 4 (1862) Flugschriften zur Militärfrage, wandte sich 1861/2 in der Reihe Militärische Briefe aus Süddeutschland der militärischen Notwendigkeit der Heeresreform und der „Verhinderung eines das ganze Verfassungsleben in Preußen bedrohenden Bruchs“ zu und beendete diese mit dem Essay Zur Verständigung in der Militärfrage in PJ X, 2 (1862), S. 169 ff. 596 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 26. Juni, in PJ IX, 6 (1862), S. 675 ff., hier S. 678. 597 Vgl. Veit, Politische Korrespondenz von 28./29. September, in PJ X, 3 (1862), S. 302 ff., hier S. 304. 598 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 26. Juni 1862, S. 681. 592
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Denn „[w]ie viel politische Unklugheit, die nichts lernen und nichts vergessen will, ist zur Verwunderung der Welt seit dem 18. März dieses Jahres in Preußen von Neuem an den Tag getreten!“599 Da ganz Europa aufrüste, sei die von der Fortschrittspartei geforderte Rückkehr zum Militäretat von 1859 inklusive Ablehnung aller Extraordinarien unmöglich. Entwaffnung bedeute Landesverrat, die Pflicht gegenüber dem Staat lasse nur die Bewilligung des provisorischen Etats zur Heeresreform zu – in dem aber bis zu 2,5 Millionen Taler eingespart werden könnten. „Es bleibt also für diese Session nichts mehr übrig, als eine vorläufige Vereinbarung zu erreichen, welche einerseits den Fortbestand des Heeres in seiner jetzigen Organisation, andererseits die gesetzliche Lösung, die Erfüllung der gerechten Wünsche des Volks und seiner Vertreter sicher stellt. In dieser Richtung müssen sich die entscheidenden Gedanken bewegen […]: 1. Zweijährige Präsenz; 2. Vorläufige Genehmigung der höheren Recrutirung; 3. Vorläufige Bezeichnung der zwei jüngsten Jahrgänge der Landwehr für den Ersatz der Linie.“600
Die PJ betonten wiederholt die entscheidende Rolle des Parlaments in der Heeresfrage. Große Sympathien hegten Haym und Veit daher für die Vermittlungsangebote der Abgeordneten Twesten und Sybel und sowie der Abgeordneten Twesten, Lette und Stavenhagen. Für solch vermittelnde Standpunkte könnten parlamentarische Mehrheiten organisiert werden. Außerparlamentarische Aktivitäten wurden kritisch beurteilt: Ein Treffen der Fortschrittspartei mit anderen liberalen Fraktionen untergrabe die Parlamentsarbeit und greife „Elemente der Massenstimmung“ auf, statt die fachliche Auseinandersetzung zu fördern.601 Als letzte Vermittlungsversuche zwischen Abgeordnetenhaus und Regierung scheiterten, hielten die PJ einen Umsturz für ebenso wahrscheinlich wie ein budgetloses Regime.602 Dabei widersprachen sie der Kreuzzeitung603 und betonen dessen Verfassungswidrigkeit: „Ohne ein bewilligtes Budget sind keine Ausgaben zu machen, die doch zum Leben des Staates nothwendig sind; ohne Budget ist überhaupt nicht zu regieren; mit der Umgehung […] des Artikels 99 stürzt die Verfassung in ihrem Fundamente zusammen.“604 Doch erwarteten sie vom König, „der nach seinen 599
Pauli, Das Königtum in England seit hundert Jahren, in PJ X, 1 (1862), S. 1 ff., hier S. 1. Königer, Zur Verständigung in der Militärfrage, in PJ X, 2 (1862), S. 181. Vgl. Haym, Politische Korrespondenz von 26. Mai 1862, S. 599 und Veit, Politische Korrespondenz von 28./ 29. September 1862, S. 303. 601 Zum Absatz vgl. Haym, Politische Korrespondenz von 26. Mai 1862, in PJ IX, 5 (1862) S. 598, und von 26. Juli 1862, in PJ X, 1 (1862), S. 80 ff.; Veit, Politische Korrespondenz von 28./29. September 1862, in PJ X, 3 (1862), S. 303 ff. Die Macht des Parlaments betonten Berliner Allgemeine Zeitung und Nationalzeitung (vgl. Fülling, Altliberale, S. 42 f.; Friehe, Nationalzeitung, S. 38). 602 Vgl. Veit, Politische Korrespondenz von 28./29. September 1862, S. 303 und S. 308 ff. 603 Diese vertrat von Anfang an die Lückentheorie in der Verfassung (vgl. Bussiek, Kreuzzeitung, S. 173). 604 Fubel, Politische Korrespondenz von 25. August, in PJ X, 2 (1862), S. 200 ff., hier S. 208. 600
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eigenen Worten ,unverändert auf dem Boden der beschworenen Verfassung steht‘“605, dass er dieses Szenario verhindere. Doch Wilhelm I. fand eine andere Lösung.
3. Die PJ in der Neuen Ära: eine Bilanz in aller Kürze Gegründet in der Reaktionszeit aus „dem Bedürfnis der national-liberalen Partei in Preußen, ein lauteres, den Machteinflüssen der regierenden Partei unzulängliches Organ zu besitzen“606, hatten die PJ den Anspruch, eine geschichtswissenschaftliche Perspektive mit dem Mut zur politischen Tat zu verbinden. Beherrschendes Ziel der Autoren war der freiheitliche deutsche Nationalstaat, der auf vier Grundprinzipien beruhte: Einhaltung von Menschen- und Bürgerrechten, Geltung des parlamentarischen Systems, verantwortungsvoll agierende Regierende und Erziehung der Bürger zur politischen Persönlichkeit. Der Beginn der Neuen Ära drängte die PJ als Organ der nun mitregierenden Altliberalen in die Tagespolitik. Das zeigte sich unter anderem an den Politischen Korrespondenzen, die ab November 1858 eine „fesselnde Lektüre“607 boten: die Autoren ereiferten sich gegen die Ultrakonservativen in der Umgebung des Königs und gegen die staatliche Bürokratie, die von Feudalen durchsetzt war und jeden Fortschritt in der Verfassung blockierte. Dabei tolerierten sie – solange die Monarchie nicht angetastet wurde – auch linksliberale und liberal-konservative Auffassungen. Panische Angst herrschte aber vor demokratischen Tendenzen, die zur Revolution führen und die Grundfesten des preußischen Staatswesens erschüttern könnten. In der Außenpolitik betonten die PJ zunächst die Nähe zu Österreich und England. Englands politisches System, in dem ein sinnvoller Kompromiss mit dem Adel erreicht wurde, galt als vorbildlich. Feindlich gesinnt war man Frankreich, das ein „in ständige Furcht versetzender synonymer Begriff für Demokratie, Republik und Jakobinertum“608 war. Russland galt als Frankreichs Bundesgenosse und Repräsentant des Ultrakonservatismus. Nach dem Italienischen Krieg wurde die Objektivität der Auslandsberichterstattung zunehmend nationalen Interessen untergeordnet.609 Die Entfremdung von England wurde durch dessen Verhalten im Konflikt um SchleswigHolstein beschleunigt. Gleichzeitig mit der Hinwendung zu Frankreich und der
605
Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 26. Juni 1862, in PJ IX, 6 (1862), S. 686. Aus dem Rundschreiben Hayms an die Mitarbeiter vom 16. Oktober 1857, abgedruckt bei Westphal, Staatsauffassung, Anlage 2; Original z. B. in ULB Halle, NL Haym, Yi 23 V 138. 607 Krohn, Haym, S. 111. 608 Bercht, Konzeption der PJ, S. 161. 609 Vgl. Riethmüller, Russlandberichterstattung der PJ, S. 13. 606
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Unterstützung des preußisch-französischen Handelsvertrags wich die Furcht vor Russland. Zu Anfang unterstützten die PJ das Ministerium der Neuen Ära bedingungslos. Doch da die liberale Ausgestaltung der Verfassung ausblieb, setzte Kritik an den altliberalen Ministern ein. Nach deren Sturz führten die Autoren mangelnde politische Durchsetzungskraft als Hauptgrund für das Scheitern der Neuen Ära an. Weil man sich von einer starken Regierung die Sicherung des preußischen Staatswesens erhoffte, empfing man das Ministerium Hohenlohe/von der Heydt nur mit geringen Vorbehalten, geriet aber wegen dessen verfassungsverachtenden Prinzipien schnell in eine oppositionelle Rolle. Die Heeresreform betrachteten die Autoren vom Standpunkt der militärischen Notwendigkeit und nahmen eine vermittelnde Stellung zwischen den Konfliktparteien ein. Eine einheitliche Linie gegenüber den Altliberalen zeigte die Autorenschar der PJ während der Neuen Ära nicht. Zu viele Schattierungen gab es innerhalb der altliberalen, erst recht in der liberalen Bewegung. Diese Gegensätze sorgten für Leben in der Berichterstattung, aber auch für Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten.610 Auf der einen Seite standen idealistische Liberale wie Haym und Treitschke, die in den PJ ihre Vorstellungen von Moral und Reform in der preußischen Politik proklamierten und dabei auch über die Forderungen altliberaler Mitstreiter hinausgingen. Auf der anderen Seite standen Staatstreue wie Bernhardi, Duncker und Neumann, die deutlich mehr Verständnis für die Politik des Ministeriums der Neuen Ära und des Regenten zeigten.
610
Vgl. Westphal, Staatsauffassung, S. 100 ff. und Cranston, PJ, S. 3 ff.
D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866) I. Die Preußischen Jahrbücher während des Verfassungskonflikts in Preußen 1. Die ersten Monate des Ministerpräsidenten Otto von Bismarck a) Das politische Geschehen In den Tagen vor Bismarcks Berufung war die Situation der preußischen Politik denkbar zerfahren, König Wilhelm dachte gar an Abdankung.1 „Die Zeit war reif für eine Politik, die nichts anderes als die Interessen des Staates verfolgte […].“2 Kriegsminister von Roon wollte den Weg in eine modernere konstitutionellere Monarchie versperren und schickte am 18. September 1862 das bekannte Telegramm an den preußischen Gesandten in Paris, Otto von Bismarck: „Periculum in mora. Dépêchez-vous.“ Er hoffte, dass sich der König über seine Bedenken hinwegsetzen werde.3 Denn dieser hatte noch am 19. September dem Kronprinzen erklärt, er sei nicht bereit, Bismarck zum Minister zu machen. Auch die Öffentlichkeit, die bereits nach dem Ende der Neuen Ära mit einer Berufung Bismarcks in das Staatsministerium gerechnet hatte, empfand ihn als einen Mann, „der versuchen werde, das Rad der Zeit nicht nur im staatlichen, sondern vor allem auch im gesellschaftlichen Bereich aufzuhalten, ja, zurückzudrehen“4. An der konservativen Grundhaltung dieses Mannes bestand kein Zweifel.5 Bismarck eilte nach Berlin und stellte sich dem König als treuer Vasall zur Verfügung. Er kündigte an, das Königtum zu stärken, die ökonomische, soziale und politische Macht des Adels zu sichern, liberale Ansprüche weitgehend zurückzu1
Entwurf der Abdankungsurkunde in Huber, Verfassungsdokumente, S. 40 f.; vgl. Angelow, Wilhelm, S. 244. 2 Herre, Bismarck, S. 165. 3 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 301 und Mieck, Preußen und Westeuropa, S. 783 ff. 4 Gall, Bismarck, S. 248. Vgl. auch Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 299 ff. 5 Kraus, Bismarck und die preußischen Konservativen, S. 3 ff., erläutert, dass Bismarck ungeachtet aller Konflikte und Differenzen unzweifelhaft aus der konservativen Partei hervorgegangen war und sich zeitlebens zu der Partei und der sie tragenden Schicht der ostelbischen Junker zugehörig gefühlt hat.
I. Die Preußischen Jahrbücher während des Verfassungskonflikts in Preußen
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weisen und die preußische Hegemonie in Deutschland unter Ausschluss Österreichs aufzubauen.6 Letztlich ernannte Wilhelm, der einen loyalen Helfer im bevorstehenden Kampf gegen die parlamentarische Opposition dringend benötigte, Bismarck zum Vorsitzenden des Staatsministeriums und wenige Wochen später auch zum Außenminister. Wenn Bismarcks Berufung heute als „historische Vorentscheidung“7 oder „Sieg der preußischen Militärpartei“8 gedeutet wird und seinerzeit die Kreuzzeitung unverhohlen ihre Genugtuung zeigte, so war sein Erfolg für die Zeitgenossen nicht vorhersehbar. Königin Augusta und Kronprinzessin Victoria lehnten den neuen Ministerpräsidenten strikt ab.9 Der badische Außenminister Franz von Roggenbach beschimpfte ihn als grundsatzlosen Junker, „der in politischer Kanaillerie Karriere machen will“10. Die Augsburger Allgemeine Zeitung sah in Bismarck den „Typus eines die Uniform unter dem Frack versteckenden Ministerpräsidenten“. Rochau urteilte in der Wochenschrift des Nationalvereins: „Mit der Verwendung dieses Mannes ist der schärfste und letzte Bolzen der Reaktion von Gottes Gnaden verschossen.“ Die Kölnische Zeitung zumindest bescheinigte Bismarck „Geist und Bildung“, „Beredsamkeit und Unternehmungsgeist“ – was ihn besonders gefährlich mache.11 Eine Alternative zur Berufung des Konfliktministers war die Machtübernahme durch den Kronprinzen. Gerade in der Interpretation der linksliberalen historischen Forschung nach dem Zweiten Weltkrieg hätte Friedrich Wilhelm seine Ansprüche auf den Thron nur deutlich artikulieren müssen und sein Vater wäre zurückgetreten. Doch er habe die Chance seines Lebens verpasst und sich ins politische Abseits manövriert. Diese Sicht der Dinge lässt einige Fakten außer Acht. Tatsächlich hatte sich der Kronprinz in der entscheidenden Phase vor Bismarcks Berufung aus Berlin zurückgezogen und wurde lediglich schriftlich von seinem persönlichen Berater Max Duncker über den Stand der Dinge informiert.12 Die neuen Umstände schien er schnell akzeptiert zu haben, wünschte er doch Bismarck persönlich „in der gegen6 Der Inhalt des Gespräches vom 22. September 1862 ist nur über Bismarcks Überlieferung erhalten – ein Teil der Forschung bezeichnet sie im Kern als richtig, der andere Teil mahnt, sie eher literarisch als dokumentarisch zu interpretieren. Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 302 und Mieck, Preußen und Westeuropa, S. 784 ff. 7 Engelberg, Bismarck, S. 527. 8 Mieck, Preußen und Westeuropa, S. 787; vgl. Gall, Bismarck, S. 253 f. 9 Eine wenig positive Aufzeichnung der Königin Augusta über Bismarck vom Juli 1862 in Huber, Verfassungsdokumente II, S. 39 f.; vgl. auch Feuerstein-Praßer, Augusta, S. 205 f. und Angelow, Wilhelm, S. 248. 10 Freiherr Franz von Roggenbach an Max Duncker am 25. August 1860 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 220). 11 Alle zitiert in Nirrnheim, Bismarck und die öffentliche Meinung, S. 61 ff. 12 Vgl. Schulze, Briefe Dunckers, S. 334 ff. und zur Gesamtthematik Mieck, Preußen und Westeuropa, S. 784 ff.
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
wärtigen schwierigen Lage des Verfassungslebens unseres Landes die von Ihnen selbst bezeichnete, dringend nothwendige Verständigung mit der Landes-Vertretung herbeizuführen. Mit gespannter Aufmerksamkeit folge ich dem Gange der Dinge bei uns […].“13 Auch in den kommenden Monaten blieb der Thronfolger passiv: „[W]as von einer Wendung des Kronprinzen oder von unvorsichtigen und der Mißdeutung ausgesetzten Reden desselben erzählt wird, ist erlogen. Der Kronprinz spricht gar nicht über Politik, […] sitzt im Ministerrat als Bildsäule […]. Vergebens haben die Minister seine Meinung wiederholt zu erhalten gewünscht. Dieses Schweigen soll auf der einen Seite Kompromittierung nach unten, auf der anderen Bruch mit dem Vater verhindern. Er hat dies System selbst gewählt und es gehört Charakter dazu, es durchzuführen.“14
Von der Hand zu weisen ist in diesem Zusammenhang die Behauptung, dass nach einer Regierungsübernahme Friedrich Wilhelms liberale Grundsätze Preußens Politik bestimmt hätten.15 Kraus hat darauf hingewiesen, dass dessen verfassungspolitischen Ideen kaum mehr als rudimentäre und unpräzise Harmonieideale waren. Entscheidenden Einfluss auf den Kronprinzen übte Max Duncker aus, der auf Versöhnung und Vermittlung zwischen den politischen Machtfaktoren abzielte. Weil Friedrich Wilhelm die Beharrungskraft der Institutionen und der vorhandenen Verfassungsordnung zudem richtig einschätzte, war er nicht bereit, in eine offene Konfrontation mit der Regierung und dem König zu treten.16
13
Kronprinz Friedrich Wilhelm an Bismarck am 21. Oktober 1862 aus Marseille (in Bismarck, Briefwechsel, S. 337). Am 10. November schrieb Flügeladjutant von Schweinitz an Bismarck (ebd., S. 338): „Der Kronprinz, gewöhnt von seinen Onkels u[nd] besonders aber von den höchsten Dienern des verstorbenen Königs ignorirt oder geringschätzend behandelt zu werden, ist empfänglich für die Ihm zukommenden Aufmerksamkeiten; Ihr erstes Schreiben […] und mehr noch die Sendung eines Couriers haben den Prinzen angenehm berührt.“ 14 Karl Samwer an Gustav Freytag am 28. Februar 1863 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 133). 15 Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 197, schrieb: „Kronprinz Friedrich Wilhelm war liberal.“ 16 Vgl. Kraus, Militärreform oder Verfassungswandel, S. 209 ff. Folgende Erläuterung auf S. 231 f., Anm. 94 (Herv. im Original): „Man darf hierbei nicht vergessen, dass die Generation Friedrich Wilhelms IV. und Wilhelms I. […] durch das Erlebnis des Jahres 1806, durch den damaligen schnellen Zusammenbruch des preußischen Staates, zutiefst geprägt worden war. Das Trauma ,1806‘ tauchte in allen scheinbaren oder auch wirklichen Gefahrensituationen (1830/31, 1840, 1848, 1862/63) immer wieder auf und bestimmte das Denken und Handeln der entsprechenden politischen Protagonisten dieser Zeit. Nicht zuletzt war es das innerste Anliegen Wilhelms I., mit seiner ab 1859 initiierten Heeresreform einen zentralen Beitrag dafür zu leisten, dass sich ein ,neues 1806‘ nicht wiederholen konnte. Eine Verfassungsordnung, die das Bürgertum gegenüber dem Adel gestärkt, die also einer gewählten parlamentarischen Versammlung ein ausschlaggebendes Gewicht bei der Entscheidung über Struktur und Stärke des preußischen Heeres zugesichert hätte, kam daher für den König und die große Mehrheit des preußischen Führungspersonals dieser Zeit unter keinen Umständen in Frage! […] Um die verfestigten politischen Strukturen und auch die Mentalität innerhalb der preußischen Führungsschichten aufzubrechen, hätte es Persönlichkeiten von ganz anderem politischem, […] intellektuellem Format bedurft […].“
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Bismarck setzte zunächst auf den Kompromiss, unterschätzte dabei aber die Schärfe der innenpolitischen Spannungen und scheiterte.17 Sein Entwurf einer modifizierten Heeresreform mit zweijähriger Dienstzeit wurde vom König und dem Chef des Militärkabinetts, Edwin von Manteuffel, abgelehnt. Die Liberalen, denen er bis zu drei Ministerposten anbot, verwarfen wiederum eine dreijährige Dienstzeit im Heer und einen Verzicht des Abgeordnetenhauses auf den Vorrang in Haushaltsfragen. Ebenfalls scheiterte der Kompromissvorschlag des Altliberalen Vincke, der Regierung bis zum Zustandekommen eines Haushaltsgesetzes einen Kredit einzuräumen. Wo die Altliberalen eine Verhandlungsbereitschaft Bismarcks vermuteten, bemängelte die Fortschrittspartei, dass die Garantien für eine spätere Einigung fehlten.18 Die Lage war zum Zerreißen gespannt und entlud sich nach der berühmten Eisenund-Blut-Rede vor der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses. Dort erklärte Bismarck, dass die Verfassung zwar auf dem Vereinbarungsprinzip beruhe, sich Rechtsfragen aber schnell zu Machtfragen entwickelten, wenn eine Seite keine Kompromissfähigkeit zeige. „Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht; Bayern, Württemberg, Baden mögen dem Liberalismus indulgieren, darum wird ihnen doch keiner Preußens Rolle anweisen; Preußen muß seine Kraft zusammenfassen und zusammenhalten auf den günstigen Augenblick, der schon einige Male verpaßt ist; Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig; nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut.“19
Die liberale Öffentlichkeit fasste diese Ausführungen als gezielte Provokation auf und reagierte ähnlich wie folgend Heinrich von Treitschke: „Du weißt, wie leidenschaftlich ich Preußen liebe; höre ich aber einen so flachen Junker, wie diesen Bismarck, von dem ,Eisen und Blut‘ prahlen, womit er Deutschland unterjochen will, so scheint mir die Gemeinheit nur noch durch die Lächerlichkeit überboten.“20 Weniger einig war sich die historische Forschung über die Absicht hinter Bismarcks Worten. Nipperdey und Gall gaben dem Ministerpräsidenten Recht in seiner Einschätzung, dass „politisch-staatliche Existenzfragen Fragen der Macht und der Armee seien“. Den Fehler Bismarcks sahen sie in der „Unterschätzung des innenpolitischen Gegners und der ihn unterstützenden Kräfte, im Vertrauen auf die Manipulierbarkeit und Korrumpierbarkeit der Abgeordneten wie der öffentlichen 17
Vgl. Clark, Preußen, S. 597; Gall, Bismarck, S. 257 f.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 305 f.; Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 762 und Pflanze, Bismarck, S. 187 f. 18 Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 45, sieht den Antrag Vinckes als Zeichen, dass „man sich im altliberalen Lager noch mit der Hoffnung trug, parlamentarische Stütze der Regierung werden zu können“. 19 Die Rede Bismarcks vom 30. September 1862 in Huber, Verfassungsdokumente II, S. 44 f. 20 Treitschke an Wilhelm Nokk am 29. September 1862 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 238).
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Meinung und wohl auch in Überschätzung der Macht der eben übernommenen Stellung“21. Huber betonte die Mitschuld des (Alt-)Liberalismus: Parlamentarismus sei nicht möglich „ohne die Bereitschaft, die Freiheit der Opposition preiszugeben […]. Bismarck aber, dem es schon 1862 um die Aussöhnung mit der liberalen Opposition zu tun war, sah sich durch diese Weigerung auf den Weg der antiparlamentarischen Lösung gezwungen.“22 Der neue Ministerpräsident erkannte schnell, dass er sich nur im Amt halten konnte, wenn er den König von seiner absoluten Loyalität überzeugte und alle Rivalen um dessen Vertrauen ausschaltete.23 In seiner ersten Amtshandlung hatte Bismarck die Staatshaushaltsgesetze für 1862 und 1863 zurückgezogen und in der Sitzung der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses keine Zweifel daran gelassen, dass er auch ohne rechtmäßige Bewilligung regieren werde. Dabei berief er sich auf das Notrecht der Regierung, die Geschäfte auch ohne Staatshaushaltsgesetz weiterzuführen. Die entscheidende Einbruchstelle war Artikel 109 der Preußischen Verfassung: „Die bestehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben, und alle […] einzelnen Gesetze und Verordnungen […] bleiben in Kraft, bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden.“24 Zudem enthielt Artikel 99 keine Bestimmung darüber, was zu geschehen habe, wenn die zur Gesetzgebung berufenen Faktoren keine Einigung erzielen können.25 Gleichzeitig kam es zur Schließung des Landtags und der Berufung des Konfliktministeriums. Zunächst hatte das Abgeordnetenhaus einen um die Militärausgaben gekürzten Staatshaushalt angenommen.26 Den wiederum lehnte das Herrenhaus ab und nahm seinerseits den Regierungsvorschlag an. Nun waren die Gegensätze zwischen den beiden Häusern der Volksvertretung nicht mehr zu überbrücken. Der König schloss beide Versammlungen am 13. Oktober 1862. Zugleich machte er 21
Zunächst Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 762. Dann Gall, Bismarck, S. 258. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 306. 23 Vgl. Clark, Preußen, S. 597. 24 Mehr zur sogenannten Lückentheorie bei Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 306 ff. und S. 333 ff., Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 482 f. und Siemann, Gesellschaft im Aufbruch, S. 214. Kraus, Lückentheorie, S. 210 ff., erläutert, dass zentrale Streitfragen des Verfassungskonfliktes auf die Diskussion der Jahre der Verfassungsgebung um 1850 zurückgingen und auch 1862 noch von denselben Personen geführt wurden. 25 Art. 99 der Preußischen Verfassung von 1850 im Wortlaut: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im Voraus veranschlagt und auf den StaatshaushaltsEtat gebracht werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt.“ Im Sinne der Lückentheorie bedeutete dies: kommt kein Gesetz zustande, lebt das ursprüngliche Recht der Krone wieder auf, die Staatsausgaben allein zu bestimmen. 26 Liberale wie Konstantin Rößler (am 19. Dezember 1862 an Gustav Freytag; in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 124) sahen das kritisch: „[D]ie Opposition hat die kolossale Torheit begangen, die formelle Macht des Parlaments auf eine eklatante Weise feststellen zu wollen mittelst einer Frage, worin der König materiell Recht hat, bei der die Opposition unsinnig, sich selbst widersprechend und abgeschmackt ist. […] Dadurch wird aber die Sache der Opposition um nichts gebessert, daß hüben und drüben gesündigt wird.“ 22
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deutlich, dass es sich um einen kurz andauernden Notstand handle und er eine nachträgliche Legitimierung zwischenzeitlich getroffener Entscheidungen wünsche. Anfang Dezember folgte die Umbildung der Regierung, neben Bismarck wirkten von Eulenburg als Innenminister, von Bodelschwingh (wie bereits unter Manteuffel) als Finanz-, von Itzenplitz als Handels- und von Selchow als Landwirtschaftsminister. Im Amt blieben Kriegsminister von Roon, Kultusminister von Mühler und Justizminister zur Lippe. Vor Beginn der Landtagssession des Jahres 1863 erwarteten alle Beobachter die Fortsetzung des Konfliktes. Zwar hatte der Altliberale Georg von Vincke dem König erklärt: „Das Volk hängt treu an Eurer Majestät“, es halte aber auch fest „an dem Recht, welches ihm der Artikel 99 der Verfassung unzweideutig gewährt. Möge Gott die unglücklichen Folgen eines großen Mißverständnisses in Gnaden abwenden.“27 Tatsächlich brachen bereits während der Adressdebatte vom 27. bis 29. Januar 186328 die Gegensätze zwischen Regierung und Abgeordnetenhaus wieder voll auf. Zunächst setzte sich der Fortschrittsparteiler Virchow mit einem Adressentwurf durch, der Regierung und König des Verfassungsbruchs beschuldigte. Gegen diese Adresse stimmten nur 68 Abgeordnete der Katholiken, Konservativen und Altliberalen. In seiner Gegenrede betonte Bismarck, dass sich die Volksvertretung im Gleichgewicht der gesetzgebenden Gewalten nicht über die Grenzen erheben dürfe, die ihr qua Gesetz von König und Regierung auferlegt seien.29 Auch weil sich die liberale Mehrheit des Abgeordnetenhauses erneut eindeutig gegen diese Interpretation der Verfassung stellte30, geriet Bismarck innenpolitisch stark unter Druck und wählte den Weg der schroffen Konfrontation31. Es begann eine scharfe Unterdrückung der Opposition: Staatsbeamte wurden überwacht, gemaß27
Freiherr von Vincke-Olbendorff an Wilhelm am 31. Dezember 1862 (in Bismarck, Briefwechsel, S. 340). 28 Vgl. Gall, Bismarck, S. 276 ff.; Huber, Verfassungsdokumente II, S. 47 f., Verfassungsgeschichte III, S. 309 f. 29 Vgl. Kohl, Bismarcks Reden II, S. 78 ff. und Huber, Verfassungsdokumente II, S. 57 ff. Gall, Bismarck, S. 280, erkennt in der Rede ein „verklausuliertes Angebot zu einer möglichen Zusammenarbeit“ und zum Kompromiss, das – ähnlich wie in der Budgetkommission – niemand zur Kenntnis nahm. Die Kölnische Zeitung vom 16. Januar 1863 zum Beispiel habe nur auf Bismarcks Ankündigung weiterer Verfassungsverletzungen reagiert. 30 Des Innenminister der Neuen Ära, Maximilian Graf von Schwerin, antwortete auf Bismarcks Rede, dass er dessen Argumentation nicht für eine halte, die „die Dynastie in Preußen auf die Dauer stützen kann […]. ,Recht geht vor Macht: Justitia fundamentum regnorum!‘ Das ist der Wahlspruch der preußischen Könige, und er wird es fort und fort bleiben.“ (In: StenBer PrAH 1863, S. 60; die gesamte Rede auf S. 60 ff.). 31 Damit begab sich Bismarck erneut in die Tradition Ludwig von Gerlachs, der in seiner anonymen Broschüre „Preußens Kampf gegen die Demokratie. Ein Programm für 1863“ (in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 514 f.) verkündet hatte, die preußische Regierung stehe nun wieder „auf dem festen Boden ihres guten Rechts gegenüber der Demokratie“. Gerlach forderte die Regierung ohne Etatgesetz, einen kurzen Landtag ohne große Gesetzesvorhaben, eine energische Regierung und die Verständigung mit Österreich.
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regelt und vor Gericht gestellt und waren so vom Verlust ihrer beruflichen und materiellen Existenz bedroht.32 PJ-Herausgeber Rudolf Haym erkannte: „Eine so staatspreisgebende, gefährliche, alles aufs Spiel setzende, wahnsinnige Reaktion haben wir ja wohl noch nicht durchgemacht.“33 Die parlamentarische Bekämpfung von Bismarcks Verfassungsbrüchen ging nun vermehrt auf die Fortschrittspartei über.34 Eine Eingabe Schulze-Delitzschs über ein Ministerverantwortlichkeitsgesetz erreichte eine überwältigende Mehrheit, war aber gegenüber Regierung und Herrenhaus zum Scheitern verurteilt und hatte nur demonstrative Bedeutung.35 Ergebnislose Beratungen zum Entwurf eines Kriegsdienstgesetzes führten zu einem Streit über die Grenzen der Parlamentsgewalt und gipfelten am 22. Mai 1863 in einem Misstrauensvotum des Abgeordnetenhauses. Mehrmals hatte der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses gegenüber Ministerpräsident Bismarck und Kriegsminister Roon von seinem disziplinarischen Rügerecht Gebrauch gemacht. Das wies die Regierung als verfassungswidrig zurück und verlangte damit von den Abgeordneten, jegliche Attacke von ihrer Seite schweigend hinzunehmen. Die Parlamentarier erklärten in einer mit 239 zu 61 Stimmen verabschiedeten Adresse, sich mit dem Ministerium nicht mehr verständigen zu können. Zwischen „den Ratgebern der Krone und dem Lande“ bestehe eine Kluft, die nur „durch einen Wechsel der Personen, und mehr noch, durch einen Wechsel des Systems ausgefüllt werden“ könne.36 Mit diesem offenen Misstrauensvotum ging die deutliche Forderung nach mehr parlamentarischer Mitbestimmung einher. König Wilhelm musste dieses Vorgehen zurückweisen. Er empfing die zur Übergabe der Adresse erschienene Delegation nicht und ließ den Landtag schließen. Die liberale Mehrheit im Abgeordnetenhaus war wieder gescheitert: Bismarck blieb im Amt, für das Jahr 1863 gab es noch immer keinen Staatshaushalt und bei der Lösung des Heeres- und Verfassungskonflikts war man keinen Schritt weiter gekommen.
32 Vgl. Engelberg, Bismarck, S. 533; Kraus, Bismarck und die Konservativen, S. 22; Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 763; Sheehan, Deutscher Liberalismus, S. 132 ff. 33 Haym an Max Duncker am 9. April 1863 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 212). 34 Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 48: „Sie nahm noch weiter an Macht und Ansehen beim Bürgertum zu, während die Altliberalen immer mehr verloren.“ Auch die Grenzboten erklärten (Nr. IV/1862, S. 369 f.), die Altliberalen sähen von oben auf das Volk herab und verschlössen sich den Volksmassen. Gugel, Bürgerliche Herrschaft, S. 63 f., erklärte das Verhalten der Fortschrittspartei so: „Ein typischer Ausdruck dieser Haltung ist es, dass man die Diskussion speziell von Verfassungsfragen und -theorien allgemein ablehnt. Sie erscheint nutzlos und nur dazu angetan, von den wesentlichen, konkret umrissenen Aufgaben abzulenken.“ 35 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 312 f. 36 In Huber, Verfassungsdokumente II, S. 70.
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b) Die Preußischen Jahrbücher zu Beginn der Amtszeit Bismarcks Sachlich, nüchtern und abwartend kommentierten die PJ die Berufung Bismarcks. Da Monatsschriften schnellen Veränderungen der politischen Lage kaum folgen können, hatte man sich schon im Mai 1862 nicht an den Spekulationen über einen Eintritt des Pariser Gesandten in das Staatsministerium beteiligt.37 Auch wenige Monate später erwähnten sie die „Alternative Friedrich Wilhelm“ mit keinem Wort. Stattdessen äußerte der altliberale Abgeordnete Moritz Veit in den PJ die Hoffnung auf konstruktive Arbeit zum Wohl des Staates. „Wir werden ein einheitliches Ministerium haben, das ist nach den bisherigen Schwankungen unleugbar ein Vortheil. Daß der Minister des Auswärtigen die Leitung übernimmt, wird durch die politischen Verwicklungen gerechtfertigt, in denen wir uns gegenwärtig befinden. […] Aber es würde mehr als ein Fehler, es würde ein Verbrechen sein, wenn man die Action des Staates nach Außen hin werfen wollte, ohne den Frieden im Innern auf festen Grundlagen gestellt zu haben. Und eine solche Grundlage sehen wir nicht blos in der Beseitigung des vorliegenden Conflikts, sondern auch in der Wiederanknüpfung an die Reform-Politik des Ministeriums Hohenzollern.“38
Zwar zeige Bismarcks Laufbahn eine klare Gegnerschaft zu liberalen Ideen und die Nähe zu Ultrakonservativen wie den Brüdern Gerlach. Als Bundestagsgesandter Preußens sowie als Diplomat in Moskau und Paris sei er aber staatsmännisch aufgetreten. Die konservative Doktrin sei für Bismarck „an der nackten Wirklichkeit zerschellt“39. Die Sicht der PJ auf Bismarck war zunächst unvoreingenommen, zerschellte aber ebenfalls an der Wirklichkeit – dem budgetlosen Regime. Aus der Militärfrage sei „eine Verfassungskrisis hervorgewachsen“40. „Auf einer Unterlage, welche die Verfassung nicht vorsieht und als rechtsgültig nicht anerkennt, auf Grund eigenen Ermessens und eigener Verantwortung, wird der Haushalt des Staats von dem Ministerium geführt. Somit ist Preußen zum ersten Mal seit 1850 aus der Bahn con37
Vgl. Nirrnheim, Bismarck und die öffentliche Meinung, S. 39 ff. und S. 62 f. Veit, Politische Korrespondenz von 28./29. September, in PJ X, 3 (1862), S. 302 ff., hier S. 311. 39 Ebd., S. 312. Gerade die konservativen Publikationen bewerteten die Berufung Bismarcks anders: HPBl und Kreuzzeitung erwarteten ein Ende der liberal-demokratischen Angriffe auf die Monarchie (vgl. Bussiek, Kreuzzeitung, S. 174 ff. und Nirrnheim, Bismarck und die öffentliche Meinung, S. 58 ff.). Die Vossische Zeitung warnte vor cäsaristischen Tendenzen, die „dazu dienen, die moralischen Bande zwischen dem Lande und der Regierung noch mehr zu lockern, als dies bereits durch die Entwicklung der sogenannten neuen Ära leider geschehen ist“ (in Buchholtz, Vossische Zeitung, S. 156 ff.). In Opposition zu Bismarck gingen die Neue Frankfurter und die Nationalzeitung (vgl. Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 61 und Friehe, Nationalzeitung, S. 112). 40 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. Oktober, in PJ X, 4 (1862), S. 402 ff., hier S. 403. Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. Dezember, in PJ X, 6 (1862), S. 622 ff., hier S. 630. 38
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stitutioneller Ordnung principiell herausgetreten.“41 Wehrenpfennig appellierte in seiner Korrespondenz an das Rechtsbewusstsein des Volkes, das im Abgeordnetenhaus nur von den Altliberalen erkannt werde: Sie alleine suchten eine Verständigung im Konflikt und setzten sich für die Wahrung des Rechts ein. Diese Verständigung sei aber nur möglich, wenn sie nicht weiter von Regierung und Öffentlichkeit übersehen würden. Erneut gingen die PJ ausführlich auf die Rolle des Herrenhauses ein. Dies könne erst nach einer fundamentalen Reform wieder zu einer moralischen Autorität werden. Bisher hätten die Mitglieder des Herrenhauses Bismarcks Verfassungsbruch unterstützt, um ihre Privilegien zu erweitern. Das zeige die wahre Konfliktlinie in Preußen: einen Kampf zwischen Bürgertum und absolutistisch-reaktionärem Adel.42 „Es ist die Umkehr der Idee eines Oberhauses, wenn dasselbe ein politisches Extrem repräsentirt […].“ – „Es mag Jahre dauern, ehe unser Vaterland wieder eine liberale Verwaltung erhält. Doch die Zeit wird kommen. Das aber ist gewiß, daß nach den Vorgängen dieses Monats nie wieder in Preußen ein liberales Ministerium auch nur daran denken kann zu existiren, wenn es nicht die fundamentale Reform des Herrenhauses auf sein Programm geschrieben hat.“43
Die entscheidende „Lücke“ des Konflikts bestehe nicht in der preußischen Verfassung, sondern in einer Wissenslücke von Staatsministerium und Adel: sie verkennen die Bedürfnisse des Volkes.44 Die PJ erklärten, dass die Regierung für das Gesamtinteresse des Staates und nicht für das Parteiinteresse eintreten solle; dass sie die Stimmungen im Abgeordnetenhaus achten und besonnen handeln müsse; dass sie verpflichtet sei, die in der Verfassung vorgeschriebene Verbindung zwischen Volksvertretern und Königtum zu wahren.45 41 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. Oktober 1862, S. 402. Für das Folgende vgl. S. 403 ff. Stern- und Kreuzzeitung betonten dagegen friedliche Absichten der Regierung (vgl. Nirrnheim, ebd., S. 83 ff.). 42 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenzen am 28. Oktober, S. 409 ff., am 28. November, S. 499 ff., am 28. Dezember 1862, S. 627. Max Duncker warnte: „[W]enn das so fort geht, wird die Verfassung sehr bald allen Werth verlieren […]. Das Dasein dieses Staats wird darüber in Frage gestellt.“ Bismarck sei „ein Spieler“ der die Existenz Preußens und der Dynastie ohne Bedenken einsetze (in Tagebücher Bernhardis V, S. 7 f. und S. 107). 43 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. Oktober 1862, S. 409 und S. 412. Auch die Volkszeitung sah einen Konflikt zwischen bürgerlicher Tugend und adliger Dekadenz (vgl. Frölich, Volkszeitung, S. 257 f.). 44 Mit ihrer Sicht reihten sich die PJ in die Riege der liberalen Publikationen ein. Die Kölnische Zeitung schrieb am 10. Oktober 1862: „Vielleicht hat es noch keinen preußischen Minister gegeben, der Preußen weniger gekannt hat. […] Kein Mann hat […] sich über unsere Verfassung mit größerer Geringschätzung ausgesprochen, als eben unser neue Premierminister.“ (In Buchheim, Kölnische Zeitung, S. 272). Die Neue Frankfurter Zeitung urteilte am 6. November ebenso und ergänzte: „Die Partei, welche die liberalen Minister zu beseitigen verstand, benutzt ihn, solange es ihr passt, aber nicht einen Tag länger.“ (Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 62). 45 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. Oktober 1862, S. 404 und S. 412.
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Doch die Regierung – „nicht gemischt mit liberalisierenden Elementen“46 wie die Ministerien von der Heydt oder gar Manteuffel – baue stattdessen eine willfährige Beamtenschaft auf und verzögere eine mögliche Lösung des Heeres- und Verfassungskonflikts. So begann Wilhelm Wehrenpfennig, die Regierung deutlich zu kritisieren47, und äußerte die Hoffnung, die liberalen Parteien könnten das Staatsministerium noch in die richtige Richtung drängen.48 Die geforderte Einheit konnten nicht einmal die Altliberalen selbst einbringen. Wehrenpfennig äußerte seine Sorge über eine andauernde Spaltung der konstitutionellen Partei, kritisierte deren träges Beharren und fragte flehentlich, ob denn kein liberaler Führer der Regierung Bismarck entgegentrete.49 Rudolf Haym bemerkte nach einem Gespräch mit Georg von Vincke Verstimmung und Abspaltungstendenzen unter den liberalen Gruppierungen.50 Daher bat Haym seine Mitstreiter, den Irrglauben aufzugeben, noch Einfluss zu haben auf die Regierung und die „schmähliche Art, in welcher augenblicklich in Berlin regiert wird. […] Wir sind einstweilen nur Opposition; unsere positiven politischen Gedanken, Grundsätze und Ziele vergessen wir natürlich nicht, aber bilden uns nicht ein, für dieselben unter den gegenwärtigen Umständen irgendeinen unmittelbaren Boden und Anknüpfungspunkt zu haben.“51 In der Opposition hoffte er auf eine Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Fortschrittspartei ohne de-
46 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. Dezember, in PJ X, 6 (1862), S. 623. Die Kreuzzeitung kritisierte den preußischen Konstitutionalismus grundsätzlich, stellte „Wahlagitationen und Wahlen“, die Kammermitgliedschaft von Beamten und die ermüdenden Verhandlungen ebendort in Frage (vgl. Bussiek, Kreuzzeitung, S. 176). 47 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. November, in PJ X, 5 (1862), S. 498 ff. Auf S. 500 ff. waren die Stichworte: Konzeptlosigkeit, moralische Unfähigkeit, reaktionäre Koterie, Verderben, Entzweiung, verletzte Ehre des Volkes. Auf die vermeintliche Konzeptlosigkeit der Regierung antworteten die PJ mit dem Artikel von Cauer, Ein Regierungsprogramm Friedrichs des Großen, in PJ X, 4 (1862), S. 335 ff. Dort wurde die staatliche und verwaltungstechnische Weitsicht Friedrichs II. gepriesen, ebenso seine Abkopplung von Österreich und sein Einsatz gegen Bestechlichkeit, Faulheit und Animositäten im Staatsdirektorium. 48 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. November 1862, S. 503. Eine einheitliche liberale Opposition fordern auch Grenzboten (vgl. Nirrnheim, ebd., S. 40 und S. 88) und Spenersche Zeitung (vgl. Widdecke, S. 308). Treitschke schrieb im Oktober 1862 ähnlich an Haym (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 239 f.). 49 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. Dezember, in PJ X, 6 (1862), S. 628. 50 Rudolf Haym an Ludwig Häusser am 14. Dezember 1862 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3741, Brief 12) und an Heinrich von Sybel am 1. Februar 1863 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 129): „[G]erade wie sich jetzt, zum Teil aus rein persönlichen Neigungen, Abneigungen und Kaprizen die Parteigruppen gemacht haben, entsprechen sie dem, was eigentlich sein sollte, mit nichten.“ 51 Haym an Heinrich von Sybel am 17. Dezember 1862 (in Heyderhoff, ebd., S. 120).
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mokratische und revolutionäre Hintergedanken. Die Presse müsse nun als vierte Gewalt im Staat auftreten – mit linksliberalen Abgeordneten als Autoren der PJ.52 Im Gegensatz dazu wies die Argumentation Dunckers mehr Verständnis für Bismarck auf. Nur gezwungen durch ein starkes Staatsministerium, das konservative Innenpolitik bis hin zur „liberalen Diktatur“ ausübe, könnten die Altliberalen in der Opposition überhaupt zusammengehalten werden.53 Duncker forderte, die deutsche Einheit mit einer offensiven Außenpolitik voranzutreiben und Schleswig-Holstein sowie Kurhessen mit Waffengewalt zu ihrem Recht zu verhelfen. „[D]ie Armee muß die Spitze nehmen, wenn die Demokratie dieselbe nicht gewinnen soll“54 – von diesem Standpunkt aus war es zur Eisen-und-Blut-Argumentation kein großer Schritt mehr. Zudem behielt Duncker Recht mit seiner Sichtweise: „[W]enn die Opposition sich als kosmopolitische, revolutionäre Demokratie zu erkennen giebt –: warum sollte sich dann das Ministerium nicht halten können?“55 Den elften Band der PJ eröffnete Am Vorabend des Jahres 1863 aus der Feder von Ludwig Häusser. „[D]urchschlagende[r] Ernst und durchscheinende[r] Ingrimm“56 über die Situation in Preußen dominierten den Aufsatz des Historikers und Politikers, der als einer der geistigen Führer des kleindeutschen Liberalismus an der Umgestaltung Badens zum liberalen Rechtsstaat beteiligt war. Doch sah Häusser positiv in die Zukunft, da es nicht gelte, „eine neue Verfassung zu gründen, sondern eine bestehende zu befestigen“57. Wilhelm Wehrenpfennig jedoch hatte nach der Eröffnung des Landtages Mitte Januar 1863 bereits jeglichen Optimismus in Bezug auf eine mögliche Lösung des Verfassungskonflikts verloren. Solange die Regierung kein Interesse zeige, den aktuellen Zustand zu ändern, habe das Abgeordnetenhaus dem „keine unmittelbar wirksame Macht entgegenzustellen; es muß sich darauf einrichten, daß für längere Zeit seine Forderungen Wünsche, seine Beschlüsse Rechtsvorbehalte und Proteste bleiben“58. Auf die Adressdebatte des Abgeordnetenhauses – sie fand kurz nach dem 52 Haym an Sybel am 17. Dezember 1862 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 121): „Eine Anzahl von Aufsätzen, unterzeichnet von Häusser, Sybel, Twesten, Treitschke usw., in möglichst dichter Folge über möglichst kardinale Fragen würde […] gleich zu Anfang des neuen Jahres zugleich Programm und Ausführung sein.“ Ebenso an Karl Twesten am 10. Januar 1863 (ebd., S. 125 f.). 53 Vgl. Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 31; Haym, Leben Dunckers, S. 254 und Cranston, PJ, S. 43. 54 In Haym, Leben Dunckers, S. 261. 55 Aus einem Gespräch mit Theodor von Bernhardi am 25. Januar 1863 (in von Bernhardi, Tagebücher V, S. 37). 56 Rudolf Haym an Ludwig Häusser am 14. Dezember 1862 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3741, Brief 12). 57 Häusser, Am Vorabend des Jahres 1863, in PJ XI, 1 (1863), S. 1 ff., hier S. 14. Vgl. Gall, Häusser, S. 89 f. 58 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 25. Januar, in PJ XI, 1 (1863), S. 90 ff., hier S. 93.
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Druck der Januarausgabe und einen Monat vor dem Erscheinen des Februarheftes statt – ging Wehrenpfennig kaum ein59 und beließ es in der Folge bei langwierigen, wenig erhellenden und fast verzweifelten Erörterungen zur parlamentarischen Lage60 : „Wir sehen keine Möglichkeit, irgend Einem, der sich überhaupt mit politischen Dingen ernstlich beschäftigt, etwas Neues zu sagen. […] Das einzige Neue, das uns in der langweiligen Jämmerlichkeit unserer Zustände noch zu erfahren vergönnt wird, ist der Fortschritt, den wir von Zeit zu Zeit zu dem Punkt hin machen, wo es nach menschlichem Ermessen nicht mehr weiter gehen kann.“61
Ausführlich kommentiert wurde der letzte Versuch parlamentarischer Verständigung mit der Krone bei gleichzeitiger Verwirklichung konstitutioneller Rechte: die Anträge Forckenbecks zur Heeresorganisation, in denen der Fortschrittsabgeordnete eine Festlegung des jährlichen Rekrutenkontingents auf 60.000 Mann und die Bewilligung der zweijährigen Dienstzeit vorschlug. Gleichzeitig erklärte Forckenbeck in einer Resolution, dass unter dem Ministerium Bismarck eine Durchführung dieses Gesetzentwurfs nicht möglich sei. Wehrenpfennig war mit den Forderungen nur bedingt einverstanden. Da er Forckenbecks Antrag aber als letztmöglichen Versuch ansah, um den Frieden zwischen König und Volk zu wahren, empfahl er, diesen zu unterstützen.62 Im Abgeordnetenhaus selbst waren die Vorschläge für den linken Teil der Fortschrittspartei und auch das linke Zentrum zu militaristisch. 59
Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 49, meinte, die PJ schienen nicht an die Kraft der Adressen zu glauben. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 23. Februar, in PJ XI, 2 (1863), S. 188 ff., hier S. 191, erkannte in diesem Zusammenhang tatsächlich einen starken Linksruck der Abgeordneten und den Beginn einer „Herrschaft des politischen Dilettantismus und der Unvernunft“. Vgl. auch Bercht, Konzeption der PJ, S. 116 f. 60 Als Kompromissbereitschaft gegenüber Bismarck interpretierten dies Bercht, ebd., S. 119 f. und Cranston, PJ, S. 47 und S. 55 f. Willhelm Dilthey erkannte (an Haym vor Mitte April 1863, in Dilthey, Briefwechsel, S. 281): „Wehrenpfennig beginnt sich von altliberaler Fachautorität zu befreien; fördern Sie das ja, es ist […] notwendig.“ 61 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 25. Mai, in PJ XI, 5 (1863), S. 551 ff., hier S. 551. Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 24. März, in PJ XI, 3 (1863), S. 309 ff. Haym bekannte gegenüber Treitschke am 8. Februar 1863 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 211): „Unsere preußische Misere ist grenzenlos. Da ich nicht daran glaube, daß unser Volk – ich will nicht sagen mit der Fortschrittspartei, sondern nur mit den Verfassungsfreunden, aushalten wird, wenn die Sache noch lange dauert und das Abgeordnetenhaus im Stil der Adresse […] fortfährt, so sehe ich nur zwei Möglichkeiten eines guten Ausgangs. Entweder eine auswärtige Not, die den König zum Nachgeben zwingt. Oder der König körperlich und geistig aufgerieben und eine neue Ära durch Friedrich Wilhelm und Viktoria.“ Treitschke antwortete (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 250), „ein ehrliches Wort“ sei notwendig gewesen „und der Eindruck war […] vortrefflich“. Bisher habe Preußen durch seine gegenwärtigen Abgeordneten „in Deutschland mehr Boden erobert“ als durch die neue Ära. 62 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 26. April, in PJ XI, 4 (1863), S. 419 ff., hier S. 432: „Wir würden eine mäßige Verlängerung der Reservepflicht und ein noch etwas stärkeres jährliches Contingent neben der Herabsetzung der Dienstzeit für wünschenswerth halten.“ Vgl. auch Wehrenpfennig an Haym am 28. April 1863 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV W 15 k).
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Ihre noch immer bestehende Nähe zur Fraktion der Altliberalen zeigten die PJ, indem sie den Abgeordneten Moritz Veit seine Sicht der Dinge darstellen ließen. Er kam zum Schluss, dass der Antrag Forckenbeck zwei zentrale Forderungen erfülle: „Erhaltung der Staatsmacht, des Heeres nach Gehalt und Stärke; Wahrung der Verfassung, der Freiheit und der volksthümlichen Gestalt des Heerwesens“.63 Neben gewohnt heftiger Kritik an der Regierung64 ging Veit auch mit der eigenen Partei ins Gericht. Wenn der Kompromiss im Abgeordnetenhaus Grundlage für eine neue Parteibildung sein solle, komme es „auf die Haltung der altliberalen Partei, so wenig sie der Zahl nach in’s Gewicht fällt, wesentlich an […]“65. Dass sie sich bisher nicht konstruktiv zu den aktuellen Vorschlägen geäußert habe, sei nicht zu verstehen, da „keine Partei stärkere Verpflichtung hat, in dieser Sache für ein positives Programm zu wirken, als die altliberale: denn unter ihrer Herrschaft ist die Frage entstanden und der Keim zu der heutigen Krisis gelegt. Wenn damals weder Minister noch Abgeordnete die ganze Tragweite der Frage übersahen, so ist das […] nur die Schuld der geschichtlichen Entwickelung, welche sie in die Frage unvorbereitet hineinführte. Was aber jetzt darin versäumt wird, das geht auf die persönliche Verantwortung der Partei und ihrer Führer.“66
Im ersten Halbjahr 1863 waren in den PJ Drei Kapitel über Repräsentativverfassungen die wohl interessanteste Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem schwelenden Verfassungskonflikt. Analysiert wurden darin John Stuart Mills Betrachtungen über die repräsentative Regierung und besonders die umstrittene Idee eines Pluralwahlrechts, durch das in Bildung und Moral überlegene Bürger ein höheres Stimmengewicht erhalten sollten.67 Der von Mill propagierte bürgerliche Führungsanspruch wurde unterstützt, der Autor sah das preußische Zensuswahlrecht jedoch als ausreichendes Mittel zu dessen Durchsetzung. Eine verhältnismäßige Vertretung von Minderheiten führe zwar zu 63
Veit, Vor der Militärdebatte im preußischen Abgeordnetenhaus, in PJ XI, 4 (1863), S. 387 ff., hier S. 406. 64 Ebd., S. 394: Man schreite in der Heeresreform fort, „als ob man keine Ahnung davon hätte, daß solche Reformen auch im absolutesten Staat nicht anders gelingen können, als durch das freie Zusammenwirken aller betheiligten Kräfte. Wie leicht war dies Zusammenwirken noch 1860 zu gewinnen und wie schwer ist es jetzt!“ 65 Ebd., S. 398. Fülling, Altliberale, S. 50 f., erkannte die Hoffnungen der Altliberalen auf eine „Umbildung der Parteiverhältnisse“; die PJ unterschieden zwischen einer militär- und staatsbejahenden sowie einer demokratischen Strömung in der Opposition, sahen aber die Anträge Forckenbecks ihr Ideal wieder aufkommen: „Die Vereinigung von konstitutioneller Freiheit und militärischer Macht“. 66 Veit, ebd., S. 406. 67 Mill war überzeugt, dass eine Demokratie auf die Minderheit der gebildeten Bürger angewiesen sei. Die Repräsentativregierung war für ihn die am besten geeignete Regierungsform, um die Förderung des allgemeinen geistigen Fortschritts und die Herrschaft der Weisen zu garantieren. Hintergrund für Mills Forderung nach dem Pluralwahlrecht war seine Angst vor einer Klassenherrschaft der Arbeiter nach der Einführung eines allgemeinen Wahlrechts. Für die meisten Zeitgenossen waren Mills Forderungen an sich schon ein großer Schritt in Richtung eines allgemeinen und gleichen Wahlrechts, zumal er es auch für Frauen forderte.
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hohem organisatorischen Aufwand bei der Bildung parlamentarischer Mehrheiten, es sei aber wünschenswert, dass jede „politische Richtung […] ihre Vertretung findet, um […] zu den wichtigeren praktischen Fragen ihre Stellung zu nehmen und dadurch ihren politischen Charakter bestimmter auszubilden. Das ist auch für die herrschende Partei von großem Nutzen, denn nur in fortgesetzten Kämpfen mit abweichenden Richtungen kann sie sich vor Einseitigkeiten bewahren, und nichts […] beschleunigt mehr ihr inneres Zerfallen, als wenn ihr keine Opposition entgegensteht, die sie zugleich zum Zusammenhalten und zur Mäßigung zwingt.“68
Natürlich wurde die verfassungstheoretische Erörterung mit der aktuellen Lage verbunden und Herrenhaus sowie Adel kritisiert, die nicht auf ihre Standesprivilegien verzichten wollten. Die PJ versicherten, dass ein konstitutionell regierender Monarch weder seine Überzeugungen aufgeben müsse, noch zur Puppe eines aus der Majorität der Volksvertreter hervorgehenden Ministeriums werde. Schließlich sorgten die Beratungen mit den Ministern für ausreichenden Einfluss auf die Politik.69 Der Verlauf der Heeresdebatte zeigte, dass weder theoretische Erörterungen noch der Versuch des parlamentarischen Kompromisses die Lage änderten. Zwar gaben liberale Abgeordnete wie Heinrich von Sybel die Hoffnung auf Verständigung nicht auf und betonten: „Wir streiten, um moralisches Übergewicht zu behalten […].“70 Wilhelm Wehrenpfennig aber sah nur noch die Alternative zwischen Verfassung oder Heeresorganisation: „[W]er nicht von der letzteren abbrechen will, muß sich entschließen die erstere stückweise niederzureißen.“71 Fernere Beobachter wie Heinrich von Treitschke bewerteten die Lage als „zu entsetzlich. Den Kammern bleibt nur übrig sich auflösen zu lassen nach einem letzten mutigen Versuche, den Wahnwitz des Königs zu brechen.“72 Unter ihnen machte im Frühsommer 1863 das Wort von der Revolution die Runde.73 Stattdessen nahm 68 Schmid, Drei Kapitel über Repräsentativverfassungen, in PJ XI, 4 (1863), S. 349 ff., hier S. 360. 69 Vgl. zum gesamten Absatz ebd., S. 372 ff. und S. 386 f. 70 Sybel an Hermann Baumgarten am 9. Mai 1863 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 150). Auf S. 149: „Daß wir es unterließen, die Minister mit Angriffen heimzusuchen, ist doch nicht zu belegen – Ministerverantwortlichkeit, Unterrichtswesen, Budgetfragen, polnische Erörterungen lösten sich ab; aber zeigen Sie mir das Parlament in der Welt, welches jeden Tag eine große und brillante Debatte […] zu liefern vermöchte. Wie Sie wissen, haben wir keine Anklageform gegen die Minister, diese aber haben Geld und Soldaten und einen alten Verwaltungsapparat, der mit reaktionären Befugnissen vollgepfropft ist. So besitzen wir schlechterdings keine materielle Macht, so sind wir […] mit keinem Mittel der Welt imstande, einen raschen Erfolg zu erzielen.“ 71 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 25. Mai, in PJ XI, 5 (1863), S. 551 ff., hier S. 559. 72 Treitschke an Wilhelm Nokk am 3. Mai 1863 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 260). 73 Hermann Baumgarten an Sybel am 22. Mai 1863 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 151): „Menschen, die Verfassung, Vernunft und Recht wie böse Buben verachten,
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Bismarck mit einer weiteren Verschärfung seines Konfliktkurses die außerparlamentarische Opposition ins Visier – und stellte die PJ in der Folge vor enorme Probleme mit der eigenen Glaubwürdigkeit und dem eigenen Personal.
2. Die Presseverordnung vom 1. Juni 1863 a) Das politische Geschehen Die Beeinflussung der Presse war seit jeher ein wichtiger Baustein von Bismarcks Politik74, die er nach Belieben repressiv oder unterstützend auslegte. In der Zeit nach seinem Amtsantritt als preußischer Ministerpräsident wurden oppositionelle Druckerzeugnisse einerseits regelmäßig beschlagnahmt. Andererseits baute das staatliche Pressebüro die Norddeutsche Allgemeine Zeitung als offiziöses Organ auf und spannte die Bande mit den konservativen Blättern vor allem durch finanzielle Unterstützung enger.75 Kleinere Kreisblätter in meist ländlich geprägten Regionen wurden durch die Provinzialkorrespondenz unterstützt, die in sachlichem Ton die Verständigungsabsichten der Regierung hervorhob.76 Der laute liberale Protest gegen Bismarcks verfassungsfeindliche Politik aber blieb erfolgreich, zumal größere konservative Zeitungen hohe Geldzuwendungen benötigten oder ihr Erscheinen aufgeben mussten. Dennoch hatte der Ministerpräsident in den ersten Monaten seiner Amtszeit eine klare Linie in der Pressepolitik gezeigt: „Ein scharfer Kampf gegen die größeren oppositionellen Zeitungen, der an die Reaktionszeit erinnerte, aber in viel größerem Maßstab und mit kraftvolleren Mitteln durchgekämpft werden sollte, wurde verbunden mit einer positiven Einflussnahme auf die kleine Provinzpresse. Es ging […] um die Gewinnung der politisch noch nicht Interessierten, die muß man zittern machen. Man muß ihnen die lebhafte Besorgnis erregen, daß sie eines Tages wie tolle Hunde totgeschlagen werden. Man muß ihnen volle, im schlimmsten Falle zum äußersten entschlossene Leidenschaft zeigen. Eine solche Kampfart ist gewiß nicht nach dem Geschmack gebildeter Männer. Aber es kommt […] auf das an, was notwendig ist. Lassen Sie Bismarck auch nur vorübergehend aufkommen, so scheint mir die Revolution unvermeidlich.“ 74 Vgl. zum Folgenden vor allem Loeber, Bismarcks Pressepolitik; Frölich, Repression und Lenkung sowie die Überblicksdarstellungen Gall, Politikstile im Wandel und Gall/Lappenküper, Bismarcks Mitarbeiter. 75 Nach Loeber, ebd., S. 18 f., war finanzielle Unterstützung nachweisbar für: Bromberger Wochenblatt, Bromberger Patriotische Zeitung, Stettiner Zeitung, Ostpreußische Zeitung, Neue Hallesche Zeitung, Erfurter Tageblatt, Magdeburger Korrespondenz, Zeitung für den Regierungsbezirk Coeslin und den Nordhäuser Kurier. 76 Dazu ebd., S. 29: „Die Provinzialkorrespondenz wurde bald zu einer offiziellen Kundgebung, die auch von gegnerischen Zeitungen, von der Bedeutung der Vossischen, Spenerschen oder der Breslauer Zeitung gebracht wurde. Im Allgemeinen erhielten die größeren Blätter aber eine besondere Korrespondenz. Das eigentliche Wirkungsfeld war absichtlich auf die kleinen Blätter beschränkt. Durch Vereine wurde sie außerdem als Flugblatt verteilt, und ausnahmsweise erhielten sie auch Privatpersonen direkt […] zugesandt.“
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bei der letzten Wahl gefehlt hatten. Die Kreisblattorganisation war gelungen, doch ein tatsächlicher politischer Erfolg trat zunächst nicht in Erscheinung.“77
Dann jedoch sollte Bismarck sowohl seine Pressepolitik als auch den Verfassungskonflikt auf eine weiter verschärfte Ebene heben: die Verordnung betreffend das Verbot von Zeitungen und Zeitschriften wurde am 1. Juni 1863 erlassen – kurz nach Schließung des Abgeordnetenhauses und formal gestützt auf das Notverordnungsrecht der Regierung nach Paragraph 63 der Verfassung. Ziel war es, die im Verfassungskonflikt entstandene „unnatürliche Aufregung“ zu beenden. Zur Verbreitung „einer ruhigeren und unbefangeneren Stimmung“ sei es erforderlich, „der aufregenden und verwirrenden Einwirkung der Tagespresse“ entgegenzutreten.78 Die Presseverordnung ermächtigte die Behörden, nach zweimaliger Verwarnung „das fernere Erscheinen einer inländischen Zeitung oder Zeitschrift wegen fortdauernder, die öffentliche Wohlfahrt gefährdender Haltung zeitweise oder dauernd zu verbieten“79 und erhebliche Geldbußen bis hin zu Gefängnisstrafen zu verhängen. Die Regierung konnte sich bei der Verabschiedung der Verordnung auf das Pressegesetz von 1851 berufen, das Beschränkungen der Pressefreiheit durch ergänzende Bestimmungen ermöglichte.80 Auch wenn König Wilhelm betonte, dass er weiter das Novemberprogramm durchsetzen wolle, mit dem 1858 die Neue Ära eingeleitet wurde81, widersprach die Presseverordnung diesem und der Verfassung. So bestand keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, die den König ermächtigt hätte, während der Sitzungspause des Abgeordnetenhauses Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. Die Regierung schuf sich eine Waffe, um die Kritik am budgetlosen System zu unterdrücken und die sie „nach diskretionärem Ermessen handhaben konnte. Denn die Voraus-
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Loeber, Bismarcks Pressepolitik, S. 62. GStA PK I. HA, Rep. 89 (Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode), Nr. 15188: Pressegesetzgebung und die Maßregeln gegen den Missbrauch der Pressefreiheit 1847 – 1895, Blatt 30 – 37: Anschreiben aus dem Staatsministerium an den König, beiliegend zur Presseverordnung vom 1. Juni 1863. 79 In Huber, Verfassungsdokumente II, S. 65 ff., hier S. 65 Vgl. auch das Protokoll der Ministerratssitzung vom 1. Juni 1863 betreffend die Presseordonnanz in GStA PK, I. HA, Rep. 90 A (Staatsministerium, jüngere Registratur), Nr. 2410: General-Akte betreffend die Bestimmungen über die Presse 1852 bis 1869. 80 Das Pressegesetz von 1851 war während der Neuen Ära nicht außer Kraft gesetzt oder verändert worden. Daher musste Bismarck kein neues Pressegesetz entwerfen, welches vom Abgeordnetenhaus mit Sicherheit verhindert worden wäre. Die Ausgangslage für die Regierung Bismarck war dennoch unbefriedigend, weil die bis dato für Presseurteile verantwortlichen Richter der Auffassung waren, dass die Wahrheit ein Kriterium von Tatsachenbehauptungen statt politischer Auffassungen sei. Zudem konnten nur Individuen, also Verleger oder Redakteure, aber nicht ganze Presseorgane bestraft werden – was sich durch die Presseverordnung änderte. Vgl. Fischer, Handbuch der Politischen Presse, S. 65 f. und Pflanze, Bismarck, S. 214. 81 Vgl. den Brief des Königs vom 30. Mai 1863 (in Bismarck, Wilhelm und Bismarck, S. 72). 78
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setzungen des Verbots waren durch so dehnbare Formeln umschrieben, dass die Exekutive nach Willkür jedes ihr missliebige Blatt zu unterdrücken vermochte.“82 Obwohl die Presseverordnung nur als Provisorium ausgelegt war83 und im November 1863 außer Kraft gesetzt wurde84, zog sie einen Sturm öffentlicher Entrüstung nach sich. Am 6. Juni 1863 veröffentlichten sechs Berliner Zeitungen eine feierliche Erklärung, in der sie sich für Verfassungstreue und Pressefreiheit aussprachen. Siebzehn weitere preußische Zeitungen schlossen sich an.85 Selbst Gemäßigte wie Max Duncker oder Theodor von Bernhardi waren der Ansicht, dass sich die preußische Monarchie durch die Presseverordnung auf eine revolutionäre Grundlage gestellt und faktisch aufgegeben habe.86 Unter den einflussreichen Medien verteidigte lediglich die Kreuzzeitung die Politik der Regierung.87 Selbst der Kronprinz schloss sich der heftigen Kritik an der Presseverordnung an.88 In mehreren Schreiben an seinen Vater89 und Bismarck90 verurteilte Friedrich 82 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 318 f. Zur Presseordonnanz vgl. auch Pflanze, Bismarck, S. 213 ff.; Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 201 ff.; Loeber, Bismarcks Pressepolitik, S. 62. Mieck, Preußen und Westeuropa, S. 790, betont, dass die Position des Königs einer „Kampfansage an die in Westeuropa entstandenen, entwickelten und teilweise realisierten Regierungssysteme der politischen Repräsentation und Mitbestimmung“ gleiche. 83 Vgl. das Ministerratsprotokoll vom 15. Juni 1863 in GStA PK, I. HA, Rep. 90 A (Staatsministerium, jüngere Registratur), Nr. 2410: General-Akte betreffend die Bestimmungen über die Presse 1852 bis 1869 (2144/1863). 84 GStA PK I. HA, Rep. 89 (Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode), Nr. 15188: Pressegesetzgebung und die Maßregeln gegen den Missbrauch der Pressefreiheit 1847 – 1895, Blatt 38 vom 20. November 1863. Vgl. auch: Mitteilung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses vom 19. November 1863 betreffend Nichtgenehmigung der Presseordonnanzen; Antrag des Staatsministeriums vom 20. 11. 1863 betreffend Zurückziehung der Presseordonnanzen inklusive Stellungnahme des Ministeriums (darin der Widerspruch gegen die Behauptung, dass die Presseordonnanzen ungesetzlich gewesen seien). Alle in: GStA PK, I. HA, Rep. 90 A, Nr. 2410 (vgl. Fußnote 79), 2635/1863 und 2659/1863. Die verschärften Pressemaßnahmen der Regierung setzten sich dennoch fort, eine endgültige Regelung der Rechtspraxis kam erst mit dem Reichspressegesetz vom 7. Juni 1874 zustande. Zuvor wurden im Norddeutschen Bund erste wichtigen Maßnahmen wie das Notgewerbegesetz und die Gewerbeordnung durchgesetzt, nach denen kein Befähigungsnachweis für Buchhändler und Buchdrucker mehr nötig war und Mitglieder des Pressegewerbes keine besondere behördliche Genehmigung mehr benötigten. 85 Die gemeinsame Erklärung erschien in der Berliner Allgemeinen Zeitung, der Berliner Reform, der National-Zeitung, der Spenerschen Zeitung, der Volkszeitung und der Vossischen Zeitung. Zeitungen in Breslau, Danzig und Stettin sowie die Frankfurter, Thüringer und Westfälische Zeitung schlossen sich an. Vgl. Behrbalk, Westfälische Zeitung, S. 10; Buchholtz, Vossische Zeitung, S. 159; Loeber, Bismarcks Pressepolitik, S. 34; Stöber, Pressegeschichte II, S. 130 und Widdecke, Spenersche Zeitung, S. 310 ff. 86 Vgl. Bernhardi, Tagebücher V, S. 111 und Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 52 f. 87 Vgl. Bussiek, Kreuzzeitung, S. 177. 88 Vgl. zum Folgenden besonders Gall, Bismarck, S. 284, Kraus, Friedrich III., S. 273 ff.; Kraus, Militärreform oder Verfassungswandel, S. 217 ff. und Pflanze, Bismarck, S. 215 f. 89 An den König (in Huber, Verfassungsdokumente II, S. 67 f.) schrieb er, der Vorwurf des Verfassungsbruchs sei „nicht unbegründet[]“ und „um so bedenklicher, je lebhafter die
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Wilhelm den Verfassungsbruch und erklärte bei einem Empfang in Danzig, er habe mit den Vorbereitungen zur Presseverordnung nichts zu tun gehabt91. Dieser offene Widerspruch zur Regierungspolitik blieb der einzige des Kronprinzen. Dennoch zog er heftige Zurechtweisungen aus Regierungskreisen nach sich und machte aus dem Verfassungskonflikt auch einen Konflikt der Dynastie. Als während der Kammerdebatten um die Heeres- und Verfassungsfrage erneut Gerüchte aufgekommen waren, Friedrich Wilhelm sympathisiere mit der Fortschrittspartei, wollte die Regierung bewirken, dass dieser „[s]ein völliges Einverständniß mit den politischen Principien des Königs in irgend einer Weise entschieden und öffentlich ausspreche“92. Dem widersprach das Handeln des Kronprinzen so eklatant, dass ihm der König befahl, keine ähnlichen Äußerungen mehr zu tun.93 Aus dem Militärkabinett und von ranghohen Politikern kamen Forderungen, Friedrich Wilhelm gänzlich von der Politik fernzuhalten.94 Auch dessen Berater Max Duncker mahnte
Wahrheit des Satzes, welcher in Deinem Programm vom 8. November 1858 ausgesprochen ist, hervortritt, daß nur dasjenige Gouvernement stark ist, welches ein reines Gewissen hat, und daß Regierungshandlungen, welche Zweifel aufkommen lassen, dem Gouvernement die Fähigkeit nehmen, dem Bösen zu widerstehen.“ 90 Das Schreiben vom 3. Juni 1863 in Huber, Verfassungsdokumente II, S. 67. Am 30. Juni 1863 (in Bismarck, Briefwechsel, S. 349 ff.) betonte er nochmals seinen prinzipiellen Gegensatz zur Presseverordnung. „Loyale Handhabung der Gesetze und Verfassung, Achtung und Wohlwollen gegen ein leicht zu führendes, intelligentes und tüchtiges Volk – das sind die Prinzipien, von denen meiner Meinung nach jede Regierung in ihrem Verfahren gegen das Land geleitet sein muß. Ich vermag die in der Verordnung vom 1. Juni cr. ausgeprägte Politik mit diesen Prinzipien nicht in Einklang zu bringen. […W]elches sind die Erfolge, die Sie sich von dieser Politik versprechen? Beruhigung der Gemüther, Herstellung des Friedens? Glauben Sie durch neue Kränkungen des Rechtsgefühls die Gemüther beruhigen zu können? Aber freilich, Sie erwarten einen günstigeren Erfolg neuer Wahlen. […] Ich will Ihnen sagen, welchen Erfolg Ihrer Politik ich vorhersehe: Sie werden so lange an der Verfassung deuteln, bis dieselbe ihren Werth in den Augen des Volks verliert. Sie werden dadurch einerseits anarchische Bestrebungen, die über die Verfassung hinausgehen, wachrufen. Sie werden andererseits, mögen Sie es wollen oder nicht, von einer gewagten Interpretation zur anderen, bis zu dem Anrathen des nackten unverschleierten Verfassungsbruchs getrieben werden. Diejenigen, welche Seine Majestät den König, meinen allergnädigsten Herrn Vater, auf solche Wege führen, betrachte ich als die allergefährlichsten Rathgeber für Krone und Vaterland.“ Darüber hinaus kündigte Friedrich Wilhelm an, sich aus der Politik zurückziehen zu wollen. 91 Die Ansprache des Kronprinzen im Danziger Rathaus am 5. Juni 1863 in Huber, ebd., S. 69. 92 Oberpräsident Senfft von Pilsach an Bismarck am 9. Mai 1863 (in Bismarck, Briefwechsel, S. 344). 93 Die Schreiben des Königs an den Kronprinzen vom 6. und 10. Juni 1863 bei Huber, ebd., S. 69 ff. 94 So von der Heydt am 7. Juni 1863 an Bismarck. Darüber hinaus forderte er die Entlassung der Berater des Kronprinzen wie Max Duncker (in Bismarck, Briefwechsel, S. 345 f.). Ähnlich auch die Vorlagen Edwin von Manteuffels ans Militärkabinett (GStA PK, VI. HA, NL Manteuffel, Nr. I, 2 und Nr. I, 3).
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an, dass Klagen über die Regierungspolitik niemals öffentlich geäußert werden sollten.95 Die Kritik überraschte und kränkte Friedrich Wilhelm, zumal eine Reaktion der Presse gerade wegen der Presseverordnung ausblieb. Er bat seinen Vater um Verzeihung und um Demission von allen Ämtern – Letzteres überging der König willentlich. Dem Kronprinzen blieb nur der Weg in die politische Selbstisolation. Ein letztes Mal bestimmte der Konflikt zwischen ihm und der Regierung die Schlagzeilen, als mehrere Wochen später die Londoner Times, danach Grenzboten, Süddeutsche Zeitung und Weitere die Korrespondenz zwischen König und Thronfolger in Zusammenhang mit der Presseverordnung veröffentlichten.96 In Preußen aber bewirkte die Presseverordnung, dass die europäische Pressesensation um den königlichen Briefwechsel kaum Beachtung fand. Ein Zirkular der Regierung vom 5. Juni 1863 befahl ein entschiedenes Vorgehen, um bei der Presse keinen Zweifel über die eigenen Absichten aufkommen zu lassen. Bereits nach dem Protest der Berliner Zeitungen erreichten deren Verleger ernste Warnungen des Innenministeriums. Nach Protesten einiger Stadtverordnetenversammlungen verbot Ressortleiter von Eulenburg diesen jegliche Einmischung in die Innenpolitik und drohte Bürgermeistern und Beamten mit Disziplinarverfahren. Viele Publikationen mieden in der Folge innenpolitische Stellungnahmen.97 Auch auf Seiten der preußischen Abgeordneten herrschte Schweigen. Nach einer aufreibenden und ergebnislosen Session verbrachten die meisten ihre Sitzungspause matt und verbittert. Eine von manchen Fortschrittsliberalen und Demokraten erhoffte – und von manchen Historikern überinterpretierte98 – revolutionäre Stimmung war nicht zu erkennen99. 95
Vgl. Bernhardi, Tagebücher V, S. 113 f.; Haym, Duncker, S. 290 ff.; Schulze, Briefe Dunckers, S. 350 ff. 96 Nachdem der königliche Briefwechsel in der Weserzeitung erschienen war, forderte Wilhelm am 14. Juli 1863, die undichte Stelle in seinem Umfeld zu finden (in Bismarck, Wilhelm und Bismarck, S. 73 f.). Die Indiskretion war von Gustav Freytag ausgegangen. Max Duncker konnte seinem Freund den Vorfall nie verzeihen und mied ihn seitdem. Vgl. Haym, Leben Dunckers, S. 301 ff. sowie Schulze, Briefe Dunckers, S. 356 ff. und S. 443 f. 97 Der Prozess gegen die Berliner Zeitungen begann am 18. September 1863 und endete mit dem Freispruch der angeklagten Verleger. Vgl. dazu Buchholtz, Vossische Zeitung, S. 160 f.; Frölich, Repression und Pressefreiheit, S. 379 f.; Frölich, Volkszeitung, S. 271 ff. und Loeber, Bismarcks Pressepolitik, S. 35 ff. 98 So schrieb Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 201 ff., nach Krawallen im Norden Berlins sei Revolution in der Luft gelegen. Diese sei nur nicht gekommen, weil sich die Liberalen auf Friedrich Wilhelm gestützt hätten. „[D]er König sei alt und der Kronprinz werde, sobald er zur Regierung komme, ein demokratisches Ministerium berufen.“ Sell übersieht, dass Demokratie und Revolution für die Liberalen das Schreckgespenst schlechthin waren. Die erwähnten Krawalle waren übrigens die Folge einer Zwangsräumung eines Schankwirtes. 99 Haym an Eduard Simson am 14. Juli 1863 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 162 f.): „Wer kann, sucht einen Vorwand, sich zurückzuziehen. Man könne ja doch nicht durchdringen. Man […] phantasiert sich in eine Abhängigkeit hinein, spart seine Kraft […], um,
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b) Die Preußischen Jahrbücher und die Presseverordnung Rund um den Beginn des Bismarckschen Konfliktregimes versuchte Rudolf Haym, den PJ durch das Hinzuziehen fortschrittsliberaler Autoren eine neue Färbung zu geben und die Redaktionsleitung in andere Hände abzugeben. Bereits im September 1862 hatte deshalb eine Unterredung zwischen Haym, Wilhelm Dilthey und Ludwig Häusser in Berlin stattgefunden, in der die Beteiligten übereingekommen waren, die PJ mit neuen Autoren rücksichtsloser auftreten zu lassen.100 Dass dieser Unterredung keine Taten folgten, verstimmte besonders Heinrich von Treitschke. Der hatte bereits im Herbst 1862 an Haym geschrieben, dass er die Haltung der Jahrbücher zu konservativ einschätze und eine enge Verbindung mit den anderen liberalen Fraktionen für das Wichtigste halte.101 Die beiden interpretierten vor allem die Rolle der Fortschrittspartei im Verfassungskonflikt unterschiedlich102, so dass Treitschkes Aussage aus dem Herbst 1861 im Sommer 1863 keine Gültigkeit mehr besaß: „[A]uch kann ich mir’s gar nicht vorstellen, daß ich je ein politischer Gegner von Haym werden sollte.“103 Treitschke, der daheim in Sachsen keiner verschärften Presseüberwachung ausgesetzt war, hatte inzwischen in seinen Schriften einen deutlich linksliberalen Charakter entwickelt.104 Sein Nachruf auf den Dichter und Politiker Ludwig Uhland wenn die Verfassungsfreunde gesiegt haben oder wenn irgendein äußerer günstiger Zufall das Blatt gewandt haben wird, um so lauter wieder […] zu erscheinen.“ 100 Vgl. die Briefe Hayms an Ludwig Häusser (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3741, Nr. 9/10 vom 2. November und 7. Dezember 1862). Ihm schwebte ein Untertitel „hrsg. von Haym, unter der Mitwirkung von X, Y, Z“ vor – außer den genannten Namen fielen noch die von Moritz Veit, Hermann Duncker, Rudolf Gneist und besonders der von Adolf von Wilbrandt, damals ein junger Literaturhistoriker und ehemals Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Außerdem hoffte Haym, durch seine Kontakte zu Karl Mathy „eine neue Vermittlung mit dem Süden zu gewinnen. Mehrere meiner bisherigen Mitarbeiter, wie Treitschke, Kreyßig […], gehören thatsächlich der Fortschrittspartei an, und gerade von T. bringe ich Anfang 1863 mehrere Artikel.“ 101 Treitschke an Haym am 19. Oktober 1862 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 240). Zudem setzte er sich für eine Aufhebung der Anonymität in den PJ ein: Es sei nur eine Fiktion zu behaupten, dass aus einem Artikel „die Partei, nicht der Einzelne“ spreche. Um die Gleichförmigkeit der Publikation zu beenden und den Einfluss auf das Publikum zu steigern, müsse Haym über seinen Schatten springen und die Anonymität aufheben. 102 Treitschke erläuterte Haym am 5. November 1862 (ebd., S. 242 f.), dass er zwar mit dessen Urteil über die Reorganisation des Heeres einverstanden sei. Doch generell schrieben Hayms Korrespondenzen „die Schuld in der Militärsache zu gleichmäßig beiden Teilen zu[]“. Treitschkes Meinung nach sei die Fortschrittspartei „erst durch die Starrheit der Regierung in die reine Negation hineingetrieben“ worden. Am 17. November 1862 schrieb er Haym (StaBi Berlin PK, NLTreitschke, Kasten 2, Nr. 25, Bl. 46 ff.), die Demokratie werde „noch lange unser bester Bundesgenosse bleiben“. 103 Treitschke an Salomon Hirzel am 25. November 1861 (ebd., S. 183 f.). 104 Seinem Vater schrieb Treitschke in diesem Zusammenhang (ebd., S. 265 f.), er müsse sich sein „Recht vorbehalten, außerhalb meines akademischen Berufes ein Parteimann zu sein, wie dies die ungeheure Mehrzahl meiner Kollegen ist. Nicht das leiseste Bedenken steht dem im Wege.“ Haym, Aus meinem Leben, S. 270, bekannte: „Immer schon hatte der heißblütige Mann sich etwas stärker nach links geneigt; er stand der Fortschrittspartei näher als den Altliberalen.“
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sorgte für eine erste Verstimmung mit Rudolf Haym. Der PJ-Herausgeber hatte Treitschke erst zur Veröffentlichung gedrängt und dann dessen demokratiefreundliche Charakteristik zugunsten der gemäßigten Parteien abgewandelt.105 Treitschke stellte ihn zur Rede, verpflichtete ihn, seine Werke nur noch nach Rücksprache zu redigieren und begründete seine Sicht der Dinge: „[E]s ist wirklich meine Ueberzeugung, daß die große Masse der Liberalen durch Geiz, Feigheit und Mangel an Opfermuth sich von ihren ehrenwerthen Führern in jammervoller Weise unterscheiden, und ich sehe nicht ein, warum wir unsrer Partei nicht einmal ihre Fehler ins Gesicht sagen und ihr die Vorzüge anderer Parteien vorhalten sollen. Ob ich hierhin Recht habe, darüber läßt sich streiten; jedenfalls können Sie mir nicht zumuthen, etwas mit meinem Namen zu vertreten, was meine Meinung nicht ist.“106
Gleichzeitig erkundigte sich der Autor nach dem Standpunkt des Herausgebers zur Presseverordnung und führte seine „Herzensmeinung in aller Ruhe und Bedächtigkeit“ aus. „Die Revolution ist […] eine Zweckmäßigkeitsfrage; sobald sie Aussicht auf Erfolg hat, muß sie gewagt werden. Ich wünsche kein Ende der Krisis ohne eine demüthigende, schmachvolle Abdankung. Das Königthum v[on] G[ottes] Gn[aden] bedarf einer heilsamen, furchtbar ernsten Züchtigung.“107 Rudolf Haym hätte nun wissen müssen, dass Treitschke einem vermittelnden Kurs in Bezug auf die Regierungspolitik nicht länger folgen würde.108 Bevor Haym im Juliheft der PJ zur Presseverordnung Stellung nehmen sollte, warb er abermals erfolglos um bekannte liberale Kräfte.109 Sybel, Mommsen, Simson und Gervinus weissagte er, „daß die gewöhnlichen Liberalen samt den gewöhnlichen Verlegern sich werden einschüchtern lassen, sich zurückziehen werden“110. Gegenüber Twesten bekannte er, „daß jeder von uns […] gegenwärtig mit einem Tropfen demokratischen Öls gesalbt sein muß“, schränkte aber sogleich ein: „Aber die Sachen sind sogar so weit, daß vermutlich das demagogische Element mehr mitspielen wird – und denn in Gottes Namen mag – als zum Beispiel Sie oder ich unserer Natur, wie sie nun einmal ist, werden abgewinnen können.“111 105
Vgl. Treitschke an Karl Klüpfel am 9. Mai 1863 (DLA Marbach A: Schwab.Nolt.: 58.1921). 106 Treitschke an Haym am 27. Juni 1863 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 267 f.). 107 Beide Zitate ebd., S. 269. 108 Haym antwortete Treitschke am 9. Juli 1863 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 218): „Ihren revolutionären Schluß kann ich nicht unterschreiben, da ich die Revolution zwar auch für eine Zweckmäßigkeits-, aber zuvor doch für eine Möglichkeitsfrage halte […].“ 109 Ebd., S. 217: „Ich schreibe mir mit Briefen fast die Finger wund. Ich poche an alle Türen an.“ 110 Haym an Heinrich von Sybel am 10. Juni und an Eduard Simson am 15. Juli 1863 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 154 f. und S. 162 f.); Haym an Georg Gottfried Gervinus am 11. Juni 1863 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 2526, 155; Nr. 11) und an Theodor Mommsen am 15. Juli 1863 (in Rosenberg, ebd., S. 218 ff.). 111 Haym an Karl Twesten am 5. Juni 1863 (in Heyderhoff, Briefwechsel Haym-Twesten, S. 254 ff. und Rosenberg, Briefe Hayms, S. 213). Weiter: „Den gebildeten Verstand und das
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Auch wenn Haym die Presseverordnung als „Achtserklärung“112 der politischen Presse brandmarkte und vielfach ankündigte, sich „nicht mundtodt machen zu lassen“, so sollte mehr Wahrheit in seiner Ergänzung stecken, er wolle „dem Ansturm in einer gedeckten Defensivstellung Stand […] halten“113. Weil er die PJ als liberales Sprachrohr trotz eingeschränkter Pressefreiheit erhalten wollte, äußerte er seine öffentliche Kritik an der Presseverordnung auf milde, rationale und verständige Weise. Bewiesen war für ihn, dass das Zeitungswesen jeden freiheitlichen Boden verloren habe.114 Die Presseverordnung scheine „durch ihre Gesammthaltung gegen den Geist der Verfassung zu verstoßen“115. Es sei ungerechtfertigt, sie auf Notverordnungsrechte zu stützen, zumal die Staatsmacht den allgemeinen Unmut verursacht habe: „Die Hartnäckigkeit, mit der man die Heeresreformfrage auf die Spitze trieb, bis sie zur Verfassungsfrage wurde, die ganze herausfordernde Weise, mit der das gegenwärtige Ministerium neben dem Interesse des Staates zugleich sein persönliches Selbstgefühl einsetzte – diese ganze Politik, der es endlich die höchste Weisheit schien, dem Abgeordnetenhause gegenüber eine lediglich abweisende, negative Haltung einzunehmen, – das war es, was der Leidenschaft und dem Parteitreiben auch auf der anderen Seite Nahrung gab, was die Gährung wachsen, den Conflict auf ein Maximum steigen ließ. Hic Rhodus, hic salta. Das ist der Nothstand des Landes, den die Presse nicht gemacht, sondern nur widergehallt hat. Diesem Nothstand gilt es Abhülfe zu schaffen – versucht, ob Euch das mit einer Verordnung wie diese über die Presse, ob es mit einer gefesselten Meinung leichter gelingt als mit Hülfe der ungefesselten!“116
Da strafgerichtliche Normen nicht mehr zählten und das Urteil von Verwaltungsbeamten über das Wohl und Wehe der politischen Schriftstellerei entscheide, ideale Maß ohne doktrinäre Steifheit gilt es inmitten jedes Sturmes festzuhalten und darauf hinzuweisen, denn es muß doch dazu zurückgekehrt werden. Solche Aufgabe möchte ich unserer vornehmeren Publizistik vindizieren, einem Blatt, das, wie die Jahrbücher, mit dem einen Fuß in der Wissenschaft steht.“ 112 Haym an Georg Gottfried Gervinus am 11. Juni 1863 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 2526, 155; Nr. 11). Ebenso betonte er die Pflicht, „ähnlich wie die Revue des deux mondes unangefochten von dem herrschenden System“ mit Mut und Treue „weiter zu kämpfen. Dieser Zeitschrift ist schwerer beizukommen: sie hat um so mehr die Aufgabe, nicht zu wanken und nicht zu weichen.“ Ähnlich an Verleger Georg Reimer am 10. und 29. Juni 1863 (erster Brief in Rosenberg, ebd., S. 213 f., beide in StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 113 Beide Zitate in Haym, Aus meinem Leben, S. 270. 114 Vgl. Haym, Die Verordnung vom 1. Juni und die Presse, in PJ XI, 6 (1863), S. 627 ff., hier S. 628. Ebenso auf S. 639: „Man kann nicht die Preßfreiheit in Fesseln legen und Freiheit des Versammlungs-, des Vereinigungs-, des Petitionsrechtes, Ständeversammlungen und Oeffentlichkeit der ständischen Verhandlungen gestatten.“ Das Bedürfnis, „ohne Widerstand und Einrede nach dem eigenen Sinne zu regieren“ führe die Regierung „zur Suspension des Versammlungsrechts, zur Auflösung des Abgeordnetenhauses, zur Oktroyirung eines Wahlgesetzes, zum Umsturz der ganzen Verfassung. Dahin weist sie die Logik.“ 115 Ebd., S. 640, vgl. auch S. 629 ff. und Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 29. Juni 1863, in PJ XI, 6 (1863), S. 644 ff., hier S. 653. 116 Haym, Die Verordnung vom 1. Juni, S. 642.
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sei diese „zum verhängnißvollen Wagestück geworden“117. Unter diesen Umständen könne man sich nur an die Hoffnung halten, dass die Staatsführung das Wohl des Landes zum Ziel habe und die Pressefreiheit tatsächlich auf den Boden der Sittlichkeit und der Selbstachtung zurückführen wolle. Sollten die Motive der Regierung nicht Ordnung, Gesetzlichkeit und Mäßigung sein, würden die PJ weiter aussprechen, „dass S[eine]r Majestät Minister sich mit ihrer Weisheit und ihrem Gewissen in einem nicht leicht wiegenden Irrthum befunden haben“118. Darüber hinaus stellte Rudolf Haym Forderungen für das Verhalten der gesamten liberalen Presse auf. Sie glichen denen fast aufs Wort, die Max Duncker bereits zu Beginn der Neuen Ära gepredigt hatte: „Mäßigung, auch Leidenschaftslosigkeit, vielleicht bis zur äußersten Grenze menschlicher Geduld“119. Schließlich sei „das geringste Maaß activen Widerstandes, das irgend Gesetz und Umstände gestatten, […] werthvoller, ehrenvoller und wirksamer als ganze Massen jenes unsichtbaren, unfindbaren Widerstandes, der nicht widersteht“. „Nur die Presse, welche redet, nach Pflicht und Gewissen redet, verdient es erhalten zu werden […].“120 Sollte die preußische Presse ihre Bildungsaufgabe wahrnehmen und ihre Vaterlandsliebe deutlich machen, werde die Regierung erkennen, dass die Voraussetzungen für die Presseverordnung nicht stichhaltig seien. Freie Meinungsäußerung werde erst wieder möglich sein, wenn die Staatsmacht sich wieder auf die Wünsche und Bedürfnisse des preußischen Volkes besinne und gemeinsame Ziele formuliert werden können.121 „Eine Weisheit wird sie dazu bedürfen, eine Umsicht und Milde, eine Feinheit und Billigkeit, eine Hoheit und Reinheit der Gesinnung, die, wenn sie sie wirklich an den Tag legt, wenn es ihr gelingt, alle ihre Organe damit zu durchdringen, unsere ungeheuchelte Bewunderung erlangen wird.“122 Bis es soweit sei, hoffte Haym, würde das preußische Volk Ruhe bewahren. Denn selbst „anomale Gewaltthaten läßt sich eine Nation von einer Genialität, die sich durch Erfolge bewährt, gefallen: – es ist weder eine Schmähung noch eine Verhöhnung, wenn wir eine solche bei unseren derzeitigen Regierern nicht gefunden zu haben bekennen. Auch ist eine Nation zu manchem Verzicht auf freie Bewegung im Innern bereit, wenn ihr als Preis dafür
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Haym, Die Verordnung vom 1. Juni, S. 634. Weiter: „Nicht das unparteiische Urtheil des Richters entscheidet, sondern das […] mit Recht parteiische Urtheil von Administrativ- und Polizeibeamten.“ 118 Ebd., S. 629, vgl. S. 628 ff. 119 Ebd., S. 643. 120 Ebd., S. 642 f. 121 Vgl. Haym, ebd., S. 635 f. u. S. 639. Ähnlich Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 29. Juni 1863, S. 652: „Mit all’ ihren Machtmitteln […] ist die oberste Gewalt doch nicht stark genug, um, auf die Dauer, jene Basis entbehren zu können, die ihr heute entgeht, – das Vertrauen des Bürgerthums.“ 122 Haym, ebd., S. 635.
I. Die Preußischen Jahrbücher während des Verfassungskonflikts in Preußen
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ein Zuwachs an Macht und Ansehn nach Außen gezeigt wird. […] Die Legitimation zu der Repression, die wir heute Alle fühlen, ist […] erst zu erwerben.“123
Diese Zeilen brachten dem Herausgeber der PJ viel Kritik ein, schließlich konnte man sie auch derart interpretieren, dass der Verzicht auf eine freie Presse lohnenswert sein könne, wenn gleichzeitig das Ansehen des Staates nach Außen gemehrt werde. Dabei war seine Grundüberzeugung, dass die Presse die Gegebenheiten hinnehmen und dennoch den liberalen Staatsgeist durch ihr Wort lebendig halten müsse. Doch Maß und Gerechtigkeit beherrschten auch Hayms Blick auf den politischen Gegner.124 So konnte er nicht von seinem Glauben lassen, dass „zwischen Volk und Krone nur verschiedene Meinungen über die Bedürfnisse des Staates obwalten, den Willen zum Staate, Motive des Patriotismus dagegen [wollte] er bis zum Letzten auch auf der gegnerischen Seite anerkennen“125. In einem Schreiben126 erklärte der Herausgeber seinen Mitarbeitern das weitere Vorgehen – und hoffte auch auf ein Mitwirken Treitschkes127. Doch: „Nicht Biegen sondern Brechen, nicht Ausweichen sondern Angreifen war die Losung des ritterlichen Heißsporns.“128 Treitschke sah den fortschrittlichen Geist des preußischen Volkes in den PJ nicht mehr repräsentiert und kündigte Rudolf Haym an, seine Arbeit für die Monatsschrift einzustellen. Er hoffe zwar, dass er und Haym „einst wieder auf demselben Wege gehen werden“129. Derzeit könne er das nicht, weil zwischen ihnen eine Meinungsverschiedenheit bestehe, „weit, weit größer als ich jemals glaubte […]. Auf die Frage: wer regiert heute Preußen? finde ich bei kaltem Blute nur die eine Antwort: auf Seiten der Minister eine Frivolität, der ein geschworener Eid so leicht wiegt wie eine Feder; auf Seiten des Königs eine Verblendung, […] die verständigen Männern nicht mehr als zurechnungsfähig erscheinen kann. 123
Haym, Die Verordnung vom 1. Juni, S. 636 f. Howald, Haym, S. 211: „Er respektiert das Eigenleben des andern und seiner Schöpfungen, hält Distanz zu ihm; er will ihn nicht zwingen zu sein, wie er es gerne hätte, aber er will ihn bis in die innersten Falten seines Wesens erkennen und verstehen.“ 125 Westphal, Staatsauffassung, S. 185. Dennoch gab Haym am 8. Juli 1863 in einem Brief an Ludwig Häusser (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3741, Brief 13) zu: „Ich weiß, daß es für einen Nichtpreußen, für Sie zumal, jetzt geradezu eine Unmöglichkeit ist, über preußische Dinge mit der Mäßigung zu schreiben, ohne die wir nicht schreiben dürfen – mir selbst hat es fast das Herz abgedrückt, so zu schreiben, wie ich getan.“ 126 Das Schreiben ist heute nicht mehr erhalten, erwähnt wird es aber in Treitschkes Brief an Haym vom 17. Juli 1863 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 274). 127 Haym kündigte Treitschke am 9. Juli 1863 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 217 f.) an, „wenn es irgend möglich ist, so zu schreiben, daß zwar alles gesagt wird, aber dennoch sogar eine erste Verwarnung vermieden wird. […] Eine weitere Losung brauche ich Ihnen nicht auszuteilen; den meisten schreibe ich (bezüglich der nicht direkt-politischen Artikel): so tendenziös und so patriotisch wie möglich.“ 128 Haym, Aus meinem Leben, S. 270. Weiter: „Sein leidenschaftliches Rechtsgefühl, seine schlagelustige Tapferkeit empörte sich über dies Ausweichen und über die ,Vertrauensseligkeit‘, die er dem Artikel Schuld gab.“ 129 Treitschke an Haym am 17. Juli 1863 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 275). 124
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[…] Und wäre selbst dies Urtheil zu hart, so meine ich doch: nachdem die Verfassung gebrochen ist, dürfen die Verfassungstreuen nicht reden von wohlmeinenden Absichten der Zerstörer des Landesrechts, sie dürfen Nichts sagen, was die gerecht, leider nur allzumatte, Entrüstung des Landes schwächen könnte.“130
Diese Zeilen erreichten Rudolf Haym am dem Tag, an dem Treitschke sich auch öffentlich von den PJ lossagte. In seinem Artikel Das Schweigen der Presse in Preußen warnte er vor einem Rückfall in die Naivität des überwunden geglaubten Altliberalismus der Neuen Ära.131 Ein guter Bürger müsse die Wiederherstellung des alten Rechts fordern, hinter Hayms guten Absichten stünden „Fiktionen, die ein liberales Blatt niemals aussprechen“ dürfe. So sei es illusorisch zu glauben, dass die Motive der Regierung von den reaktionären Ausführungen der konservativen Presse trennbar seien. „Wir haben es nicht für möglich gehalten, dass die menschliche Vertrauensseligkeit einer so grenzenlosen Ausdehnung fähig sei.“ Haym war schockiert von der Vehemenz der Treitschkeschen Anklageschrift132 und von der Tatsache, dass diese in den Grenzboten erschienen war, die doch ein Mitstreiter im Kampf um liberale Prinzipien sein sollten133. Deren Herausgeber Moritz Busch hatte Treitschke zum öffentlichen Widerspruch gedrängt und erklärte Haym seinen Standpunkt. Zwar fühle man sich noch immer politisch befreundet, doch in der Ansicht, dass das Ministerium Bismarck gewissenhaft handle, „mit seinen Maßregeln die Sittlichkeit fördern wolle, konnten wir Ihnen nicht folgen, und, so schmerzlich dies uns war, wir mußten es für Pflicht ansehen, diese Abweichung offen zu konstatieren“134. Außerdem, ergänzte Treitschke, habe es nie eine bessere 130 Treitschke an Haym am 17. Juli 1863 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 274 f.). Auch Richard Roepell vertrat gegenüber Max Duncker am 19. Juli 1863 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 222, Anm. 1) die Ansicht, Hayms Aufsatz habe „ganz vortreffliche Momente und ist brillant geschrieben. Nur damit bin ich nicht einverstanden, daß er von dem Gedanken ausgeht, diese Minister wären selbst sittliche Leute, die nur irrten. Ich für meine Person kann bei dem besten Willen diesen Glauben nicht teilen und bedaure daher, daß H[aym] nicht nur von ihm ausgeht, sondern wiederholt darauf zurückkömmt. Denn da die öffentliche Meinung, soviel ich sehen kann, diesen Glauben sicher nicht teilt, wie sie leicht H[aym] beschuldigen ihn nur zu heucheln und das muß die moralische Wirkung schwächen, welche der Aufsatz sonst nicht nur zugunsten Hayms, sondern auch des politischen Standpunktes unserer Partei haben kann und wird.“ 131 Treitschke, Das Schweigen der Presse in Preußen, in Grenzboten 29 (1863), II. Semester, III. Band, S. 111 ff. Vgl. vor allem die Interpretation bei Langer, Treitschke, S. 97 ff. 132 „Ihr ganzes Innre, Ihr Herz und Gewissen war gegen mich. Dies ist es, was mir so unbeschreiblich wehe tut“, schrieb er am 18. Juli 1863 an Treitschke (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 221). Duncker gestand er am 8. August (ebd., Anm. 3), „wie mich persönlich dieser Abfall und Angriff mitgenommen hat – denn Sie wissen, welche Stücke ich auf den Mann hielt; ich verliere den Freund und Mitarbeiter, den wackeren Gesellen nicht unlieber als Wallenstein den Max.“ Ebenso in Haym, Aus meinem Leben, S. 270: „Für mich aber war der Ueberfall das schmerzlichste Erlebniß meiner Redaction; ich trauerte […] um die Entfremdung des zuverlässigsten Freundes und um den Verlust eines unersetzlichen Mitarbeiters.“ 133 Vgl. Haym an Treitschke am 18. Juli 1863 (in Rosenberg, ebd., S. 221 f.). 134 Moritz Busch an Haym am 15. Juli 1863 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 220). Vgl. auch Treitschke an Haym am 17. Juli 1863 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 273 f.) und
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Chance für die Grenzboten gegeben, sich endgültig von den Altliberalen zu distanzieren.135 Dem PJ-Herausgeber blieb nichts anderes übrig als zum Gegenangriff überzugehen. Treitschke versicherte er, dass „der Kampf gegen die jetzigen Regierer, trotz allem, ununterbrochen fortgeführt werden muß“ und zeigte sich entrüstet und angeekelt ob der „Feigheit und Stumpfheit der großen Masse, von der ich täglich Beispiele erlebe, von denen die einen sich mit ihrer Abhängigkeit entschuldigen, während andere sich gar eine solche Abhängigkeit anphantasieren und anentschuldigen […]“136. Freunden wie dem Weimarer Archäologen, Bibliothekar und Literaturhistoriker Adolf Schöll schrieb Haym: „Über das, was das preußische Volk leisten könne oder was man mit der Kronprinzessin machen könne, geben sich, glaube ich, Freytag, Treitschke usw. den wunderlichsten Illusionen hin.“137 Hayms öffentliche Antwort folgte im Juliheft der PJ in einem für ihn sehr emotionalen, bissigen und herausfordernden Tonfall – und in drei Schritten: erstens die Zurückweisung von Treitschkes Vorwürfen, zweitens die Analyse der Lage der preußischen Presse und drittens der abermalige Mahnruf an kompromissbereite Personen in Regierung und Verwaltung. Zunächst stellte Haym sich und die PJ als Stimme aller gemäßigten und von Treitschke verunglimpften Liberalen dar: „[D]iese Uebergläubigen, die mit all’ ihren edlen Absichten nicht viel besser als Verräther sind, diese altersschwachen Exliberalen sind wir!“138 Man habe immer wieder die verfassungsfeindliche Politik des Hayms Notizen zur Autobiographie (ULB Halle, NL Haym Vita, Yi 23 I, 2, Blatt 39 – Jahresnotizen 1863). 135 Treitschke an Haym am 19. Juli 1863 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 276): „Die grünen Blätter sind schon seit Langem in einer schiefen Stellung: sie stehen […], wie Ihnen jeder Artikel von Freytag zeigen wird, viel weiter links als die Altliberalen, und doch werden sie noch von den Meisten für altliberal gehalten wegen der früheren Verbindung mit Jul [ian] Schmidt, der neulich hier war und sich […] doch sicherlich davon überzeugt hat, daß seine alten Genossen seiner heutigen Richtung nicht folgen. Nun war Ihr Juniheft geradezu ein Aufruf Farbe zu bekennen; das Heft wird, wie ich fürchte, nicht ohne Folgen bleiben, die preußischen Blätter (die dummen natürlich voran, aber leider auch die guten) werden Ihnen dies Heft nie verzeihen. So ward den Grenzboten die Gelegenheit, ihre Parteistellung ganz klar auszusprechen, nicht nur dargeboten, sondern aufgedrängt.“ 136 Haym an Treitschke am 18. Juli 1863 (in Rosenberg, ebd., S. 222). Treitschke könne von Sachsen aus leicht seine Meinung sagen, „während Sie gewiß so billig sind, dem umgekehrten Umstande seinen Einfluß auf die meinige einzuräumen“. 137 Haym an Adolf Schöll am 11. August 1863 (ebd., S. 224). 138 Haym, Ein Artikel der Grenzboten, in PJ XII, 1 (1863), S. 62 ff., hier S. 64. Zuvor auf S. 63: „Keine Frage: der warmen, eifrigen, vom lautersten Patriotismus, vom stolzesten Rechtsgefühl eingegebenen Rede, die unser Gegner dem Publicum hält, muß ein stürmischer Applaus folgen. […W]enn die Spitze der Worte nicht gegen uns gerichtet wäre, so könnten wir wohl wünschen, diese Rede selbst gehalten zu haben. Sie gilt nämlich, diese Rede, einem gutmüthigen aber etwas schwachsinnigen Manne, der sich auch nach der Verordnung vom 1. Juni nicht von dem Glauben entwöhnen kann, daß auch jetzt noch ein, obzwar hartes Recht für die preußische Presse existire. Aus ehrenwerthem, aber übelangebrachtem Stolz, aus
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Ministeriums Bismarck gerügt und den Beweis erbracht, dass Paragraph 63 der Verfassung kein hinreichender Grund für die Presseverordnung sei.139 Auch künftig betrachte Haym es als seine Aufgabe, die Minister vor Fehlverhalten zu warnen und an ihren Patriotismus zu appellieren. Dieser sei „das einzige Band, das uns noch über den Rissen des erschütterten Rechtsbodens mit ihnen zusammenknüpft. Dieses Band fallen zu lassen, dazu sollen uns am wenigsten die rasenden Herausforderungen und die giftigen Schmähungen aus dem Lager der feudalen Scribenten bestimmen. Es fallen lassen, das heißt, in unseren Augen, nur die Gewalt noch übrig lassen und die Revolution in Aussicht nehmen.“140
Haym verband seine Botschaft an die preußische Presse mit einer Auseinandersetzung mit den Grenzboten. Dort werde zwar nicht die Revolution gepredigt, doch könne man kein klares „Bild von der Kampfesweise und von der Entwickelung der Dinge haben, wie sie dort in Aussicht genommen wird.“ – „[W]enn sie in dem Fall der preußischen Zeitschriften wären und schwiegen, so wäre es ein beredtes Schweigen. Die Rechnung jedoch, wonach sie der Taktik des Schweigens schlechtweg ihre eigene edle und zuversichtliche Gesinnung leihen, dürfte nicht stichhaltig sein. […] Es scheint uns nicht gut, nicht vorsichtig, wenn […] die, welche schweigen, als treuere und verlässlichere Bundesgenossen gelten […].“141
Wer meine, dass es zum Sieg des Liberalismus nur stiller Hinweise auf die verletzte Verfassung bedürfe, der überschätze seine politische Bildung und Reife. Die Verfassung sei ein Gut, das „jeder Hingebung werth ist, aber auch nur durch arbeitsvolle Anstrengung, durch zähe Ausdauer, durch Treue im Kleinen wie im Großen errungen werden kann. Man täusche sich nicht über die unausbleibliche Wirkung eines längeren Schweigens der liberalen Presse […].“142 Es sei stolz, aber bequem zu sagen, dass mit diesem Ministerium keine Reden zu wechseln seien. Die große Differenz zwischen PJ und Grenzboten, zwischen Realisten und Idealisten, bestehe in der unterschiedlichen „Beurtheilung des vorhandenen politischen Materials“143. Daher richtete Haym seinen Appell auch an die „höchstgestellten Beamten […], die eine selbständige politische Meinung über den Besitz ihres Amtes stellen“. preußischem Stolz soll dieser Mann vor sich selbst das Geständniß verbergen, daß die Verfassung in Preußen verletzt ist.“ 139 Vgl. Haym, Ein Artikel der Grenzboten, S. 64 ff. und S. 67. 140 Ebd., S. 68. 141 Ebd., S. 68 und S. 69. Auf S. 72 äußerte Haym den Vorwurf, die Grenzboten hätten ihre Fantasien in den Artikel der PJ hineingelesen. „Die längst gewünschte Gelegenheit, sich von den Altliberalen zu scheiden, die eigene Parteistellung klar auszusprechen, scheint gefunden […]!“ 142 Ebd., S. 70. 143 Ebd., S. 71. Das folgende Zitat auf S. 70. Weiter: „[W]ir sollten dem Rathe der Grenzboten folgen, lieber gar nicht zu reden, als so wie wir es versucht haben? – Nimmermehr!“ Auf S. 73: „Die Correspondenten gewisser Zeitungen, sie mögen die Preußischen Jahrbücher gelesen haben oder nicht, finden den Mythos von einem Compromiß zwischen Bismarck und einem Theil der liberalen Partei werth, geglaubt und verbreitet zu werden.“
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Zwar hatte Treitschke den Grenzboten mit seinem wirkungsvollen Widerruf kurzfristig deutlich mehr Aufmerksamkeit als den PJ eingebracht – im Blick zurück jedoch bewertet die historische Forschung Hayms maßvolle Haltung positiver als das Ungestüm Treitschkes, der zudem das revolutionäre Potenzial in Preußen zu hoch einschätzte. Fülling erkannte die eigenartige Situation, dass Hayms „unpolitischer Idealismus, der sittliche Maßstäbe an die Politik herantrug, der Wirklichkeit besser gerecht wurde als Treitschkes politischer Realismus, der den Verfassungskampf als Machtfrage erkannte; denn was nützte diese Erkenntnis, wenn man selbst keine Macht hatte, Hayms bescheidenere Zielsetzung bewahrte […] die Altliberalen vor Selbstüberschätzung“144. Langer betonte zudem die taktischen Erwägungen Hayms: der hatte immer wieder auf die Beamten hingewiesen, die bei einer Konfrontation mit der Regierung einem „Interessenkonflikt zwischen ihren Dienstpflichten und ihrer liberalen politischen Überzeugung ausgesetzt worden wäre[n]. In der Rücksichtnahme auf den Beamtenliberalismus lag also der Grund für Hayms Konsensorientierung […].“145 Zuletzt deckte der Streit zwischen PJ und Grenzboten auf, was sich im Verlauf des Verfassungskonflikts angedeutet hatte: eine liberale Gesamtpartei war entgegen der Hoffnungen Rudolf Hayms kaum noch denkbar.146 Dennoch, so erklärte Haym Verleger Reimer, seien beide Artikel unvermeidlich gewesen. Nun müsse man abwarten, ob der Schaden, „den uns Treitschke durch seinen Angriff zugefügt hat“, zumindest zum Teil wieder gut zu machen sei.147 Was engste Mitarbeiter, Vertraute und den versprengten Rest altliberaler Abgeordneter betraf, war Haym erfolgreich.148 Auch in den Grenzboten und anderen Zeitschriften wurde die Kontroverse kaum noch erwähnt. Doch der Artikel der Grenzboten sollte ein juristisches Nachspiel haben. Gegen Rudolf Haym und die PJ begann im November 1863 ein Strafverfahren. Kultus- und Justizminister149 ermächtigten den Oberstaatsanwalt am Berliner Kammergericht, 144
Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 54; ähnlich Dorpalen, Treitschke, S. 79; Kahan, Haym, S. 74. 145 Langer, Treitschke, S. 100. 146 Vgl. Westphal, Staatsauffassung, S. 186 f. 147 Haym an Reimer am 30. Juli 1863 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 148 Vgl. Hayms Notizen zur Autobiographie (ULB Halle, NL Haym Vita, Yi 23 I, 2, Blatt 39 – Jahresnotizen 1863): Schrader habe sich am 4. August für ihn und gegen Treitschkes Artikel ausgesprochen und am 19. August seine Replik sehr gelobt. Ebenso hätten sich Sigurd Abel und Georg Beseler mit Hayms Sicht der Dinge einverstanden erklärt. Der Brief Beselers vom 12. Juli 1863 in ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV B 60. 149 GStA PK, I. HA, Rep. 84 a: Preußisches Staatsministerium der Justiz, Untersuchungsund Strafsachen gegen Presseorgane. Mikrofilm 17124, Nr. 49764, Bl. 152: Kultusminister von Mühler informierte am 14. November 1863 Justizminister zur Lippe, „daß meinerseits ein Bedenken gegen die strafgerichtliche Verfolgung des Prof. Dr. Haym in Halle nicht obwaltet. Von dem Erfolg desselben bitte ich mich […] in Kenntniß setzen zu wollen.“
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„wegen der, in dem ersten Hefte des zwölften Bandes der vom Professor Dr. Haym herausgegebenen ,Preußischen Jahrbücher‘ vermittelst des Artikels ,Ein Artikel der Grenzboten‘ verübten Beleidigungen der Mitglieder des Königlichen Staatsministeriums in Bezug auf deren Beruf, auf Grund des § 102 des Strafgesetzbuches die strafgerichtliche Verfolgung zu veranlassen.“150
Haym wurde wegen Verunglimpfung des Staates und Beleidigung von Staatsorganen angeklagt, am 4. Januar 1864 jedoch freigesprochen. Doch der Staatsanwalt ging gegen diese Entscheidung vor und führte das Verfahren in die zweite Instanz. Zudem eröffnete er ein neues Verfahren, in dem einige Sätze aus der Besprechung des Schleiermacher-Briefwechsels im Dezember 1863 im Mittelpunkt des Interesses standen.151 Haym drohte wegen abermaliger Verunglimpfung des Staates eine Geldbuße von mehreren hundert Talern bis hin zu zwei Jahren Gefängnis. Bisher hatte er sich vor Gericht selbst verteidigt, gab nun jedoch zu, „in einer üblen Lage“ zu sein und sich einen Rechtsbeistand zu suchen.152 Nachdem Haym in diesem zweiten Verfahren zur Zahlung von 25 Talern verurteilt wurde, ging er jedoch in die Offensive, berichtete in den PJ über den Prozess und legte Berufung gegen das Urteil ein.153 Letztlich folgte in beiden Verfahren der Freispruch.154 Die aufreibenden Gerichtsverfahren bestärkten Haym jedoch in seinem Bestreben, die Redaktionsleitung der PJ baldmöglichst abzugeben.155 Außer-
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GStA PK, I. HA, Rep. 84 a: Mikrofilm 17124, Nr. 49764, Bl. 153 (Schreiben an den Oberstaatsanwalt am Kammergericht am 16. November 1863). 151 Gegen Haym wurde zunächst am 27. November Anklage nach §101/102 StGB erhoben (ebd., Nr. 49765, Blatt 70 a: Oberstaatsanwalt am Kammergericht an Justizminister zur Lippe am 22. Januar 1864); zum Freispruch und zur Wiedervorlage vgl. ebd. und die Schreiben vom 19./20. Januar und 27. Februar 1864 (ebd., Bl. 56 und Bl. 145). Vgl. ebenso Haym an Georg Reimer am 28. Dezember 1863, 13. und 27. Februar 1864 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). In Letzterem informiert Haym den Verleger über die Anklage „wegen PJ XII, 6, 622 ff. gegen § 101 StG und § 34 Pressegesetz“. 152 Haym an Georg Reimer am 13. Februar 1864 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). Vgl. ebd. auch den Brief vom 28. Dezember 1863. 153 Vgl. Haym, Notizen: Ein Prozess gegen die Preußischen Jahrbücher, in PJ XIII, 4 (1864), S. 444. 154 GStA PK, I. HA, Rep. 84 a: Preußisches Staatsministerium der Justiz, Untersuchungsund Strafsachen gegen Presseorgane. Mikrofilm Nr. 17124, Nr. 49766, Bl. 101 – Der Oberstaatsanwalt am Kammergericht berichtete Justizminister zur Lippe am 9. Mai 1864, dass „in der neben bezeichneten Untersuchungssache das königliche Kammergericht in seiner Sitzung am 9. Mai d. J. auf die Appellation des Staatsanwalts der Erkenntnis des hiesigen Stadtgerichts vom 4. 1. d. J. den diesseitigen Anträgen zuwider bestätigt hat.“ Eine Anmerkung auf dem Schreiben vom 13. Mai 1864 vermerkt: „Ad acta!“ Rudolf Haym informierte den Verleger am 19. Juni 1864 über den Freispruch in beiden Verfahren (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 155 Haym an Heinrich von Treitschke am 18. Juli 1863 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 223): „Meine Lage ist überwältigend schwer und drückend. Die genommene Position durchführen ist nur möglich mit befreundeten Kräften. Meine beste Hilfe, die, auf welche zuerst und zumeist gerechnet war, versagt nicht nur, sondern wendet sich gegen mich. Überzeugung,
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dem offenbarten die Trennung von Treitschke und der Streit mit den Grenzboten, dass eine (alt-)liberale Allianz in Presse und Politik nicht mehr zu realisieren war – auch wenn sich die PJ im Zusammenhang mit der Presseverordnung wie kaum sonst an ihr Programm gehalten haben, „staatsbürgerlichen Gemeinsinn zu wecken, die Mängel des Bestehenden zu enthüllen, die Erkenntniß des Besseren zu fördern […]. Allen Bestrebungen, die auf dieser Bahn rückwärts leiten, werden sie entgegenarbeiten.“156
3. Preußische Innenpolitik auf dem Höhepunkt des Verfassungskonflikts a) Das politische Geschehen Nach einem vom Streit um die Presseverordnung bestimmten Sommer 1863 löste König Wilhelm das preußische Abgeordnetenhaus auf und bemühte sich vereint mit der Regierung, die folgenden Wahlen mit allen Mitteln zum Vorteil der Konservativen zu beeinflussen.157 Das Vorhaben misslang: allein die Fortschrittspartei158 erhielt im Herbst 141 Sitze im Parlament. Insgesamt gingen zwei Drittel der Mandate an liberale Abgeordnete, denen insgesamt nur 38 Regierungsbefürworter gegenübersaßen. Der große Verlierer der Wahl war jedoch die altliberale Konstitutionelle Fraktion, die nur noch neun Mandate erhielt: führende Vertreter wie von Vincke, von Patow oder von Auerswald wurden nicht gewählt, selbst die Hochburg Halle an der Saale ging verloren. „Ihre Wahlniederlage nahmen die Altliberalen […] gleichmütig hin. Die Schuld trugen ja letztlich nicht die Wähler, sondern die Maßnahmen der Regierung.”159 Die erdrückende Mehrheit der liberalen Parteien war im Kampf gegen das Ministerium Bismarck zustande gekommen, ein Ausgleich im Verfassungskonflikt war undenkbar. Tatsächlich demonstrierte die Mehrheit der Abgeordneten in den folgenden Wochen, dass sie „zu ernsthaften Verhandlungen mit dem im Amt befind-
Ehre und Pflicht nötigt mich trotzdem, wenigstens bis Ende d. J., wo ich ohnehin zum Rücktritt entschlossen war, auszuhalten. Ich will es so kühl, resigniert und eifrig wie möglich tun.“ 156 Aus dem vierseitigen Prospekt aus dem Hause Georg Reimer zum erstmaligen Erscheinen der PJ. Original in: GStA PK I. HA Rep. 77, Tit. 652, Nr. 4, Mitteilung II 12534 vom 10. Dezember 1857. 157 Im Wort an die Gemeinde Steingrund erklärte Wilhelm die Wahl fortschrittlicher Abgeordneter als unvereinbar mit der Treue zur Monarchie. Vgl. zum gesamten Abschnitt Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 319 f. 158 Das Programm der Fortschrittpartei vom 12. September 1863 in Parisius, Deutschlands Parteien, S. 65 ff. 159 Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 55. Bereits vor der Wahl hatte Heinrich von Sybel gemutmaßt (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 172): „Die Altliberalen werden ziemlich ganz verschwinden.“
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lichen Kabinett nach wie vor nicht bereit“160 war: die Presseverordnung wurde aufgehoben161, der Staatsetat für das kommende Jahr abgelehnt und das budgetlose Regiment als verfassungswidrig gebrandmarkt. Unter den oppositionellen Parteien standen lediglich die Altliberalen dem Ministerium die Kredite zu, da sie den preußischen Staat nicht schwächen wollten.162 Die Regierung aber reagierte wie im Jahr zuvor: am 25. Januar 1864 wurde der Landtag durch ein königliches Dekret vertagt. Das Abgeordnetenhaus hinderte die Regierung in der Folge in allen wesentlichen Fragen der Verfassungs- und Heerespolitik. Das parlamentarische Procedere glich einem regelrechten Stellungskrieg und lief nach dem immer gleichen Muster ab: Vorschlagen, Weiterleiten, Ablehnen. König Wilhelm berief das Abgeordnetenhaus zwischen Ende Januar 1864 und Jahresbeginn 1865 gar nicht erst ein. Die innenpolitische Auseinandersetzung verlor so zunehmend an Bedeutung: „Unterliegen musste schließlich das Abgeordnetenhaus, da das breite Volk nichts von den Nachteilen des budgetlosen Regimes merkte. Im Gegenteil, der Wohlstand nahm zu, und Handel und Wandel erfreuten sich fröhlichen Gedeihens.“163 Auch in der Session 1865 nahm der Konflikt den üblichen Verlauf. Die Debatte über das Heer wurde praktisch nur auf Seiten des Budgetrechts ausgetragen, weil sich hier einerseits die Abgeordneten ihrer verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten sicher waren und andererseits die Regierung die königliche Kommandogewalt im Heer aus der Diskussion heraushalten konnte. So scheiterte erneut der Haushaltsplan für das laufende Jahr, ein Dienstpflichtgesetz für die Armee und selbst die Marinevorlage164, die den Bau von Panzerfregatten und Kriegshäfen regeln sollte. Doch die Liberalen mussten dieses ihnen so wichtige Anliegen ablehnen, weil sie ohne rechtmäßig bewilligtes Budget der Regierung keine Mittel zustehen konnten. Letzten Endes schloss König Wilhelm den Landtag am 17. Juni 1865 mit der Begründung, dass dessen ablehnende Politik dem Land schade. Bismarck indes setzte den Bau der Kriegsflotte durch, indem er staatliche Aktienanteile an der KölnMindener Eisenbahn im Wert von 30 Millionen Talern verkaufen ließ. Der Ministerpräsident regierte mittlerweile seit gut drei Jahren ohne parlamentarische Kontrolle, feierte außenpolitische Erfolge, die Öffentlichkeit nahm seine Politik langsam 160
Gall, Bismarck, S. 291. Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 320. Kurz vor Aufhebung der Presseverordnung schrieb der König dem Ministerpräsidenten (in Bismarck, Bismarck an Wilhelm, S. 83): „Mir scheint es nur auf Vertheidigung der Rechtmäßigkeit der Verordnung vom 1. Juny anzukommen und nicht auf eine scharfe Vertheidigung der Beibehaltung derselben, nach Antrag des Herrenhauses. Ich bitte nur um ein paar Worte als Antwort, und empfehle vor allem Mäßigung, wenn auch Ernst, weil wir doch schon erreicht haben, was wir wollten, 5 Monate Ruhe!“. 162 Vgl. Fülling, Altliberale, S. 57. 163 Ebd., S. 59. Vgl. Huber, ebd., S. 321 ff. 164 Vgl. zu den gescheiterten Gesetzesvorhaben Huber, ebd., S. 325 ff. 161
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wohlwollender wahr. Die liberalen Abgeordneten waren des Kampfes müde. Sie tröstete nur der Glauben, moralisch richtig zu handeln. „Während das Ministerium Vorlagen machte, die ohne Aussicht waren, Gesetz zu werden, vergeudete die Opposition ihre Zeit mit Debatten über Änderungen und Zusätze, die die Krone niemals hinnehmen würde. Während die Deputierten argumentierten und petitionierten, regierten die Minister das Land, ohne sich um das Parlament zu scheren.“165
So zeigten viele Abgeordnete Bereitschaft, den Streit mit der Regierung beizulegen; auch der König betonte in seiner Thronrede zur Eröffnung des Landtags von 1865 den Wunsch nach Ausgleich der Gegensätze.166 So arbeiteten der altliberale Abgeordnete Karl Freiherr von Vincke-Olbendorff und Generalstabschef Helmuth von Moltke hinter den Kulissen an einem gemeinsamen Konzept zur weiteren Reorganisation des Heeres.167 Auch zeigte sich, dass der Verfassungskonflikt „reichen Nährboden für die Weiterentwicklung des modernen deutschen Parteiensystems“168 bot. Da sich viele ehemalige Altliberale inzwischen in der Fortschrittspartei engagierten, traten in dieser die demokratischen Forderungen weiter in den Hintergrund. In der folgenden Session keimte bei Abgeordneten der Fortschrittspartei die Einsicht, „daß nicht die Regierung, sondern nur die Liberalen ihre Kräfte im Konflikt verbrauchten“169. Denn der Landtag von 1866 stritt erneut monatelang über den Staatshaushalt170, wobei die äußerste Linke das Budget gänzlich ohne Beratung abzulehnen gedachte. Der Richtungsstreit in der Opposition endete damit, dass das Budgetgesetz nach einem Beschluss von Konservativen, Linkem Zentrum und Fortschrittspartei in einen Ausschuss verwiesen und dort abgelehnt wurde. In einem Vorbericht hatte die Ausschusskommission erklärt, dass in Preußen der Absolutismus zurückgekehrt sei und man der Regierung keinerlei Anleihen bewilligen werde. Innerhalb der Liberalen bildeten sich zwei Lager: die einen prägte der Wunsch, Bismarck aus dem Amt zu drängen und so die konservative Grundhaltung des Staates zu beenden. „[S]ie wollten die Berufung […] eines Ministeriums nicht nur liberaler
165
Pflanze, Bismarck, S. 283. Vgl. zum Vorherigen ebd., S. 282 f. Auch Bismarck und Kriegsminister Roon wollten den König überzeugen, den dreijährigen Dienst im Heer zu verkürzen und Größe und Finanzierung an den Bevölkerungszuwachs anzupassen. Selbst einen Vorschlag des ehemaligen Kriegsministers von Bonin trugen sie vor, nach dem die dreijährige Dienstzeit beibehalten, die Zahl der Soldaten aber auf 160.000 begrenzt werden sollte. König oder Abgeordnetenhaus lehnten alle Vorschläge ab. 167 Vgl. GStA PK, VI. HA, NL Vincke-Olbendorff, Nr. 2: In dem Brief vom 12. November 1864 zeigte sich Moltke sehr interessiert an der Meinung Vinckes, lobte dessen „schlagende Beweisführung“ und hoffte auf eine schnelle Einigung sowie eine „Versöhnung“ der Parteien. 168 Siemann, Gesellschaft im Aufbruch, S. 216. Vgl. Engelberg, Bismarck, S. 557 ff. 169 Spahn, Entstehung der Nationalliberalen, S. 348. Ähnlich argumentierten auch das Deutsche Museum, 1/1866, S. 218 und Julian Schmidt in seiner Broschüre Die Notwendigkeit einer neuen Parteibildung. Darin heißt es, der Verfassungskonflikt untergrabe Produktivität, Unbefangenheit und Bildung des Volkes. 170 Vgl. zum Folgenden Pflanze, Bismarck, S. 322 ff. und Spahn, ebd., S. 347 ff. 166
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Männer wie in der Neuen Ära, sondern der liberalen Aktion erreichen.“171 Den anderen ging die generelle Ablehnung von Regierung und Herrenhaus zu weit. Sie beharrten darauf, dass das Abgeordnetenhaus kein parlamentarisch gestütztes Ministerium erzwingen dürfe. Alle Spaltungstendenzen innerhalb der Opposition rückten in den Hintergrund, als mit dem Obertribunalsbeschluss vom 29. Januar 1866172 Redefreiheit und Immunität der Abgeordneten faktisch aufgehoben wurden. Die Fortschritts-Abgeordneten Karl Twesten und Johann Peter Frentzel hatten in ihren Reden Regierung und Verwaltung Gewaltmissbrauch und Korruption vorgeworfen.173 Die strafrechtliche Verfolgung der beiden verstieß gegen die Verfassung174 und war ein Angriff der Regierung auf den parlamentarischen Prozess, der „den flammenden Protest des gesamten Liberalismus heraus[forderte]“175. Die Debatten über den Beschluss des Obertribunals gehören zu den intensivsten und rhetorisch brillantesten, die je im preußischen Abgeordnetenhaus geführt wurden.176 Dabei leugnete der Ministerpräsident, dass Abgeordnete eine größere 171 Spahn, Entstehung der Nationalliberalen, S. 350 f. Weiter auf S. 352 f.: „Den demokratischen Elementen der Fraktion stand das Recht des Parlaments als Volksvertretung gegenüber der Staatsmacht im Vordergrund ihrer Pflichten, und wie 1848 […] hatte der Konflikt einen wesentlich verfassungs-politischen Zweck. Sie wollten dem Volk gegen ein ihres Erachtens absolutistisches Ministerium wahren, was es durch die Verfassung von 1848 an politischer Freiheit besaß. Die liberalen Elemente dagegen achteten mehr auf die Hindernisse, welche die politische Lage dem sozialen Vorwärtskommen des Bürgertums bereitete, und kämpften, um einen möglichst starken Anteil an der Regierung und Verwaltung Preußens zu erstreiten. Dafür aber suchten sie […] Rückhalt an dem gesamten deutschen Bürgertum, der deutschen Nation.“ 172 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 328 ff.; Pflanze, Bismarck, S. 324 f.; Renner, Twesten, S. 153 ff. 173 Twestens (20. Mai 1865) und Frentzels (2. Juni 1865) Reden: StenBer PrAH 1865, S. 1612 ff. und S. 1907 ff. 174 Artikel 84 der Preußischen Verfassung besagte: Die Mitglieder der Kammern „können für ihre Abstimmungen […] niemals, für ihre darin ausgesprochenen Meinungen nur innerhalb der Kammer auf den Grund der Geschäftsordnung (Art. 78) zur Rechenschaft gezogen werden. Kein Mitglied einer Kammer kann ohne deren Genehmigung während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages nach derselben ergriffen wird. Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden nothwendig. Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied der Kammer und eine jede Untersuchungs- oder Civilhaft wird für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben, wenn die betreffende Kammer es verlangt.“ 175 Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 70. Vgl. Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 269 ff. 176 Im Gegensatz dazu schrieb Treitschke an Salomon Hirzel am 11. Februar 1866 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 462) von seinem kläglichen Eindruck der Kammerdebatten. „Sophisterei und Verbitterung auf beiden Seiten, freilich zehnmal mehr auf Seiten der Regierung“, dazu innerhalb der Opposition eine große Armut an Talenten, die ihm „fast das Unheimlichste ist an dem ganzen Trauerspiele. Was wird mein armes Preußen noch leiden müssen!“ Nachzulesen ist die parlamentarische Debatte in: StenBer PrAH 1866, S. 110 ff.
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Redefreiheit beanspruchen könnten als der Bürger auf der Straße. Der Antrag des fortschrittlichen Abgeordneten Hoverbeck177, der die Verfahrensweise und die Entscheidung des Gerichts178 für ungesetzlich und ungültig erklärte, wurde mit der Mehrheit von 263 zu 35 Stimmen angenommen. König Wilhelm ließ in der Folge per Dekret den Landtag schließen179 und alle Papiere und Dokumente des Hauses konfiszieren. Angesichts der drohenden Kriegsgefahr verfügte er im Mai 1866 die gänzliche Auflösung des Konflikts-Abgeordnetenhauses. „Die liberalen Abgeordneten hatten sich im Streit versammelt, doch sie trennten sich nun in einmütiger Gegnerschaft gegen die Tyrannei der Regierung.“180 Doch die Einmütigkeit der parlamentarischen Opposition war nur von kurzer Dauer – die außenpolitischen und bundesdeutschen Entwicklungen des Sommers 1866 spalteten die liberale Bewegung endgültig. b) Die Preußischen Jahrbücher und der Verfassungskonflikt Zum Kampf zwischen Gut und Böse stilisierte die Kreuzzeitung die Wahlen im Herbst 1863.181 So drastisch formulierten die PJ ihre Haltung nicht; dennoch betonten Autoren wie Wehrenpfennig deutlich freiheitliche Ideale182 und ihre oppositionelle Haltung gegenüber der Regierung, die das parlamentarische System und die Volkssouveränität zurückweise: „In ihren moralischen Folgen ist diese Politik kaum weniger schlimm als die der Kreuzzeitung. Formell bleibt die Verfassung freilich stehen, aber sie wird in den Augen der Menge entwerthet.“ Dem habe die „liberale Opposition nichts entgegenzusetzen, als den Gedanken des Rechts, die Ideen des Jahrhunderts und den Beifall der öffentlichen Meinung Europas“183.
177 Der Antrag Hoverbeck vom 10. Februar 1866 in Huber, Verfassungsdokumente II, S. 81 f. 178 Letzten Endes wurde der Abgeordnete Karl Twesten am 11. November 1866 zu zwei Jahren Gefängnis und Amtsenthebung verurteilt. Seine Nichttätigkeitsbeschwerde wurde am 29. April 1868 zurückgewiesen, die Strafe aber in eine Zahlung von 300 Talern umgewandelt. 179 Die Erklärung Bismarcks über die Schließung vom 23. Februar 1866 in Huber, ebd., S. 83 f. Über weitere Konflikte zu Jahresbeginn 1866 (die Resolution gegen die Eingliederung Lauenburgs ins Staatsgebiet Preußens und das Verbot des rheinischen Abgeordnetenfestes) informiert Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 328 ff. 180 Pflanze, Bismarck, S. 324. 181 Vgl. Bussiek, Kreuzzeitung, S. 177 und Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 26. September, in PJ XII, 3 (1863), S. 295 ff., hier S. 296. 182 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 29. Juli, in PJ XII, 1 (1863), S. 73 ff., hier S. 85. 183 Beide Zitate: Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 26. September 1863, S. 297.
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Zentral, neu, und erstaunlich nahe an den Empfehlungen der Grenzboten184, war nun der Wunsch nach einem fraktionsübergreifenden liberalen Parteienbündnis. Den bestehenden Rechtsboden gemeinsam zu verteidigen sei die „große conservative Aufgabe, eine ernste, heilige Pflicht“185. Denn erstens seien die unterschiedlichen Ansichten der Liberalen in Bezug auf Militär- und nationale Frage überbrückbar (wie, wurde aber nicht erläutert). Zweitens finde die altliberale Behauptung, dass nur Mäßigung und Rücksichtnahme den Konstitutionalismus sicherten, kaum noch Anhänger. Und drittens habe das radikale Vorgehen der Fortschrittspartei nur den Ausnahmezustand gefestigt, statt den Weg zur Freiheit zu weisen. „Politische Parteien sind nichts Absolutes, sie entwickeln sich, sie bilden sich fort und wer diese Fortbildung leugnet, wird dem Loose des Doctrinärs nicht entgehen. […] So ist denn heute wohl jede Fraction der Liberalen zu dem Bewußtsein gelangt, daß sie sich nicht selbst genügt, und daß es eine gefährliche Selbstüberschätzung sein würde, Alliancen zurückzuweisen.“186
Letztlich waren Wehrenpfennigs Argumente für den gewünschten Zusammenschluss nur Selbstverständlichkeiten, denen liberal gesinnte Wähler zustimmen konnten, die aber nicht über bisherige Forderungen der Altliberalen hinausgingen. Bereits Westphal hatte erkannt, dass die PJ-Autoren mit zunehmender Dauer des Verfassungskonfliktes in „vormärzliche Stimmungen […] verfallen: keine Nuancierung des Liberalismus, Besinnung auf übernationale Prinzipien“187. Damit standen sie ganz in der Tradition der übrigen Alt- bzw. Rechtsliberalen: „Was sie wollten und forderten, war in der Zeit des Verfassungskonflikts und weiter bis zum Ende der 60er Jahre nicht mehr, als was sie bereits von Beginn der ,Neuen Ära‘ an gefordert hatten: nicht das Recht, die Regierung zu kontrollieren, sondern lediglich gewisse rechtsstaatliche Garantien, die Befugnis zur Haushaltskontrolle und das Recht, im Parlament die Auffassungen der Nation vorzutragen.“188
Da die Altliberalen in dieser emotional aufgeladenen und von Beeinflussung geprägten Wahl wieder äußerst zurückhaltend auftraten, überraschte ihr schlechtes Ergebnis nicht.189 Mit lediglich neun Mandaten spielten sie kaum noch eine Rolle im neuen Abgeordnetenhaus. „Um ihre Stellung zu den politischen Vorgängen zu erfahren, sind wir noch mehr auf die Äußerungen ihrer Publizistik und ihrer unab-
184 Die empfahlen den Altliberalen in Band III/1863, S. 512, mit der Fortschrittspartei zu kooperieren. 185 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 26. September, in PJ XII, 3 (1863), S. 302. 186 Ebd., S. 298. 187 Westphal, Staatsauffassung, S. 187. 188 Sheehan, Deutscher Liberalismus, S. 139. 189 So schrieb Rudolf Haym am 1. November 1863 an Salomon Hirzel (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 225): „Unsere Wahlen sind, wie vorauszusehen, wenig erfreulich ausgefallen.“
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hängigen, nicht zur Fraktion gehörigen Kreise und Persönlichkeiten angewiesen“, hatte bereits Fülling festgestellt.190 Im Zusammenhang mit dem Wahlausgang lohnt der Blick in die PJ kaum – und ist deshalb vielsagend. Ausführlich wird über die Wahlbeeinflussung geklagt191 und als „Wurzel unserer heutigen Uebel“ erkannt, „daß in Preußen die öffentliche Meinung, das Bürgerthum, das Volk noch nicht ernsthaft als ein Factor anerkannt ist, mit welchem gerechnet werden muß. Diese Anerkennung zu erzwingen […] ist der Sinn unserer heutigen Kämpfe.“192 Eine detaillierte Analyse der vernichtenden Wahlniederlage in Bezug auf Organisation und Programmatik der Altliberalen aber bleibt aus. Wehrenpfennig, der erneut angeregt hatte, die gemäßigt Liberalen zu einer „Verfassungspartei“193 zusammenzufassen, wurde zumindest in einem Brief konkreter und empfahl den Übertritt der Altliberalen zum Linken Zentrum194. In den folgenden Jahren positionieren sich die PJ als Organ einer nicht genauer definierten Verfassungspartei, die sich für den Erhalt der Rechts- und Staatsordnung einsetzte195 und die mit der Rücknahme der Presseverordnung einen schnellen, öffentlichkeitswirksamen Erfolg verzeichnen konnte196. In mehreren Artikeln wurde betont, dass sich die Überwachung der Presse durch Beamte nur am Interesse der regierenden Parteien orientiere und nicht an den Interessen des Staates.197 Auch zeigten sich die PJ in der Tradition der Aufklärung durch die Verehrung des Staatswissenschaftlers Friedrich Karl von Moser, der den absolutistischen Wahn bekämpft habe, dass „im Staate Fürst und Volk sich der Art gegenüber ständen, daß jener alleiniger Inhaber alles Rechts, dieses allein zum Gehorsam verpflichtet sei, als ob die Wohlfahrt des Staates nur nach dem fürstlichen Behagen gedeutet werden dürfe“198. 190
Fülling, Altliberale im Verfassungskampf, S. 55. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 30. Oktober, in PJ XII, 4 (1863), S. 392 ff., hier S. 394 ff. 192 Ebd., S. 393. Unzufrieden mit dem Wahlausgang war auch die Kreuzzeitung. Sie beschuldigte die Staatsbeamten, sich nicht entschieden zur Regierung des Königs bekannt zu haben. „Dadurch wird der einfache Bürger verwirrt in seinen Begriffen über die Obrigkeit.“ (NPZ 294 vom 17. Dezember 1863; in Bussiek, Kreuzzeitung, S. 177). 193 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 30. Oktober, in PJ XII, 4 (1863), S. 403. 194 Vgl. Wehrenpfennig an Ludwig Häusser am 6. November 1863 (in Heyderhoff, Preuß.dt. Einigung, S. 178). 195 Wehrenpfennig erklärte Wilhelm Lang am 4. November 1863 (WLB Stuttgart, NL Lang, Cod. Hist. 88 156, Fasz. 308, Brief 1), die „ursprünglich altliberal[en]“ PJ kämpften für Prinzipien „und stehen in dem Kampf zwischen Gewalt und Verfassung, der sich jetzt bei uns entzündet hat, […] auf Seiten der Verfassung“. 196 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 17. November, in PJ XII, 5 (1863), S. 511 ff., hier S. 511 und Wehrenpfennig, Notiz: Heidelberger Rechtsgutachten zur Presseverordnung, in PJ XII, 4 (1863), S. 404 ff. 197 Vgl. besonders Meyer, Englische Pressfreiheit, in PJ XIII, 3 (1864), S. 243 ff. 198 Rosenstein, Friedrich Karl von Moser, in PJ XV, 3 und 5 (1865); das Zitat in PJ XV, 3, S. 231. 191
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Vor allem Korrespondent Wehrenpfennig klagte über die innenpolitische Blockade und nahm dabei zunehmend das oppositionelle Abgeordnetenhaus in die Pflicht.199 Zum Jahr 1865 veröffentlichte er eine Chronologie der Krise, die „in einer unabsehbaren Wiederholung des ursprünglichen Gegensatzes verläuft“200. Im Frühjahr kündigte er an, den Verlauf der Parlamentssession nicht „ausführlich zu recapituliren“.201 Der Verlust für die Leser sei nicht groß. Selten setzte sich Wehrenpfennig mit Sachfragen wie der Heeresorganisation auseinander. Nach dem Krieg um Schleswig-Holstein bemerkte er mehrmals, dass die Chance für einen Ausgleich der Interessen günstig sei202: der Waffengang habe den militärischen und volkswirtschaftlichen Nutzen der Heeresreform gezeigt203, die unsichere außenpolitische Lage rechtfertige einen hohen Militäretat204. Zugleich stehe das wirtschaftlich zunehmend selbstständige Volk immer noch der liberalen Opposition nahe.205
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Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende März, in PJ XV, 4 (1865), S. 460 ff., hier S. 462: „Die Forderung, daß ein Ministerium, mit dem man auf Tod und Leben sich streitet, des Vortheils der bestehenden Gesetze sich entäußere und die jährliche Zumessung der directen Steuern dem Hause in die Hand gebe, ist das Naivste was jemals ein Parlament seinem Gegner zugemuthet hat.“ 200 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende Januar, in PJ XV, 2 (1865), S. 211 ff., hier S. 211. Auf S. 212: „Seit dem Sturz der neuen Aera ist die Gesetzgebung in vollkommenem Stillstand; alle die organisatorischen Entwürfe, welche die Einrichtungen der alten Monarchie nach der Verfassung umwandeln sollten, sind beseitigt. […] Auch was wir sicher zu besitzen glaubten, das Fundament unserer constitutionellen Freiheit, ist im Princip durch die Lückentheorie, und in der Praxis durch die budgetlose Verwaltung erschüttert.“ Ganz anders interpretierte die Kreuzzeitung (in Bussiek, Kreuzzeitung, S. 180 f.) den Stillstand: „Wir haben erreicht, dass die Regierung überhaupt wieder angefangen hat zu regieren; wir haben erreicht, dass die Demokratie wiederum die starke Hand am Zügel fühlt; wir haben erreicht, dass die Masse der Bevölkerung die breite Kluft erkennt, welche das Königliche Regiment von der gemütlichen Hierarchie der ,neuen Ära‘ trennt […].“ 201 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende März 1865, S. 460. Auch Heinrich von Treitschke klagte in einem Brief an Salomon Hirzel vom 22. Oktober 1865 (DLA Marbach, A: Hirzel 57.511): „[W]arum müssen Preußens innere Zustände so gotteserbärmlich sein?“ PJAutor Reinhold Pauli (Lebenserinnerungen, S. 239 f.) berichtete seiner Frau am 30. März 1865 aus Berlin: „Um den Stand der hiesigen Politik bekümmere ich mich wenig, außer wenn einer freiwillig davon anfängt. Auch das Abgeordnetenhaus lockt mich nicht, denn, obwohl dort […] absonderliche Reden fallen, so ist doch an irgendeine Entscheidung nicht zu denken. Man läßt die Kammer mit ihren Wünschen und Bestrebungen hinsterben, und der Wille des Königs behält den Platz.“ 202 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende Januar, in PJ XV, 2 (1865), S. 211 ff., hier S. 213: „Ernster als je zuvor ist in unserem Volk das Verlangen nach Beendigung der inneren Wirren.“ 203 Vgl. ebd., S. 214 f. 204 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende März, in PJ XV, 4 (1865), S. 460 ff., hier S. 464. 205 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende Januar 1865, S. 216.
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Doch im Frühjahr 1865 scheiterten erneut alle Verständigungsversuche zwischen den Konfliktparteien.206 Korrespondent Alexander Meyer konstatierte, dass die Regierung nun am längeren Hebel sitze, da die militärischen Erfolge ihr in der Heeresfrage Recht gäben und sie die Bevölkerung mit ihrer Politik mehr und mehr überzeuge. Die parlamentarische Opposition prangere zwar zu recht das budgetlose Regime an, verhindere damit aber nicht nur die Lösung des Heereskonflikts, sondern auch den Bau einer preußisch-deutschen Flotte.207 „Nur unvorhergesehene Ereignisse können eine Aenderung in der Situation herbeiführen“, meinte Meyer. „Das parlamentarische Leben in Preußen ist zum Spiele des Zufalls geworden.“208 Wie hilflose Ausrufe wirkten vor diesem Hintergrund die innenpolitischen Forderungen, die in den PJ über den Verfassungskonflikt hinaus geäußert wurden. Sie betrafen auf dem Gebiet der Justiz allgemein ein Ende des Stillstandes bei den Reformen des Zivil-, Straf- und Prozessrechts209, die Freigabe der Rechtsanwaltschaft210 und eine Gefängnisreform211. Zentral waren außerdem die Aufforderungen
206 Vgl. Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Mai, in PJ XV, 6 (1865), S. 682 ff., hier S. 690: „Die Regierung, um es annehmbar zu finden, hatte Nichts anderes nöthig, als das Vorurtheil aufzugeben, daß es in einem Staate dauernde Einrichtungen geben kann, die nicht durch ein Gesetz fixirt werden dürfen. Das Haus, um es annehmbar zu finden, hatte nur nöthig, die Zahlen an Demselben nur etwas zu vermindern.“ Beide aber verhielten sich nach unvereinbaren Grundsätzen: „Keine Concession bevor es uns gelungen ist, eine andere Majorität zusammen zu bringen“ und „keine Verhandlung über die Militärfrage bevor das Ministerium zurückgetreten ist“. 207 Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Mai, in PJ XV, 6 (1865), S. 692: „Es ist außerordentlich populär, Geld zu verweigern, und es ist sehr leicht, wenn man für einen solchen Beschluß keine Verantwortlichkeit trägt. In England ist die Opposition für ihre Beschlüsse verantwortlich; sie muß sie selbst ausführen, sobald sie die Majorität erlangt, dort würde sich der Fall nicht ereignen können, dass eine schlechthin erforderliche Ausgabe abgelehnt wird. Die Durchführung des parlamentarischen Princips allein schützt ein Parlament davor, unmögliche Beschlüsse zu fassen. Diese dem allgemeinen Staatsrechte entlehnten Betrachtungen werden aber der deutschen Rhederei nicht sehr zu statten kommen, wenn demnächst bei einem Seekriege die Rechte deutscher Neutralen gröblich mißachtet werden, weil sie durch keine Flotte geschützt sind.“ Diese Argumentation hatte die Nationalzeitung kritisiert (vgl. dazu Siemann, Gesellschaft im Aufbruch, S. 221): „Weder das preußische Volk noch seine Volksvertretung gewinnt an Freiheit, wenn fortwährend der kriegerische Beruf des Staates für den dringendsten und höchsten gilt.“ 208 Ebd., S. 691. Vgl. Duboc, Zur Gefängnisreformfrage in Preußen, in PJ XVI, 5 (1865), S. 449 ff., hier S. 449: „Unter dem Druck des in Preußen geführten Verfassungskampfes verkümmern nicht allein viele wichtigsten Seiten des staatlichen Lebens, sondern auch die parlamentarische Behandlung aller Gegenstände, die nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit den in den Vordergrund gerückten Streitobjekten stehen.“ 209 Vgl. Beseler, Die Justizgesetzgebung unter Friedrich Wilhelm III., in PJ XV, 2 (1865), S. 155 ff. 210 Vgl. Meyer, Die Advokatur in Preußen, in PJ XIV, 4 (1864), S. 424 ff., hier S. 438. 211 Vgl. Duboc, Zur Gefängnisreformfrage in Preußen, in PJ XVI, 5 (1865), S. 449 ff.
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nach einer grundlegenden Reform der Beamtenausbildung212 und nach Steuererleichterungen wegen der guten Finanzlage Preußens213. Die Bereitschaft vieler liberaler Abgeordneter, den Streit mit der Regierung schnell beizulegen, zeigte sich nun auch in den PJ und bei ihrem Herausgeber. Rudolf Haym meinte nach dem siegreichen Krieg um Schleswig-Holstein: „Es wird sich nun darum handeln, die äußeren Erfolge mit dem Zustande im Innern ins Gleichgewicht zu bringen. Die Gesetze dieser Statik aber auszufinden […] wird es ebensosehr Herrn von Bismarck wie unseren Fortschrittsmännern an Verstand und an Tugend fehlen.“214 Ende 1864 hoffte er weiter auf einen „baldigen und ehrenvollen Frieden […], bei dem das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses anerkannt wird“215. Falls nicht, „so lasse ich mir auch das Bismarcksche Regiment einstweilen gefallen. Es ist unter diesem Regiment so viel für Preußen geschehn, wie seit einem halben Jahrhundert nicht. Unsere Gedanken sind es, die diese Reaktionäre ausführen, und auch im Innern werden einzelne liberale Reformen gemacht […].“216 Die Auswirkungen des Verfassungskonfliktes auf Parteien und Fraktionen im preußischen Abgeordnetenhaus thematisierte wiederum Alexander Meyer. Er nutzte einen Artikel zur Beamtenverantwortlichkeit217, um „den Unterschied zwischen der constitutionellen und der demokratischen Partei auf ihren schärfsten Ausdruck zurück[zu]führen […]: diese strebt nach Herrschaft der Majorität, jene nach Sicherung der Minoritäten“218. Den Konstitutionalismus setzte Meyer mit den Altliberalen gleich, die sich nach Ansicht der Konkurrenz „in dem vertrauensseligen Wahn wiegen, durch besonnenes Vorschreiten und ernste Arbeit Besserung herbeizufüh212 Vgl. Richter, Die Vorbildung der höheren Verwaltungsbeamten in Preußen, in PJ XVII, 1 (1866), S. 1 ff. 213 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende März 1865, in PJ XV, 4 (1865), hier S. 463 ff. 214 Haym an Georg Gottfried Gervinus am 11. August 1864 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 230). 215 Haym an Wilhelm Schrader am 26. Dezember 1864 (ebd., S. 233). 216 Ebd., S. 234. Frölich, Volkszeitung, S. 276, wies auf eine ähnliche Entwicklung der durch ihn untersuchten linksliberalen Publikation hin. 217 Meyer, Die Verantwortlichkeit der Beamten, in PJ XV, 2 (1865), S. 111 ff., auf S. 124 f. über den Schutz der Bürger (§ 315 StGB): „Ein Beamter, welcher seine Amtsgewalt mißbraucht, um Jemanden zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung widerrechtlich zu nöthigen, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft […].“ Verurteilungen mit politischem Hintergrund aber seien selten: „Ein Beamter, der seine Amtsgewalt überschreitet, ist straflos, wenn er die Schranken seiner Amtsgewalt nicht kennt. Da nun die Schranken der einzelnen Amtsgewalten durch Rechtssätze normirt sind, so heißt das: Ein Beamter wird durch Rechtsunkenntniß straflos.“ 218 Ebd., S. 111, ebenso S. 114: „Die Demokratie will den von der früheren Staatsgewalt Gedrückten dadurch helfen, daß sie ihnen eben diese Staatsgewalt mit der Möglichkeit des gleichen Mißbrauchs in die Hände spielt; der Constitutionalismus will der Möglichkeit des Mißbrauchs dadurch ein Ende machen, daß er die Staatsgewalt einschränkt. Er will in die Stelle des monarchischen oder feudalen Absolutismus nicht den demokratischen Absolutismus, sondern den Rechtsstaat setzen.“
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ren“. Die Demokratie verkörperten kompromisslose Mitglieder des Fortschritts: „Ehe sie sich mit Halbheiten begnügen, ziehen sie es vor entschlossen zurückzutreten, wie 1849; oder durch […] Durchgreifen eine tüchtige Reaction heraufzuführen, wie 1862.“219 Zugleich wurde die rechtsfeindliche und machtfixierte Politik der Regierung kritisiert. Wo sich Machtfragen „über den ganzen Zustand des Staates erstrecken, da hört die Ordnung, die Civilisation auf, und es beginnt die Barbarei, das Chaos. Es beginnt der Zustand der Revolutionen und Conterrevolutionen.“220 Um dies zu verhindern, die Gewalt zu beschränken und dem Rechtsstaat zur Geltung zu verhelfen, seien unabhängige Gerichte und Beamte nötig. Die Regierung setze diese aber ein, um durch Beeinflussungen, Bestrafungen und Behördenwillkür ihre Macht zu festigen. Meyer mutmaßte: „Die Staatsgewalt, welche thatsächlich im Besitze der Macht ist, alleinige Interpretin des öffentlichen Rechts zu sein, wird sich diese Macht nicht ohne Weiteres entreißen lassen.“221 So war der Ausblick auf das Parlamentsjahr 1866 vom „Gefühle der Resignation“222 begleitet. Dennoch suchten die PJ den Kompromiss, wenn auch unter Bedingungen: Demokraten, Fortschritt und Konstitutionelle seien gleichsam verpflichtet auf Verfassungsartikel 99 zu bestehen, der das Recht sichere, dass nur mit Zustimmung des Parlaments neue Einrichtungen erstellt und dauernde Ausgaben kreiert werden können. Dies bedeute keine Kriegsanleihen und keine neue Heeresorganisation, dafür würde die Rückkehr zum Absolutismus verhindert. „Eine Körperschaft, die gefügig das Wesentlichste ihrer Rechte preisgiebt, ist außer Stande, als Stütze zu dienen. Gebt uns Gelegenheit, die Militärverfassung des Staates gesetzlich zu ordnen; wir werden nach bestem Gewissen bewilligen, was zur Wehrhaftigkeit desselben 219
Beide Zitate Meyer, Die Verantwortlichkeit der Beamten, S. 112. Ebd., S. 115. 221 Ebd., S. 117. Das Fazit auf S. 129: „Das Ministerium ist der Ansicht, durch seine Bemühungen […] der Sache des Königthums zu dienen. Allein es wird Niemand bestreiten können, daß der königliche Wille in Preußen schon Ministerien von einer anderen Parteirichtung berufen hat, […] in Zukunft Ministerien von einer anderen Parteirichtung berufen wird. Dann werden vielleicht auch die gegenwärtigen Minister die Heranziehung des Beamtenthums zum Zwecke der politischen Belehrung des Volkes mißbilligen. Während das Ministerium die Disciplin über die Beamten straffer anzieht, erweitert es die Aufgabe und somit die Macht des Beamtenthums gegenüber den Staatsbürgern. Wir sehen darin die Gefahr, daß die Grenzlinie, welche die private Rechtssphäre von den Hoheitsrechten des Staates sondert, mit der Zeit ganz verwischt werden wird.“ 222 Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Januar, in PJ XVII, 2 (1866), S. 230 ff., hier S. 230: „[K]ein Gesetz von einiger Erheblichkeit wird die Uebereinstimmung aller drei Factoren der Gesetzgebung erhalten. Bei dieser festen Ueberzeugung verzichten sowohl das Ministerium als das Abgeordnetenhaus von vornherein auf jeden Versuch, zu positiven Zielen zu gelangen; sie beschränken sich darauf, diejenigen Schritte zu thun, zu denen sie ihrer Ansicht nach gesetzlich verpflichtet sind und erfüllen diese Pflicht lediglich nach der Schablone, wie sie durch eine Reihe von Jahren festgestellt ist.“ Ähnlich verbittert äußern sich die Volkszeitung (vgl. Frölich, Volkszeitung, S. 277) und die Kölnische Zeitung (vgl. Dieudonné, Kölnische Zeitung, S. 60 f.). 220
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erforderlich ist und aus Differenzen über Maß und Zahl keine Principienfragen machen! Erkennt unser Budgetrecht an und wir werden die Fehler der Vergangenheit indemnisiren! Fordert von uns, was zur Ausbildung unserer Marine, zur Befestigung unserer auswärtigen Machtstellung erforderlich ist, und wir werden das Interesse des Staates zur einzigen Richtschnur unserer Handlungen machen!“223
Erneut distanzierte man sich von der Fortschrittspartei. Eine Ablösung Bismarcks würde bedeuten, offenkundige Tatsachen über die Ursachen des Konflikts zu verkennen: Dieser sei ein reines Elitenproblem, denn die Mehrheit des Volkes sei zwar wirtschaftlich erfolgreich, doch politisch weder engagiert noch gebildet; liberalen Parteien und Publikationen fehlte die finanzielle Unterstützung. Keinem Fremden werde sich in Preußen „der Gedanke aufdrängen, daß er sich in einem Lande befindet, das einen zähen Verfassungskampf besteht, in welchem es sich um Sein oder Nichtsein von Recht, Ehre und äußerer Machtstellung handelt“.224 Der Angriff der Regierung auf die Redefreiheit im Parlament brachte PJ wie Liberale in eine widersprüchliche Stellung: von den außenpolitischen Taten der Regierung überzeugt und innenpolitisch kompromissbereit, mussten sie nun ihren liberalen Standpunkt überzeugend deutlich machen. Privat äußerten sie ihre Bedenken, wie Auszüge aus der Korrespondenz von Herausgeber Wilhelm Wehrenpfennig225 zeigen. So schrieb er an Wilhelm Lang in Stuttgart, es sei „fortan eine Unehre für einen rechtschaffenen Mann“ in irgendeiner Sache auf Seiten der preußischen Regierung zu stehen.226 Deutlich waren die Zeilen an Verleger Georg Reimer: „Der Beschluß des Obertribunals hat mich tief erschüttert. Es ist dies mit das Schlimmste, was uns seit 1849 zugemuthet ist. […] Wir sind allerdings nun des Vaterlands und des Staats willen verpflichtet, in der schleswig-holsteinischen Frage auch, ferner mit dem Ministerium zu gehen, aber wir müssen doch […] erklären, daß zwischen uns und einem Ministerium, unter dem solche Dinge verbreitet und gemacht werden können, ein Abgrund liegt, daß wir einen Ekel vor dem Lobe dieser officiösen Blätter haben […].“227
223
Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Januar, in PJ XVII, 2 (1866), S. 231. Zum Folgenden S. 232: „Durch den Erlaß einer Verfassungsurkunde wird nicht über Nacht ein Staat, der Jahrhunderte lang absolut regiert worden, in ein constitutionelles Musterland verwandelt. Die Mächte, die ihn bis dahin formell zu leiten hatten, die Feudalaristokratie, die büreaukratischen und militärischen Elemente, behalten thatsächlich einen großen Einfluß. Nur das Resultat eines langen Entwickelungsprocesses kann es sein, wenn das ganze Volk, wenn alle Institutionen […] von echt constitutionellem Geist durchdrungen sind.“ 224 Ebd., S. 233. 225 Wehrenpfennig war seit Herbst 1864 Mit- und seit 1865 alleiniger Herausgeber der Preußischen Jahrbücher. 226 Brief an Lang am 12. Februar 1866 (WLB Stuttgart, NL Lang, Cod. Hist. 88 156, Fasz. 308, Brief 30). 227 Wehrenpfennig an Reimer am 4. Februar 1866 (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Wehrenpfennig), ebenso am 9. Februar an Treitschke (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 68/69).
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Gegenüber seinem Förderer Max Duncker betonte Wehrenpfennig ebenfalls, wie sehr der Obertribunalsbeschluss die Rückständigkeit Preußens zeige. Doch könne man „nicht sagen: Zur Strafe dafür, daß der Staat Preußen B[ismarck] z[um] Minister hat, darf er die Herzogtümer nicht haben. Das wäre fortschrittlicher Unsinn. Wir können der auswärtigen Politik auch jetzt nicht entgegen arbeiten. Aber jede Freudigkeit der Unterstützung ist dahin.“228 Redaktionsleiter und Autoren taten sich schwer mit der Erstellung eines Kommentars zur Entscheidung des Obertribunals gegen die Abgeordneten Twesten und Frentzel. Er sollte erst nach zwei Monaten im Märzheft der PJ erscheinen. Zunächst bat Wehrenpfennig Treitschke um einen Artikel „gegen diesen schlimmsten Akt brutaler und sophistischer Willkür“229. Nach einer Anmerkung Heyderhoffs230 war man überzeugt, dass der Verfasser des Artikels Wehrenpfennig gewesen sein muss, zumal auch das Autorenregister der Zeitschrift keinen Aufschluss über den Urheber gab. Tatsächlich hatte ihn Treitschke nicht verfasst. Die „notorische Unfähigkeit zu schreiben“ hielt aber auch Co-Herausgeber Wehrenpfennig ab, „selbst unseren Absagebrief […] zu verfassen.“231 Aufschluss geben die Gehaltsabrechnungen im Nachlass von Verleger Georg Reimer232 : den Artikel schrieb der Berliner Jurist und Publizist Alexander Meyer. Dieser war 1865/66 ein wichtiger Autor für die PJ, wurde dann aber zum Sekretär der Breslauer Handelskammer gewählt und trat fortan publizistisch weniger in Erscheinung. Sachlich, strukturiert und eindeutig beschrieb er die Haltung der PJ und aller Verfassungstreuen im Abgeordnetenhaus: für sie sei der Obertribunalsbeschluss vom 29. Januar 1866 ein Widerspruch zum geltenden Recht. „Es wankt in dem Staate, was das Festeste sein sollte, und Alle, die mit Liebe an dem Staate hängen, denen sein Umsturz das Schrecklichste wäre, sehen mit Sorge in die Zukunft und fragen, welche Folgen Stöße dieser Art mit sich führen […].“233 Die Verfassung Preußens werde in mehreren Punkten missachtet: Artikel 62 zum Beispiel bestimme, dass die Gewalt der Volksvertretung neben die unverletzliche
228 Wehrenpfennig an Duncker am 22. Februar 1866 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 154, Bl. 62/63). 229 Wehrenpfennig an Treitschke am 7. Februar 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 272). Weiter: „Sie werden mit größerer Kraft als ein anderer es darzustellen wissen, daß wahrlich nur ein großer Fonds von Vaterlandsliebe und persönlicher Selbstverleugnung uns fähig macht, auch nur in einem Punkt auf der Seite zu stehen, wo die Individuen stehen, die unsere Justiz korrumpieren.“ 230 In Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 272. 231 Wehrenpfennig an Duncker am 22. Februar 1866 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 154, Bl. 62/63). 232 StaBi PK Berlin, Dep. 42, Archiv de Gruyter, R1 – Preußische Jahrbücher. 233 Meyer, Der Obertribunalsbeschluss vom 29. Januar, in PJ XVII, 3 (1866), S. 321 ff., hier S. 322.
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königliche Gewalt gestellt werde.234 Die Abgeordneten verlangten nicht ihre Gleichstellung mit dem König, sondern nur die freie Debatte. Sie sei unverzichtbarer Teil der Repräsentation der Bürger im Staat sowie der Gesetzgebung. Mängel würden nicht beseitigt, indem man Abgeordnete beseitige, die diese ansprechen – davor schütze Verfassungsartikel 84.235 Ein entsprechendes Vorgehen gegen Abgeordnete sei nur vertretbar, wenn diese nicht existierende Übelstände angriffen. Dem Beweis des erneuten Verfassungsbruchs folgt eine harsche Kritik am Verhalten des Herrenhauses. Denn dort habe Bismarck im Sommer 1865 angekündigt, die Redefreiheit der Abgeordneten von richterlicher Seite prüfen zu lassen – und sei nicht daran gehindert worden. Das Abgeordnetenhaus hingegen habe während der Parlamentsdebatten zur Redefreiheit eindeutige Worte gegen die Politik von Regierung, Herrenhaus und Obertribunal gefunden. „[D]ie Abgeordneten sind entschlossen, ihre Redefreiheit sich nicht durch Furcht vor den zu erwartenden Folgen verkürzen zu lassen. […] Man gab sich Rechenschaft davon, daß die Regierung […] alle Mitglieder der Majorität im Strafverfahren verfolgen konnte, daß manche Redner die Erfüllung dessen, was sie für ihre Pflicht halten, im Gefängniß büßen müssen. Sie sind entschlossen, dieses Opfer zu bringen, um die verfassungsmäßigen Volksrechte, wie sie sie verstehen, zu wahren.“236
Besonders schockiert von den Vorkommnissen sei die liberale Annexionspartei, wie Meyer zum Ende seiner Betrachtung sehr pathetisch beschreibt. Der Weg zur deutschen Einheit sei so lange versperrt, wie die Befriedung der inneren preußischen Verhältnisse stocke. „Die nüchternen Köpfe fangen an zu schwanken, ob die höher und höher sich häufende Verwirrung durch den ruhigen und stetigen Gang innerer Reformen beseitigt werden könne. Sie wird sich als furchtbare Last an unsere Bewegungen heften, wenn wir jetzt in eine Action treten, und selbst wenn diese über Erwarten glücklich enden sollte, wird die zersetzende Wirkung fortdauern. […] Wir sind nicht mehr gewiß, ob es der erste Schritt zum nationalen Einheitsstaat sein, ob der Organismus unseres Staats die Gesundheit und sittliche Kraft zur Assimilation behalten wird. Wir sind nicht mehr gewiß, ob den chaotischen revolutionären Elementen nicht zuletzt doch das Feld bleibt, wie schon einmal vor 18 Jahren. Gott schütze Preußen!“237
234
Vgl. Meyer, Der Obertribunalsbeschluss vom 29. Januar, in PJ XVII, 3 (1866), S. 325 ff. Dort wird Artikel 62 der Verfassung richtig zitiert: „Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Übereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich.“ 235 Ebd., S. 332: „Man kann den Richter, der nach dem Gesetze urtheilen soll, nie zum Richter einsetzen über den Abgeordneten, der über das Gesetz urtheilen soll, sonst macht man auch den Richter zum Richter über das Gesetz, und zerstört damit das Wesen der Jurisdiction.“ 236 Ebd., S. 337. Zum Vorherigen vgl. ebd., S. 333 f. 237 Ebd., S. 338. Bercht, PJ, S. 142 f., sah in dem Artikel ein Engagement der Zeitschrift für Bismarck; zumindest sei der Autor besorgt um Preußen, weil dort die politische Freiheit nicht garantiert werde.
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Mit ihrer Kritik am Beschluss des Obertribunals standen die PJ nicht alleine, doch griffen sie verspätet in die publizistische Auseinandersetzung ein. Die Grenzboten hatten längst den Kampf „um die gesamten sittlichen Grundlagen des bürgerlichen Lebens“ ausgerufen – „zwischen einer großen Genossenschaft der Privilegierten und zwischen denen, welche den Rechtsstaat wollten“238. Kölnische Zeitung und Volkszeitung forderten unverhohlen den Sturz der Regierung239, während die Kreuzzeitung deren Haltung verteidigte240. Die PJ bezogen Ende April 1866 nochmals Stellung, als sie eine Broschüre lobend erwähnten, in der die strafrechtliche Verfolgung Twestens und Frentzels als verfassungswidrig bezeichnet wurde.241 Wenig später aber gelang ein publizistischer Paukenschlag: Karl Twesten242 veröffentlichte in den PJ den Aufsatz Der Preußische Beamtenstaat, in dem er Regierung, (Alt-)Liberale und das vermeintlich unpolitische Bürgertum angriff. Der Gegensatz zwischen freiheitlicher Gesetzgebung und absolutistischer Regierungsgewalt bestehe fort, weil die liberale Ära „auf dem Gebiete der Gesetzgebung nichts gethan [hat], um Verfassung und Verwaltung in Uebereinstimmung zu bringen, wie sie persönlich kaum eine einzige jüngere Kraft der eigenen Richtung in eine einflußreiche Stellung gebracht hat […]. Abstracte Volksrechte, parlamentarische Formen und Ministeranklage helfen dem Constitutionalismus zu keiner Wahrheit, so lange sich die Regierungsgewalt selbst Recht spricht, so lange das öffentliche Recht […] durch die Administrativbehörden festgestellt wird.“243
Die Bewohner Preußens müssten in der Selbstverwaltung durch die regelmäßige Erfüllung staatlicher Pflichten zu politischen Bürgern erzogen werden.244 Nur so
238
Freytag in den Grenzboten 25 (1/1866), S. 403 / S. 409 (in Spahn, Entstehung der Nationalliberalen, S. 348). 239 Vgl. Frölich, Volkszeitung, S. 277 und merklich polemisch Dieudonné, Kölnische Zeitung, S. 60 f. 240 Vgl. NPZ 40/1866 vom 17. Februar (in Kraus, Gerlach, S. 798 f.). 241 Haym, Notizen: H.A. Zachariae über Artikel 84 der Preußischen Verfassung, in PJ XVII, 4 (1866), S. 465 ff.; besonders bemerkenswert an der Besprechung ist die Tatsache, dass Zachariaes Schrift „in Berlin mit Beschlag belegt und konfisziert“ wurde (aus: ADB 44, S. 617 ff.). 242 Twesten war im Sommer 1863 als Redaktionsmitglied der PJ im Gespräch. Vgl. dazu Wilhelm Dilthey an Haym am 2. Juni 1863 (in Dilthey, Briefwechsel, S. 286). Auch zwei Jahre später schrieb er (in Misch, Junger Dilthey, S. 200) positiv über Twesten, der gute philosophische, historische und verwaltungsrechtliche Kenntnisse habe sowie „ein merkwürdig fest und genau formuliertes Urtheil über alles“. 243 Twesten, Der preußische Beamtenstaat, in PJ XVIII, 2 (1866), S. 109 ff., hier S. 146. 244 Ebd., S. 147: „[D]ie Uebertragung eines wesentlichen Theils der Staatsarbeit auf die persönlichen Leistungen unabhängiger Bürger ist das einzige Mittel, den Staat gesund und groß zu machen. In den Mittelständen wächst mit dem materiellen Aufschwung auch das Selbstgefühl und die Theilnahme am Staat. Diese Theilnahme darf nicht auf Augenblicke politischer Erregung beschränkt werden […].“
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
könne der Schutz und die Durchsetzung der bestehenden Verfassung garantiert werden.245 c) Zwischenfazit: Die PJ auf dem Höhepunkt des Verfassungskonflikts Mit den Ausführungen Twestens hatten sich die PJ kurz vor Beendigung des Verfassungskonfliktes innenpolitisch deutlich positioniert: die Grundfesten der Verfassung und des parlamentarischen Lebens durften nicht aufs Spiel gesetzt werden. Das budgetlose Regime Bismarcks hatten die Autoren von Anfang an als verfassungswidrig verurteilt. Als Ursache des gesamten Konflikts hatten sie ausgemacht, dass weder die Regierung, noch das Herrenhaus oder der Adel die Bedürfnisse des Volkes wahrnehmen wollten. Die Diskussion um die Presseverordnung hatte nicht nur den Bruch mit Heinrich von Treitschke und den Grenzboten zur Folge, sondern stellte die PJ vor enorme Probleme mit der eigenen Glaubwürdigkeit. Denn für die fortschrittlicheren Liberalen zeigte Herausgeber Rudolf Haym bei seinem Versuch, die Motive der Regierung zu erklären, zu viel Verständnis. Eine liberale Allianz in Presse und Politik war auf dieser Grundlage nicht mehr zu erreichen. Im Verlauf des Verfassungskonflikts versuchten sich die PJ als Organ einer nicht genau definierten verfassungstreuen Partei zu positionieren, machten dabei aber ihre Nähe zum Rest der altliberalen Fraktion wiederholt deutlich. In den Jahren 1864 und 1865 wechselten sich Erörterungen zur verfahrenen innenpolitischen Lage ab mit Klagen über den Starrsinn der Konfliktparteien und hilflos geäußerten Vorschlägen zur Reform des Herrenhauses oder des Justizwesens. Damit stand man nicht alleine, wie ein Kommentar zur Volkszeitung zeigt, der für die gesamte liberale Presse gelten kann: Dort lautet das Fazit, dass „die führende linksliberale Zeitung der Regierung Bismarck weder ein überzeugendes Konzept gegenüberstellen konnte, noch eine Strategie aufwies, den Konflikt einigermaßen erfolgreich zu beenden“246. Die Suche nach dem Kompromiss zwischen Parlament und Regierung deckte auch in den PJ erste Anzeichen neuer Parteibildungen auf und verstärkte die Distanzierung vom linken Flügel der Fortschrittspartei. Dies fand sein vorläufiges Ende mit dem Obertribunalsbeschluss von Januar 1866: den Angriff auf die Redefreiheit der Abgeordneten bewerteten die PJ, wie alle konstitutionellen Fraktionen und Publikationen, als Verfassungsbruch. Damit wurden sie ihrem Ziel gerecht, die Mängel der preußischen Politik deutlich anzusprechen. Auf außen- und bundespolitischem Parkett waren sie zu diesem Zeitpunkt längst mit der Regierung einig.
245 246
Vgl. Twesten, Der preußische Beamtenstaat, S. 148. Frölich, Volkszeitung, S. 284.
II. Kriegsjahre
229
II. Kriegsjahre: Die Preußischen Jahrbücher und die Bundes- und Außenpolitik des Ministeriums Bismarck (1862 – 1866) 1. Neue Tendenzen in der äußeren Politik in den Monaten nach Amtsantritt des neuen Ministerpräsidenten a) Das politische Geschehen Preußens Bundespolitik erschien seit 1858 über fünf Jahre mehr oder minder konzeptlos. Das hatte vor allem den Wunsch deutscher Liberaler nach nationaler Einheit ausgebremst. Bismarcks Amtsantritt weckte bei ihnen daher keine besonderen Erwartungen. Preußische Liberale verbanden ihre Forderung nach nationaler Einheit mit der nach innenpolitischer und militärischer Reform – vor dem Hintergrund des Verfassungskonfliktes war beides vorerst nicht zu erwarten. Wer in konservativ geführten Staaten lebte, interpretierte die Einigung als Ausweg aus der Engstirnigkeit des Umfeldes und als Kampf des souveränen Volkes gegen die dynastische Gewalt in den Einzelstaaten. Nicht zuletzt war mit der nationalen Frage auch die des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fortschritts verbunden.247 Die Konzepte zur nationalen Einigung waren vielfältig. Der Nationalverein gab immer deutlicher die kleindeutsche Lösung als Ziel aus. Die Abneigung dagegen kam in Süddeutschland, Hannover und Österreich auf und manifestierte sich im Oktober 1862 in der Gründung des Deutschen Reformvereins.248 Dessen Mitglieder einte der Kampf gegen die preußische Vorherrschaft.249 Sein Programm war eine Wiederholung bekannter Forderungen mit dem Höhepunkt der Frankfurter Versammlung im Oktober 1863, bei der sich alle Hoffnungen auf Österreichs Bundesreformvorschlag konzentrierten. Nach dessen Scheitern „schleppte sich [der Reformverein] mühsam fort, bis die Entscheidung von 1866 ihm das Ende bereitete.“250 Auf außenpolitischem Gebiet bestimmte seit dem Krieg um Italien Napoleon III. allein die europäische Lage. Besonders England, Belgien und Preußen sahen sich durch dessen Ziel bedroht, die Mächtekonstellation durch nationale Bewegungen und territoriale Kompensationen zu revidieren. Dennoch warben alle Seiten um die 247
Vgl. Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 28 ff. und den Bericht der XVIII. Kommission über verschiedene Anträge zur deutschen Frage des preußischen Abgeordnetenhauses (StenBer PrAH 1862, II, S. 39 ff., Anl. 66). 248 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 393 ff. und Brandt, Deutsche Geschichte, S. 88 ff. 249 Vgl. Huber, ebd., S. 397; dort unterscheidet Huber vier programmatische Richtungen innerhalb des Reformvereins: großdeutsch-konservativ, großdeutsch-klerikal, großdeutsch-liberal und großdeutsch-demokratisch. 250 Ebd., S. 398.
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
Gunst Napoleons. Dabei nutzte die Situation vor allem Preußen: wegen des Nichteingreifens in Italien stand man gut mit Frankreich und konnte gleichzeitig auf das Wohlwollen Englands und Russlands hoffen, da Napoleon als die personifizierte Bedrohung des europäischen Gleichgewichts galt. Die Konstellation änderte sich, als Bismarck mit aller Härte gegen die seit 1861 wiederholt aufflackernden Aufstände in Polen vorging. Aus Angst vor einem Übergreifen der Aufstände auf preußisches Gebiet, und um bei einer möglichen polnischen Unabhängigkeit den französischen Einfluss im Osten zu verhindern, entschloss sich der Ministerpräsident zu einer pro-russischen Stellungnahme: Die Konvention vom 8. Februar 1863 – geschlossen zwischen dem preußischen Generaladjutanten von Alvensleben und dem Zaren – erlaubte den jeweiligen Truppen die Verfolgung polnischer Aufständischer über die Grenzen des anderen hinaus. Die Folge der Alvenslebenschen Konvention war ein diplomatisches Ränkespiel, das mit Protesten der Regierungen Englands und Frankreichs begann. „Napoleon setzte sich an die Spitze einer von der öffentlichen Meinung des Westens getragenen Protestbewegung gegen diesen ,Neutralitätsbruch‘ und suchte sie zu einer diplomatischen Offensive – nicht gegen Russland, sondern gegen Preußen […] zuzuspitzen.“251 Er empfahl identische Protestnoten aus Paris, London und Wien und ließ für den Fall eines Krieges eine Revision der europäischen Landkarte auf Kosten Preußens andeuten. England aber lehnte weitere diplomatische und militärische Schritte ab, weil es nicht die Bestrafung Preußens, sondern eine Distanzierung zwischen Frankreich und Russland wollte. Gleichzeitig trat der preußische Ministerpräsident in Scheinverhandlungen über ein Bündnis mit Österreich ein und baute darin regelrechte „Luftschlösser“252 um ehemalige österreichische Gebiete in Italien und auf dem Balkan auf. Da die Aufstände in Polen inzwischen auch ohne die Durchführung der Alvenslebenschen Konvention eingedämmt waren, kündigte Bismarck sie bereits Ende Februar 1863 wieder und erstickte somit alle Initiativen gegen Preußen im Keim. Das Verhältnis zu Russland blieb dennoch gestärkt. Geschädigt war Napoleon, dessen Protest ins Leere lief. Außerdem hatte er sich mit seinem Einsatz für Polen gegen seine potenziellen Partner Preußen und Russland gewandt und die Meinungsverschiedenheiten mit England verschärft. Bismarcks Hauptmotiv für den Abschluss der Konvention war seine Beurteilung der ungelösten Polenfrage als immenses Sicherheitsproblem für das preußische Territorium. Selbst ein autonom verwaltetes Polen innerhalb des russischen Staatsverbandes – wie es der Bruder des Zaren und der russische Außenminister Gortschakow befürworteten – hätte ein Verbündeter Frankreichs sein und preußische Gebiete beanspruchen können. Gegenüber der polnischen Minderheit in Preußen,
251 252
Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 769; vgl. Lutz, Habsburg und Preußen, S. 440. Pflanze, Bismarck, S. 199; vgl. zum Vorherigen ebd., S. 197 ff.
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besonders gegenüber den Adligen und dem Klerus, blieb Bismarck während seiner gesamten Regierungszeit äußerst reserviert.253 Für die liberale, kleindeutsche und preußenfreundliche Öffentlichkeit war die Alvenslebensche Konvention „Politik im Geiste der Heiligen Allianz“, die „das Bild vom reaktionären Junker an der Spitze des preußischen Staatsministeriums festigte“254. Viele sahen in Bismarck einen Handlanger des russischen Absolutismus, der mit diplomatischem Ungeschick das sich stabilisierende Verhältnis zu Frankreich aufs Spiel gesetzt habe. Herbe Kritik erntete auch der altliberale Fraktionsführer Georg von Vincke, der sich in der Polendebatte im preußischen Abgeordnetenhaus als einziger Liberaler für jede mögliche Begünstigung der Russen zum Zweck baldiger Niederwerfung des polnischen Aufstandes ausgesprochen hatte.255 b) Die Stellung der Preußischen Jahrbücher Die bundespolitischen Pläne der PJ, die sich bereits 1858 im Programm der moralischen Eroberungen manifestiert hatten, waren unter Bismarck hinfällig geworden. Die Autoren der Monatsschrift beschrieben regelmäßig, wie der innenpolitische Konflikt auch die bundes- und außenpolitischen Bindungen gefährde.256 Sie glaubten zwar weiterhin, dass sich Deutschland „nicht militärisch erobern, sondern nur politisch gewinnen“257 lasse, verloren aber den Glauben an eine deutsche Politik Preußens258. Sie mussten zum Jahresende 1862 konstatieren, keine außen- und bundespolitische Frage zu kennen, „welche unserer experimentellen Politik die vorwiegende Beschäftigung mit dem inneren Conflikt ersparen könnte“259. Nicht einmal die Gründung des Deutschen Reformvereins wurde in den PJ behandelt. In 253
Vgl. Engelberg, Bismarck, S. 542 f.; Pflanze, Bismarck, S. 198 und Wehler, Polenpolitik, S. 108. Äußerst kritisch urteilt Zernack, Polen, S. 436 f.: „Kein Protagonist preußischer Politik hat den Bestand der preußischen Monarchie so konstruktiv mit der Nichtexistenz des polnischen Staates verbunden wie Bismarck.“ In den Zielen der Germanisierung und Russifizierung „konvergierten die preußische und die russische Polenpolitik“. 254 Schulze, Preußen als konstitutionelle Monarchie, S. 335; vgl. Lutz, Habsburg und Preußen, S. 440. 255 Vgl. Konstantin Rößler an Gustav Freytag, 4. März 1863 (in Heyderhoff, Preußisch-dt. Einigung, S. 135 f.). 256 Vgl. Westphal, Staatsauffassung, S. 255 ff. 257 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. Oktober, in PJ X, 4 (1862), S. 402 ff., hier S. 415. 258 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. November, in PJ X, 5 (1862), S. 498 ff., hier S. 503: „Keine Staatskunst kann sich dem Gesetze entziehen, nach welchem die innere und auswärtige Politik eines Staats in Wechselwirkung steht. […] Für Preußen, das in Deutschland seine Bundesgenossen nur im liberalen Lager, im conservativen dagegen nur entschlossene Gegner hat, ist der Bruch mit dem Liberalismus schlechterdings auch der Bruch mit jeder denkbaren Form einer deutschen Politik.“ 259 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. Dezember, in PJ X, 6 (1862), S. 622 ff., hier S. 636 f.
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seinem Ausblick auf das Jahr 1863 suchte der süddeutsche Liberale Ludwig Häusser die Schuld am bundespolitischen Stillstand allein bei der Regierung Bismarck und hinterfragte deren Motive: „Preußen ist sich selber wie dem übrigen Deutschland mehr schuldig, als die bloße Negation lebensunfähiger Vorschläge der Gegner. Es ist für eine Großmacht eine geradezu beschämende Rolle, den sogenannten Reformvorschlägen […] nichts entgegenzusetzen als den Hader um die Competenz und die Klage, daß man es majorisiren wolle. Schon dreimal in diesem Jahrhundert hat Preußen die gebotenen Anlässe versäumt, die Leitung der deutschen Dinge im großen Stil zu ergreifen: nach 1815, in der Krisis von 1848 – 49 und zuletzt 1859.“ / „[W]ie trivial es auch den Einen und wie unbequem den Andern klingen mag: mit der Reaction lassen sich in Deutschland keine moralischen Eroberungen machen.“260
Auch der Blick auf die Außenpolitik ging nicht über Andeutungen hinaus, dass Bismarck über außenpolitische Erfolge innenpolitische Probleme überdecken wolle.261 Westphal hatte bereits betont, dass es nicht lohne, die kaum zusammenhängende Kritik der PJ zu analysieren. Diese bestehe aus „ergebnisarme[n] Erwägungen französischer, englischer, österreichischer Motive, denen Preußen recht hilflos ausgeliefert erscheint“262. Erst die Konvention von Alvensleben beendete die beinahe gleichgültige Berichterstattung der PJ über die auswärtigen Dinge. Bereits während der ersten Aufstände in Polen 1861 zeigte die Zeitschrift statt einer Russen-263 eine Polenphobie und kritisierte jegliche Konzessionen gegenüber der polnischen Freiheitsbewegung. Denn dort bestimme ein verdorbener Adel in einem System aus Leibeigenschaft und Unvernunft die nationale Politik. Zwar sei auch in Russland keine grundlegende Änderung der Verhältnisse zu erwarten – es stecke inmitten einer Finanzkrise, die Bauernbefreiung sei misslungen, die Bauernaufstände würden barbarisch bekämpft,
260
Häusser, Am Vorabend des Jahres 1863, in PJ XI, 1 (1863), S. 1 ff., hier S. 9 und S. 11; ähnlich die Kölnische Zeitung (in Buchheim, Kölnische Zeitung II, S. 285). Die Kreuzzeitung dagegen sagte voraus (in Nirrnheim, Bismarck und öffentliche Meinung, S. 441), das deutsche Volk werde „nach schweren, heldenvollen Taten […] dermaleinst zusammengekittet sein […]. Und seinen Retter wird es grüßen als seinen Kaiser.“ 261 Ähnlich wiederum die Kölnische Zeitung am 24. September 1862 (in Dieudonné, Kölnische Zeitung, S. 78). 262 Westphal, Staatsauffassung, S. 189. 263 Allgemein dazu Gertler, Deutsche Russlandpublizistik, S. 176 f.: „[D]ie deutsche Russlandpublizistik der Jahre 1853 bis 1870 sah durch die Außenpolitik des Zarenreichs Europa in gleicher Weise bedroht wie durch die Entwicklung der innerrussischen Verhältnisse, welche den expansiven Charakter dieser Außenpolitik zu begünstigen schien. […] Gedeckt durch die unangreifbare Größe seines Riesenraumes, habe Russland binnen hundertfünfzig Jahren seine Grenzen in einem solchen Ausmaß nach Europa vorverlegen können, dass die Aufrechterhaltung des gehüteten Gleichgewichtes und der alten Ordnung gefährdet sei.“ Ebd., S. 178, bemerkt er ferner eine verzerrte Betrachtungsweise von Russland als ewigem Widersacher Europas. „Erst nach der mit der Reichsgründung von 1871 eingeleiteten Konsolidierung der innerdeutschen Verhältnisse wurde mit zunehmender Überzeugung von der eigenen Stärke auch die Beurteilung Russlands nüchterner.“
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man übersehe den industriellen Fortschritt –, doch zumindest befinde es sich auf dem Weg einer innenpolitischen Liberalisierung.264 Die polnischen Aufstände wurden in den preußischen liberalen Publikationen kaum – und wenn, dann äußerst kritisch265 – behandelt. Das änderte sich schlagartig mit dem Bekanntwerden der Alvenslebenschen Konvention. Dem aufkommenden Sturm der Entrüstung lag dabei die Angst vor einer antiliberalen preußisch-russischen Koalition zugrunde. Die Volkszeitung kritisierte daher die unüberlegte und vorschnelle Einmischung auf Seiten des Zaren, die den Polen die Sympathien der Völker Europas sichere.266 Vossische und Kölnische Zeitung bemängelten die Geheimhaltungspolitik Preußens und Russlands.267 Theodor von Bernhardi, der für die PJ in den Jahren zuvor die Situation in Polen und Russland analysiert hatte, und Heinrich von Treitschke konnten ebenfalls keinen Sinn in der Konvention erkennen.268 In den PJ interpretierte Wehrenpfennig die Übereinkunft als Kniefall vor der russischen Interessenpolitik und als Beweis einer tatenlustigen Unruhe, die das preußische Ansehen aufs Spiel setze.269 Zwar sei die Konvention ein Wendepunkt in der außenpolitischen Situation, doch könne Preußen aus dem abgekühlten Verhältnis zwischen Frankreich und Russland keine Vorteile ziehen; es sei weiter isoliert270, 264
Vgl. von Bernhardi, Die Europäische Weltlage, in PJ VII, 5 (1861), S. 453 ff.; von Bernhardi, Glossen und Enthüllungen zur Tagesgeschichte, in PJ VIII, 1 (1861), S. 48 ff.; von Bernhardi, Die inneren Verhältnisse Russlands, in PJ IX, 1 (1862), S. 57 ff.; Duncker, Politische Korrespondenz vom 20. April, in PJ VII, 4 (1861), S. 366 ff. und Schrader, Die Reform des russischen Unterrichtswesens, in PJ X, 6 (1862), S. 569 ff. 265 Lediglich die Kölnische Zeitung argumentierte (in Buchheim, Kölnische Zeitung II, S. 295) aus rheinischer Perspektive: „Eine Wiederherstellung Polens würde […] für Deutschland vorteilhaft sein. Es würde ein Glück sein, statt an ein eroberndes Weltreich an einen Staat zu grenzen, der Eroberungen zu machen nicht imstande ist. Preußen wird zuletzt eine solche Wiederherstellung schwerlich verhindern können.“ 266 Vgl. Volkszeitung vom 13. und 25. Februar sowie 11. März 1863 (in Frölich, Volkszeitung, S. 136 f.). 267 Die Vossische Zeitung vom 1. März 1863 wurde beschlagnahmt (vgl. Buchholtz, Vossische Zeitung, S. 158), da sie der Regierung die außenpolitische Erfahrung abgesprochen und intransparentes Handeln vorgeworfen hatte. Über den Kampf der Kölnischen Zeitung gegen die Alvenslebensche Konvention vgl. Buchheim, Kölnische Zeitung II, S. 295 ff. 268 Vgl. von Bernhardi, Tagebücher V, S. 32 ff. und Westphal, Staatsauffassung, S. 190. Treitschke schrieb am 11. Februar 1863 an Haym (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 250): „[V]ielleicht wird auch die Intervention in Polen, die der Minister zu wollen scheint, ein Nagel zu seinem Sarge.“ 269 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 23. Februar, in PJ XI, 2 (1863), S. 188 ff., hier S. 199 ff. und Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 26. April, in PJ XI, 4 (1863), S. 419 ff.; ebenso Bercht, Konzeption der PJ, S. 118; Riethmüller, Russlandpublizistik der PJ, S. 8 und Westphal, Staatsauffassung, S. 189 f. 270 Besonders nach dem Tod des englischen Prinzgemahls Albert von Sachsen-CoburgGotha befürchtete man eine weitere Distanzierung Englands von Preußen (vgl. Pauli, Prinz Albert, in PJ XI, 3 (1863), S. 240 ff.).
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gelähmt und durch das expansive Frankreich bedroht271. Da Napoleon und Bismarck als einzige europäische Staatsmänner gewillt seien, in der polnischen Frage einen Kriegsgrund zu sehen272, erörterten die PJ sogar die Möglichkeit eines französischschwedischen Ostseefeldzuges gegen Preußen und Russland. Noch nach Monaten trauerte Wehrenpfennig der verpassten Gelegenheit nach, mit Hilfe der polnischen Frage die östlichen Nachbarn dauerhaft zu schwächen und so den nationalen Zielen näher zu kommen. In langatmigen Korrespondenzen hatte er während des Frühjahres 1863 versucht, die verworrene diplomatische Lage darzustellen und kam dabei zu dem Schluss: die Regierung lähme das Land durch die Bindung an russische Angelegenheiten, die Spannungen mit den Westmächten sowie Österreich und nicht zuletzt durch den Verfassungskonflikt.273 Und auch was Ausrichtung sowie Reform des Deutschen Bundes betraf, schien dem Ministerium Bismarck scheinbar der Gestaltungswillen abhanden gekommen zu sein.
2. Bundespolitik im Schatten des erstarkten Österreich (1863) a) Das politische Geschehen Die historische Forschung verneint inzwischen, dass Otto von Bismarck als preußischer Ministerpräsident nichts anderes als die kleindeutsche Ausrichtung des Deutschen Bundes erstrebt hatte. Zwar hatte er als preußischer Gesandter am Bundestag von 1851 bis 1859 die Erfahrung gemacht, dass „Österreich sich um das Gesamtinteresse Deutschlands kaum kümmerte, sondern vorrangig seine eigenen partikularen Interessen verfolgte“274. Andererseits bestand eine „erstaunliche Kon271
Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 24. März, in PJ XI, 3 (1863), S. 309 ff., hier S. 311 ff. 272 Vgl. Königer, Ein Ostseefeldzug und die preußische Politik in der polnischen Frage, in PJ XI, 5 (1863), S. 533 ff. Auf S. 533 kommentierte Königer Napoleons Verhalten: „[B]ei England, bei Oesterreich, selbst bei Italien und Spanien, hat sein Bestreben theils an der Natur der gegebenen politischen Verhältnisse, theils an der klugen und besonnenen Haltung der leitenden Staatsmänner einen unüberwindlichen Widerstand gefunden.“ Zu Bismarck schrieb er: „[D]er Sieg […] würde sein System mit dem Glanze der vollendeten erprobten Thatsache umgeben; im schlimmsten Falle aber würde er in Krieg und Belagerungszustand die Mittel finden, den Willen des Königs auf jene formell gesetzmäßige Weise durchzuführen, welche das Gewissen desselben verlange.“ 273 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 24. März 1863, S. 320 und Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 29. Juli 1863, in PJ XII, 1 (1863), S. 73 ff., hier S. 73 ff. 274 Kraus, Bismarck und die preußischen Konservativen, S. 15 f. Weiter: „Diese politische Lehre veränderte die außen- und deutschlandpolitische Orientierung des jungen preußischen Diplomaten grundlegend, doch es fiel ihm schwer, die neu gewonnenen Einsichten in Berlin politisch umzusetzen, denn die […] konservative Partei hielt an ihrer grundsätzlich proösterreichischen Orientierung unbeirrt fest. Bereits 1854 hatte man ihn im Führungskomitee der
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tinuität“ preußischer Bundespolitik, die nach Gleichberechtigung der beiden Großmächte strebte: „Nur in der Gemeinsamkeit der beiden konservativen Großmächte ließen sich die Revolution niederwerfen, der Partikularismus der übrigen deutschen Staaten kontrollieren und eine Einmischung der europäischen Mächte in die innerdeutschen Verhältnisse verhindern.“275 Das Prinzip der Gleichberechtigung bei gleichzeitiger Sicherung der norddeutschen Hegemonialsphäre in Einverständnis oder einer engen Bindung mit Österreich sei der Grundzug Bismarcks bundespolitischer Aktivität geblieben. In Österreich hing die Bundespolitik eng mit der Verfassungspolitik zusammen. Nach dem Zusammenbruch des neoabsoluten Systems war mit dem Oktoberdiplom 1860 zunächst ein konservativer Föderalismus aufgebaut worden. Das Februarpatent von 1861, die Ernennung Schmerlings zum leitenden Minister und die Etablierung eines von den Landtagen gewählten Abgeordnetenhauses bedingten eine stärkere Orientierung in Richtung Deutsch-Österreich.276 Österreich war entschlossen, die Bedingungen für eine Bundesreform zu diktieren und startete im Sommer 1862 mit dem Projekt einer Delegiertenversammlung den ersten Vorstoß.277 Diese Zusammenkunft aus gewählten Abgeordneten der deutschen Landtage sollte an der Gesetzgebung des Deutschen Bundes teilhaben, dazu kamen Vorschläge für eine geteilte Bundesexekutive und ein Bundesgericht. Das Projekt war „zweifelsohne der für Preußen seit langem bedrohlichste bundespolitische Vorstoß Österreichs“278, da es die Souveränität Preußens zur Disposition von Mehrheitsentscheidungen der Mittelstaaten und Österreichs stellte, und zog im Herbst und Winter 1862/63 einen regelrechten Notenkrieg nach sich. Bismarck ließ über den preußischen Bundestagsgesandten von Usedom verlauten, das Delegiertenprojekt sei „dem Charakter des Bundes, dem Geiste und Wortlaute der Bundesgesetze völlig zuwider“279, drohte mit dem Austritt aus der Bundesversammlung und gar mit Krieg um die Vorherrschaft in Norddeutschland. In einer
Partei, so seine Erinnerung, als ,unsicheren Fraktionsgenossen‘ bezeichnet.“ Ebd., S. 19, zitiert Kraus einen Brief Bismarcks vom 12. Februar 1860, in dem er warnt, man sollte sich nicht von „Österreichereien“ und den „Heucheleien von deutschen und konservativen Interessen“ blenden lassen. Das Kleben an Österreich sei Landesverrat (ebenso in Rothfels, Briefe Bismarcks, S. 266 f.). 275 Beide Zitate: Kaernbach, Hegemonie oder Interessensphärenteilung, S. 249. Zum Folgenden ebd., S. 250 ff. 276 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 702 f. 277 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 140 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 416 ff.; Lutz, Habsburg und Preußen, S. 440 ff.; Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 338 ff. 278 Kaernbach, ebd., S. 254. 279 Vgl. Otto von Bismarck an Guido von Usedom am 6. Dezember 1862 (GStA PK, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 284).
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Denkschrift vom 25. Dezember 1862280 skizzierte der preußische Ministerpräsident sein deutschlandpolitisches Programm: uneingeschränkte Vormachtstellung Preußens in Norddeutschland, Herrschaftsteilung mit Österreich auf der Basis gemeinsamer konservativer Ordnungsvorstellungen, außenpolitische „Befreiung vom Netze der Bundesverfassung“, womöglich ein Parlament des Zollvereines. Der Entwurf für die Delegiertenversammlung wurde am 22. Januar 1863 in der Bundesversammlung mit knapper Mehrheit abgelehnt. Wieder zeigte sich, wie leicht „das Stehvermögen der deutschen Staatenwelt durch preußische Drohgebärden […] zu erschüttern war“281. Die österreichische Regierung jedoch nutzte das durch ihre konstruktiven Vorschläge zur Bundesreform neu gewonnene Vertrauen in Deutschland282, um bis in den Sommer 1863 ein großes Reformprojekt auszuarbeiten283. Zentral war dabei die Erweiterung des Bundeszwecks und somit eine weitere Integration hin zur Förderung der „nationalen Wohlfahrt“ – und weg von der alleinigen Wahrung der Sicherheit Deutschlands sowie der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der Mitgliedstaaten. In einem als vollziehende Gewalt agierenden Bundesdirektorium sollten Preußen, Österreich und Bayern ständig vertreten sein, ein weiteres Mitglied jährlich wechselnd aus der Staatengruppe Sachsen, Hannover und Württemberg, dazu im dreijährigen Wechsel je ein Vertreter der in zwei Gruppen eingeteilten übrigen Staaten. Den Vorsitz des Direktoriums proklamierte die Regierung Österreichs für sich und akzeptierte Preußen nur als Stellvertreter. An der Gesetzgebung und Budgetpolitik des Bundes sollte eine alle drei Jahre tagende Abgeordnetenversammlung beteiligt werden, bestehend aus 302 Delegierten der einzelnen Landtage, wobei auf Österreich und Preußen knapp die Hälfte der Sitze entfiel. Zuständig für die Verhandlung und Sanktionierung der Gesetze wäre eine Fürstenversammlung gewesen. Als weitere Institutionen erwähnte der österreichische Reformplan einen Bundesrat als engeren Zusammenschluss der bisherigen Bundesversammlung sowie ein Bundesgericht. „Seiner ursprünglichen Anlage folgend blieb der Deutsche Bund also im europäischen Horizont auch jetzt ein passiver Ordnungsfaktor […].“284 Auch die Stimmverteilung in Direktorium und Bundesrat begünstigte die kleineren Staaten und verhinderte Hegemonialpolitik am Bund. Bedenklich aber waren die „Begrenzung der parlamentarischen Kompetenzen […] für die Abgeordnetenver-
280 Die sogenannte Weihnachtsdenkschrift in Bismarck GW IV, S. 29 ff.; vgl. Gall, Bismarck, S. 269 ff. 281 Brandt, Deutsche Geschichte, S. 141. 282 So betonte Joseph Edmund Jörg in den HPBl Anfrang Januar 1863 (in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 632 f.), von den Entscheidungen Franz Josephs sei die künftige Gestaltung ganz Europas abhängig. 283 Vgl. Brandt, ebd., S. 142 ff. und Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 347 ff. 284 Brandt, ebd., S. 143.
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sammlung“285 und die Tatsache, dass ein Bundesdirektorium mit wechselnden Mitgliedern die innere, äußere und militärische Gewalt vollziehen sollte. Seinen Vorschlag verband Kaiser Franz Joseph mit der Einladung zu einer Fürstenversammlung in Frankfurt, um dort über die „zeitgemäße Reorganisation des Bundes“ zu beraten.286 Damit brachte er seine preußischen Gegenspieler in Bedrängnis: Einerseits stellte es für König Wilhelm und Bismarck bereits einen Affront dar, eingeladen zu werden, um über einen Verzicht eigener Hegemonialansprüche in einem reformierten Bund zu verhandeln. Andererseits hätte eine vollständige Ablehnung des Projekts einen durch bundesstaatliche Elemente verstärkten kleindeutsch-österreichischen Staatenbund möglich gemacht. So wurde der Frankfurter Fürstentag am 16. August 1863 in Abwesenheit des preußischen Königs eröffnet. Eine Kollektiveinladung der versammelten 26 deutschen Fürsten und vier Bürgermeister der freien Städte, übermittelt durch König Johann von Sachsen, setzte Wilhelm nochmals moralisch unter Druck. Nachdem Bismarck die Ablehnung der Einladung durchgesetzt hatte, lag das Fernbleiben Wilhelms als schwerer Schatten über der Versammlung. Die Verhandlungen287, bei der eine Reihe kleinerer Veränderungen beschlossen wurden, endeten nach zwei Wochen. 24 der 30 Teilnehmer stimmten der Frankfurter Reformakte288 zu, ließen sie an den preußischen König schicken und in der Presse veröffentlichen289. Allerdings war die Einigung nur so lange verbindlich, bis die nicht anwesenden Mitglieder des Deutschen Bundes sie entweder definitiv ablehnten oder Gegenvorschläge unterbreiteten. Traf Preußen bereits durch sein Fernbleiben „eine wichtige Vorentscheidung in der deutschen Frage“290, bestimmte es nun vollends über das Schicksal der Reformakte. Der Vorbehalt war „wohl nur aus der Furcht der Mittel- und Kleinstaaten heraus zu verstehen, in einem allein von Wien dominierten Sonderbund der österreichischen Hegemonie wehrlos ausgesetzt zu sein. Angesichts der zu erwartenden Zustimmungsverweigerung Preußens durfte die österreichisch initiierte Bundesreform schon vor der tatsächlichen Antwort Preußens als gescheitert gelten.“291
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Brandt, Deutsche Geschichte, S. 144; vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 428. Die Denkschrift Kaiser Franz Josephs zur Einladung in Huber, Verfassungsdokumente II, S. 135 ff. 287 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 425 ff.; Müller, Dt. Bund, S. 44 f.; Schoeps, Fürstentag, S. 74 ff. 288 Keine Zustimmung kam von: Luxemburg-Limburg, weil es im niederländischen Interesse gegen die Stärkung der deutschen Einheit stimmte; Mecklenburg-Schwerin, das jede Art von Repräsentation ablehnte; Preußens Parteigänger Baden, Sachsen-Weimar, Waldeck und Reuß (jüngere Linie). 289 Am 5. September 1863 in der Frankfurter Postzeitung und am 8. September 1863 in der Wiener Zeitung. 290 Brandt, ebd., S. 145. 291 Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 470. 286
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Tatsächlich ließ die preußische Ablehnung, die sich als bundespolitische Gegenoffensive entpuppte, nicht lange auf sich warten.292 Bismarck bemängelte, dass die Reformakte nicht das Gesamtinteresse der deutschen Nation berücksichtige. Seine Vorbedingungen für eine Bundesreform waren die Parität im Bundesvorsitz, ein Vetorecht der Großmächte bei Kriegserklärungen des Bundes und eine direkt gewählte Nationalversammlung293 – womit er geschickt eine zentrale Forderung der linksliberalen Nationalbewegung übernahm. Gleichzeitig setzte eine intensive öffentliche Auseinandersetzung über die Reformakte ein, „die keineswegs so eindeutig negativ verlief, wie das die Forschung bisher nahegelegt hat. Neben harscher Kritik, die die Beschlüsse der Fürsten als ungeeignet verwarf, gab es auch zustimmende und optimistische Stimmen, vor allem in den süddeutschen und österreichischen Organen.“294 Eindeutig negativ positionierte sich der Nationalverein, der feststellte, dass die Reformakte nicht den Ansprüchen der Nation auf Einheit und Freiheit genüge. Vielmehr gefährde sie die freiheitliche und konstitutionelle Entwicklung und sei daher zu bekämpfen.295 Österreich konnte die Forderungen Preußens und der deutschen Nationalbewegung nur ablehnen. Auf der Nürnberger Ministerkonferenz296 im Oktober 1863 setzte es die Diskussion über die Gründung eines Sonderbundes auf die Tagesordnung. Die institutionelle Trennung von Preußen aber lehnten die Vertreter des Dritten Deutschland ab. Weitere Versuche, die Reformakte zu retten, verhinderte der heraufziehende Konflikt um Schleswig-Holstein. „Wien verzichtete zugunsten eines gemeinsamen Vorgehens mit Preußen endgültig darauf, die Bundesreform weiter zu verfolgen. Es sollte der letzte bedeutsame Reformversuch […] gewesen sein. Alle Reformvorschläge waren […] daran gescheitert, dass sie von den beiden rivalisierenden Großmächten lediglich zum Ausbau der eigenen und zur Schmälerung der Machtstellung des Gegners benutzt wurden.“297
292 Gutachten des Staatsministeriums, 15. September 1863, in Huber, Dokumente II, S. 154 ff. (GStA PK, I. HA, Rep. 81, Wien II, Nr. 3221); Schreiben Wilhelms an Franz Joseph, 22. September 1863, ebd., S. 157 ff. Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 146; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 432 f.; Müller, Dt. Bund, S. 44 f. 293 Kaernbach, Hegemonie oder Interessensphärenteilung, S. 256 f., betonte, dass Bismarck die Nationalvertretung zur Bekämpfung des einzelstaatlichen Partikularismus dienlich schien. Die Liberalen habe er „nur soweit zum Zuge kommen lassen wollen, als sie ihm als Bundesgenossen für seine Konzepte nützlich sein konnten“. 294 Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 355. 295 Vgl. den Ausschussantrag des Nationalvereins zur Reformakte in Schulze, Weg zur Reichsgründung, S. 284. 296 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 146; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 433. 297 Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 470 f.; ähnlich Müller, Deutscher Bund, S. 569.
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b) Die Beurteilung der Bundespolitik in den PJ In der Zeit zwischen Bismarcks Amtsantritt und den Ereignissen des Sommers 1863 spielte die Bundespolitik in den PJ keine Rolle. Dennoch sorgten zwei Veröffentlichungen zur Geschichte des Deutschen Bundes für großes Aufsehen, da ihre Autoren sie mit vernichtender Kritik an großdeutsch-konservativer und partikularistischer Bundespolitik verbanden. Die Rede ist von Treitschkes WangenheimAufsatz und Hayms Traktat über Varnhagen van Ense. Im Januar 1863 erschien Treitschkes Aufsatz Karl August von Wangenheim. Ein Kapitel aus der Geschichte des deutschen Bundes, der später ausführlich Eingang in die Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert finden sollte. Treitschke stellte Wangenheim, 1817 bis 1823 württembergischer Bundestagsgesandter, in den Mittelpunkt chaotischer und widersprüchlicher Geschehnisse.298 Die anfangs respektvolle, anerkennende Haltung gegenüber Wangenheim schlug spätestens mit der Schilderung des preußisch-anhaltinischen Zollstreits in unumwundene Ablehnung um, weil der „unverbesserliche […] Doktrinär“299 den Konflikt als Paradefall zur Werbung für eine Trias in der Bundesführung interpretiert hatte300. Damit sei er mitverantwortlich für noch immer herrschende partikularistische Bestrebungen. „Mit der Ohmacht der Mittelstaaten begann er jenen Kampf des deutschen Liberalismus wider Oesterreichs Herrschaft, welchen allein Preußen führen kann und führen soll und noch immer nicht begonnen hat. Die Wiederkehr solchen Irrthums ist unmöglich, seit der deutsche Liberalismus in dem preußischen Volke eine feste Stütze gefunden, seit die Angst vor den verbündeten nationalen und liberalen Ideen die kleinen Höfe der Reaction und dem Hause Habsburg in die Arme getrieben hat. Oesterreichs Stellung zu dem deutschen Liberalismus ist durch die Natur der Dinge vorgezeichnet. So lange der Neubau des deutschen Staates nicht vollendet ist, wird Wien für Deutschland immer der Heerd der Reaction bleiben, mag dort ein Metternich oder ein Schmerling herrschen. […] Jeder Versuch, Preußens und Deutschlands Macht zu stärken auf Kosten deutscher Freiheit, wird an dem richtigen Widerspruche der Nation jämmerlich Schiffbruch erleiden. […] Nur in den
298 von Treitschke, Wangenheim, in PJ XI, 1, (1863), S. 15 ff., hier S. 15 f.: Der Bundestag sei „ein Denkmal deutscher Schande, das gehaßte Werkzeug österreichischer Fremdherrschaft“. Der Staat, „welchem die Pflicht oblag, dies Joch zu zerbrechen, Preußen, hat bis auf wenige lichte Augenblicke dieses Amtes nicht gewartet“. 299 Treitschke an Rudolf Haym am 5. November 1862 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 242). Zudem erklärte er, Wangenheim sei ein konfuser Schwätzer und Ränkeschmied; „und wenn ich denke: dieser Mensch war das Haupt der deutschen Opposition, er war der Klügste von Allen, die je in Frankfurt große Politik getrieben! – dann möchte ich die Feder im Ekel wegwerfen“. Vgl. Schiemann, Lehr- und Wanderjahre, S. 189 f. 300 Erhellend ist in diesem Zusammenhang der Vortrag von Prof. Peter Burg: „,Seifenblasen‘ oder verpasste Chancen der deutschen Geschichte. Die Triaspläne im Lichte der Geschichtsschreibung“, gehalten an der Friedrich-Schiller-Universität Jena am 2. Dezember 2004. Online (Zugriff vom 3. Mai 2016): http://peter-burg.de/die-deutsche-trias/seifenblasen-verpass te-chancen-der-deutschen-geschichte.
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Vorderreihen des Liberalismus kann Preußen heute seine Macht behaupten und vergrößern.“301
Für ungeheures Aufsehen sorgte der Aufsatz vor allem in Diplomatenkreisen, war er doch „ein so lebhafter Protest gegen die Politik der Klein- und Mittelstaaten, daß er jeden Nicht-Unitarier verletzen musste“302. Treitschke konnte einen Unterschied zwischen kleinen und mittelgroßen deutschen Staaten nur darin ausmachen, dass in ersteren „das Gefühl der eigenen Ohnmacht stärker sei als das Widerstreben der dynastischen Eitelkeit gegen das Eingeständnis dieser Schwäche“303. Beiden fehle „die Gabe, welche einen Staat […] zum Staate macht“304: die Fähigkeit, sich selbst zu erhalten. Daher würfen sich diese Staaten lieber außerdeutschen Mächten wie Frankreich oder Österreich in die Arme, anstatt sich für die deutsche Einheit einzusetzen und sich der Politik Preußens anzuschließen. In Bayern, in Treitschkes Heimat Sachsen und natürlich bei dessen Vater – der sächsische Generalleutnant Eduard von Treitschke305 – sorgten diese Aussagen für große Verbitterung: „[W]undern kann man sich darüber nicht, denn hier wurde jener vielgeschäftigen Diplomatie der Kleineren und Kleinsten nicht nur jeder Wert, sondern überhaupt alle sittliche Existenzberechtigung abgestritten. Wenn Treitschke verlangte, sie sollten vernünftigerweise auf die große Politik verzichten, empfand man das als Beleidigung, und allerdings wäre ein freiwilliger Verzicht eine in aller Geschichte beispiellose Selbstentäußerung gewesen. Entscheiden konnte nur die Macht des Stärkeren, und daß im letzten Grunde an diese Macht appelliert wurde, darin sah man in Dresden fast einen Landesverrat.“306
Auch die Auseinandersetzung mit dem Leben des Diplomaten und Schriftstellers Karl August Varnhagen von Ense gab mehr über Befindlichkeiten und Weltan-
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von Treitschke, Wangenheim, S. 63 f. Schiemann, Lehr- und Wanderjahre, S. 189. Über weitere Kränkungen informiert Treitschke Wilhelm Nokk am 3. Mai 1863 (in Cornicelus, Briefe Treitschkes II, S. 259 f.): „Der Wangenheim hat mir viele Briefe eingebracht, darunter einen von Droysen – eine Enttäuschung.“ Dieser sei ein hartgesottener Doktrinär und gehöre zu den Unverbesserlichen, die gar nicht begriffen, dass es außer Feudalen und Altliberalen noch andere Parteien geben könne. Gegenüber dem Grafen von Witzingerode erinnerte er sich am 12. November 1865 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3366, 83): „Geschichte der neuesten Zeit zu schreiben ist eine peinliche Aufgabe, […] weil man gezwungen ist heilige und natürliche Empfindungen Lebender zu verletzen. Eine Tochter Wangenheims, eine sehr ehrenswerthe Dame, hat sich durch mein Urteil über ihren Vater leider ebenfalls schwer gekränkt gefühlt.“ 303 Katsch, Treitschke und die preußisch-deutsche Frage, S. 34. 304 von Treitschke, Wangenheim, S. 29. 305 Vgl. Treitschke hatte seinem Vater am 24. Januar 1863 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 248) bereits angekündigt, den Aufsatz nicht zu schicken, da er dessen „ständigen Widerspruch herausfordern“ würde. Die Freiheiten, die der Vater gewährt habe, seien „groß geworden, und leider, anders als du wünschtest“. Deshalb wolle er schweigen, „worüber wir uns doch nicht einigen können“. 306 Schiemann, Lehr- und Wanderjahre, S. 190. 302
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schauung des Autors307 als über den Behandelten preis. Rudolf Haym zeigte sich als „politischer und weltanschaulicher Kämpfer“ und missbrauchte „sein großes Können zur rücksichtslosen Vernichtung von Erscheinungen, die ihm nicht zusag[t]en“308. Als vermeintlicher Sprecher einer ganzen Generation widersprach er dem Weltbild Varnhagens und dessen Altersgenossen. Diese hätten über die Freiheit die nationale Entwicklung vernachlässigt – an ihnen sei es „genug und zu viel“309. Den Plan Österreichs zur Bundesreform stellten auch die PJ in Zusammenhang mit der inneren Entwicklung der Donaumonarchie. Anton Springer310 erkannte eine Stabilisierung: „die constitutionelle Entwicklung gesichert, die Freiheit und der Wohlstand des Volkes im Wachsthum begriffen, die Anhänger der kleineren Nationalitäten zum Schweigen gebracht, nach Außen die Macht des Kaiserstaates allseitig anerkannt, derselbe viel umworben“311. Dieses „reine[] Sonnenbild“312 wurde sogleich relativiert: Der parlamentarische Prozess verlaufe schleppend, freie Meinungsäußerung und freie Justiz seien nicht gesichert, eine vernünftige volkswirtschaftliche Gesetzgebung liege in weiter Ferne. Außerdem herrsche zwischen den Volksgruppen offene Feindschaft, die nur durch einen straffen Zentralismus überwunden werden könne. Nur weil der Reichstag von 307 Varnhagen von Ense hatte Hayms Anti-Hegel heftig kritisiert (vgl. Varnhagen von Ense, Tagebücher XIV, S. 172 ff., S. 210 und S. 383). Am 30. Mai 1863 schrieb Haym an Duncker (GStA PK, VI. HA, FA Duncker Nr. 56, Bl. 55/56), dass er den Aufsatz über „den Saukerl Varnhagen ins Reine bringen musste, was […] mit Hängen und Würgen gelungen ist“. 308 Howald, Varnhagen von Ense, S. 151. 309 Haym, Varnhagen von Ense, in PJ XI, 5 (1863), S. 445 ff., hier S. 515. Howald, Varnhagen, S. 151 f., stand „fassungslos“ vor diesem Aufsatz, mit dem Werk und Mensch „zur Strecke gebracht werden“ sollten. „Wie das bei Haym selbstverständlich ist, vollzieht sich sein Gericht auf Grund gründlichster Kenntnis des damals zugänglichen Materials, und wir müssen hinzusetzen, daß seither zwar sehr viel Ergänzendes, aber nicht entscheidend Neues und Umstürzendes dazugekommen ist. Nichts wird unterschlagen, nichts wird gefälscht. Aber alles und jedes wird in ungünstigem Sinn interpretiert und schief beleuchtet. Wenn sich ausnahmsweise einmal eine positive Bewertung nicht vermeiden läßt, so wird sie […] wieder durch Negatives zugedeckt.“ 310 Vgl. zur eigentümlichen Rolle des gebürtigen Pragers Springer als scharfer Kritiker der Habsburgermonarchie und Verfechter einer kleindeutsch-preußischen Politik: Friedjung, Springer, S. 215 ff.; Müsebeck, Springer, S. 1 ff.; Wassmann, Österreich in den PJ, S. 138 ff. und Weichinger, Springer, S. 2 ff. 311 Springer, Das freie deutsche Österreich, in PJ XII, 2 (1863), S. 143 ff., hier S. 146. Ähnlich Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. August, in PJ XII, 2 (1863), S. 178 ff., hier S. 178. Die Deutsche Vierteljahresschrift (II/1863, S. 250 ff., in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik II, S. 644 ff.) fasste den großdeutsch-kleindeutschen Gegensatz sozialhistorisch und philosophisch auf und erkannte ein Streben, den Mittelpunkt des geistigen deutschen Lebens weiter nach Süden zu verlegen. Dabei hätten die Mittelstaaten einen Rückhalt in Österreich gefunden, das „der aufrichtige Hort des konstitutionellen, des freiheitlichen Lebens“ sei. Nötig sei nun eine Angleichung und Ergänzung norddeutschen und süddeutschen Wesens in intellektueller und politisch-sozialer Weise. Doch beide Staaten seien in „preußischer“ Selbstsucht gefangen. 312 Springer, Das freie deutsche Österreich, S. 146. Zum Folgenden vgl. S. 147 f.
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Kaisers Gnaden abhängig sei, seien keine Konflikte zwischen dem tatenlosen Ministerium und der Volksvertretung entstanden. Die teils ironisch vorgetragene Kritik an der inneren Entwicklung Österreichs seit dem Februarpatent von 1861 ging nahtlos in die Verurteilung des Bundesreformvorschlags über.313 Zurückgewiesen wurden drei Hauptelemente: die Zurücksetzung Preußens („diese kann man nach der gegenwärtigen Sachlage schwerlich hindern“), kaum vorhandene Zugeständnisse an das Volk („diese müssen nach Kräften ausgebeutet und erweitert werden“) und die Dominanz österreichischer Interessen („dieses muß grundsätzlich verhindert werden“)314. Deutlich wurde dabei die Angst vor einem zentralistisch organisierten und von Österreich dominierten Deutschen Bund. Doch gerade die Überwindung des Zentralismus forderte Springer von der österreichischen Politik. Denn nur so könnten sich 13 Millionen Deutsch-Österreicher in einem deutschen Föderativstaat niederlassen. Westphal hat das bereits treffend gedeutet: Indem Springer von den Österreichern „die Zerstörung des eigenen Staatskörpers, für den er den zentralistischen Gedanken als eben den richtigen bezeichnet hatte, […] fordert, macht er ihnen deutlich, wie unmöglich ihr Verbleiben in dem künftigen deutschen Staate sei“315. Die Einladung zum Frankfurter Fürstentag wurde als kluger Schachzug gewertet, der zeige, dass im Deutschen Bund allein Österreich das Sagen habe und nicht das im Verfassungskonflikt versunkene Preußen.316 „Wäre Preußen nicht so herunter, so müßte es sofort Österreichs Vorschläge durch wirklich deutsche, echt und ernstlich bundesstaatliche überbieten. Dazu ist nicht die mindeste Aussicht, und ich kann es den kleinen nichtpreußischen Staaten nicht verdenken, wenn sie (ich meine die Bevölkerung) versuchen, was sich bei dieser Gelegenheit für eine wirkliche, wenn auch geringe Reform herausschlagen läßt. Uns, den eingefleischten Gothaern, bleibt 313 Bereits das Delegiertenprojekt wurde als „poetische Phantasie[]“ abgetan, die von „altbayerischen Liberalen“, „schwäbischen Querköpfen, Büreaukraten, Freiherren und Pfaffen“ unterstützt werde (Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. Oktober, in PJ X, 4 (1862), S. 402 ff., hier S. 416). Im Gegensatz dazu hatte die Deutsche Vierteljahresschrift (I/1862, S. 233, in Schneider, Vierteljahresschrift, S. 137) einen großdeutschen Bund unter österreichischer Führung und den Ausbau des Zollvereins befürwortet. Die Augsburger Allgemeine Zeitung hatte im Juli 1861 Vorschläge zu einer Reorganisation des Bundes besprochen (in Gebhardt, AAZ, S. 58). 314 Alle Zitate: Springer, Das freie deutsche Österreich, S. 154. 315 Westphal, Staatsauffassung, S. 192. Vgl. Springer, Das freie deutsche Österreich, S. 155: „Wenn die Deutschösterreicher es ehrlich meinen mit ihrem nationalen Berufe, wenn sie von der Lösung der deutschen Frage nicht blos Ehrenrechte für den österreichischen Thron und eine Erweiterung der österreichischen Macht erwarten, so müssen sie […] Bürgschaft dafür leisten, daß der reformirte Bund nicht für fremde Zwecke mißbräuchlich verwendet, dem parlamentarischen Elemente ein wirklicher Einfluss eingeräumt werde. Wird […] die directe Volkswahl […] durchgesetzt, so müssen sie auch in dem österreichischen Bundesgebiete das Gleiche durchführen. Oesterreichische Reichstagsdelegierte neben deutschen Volksvertretern wird die Nation niemals anerkennen.“ 316 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. August, in PJ XII, 2 (1863), S. 178 ff., hier S. 179.
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nur übrig, vor chimärischen Hoffnungen zu warnen, auf die unveränderliche Natur Österreichs hinzuweisen und dabei doch nicht etwa Bismarck Vorschub zu leisten, vielmehr mit Nachdruck zu zeigen, daß Österreichs ganze Stärke in der Ohnmacht und Erbärmlichkeit des gegenwärtigen Preußen besteht.“317
Dabei wurde der Fürstentag als Gegenbild zur Baden-Badener Versammlung von 1860 stilisiert, als sich die Fürsten noch um Preußens Prinzregenten geschart hatten. Mit seiner Abwesenheit in Frankfurt zeige König Wilhelm nun, dass er die Vorschläge Österreichs nicht als realisierbar erachte. Ausführlich lobten die PJ in diesem Zusammenhang das Votum der badischen Abgeordneten und der badischen Regierung gegen das Bundesreformprojekt.318 Freilich gingen die Meinungen zu Preußens Abwesenheit beim Fürstentag auseinander. Beeinflusst durch eine Presseanordnung Bismarcks319 verteidigte fast die ganze preußische Presse das Fernbleiben. Selbst die Kreuzzeitung musste zugeben, dass das Verhalten Wiens einem Verrat an Preußen ähnle.320 „[V]on der Erfolglosigkeit des Frankfurter Fürstentages überzeugt“321, mahnte die Kölnische Zeitung die Regierung dennoch, mit bloßer Negation sei nichts erreicht. Gänzlich anders urteilte PJ-Mitarbeiter Hermann Baumgarten: „Es scheint mir nützlich, daß die absolute Isolierung des Bismarckschen Preußen konstatiert, ihm ein empfindlicher Stoß versetzt, die deutsche Bewegung in neuen Schwung gebracht wird.“322 Mit den einzelnen Reformempfehlungen Österreichs, besonders dem Bundesdirektorium, setzten sich die PJ ausführlich auseinander. Unter den gegebenen Machtverhältnissen sei der österreichische Vorschlag nachvollziehbar. Doch sei ein Direktorium nur nützlich, wenn es die Machtbefugnisse des Deutschen Bundes tatsächlich zentralisieren könne, wenn aus ihm ein politisch führender Gedanke entspringe.323 Die Stimmverhältnisse im Kriegsfall besiegelten die „Vasallenschaft 317 Rudolf Haym an Adolf Schöll am 11. August 1863 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 224). 318 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 28. August, in PJ XII, 2 (1863), S. 189 ff.; Häusser, Reform des Bundestages, S. 3 ff.; außerdem Gall, Häusser, S. 90 und Westphal, Staatsauffassung, S. 191. Die Grenzboten (III/1863, S. 355) lobten Häussers Kritik am Reformplan (vgl. Gustav Freytag an Karl Samwer am 22. August 1863, in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 168) ebenso wie Max Duncker (ebd., S. 169). 319 Vgl. Bismarck, Gesammelte Werke IV, S. 151 und Schoeps, Fürstentag, S. 80. 320 NPZ 196, 201 und 207 vom 23., 29. August sowie 5. September 1863 (vgl. Bussiek, Kreuzzeitung, S. 184 f.). 321 Am 13. August 1863 (in Buchheim, Kölnische Zeitung IV, S. 318), ebenso die Rheinische Zeitung. Deutsches Museum und Deutsche Jahrbücher für Politik und Literatur ermahnten Preußen, Österreich mit eigenen Vorschlägen an Liberalität zu überbieten (vgl. zu alledem Schoeps, Fürstentag, S. 83). Ebenfalls betonte Robert von Mohl, der als Bundestagsgesandter für Baden am Fürstentag teilgenommen hatte, dass man nur gemeinsam mit Preußen zu einer Lösung kommen könne (in Angermann, Mohl, S. 87 ff.). 322 Baumgarten an Sybel am 13. August 1863 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 167). 323 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. August 1863, S. 181.
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
Preußens und Deutschlands“ unter Österreich. Das Direktorium sei nicht an die Beschlüsse des Bundesrats gebunden und entscheide mit nur einfacher Mehrheit sowie nach eigenem Ermessen über „die Vertheidigung der auswärtigen Besitzungen Oesterreichs“. Müsse der Bund aber „für seine eigenen Interessen in den Kampf gehen“, sei eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen nötig.324 Auch die parlamentarischen Ideen seien mehr Schein als Sein, das Delegiertenprinzip für die Abgeordnetenversammlung antinational und antiliberal. Da die Abgeordneten keinen Einfluss auf den Bundeshaushalt hätten, könnten sie niemals wirkliche Macht erlangen. Ihre Beschlüsse müssten zur Realisierung unrealistisch hohe Mehrheiten in sämtlichen Gremien erhalten, Beschwerden an das Direktorium würden zunächst von der Fürstenversammlung behandelt.325 In ihrer ablehnenden Haltung stimmten die PJ mit Publikationen aller politischen Lager überein. Die HPBl erkannten im Bundesreformplan den Fehler, dass mit dem Direktorium eine „Brutstätte neuer Rivalitäten und Zerwürfnisse“ geschaffen würde.326 Die Kreuzzeitung erklärte im Gleichklang mit vielen liberalen Publikationen, die Reform sei ein konstitutionell aufgeputzter Versuch, die österreichische Gesamtmonarchie in den Bund zu schmuggeln.327 Die Kölnische Zeitung stellte fest, dass eine befriedigende Verfassung für den Bund ein Ding der Unmöglichkeit sei. Einer einheitlichen Bundesregierung unter Preußens Leitung fehlten unter der Regierung Bismarck jedoch die Grundlagen.328 Daher betonten auch Grenzboten und Wochenschrift des Nationalvereins, die Beseitigung des Ministeriums Bismarck sei „wichtiger als die Vereitelung aller zum Nachteil Preußens ausgesonnenen Anschläge“329 Österreichs. Die PJ nahmen die Verabschiedung der Frankfurter Reformakte und deren Ablehnung durch die preußische Regierung befriedigt zur Kenntnis. Wolle Österreich nun die Bundesverhältnisse umgestalten, müsse es „einen […] kühneren Feldzug eröffnen“330. Ähnlich hatte die Norddeutsche Allgemeine Zeitung die Situation interpretiert, während die Augsburger Allgemeine Zeitung größtenteils der Reformakte zustimmte331 und das Deutsche Museum die preußische Stellungnahme als Ver324
Alle Zitate: Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 28. August 1863, S. 182 f. Ebd., S. 187 f.: „Die Abgeordneten werden während ihrer Verhandlungen ohne Antwort wie ohne Gegner gelassen. Die Spitze ihrer Angriffe trifft Niemanden, weil kein Zielpunkt für sie da ist.“ 326 HPBl 52, S. 394 ff. vom 24. August 1863 (in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 697). 327 NPZ 225/1863 vom 26. September, ähnlich auch das Hallesche Volksblatt und die Norddeutsche Allgemeine Zeitung (vgl. Schoeps, Fürstentag, S. 81 f.). 328 Vgl. KöZ 230/1863 vom 20. August (in Buchheim, Kölnische Zeitung IV, S. 319). 329 Wochenschrift vom 3./10. September 1863; ähnlich Grenzboten III/1863, S. 511 (in Schoeps, ebd., S. 83). 330 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 26. September, in PJ XII, 3 (1863), S. 295 ff., hier S. 295. 331 Vgl. Schoeps, Fürstentag, S. 82 und Gebhardt, Deutsche Politik der AAZ, S. 63. 325
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spottung der öffentlichen Meinung geißelte332. Die HPBl erklärten, die Reformakte habe das „göttliche Weltgericht“ eingeleitet, das „zwischen Preußen und Deutschland entscheiden muß“333. In welche Richtung das Pendel ausschlagen würde, war zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht zu erkennen. Der Konflikt um Schleswig-Holstein sollte die Entwicklung in Deutschland in den folgenden zwei Jahren aber entscheidend beeinflussen.
3. Außen- und Bundespolitik im Zeichen des Krieges um Schleswig-Holstein a) Das politische Geschehen Die andauernde Krise um Schleswig-Holstein läutete bereits im Frühjahr 1863 das Ende des Deutschen Bundes ein.334 Der dänische König Friedrich VII. verkündete die staatsrechtliche Verbindung Schleswigs mit Dänemark, und so die Trennung Schleswigs von Holstein. Damit verstieß er gegen den Ripener Vertrag von 1460, wonach die Herzogtümer in Personalunion mit der dänischen Krone stehen und stets vereinigt bleiben sollten, sowie gegen das Londoner Protokoll von 1852, das die verfassungsrechtliche Einheit von Schleswig und Holstein erneut sicherte und die Inkorporation Schleswigs in den dänischen Staat vermieden hatte. Im November 1863 überschlugen sich die Ereignisse: am 18. November unterzeichnete der erst drei Tage amtierende König Christian IX. eine Verfassung, die Schleswig vollständig in den dänischen Staat integrierte und Holstein faktisch abtrennte. Zu dieser Zeit hatte sich bereits Friedrich von Augustenburg – dessen Vater im Londoner Protokoll auf alle Ansprüche verzichtet hatte – zum rechtmäßigen Erben in beiden Herzogtümern erklärt. Die deutsche Nationalbewegung sah die Chance, Dänemark die Herzogtümer zu entreißen sowie vereint und vom Augustenburger regiert in den Deutschen Bund einzugliedern.335 Der Nationalverein veröffentlichte am 23. November einen Aufruf zum nationalen Krieg. Das Ziel der deutschen Großmächte aber war die Wiederherstellung des bisherigen Rechtszustandes einschließlich der Integrität der dänischen Gesamtmonarchie. Zur Gleichstellung der Herzogtümer drängten Österreich und Preußen auf eine Bundesexekution in Schleswig-Holstein.
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Vgl. Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 701. HPBl 52 vom 10. November 1863 (in Schoeps, Fürstentag, S. 87). 334 Vgl. zum deutsch-dänischen Krieg Brandt, Dt. Geschichte, S. 146 ff.; Clark, Preußen, S. 598 ff., Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 475 ff.; Müller, Deutscher Bund, S. 45 ff.; Nipperdey, Dt. Geschichte, S. 770 ff. 335 Engelberg, Bismarck, S. 548, betonte die immens verbesserte Organisation der deutschen Volksbewegung in der Diskussion um Schleswig-Holstein im Vergleich zur italienischen Krise von 1859. 333
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
In der Diskussion um das Vorgehen zeigten sich alle denkbaren Positionen. Einige preußische Abgeordnete erklärten, Dänemarks Rechtsbrüche müssten mit Krieg beantwortet werden.336 Für sie war die Okkupation der Herzogtümer die Voraussetzung für das Einsetzen des Augustenburgers als legitimer Erbprinz. Konservative pochten auf die Einhaltung europäischer Verträge und sahen die Souveränität deutscher Fürsten erschüttert, falls der nicht ebenbürtige Erbprinz von Augustenburg eingesetzt würde. Wiederum andere – darunter Preußens Kronprinz – vermuteten einen Verrat Bismarcks an der nationalen Sache, da seine legitimistische Politik zuletzt österreichischen oder russischen Interessen diene. Tatsächlich agierte Bismarck zunächst strikt im Rahmen des Völkerrechts. Das machte ihn zwar in den Augen der Öffentlichkeit zum Verräter der nationalen Sache, brachte aber Österreich auf seine Seite, das nach den Fehlschlägen der Bundespolitik nun auf Kooperation mit Preußen setzte. Nachdem die dänische Regierung androhte, Holstein vom Deutschen Bund abzuspalten, wies dieser im Dezember 1863 Österreich, Preußen, Sachsen und Hannover im Rahmen einer Bundesexekution an, Holstein zu besetzen und zu verwalten. Ende Dezember 1863 war ganz Holstein besetzt, was der Augustenburger nutzte, um dort als „Herzog“ aufzutreten und so den nationaldeutschen Bestrebungen Auftrieb zu geben. Die deutschen Mittelstaaten votierten in der Bundesversammlung dafür, Schleswig von Dänemark abzutrennen und vereint mit Holstein als Mitglied des Deutschen Bundes Herzog Friedrich zu überlassen. Das aber werteten Österreich und Preußen als eine Kompetenzüberschreitung. Sie schritten Anfang 1864 eigenmächtig zur Pfandbesetzung Schleswigs, um den dänischen König zur Wiederherstellung europäischen Rechts zu zwingen. Der Einmarsch in Jütland weitete die Aktion zu einem Krieg der deutschen Großmächte gegen Dänemark aus, der bereits im April 1864 mit der Erstürmung der Düppeler Schanzen entschieden war. Der Deutsche Bund war dabei völlig an den Rand gedrängt. Zu diesem Zeitpunkt begannen die europäischen Mächte aus Angst um das Gleichgewicht ein Eingreifen in den Konflikt zu debattieren. In London beriet man während eines Waffenstillstands eine diplomatische Lösung, die an der mangelnden Kompromissbereitschaft Dänemarks scheiterte. Der Krieg wurde Ende Juni wieder aufgenommen, Österreich und Preußen siegten endgültig, Dänemark trat im Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864 Schleswig, Holstein und Lauenburg an die deutschen Großmächte ab. Diese verwalteten die Gebiete zunächst als Kondominium und ließen die Ansprüche des Augustenburgers unberücksichtigt. „Wir haben endlich […] Taten“337, mussten inner- und außer-
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StenBer PrAH 1863, S. 204 ff. und S. 499 ff. Johann Gustav Droysen an Heinrich von Sybel, 12. Juni 1864 (in Hübner, Droysen Briefwechsel II, S. 844). 337
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preußische Liberale anerkennen, bei denen die europäische Dimension des Konfliktes zuvor noch großes Unbehagen ausgelöst hatte338. Die gemeinsame Verwaltung der Herzogtümer deckte die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den siegreichen Mächten auf. Preußen verlangte zusehends offener die Annexion Schleswig-Holsteins, wogegen Österreich nur mit der Aufgabe seiner Großmachtansprüche oder mit Widerstand bis hin zum Krieg antworten konnte. Die Donaumonarchie befand sich in einer kaum kontrollierbaren Situation: an Preußen gebunden, den Mittelstaaten entfremdet, als europäische Macht isoliert und in Schleswig-Holstein in einer untragbaren Position. Gleichzeitig rang Österreich mit Preußen um den Eintritt in den Zollverein und entwarf gemeinsam mit der bayerischen Regierung Pläne für eine mitteleuropäische Alternative.339 Letztlich erwirkte Preußen mit einer Strategie der Separatverhandlungen im Laufe des Jahres 1864 Anschlussverträge mit allen deutschen Staaten. Bis zum Handelsvertrag zwischen dem Zollverein und Österreich im April 1865 war Österreich daher zudem wirtschaftlich isoliert.340 Die Strategie der Donaumonarchie in Schleswig-Holstein schien erfolgversprechender, denn sie näherte sich den Mittelstaaten an, die in der Bundesversammlung die Ansprüche des Augustenburgers vertraten. Die preußische Regierung dagegen argumentierte auf Grundlage gültiger Verträge und versagte dem Deutschen Bund jegliches Mitspracherecht. So diskreditierte sich die Regierung Bismarck weiter in den Augen der liberalen Nationalbewegung.341 Davon unbeeindruckt versuchte Preußen seinen Einfluss in Schleswig-Holstein und Norddeutschland auszubauen.342 Im Februar 1865 forderte man eine faktische Mediatisierung der Herzogtümer, also den militärischen, wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Anschluss an Preußen inklusive kleiner Gebietsabtretungen – 338 Hermann Baumgarten an Sybel am 27. Januar 1864 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 212 f.): „Wenn nicht ein gütiges Schicksal uns behütet, so sind wir für das Schlimmste reif, vollständige Spaltung, Rheinbund oder eine Reaktion, die in kurzem die Revolution und die Republik bringt. […] Ich weiß nicht, womit sich Napoleon trägt. Will er aber eingreifen, so ist in Deutschland die Ernte für ihn reif. […] Alles löst sich in Atome auf. Läßt Napoleon die Dinge gehen, so steht uns eine greuliche Reaktion in Aussicht, wenn nicht gar eine tatsächliche Teilung Deutschlands unter Bismarck und Rechberg.“ Über den langsam einsetzenden Stimmungsumschwung bei den Liberalen auch Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 185 ff. 339 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 623 ff. und Brandt, Deutsche Geschichte, S. 152 ff. 340 Vgl. dazu Kronprinz Friedrich Wilhelm, der Bismarck am 18. November 1864 aufforderte (in Bismarck, Briefwechsel, S. 376), ihm zu versichern, dass keine Zolleinigung mit Österreich angestrebt werde. 341 Die Wochenschrift des Nationalvereins bezeichnete den preußischen Ministerpräsidenten z. B. im Januar 1865 als beschränkten Partikularisten und plumpen Reaktionär (in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 814 f.). 342 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 497 ff.; Kaernbach, Hegemonie oder Interessensphärenteilung, S. 256 ff. und Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 775 f.
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
später ergänzt um den Vorschlag der Einberufung der schleswig-holsteinischen Stände, die an einer Lösung mitarbeiten sollten. Entscheidend für das weitere Geschehen war der erzwungene Rücktritt des österreichischen Außenministers Bernhard von Rechberg, der die Kooperation mit Preußen befürwortet hatte. Unter seinem Nachfolger Alexander von MensdorffPouilly wies Österreich Preußens Februarforderungen zurück und erklärte sich am 6. April 1865 in der Bundesversammlung (auf Initiative Bayerns, Sachsens und Hessen-Darmstadts) zur Abtretung eigener Rechte an den Augustenburger bereit, sofern Preußen das Gleiche täte. Als Österreich im Frühsommer 1865 gewaltige Kundgebungen der augustenburgischen Bewegung zuließ – und Preußen ankündigte, diese gegebenenfalls alleine niederzuschlagen – schien ein Krieg zwischen den beiden Mächten unvermeidlich. Zwischenzeitlich hatte sich der preußische Kronrat schon mehrheitlich für die Annexion der Herzogtümer ausgesprochen und dabei einen Krieg gegen Österreich offen in Erwägung gezogen. Vor einem sofortigen Krieg aber war Bismarck zurückgeschreckt343, da er die öffentliche Meinung noch immer auf Seiten des Augustenburgers sah, die Rolle Frankreichs in einem möglichen Krieg nicht einschätzen konnte und eine diplomatische Lösung noch immer nicht aus den Augen verloren hatte. Weder ein Ende des Deutschen Bundes, noch ein Krieg gegen Österreich oder gar die Hegemonie über Deutschland waren für ihn zu diesem Zeitpunkt bereits „zu verfolgende Alternativen“, wohl aber „eine drohende Eventualität“344. So gelang es mit der Konvention von Gastein vom 14. August 1865345 die Kriegsgefahr abzuwenden. Preußen verwaltete fortan Schleswig und erhielt Lauenburg gegen eine Geldzahlung, Österreich trug die Verantwortung für Holstein. Diese provisorische Lösung barg zwar neue Konfliktstoffe, da Österreich weiter in eine Kooperation mit Preußen gezwungen und im Norden gebunden war. Doch ein Krieg um Schleswig-Holstein und die Vorherrschaft in Deutschland war für die Donaumonarchie weder zu finanzieren noch zu vermitteln: der neue Ministerpräsident Richard Graf Belcredi konzentrierte sich zunächst auf die Verständigung mit Ungarn und vermied außenpolitisches Risiko, da „Österreichs Stellung im Bund durch sein Eingehen auf diesen politischen Gewaltstreich […] erschüttert“346 war. Die Reaktion auf die Konvention war niederschmetternd: einhellig protestierten Deutscher Reformverein und Abgeordnetentag, holsteinische Stände und Vertreter der Mittelstaaten. Ihrer Meinung nach übergingen die Großmächte die Ansprüche der 343 Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 300 f., zitiert aus einer Aufzeichnung Moltkes über den Preußischen Kronrat vom 29. Mai 1865: Der Entschluss „zu einem großen Krieg […] könne nur aus freier Überzeugung des Königs hervorgehen. Dann aber werde man ihm freudig folgen.“ Vgl. Huber, ebd., S. 499 ff. 344 Kaernbach, Hegemonie oder Interessensphärenteilung, S. 259. 345 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 503 ff.; Huber, Verfassungsdokumente II, S. 181 ff.; Kaernbach, ebd., S. 258 f. und Nipperdey, Deutsche Geschichte S. 777. 346 Brandt, Deutsche Geschichte, S. 161. Vgl. Gall, Bismarck, S. 337.
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Bevölkerung und des Augustenburgers sowie die vertraglich festgeschriebene Einheit der Herzogtümer. Der Nationalverein sprach von der „Vergewaltigung“ durch deutsche Bundesgenossen. Außerdem beschleunigte die Gasteiner Konvention den Zerfall der geeinten liberalen Nationalbewegung. Viele Mitglieder der Landesvertretungen sagten die Teilnahme am Deutschen Abgeordnetentag in Frankfurt ab. Theodor Mommsen und Karl Twesten erklärten in offenen Briefen an die Nationalzeitung, das Ziel der Nationalbewegung, Schleswig-Holstein von Dänemark loszureißen, sei erreicht. Ein Konsens über das weitere Vorgehen in der deutschen Frage sei nur unter Preußens Führung zu erreichen. Der Abgeordnetentag aber sei antipreußisch eingestellt, so dass man keinen Beschlüssen zustimmen könne, die Preußens Macht einschränkten.347 Diese Aussage war vor dem Hintergrund des Verfassungskonflikts bemerkenswert. „Diese Männer sahen, dass Bismarcks Außenpolitik faktisch Erfolge zeitigte, vor denen sie nicht länger die Augen verschließen zu dürfen glaubten. Zudem war ihre Geduld mit allen bisher eingeschlagenen Wegen verbraucht; ihre Ohnmacht widerte sie an.“348 Gegen sie stand noch der (Groß-)Teil der Nation, der Innen- und Außenpolitik nicht getrennt voneinander bewertete. b) Die Krise in Schleswig-Holstein und die Preußischen Jahrbücher Mit dem Tod des dänischen Königs Friedrich VII. im November 1863 begann die Krise um Schleswig-Holstein die politische Berichterstattung der PJ für mehr als zwei Jahre zu dominieren.349 Bereits mit Blick auf die neue dänische Gesamtstaatsverfassung hatte man die preußische Regierung aufgefordert, Dänemark bis hin zur Besetzung Schleswigs entgegenzutreten.350 Nachdem sich Friedrich von Augustenburg zum rechtmäßigen Erben in den beiden Herzogtümern erklärt hatte, folgten lautstarke, pathetische Aufrufe zum Eingreifen an dessen Seite. Nun bestehe die Chance, das System der Unterdrückung deutscher Nationalität in Dänemark zu durchbrechen.351 Selbst die Aufstellung eines Freiwilligenheeres für Herzog Friedrich von Augustenburg wurde ausführlich erörtert.352
347 In Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 253 ff. Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 198 ff. 348 Biermann, ebd., S. 200. Vgl. Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 60 ff. 349 Vgl. zum gesamten Themenkomplex Wassmann, Österreich in den PJ, S. 56 ff. 350 Königer, Was gehört zur Lösung der schleswig-holsteinischen Frage?, in PJ XII, 2 (1863), S. 156 ff. 351 Vgl. Wehrenpfennig, Die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Sache, in PJ XII, 5 (1863), S. 506 ff. und Politische Korrespondenz vom 14. Dezember, in PJ XII, 6 (1863), S. 609 ff. Die Kreuzzeitung zweifelte, ob Nationalverein und Fortschrittspartei tatsächlich in Schleswig-Holstein einen legitimen Herrscher etablieren wollten, da sie sonst am Sturz der Fürsten arbeiteten (NPZ 293/1863, in Bussiek, Kreuzzeitung, S. 188).
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
Grundlegend richtig beurteilen Korrespondent Wilhelm Wehrenpfennig und Militärexperte Julius Königer nur die für ein preußisches Eingreifen günstige europäische Lage.353 In vielen anderen Aspekten des Konflikts straften die Ereignisse ihren Erwartungen Lügen: So blieb die nationale Volksbewegung aus, von der die deutschen Regierungen zum Eingreifen für Herzog Friedrich getragen werden sollten, da dessen Erbrecht doch „für die deutschen Mittel- und Kleinstaaten […] eine Existenzfrage“354 darstelle. Das preußische Abgeordnetenhaus gab die gewünschten Mittel zur Kriegsführung nicht frei, da die innenpolitische Blockade auch die Sicht auf das große nationale Problem eintrübte. Während man noch über die Rolle des Deutschen Bundes in der Auseinandersetzung spekulierte355, waren die deutschen Großmächte schon eigenmächtig zur Pfandbesetzung Schleswigs übergegangen, um das von der Nationalbewegung verhasste Londoner Protokoll zu sichern. In diesen Tagen waren die Einschätzungen der PJ in den Worten Westphals ohne Zugkraft, „befangen in einem Kreis unfruchtbarer Motive“, „ohne jede Fühlung mit der Politik“ des preußischen Ministerpräsidenten.356 Hatte Wehrenpfennig zunächst gefordert, das Abgeordnetenhaus möge eine Kriegsanleihe an die Regierung in Höhe von zwölf Millionen Talern billigen, so lehnte er dies bereits vor Kriegsausbruch mit dem Verweis auf Bismarcks unklare Ziele wieder ab.357 Als tragenden Pfeiler der nationalen Politik rief der Korrespondent – im Einklang mit der weithin veröffentlichten Meinung – wiederholt eine Volksbewegung aus, deren nationalrevolutionäre Energie die Regierungen mit sich tragen werde.358 Wie auf die PJ gemünzt wirkt da
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Königer, Aufgaben und Pflichten für Schleswig-Holstein, in PJ XII, 6 (1863), S. 540 ff., bes. S. 551 ff. 353 Wehrenpfennig, Die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Sache, S. 509, zweifelte, dass eine europäische Großmacht „Krieg anfangen wird wegen des für das europäische Gleichgewicht ziemlich gleichgültigen Umstandes, daß künftighin statt des dänischen Königs ein deutscher Herzog in Schleswig-Holstein regieren soll“. Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 8. Januar, in PJ XIII, 1 (1864), S. 90 ff., hier S. 96 ff. 354 Hälschner, Staatsrechtliche Prüfung der gegen das Thronfolgerecht des Augustenburgschen Hauses erhobenen Einwände, in PJ XIII, 1 (1864), S. 39 ff., hier S. 77. 355 Vgl. ebd., S. 75 ff. und Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 3. Februar, in PJ XIII, 2 (1864), S. 207 ff., hier S. 210 ff. 356 Westphal, Staatsauffassung, S. 193. 357 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 14. Dezember , in PJ XII, 6 (1863), S. 613. 358 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 8. Januar 1864, in PJ XIII, 1 (1864), S. 101: „Die fremde Diplomatie hält Holstein für die Dänen verloren, und sie wird auch Schleswig daran geben, wenn auch hier die unversöhnliche Kluft zwischen deutsch und dänisch sich aufgetan hat, und wenn die Holsteiner, unter ihrem Herzog gewaffnet und die Nation hinter ihnen, entschlossen sind, es sich nicht nehmen zu lassen.“ Ebenso an Ludwig Häusser am 2. Dezember 1863 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 192): „Deutschland muß heute Preußen retten, statt daß es umgekehrt sein sollte.“ Vgl. Becker, Krieg und Nation, S. 116 f.
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der Satz von Herausgeber Haym, mit dem er die Rolle der preußischen Regierung zu Kriegsbeginn beschrieb: „Es ist ganz, ganz kläglich!“359 Vor diesem Hintergrund war es ein Erfolg, dass die PJ im Frühjahr 1864 mit Beiträgen Zur gegenwärtigen Lage der schleswig-holsteinischen Angelegenheit360 des weithin anerkannten Historikers Georg Waitz aufwarten konnten. Der gebürtige Schleswiger setzte sich in seinen Ausführungen für das unanfechtbare Recht des Augustenburgers ein, musste aber eingestehen, dass die Entwicklung derzeit an Herzog Friedrich und dem Volk vorbeigehe.361 Die Forderung nach einem Nationalparlament, das über die Zukunft Schleswig-Holsteins entscheiden sollte, wies Waitz – in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 Mitglied des Verfassungsausschusses – mit dem Verweis auf dessen Machtlosigkeit zurück.362 Er sah den Deutschen Bund in der Pflicht, aktiv zu bleiben, um sich und die Nation zu retten: „Ohne diesen ist keine Ordnung der Sache möglich. Schon darin liegt seine Stärke. Wenigstens ein entschiedenes Nein muß er haben zu allem, was wider das Recht ist. […] Die Rechtsfrage ist vor den Bund gebracht, er […] muß die Entscheidung geben. Und je früher er das thut, je besser wird seine Stellung werden, auch nach Außen.“363 Nur selbständige Herzogtümer könnten Preußen nützen, da sie auf militärischen und wirtschaftlichen Schutz angewiesen seien. Waitz erzürnte daher, dass Preußen und Österreich, die sonst miteinander haderten, nun gemeinsam gegen das Recht handelten. Früher oder später aber würden sich die Wege der deutschen Großmächte trennen, da König Wilhelm keine Vergrößerung Preußens auf Kosten fremden Rechts wolle. Als Aufgabe bleibe, das Recht von Herzog und Herzogtümern zu schützen.364 Mit diesem Beitrag positionierten sich die PJ als Verfechter des Augustenburgischen Rechtsstandpunkts und sahen in dem vermeintlichen Eintreten der Großmächte für den Erhalt des Londoner Protokolls die endgültige Aufkündigung zwischen den Fürsten und der Nationalbewegung. Damit reihten sie sich in eine Medienphalanx ein, die von demokratischen bis zu liberalkonservativen Blättern reichte.365 Doch zeigte der Einmarsch der Preußen und Österreicher auch die ge359 Rudolf Haym an Adolf Schöll am 20. Dezember 1863 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 226). 360 In: PJ XIII, 4 (1864), S. 392 ff. und PJ XIII, 5 (1864), S. 504 ff., datiert vom 26. März und 20. April. 361 Vgl. ebd., S. 392 ff. 362 Vgl. ebd., S. 506. 363 Ebd., S. 512. 364 Vgl. ebd., S. 516. Als ein Korrespondent der Kreuzzeitung Anfang 1864 für ein selbständiges Schleswig-Holstein eintrat, antwortete Gerlach am 12. Januar mit dem Verweis auf zweifelhafte Erbansprüche des Augustenburgers. Außerdem trage die Durchführung des Nationalprinzips die Spaltung zwischen Preußen und Österreich in sich (vgl. Bussiek, Kreuzzeitung, S. 188 f.). 365 Vgl. Becker, Krieg und Nation, S. 119 ff. Beispiele aus Nationalzeitung, Vossischer Zeitung, Kölnischer Zeitung, Neuer Frankfurter Zeitung, Augsburger Allgemeiner Zeitung, Grenzboten und Wochenschrift des Nationalvereins in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 754 ff.
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
spaltene Haltung der bürgerlichen Öffentlichkeit und ihrer Presse: gerade preußische Blätter statteten die Invasionsarmee mit großem Vertrauen aus und waren spätestens nach dem Sieg an den Düppeler Schanzen nicht länger gewillt, die militärischen Erfolge allein dem innenpolitischen Gegner Bismarck zu überlassen. So betonten Vossische, Kölnische und Nationalzeitung den Zusammenhang zwischen Volk und Heer, die Übertragung einer sozialen Bewegung ins außenpolitisch-militärische Gebiet und ihre Hoffnung, der Krieg könne ein innenpolitisches Reformwerk in Gang setzen366 – Selbiges taten auch die PJ in ausführlichen Berichten preußischer Tatkraft am Kriegsschauplatz367. Der Londoner Konferenz im Frühjahr 1864 sahen Duncker und Wehrenpfennig skeptisch entgegen. Sie sei zum Scheitern verurteilt, weil England als Schutzmacht Dänemarks nur auf Basis des Londoner Protokolls von 1852 verhandeln wolle. Da die Herrschaft der Dänen in Schleswig-Holstein für offene Brutalität gegen die deutsche Mehrheit stehe, schlage die englische Regierung dem Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker „offen ins Gesicht“368. Der Kongress sei ein innenpolitisches Manöver: „Dänemark hat dem wankenden Whig-Ministerium das diplomatische Schauspiel in London zugestanden, weil sonst […] ein parlamentarischer Sieg der Tories, und in Folge davon eine Auflösung des Unterhauses und […] Passivität der englischen Politik bevorstehe.“369 England zeige „völligen Mangel eines festen Entschlusses und Zieles“, habe „zu wählen zwischen Deutschland und Dänemark“370. Nicht die Kongressdiplomatie könne die Gräben zwischen den europäischen Mächten überbrücken, sondern allein der Wille der Schleswig-Holsteiner. So blieb den PJ als einzige Hoffnung, dass die Regierung Bismarck endlich ihr Ziel in der Auseinandersetzung benenne. Denn das Bündnis mit Österreich habe bisher nichts als militärische Hilfe bedeutet, der „wir nicht bedurften, und einen politischen Hemmschuh, der uns vollends hinderte, klar und rasch das rechte Ziel hinzustellen“371. Als das Scheitern der Londoner Konferenz drohte, stellte man zufrieden fest, Schleswig-Holstein werde ein unabhängiger Staat werden. „[U]nsere wackeren schleswig-holsteinischen Brüder stehen in dem Rufe, einen Zug zum Partikularismus zu haben. Aber sie sind klug und bedächtig genug, um zu wissen, daß in jeder europäischen Krise die Rache der Dänen sie bedroht, und daß, wie unsere Waffen ihren 366
Vgl. Becker, Krieg und Nation, S. 123 ff. Königer, Schleswig-Holstein und die preußischen Waffen, Die militärische Aktion in Schleswig, Die militärische Aktion in Schleswig und Jütland sowie Der Sieg in Schleswig, in PJ XIII, 2 bis 5 (1864). Wehrenpfennig betonte in seiner Politischen Korrespondenz vom 1. Mai 1864 (in PJ XIII, 5, S. 544 ff., hier S. 557), Siege wie der von Düppel seien „die Anfänge unserer Heilung“. 368 Duncker, Das englische Blaubuch, in PJ XIII, 4 (1864), S. 409 ff., hier S. 410. 369 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang April, in PJ XIII, 4 (1864), S. 431 ff., hier S. 432. 370 Duncker, ebd., S. 430 f. 371 Ebd., S. 434. 367
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Staat geschaffen haben, […] unsere Waffen ihn erhalten können. In diesem fortdauernden Bedürfniß liegt die Bürgschaft, daß sie eine enge militärische und maritime Verbindung mit uns suchen werden.“372 Als der Krieg um Schleswig-Holstein wieder ausbrach, sah Wilhelm Wehrenpfennig die Schuld allein bei Dänemark. Da es sich von seinen in London gemachten Friedensvorschlägen losgesagt habe, sei auch Preußen von seinen frei und fordere, zum Wohle Deutschlands ganz Schleswig von Dänemark zu trennen373 : „Wir Preußen – Conservative, Liberale und Demokraten – […] rühmen uns dabei, sehr gute Deutsche zu sein; denn wer nicht mit particularistischer Blindheit geschlagen ist, muß doch wissen, daß deutscher Küstenschutz und deutsche Seestellung entweder durch Preußen zu Stande kommen kann oder gar nicht.“374 Während die PJ die Erneuerung der Allianz mit Österreich respektvoll anerkannten, wurde die Haltung des Deutschen Bundes erneut scharf kritisiert und die Forderung nach der Einsetzung des Augustenburgers zurückgewiesen.375 Letztere sei ein Zeichen für den grassierenden Partikularismus376, der auch die Träume des Nationalvereins von einem „gothischen Reich“ platzen ließe, „in welchem Könige, Kurfürsten, Großherzöge als Peers im Oberhause sitzen und die verfassungsmäßigen Befehle ihres Oberfürsten gehorsam vollziehen“377. In Preußen hatte sich die Diskussion um die Zukunft Schleswig-Holsteins inzwischen vollkommen in die Publizistik verlagert – das Abgeordnetenhaus war seit Januar 1864 vertagt – und den innenpolitischen Streit fast völlig aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verdrängt. Dabei empfand ein wachsender Teil der kleindeutschen Liberalen Genugtuung über den außenpolitischen Aufschwung Preußens, auch wenn der Erfolg der verhassten Regierung angerechnet werden musste. „Dasselbe Ministerium, zu dem man im Innern in erbittertem Gegensatz stand, wurde nun als Vollzugsorgan der Nationalbewegung akzeptiert […].“378 Mehr und mehr entwickelte sich im Laufe des Jahres 1864 unter den Altliberalen und dem rechten Flügel der Fortschrittspartei der Wunsch nach Annexion der
372 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende Mai, in PJ XIII, 6 (1864), S. 661 ff., hier S. 671. 373 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Juli, in PJ XIV, 1 (1864), S. 114 ff., hier S. 114 f. 374 Ebd., S. 125 f. Vgl. Pauli, Wie Kriegsflotten entstehen, in PJ XIV, 5 (1864), S. 506 ff. 375 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende Juli, in PJ XIV, 2 (1864), S. 252 ff., hier S. 260 ff. 376 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende August, in PJ XIV, 3 (1864), S. 343 ff., hier S. 344. 377 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende November, in PJ XIV, 6 (1864), S. 688 ff., hier S. 692. 378 Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 55, vgl. S. 50 ff. und Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 189 ff.
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Herzogtümer. Zwar führten Waldeck, Twesten oder Mommsen379 patriotische Motive dafür an und distanzierten sich weiter von der (Innen-)Politik Bismarcks. Doch die Rückkehr zur bedingungslosen Bekämpfung des Staatsministeriums war vor diesem Hintergrund schwer möglich. „Für die nationalliberale Parteigeschichte ist bedeutsam, dass die Parole der nationalen Fraktion im September/Oktober 1866: Unterstützung in der auswärtigen, Opposition in der inneren Politik sich im Ansatz schon […] 1864/65 aufzeigen lässt“380 – das hatte Fülling richtig festgestellt. So reagierte die deutsche Parteien- und Medienlandschaft „ausgesprochen vielstimmig, dominierende und argumentative Schwerpunkte lassen sich nicht parteipolitisch, geografisch oder zeitlich exakt zuordnen“381. Allgemein war in Süddeutschland mehr Kritik am Vorgehen und den Plänen Preußens zu vernehmen, wobei die katholisch-großdeutsche Gruppe aus Angst vor preußischer Übermacht das Prinzip der Rechtswahrung lautstark betonte. Liberale Publikationen in Nord und Süd schrieben den bürgerlichen Anteil an den Erfolgen groß, verneinten einen Zusammenhang mit der neuen Heeresorganisation und fürchteten den Verrat der Großmächte an der nationalen Sache. Zugleich beschleunigte die Diskussion um die Annexion der Herzogtümer den Zerfall des Nationalvereins, der die widersprüchlichen Strömungen innerhalb der eigenen Organisationsstrukturen nicht mehr kanalisieren konnte.382 Mit dem Verweis darauf, dass nur Preußen die Herzogtümer langfristig vor Dänemark schützen könne, setzten sich Nationalzeitung und Vossische Zeitung seit August 1864 für die Einverleibung Schleswig-Holsteins ein. Eine Selbständigkeit oder eine Integration in den Deutschen Bund seien rechtlich zu bevorzugen, machtpolitisch aber nicht. Darüber stritten sie mit der demokratienahen Berliner Volkszeitung, die vorschlug, Schleswig nach Nationalitäten zu trennen. Als bei der Londoner Konferenz Ähnliches angedeutet wurde, schrieb die Nationalzeitung, einem Eingeständnis Preußens, „nicht zur Befreiung ganz Schleswigs fähig zu sein, wäre ein Krieg mit mehreren Großmächten vorzuziehen“383.
379 Theodor Mommsen schrieb am 7. Februar 1864 an Gustav Freytag (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 216 f.): „Die letzten Jahre haben es doch jedem gezeigt, daß der Gedanke, auf dem Wege der moralisch-politischen Annektierung Preußen in Deutschland aufgehen zu lassen, ein falscher ist. Unser Regiment kann wechseln, aber es gibt keine Partei Cavour bei uns; was sich deutsche Fortschrittspartei nennt, ist im ganzen eine negative Masse, und alles, was den Staat regieren kann, steht derselben fern.“ 380 Fülling, Altliberale, S. 65 f. 381 Becker, Krieg und Nation, S. 134. 382 In der Wochenschrift des Nationalvereins wurden annexionsfreundliche Schriften nur unter stärkstem Vorbehalt abgedruckt. Vgl. Auszüge in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 775 f. und S. 793. 383 In Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 54. Vgl. Bandmann, Deutsche Frage, S. 9 ff., S. 28 ff. und S. 43 ff.; Becker, Krieg und Nation, S. 129 ff.; Buchholtz, Vossische Zeitung, S. 162 und Frölich, Volkszeitung, S. 320 ff.
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Deutlich reservierter äußerte sich die Kölnische Zeitung. Sie warnte die Nationalbewegung im Sommer 1864, im Krieg den Weg zur Erfüllung ihrer Wünsche zu sehen384 und setzte sich für Alternativlösungen zur Annexion ein, um die Ansprüche des Augustenburgers Friedrich zumindest im deutschsprachigen Teil Schleswigs zu sichern und einen europäischen Krieg zu vermeiden385. Konservative Organe wie Kreuzzeitung oder Norddeutsche Allgemeine Zeitung forderten, den Sieg über Dänemark nach Innen auszunutzen, die Regierung zu stützen und weiter mit Österreich zu kooperieren.386 Doch die Annexionspläne der Regierung legten den Konflikt innerhalb der Konservativen offen: einem flammenden Aufruf Ludwig von Gerlachs für die Legitimität folgte das Eingeständnis, dass eine „feste deutsche Nordmark gegen die Feinde Preußens und Deutschlands, ein Bollwerk zu Lande und zur See“ nötig sei.387 Auch im Umfeld der PJ rückte die Frage nach dem Rechtsstatus der Herzogtümer in den Mittelpunkt der Erörterungen. Dabei gab die Zeitschrift die Reste der proaugustenburgischen Haltung mit dem Wiener Frieden auf, ohne sich aber direkt für eine Annexion auszusprechen. Am Friedensschluss zwischen den deutschen Großmächten und Dänemark hatten die PJ vor allem auszusetzen, dass Österreich nun im preußischen Machtbereich präsent sei. Für die endgültige Befreiung SchleswigHolsteins vom dänischen Einfluss sei keine Hilfe durch die Donaumonarchie nötig.388 Zudem forderten die PJ, die Überlegenheit in den anstehenden Zollvereinskonferenzen auszuspielen – und reagierten voller Unverständnis, als Österreich nach der Erlaubnis einer deutschen Zolleinigung in einer Depesche vom 18. November 1864 auf weitere wirtschaftliche Zugeständnisse und Tarifbegünstigungen pochte.389 Zu Jahresbeginn 1865 traten die PJ mit einer geschickt in die Wege geleiteten Kontroverse zwischen Ludwig Häusser und Heinrich von Treitschke offen auf die Seite der Annexionsbefürworter. Zwar verwarfen beide Alternativen zur kleindeutschen Lösung, doch hielt der Heidelberger Historiker Häusser daran fest, dass diese „verknüpft sei mit den Prinzipien einer auf freiheitlicher Selbstbestimmung beruhenden Staats- und Gesellschaftsordnung und nur verwirklicht werden könne im Rahmen eines echten bundesstaatlichen Föderalismus“390. 384
Vgl. den Leitartikel von Mitte Juli 1864 (in Buchheim, Kölnische Zeitung, S. 355 f.). Vgl. Bandmann, Deutsche Frage, S. 14 und Becker, Krieg und Nation, S. 131. 386 Vgl. dazu die NPZ vom 19. August und 9. September 1864 (in Bandmann, Deutsche Frage, S. 11 ff.). 387 In Bussiek, Kreuzzeitung, S. 193. 388 „Unsere Situation ist der Oesterreichs in jeder Hinsicht überlegen“, schrieb Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende September, in PJ XIV, 4 (1864), S. 456 ff., hier S. 464. Ähnlich Wilhelm Beseler an Robert von Mohl am 23. Oktober 1864 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 230). 389 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende November, in PJ XIV, 6 (1864), S. 688 ff., hier S. 697. 390 Gall, Häusser, S. 90. 385
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
Zeitlebens lehnte Häusser eine machtpolitische und stärker unitarische Lösung ab – doch genau auf diese steuerte sowohl die politische Lage als auch die Argumentation Treitschkes zu. Treitschke hatte im Verlauf der Auseinandersetzung um Schleswig-Holstein frühzeitig gefordert, den Liberalismus für machtstaatliche Kategorien zu öffnen391: „[V]ielleicht gereicht es der deutschen Gemüthlichkeit zum Segen, wenn ihr die Bedeutung der Macht in der Politik einmal recht unbarmherzig gezeigt wird. Der Tag kommt doch, wo die beiden natürlichen Verbündeten, der preußische Staat und das deutsche Volk, sich wieder zueinander finden werden“392, schrieb er im Februar 1864 an seinen Verleger Salomon Hirzel. Zu diesem Zeitpunkt überarbeitete er sein Traktat über Die Freiheit (vgl. Kapitel C. IV.) für die Edition seiner Historisch-politischen Aufsätze – und verstärkte darin die Tendenz zum Etatismus deutlich. Über die PJ-Artikel von Georg Waitz für den Augustenburgischen Rechtsstandpunkt geriet Treitschke mit dem Autoren in heftigen Streit393 und verkündete im November 1864, er halte den „liberale[n] Particularismus […] für den gefährlichsten Feind des Vaterlands“, dem er unbedingt entgegentreten müsse. „[U]nsere Nation erreicht in ihrem Einheitsstreben Nichts […], so lange sie den Entschluß nicht findet, Alles, schlechthin Alles an die Einheit zu setzen. Sie werden mich nicht für so thöricht halten, daß ich meinen sollte, diese Fragen ließen sich in zwei Jahren lösen. Ich weiß sehr wohl, noch durch lange Jahre werden wir unsere beste Kraft brauchen um die Einzelstaaten erträglich einzurichten. Aber die Theorie mindestens muß doch endlich beginnen, den furchtbaren Ernst der Einheitsfrage ehrlich zu betrachten.“394 PJ-Mitherausgeber Wilhelm Wehrenpfennig hatte sich über ein Jahr immer wieder mit der Bitte um Artikel an Ludwig Häusser gewandt, auch im Dezember 1864.395 In seiner aktuellen Korrespondenz hatte er bereits einen Erlass des 36erAusschusses (der, kurz gesagt, Agitation zur Gründung eines augustenburgischen Bundesstaates Schleswig-Holstein betrieb) zurückgewiesen, der „die schwersten Anklagen gegen die Großmächte und ihr Friedensdocument“396 erhoben hatte. Gegenüber Häusser erläuterte er, dass die Stimmung in Preußen annexionsfreundlicher
391
Vgl. Langer, Treitschke, S. 103 ff. und sein Kapitel „Die Revision des Freiheitsbegriffs unter dem Eindruck des dänischen Krieges“; ebenso Langewiesche, Liberalismus in Deutschland, S. 103. 392 Treitschke an Salomon Hirzel am 14. Februar 1864 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 319). 393 Vgl. Cranston, PJ, S. 82. 394 Treitschke an Robert von Mohl am 22. November 1864 (in Cornicelius, ebd., S. 356 f.). 395 Vgl. seine Briefe im Winter 1863/64 in UB Heidelberg, Heid. Hs. 3407,70 (NL Häusser). 396 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende November, in PJ XIV, 6 (1864), S. 695.
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werde, gab aber zu: „Diese Erfolge und Siege werden unsere konstitutionelle Entwicklung vielleicht auf viele Jahre zusammendrücken […].“397 Häussers Sylvesterbetrachtungen aus Süddeutschland waren nicht nach dem Geschmack des PJ-Herausgebers. Der Artikel gilt als Beispiel für die Enttäuschung der süddeutschen Freunde Preußens, die vom Zusammengehen mit Österreich geradezu schockiert waren. Zwar war Häusser mit Wehrenpfennig einig in der Interpretation der Ohnmacht des Deutschen Bundes und sprach sich dagegen aus, dass ein „neuer Großherzog zwischen Nord- und Ostsee gesetzt wird“398. Die Konsequenz war für ihn aber ein reformierter Bundesstaat unter preußischer Führung399, keine Annexion der Herzogtümer und keine Kooperation mit Bismarck. „[W]ir wollen eine deutsche Macht herstellen, deren leitende und bewegende Kraft in den preußischen Staat verlegt wird, dort will man ein vergrößertes Preußen und überläßt das Deutschland südlich vom Main dem Einfluß Oesterreichs oder – Frankreichs.“400 In einem langen Brief nahm Wehrenpfennig Stellung zu den Ausführungen Häussers – wohl wissend, dass er sie wegen des großen Namens des Autors nicht zurückweisen konnte. „Ein Liberaler kann allerdings kein unbedingter Annexionist sein; er muß immer von der Voraussetzung ausgehen, daß es noch gelingt, den Kern der Schleswig-Holsteiner für die vernünftige Lösung zu gewinnen“, rechtfertigte er sich, um danach die Ansprüche des Augustenburgers und den bundesstaatlichen Anschluss der Herzogtümer zurückzuweisen: „Die Annexion kann zum vollen Bruch mit den Mittelstaaten und Österreich führen, aber der bundesstaatliche Anschluß der Herzogtümer führt ganz gewiß dazu. Um ihn durchzuführen, muß man die Bundesgesetze auf den Kopf stellen, muß man einen Halbsouverän schaffen als Vorbild für die anderen Souveräne.“ Dass Preußen nach der Einverleibung Schleswig-Holsteins ganz Norddeutschland okkupieren wolle, hielt Wehrenpfennig wegen der horrenden finanziellen und organisatorischen Aufgaben für unrealistisch. Ebenso wenig sei die „Neigung zur Annexion ein Abfall von den nationalen Grundsätzen […]. Übrigens weiß ich wohl, daß die Erreichung des Zieles sehr zweifelhaft ist. Die Schwierigkeiten liegen vorzugsweise bei uns selbst, in den Widersprüchen und dem 397 Wehrenpfennig an Häusser, 8. Dezember 1864 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 233). Ebenso: „Viele […] fangen an, die Annexion für das Wahrscheinlichste zu halten, und hoffen, daß die Schleswig-Holsteiner sich binnen Jahresfrist besinnen werden. Welch eine Wandlung zwischen dem Fürstentag und heute!“. 398 Häusser, Sylvesterbetrachtungen aus Süddeutschland, in PJ XV, 1 (1865), S. 84 ff., hier S. 97. Eine kurze, korrekte Interpretation des Aufsatzes bei Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 250. 399 Häusser, ebd., S. 97: „Wenn der Schutz Schleswigs in künftigen Kriegen den Mittelstaaten oder Oesterreich und seiner Clientel anvertraut sein sollte, so würden wir es für sicherer halten: Schleswig wäre gar nicht im Bunde, aber unter den Schutz Preußens gestellt. Die Gründe, die in dieser Richtung Preußen hier und da gelegentlich hat vernehmen lassen, sind vollkommen zutreffend und werden auch im übrigen Deutschland gewürdigt; nur führt ihre Konsequenz nicht zur Annexion, sondern lediglich zu einer engeren staatsrechtlichen Verbindung.“ 400 Ebd., S. 100.
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
schwankenden Willen oben und in der Geringschätzung der moralischen Faktoren bei Bismarck.“401 Das vorgeschobene Argument juristischer Folgen nutzte Wehrenpfennig, um Häusser einige Korrekturen anzukündigen. Letztlich stellte er an den Anfang des Artikels die Anmerkung: „Wir haben manche Acte der preußischen Politik, z. B. die Entfernung der Bundestruppen aus Holstein anders beurtheilt; und wir würden – vorausgesetzt daß die Schleswig-Holsteiner, deren Selbstbestimmungsrecht wir achten, dafür zu gewinnen sind – in dem engsten Anschluss der Herzogthümer an Preußen die vollkommenste Lösung der […] Frage finden.“402 Zeitgleich stand Wehrenpfennig in regem Briefkontakt mit Heinrich von Treitschke, den er nach dessen spektakulärer Lossagung von den PJ im Zuge der Presseverordnung wieder in die Riege der Autoren zurückzuholen gedachte. „Schlimm bleibt es, daß zur Zeit des ratlos zusammentretenden Landtages die Jahrbücher mit dem gewichtigen Namen Häussers positiv antiannexionistisch aufgetreten sind, und ein Gegengewicht wäre hier sehr wünschenswert“, schrieb er an Treitschke und verteidigte seine milde Redaktionsbemerkung: „Häusser ist über das Alter hinaus, wo man Dogmen wie das des Bundesstaats so leicht aufgibt, und er ist einer der bewährtesten süddeutschen Freunde Preußens.“ Außerdem sei es wegen der Unberechenbarkeit Bismarcks „bedenklich, sich schon jetzt für eine Politik zu engagieren, auf die wir nicht einwirken können und die ihres Zieles selbst noch nicht gewiß ist“403. Treitschke hatte bis dahin zwar mit der Annexion Schleswig-Holsteins sympathisiert, sie nach eigenen Worten aber „für unausführbar gehalten und folglich dagegen gesprochen“404, da man den Partikularismus nicht ohne Not reizen müsse. Nun aber, wo die Bewohner Schleswigs „aus Angst Patrioten“ würden und sich in Holstein eine preußische Partei bildete, müsse man die Annexion wagen. Dass zu diesem Zeitpunkt Häusser Treitschkes alte Sicht gerade in den PJ wiederholte, sei eine „kleine Perfidie“405, die eine Antwort verlange. Treitschkes Erwiderung in den PJ erschien praktisch gleichzeitig mit dem Bekanntwerden der preußischen Februarforderungen – und war eindeutig: Recht und Wohl Deutschlands liefen sich in der schleswig-holsteinischen Frage zuwider. Ein selbständiges Fürstentum unter dem Herzog von Augustenburg werde „ein auf
401 Alles: Wehrenpfennig an Häusser am 28. Dezember 1864 (in Heyderhoff, Preußisch-dt. Einigung, S. 234 ff.). 402 Vorangestellt zu Häusser, Sylvesterbetrachtungen aus Süddeutschland, S. 84. 403 Wehrenpfennig an Treitschke am 5. Januar 1865 (in Heyderhoff, ebd., S. 237 f.). 404 Treitschke an Wehrenpfennig am 14. Dezember 1864 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 370). 405 Treitschke an Salomon Hirzel am 11. Februar 1865 (vgl. Hjeholt, Treitschke und Schleswig-Holstein, S. 72).
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Jahrzehnte hinaus verlängertes unhaltbares Provisorium“406 sein, das sich zu einer Hochburg des Partikularismus entwickeln könne407. So bleibe, im Namen politischer Vernunft, „ein im guten Sinne revolutionärer Entschluß. Man muß den Rechtsboden verlassen“ und die Herzogtümer annektieren.408 In Preußen integriert, würden die Schleswig-Holsteiner gleichberechtigte Bürger sein. „Ehe fünf Jahre verstreichen, wird das Volk sich wundern, wie man doch heute diese einfache Lösung […] bekämpfen konnte.“409 Als Alternative bleibe die dänische Unterjochung. „Ist es empörend, daß wir wünschen, es möge dies Land, zu schwach um auf eigenen Füßen zu stehen, fortan nicht von einer fremden, sondern von einer deutschen Hauptstadt aus regiert werden?“410 Treitschke legte dar, dass Schleswig-Holstein als nicht selbständige Nation, als Teil des deutschen Volkes, kein eigenes Selbstbestimmungsrecht für sich beanspruchen könne. Zudem erfülle eine Vergrößerung des Staatsgebiets den liberalen Wunsch nach Stabilität der preußischen Monarchie. In der Forderung nach Annexion sei daher kein radikales Element zu erkennen. „Nur in Einer Frage rühmen wir uns radicaler zu sein denn alle anderen Parteien: wir opfern der Einheit Deutschlands jedes andere politische Gut.“411 Der Annexionsgedanke, der Gedanke deutscher Einheit, sei zukunftsweisend. Daher gelte es, sich endlich loszumachen „von den Eindrücken der Jahre 1848 – 50“412, die Macht des Staates Preußen anzuerkennen und zu begreifen, dass ein starrer Kurs gegenüber der flexiblen Regierungsführung Bismarcks nur in die politische Bedeutungslosigkeit führen könne. „Der Partei aber, welche am treusten zu Preußens Fahne hält, gehört die Zukunft.“ Gelinge die Einverleibung der Herzogtümer, „ist Preußen fortan gezwungen große deutsche Politik zu treiben“ – also eine Politik in nationalem, liberalem Sinn. „[D]ann erst käme für die Patrioten die Zeit, mit ihrer besten Kraft zu sorgen, daß Preußen nicht am Maine stehen bleibt.“413
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von Treitschke, Die Lösung der schleswig-holsteinischen Frage. Eine Erwiderung (15. Januar 1865), in PJ XV, 2 (1865), S. 169 ff., hier S. 174. Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 193 ff. 407 Vgl. ebd., S. 172 f. Auf S. 186 merkte Treitschke an: Wolle man das Erbrecht der kleinen Dynastien als Dogma aufrecht erhalten, müsse man auch die Rechte der Mediatisierten von 1803/6 wiederherstellen. 408 Vgl. ebd., S. 171. 409 Ebd., S. 176 f. 410 Ebd., S. 177. 411 Ebd., S. 184 f. 412 Ebd., S. 185. 413 Alle Zitate ebd., S. 186. Ebenso: „Wir sind nicht übergelaufen in das Lager des Herrn v. Bismarck. Wir bleiben seine Gegner in den inneren Fragen. Aber in der Politik, sagte Cavour, ist nichts abgeschmackter als der Groll. Man kann dem preußischen Minister das Verdienst nicht bestreiten, daß er durch rasches Handeln jene rathlose Zagheit verscheucht hat, die wie ein Alp auf Preußen lastete.“
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
Treitschkes Aufsatz „war ein Ereignis“, das stellte Wilhelm Wehrenpfennig wenige Wochen nach Erscheinen fest. Autor und Werk seien das Schild, „hinter dem sich der zaghafte und unklare Liberalismus bis zum Standpunkt der Annexion vorwagte“414. Dass der Aufsatz so durchschlagend wirkte415, lag vor allem daran, dass PJ-Verleger Reimer ihn als Separatabdruck veröffentlichte und unter den Bildungsbürgern Schleswig-Holsteins verteilen ließ416. Die von den PJ ausgelösten Reaktionen waren beträchtlich und zunächst geprägt von „freilich zahllosen, aber doch vielfach negativen und meist reservierten Besprechungen“417. In seiner Treitschke-Biografie hat Langer darauf hingewiesen, wie „sich die Kriterien der späteren moralisch orientierten Forschung mit der Kritik decken, die schon auf dem Höhepunkt der Kontroverse an dem vermeintlichen oder tatsächlichen Sakrileg der annexionistischen Liberalen geübt wurde“418. Bussmann betonte „die eigenartige Mischung von Realismus und Wirklichkeitsfremdheit“ Treitschkes: allein durch den „Wunderglaube[n] an den Großstaat“419 hätte sich die dänische Bevölkerung Nordschleswigs kaum germanisieren lassen. Die Kölnische Zeitung warf Treitschke Staatshörigkeit vor und erinnerte ihn an Artikel V des Wiener Friedens, wonach Teile Nordschleswigs beim ausdrücklichen Wunsch der Bevölkerung nach Dänemark eingegliedert werden sollten.420 In der Deutschen Allgemeinen Zeitung prägte Biedermann die Theorie der Vergewaltigung der Herzogtümer, die Doktrinäre wie Treitschke förderten, und plädierte seinerseits
414 Beide Zitate: Wehrenpfennig an Treitschke am 3. März 1865 (in Heyderhoff, Preußischdt. Einigung, S. 242). Ähnlich Treitschke an Theodor Mommsen am 16. April 1865 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 390 ff.) und an Georg Reimer am 14. Februar 1865 (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 5: „Die schlechten Blätter schimpfen, die besseren tadeln in einem Tone, der […] stille Zustimmung verrät.“ 415 Übernommen haben diese Sicht u. a. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 193 ff.; Bussmann, Treitschke, S. 337 ff. und Hjeholt, Treitschke und Schleswig-Holstein, S. 75 ff. Bestätigt wird dies von Treitschke selbst (an Georg Reimer am 14. Februar 1865, in StaBi PK Berlin, Dep. 42, Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 5): „Ich merke allmählich, daß das Schriftchen einiges Aufsehen erregt. Es ist doch etwas werth, wenn man dem Gesinnungsterrorismus offen entgegentritt, der heute wie im Sommer 1859 den deutschen Philister beherrscht.“ 416 Vgl. die Briefe Wehrenpfennigs an Reimer im Februar und März 1865 (in StaBi PK Berlin, Dep. 42, Archiv de Gruyter, R1 – Wehrenpfennig). 417 Wehrenpfennig an Treitschke am 3. März 1865 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 243). 418 Langer, Treitschke, S. 112, nimmt dabei vor allem Bezug auf Sell, Kapitulation des Liberalismus, S. 213 ff. 419 Bussmann, Treitschke, S. 338 und S. 340. Auf S. 339 zurecht kritisch: „Worin die Gerechtigkeit und Milde in der Behandlung eines Völkerteils, dessen fremde Nationalität ausdrücklich anerkannt wird und das trotzdem germanisiert werden soll, eigentlich zum Ausdruck kommen sollen, das sagt der Verfasser des Aufsatzes nicht.“ 420 Vgl. ebd., S. 342 f.
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für die langsame Weiterentwicklung des deutschen Staatslebens.421 Ludwig Häusser selbst warnte: die Idee der Selbstbestimmung aufzugeben bedeute, einer verhängnisvollen „Entwicklung zum unitarischen Machtstaat“422 Tür und Tor zu öffnen. Selbst der militärische Korrespondent der PJ, Julius Königer, mahnte: „[D]ie altliberale Partei ist zu sehr von Bismarcks Erfolgen bestochen. Sie fängt an, alle Ideale zu verlernen und ihr ganzes politisches Glaubensbekenntnis auf ein sogenanntes reales Ziel zu stellen, wie es nur das eigennützig beschränkte preußische Staatsgefühl kennt […].“423 Treitschke hingegen erfreute sich regen Zuspruchs aus dem altliberalen Umfeld der PJ. Sein Freund Moritz Busch, der 1864 die Redaktion der Grenzboten niedergelegt und sich dem Herzog Friedrich von Augustenburg als Presseagent zur Verfügung gestellt hatte, verließ nach der Lektüre des Artikels gar Schleswig-Holstein.424 Die Grenzboten selbst, die unter Redakteur Gustav Freytag gegen die Annexion auftraten, hoffte Treitschke noch „zum ehrlichen Bekenntniß ihrer annexionistischen Herzensmeinung zu bewegen“425. Das gelang ihm mit der eigens geschriebenen Replik Hr. Biedermann und die Annexion, in der er die sittliche Entrüstung der Deutschen Allgemeinen Zeitung zurückwies, den machtstaatlichen Standpunkt als den überlegenen darstellte und betonte, dass eine Annexion Schleswig-Holsteins keine Schranke für eine bundesstaatliche Verfassung einer künftigen deutschen Nation sei. Zufrieden konnte PJ-Herausgeber Wehrenpfennig den großen Einfluss des Artikels auf Politik und Presse konstatieren426 (selbst die HPBl schlossen sich Treitschkes Argumentation an427). Wehrenpfennig bestätigte Treitschkes Ansichten im
421 Vgl. Deutsche Allgemeine Zeitung 43 – 44/1865 vom 19./21. Februar 1865 (in Langer, Treitschke, S. 110). 422 In Gall, Häusser, S. 90. 423 Julius Königer an Salomon Hirzel am 20. Januar 1865 (in Flöring, Königer, S. 122). 424 Busch an Treitschke, 12. Februar 1865: „Ich bin Annexionist, und ich gehe.“ (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 5, Mappe 105, Bl. 7). Weitere Reaktionen bei Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 194 ff. 425 Treitschke an Georg Reimer am 14. Februar 1865 (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 5). Sein Artikel Hr. Biedermann und die Annexion in Grenzboten 24, I/1865, S. 394 ff. 426 Wehrenpfennig sagte Treitschke am 3. März 1865 voraus (in Heyderhoff, Preußischdeutsche Einigung, S. 243), dass „das Abgeordnetenhaus sich in der Schleswig-holsteinischen Frage wenigstens passiv verhalten wird. […M]it Ausnahme der verrückten Volkszeitung und Elberfelder sind alle größeren preußischen Zeitungen offen oder heimlich für die Annexion, ebenso die Hamburger Nachrichten und […] die Weserzeitung.“ 427 „Das deutsche Interesse gebietet ganz unzweifelhaft, daß lieber zehn Schleswig-Holstein preußisch werden, als daß der französische Erbfeind noch einmal eine Partei in Deutschland bildet.“ HPBl 55/1865, S. 321 ff., ähnlich HPBl 56/1865, S. 324 ff. (in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 819 und S. 846 f.).
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gleichen PJ-Heft428 und konnte den Publizisten Constantin Rößler für eine Stellungnahme in derselben Stoßrichtung gewinnen429, noch bevor dieser als Bismarcks Pressegesandter nach Hamburg geschickt wurde. Selbst Moritz Busch veröffentlichte seine Ansichten zur Zukunft Schleswig-Holsteins in den PJ. Darin stellte er die partikularistische Bewegung im Norden als inszeniert dar430 und beschrieb den Augustenburger als entscheidungsschwachen und vom Ausland beeinflussten Fürsten431. Außerdem zitierte Wehrenpfennig ausführlich aus Treitschkes Traktat Bundesstaat und Einheitsstaat.432 „Kaum jemals dürfte die Quintessenz des Geschichtsverständnisses und der politischen Haltung der […] ,kleindeutschen Schule‘ der deutschen Historiographie bündiger und emphatischer formuliert worden sein“, urteilte Langer über Treitschkes Aufsatz. „Ihr eigentümliches Amalgam aus Borussophilie, bürgerlicher Sittlichkeit, protestantisch inspirierter und zugleich romfeindlicher deutscher Wissenschaftlichkeit und konstitutioneller Grundhaltung ist […] auf die eindrucksvollste Weise zur Anschauung gebracht worden.“433 Treitschke hatte die deutsche Geschichte als lange Folge von Annexionen dargestellt. „Das Bedürfniß nach größeren Staatsgebieten, die eine einfachere und vernünftigere Verwaltung gestatten, siegt über das historische Recht“434, so stand es abermals in den PJ geschrieben. Wehrenpfennig griff auch die Kritik an Treitschkes vermeintlicher „Borussomanie“ auf, wies diese aber mit Verweis auf historische Tatsachen zurück: „[J]ede Scholle Landes, die dem deutschen Volk seit dem westphälischen Frieden zuwuchs“, habe Preußen erworben.435 Mit diesen Veröffentlichungen hatten sich die PJ an die Spitze der Annexionsbewegung in Preußen gestellt – und waren damit in den Augen mancher Weggefährten zu weit gegangen. In den Grenzboten beharrte Gustav Freytag auf dem 428 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende Januar, in PJ XV, 2 (1865), S. 211 ff. 429 Vgl. Rößler, Preußische Probleme für 1865, in PJ XV, 3 (1865), S. 316 ff., besonders S. 324. 430 Vgl. Busch, Die Parteien in Schleswig-Holstein, in PJ XV, 4 (1865), S. 413 ff. 431 Vgl. Busch, Die Zukunft Schleswig-Holsteins, in PJ XV, 5 (1865), S. 542 ff., besonders S. 556 f. 432 Wehrenpfennig, Bundesstaat und Einheitsstaat, in PJ XV, 3 (1865), S. 325 ff. Das Original war zuerst erschienen im ersten Band von Treitschkes Historisch-politischen Aufsätzen. 433 Langer, Treitschke, S. 196. Vgl. auch Hardtwig, Liberalismus und borussianisches Geschichtsbild, S. 323 f. 434 Wehrenpfennig, Bundesstaat und Einheitsstaat, S. 333. Weiter: „Um so weniger können diese neuen, durch die Gunst der Fremden emporgewachsenen Staaten sich mit dem Schilde der Legitimität decken.“ Wenn Länder wie das zusammengeflickte Herzogtum Nassau „dem Bedürfniß der Nation nach Einheit und Vereinfachung ihrer Verfassung zum Opfer fallen, so ereilt sie nur das Schicksal, welches sie früher […] anderen bereitet haben“. 435 Ebd.; ähnlich Max Duncker an Karl Francke am 6. Mai 1865 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 388 ff.).
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Selbstbestimmungsrecht der Völker als Fundamentalsatz liberaler Politik und erläuterte den Weg zur deutschen Einheit durch wirtschaftliche und legislative Integration innerhalb des Zollvereins.436 Heftige Beschwerden kamen von den Altliberalen im preußischen Abgeordnetenhaus: Graf Schwerin, Simson und PJ-Beiratsmitglied Saucken-Julienfelde konnten nur durch Dunckers Vermittlung davon abgehalten werden, sich öffentlich „gegen die Annexionslust der Jahrbücher“437 auszusprechen. Gerade an den Korrespondenzen Moritz Buschs hatte der ehemalige PJ-Herausgeber Haym „schlechte Freude“: sie seien zu parteiisch, zu frivol, zu verbittert, zu undurchsichtig. In einem Brief an Duncker mahnte Haym: „[D]ie Presse hat nur Macht, wenn sie sich selbst zu einer moralischen Macht bildet.“438 Außerdem thematisierte er Gerüchte, denen zufolge die PJ im Auftrag der Regierung schrieben – was Kronprinzen-Berater Duncker auch gegenüber anderen Gesprächspartnern zurückwies439. Auch ermahnte Haym seinen Nachfolger, in den Korrespondenzen wieder mehr auf die Einordnung der Sachverhalte zu setzen.440 Von seinem Vorgänger Haym, seinem Mentor Duncker und den Parteifreunden derart bedrängt, unterließ es Wehrenpfennig in der Folge, allzu parteiische Gastautoren wie Constantin Rößler441 oder Moritz Busch442 wieder so viel prominenten Platz in den PJ einzuräumen. Dennoch blieb der Vorwurf der unreflektierten Staatshörigkeit und der Entfremdung von der Verfassungsbewegung an den PJ haften und wurde auch durch die historische Forschung transportiert. Die Debatten um die Annexion SchleswigHolsteins waren für Publizisten wie Sell entscheidend für die vermeintliche Tragödie des Liberalismus, da sie dessen wichtigsten Grundsatz berührten, „den Gedanken des Rechts. Stimmte man der Bismarckschen Annexionspolitik zu, so verließ man die Rechtsbasis und kapitulierte vor dem Machtgedanken. Damit verleugnete der Liberalismus sich selbst. Tat er das nicht und hielt am Prinzip fest, so war er als politischer Faktor verloren, weil ihm das Volk davonlief.“443 436
Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 191 f. Vgl. Wehrenpfennig an Duncker am 12. Mai 1865 (GStA PK, VI. HA, NL Duncker, Nr. 154, Bl. 45/46) und Treitschke an Friedrich v. Weech am 15. Mai 1865 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 42, Bl. 66). 438 Beide Zitate: Rudolf Haym an Max Duncker am 28. Mai 1865 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 235), ebenso an Wilhelm Schrader am 1. Juli 1865 (ebd., S. 236). 439 Vgl. Duncker an Karl Francke am 6. Mai 1865 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 390). 440 Darüber berichtet Haym im Brief an Schrader vom 1. Juli 1865 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 236). 441 Vgl. Wehrenpfennig an Duncker am 10. Mai 1865 (GStA PK, VI. HA, NL Duncker, Nr. 154: Bl. 39/40). 442 Dazu Treitschke an Moritz Busch am 13. Juni 1865 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 401): „Wir aber, lieber Busch, wollen den Kopf hochhalten und noch eine gute Weile die Verräther und Reactionäre bleiben.“ 443 Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 215, vgl. S. 211 ff. 437
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Diese Vorwürfe sind nicht von der Hand zu weisen, doch übersehen sie einen wichtigen Punkt in der Argumentation der Altliberalen und ihrer Hauptpublikation: sie sahen die Annexionspolitik auf dem Weg zur deutschen Einheit immer als Teil einer Verfassungsbewegung. Auf diese Tradition – in den Spuren Friedrichs des Großen – hatte Wehrenpfennig in der Besprechung von Bundesstaat und Einheitsstaat explizit hingewiesen und ergänzt: „Die Befestigung verfassungsmäßiger Freiheit ist für Preußen zugleich eine Machtfrage. Niemals wird ihm mit einer antikonstitutionellen Politik sein großer Beruf in Deutschland gelingen.“444 Einen Schritt in diese Richtung tat Wehrenpfennig in einer Besprechung der Broschüre Die Annexion Schleswig-Holsteins445 von Theodor Mommsen. Zwar bestätigte er abermals, dass die Lebensinteressen der Nation über dem „gemeinen Legitimismus“ stünden. Doch abgesehen von militärischen Strukturen müsse man „in jedem Punkt, wo dies ohne Schädigung der nationalen Interessen möglich ist, die Volksstimmung achten und ihr die Wahl zwischen einer halbsouveränen Existenz und der Einverleibung lassen“446. Die Diskussion über die Annexion der Herzogtümer drehte sich währenddessen im Kreis. In den Mittelpunkt altliberaler Kritik geriet dabei zunehmend die Fortschrittspartei, die „nicht einmal einen Ausspruch für die Durchsetzung der dringendsten Staatsinteressen tun will“447. Die Debatte über die letztlich gescheiterte Marinevorlage der Regierung Bismarck im Juni 1865 ordneten die PJ daher als weiteren Schritt zum Niedergang der liberalen Parteien ein. In der Folge konnten die Korrespondenten nichts weiter tun, als die Realisierung der preußischen Februarforderungen zu erflehen448 und sich über die flatterhafte und unentschiedene Politik des Dritten Deutschland bezüglich der nationalen Entwicklung zu erdreisten449. Mit der Konvention von Gastein schien das zähe Ausharren der Regierung auf den eigenen Positionen endlich belohnt zu werden. Nun könne Preußen „Schleswig regieren wie sein eigenes Land, es kann demselben alle die Vortheile zuweisen, die 444
Wehrenpfennig, Bundesstaat und Einheitsstaat, in PJ XV, 3 (1865), S. 334. Vgl. Heuss, Mommsen, S. 176 ff.; Rebenich, Mommsen, S. 175 ff.; Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 834 f. 446 Wehrenpfennig, Mommsen, Die Annexion Schleswig-Holsteins, in PJ XV, 5 (1865), S. 569 ff., hier S. 570 f. 447 Karl Twesten an Heinrich von Sybel am 31. Mai 1865 (in Heyderhoff, Preußischdeutsche Einigung, S. 249). Ähnlich Theodor Mommsen an Heinrich von Sybel am 3. Juni 1865 (ebd., S. 250): „[K]ein Mensch sorgt und bedenkt mehr, was recht und was preußisch ist, sondern einzig, was für oder gegen Bismarck ist, und so stützen wir ihn nach Kräften.“ Vgl. auch Grenzboten III/1865, S. 1 ff. (in Rosenberg, ebd., S. 842 f.). 448 Vgl. Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Mai, in PJ XV, 6 (1865), S. 682 ff., besonders S. 688 ff. und Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Juni, in PJ XVI, 1 (1865), S. 86 ff. Bezeichnend zuletzt Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Juli, in PJ XVI, 2 (1865), S. 191 ff., hier S. 191: „Wir stehen abermals am Schlusse eines Monats, ohne einen entscheidenden Wendepunkt verzeichnen zu können.“ 449 Vgl. Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland, in PJ XVI, 3 (1865), S. 289 ff. 445
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aus der Verbindung mit einem größeren Staate hervorgehen. Es wird so die Bevölkerung allmählich an den Gedanken gewöhnen, mit Preußen vereinigt zu werden.“450 Da die Konvention zudem die maritimen Pläne Preußens fördere, ihm Lauenburg zuspreche, einen unabhängigen Mittelstaat an dessen Nordgrenze verhindere, die Ansprüche des Augustenburgers verneine und einen diplomatischen Sieg über Österreich bedeute, neige sich die Waagschale eindeutig zu Preußens Gunsten. Bald schon spekulierte man darüber, dass die Herzogtümer ungeteilt bleiben sollten und sich Österreich nach einer Zeit des Übergangs aus Holstein zurückziehen werde.451 Es fällt schwer, die Reaktion der PJ auf die Gasteiner Konvention in die Reihe der Einschätzungen der (liberalen) Presse einzuordnen. Unabhängig von Parteischattierungen und regionalen Zugehörigkeiten verliefen die Interpretationen.452 Einig war man sich lediglich darüber, dass die Konvention nur eine Art Waffenstillstand zwischen Preußen und Österreich bedeute, der die unüberbrückbaren Gegensätze keinesfalls ausräume. Gänzlich isoliert stand beispielsweise die demokratienahe Volkszeitung, die der preußischen Regierung innen- und außenpolitische Konzeptlosigkeit vorwarf und Österreich auf dem Vormarsch sah.453 So weit gingen nicht einmal die HPBl, deren Redakteur die Konvention begrüßte. Denn sie decke das Motiv des in Preußen grassierenden Liberalismus auf, „die zwei deutschen Großmächte gegeneinander ins Feuer zu hetzen“454. Empört über den „Menschenhandel“ und die Apathie des europäischen Auslands äußerten sich die Münchner Neuesten Nachrichten.455 Dagegen hofften Nationalzeitung und Kölnische Zeitung noch immer auf die Einberufung einer Volksvertretung für Schleswig-Holstein, was in der Einschätzung Bandmanns den deutlichen Unterschied zu den PJ zeigt: „Hier bewegt sich die konstitutionelle Theorie ganz im Vordergrund, während die Pr. Jb. […] ein gutes Stück Theorie zu opfern bereit sind.“456 450 Meyer, Politische Korrespondenz von Ende August, in PJ XVI, 3 (1865), S. 295 ff., hier S. 296 f. 451 Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Oktober, in PJ XVI, 5 (1865), S. 485 ff., hier S. 486 f.: „Auch diesem Staat naht der Zeitpunkt, in welchem die inneren, namentlich die finanziellen Schwierigkeiten es zwingen werden seine auswärtige Action auf das möglichst geringe Maß herabzusetzen. Der rothe Faden, welcher sich durch alle Wandlungen der österreichischen Politik bald mehr bald weniger sichtbar hindurchzieht, ist das Bestreben, den zerrütteten Staatshaushalt in Ordnung zu bringen.“ 452 Bereits Bandmann (Deutsche Presse und deutsche Frage, S. 81), der sich das Ziel gesetzt hatte, für das Jahr 1865 eine Einordnung der Zeitschriften in bestimmte Lager vorzunehmen, hatte vor dieser Aufgabe kapituliert: Gemeinsame Anschauungen finde man nur „unter der kleinen liberalen süddeutschen Gruppe und unter den wenigen konservativen preußischen Blättern, auf die die Regierung gleichartigen Druck ausübte. Aber ein völlig nutzloses Bemühen wäre es, etwa die liberalen norddeutschen Zeitungen zusammenfassen zu wollen […].“ 453 Vgl. Volkszeitung Nr. 277/1865 vom 25. November (in Frölich, Volkszeitung, S. 328). 454 HPBl 56/1865, S. 476 ff. (in Rosenberg, Nationalpolitische Publizistik, S. 851 f.). 455 Vgl. Rau, Münchner Neueste Nachrichten, S. 108. 456 Bandmann, ebd., S. 56, dort der Bezug auf die Kölnische Zeitung vom 25. August und die Nationalzeitung vom 30. November 1865. Dieselbe Interpretation bei Bercht, PJ, S. 140 f.
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c) Die PJ inmitten der Diskussion um die Zukunft Schleswig-Holsteins Die PJ bewegten sich in der Diskussion um die Zukunft der nationalen Entwicklung tatsächlich längst nicht mehr auf einer theoretisch-abstrakten Ebene. Das bewies im Oktober 1865 Treitschkes Artikel Die Parteien und die Herzogtümer, in dem alle bereits zuvor geäußerten Sichtweisen kulminierten. Geplant als Replik auf die Annexionskritik Gustav Freytags in den Grenzboten entwickelte sich eine scharfe, hochemotionale und teils polemische Abrechnung mit dem augustenburgischen Liberalismus und dem Nationalverein. Treitschke beharrte auf der Durchsetzung der Februarforderungen und verneinte jegliche Einmischung des Deutschen Bundes oder anderer Versammlungen. „Wo ist das rechtmäßige politische Organ unserer Nation? Wollt Ihr im Ernst Euch an den Bundestag wenden, Ihr Männer der nationalen Partei, die Ihr uns jahraus jahrein bewiesen habt, daß der Bundestag nicht zu Recht bestehe und zu jeder That unfähig sei? […S]o bleibt in unseren chaotischen Zuständen als Vertreter der Interessen der Nation allein übrig der preußische Staat, der […] im jüngsten Kriege unser Arm und unser Haupt zugleich war und auch fernerhin gezwungen ist unsere Nordmark zu schützen.“457 Deckungsgleich in der Argumentation verhielten sich die PJ auch in Bezug auf den Frankfurter Abgeordnetentag und lobten das Fernbleiben preußischer Abgeordneter bei dieser für sie süddeutschen Sonderbunds-Veranstaltung.458 Alle dynastischen Forderungen des Augustenburgers wehrte Treitschke mit dem Verweis ab, dass dieser nun eine ungesetzliche und preußenfeindliche Nebenregierung gebildet habe.459 „Wir, die wir nie an das absolute Selbstbestimmungsrecht der Theile geglaubt, […] finden einen Trost nur in der zuversichtlichen Hoffnung, daß der gegenwärtige Zustand ein Provisorium ist und das selbstzufriedene kleine Herzogtum über lang oder kurz einen Kreis der preußischen Provinz SchleswigHolstein bilden wird.“460 Treitschke warf Nationalverein und Fortschrittspartei vor, jahrelang unfruchtbare Negation betrieben zu haben und das Verständnis für Machtpolitik vermissen zu lassen.461 Die nationale Partei werde sich zersprengen, und dem Teil gehöre die
457 von Treitschke, Die Parteien und die Herzogtümer, in PJ XVI, 4 (1865), S. 375 ff., hier S. 379. Veröffentlicht auch als Separatabdruck in Flensburg, datiert vom 23. September 1865. Interpretationen bei Fülling, Altliberale, S. 68 f.; Langer, Treitschke, S. 112 f. und Wassmann, Österreich in den PJ, S. 74 f. 458 Vgl. Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Oktober, in PJ XVI, 5 (1865), S. 485 ff., hier S. 492 f. 459 Vgl. von Treitschke, Parteien und Herzogtümer, S. 380 f. 460 Ebd., S. 384. 461 Vgl. ebd., S. 390 ff.; ebenso Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Oktober 1865, S. 492 f. und Meyer, Politische Korrespondenz von Ende November, in PJ XVI, 6 (1865), S. 616 ff., hier S. 616. Ähnlich an Freytag am 13. November 1865 (in Cornicelius, Treitschke
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Zukunft, der seine Ansprüche an innere Reformen mäßige und die deutsche Einheit durch Preußen unterstütze. Dabei lägen die Dinge auf europäischer Ebene „nicht ungünstig für eine entschlossene preußische Politik“462, da Russland mit inneren Reformen beschäftigt sei und Frankreich die deutsche Einheit als unvermeidlich hinnehme. Die Chance sei gekommen, die Einheit vor der Freiheit zu realisieren: „Weil es so steht, weil die innere Krisis nicht heute noch morgen beendet werden kann, während in dem schleswig-holsteinischen Handel die Stunde drängt und jeder nächste Augenblick eine Entscheidung bringen mag, darum können wir nicht hören auf den unpraktischen Rath einiger altliberaler Freunde: ,zuerst eine gesicherte Verfassung, nachher eine thatkräftige Politik nach Außen‘. […] Das Recht eines Herzogshauses muß dem höheren Rechte der nationalen Selbsterhaltung weichen. Die Consequenz besteht nicht darin, daß in alle Ewigkeit A sagen muß wer einmal A gesagt hat; man soll sich das Herz fassen zur rechten Stunde B zu sagen. Nur Einzelne unter den Altliberalen hoffen wir nicht zu überzeugen: jene Doctrinäre, welche den Verfassungsplan des Staates unserer Zukunft bis auf den letzten Paragraphen fertig in der Tasche tragen und nun grollen, weil die Weltgeschichte auf einen anderen Plan verfiel.“463
Treitschkes Worte tönten wie Donnerhall. „[A]delige Ungeniertheit“464 und unzweifelhafte Staatstreue brachten sogar die Kreuzzeitung dazu, Treitschkes Ausführungen zu loben – und so war es wieder an ihm, sich bei den liberalen Mitstreitern für seine Deutlichkeit zu rechtfertigen.465 Er beschwor Rudolf Haym, der ihm wiederholt einen ruhigeren Schreibstil empfohlen hatte: „Ich lebe des Glaubens, daß wir es sind, die den gesunden Kern der Ideen des alten Liberalismus, der Einheitspartei am treuesten bewahren.“466 Gustav Freytag bat er, es nicht der „phrasenreiche[n] Verlogenheit unseres Durchschnittsliberalismus“ gleichzutun, die Realität und somit die außenpolitische Leistung Bismarcks anzuerkennen: „Ihre Hoffnung, ein liberales preußisches Regiment vermöge in 10 Jahren Deutschland zu einigen, kann ich leider nicht teilen.“ Er habe sechs Jahre seines Lebens im Süden gelebt und dort die Überzeugung erlangt, dass selbst ein Kabinett „von lauter Steins und
Briefe II, S. 431 f.) und an Robert von Mohl am 27. September 1865 (UB Tübingen, Md 613 – 891, NL von Mohl, Brief 8). 462 von Treitschke, Parteien und Herzogtümer, S. 399. 463 Ebd., S. 395. 464 Bernhard Erdmannsdörffer an Karl Jordan am 15. Oktober 1865 (in Jacobs, Erdmannsdörffer, S. 63). 465 Treitschke an Salomon Hirzel am 22. Oktober 1865 (LA Marbach, A: Hirzel, 57.511): „[W]arum müssen Preußens innere Zustände so gotteserbärmlich sein? […] Eine Freude war mir’s wahrlich nicht, mich in der Kreuzzeitung loben zu hören. Gottlob, es wird nicht lange währen, dann schimpfen die Leute wieder auf mich.“ 466 Treitschke an Rudolf Haym am 1. Oktober 1865 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 420) mit dem Verweis auf Hayms Kritik.
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
Humboldts“ den Hass und Neid der Süddeutschen auf Preußen nicht mindern würde.467 Zuletzt setzte Treitschke hinzu: „Wer in den letzten 12 Monaten in der Politik nichts gelernt hat, dem ist nicht zu helfen.“468 Noch vertrat er mit seinem übergeordneten Ziel der Staatseinheit vor der inneren Reform eine Minderheitsposition. „[J]edoch begannen sich bei vielen Liberalen die Prioritäten zu verschieben, und der Standpunkt Treitschkes fand immer mehr Anklang.“469 Welche Lehren die Altliberalen und die führenden Köpfe der PJ aus den weitreichenden Ereignissen des Jahres 1866 zogen, wird in der Folge zu behandeln sein.
4. Der Weg zum Krieg gegen Österreich und das Ende des Deutschen Bundes a) Das politische Geschehen Nur wenige Monate nach Inkrafttreten der Gasteiner Konvention war die Eintracht der deutschen Großmächte in Schleswig-Holstein an ihrem Ende angelangt.470 Österreich und Preußen gerieten in Streit um Maßnahmen gegen die augustenburgische Bewegung. Diese agitierte leidenschaftlich, was der preußische Gouverneur Manteuffel in Schleswig unterdrückte, der österreichische Statthalter Gablenz in Holstein gewährte. So duldete Österreich am 23. Januar 1866 eine Volksversammlung in Altona, wo 3000 Liberale und Demokraten die Einsetzung des Augustenburgers sowie einen Landtag für Schleswig-Holstein forderten. In der Folge entspann sich ein giftiger Notenwechsel zwischen den Regierungen in Berlin und Wien471, an dessen Ende der preußische Kronrat vom 28. Februar 1866 stand. An diesem Tag war König Wilhelm gezwungen, seinen Ministerpräsidenten aufzufordern, diplomatische Schritte für eine günstige Ausgangslage zum Krieg gegen Österreich zu schaffen. Um einen möglichen Krieg um Schleswig-Holstein und die Vorherrschaft in Deutschland begründen zu können, setzte die preußische Regierung ganz auf die nationale Karte. Damit lag man nahe an dem Teil der Liberalen, der der Einheit – 467 Beide Zitate: Treitschke an Freytag am 1. Oktober 1865 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 418). Ähnlich an August Ludwig von Reyscher am 9. Dezember 1865 (WLB Stuttgart, NL Reyscher, Cod. hist. Fol. 767 Fasz. XIII). 468 Treitschke an Gustav Freytag am 13. November 1865 (in Cornicelius, ebd., S. 431). 469 Langer, Treitschke, S. 113. Vgl. auch Langewiesche, Liberalismus in Deutschland, S. 102 ff. 470 Vgl. zum Folgenden Brandt, Deutsche Geschichte, S. 160 ff. und Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 513 ff. 471 Der Erlass Bismarcks an den preußischen Gesandten in Wien sowie die Depesche Mensdorffs an den österreichischen Gesandten in Berlin vom 7. Februar 1866 bei Huber, Dokumente II, S. 184 ff.
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zumindest kurzzeitig – Vorrang vor der inneren Freiheit einräumte.472 So griff Bismarck die Frage nach der Bundesreform wieder auf. In einem Zirkularerlass legte er den preußischen Gesandten, und so den Landesregierungen, die Notwendigkeit der Bundesreform dar.473 Dabei fasste Bismarck dem Gesandten in Bayern die Argumente für ein allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht zusammen – er erhoffte sich wegen der „Staatstreue des einfachen Volkes“474 Stimmen für die Konservativen. Am 9. April 1866 stellte der preußische Gesandte am Bundestag den Antrag, ein gesamtdeutsches Parlament durch demokratische Wahlen berufen zu lassen.475 Es sollte letztendlich eine Bundesreform auf Grundlage einer Triasidee verabschieden, in dem die jeweiligen Staatengruppen von Preußen, Bayern und Österreich angeführt werden sollten. Hauptadressat von Bismarcks Werbung war in den folgenden Monaten Bayern, das eine Vermittlerrolle am Bundestag einnehmen sollte. Weil Preußen aber auf dem Abschluss der Verhandlungen innerhalb von drei Monaten und ohne Österreich bestand, blieb die bayerische Regierung skeptisch. Hinter Bismarcks Reformvorschlägen vermutete die politische Öffentlichkeit ein taktisches Manöver. So verweigerte beispielsweise die Fortschrittspartei eine Bundesreform, solange in Preußen keine verfassungstreue Regierung amtiere. Österreich schätzte die Lage in Preußen zu Ungunsten Bismarcks (auf den im Mai 1866 zudem ein Attentat scheiterte) ein und lehnte daher alle Vorschläge ab, die die eigene Stellung im Deutschen Bund schmälern konnten. „Hinter den Kulissen jedoch eröffnete die preußische Diplomatie eine intensive und vertrauliche Werbekampagne unter den Führern der liberal-kleindeutschen Organisationen. […] Im Norden konnte Bismarck den Reaktionen immerhin entnehmen, daß bei substanziellen Beweisen der Aufrichtigkeit (Einlenken im preußischen Verfassungskonflikt) ein Einschwenken auf sein Reformprogramm denkbar sei. Die Neugruppierung der Parteien nach dem preußischen Sieg bereitete sich damit vor.“476
Ob Bismarck den Deutschen Bund tatsächlich in einer veränderten Form erhalten und so den Krieg vermeiden wollte, bleibt umstritten. Gall und Müller betonten den rein destruktiven Charakter der Reformvorschläge477, Kaernbach wies wiederholt darauf hin, dass deren Anzahl und Inhalt darauf abzielten, „den Deutschen Bund – in mehr oder weniger modifizierter Form – als einigendes Band der deutschen Staaten 472 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 163. Über Bismarcks Motive und die Bundesreform als „legitimes Kriegsziel“ vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 515 ff. und Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 778 ff. 473 Runderlass Bismarcks an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regierungen vom 24. März 1866 bei Huber, Dokumente II, S. 189 ff.; vgl. Kaernbach, Hegemonie oder Interessensphärenteilung, S. 259 ff. 474 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 517. 475 Preußischer Antrag auf Reform der Bundesverfassung vom 9. April 1866 bei Huber, Dokumente II, S. 191 ff. 476 Brandt, Deutsche Geschichte, S. 162. Vgl. auch Engelberg, Bismarck, S. 582 f. 477 Vgl. Gall, Bismarck, S. 352; Müller, Deutscher Bund, S. 83 ff. und S. 378 f. sowie Müller, Bismarck und der Deutsche Bund, S. 34.
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
zu erhalten“478. Auf alle Fälle aber war, nach Nipperdey, die preußische Politik „der österreichischen überlegen, sie war entschieden, initiativ, genau kalkuliert; die österreichische Politik hatte gelegentlich etwas Hilfloses“479. Diese kalkulierte Politik zeigte sich auch in außenpolitischen Initiativen: Preußen schloss am 8. April 1866 eine dreimonatige Offensivallianz mit Italien und stellte dem Bündnispartner die Annexion Venetiens als Preis seiner militärischen Hilfe in Aussicht. Das preußisch-italienische Bündnis war ein Verstoß gegen die Bundestreue, da „ein gegen die österreichische Südgrenze geführter Stoß die Sicherheit des habsburgischen Gesamtstaats“480 gefährdete. Das Bündnis kann jedoch nicht als Todesstoß für den Deutschen Bund an sich verstanden werden. Es diente Preußen auch als Druckmittel gegen Österreich zur Aufnahme weiterer Verhandlungen über deutsche Frage und Bundesreform.481 Doch auch Österreich verletzte seine Pflichten gegenüber der Bundesverfassung und setzte Preußens staatliche Existenz aufs Spiel, wie Bismarck König Wilhelm erläuterte: „Der Friede läßt sich auf Dauer nur halten, wenn beide Theile ihn wollen; Oestreich mag jetzt aus Opportunitätsrücksichten wünschen, ihn nicht gestört zu sehn. Aber wer […] mit der östreichischen Politik intim zu thun gehabt hat, kann nicht zweifeln, daß in Wien die Feindschaft gegen Preußen zum […] alleinigen Staatszwecke geworden ist. Sie wird sich activ bethätigen, sobald das Wiener Cabinet die Umstände günstiger findet als jetzt.“482 Als zur Lösung der angespannten Lage sowohl Konferenzpläne als auch die Vermittlung des preußischen Offiziers Anton von der Gablenz – der Bruder des österreichischen Statthalters in Holstein – scheiterten, hatte sich Österreich der Neutralität Frankreichs versichert und im Geheimvertrag vom 12. Juni 1866 Gegenverpflichtungen übernommen, „die das deutsche Gesamtinteresse aufs schwerste gefährdeten“483. So sollte bei einem Sieg Österreichs Venetien an Frankreich abgetreten werden, das linke Rheinufer wurde faktisch als Pufferstaat zu Preußen versprochen. Anfang Juni 1866 rückte die Lage in Schleswig-Holstein selbst wieder in den Mittelpunkt: Österreich wies die Bundesversammlung an, sich der Lösung des Problems anzunehmen, und verstieß dabei gegen die Bestimmungen der Gasteiner Konvention. Preußen besetzte darauf das von Österreich verwaltete Holstein. Zeitgleich brachte die Regierung am 10. Juni einen Vorschlag mit zehn Artikeln für einen neuen Deutschen Bund ein, für die sie bereit war, in den Krieg zu ziehen. Es sollte entstehen: ein Bund ohne Österreich, mit einer frei gewählten Nationalversammlung, mit einer Nordarmee unter preußischer sowie einer Südarmee unter bayerischer 478
Kaernbach, Hegemonie oder Interessensphärenteilung, S. 259; vgl. ebd., S. 265 ff. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 781; vgl. Pflanze, Bismarck, S. 296 ff. 480 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 522. 481 Vgl. Kaernbach, Hegemonie oder Interessensphärenteilung, S. 260. 482 Ministerpräsident Bismarck an König Wilhelm I. am 22. April 1866 (in Wilhelm und Bismarck, S. 136 f.). 483 Huber, ebd., S. 529; vgl. auch Pflanze, Bismarck, S. 302 ff. 479
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Führung und mit einer obersten Bundesgewalt, die offensichtlich in den Händen des preußischen Königs liegen sollte. Darüber hinaus sollte die Möglichkeit zu besonderen Verträgen mit den deutschen Landesteilen Österreichs bestehen.484 Am 14. Juni 1866 beschloss der Deutsche Bund die Mobilmachung gegen Preußen. Die preußische Regierung erklärte, sich vom Bundestag zurückzuziehen und dessen Bestehen aufzukündigen485 – was die Bundesversammlung für unzulässig erklärte. Gleichzeitig bot Preußen den norddeutschen Staaten ein Bündnis auf Grundlage der eigenen Reformvorschläge an. Der Deutsche Bund war damit am Ende seines Bestehens angekommen. Zu eklatant waren die Verstöße Preußens und Österreichs gegen das Bundesrecht, ein politischer Wille zum Erhalt des gemeinsam geführten Bundes war nicht mehr zu erkennen. Gleichzeitig hatten die wiederholt gescheiterten Reformpläne gezeigt, dass der Wunsch nach einer deutschen Nation in einem föderalen Bundessystem autonomer Fürstentümer kaum zu vereinbaren war. „Selbst die eifrigsten Bundesreformer […] konnten sich nie dazu durchringen, ein autonomes und starkes Nationalparlament zu fordern, das den Fürsten und Regierungen auf annähernd gleicher Augenhöhe entgegengetreten wäre. Hier lag eine entscheidende Schwäche aller Bundesreformpläne, die es verhinderte, dass der Bund und seine Repräsentanten eine Verbindung mit jenen Kräften in der deutschen Nationalbewegung eingehen konnten, die eine föderative Lösung der deutschen Frage der kleindeutsch-preußisch-zentralistischen Variante vorgezogen hätten. Die Bundesreform scheiterte insofern auch daran, dass sie nur sehr wenig Rückhalt unterhalb der gouvernementalen beziehungsweise ministeriellen Ebene fand.“486
Allen Diskussionen über die Motive zum Trotz: der Krieg war ausgebrochen. Auf der Seite Österreichs kämpften die meisten deutschen Mittelstaaten wie Hannover, Sachsen, Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Kassel. Preußen zählte außer Italien lediglich die norddeutschen Kleinstaaten und Hansestädte zu seinen Verbündeten. So sprach ernsthafte Sorge aus den Worten König Wilhelms: „So sind denn die Würfel geworfen! […] Entweder wir siegen oder werden mit Ehren tragen was der Himmel über Preußen beschließt!!“487 Die öffentliche Meinung stand bei Kriegsausbruch gegen die Politik der Regierung Bismarck: eine Welle von Kundgebungen gegen den Bruderkrieg rollte durch Preußen, während die süddeutschen Parlamente Kriegsanleihen gegen den Aggressor im Norden bewilligten. Konservative wie Ernst Ludwig von Gerlach betonten, dass der Dualismus im Bund 50 Jahre lang den Frieden gesichert habe, und 484 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 536 ff. und Kaernbach, Hegemonie oder Interessensphärenteilung, S. 264. 485 Die Erklärung Preußens über den Rücktritt vom Bundesvertrag bei Huber, Dokumente II, S. 205 f. 486 Müller, Deutscher Bund, S. 571. Vgl. Kaernbach, ebd., S. 264 f. 487 König Wilhelm an Ministerpräsident Bismarck am 16. Juni 1866 (in Wilhelm und Bismarck, S. 152).
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
sagten sich von Bismarck los.488 „Die Liberalen wollten entweder die Einheit ohne Krieg, oder, wenn sie den Krieg nicht ausschlossen, so wollten sie doch nicht […] den Krieg der verhassten Konfliktregierung, den Krieg Bismarcks, den er nur zu seinen Zwecken führte und als Ausweg aus dem [innenpolitischen] Konflikt.“489 Nur eine kleine Minderheit wagte es, die preußische Politik offen zu unterstützen. Entscheidend für den Kriegsverlauf490 war die Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866, die Preußen für sich entschied, bevor sich Frankreich zur Intervention entscheiden konnte. Inzwischen hatte sich, ausgelöst durch die neue Heeresorganisation, die Stimmung in Preußen komplett gedreht491, da in fast jeder Familie ein Angehöriger in den Krieg zog. „[W]enn auch der Krieg gegen des Volkes Willen begonnen wurde, so ist doch gegenwärtig jedes preußische Herz bei der Armee und der Krieg entschieden populär.“ So brachte auch die Wahl zum preußischen Abgeordnetenhaus am Tag von Königgrätz einen Erdrutschsieg der Regierung. Auf den ersten Blick konnte Bismarck einen maßvollen Friedensschluss492 durchsetzen: Österreich erkannte die Auflösung des Deutschen Bundes und eine Neuregelung der norddeutschen Verhältnisse ohne eigene Beteiligung an. Süddeutschland gestattete man die Bildung eines unabhängigen Bundes, dessen Verbindung mit dem Norden noch zu bestimmen sei. Alle Rechte an Schleswig-Holstein gingen an Preußen über, Sachsen sollte als Pufferstaat zwischen Preußen und Österreich erhalten bleiben. Außer der Abtretung Venetiens wurden der Donaumonarchie nur vergleichbar geringe Reparationszahlungen auferlegt. Der Weg zum Friedensvertrag führte über „altertümliche Sieges- und Beutevorstellungen“493 vonseiten des Militärs und des Königs sowie über harte internationale Verhandlungen. Russland setzte sich mit Nachdruck für den Erhalt der Souveränität der verwandten Dynastien in Stuttgart und Darmstadt ein. Zwischen Frankreich und Preußen entspann sich eine Interventions- und Kompensationskrise um die linksrheinischen Gebiete, Luxemburg und Belgien, auf deren Höhepunkt
488 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 804 f. und Kraus, Bismarck und die preußischen Konservativen, S. 22 ff. 489 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 782. Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 203 ff. 490 Zum Kriegsverlauf Brandt, Deutsche Geschichte, S. 168 ff.; Clark, Preußen, S. 612 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 555 ff.; Lutz, Habsburg und Preußen, S. 458 ff., Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 783 ff. 491 Überzeugend zusammengefasst bei Lutz, ebd., S. 463. Dort auch folgendes Beispiel, übermittelt von Jakob Venedey am 2. Juli 1866 aus dem Rheinland. Vgl. auch Bierling, Königgrätz, S. 22. 492 Huber, Verfassungsgeschichte, S. 568 ff. über den Vorfrieden von Nikolsburg bis zum Prager Frieden. 493 Lutz, ebd., S. 468. Vgl. zu den diplomatischen Vorgängen vor dem Frieden ebd., S. 465 ff.
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Bismarck und sein Generalstabschef Moltke die Chancen für einen sofortigen Krieg gegen Frankreich, Österreich und Süddeutschland erörterten.494 Dass Preußen im Frieden von Prag seine Ansprüche gegenüber Süddeutschland zurückhielt, geriet der Regierung Bismarck zum Vorteil. Man demonstrierte Selbstbeschränkung, beruhigte die europäischen Mächte und spielte die süddeutschen Sorgen vor einem erneuten Rheinbund sowie das französische Misstrauen gegenüber Preußen gegeneinander aus. Zusätzlich zu den separaten Friedensschlüssen mit den siebzehn deutschen Staaten, die an der Seite Österreichs gekämpft hatten, schloss man – zunächst geheime – Schutz- und Trutzbündnisse, die einen unkündbaren Militärbund unter preußischem Oberbefehl begründeten. In Nord- und Mitteldeutschland wurde die politische Ordnung komplett umgestaltet. Preußen annektierte Holstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt, wobei besonders König Georg V. von Hannover nicht auf seine Rechte verzichten wollte. Der jahrelange Streit gipfelte in seiner Aberkennung des Abfindungsvertrages und der Ausrufung des Welfenreiches im Februar 1868. Letztlich kassierte die Regierung Bismarck per Notverordnung das gesamte Vermögen ein und überwies es in den geheimen Welfenfonds.495 In Österreich hatte die Niederlage gegen Preußen die Schwäche des politischen Systems aufgedeckt. Für den Vielvölkerstaat war innerhalb der deutschen Nation kein Platz. Der Versuch, die Donaumonarchie zu zerschlagen und deutsche Teile in die Nation zu führen, hätte einen europäischen Krieg zur Folge gehabt. Um als Ordnungsfaktor in Südosteuropa zu bestehen, mussten die beiden selbständigen Bereiche Österreichs gleichberechtigt werden und der Übergang zum Verfassungsstaat gelingen. Am Ende stand ein selbständiges ungarisches Ministerium unter Graf Andrássy und die Wiederherstellung der ungarischen Verfassung von 1848 im Februar 1867. Der zweite starke Mann der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie war Reichskanzler von Beust, der zuvor in Sachsen die geradezu reaktionäre Regierung geleitet hatte, was den Systemwechsel in Österreich in gewisser Weise verschleierte. Im Ergebnis blieb nach allen diplomatischen Auseinandersetzungen und dem Krieg nur Bismarck als Wortführer der nationalen Einigung übrig. Der preußische Ministerpräsident erhielt deutlich mehr Handlungsspielraum bei der Neuordnung (Nord-)Deutschlands, als in einem reformierten Deutschen Bund je möglich gewesen wäre.496 Nicht der nationale Gedanke des deutschen Liberalismus, sondern ein Nationalismus mit wenig liberalen Elementen stand Pate für die neue politische Gestaltung. Damit war die Zeit gekommen für eine Neuordnung der Parteiverhält494 Vgl. dazu Kronprinz Friedrich Wilhelm an Bismarck am 9. August 1866 (in Bismarck, Briefwechsel, S. 402). 495 Vgl. zu alledem Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 577 ff. 496 Vgl. Kaernbach, Hegemonie oder Interessensphärenteilung, S. 267. Ebenso nachdenklich, erhellend und kritisch über die Ergebnisse der ersten modernen Teilung der Nation: Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 790 ff.
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
nisse: „Durch ihre Vergangenheit steht die Regierung feindlich zu dem Liberalismus, durch den Krieg, den sie geführt, die Annexion, die sie vorbereitet, feindlich zu den Feudalen; der Erfolg, den sie in der inneren Lage errungen, beruht in der Schwächung beider Parteien, in der Bildung einer Regierungspartei, die von Tag zu Tag stärker wird.“497 b) Die Preußischen Jahrbücher im Jahr der Krise Der Streit um die Herzogtümer Schleswig und Holstein sowie das Verhältnis zu Österreich und den deutschen Drittstaaten dominierte die Berichterstattung der PJ im ersten Halbjahr 1866. Der Rückblick auf die Herzogtümerfrage im Jahr 1865 aus der Feder des Schwaben Wilhelm Lang498 galt dabei als Richtschnur für die weiteren Veröffentlichungen. So sahen es die PJ als allgemein akzeptierte Tatsache an, dass Preußen SchleswigHolstein früher oder später annektieren könne, ohne in einen Krieg zu ziehen. Österreich befinde sich nach der Absetzung des Staatsministers von Schmerling in einer erneuten Verfassungskrise und könne keine dauerhafte Rivalität mit Preußen anstreben.499 Ausführlich wurden Die Verfassungskrisis in Österreich500 und die „unklaren, widerspruchsvollen politischen Anschauungen“501 der Deutsch-Österreicher thematisiert. Wieder einmal sei das finis austriae nahe: „Soweit man blickt, Auflösung, centrifugal wirkende Kräfte und nirgends das schöpferische Genie eines Mannes, der die chaotischen Elemente zu bändigen verstände. Das Experiment des sogenannten centralisierenden Constitutionalismus ist durch die Unthätigkeit des Ministeriums Schmerling mißlungen, die Experimente des Dualismus und Föderalismus können unmöglich zum Ziel führen, wir fürchten sehr, wir steuern mit vollen Segeln dem Absolutismus zu, der wieder alle Gegensätze zum Schweigen bringen wird. Dies bleibt jedoch gewiß, wenn, was wir nicht glauben, die dualistische Idee in ihrer Schroffheit siegreich bleibt, so hat der österreichische Staat sein Todesurtheil unterschrieben.“502
Für eine Annexion der Herzogtümer spreche auch die europäische Lage. „Das vorherrschende Friedensbedürfnis“ werde „die kleinste der Großmächte stärken, also das europäische Gleichgewicht […] befestigen“503. Seit Bismarck Napoleon III. in 497 Karl Frenzel im Deutschen Museum (16/1866, S. 317), zitiert in Engelberg, Bismarck, S. 627. 498 In: PJ XVII, 1 (1866), S. 76 ff. Besprechung in der offiziösen Provinzial-Korrespondenz vom 31. Januar 1866 (http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1866 – 01 – 31/9838247/, Zugriff: 3. Mai 2016). 499 Vgl. Lang, Rückblick auf die Herzogtümerfrage, S. 94 f. 500 Springer in PJ XVI, 6 (1865), S. 595 ff. Vgl. Beer, Korrespondenz aus Wien, in PJ XVI, 6 (1865), S. 623 ff. und Wassmann, Österreich in den PJ, S. 74 ff. 501 Springer, Die Verfassungskrisis in Österreich, S. 609. 502 Ebd., S. 629 f. 503 Lang, Rückblick auf die Herzogtümerfrage, S. 95.
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einer Unterredung die Nähe zwischen Preußen, Österreich und Russland verdeutlicht habe, sei dieser nicht mehr geneigt, eine drohende Haltung gegenüber der preußischen Machterweiterung einzunehmen.504 Daher war Heinrich von Treitschke „felsenfest“ davon überzeugt, binnen kurzem „eine zweite Auflage“ von Gastein zu erleben – wieder einen kleinen, aber bedeutsamen „Schritt vorwärts, den natürlich die Liberalen wieder als eine Niederlage Bismarcks angreifen werden“505. Weiterhin verbanden die PJ die Forderungen nach Gebietserweiterung im Norden mit der Beilegung des Verfassungskonflikts – und sahen die eigene Regierung in Zugzwang.506 Der augustenburgische Erbprinz verdanke seine europaweite Popularität „lediglich dem Antagonismus, in welchem ein Zufall […] ihn gegen den Grafen Bismarck gesetzt hat“507. Preußen könne „seine volle Kraft“ nicht einsetzen, „so lange es nicht zu den normalen Bedingungen des modernen Staats zurückkehrt und seine Aufgabe in Deutschland […] erfaßt“508. Als der Streit um die Zukunft Schleswig-Holsteins im Frühjahr 1866 eskalierte, erschien den PJ Österreich als alleiniger Aggressor, da es sich durch seine pro-augustenburgische Agitation gegen Preußen und den „Waffenstillstand von Gastein“509 gestellt habe. Man sei weit davon entfernt, in Bezug auf die Altonaer Zusammenkunft das Versammlungsrecht anzuzweifeln. „Wenn aber die österreichische Regierung eine solche Ausübung des Vereins-Rechtes duldet, sie, die im eigenen Lande solche Rechte überhaupt nicht anerkennt […], so kann kein Vernünftiger zweifeln, daß es ihr dabei nicht um liberale Ideen, sondern um einen Schachzug gegen Preußen zu thun ist.“510 Auch die harsche Reaktion auf die preußische Protestnote sowie die Aufrüstung seien eindeutige Zeichen österreichischer Gehässigkeit und Torheit. Doch mit Sorge bemerkte Wehrenpfennig, dass auch von preußischer Seite aus nichts mehr getan werde, um den Frieden zu sichern. Die Verordnung vom 11. März 1866 bezüglich Holstein – die den Erwerb der Herzogtümer proklamierte und die preußischen Souveränitätsrechte als definitiv betrachtete – beweise, wie die Regierung „die Rücksicht auf die moralischen Faktoren, auf die öffentliche Meinung in Deutschland und in Europa, auf die Stimmung in den Herzogthümern außer Acht läßt und lediglich den diplomatischen Effect berechnet“511. Wehrenpfennigs Mahnungen 504
Vgl. Meyer, Politische Korrespondenz von Ende November, in PJ XVI, 6 (1865), S. 616 ff. Ähnlich Sybel an Baumgarten, 4. Mai 1866, nach einer Audienz bei Napoleon (in Heyderhoff, Preußisch-dt. Einigung, S. 280 f.). 505 Treitschke an Salomon Hirzel am 11. Februar 1866 (in Cornicelius, Briefe Treischkes II, S. 462). 506 Vgl. Meyer, Politische Korrespondenz von Ende November 1865, S. 620. 507 Meyer, Politische Korrespondenz von Ende Januar, in PJ XVII, 2 (1866), S. 230 ff., hier S. 234. 508 Lang, Rückblick auf die Herzogtümerfrage, in PJ XVII, 1 (1866), S. 95. 509 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende März, in PJ XVII, 4 (1866), S. 459 ff., hier S. 459. 510 Ebd., S. 460. 511 Ebd., S. 461.
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nach Einsicht und friedlichen Maßnahmen zur Lösung des Konflikts wirkten dabei „zweifelhaft bei einem politischen Publizisten, der so oft schon zur ultima ratio eines deutschen Krieges geraten hat“512. Zugleich offenbarte der Blick über die innerdeutschen Grenzen, dass es Preußen an Bündnispartnern mangelte.513 Baden stehe nach dem Rücktritt des liberalen Ministers Roggenbach unter dessen mittelstaatlich orientiertem Nachfolger von Edelsheim an der Schwelle eines „sich selbst überstürzende[n] Radicalismus […], dessen nothwendige Folge die Reaction ist“514. Es sei unklar, „ob das Land und seine Vertreter sich wirklich in das österreichisch-mittelstaatliche Lager hinüberziehen lassen“515. Auch von der sächsischen Regierung, die sich fatal sorglos in Bezug auf einen möglichen Krieg zeige516, erwarteten die PJ kein Entgegenkommen – spätestens seit sich der leitende Minister von Beust öffentlich über die „sachsenvernichtenden Tendenzen“517 der Zeitschrift beschwert und Treitschke öffentlichkeitswirksam geantwortet hatte, Beusts Reaktion habe die Meinung gefestigt, „daß dieser talentvolle Mann seinen Beruf verfehlt hat“. Männern der Feder dürfe man „Parteilichkeit für ein […] eminentes journalistisches Talent zu gute halten. An die Denkschriften praktischer Staatsmänner dagegen pflegen preußische Blätter einen anderen Maßstab anzulegen.“518 Auch der Blick ins Ausland war kurz vor Ausbruch des deutsch-österreichischen Krieges von Skepsis geprägt. Nach Unterzeichnung des preußisch-italienischen Offensivbündnisses erörterte Julius Königer Die Kriegsmacht Italiens519 und konnte mit leidenschaftlichen Formulierungen seine grundlegenden Zweifel an der italienischen Durchschlagskraft nur mühevoll überdecken. Nichts von den Verhandlungen 512
Wassmann, Österreich in den PJ, S. 77. Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende März 1866, S. 463 und Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Mai, in PJ XVII, 5 (1866), S. 569 ff., hier S. 575. Ähnlich Duncker an Baumgarten am 22. Mai 1866 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 411). 514 von Weech, Korrespondenz aus Baden von Ende März, in PJ XVII, 4 (1866), S. 453 ff., hier S. 454. 515 Ebd. 516 Vgl. Busch, Aus Sachsen, in PJ XVII, 6 (1866), S. 670 ff. 517 „Mit welchem Aufwand von Gehässigkeit und selbst Verleumdung werden in preußischen Blättern die Regierungen der Mittelstaten [sic!], namentlich die sächsische Regierung, tagtäglich verfolgt. In den Preußischen Jahrbüchern führt in regelmäßiger Folge ein bekannter Schriftsteller aus, daß die deutschen Staaten nicht etwa nur Preußen sich unterordnen, nein, daß die deutschen Staaten und Dynastien zu existiren aufhören sollen.“ Zitiert in: von Treitschke, Herr von Beust und die Preußischen Jahrbücher, in PJ XVI, 6 (1865), S. 589 ff., hier S. 589. Vgl. Schiemann, Treitschkes Lehr- und Wanderjahre, S. 238. 518 von Treitschke, Beust und die PJ, S. 593. Auf S. 594: „[M]it Hilfe des wohlgelungenen sächsischen Preßgesetzes ist es ein Leichtes, jede Opposition auf gesetzlichem Wege mundtodt zu machen. Zur Entschädigung verlangt er nur, daß die preußische Presse gleichfalls gedrückt werde […]. Nach alledem begreifen wir nicht, mit welchem Rechte die Organe dieses Staatsmannes […] behaupten, er denke weit liberaler als Graf Bismarck.“ 519 Königer, Die Kriegsmacht Italiens, in PJ XVII, 6 (1866), S. 612 ff. 513
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zwischen Frankreich und Österreich ahnend, thematisierte Wehrenpfennig die ungeklärte Rolle Napoleons III. Auch aus England konnte Preußen keine Unterstützung gegen Österreich erwarten, so dass die PJ konstatierten: „[M]it dem ersten Kanonenschuß [steht] Unsägliches auf dem Spiel für beide Mächte.“520 Mit der Sicht des unvermeidlichen Krieges, in dessen Folge der preußische Verfassungskonflikt zu lösen sei, befanden sich die PJ in einer Minderheitsposition. Lediglich Vossische Zeitung, Nationalzeitung und Grenzboten sprachen den Gedanken an Krieg gegen Österreich offen aus – forderten aber zugleich Ministerwechsel in Preußen zugunsten der Liberalen.521 Die meisten Stimmen aus dem Lager der gedruckten Presse warnten eindringlich vor einer kriegerischen Auseinandersetzung, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Die Kölnische Zeitung, fürchtete die Befestigung der grundsatzlosen Machtpolitik Bismarcks522, setzte sich für einen europäischen Friedenskongress ein, ließ österreichische Korrespondenten ihre Sicht der Dinge erläutern und urteilte: Aus einem langen, traurigen Blutvergießen könne keine der deutschen Mächte einen Vorteil ziehen, sondern nur „das lauernde Ausland“523. Den Systemwechsel in Preußen zur Sicherung des Friedens forderten ebenso die Volkszeitung524 und die Münchner Neuesten Nachrichten, die zudem den Gedanken einer deutschen Trias nicht aufgaben525. Die alten Bahnen zu verlassen, revolutionäre Wege zu gehen und gegen Österreich zu kämpfen, konnte nach Ansicht Gerlachs in der Kreuzzeitung nur Preußens Untergang zur Folge haben.526 So urteilte Bandmann in seiner Studie Deutsche Presse und Deutsche Frage: „[E]ines fehlte fast allen: das ruhige Selbstbewußtsein, das Vertrauen auf die eigene Macht und die gute Sache. Wir suchen es vergebens in der süddeutschen und österreichischen Presse, wir finden es kaum in der preußischen-norddeutschen, wirklich bemerkbar macht es sich nur in den Preuß[ischen] Jahrbüchern, der Vossischen Zeitung und allenfalls noch in den Grenzboten. Auch die konservativen Blätter in Berlin zeigen es, aber sie tragen es dermaßen zur Schau, daß man an ihrer Ehrlichkeit Zweifel hegen muß.“527
Zweifel an der Ehrlichkeit Bismarcks hegten Kölnische Zeitung und Nationalzeitung in Zusammenhang mit den Vorschlägen zu Bundesreform und frei gewähltem
520
Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende März, in PJ XVII, 4 (1866), S. 464. Vgl. Bandmann, Deutsche Presse und Deutsche Frage, S. 102 f., Friehe, Nationalzeitung S. 113 ff. und Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 84. 522 Vgl. Buchheim, Kölnische Zeitung, S. 417 und der Chefredakteur der Kölnischen Zeitung, Heinrich Kruse, an Heinrich von Sybel am 28. und 30. Mai 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 297 ff.). 523 Kölnische Zeitung vom 5. April 1866 (in Buchheim, ebd., S. 407). 524 Vgl. Bandmann, ebd., S. 101 f.; Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 84. 525 Vgl. Rau, Münchner Neueste Nachrichten, S. 100 ff. und S. 115. 526 Vgl. Bandmann, ebd., S. 85 f. 527 Ebd., S. 121. 521
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Parlament.528 Gerade die liberalen Blätter verbargen ihre „Abneigung gegen das allgemeine Wahlrecht und die zu erwartenden Konsequenzen“529 kaum. Zugleich forderten konservative und linksliberal-demokratische Publikationen, Bismarcks Pläne weiter zu verfolgen. Die fortschrittsnahen Münchner Neuesten Nachrichten betonten, eine gute Sache werde nicht schlechter, weil schlechte Menschen sie zu missbrauchen versuchten.530 Ähnlich argumentierten Volks- und Spenersche Zeitung.531 Das allgemeine Wahlrecht – und die damit zusammenhängende, von den Liberalen kaum thematisierte soziale Frage – als „Waffe gegen die liberale Opposition“ einzusetzen, forderten Norddeutsche Allgemeine und Kreuzzeitung.532 Mit der „Wendung der preußischen Politik zur deutschen Frage“533 beschäftigten sich auch die PJ und schätzten die Motive des preußischen Ministerpräsidenten nicht ohne Grund richtig ein: Im März 1866 war „Treitschke […] von Bismarck über die Bundesreform unterhalten worden; er scheint eine unendliche Menge von Dingen […] vorgetragen zu haben und bezeugte seine Freude, als er […] hörte daß Treitschke sie im Ganzen verstanden“534. Daher bekannte Rudolf Haym gegenüber PJ-Verleger Reimer: „Die neuste paradoxe Wendung Bismarcks zum Liberalismus und Parlamentarismus muß, wie frivol sie scheint, von uns ernst genommen werden und so haben wir immerhin eine Mission und eine Zukunftsaussicht.“535 In den PJ selbst erläuterte Wilhelm Wehrenpfennig, dass Bismarck offensichtlich mit einer bereinigten Form der deutschen Trias „die Interessen des mächtigsten Mittelstaats“ Bayern mit den preußischen zu verflechten suche. Da die Reformpläne in Süddeutschland schnell auf Ablehnung stießen, hatte Wehrenpfennig kaum Hoffnung auf „wagenden Ehrgeiz“ in München und ein gesamtdeutsches Parlament, „in welchem eine preußisch-bayrische Mehrheit über die Grundrechtsphantasien des deutschen Durchschnittspolitikers obsiegt[]“536. Für die PJ waren Bismarcks Reformpläne ein Schritt zur Kriegsvermeidung, wenn sie auch optimistisch argu528
Vgl. Bercht, PJ, S. 145 f.; Buchheim, Kölnische Zeitung, S. 408 ff.; Friehe, Nationalzeitung, S. 116; Gagel, Wahlrechtsfrage, S. 38 ff.; Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 85. 529 Bandmann, Deutsche Presse und deutsche Frage, S. 160, vgl. auch S. 127. 530 Vgl. Rau, ebd., S. 112. 531 Vgl. Bandmann, ebd., S. 159; Frölich, Volkszeitung, S. 336 ff.; Widdecke, Spenersche Zeitung, S. 315. 532 Wenn die konservative Partei es verstehe, „die Arbeiterfrage in die Hand zu nehmen, ist es mit der Fortschrittspartei zu Ende“, schrieb Wagener bereits in der Kreuzzeitung Nr. 30/1863 (zitiert in Gagel, Wahlrechtsfrage, S. 31, vgl. zu alledem ebd., S. 26 ff.). 533 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Mai, in PJ XVII, 5 (1866), S. 569 ff., hier S. 576. 534 Wilhelm Dilthey an seinen Vater – mit Anspielung auf Treitschkes Schwerhörigkeit – am 21. Mai 1866 (in Dilthey, Briefe, S. 345), ebenso Baumgarten an Sybel am 1. Mai 1866 (in Heyderhoff, Preuß.-dt. Einigung, S. 278). 535 Haym an Georg Reimer am 12. April 1866 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 244). 536 Alles in Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Mai, in PJ XVII, 5 (1866), S. 577.
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mentierten: „Gestalten sich die Beziehungen zwischen Berlin und München freundschaftlich, so wird Oesterreich doppelt Ursache haben, den Krieg gegen Preußen-Italien, in dem sich höchstens Sachsen auf seine Seite würfe, zu vermeiden. So kann die ausgespielte Bundesreform ein Druckmittel zur Ausgleichung des eigentlichen Streitpunktes werden“ – wenn „in Wien die Staatsraison noch zuletzt den Sieg über den Hochmuth davonträgt“537. Vor einem frei gewählten gesamtdeutschen Parlament warnten die PJ mit der Begründung, dass sich die Deutsche Frage nicht mit einer Volksbewegung lösen lasse. „[D]as deutsche Volk ist zu schwerfällig, um solchen genialen Sprüngen zu folgen. In seinen Herzen haften die Erinnerungen an die letzten vier Jahre preußischer Verwaltung.“538 Allerdings trieb die Altliberalen vor allem die Angst um, in einem System des plebiszitären Cäsarismus, wie es Napoleon III. in Frankreich praktizierte, in der politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Statt einer Herrschaft der kleinbürgerlichen und ungebildeten Majorität forderten die PJ erneut den Ausbau der Selbstverwaltung, um die staatliche Ordnung zu stabilisieren.539 Unter dem Eindruck der Kriegsgefahr begann sich bei den Altliberalen im Umfeld der PJ indes die Einstellung gegenüber der preußischen Regierung zu ändern.540 Ohne die gegenwärtige Führung wäre Preußen nicht in der Lage, erfolgreich Krieg zu führen, meinten Rudolf Haym und Hermann Baumgarten541. In den PJ beschwor Wehrenpfennig bereits Ende März 1866 den Alp des zweiten Olmütz herauf: „Wir wünschen auf das lebhafteste die Beseitigung unseres heutigen Regierungssystems, wenn aber jetzt […] liberale Minister an die Regierung kämen, und sie wollten, mit Aufgeben der Annexion sowie der Februarbedingungen, um des Friedens willen dem Erbprinzen Friedrich die Herzogthümer zuerkennen, so würden wir und würde die Geschichte dieses Zurückweichen für nicht weniger demüthigend halten, als es 1850 537
Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Mai 1866, S. 578. Wilhelm Dilthey berichtete seinem Vater Ende April 1866 (in Dilthey, Briefe, S. 343 f.), in der Sache sei nichts vorbereitet, „auch mit Baiern nicht; mit den Partheiführern in Deutschland ist gar nichts vorbereitet, ja nicht einmal mit denen in Preußen. So ist dieser ganze Plan entweder ein […] Fechterstreich, oder er muß ein unglückliches Ende nehmen. Denn ein Parlament, in welchem die Österreicher sitzen, ist ein Nonsens.“ 538 Ebd., S. 577. Vgl. Haym an Max Duncker am 18. April 1866 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 244). 539 Vgl. Gagel, Wahlrechtsfrage, S. 30 ff. und Schmid, Das demokratische Prinzip, in PJ XVII, 6 (1866), S. 640 ff., hier S. 669: „[D]as Selfgovernment macht das Volk zu seinem eigenen Herrn, ohne den Bau unserer staatlichen Ordnung mit immer neuen Erschütterungen zu bedrohen.“ 540 Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 203 ff. und grundlegend Faber, Realpolitik als Ideologie. 541 Baumgarten an Heinrich von Sybel am 11. Mai 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 283): „Ein liberales Ministerium würde diesen Krieg schwerlich je bei der Dynastie, dem Adel und der Militärpartei durchsetzen, vielleicht auch vor der Verantwortlichkeit zurückschrecken.“ Aus dem Briefkonzept Baumgartens an Karl Twesten vom 27. Mai 1866 (ebd., S. 296): „Ich kenne die Liberalen nicht, die eine so furchtbar schwierige Situation zu bemeistern verhießen […].“
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
die Unterwerfung zu Olmütz war.“542 Der bittere, zähe, allgemeine Hass, den „die Mißregierung im Innern in den letzten 4 Jahren hervorgerufen und den leider gerade Bismarck durch seine Bedeutung und durch seine Allüren auf seine Person konzentriert hat“543, müsse im Kriegsfall zurücktreten, die Interessen des Staates in den Vordergrund rücken. Das habe die realitätsferne preußische Fortschrittspartei nach Meinung der PJ noch nicht erkannt.544 In dieser Argumentation steckte der Kern der neuen Parteikonstellation, die sich in den Wirren des Jahres 1866 anbahnte. Altliberale und PJ agierten im „äußersten Bemühen, den Gegner durch jedes ehrenhafte Zugeständniß mit unseren Zielen zu versöhnen“545. Zur Losung wurde einerseits das „Betonen des Rechts des Landes auf Herstellung seiner Verfassung“546, andererseits die Unterstützung der allerdings auf „unrechter Basis gesuchte[n] Lösung der deutschen Frage“547. Anders zu handeln bedeutete, sich entweder ins Lager der Reaktion zu begeben oder den „vielleicht nie wiederkehrenden Moment versäumen, dem Lande den inneren Frieden, der Regierung die denkbar größte moralische Stärkung [zu] verschaffen. Nicht: zuerst die Grenzen, dann die Freiheit sicherstellen, auch nicht: erst die Freiheit, dann die Grenzen, – sondern Beides mit Eins und zumal und Eins durch das Andere!“548 Gerade Forscher, die sich nur am Rande mit den PJ beschäftigten, verleiteten diese Tendenzen dazu, die Zeitschrift als puren Verfechter Bismarckscher Politik zu bezeichnen. Dass Pflanze in seiner einflussreichen Biografie betonte, Bismarck habe Treitschke als „Publizisten und treuen Verfechter seiner Politik seit 1866“549 geschätzt, kann die PJ bereits ins falsche Licht rücken. Bercht sprach von der „Umkonstitutierung der Preußischen Jahrbücher in ein Organ der Nationalliberalen Partei“, das Bismarck geholfen habe, „Deutschland so durch die Revolution von oben zu einen, die demokratische Bewegung zu überrollen – reaktionär und militärisch“550. Sell meinte551, die PJ hätten sich der rücksichtslosen Anwendung von Macht verschrieben – und fügte auf der Suche nach prominenten Namen den Herausgeber der Historischen Zeitschrift, Heinrich von Sybel, hinzu. Prugel vernachlässigte historische Tatsachen gänzlich und schrieb: „Im Krieg 1866 trat Baden auf die österreichische Seite. Treitsche [sic!] legte deshalb seine Professur nieder und 542
Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende März, in PJ XVII, 4 (1866), S. 459 ff., hier S. 464. Nochmals in: Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Mai, in PJ XVII, 5 (1866), S. 575. 543 Heinrich v. Sybel an Hermann Baumgarten am 14. Mai 1866 (in Heyderhoff, Preußischdeutsche Einigung, S. 284). 544 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Mai 1866, S. 575. 545 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Ende März 1866, S. 464. 546 Rudolf Haym an Wilhelm Schrader am 16. Mai 1866 (in Heyderhoff, ebd., S. 286 f.). 547 Briefkonzept Hermann Baumgartens an Karl Twesten vom 27. Mai 1866 (ebd., S. 296). 548 Rudolf Haym an Wilhelm Schrader am 16. Mai 1866 (ebd., S. 287). 549 Pflanze, Bismarck, S. 555. 550 Bercht, PJ, S. 148 und S. 149. 551 Vgl. Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 219.
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ging nach Berlin, um sich Bismarck als Herausgeber der politisch-historischen Zeitschrift ,Preußische Jahrbücher‘ zur Verfügung zu stellen.“552 Es ist eine Tatsache, dass Altliberale zu Mitträgern der Politik Bismarcks wurden. Theodor von Bernhardi, der sich zu Beginn des Verfassungskonflikts aus dem Autorenkreis der PJ zurückgezogen hatte, arbeite aus eigenem Antrieb für den preußischen Generalstabschef von Moltke einen Operationsplan gegen Österreich aus und setzte sich gegenüber dem Kronprinzen und den Führern des Nationalvereins für die Unterstützung Bismarcks ein. Im Mai 1866 begann er eine diplomatische Mission im verbündeten Italien. Max Duncker verließ seinen Posten als Vortragender Rat des Kronprinzen und wirkte fortan als preußischer Zivilkommissar, zunächst in Kassel, dann in Hannover. Beide zogen den Weg des „Wirkens dem der Propaganda vor […], weil sie zum konkreten preußischen Staat ein viel innigeres Verhältnis hatten als die übrigen Liberalen, die ihn letztlich als Mittel zum Zweck benutzen wollten. Die Altliberalen waren darum bereit, ihre liberalen Wünsche zunächst einmal zurückzustellen.“553 So richtig die obige Einschätzung ist, so trifft sie nur zum Teil auf die PJ zu: die Zeitschrift hatte sich dem preußischen Staat verschrieben, nicht der preußischen Regierung. Oft wird in diesem Zusammenhang Rudolf Haym zitiert, der in der angespannten Lage vor dem Krieg geäußert hatte: „Der Rücktritt Bismarcks, der Tod des Königs, der Eintritt eines liberalen Ministeriums – alles das würde ich in diesem Augenblick für das größte Unglück erachten.“554 Allerdings hatte Haym diese Position in Bezug auf die Außen- und Bundespolitik eingenommen und hoffte in der Innenpolitik weiter auf ein Entgegenkommen der Regierung. „Wenn wir uns als liberale Partei nicht geradezu ruinieren sollen, so müssen wir […] in der Kritik der inneren Haltung unseres Ministeriums unseren fortschrittlichen Gegnern recht geben und erst von dieser Basis aus das ,Trotz alledem‘ zur Geltung zu bringen suchen. Tun wir das nicht, so wirft man uns einfach zu den Reaktionären, tun wir es aber, so haben wir eine wahre Herkulesarbeit jene höheren Gesichtspunkte zur Anerkennung zu bringen. Hier bleibt also nur Eine Hoffnung. Die nämlich, daß man uns von oben, damit wir wirklich Hilfe leisten können, wenigstens einen halben Schritt entgegenkomme. […E]ine königliche Proklamation könnte etwas tun. Ein oder zwei liberale Namen im Ministerium würden mehr tun. […E]twas Derartiges müßte doch durchzusetzen und die Notwendigkeit davon einem Manne klar zu machen sein, der die Allianz mit Garibaldi und mit dem allgemeinen Stimmrecht nicht scheut.“555 552
Prugel, Treitschke, S. 76 f. Fülling, Altliberale, S. 73. Vgl. Leben Bernhardis VI, S. 297 ff. und Schulze, Briefe Dunckers, S. 417 ff. 554 Rudolf Haym an Max Duncker am 7. April 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 243). 555 Rudolf Haym an Duncker am 12. Mai 1866 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 407), ähnlich an Georg Reimer am 12. April 1866 (in Heyderhoff, ebd., S. 244). Duncker versicherte er am 19. Mai 1866 (in Schulze, ebd., S. 409 f.), „daß keinerlei Gefahr ist, von der Fortschrittspartei uns fortreißen zu lassen. Gegen die Parole: erst die Verfassung, dann die Existenz, werden wir auf unserer patriotisch-nationalen Basis uns stemmen bis aufs äußerste. Aber auch 553
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Auch Treitschke sollte sein Schicksal mit dem preußischen Staat verknüpfen, nicht aber mit der preußischen Regierung. Er betonte im Dezember 1865, als er Bismarck bat, ihm für seine Forschung die preußischen Staatsarchive zu öffnen: „[I]ch glaube bewiesen zu haben, daß ich bestrebt bin mich von den Vorurtheilen meiner Partei frei zu halten, und daß mir der preußische Staat und das Recht seiner Selbsterhaltung höher steht als das Parteiinteresse.“556 Kurz vor Kriegsbeginn erhielt Treitschke das Angebot Bismarcks, im Hauptquartier der preußischen Armee Kriegsmanifeste zu schreiben – und danach auf eine Professur in Berlin berufen zu werden. Doch Treitschke lehnte ab. Er könne sich nicht um eines zweifelhaften Erfolgs willen der Politik eines Mannes verpfänden, „deren Sünden zu bessern ich keine Macht besitze“557. Vielmehr drängte Treitschke in seiner Antwort auf die Anerkennung des Budgetrechts des preußischen Abgeordnetenhauses, und zeigte damit politisches Selbstbewusstsein und ein stolzes „Unabhängigkeitsgefühl[] auf der Grundlage der Überzeugung“558. Bismarck musste diese Entscheidung respektieren und sicherte Treitschke gleichzeitig zu, ihn „mit allem dazu erforderlichen Material“ im gemeinsamen Kampf für die deutsche Politik Preußens zu unterstützen. Im Anhang zu dieser Zusage erhielt Treitschke die „Grundzüge der Bundesreform […], wie ich Sie, allerdings immer nur als ein einfaches Skelett, zur Grundlage unserer Berathungen mit dem Parlament habe unterbreiten und gestern den deutschen Regierungen mittheilen lassen“ mit der gleichzeitigen Bitte, „in möglichst rascher Folge in Flugblättern und Zeitungsartikeln dies Manifest zu erläutern […]“559. Treitschke lobte den Vorschlag zur Bundesreform überschwänglich – und blieb dennoch bei seiner Meinung, als freier Schriftsteller außerhalb von Preußen am besten wirken zu können. Einerseits lag es ihm fern, sich instrumentalisieren zu lassen. Andererseits sagte er Bismarck voraus, „die Weser-Ztg., die Preuß. Jahrbücher, einige hessische und thüringische
die Parole, welche die Sache umkehrt, erscheint mir für die Wahlagitation nicht praktikabel… Wir können den Bestand des Staates nur retten auf der Grundlage eines aufrichtigen Friedens der Regierung mit dem Lande, und das Dokument dieses Friedens ist die Anerkennung des Verfassungsrechts.“ 556 Treitschke an Bismarck am 10. Dezember 1865 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 447). Die Erlaubnis erhielt Treitschke am 15. März 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 4, Mappe 19, Bl. 1/2). 557 Treitschke an Gustav Freytag am 12. Juni 1866 (in Cornicelius, ebd., S. 478 f.), ebenso an Charlotte Duncker am 10. Juni 1866 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 414 f.). 558 Bussmann, Treitschke, S. 48; ebenso Langer, Treitschke, S. 118 f., der erläutert, dass Treitschke „mit seinen Aufsätzen zum Krieg gegen Dänemark und zum sich daraus unmittelbar ergebenden ,Bruderkrieg‘ gegen Österreich dazu beitrug, gewaltsames und widerrechtliches preußisches Vorgehen öffentlich zu rechtfertigen […]; damit ließ er […] die Wiederherstellung der Verfassung und den Kampf für die Freiheit als zweitrangig erscheinen.“ 559 Bismarck an Treitschke am 11. Juni 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 4, Mappe 19, Bl. 3/4). Vgl. auch Treitschke an Salomon Hirzel am 25. März 1866 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 464).
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Blätter“560 würden ihre Schuldigkeit tun. Nur wenige Tage später sollte Treitschke überstürzt Freiburg verlassen und gemeinsam mit Wilhelm Wehrenpfennig die Redaktion der PJ übernehmen. Das Kriegsgeschehen spielte in den PJ eine untergeordnete Rolle. Allerdings positionierte sich die Zeitschrift durch die Beiträge Treitschkes zweifellos auf der Seite Preußens, das nun die vermeintlich heillose Verbindung zwischen Deutschland und Österreich beenden müsse.561 In seinem Manifest Der Krieg und die Bundesreform appellierte er an die liberale Opposition im preußischen Landtag, das außenpolitische Genie Bismarcks anzuerkennen, das zur deutschen Einheit führen werde. Zwar betonte Treitschke seine Vorbehalte gegen die reaktionäre Innenpolitik, skizzierte aber die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen Parlament und Regierung. Der Liberalismus stehe vor der Entscheidung, sich als patriotische Partei mit der Regierung auszusöhnen oder politisch nicht mehr handlungsfähig zu sein. Der Prinzipienkampf um die Freiheit sei überholt, Macht und Freiheit seien nicht immer vergleichbare Größen: „Heute macht die Geschichte mit Einem Schlage dem doctrinären Streite über Macht und Freiheit ein Ende. Sie fragt wenig nach unseren Theorien, sie zermalmt den Thoren, der das Schicksal mit seinen Wünschen zu meistern wähnt. Der Kampf um die Macht bricht an, und es wäre der Gipfel der Thorheit, wenn wir das Parlament, das längst ersehnte, jetzt zurückwiesen, da die einzige Hand, die stark genug ist es zu verwirklichen, die Krone Preußen, es uns bietet.“562
„Deutlicher konnte das Postulat einer Wende des Liberalismus zum Realismus und zum Primat der Einheit vor der Freiheit kaum ausgedrückt werden“, urteilte Langer563 – allerdings wurde dieser gewohnt deutliche Artikel Treitschkes in der Broschürenflut aus den Tagen vor Kriegsausbruch kaum beachtet564 und büßte ein gewaltiges Maß der Wirkmächtigkeit ein, die ihm gerne zugeschrieben wird. Über den Aufsatz, der an etliche Zeitungsredaktionen, Politiker und Bismarck geschickt wurde565, urteilte Wehrenpfennig: „Er ist in der Stimmung anders als Ihre sonstigen 560
An Bismarck am 14. Juni 1866 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 480). Auch Kölnische, Vossische und Spenersche Zeitung forderten die Unterstützung der Regierung in ihrer auswärtigen Politik und die Zurückstellung der Streitfragen im Innern, um Preußens Existenz zu sichern (vgl. Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 88). Die Augsburger Allgemeine Zeitung wandte sich von Preußen ab und forderte die Bundesreform, vermied aber ein klares Bekenntnis zu Österreich (vgl. Gebhardt, S. 88). 562 von Treitschke, Der Krieg und die Bundesreform, in PJ XVII, 6 (1866), S. 677 ff., hier S. 687. Vgl. Langer, Treitschke, S. 115 ff.; Leonhard, Nationalhistoriographie, S. 195 ff.; Wassmann, Österreich in den PJ, S. 82 f. 563 Langer, Treitschke, S. 117. 564 Der Aufsatz werde totgeschwiegen, schrieb er Charlotte Duncker am 10. Juni 1866 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 415); dito Wehrenpfennig am 8.6. (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 89/90). 565 Vgl. Treitschke an Georg Reimer am 7. Juni 1866 (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 6), Wehrenpfennig an Treitschke am 8. Juni 1866 (StaBi Berlin 561
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politischen Arbeiten; es waltet in ihm nicht so sehr die zündende Macht der Leidenschaft, wohl aber ein Geist hohen Ernstes, männliche Gefaßtheit und weiser, überlegender Mäßigung.“566 Und so stimmten zwar viele Liberale Treitschke zu567, zweifelten aber am Erfolg der offensiven Unterstützung der preußischen Kriegspolitik oder beschwerten sich über die hämische Form, in der Treitschke über die deutschen Mittelstaaten urteilte568. Geprägt von den Siegen der preußischen Armee war auch Treitschkes Korrespondenz im Juliheft der PJ. Für die Politik Österreichs, des Deutschen Bundes und der gegnerischen Mittelstaaten hatte er nur Verachtung übrig.569 Im Gegensatz dazu habe sich Preußen als „einzige organisirte rein-deutsche Macht [erwiesen]. Jetzt gilt es, an dieses Preußen, wie es ist, mit all’ seiner rauhen Größe, seiner Härte und Schroffheit, als an einen festen Kern die weiche Masse der Kleinstaaten anzuschließen, vorläufig in einer Art von föderativer Verbindung.“ Als Schablone für diesen Anschluss sollten die Reformvorschläge für den Deutschen Bund gelten, ein „staatsmännisches Werk, maßvoll und schonend gegen das Bestehende und doch tief einschneidend in die ärgsten Schäden des deutschen Staatslebens“570. Nicht verhandelbar war nach Ansicht Treitschkes der preußische Oberbefehl über alle deutschen Truppen sowie die Absetzung der Dynastien in den okkupierten norddeutschen Staaten. Einzig das Volk in Waffen, die „monarchische Zucht des Heeres“ habe die Erfolge für das neue Deutschland errungen. Man mag das als eine Tendenz Treitschkes zum Militarismus deuten – doch schränkte der Autor selbst ein: „Damit ist keineswegs gesagt, daß wir verzichten sollen auf den Kampf um das parlamentarische System. Ohne eine geregelte Theilnahme der Nation an der Leitung des Staats kann das neue Deutschland nicht bestehen; die Lösung der Einheitsfrage wird auch der Freiheit zu Gute kommen.“ Doch nach den Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus mit der deutlichen Stärkung der Konservativen müsse der Liberalismus „endlich sich nüchtern Rechenschaft geben über den bescheidenen Umfang seiner Macht“ und die Verständigung mit den wirklich Mächtigen suchen.571 PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 89/90) und Georg Reimer an Treitschke am 4. August 1866 (ebd., Kasten 8, Mappe 69, Bl. 10). 566 Wehrenpfennig an Treitschke am 29. Mai 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 298). 567 Vgl. August Lammers an Franz Leibing am 16. Juni und Ludwig Aegidi an Eduard Simson am 18. Juni 1866 (ebd., S. 310 und S. 311). 568 Vgl. Heinrich von Sybel an Hermann Baumgarten am 2. Juni 1866 (ebd., S. 299 ff.), die Antwort Baumgartens vom 23. Juni 1866 (ebd., S. 313 ff.) und Ludwig Aegidi an Eduard Simson am 18. Juni 1866 (ebd., S. 311). 569 Vgl. von Treitschke, Politische Korrespondenz vom 10. Juli, in PJ XVIII, 1 (1866), S. 93 ff, hier S. 94 ff. 570 Beide Zitate ebd., S. 101. Zum Nachfolgenden vgl. S. 102 ff. 571 Alle Zitate des Absatzes in: Treitschke, Politische Korrespondenz vom 10. Juli 1866, S. 106. Vgl. auch Berndt, Zustände am Ober- und Niederrhein: Vom Niederrhein, im August, in PJ XVIII, 3 (1866), S. 334 ff.
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Darüber hinaus ermahnte Treitschke die Regierung, nicht hochmütig zu werden. Sie gelte als usurpatorische Macht, sei umringt von Feinden, müsse das parlamentarische Recht der Budgetbewilligung wiederherstellen und begreifen, dass die Mehrheit der Bevölkerung „in erster Linie liberal und nur nebenher deutsch gesinnt ist. Es geht auf die Dauer nicht an, im Innern reaktionäre, nach Außen in einem großen edlen Sinne revolutionäre Politik zu treiben. Ohne den Beistand der Macht der Ideen sind ideale politische Ziele nicht erreichbar.“572 Erst wenn diese Voraussetzungen gegeben seien, könnte ganz Deutschland die „Folgen der kleinstaatlichen Verbildung und Verkümmerung“ ablegen und „die edlen, in mancher Hinsicht dem Norden überlegenen, Kräfte seines Volkes […] wieder nationalen Zwecken dienen“573. War Treitschkes Korrespondenz für die PJ noch von einem Mindestmaß an Verständigung mit den innen- und außenpolitischen Gegnern geprägt, so spitzte er seine Ausführungen in der Schrift Die Zukunft der norddeutschen Mittelstaaten zu574 – gerade in Bezug auf die radikale Durchführung der Annexionspolitik sowie die Ansicht, dass die nationale Einigung nur durch preußische Regierung und Armee durchzuführen sei. Besondere Aufmerksamkeit erregte das Pamphlet erstens durch den Umstand, dass die sächsische Regierung es verbot und preußische Zeitungen das Zensurverfahren verfolgten. Zweitens erklärte Treitschkes Vater, ein sächsischer Militär, öffentlich seine Loyalität zum sächsischen Königshaus und distanzierte sich von seinem Sohn. Treitschke, den man nach seiner Ankunft in Berlin „wie einen Propheten“575 behandelt hatte, nahm die Reaktionen beinahe gleichgültig hin: „Der sächsischen Polizei bin ich sehr dankbar; eine solche Reklame hätte Reimer nie fertig gebracht. Aber an meinen armen Vater hab’ ich bei jedem Worte der Flugschrift mit Schmerz gedacht […].“576 Nach Kriegsende stand für die PJ die Neuordnung der Beziehungen zu den deutschen Staaten im Mittelpunkt des Interesses. Österreich war logischerweise davon ausgenommen und wurde – in bemerkenswerter Übereinstimmung mit praktisch der gesamten deutschen Presse und selbst den HPBl – schnell und oberflächlich beurteilt: der Untergang sei nur zu vermeiden, wenn das Kaiserreich hart
572
von Treitschke, ebd., S. 107. Die folgende Behauptung Berchts (PJ, S. 151) ist also nicht korrekt: „Damit nahm die Zeitschrift eine Position ein, die sich ab Juli/August 1866 mit der Bismarcks im vollen Umfang identifizierte.“ 573 von Treitschke, ebd., S. 98. 574 Zu Treitschkes Juli-Korrespondenz, dem Pamphlet und den Reaktionen vorbildlich: Langer, Treitschke, S. 119 ff.; vgl. Wyrwa, Treitschke, Geschichtsschreibung und öffentliche Meinung, S. 783 ff. 575 Treitschke an Emma von Bodman am 28. Juli 1866 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 34). 576 Treitschke an Salomon Hirzel am 14. August 1866 (DLA Marbach, A: Hirzel 57 – 513).
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reformiert werde und sich auf spezifisch österreichische Interessen beschränke. Dann allerdings sei eine günstige Entwicklung zu erwarten.577 Mit Blick auf Die Lage in den norddeutschen Mittelstaaten sprachen sich die PJ in Einstimmung mit fast allen liberalen preußischen Publikationen578 für die „Einverleibung […] in den preußischen Staat mit sorgfältiger Schonung der provinziellen Einrichtungen und möglichst weiter Competenz der Provinzialtage“579 aus. Dabei erwartete August Lammers in Hannover einen „heftigen Kampf[] zwischen dem Beamtenstande und der Geschäftswelt“580 bei der Frage nach Annexion oder Selbständigkeit. Für das von Verfassungskampf und Missregierung gebeutelte Kurhessen kam nach Meinung Otto Hartwigs nur die Absetzung des Kurfürsten581 und danach eine Personalunion mit Preußen in Frage. Diese Forderung wurde in den PJ zwar veröffentlicht, aber einleitend durch Treitschke zurückgewiesen.582 Im kläglich ohnmächtigen Kleinstaat Sachsen583 bemerkte Moritz Busch eine immense Preußenfeindlichkeit in den unteren Schichten, dem Beamtentum und im Umfeld der geschlagenen Armee. Darüber hinaus zeigten die Zustände am Ober- und Nieder-
577 Vgl. von Treitschke, Politische Korrespondenz vom 10. August, in PJ XVIII, 2 (1866), S. 219 ff., v. a. S. 219 und S. 226 f. sowie Bierling, Königgrätz, S. 92 ff. Auf S. 93 vermutete er richtig: „Die offiziöse und zum größten Teil auch die liberale Presse suchte, vielleicht zur Besänftigung des Gegners, die durch Königgrätz geschaffene neue Lage Österreichs möglichst günstig erscheinen zu lassen.“ 578 Für Annexionen sprachen sich Breslauer Zeitung, Kölnische Zeitung, Magdeburgische Zeitung, Nationalzeitung, Vossische Zeitung und selbst der (zentralistisch eingestellte) Sozialdemokrat aus – wobei Letzterer ein Nationalparlament zur Mitsprache einforderte. Lediglich die Volkszeitung setzte sich mit dem Verweis auf das Recht des Schwachen für die weitere Existenz der Mittelstaaten und die föderalistische Reichsverfassung von 1849 ein (vgl. Bierling, Königgrätz, S. 43 f. und Frölich, Volkszeitung, S. 358 f.). 579 von Treitschke u. a., Die Lage in den norddeutschen Mittelstaaten, in PJ XVIII, 2 (1866), S. 189 ff., hier S. 189. Vgl. auch seine Polit. Korrespondenz vom 10. September, in PJ XVIII, 3 (1866), S. 342 ff., hier S. 348. 580 Lammers, Die Lage in den norddeutschen Mittelstaaten: Hannover, 16. Juli, S. 197. Weiter: „Jener fürchtet […] unbrauchbar zu werden, wenn Hannover einfach preußisch wird; diese weiß, daß in einem Staate von Preußens Umfang und Bildungsstufe die materiellen Interessen nicht leicht dauernd Noth leiden, und ist überhaupt bei der Verwischung aller den Verkehr störenden Grenzen und Unterschiede zunächst interessirt.“ 581 Vgl. Hartwig, Die Lage in den norddeutschen Mittelstaaten: Kassel, 13. Juli, in PJ XVIII, 2 (1866), S. 199 ff. 582 Vgl. Treitschke an Hartwig am 14. Juli 1866 (Hessische Landesbibliothek Wiesbaden, Hs. 324): „Eine Personalunion z. B. halte ich nicht für durchführbar. Wir brauchen […] klare einfache Verhältnisse. Doch will ich Ihre Sätze stehen lassen als ein beachtenswerthes Symptom der Stimmungen in den Patriotenkreisen Kurhessens.“ 583 Busch, Die Lage in den norddeutschen Mittelstaaten: Sachsen, 23. Juli, S. 204 ff. Vgl. zur Korrespondenz die Briefe Buschs an Treitschke (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 5, Mappe 105, Bl. 21 – 24).
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rhein, dass Klerikale, Ultramontane und Demokraten gemeinsam eine reine Negation der preußischen Einheitspolitik betrieben.584 Inzwischen waren die Friedensverträge der verschiedenen deutschen Staaten mit Preußen ausgearbeitet. Die Gründung eines deutschen Staatsverbundes über den Main hinaus war nach Ansicht der PJ auch wegen möglicher französischer Interventionen in weite Ferne gerückt.585 Vor allem in wirtschaftlichen Anreizen und einer Neugründung des Zollvereins sah man fortan den besten Weg, um den Süden enger an den preußisch dominierten Norden zu binden.586 Die Lage im Süden Deutschlands beurteilten die PJ mit gemischten Gefühlen. Gerade mit den Ministerien von der Pfordten in Bayern und Varnbüler in Württemberg, wo allgemeiner Preußenhass herrsche, sei keine gemeinsame Politik zu machen.587 In Baden schlage die Stimmung des Volkes so schnell um wie das Wetter, gerade in Bezug auf eine mögliche Führung Preußens.588 „Für die wenigen zuverlässigen deutschen Patrioten in Baden ist es sehr traurig, daß sie vorerst von den Wohlthaten des deutschen Staates ausgeschlossen sind. Aber für die Masse des Volkes ist es durchaus nothwendig, daß sie noch durch eine harte Zeit der Prüfung und Erkenntniß durchgeht und vor Allem, daß sie nach den Jahren völliger Zuchtlosigkeit unter dem Régime Lamey eine Schule strenger, ernster, staatlicher Zucht durchmacht, zu der ihr hoffentlich die Energie des Ministeriums Mathy-Jolly verhelfen wird.“589 Diese Einschätzung bestätigten die badischen Freunde immer wieder, wie auch diese Zeilen Karl Mathys – wenn auch nicht an die PJ, sondern an Gustav Freytag gerichtet – zeigen: „Unser sogenanntes Süddeutschland, wo neben urdeutschem Sinn der deutsche Unsinn blüht, darf aber noch lange nicht hinein. Ich bitte Dich, liebster Gustav, sage in Berlin, daß man uns zappeln lasse.“590 584
Vgl. A. von Sybel, Zustände vom Rhein, in PJ XVIII, 3 (1866), S. 330 ff. und Berndt, Zustände vom Niederrhein, ebd., S. 334 ff. 585 Vgl. von Treitschke, Politische Korrespondenz vom 10. August 1866, in PJ XVIII, 2 (1866), S. 221 u. S. 231 sowie Bierling, Königgrätz, S. 66 ff. „Mir scheint, es wird, um einen Krieg mit Frankreich wenn möglich zu vermeiden, der Süden nicht alsbald in dem Bundesstaat aufgenommen werden […]“, schrieb Julius Jolly an August Ludwig Reyscher am 11. August 1866 (WLB Stuttgart, NL Reyscher, Cod. Hist. Fol. 767 Fasz. XIII A-K). 586 Vgl. von Treitschke, ebd., S. 227 f. und Böhmert, Deutschlands wirtschaftliche Neugestaltung, in PJ XVIII, 3 (1866), S. 269 ff. Zur Entstehung von Böhmerts Artikel vgl. StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 18, Mappe 7, Bl. 77/78 (Böhmert an Treitschke am 25. Juli 1866). 587 Vgl. von Treitschke, ebd., S. 224 und Politische Korrespondenz vom 10. September 1866, S. 349. 588 Vgl. v. Weech, Zustände am Ober- und Niederrhein: Aus Baden, in PJ XVIII, 3 (1866), S. 325 ff., hier S. 329. 589 Ebd., S. 330; vgl. von Treitschke, Politische Korrespondenz vom 10. August 1866, S. 223. 590 Mathy an Freytag am 14. Oktober 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 350; viele weitere interessante Einschätzungen der Beziehungen zwischen Nord und Süd ebd., S. 334 ff.).
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Als vorläufige Lösung unter den aktuellen politischen Umständen hatten die PJ die Mainlinie akzeptiert. Damit befanden sie sich in Gesellschaft einer großen Gruppe liberal-fortschrittlicher Publikationen. Erst nach längerem Bedenken schwenkten auch andere Blätter derselben Parteischattierung in dieses Lager hinüber, in der Überzeugung, „daß der Zustand kein definitiver sei“. Die konservative Presse dagegen wollte „von einem kleindeutschen Reich und vom deutschen Beruf Preußens nichts wissen“591. Dennoch behielt Wehrenpfennig mit seiner Einschätzung Recht, die er bereits während des Kriegssommers geäußert hatte: „Aber lassen Sie uns doch die Gunst der europäischen Lage nicht überschätzen. Will man in der bisherigen Weise fortfahren, so muß man am Main stehenbleiben […] und das übrige dem Norddeutschen Bundesstaat, resp. der Kraftlosigkeit der volkswirtschaftlich an uns gebundenen süddeutschen Staaten überlassen. […D]a der Süden außerdem zu betäubt und zu so plötzlicher Wandlung noch nicht vorbereitet ist, so wäre es mir lieber, unser Einigungswerk vollzöge sich in zwei Akten, von denen der erste und wichtigste bis zum Main ginge und zunächst ein Gemisch von Annexion und Bundesstaat würde.“592
Die Vorbehalte gegenüber Württemberg bestätigten sich im Herbst 1866 während der „Affäre Pauli“. Der preußische Historiker und PJ-Autor in württembergischem Dienst hatte in der Korrespondenz Württemberg und die Bundeskatastrophe die widersprüchliche alemannische Seele beschrieben: trotzig und charakterstark, partikularistisch und preußenfeindlich, fernwehgeplagt und heimatverbunden. Einer Polemik gegen die schwäbische Presse, den schwachen König Karl I. und die Regierung Varnbüler-Golther folgte die Empfehlung: „Ein völliger Wechsel des Systems nach Innen wie nach Außen ist unerläßlich geworden […].“593 In ihrem herben Ton und der strikten Ablehnung süddeutsch-partikularistischer Tendenzen unterschied sich Paulis anonym veröffentlichte Korrespondenz nicht von denen, die Treitschke aus Baden an die PJ geschickt hatte. Freilich musste Pauli im konservativ regierten Württemberg mit einer Reaktion der Regierung rechnen, weshalb Treitschke trotz allen Lobes594 bat, den Verfasser geheim zu halten595. 591 Bierling, Königgrätz, S. 47 f. Zu ersten Gruppe zählte er Norddeutsche Allgemeine, Kölnische und Nationalzeitung sowie Hamburger Reform, zur zweiten Schlesische Zeitung und Wochenblatt des Nationalvereins. 592 Wehrenpfennig an Treitschke am 19. Juli 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 333). 593 Pauli, Württemberg und die Bundeskatastrophe, in PJ XVIII, 2 (1866), S. 177 ff., hier S. 189. An seine Schwiegermutter schrieb er am 5. August 1866 (in Pauli, Lebenserinnerungen, S. 249 f.) über den „Wahnsinn“ auch der Gebildeten, die aus Furcht vor Preußen und falscher Hoffnung zu Österreich von „wesenlosen Machtsidealen“ schwärmten. Es herrsche „Terrorismus gegen jeden anders Denkenden“. Zweimal habe man ihm „die Fenster einwerfen wollen, und hat mehrere von uns mit Prügeln bedroht“. 594 Pauli, Lebenserinnerungen, S. 251, verweist auf einen Brief Treitschkes vom 7. September 1866. Außerdem Treitschke an Reimer am 23. Juli 1866 (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 10). 595 Vgl. an Wilhelm Lang am 21. August 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 18, Mappe 7, Bl. 53).
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Deutlich reservierter äußerten sich die schwäbischen Freunde über die Korrespondenz. „Sie hat bei den preußisch Gesinnten keinen guten Eindruck gemacht“, erklärte Wilhelm Lang. „Es ist nicht bloß […] das Kolorit zu grell, sondern es fehlt auch an der Richtigkeit der Tatsachen.“596 Eduard Zeller erinnerte an das Loyalitätsgebot eines Professors gegenüber der Landesregierung und urteilte über den Artikel: „So frisch er geschrieben ist und so manche schneidige Wahrheit er enthält, so finde ich es doch stark, sich in diesem […] Ton über den Volksstamm zu äußern […].“597 Die Korrespondenz erhielt eine politische Dimension, als Kultusminister Ludwig Golther die offizielle Anfrage an Pauli richtete, ob er der Autor sei. Pauli bejahte das, worauf der Minister ihn mit Verweis auf Artikel 47 der württembergischen Verfassung und Beschluss des Tübinger Universitätssenats aus seinem Amt entfernen wollte. Die Tübinger Ordinarien lehnten ab, die Studenten protestierten, Pauli wurde ins evangelische Seminar Schöntal versetzt. Bald darauf reichte er sein Abschiedsgesuch aus dem württembergischen Dienst ein. In Preußen und Süddeutschland machte „[d]ie Paulische Sache […] großes Aufsehen“598 und hatte sogar ein offenes Rundschreiben deutscher Professoren für das freie Geistesleben samt Sammlung für Pauli zur Folge599. Man war entrüstet „über den Eingriff in die Akademische Freiheit, wenn man auch Paulis etwas burschikoses und leidenschaftliches Benehmen nicht entschuldigte“600. Eine andere Frage aber sei es, „ob die Regierung wohlgethan hat, nach dem Verfasser eines anonymen Journalartikels zu inspiciren. Jedenfalls würde es klug sein, sich jetzt mit der moralischen Niederlage desselben zu begnügen.“601 Heinrich von Treitschke stand während der gesamten Affäre in regem Briefkontakt mit Reinhold Pauli602 und war verärgert über „die Perfidie der süddeutschen Blätter, die jetzt mich wegen meines Weggangs von Freiburg loben – natürlich nur um Pauli desto tiefer in den Kot zu reißen“603. Radikale und Ultramontane seien unfähig, die Ehrenhaftigkeit des Gegners zu verstehen. PJ-Verleger Georg Reimer 596
Wilhelm Lang an Baumgarten am 9. September 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 346). 597 Eduard Zeller an Karl Klüpfel am 21. November 1866 (UB Tübingen, NL Klüpfel, Md 756 – 47, Bl. 693/4). 598 Ebd. 599 Rundschreiben an Treitschke vom 6. Dezember 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 8, Mappe 30). 600 Karl Mendelssohn-Bartholdy an Treitschke am 6. Dezember 1866 (ebd., Kasten 7, Mappe 69, Bl. 9/10). 601 Eduard Zeller an Karl Klüpfel am 21. November 1866 (UB Tübingen, NL Klüpfel, Md 756 – 47, Bl. 693/4). 602 Briefe von November und Dezember 1866 in StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 2, Nr. 14, Bl. 5 bis 10 sowie StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 8, Mappe 33, Bl. 3 – 12. Vgl. Pauli, Lebenserinnerungen, S. 251 ff. 603 Treitschke an Emma von Bodman am 21. November 1866 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 116).
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
kündigte er an, die „Niederträchtigkeit gegen Pauli“ zu besprechen, damit „diese Sache ein Nagel für den Sarg des Minister Varnbühler [sic!]“ werde.604 Öffentlich verteidigte Treitschke den Artikel als bescheiden und maßvoll.605 Die Regierung Württembergs hätte durch „den Weg der gerichtlichen Verfolgung“ ehrenhaft handeln können – doch hätte „jeder halbwegs geschickte Anwalt […] Beweise im Ueberfluß für die Wahrheit der Behauptungen“606 erbringen können. Stattdessen habe man durch die Suche nach dem Autor die Pressefreiheit umgangen und mit Paulis Versetzung die Künste der schwäbischen Bürokratie offen gezeigt. Gegen Preußen zu wettern sei in Württemberg gern gesehen, eine Gegenposition einzunehmen sei unmöglich. In Preußen aber (das in Württemberg als Staat der Knechtschaft gelte) könnten Professoren selbst im Abgeordnetenhaus unbehelligt der Regierung widersprechen. Mit dieser Behauptung war Treitschke in seiner Staatstreue über das Ziel hinausgeschossen, veröffentlichte er sie nicht einmal ein Jahr nach dem Obertribunalsbeschluss gegen Karl Twesten, der die parlamentarische Redefreiheit faktisch aufgehoben hatte. Vernichtend blieb Treitschkes Kritik nur an den süddeutschen Verhältnissen: „[W]enn wir […] den politischen Unverstand, den gehässigen Stammesdünkel der Schwaben sich spreizen sehen, so sinkt unsere Hoffnung tiefer und tiefer, und wir wiederholen das besorgte Wort […]: Es wird eine Schule der Leiden sein, die den Süden zu dem Norden zurückführt.“607 c) Zwischenfazit: Kriegsjahre – PJ, Außen- und Bundespolitik bis 1866 Geprägt von Enttäuschung über verpasste Gelegenheiten zeigten sich die PJ nach Amtsantritt der Regierung Bismarck. In der Bundespolitik übernahm Österreich die Initiative, legte nachvollziehbare Vorschläge zur Bundesreform vor und erzielte mit dem Frankfurter Fürstentag einen öffentlichkeitswirksamen Erfolg. Dass die preußische Regierung den Einfluss des Konkurrenten durch bloße Negationspolitik zurückdrängte, blieb den PJ ein schwacher Trost. Die Krise um Schleswig-Holstein aber sollte die Karten in der Bundespolitik neu mischen und die Rolle der PJ in der liberalen Nationalbewegung verändern. Hatte man sich anfangs für die Rechte des augustenburgischen Fürsten und das Selbstbestimmungsrecht der Herzogtümer eingesetzt, so erfolgte rasch der Ruf, die preußischen Erfolge im Norden zur Beschleunigung der Deutschen Einheit einzu604
Treitschke an Reimer am 21. November 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 17), Ähnlich am 29. November 1866 (ebd.): „[W]ir sind es Pauli schuldig, die Sache mit Feierlichkeit zu behandeln.“ 605 Vgl. von Treitschke, Reinhold Pauli und Minister Golther, in PJ XVIII, 6 (1866), S. 693 ff. Auf S. 693 schränkte er ein: „Der Verfasser hätte vielleicht einige scharfe persönliche Angriffe unterdrücken sollen […].“ 606 Ebd., S. 694. Treitschke erstaunte, dass die preußische Regierung dieses Vorgehen gegen einen Freund zulasse (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 116). 607 Ebd., S. 699. Zum Vorherigen vgl. S. 695 ff.
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setzen. Man forderte die Annexion Schleswig-Holsteins sowie die Anerkennung der außen- und bundespolitischen Erfolge Bismarcks. In der Kontroverse mit einem exponierten Mitglied der kleindeutsch-föderativen Partei, Ludwig Häusser, sprach sich Heinrich von Treitschke dann bei seiner spektakulären Rückkehr zu den PJ für den rücksichtslosen Einsatz der Militärmacht zugunsten Preußens und der deutschen Einheit aus. Die Zeitschrift positionierte sich im Verlauf des Konflikts um Schleswig-Holstein auf Seiten des Teils der Nationalbewegung, der die innere Reform zwar nicht zugunsten der staatlichen Einheit aufgab, aber den Zeitpunkt zur Realisierung Letzterer früher gekommen sah. Damit repräsentierten die PJ bei weitem nicht mehr – wie in ihrem Gründungsprogramm von 1857 formuliert – das Gesamtleben der Nation. Gegen sie stand der große Teil, der innere und äußere Politik nicht getrennt bewertete. Mit prägnanten, provozierenden und umstrittenen Äußerungen fand die Zeitschrift nun mehr denn je Gehör in der erhitzten öffentlichen Debatte, was zugleich Lob und Kritik von preußischen und deutschen Liberalen einbrachte. So sahen die PJ auch einen bundesdeutschen Krieg als unvermeidbar an, wenn sie auch die (mehr oder minder ernsthaft betriebenen) Pläne unterstützten, die Auseinandersetzung durch eine Reform des Deutschen Bundes unter Ausschluss Österreichs zu verhindern. Unter dem Eindruck der Kriegsgefahr manifestierte sich die Sicht, dass nur eine starke Regierung Bismarck die Existenz des preußischen Staates sichern könne. So stand der preußische Staat – nicht die preußische Regierung – im Mittelpunkt des Interesses der PJ und der Altliberalen. Dementsprechend deutlich waren während des Krieges gegen Österreich die Jubelstürme ob der Stärke der preußischen Armee. Eine Tendenz zu Staatsverherrlichung und Militarismus ließ sich gerade in den Korrespondenzen Heinrich von Treitschkes nicht leugnen. Allerdings waren seine Zeilen für die PJ von einem Mindestmaß an Verständigungsbereitschaft mit den Gegnern geprägt – im Gegensatz zu seinen frei veröffentlichten Broschüren. Nach Kriegsende empfahlen die PJ Österreich, auch mit Blick auf spätere Bündnisse, einen harten Reformkurs und die Beschränkung seiner Interessen auf Südosteuropa. Für die norddeutschen Mittelstaaten beschrieben die Korrespondenten vor Ort zwar Alternativen zur Annexion, diese Vorschläge wurden aber von den Redakteuren der PJ zurückgewiesen. Die Gründung eines gesamtdeutschen Staatsverbundes war nach Ansicht der Zeitschrift wegen der Preußenfeindlichkeit in Süddeutschland und wegen der französischen Interventionspolitik zunächst nicht zu realisieren; die Mainlinie wurde als vorläufige Lösung unter den aktuellen politischen Umständen akzeptiert. „Unsere Revolution wird von oben vollendet wie begonnen, und wir mit unserem beschränkten Unterthanen-Verstande tappen im Dunkeln.“608 Die Einsicht, dass 608 Treitschke an Georg Reimer, 1. Dezember 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 18).
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D. Die Preußischen Jahrbücher in konfliktreichen Zeiten (1862 bis 1866)
niemand anderes als die Regierung Bismarck (und nicht der zaghaft und widersprüchlich reagierende (Alt-)Liberalismus) seit 1864 die deutschlandpolitischen Voraussetzungen grundlegend verändert hatte, sprachen die führenden Köpfe der PJ früher und deutlicher aus als die meisten anderen Liberalen. So zeichnete sich die neue Parteienkonstellation ab, in der auch die Altliberalen schwankten: zwischen Unterstützung der Regierung in außen- und deutschlandpolitischen Fragen und der Verwirklichung der verfassungsmäßig garantierten Rechte im Innern.
E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch I. Rudolf Hayms Suche nach Unterstützung und der Wechsel zu Wilhelm Wehrenpfennig An Hayms Art der Redaktionsführung hatte sich während seiner Tätigkeit wenig geändert. Auch wenn er im April 1861 bekräftigte, die Artikel seiner Autoren nun besser, schneller und nicht mehr so stark zu redigieren1, erinnerte sich zum Beispiel Wilhelm Dilthey noch Jahrzehnte später, wie sehr „Schere und Bleistift“ Hayms „in ganz Deutschland gefürchtet“2 waren. Tatsächlich klagte der regelmäßig über mangelhafte3 und viel zu lange Einsendungen, die er wegen der Konkurrenz durch die Deutschen Jahrbücher und die begrenzten Druckseiten der PJ stark bearbeiten müsse4. Doch auch die Autoren beschwerten sich über Hayms Vehemenz, wie Sigurd Abel, dessen Artikel der Herausgeber „von A bis Z umgearbeitet“ und wesentliche Änderungen vorgenommen hatte, „die ich weder materiell noch formell billigen kann, und für die ich schlechterdings nicht verantwortlich sein will“5.
1 Rudolf Haym an Max Duncker am 21. April 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 204 f.). 2 Dilthey, Gesammelte Schriften XI, S. 225. 3 Gegenüber Wilhelm Mommsen beschwerte er sich beispielsweise am 8. Februar 1859, dass er seit Tagen mit der Korrektur eines Aufsatzes – Barth, 10 Jahre bayerisches Verfassungsleben, in PJ III, 3 (1859) – beschäftigt sei (StaBi Berlin PK, NL Mommsen, Kasten 46, Bl. 9 f.). Außerdem voller Ironie an Ostern 1862 an Duncker (GStA PK, VI. HA, NL Duncker, Nr. 56, Bl. 42 f.) „Heut’ schickt mir Rößler zwei Quartseiten. Das soll die Pol. Correspondenz sein! Fürwahr, eine würdige Fortführung Ihrer gediegenen Aufsätze! Man könnte es für einen schlechten Witz halten, wenn es nicht offenbar bitterer Ernst wäre. Es ist doch ein schlimmes Ding mit den geistreichen Menschen – denn diese aphoristische Kürze soll augenscheinlich die geistreiche Ausflucht sein, mit der sich unser Freund hilft […]. Mein […] Mißtrauen, auf das Arrangement einzugehen – das mir Wehrenpfennig bezeugen kann – war also nur zu sehr begründet!“ Die Korrespondenz in PJ IX, 4 schrieb Haym letztlich selbst. 4 Haym berichtete Duncker am 14. September 1861 (ebd., Bl. 183 ff.), dass „die Oppenheimsche Concurrenz zu […] Anstrengungen mahnt.“ Bezüglich des Umfangs der PJ am 25. November 1859 an Treitschke (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 31 f.): „Ich bekomme wegen Überschreitens des contractlichen Umfanges der Hefte und Jahrgänge eine Nase nach der anderen“ von Verleger und Komitee. „Obgleich ich daher für Aufsätze wie den Ihrigen gern den doppelten Platz hätte, so habe ich doch factisch kaum den halben.“ 5 Sigurd Abel an Ferdinand Frensdorff am 19. November 1860 (NSUB Göttingen, F. Frensdorff I Brief 5).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
Max Duncker blieb als Korrespondent und Ratgeber für Haym – und somit für den politischen Einschlag der PJ – enorm wichtig, was dieser ihm wieder und wieder dankte.6 Für das redaktionelle Tagesgeschäft aber war der Hallenser Pädagoge, Philologe und Historiker Otto Nasemann7 bedeutend. Er unterstützte seinen Studienfreund Haym mit Miszellen und Aufsätzen, als Sekretär und im Sommer 1861 als Redaktionsleiter in Hayms Abwesenheit.8 Darüber hinaus wünschte sich Haym nichts sehnlicher als einen Mitredakteur in Berlin; er brachte dafür Mitstreiter wie Treitschke, Mommsen, Baumgarten, Droysen, Neumann und Wehrenpfennig ins Spiel.9 Doch es war niemand aufzutreiben, um „die erfolglose Politik der Partei zu verteidigen“ und „dieselbe kritisierend, einen positiven Weg vorzuzeichnen“10. Unterstützung benötigten die PJ personell und finanziell. In einem Rundschreiben von Oktober 1860 wiesen Rudolf Haym und Georg Reimer das Komitee der Zeitschrift auf ein beträchtliches Defizit hin und baten um Rat, Tat und Abonnements. Die PJ könnten nur durch erhebliche finanzielle Opfer des Verlegers fortgeführt werden: „Obgleich nämlich der finanzielle Ausfall, den die Verlagshandlung auch für den zweiten und dritten Jahrgang zu tragen hatte, nicht unerheblich war, und obgleich derselben […] das Recht zugestanden hätte, diesen Ausfall auf Grund der ausgestellten Garantiescheine einzuziehen, so hat dieselbe doch im Interesse der Sache hierauf verzichten zu sollen gelobt.“11 Vor allem von Seiten der Altliberalen vermisste Haym ein öffentliches Bekenntnis zu den PJ. Gerade im Kampf gegen die (Parteien-)Konkurrenz seien sie „solidarisch verpflichtet“, die Zeitschrift durch finanzielle Unterstützung oder durch die Vermittlung zuverlässiger Informanten und Korrespondenten „auch ferner als Partei6 Vgl. Haym, Leben Dunckers, S. 239 ff. und Briefe Hayms an Duncker vom 21. April und 14. September 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 204 f. und Bl. 183 ff.). 7 Kurzbiographie durch Lotholz in ADB 52 (1906), S. 582 ff. 8 Haym, Aus meinem Leben, S. 277, informiert darüber, dass Haym im Sommer 1861 Vorlesungen und Privatkollegs abhielt. „[A]ber ich hätte, um die Zeit dafür zu gewinnen, die Leitung der Jahrbücher, wie ich anfangs beabsichtigte, aufgeben müssen, wenn sich nicht der Ausweg einer zeitweiligen Stellvertretung dargeboten hätte, bei der ich noch immer einen maßgebenden Einfluß behielt. Während sechs Monaten nahm mir mein Freund Nasemann die Hauptlast der Redactionsgeschäfte ab.“ Vgl. auch ULB Halle, NL Haym Yi 23 I, Bl. 37 (Jahresnotizen für 1861) und Hayms Briefe an Duncker vom 27. Juli und 14. September 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker Nr. 56, Bl. 188 f. und Bl. 183 ff.). In StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Nasemann, finden sich die Briefe Nasemanns ans Verlagshaus Reimer mit redaktionellen Anweisungen von 1861 und 1863. 9 Vgl. Hayms Briefe an Duncker vom 26. Februar 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 208 f. sowie Rosenberg, Briefe Hayms, S. 270 f.), an Wilhelm Mommsen am 4. Juni 1860 (StaBi Berlin PK, NL Mommsen, Kasten 46, Bl. 15 f.) und Verleger Georg Reimer vom 8. und 28. August 1860 sowie 1. Oktober 1861 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 10 Haym an Treitschke am 20. März 1861 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 201); ebenso Haym an Duncker am 12. Juli und 9. September 1860 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 194 f. und Bl. 212 ff.). 11 StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Preußische Jahrbücher.
I. Rudolf Hayms Suche nach Unterstützung
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organ zu erhalten“12. „Diesen Kampf nun denke ich freilich nicht so zu nehmen, daß ich allein mich zu Tode zu arbeiten Lust hätte. Ich werde im Gegentheil fordern, daß man mir seitens der Partei die Mittel gewähre, den Kampf zu bestehen – wo nicht, so trete ich mit Ende des Jahres […] zurück.“13 Dass der PJ-Herausgeber von allen Mitstreitern für seinen übermäßigen Einsatz und seine Einschätzung der Dinge gelobt wurde14, half ihm nicht weiter. Rudolf Haym – dessen kleiner Sohn im Sommer 1859 starb15, der seit 1860 in Halle schlecht bezahlter außerordentlicher Professor für Neuere Literaturgeschichte war16, den die Altliberalen wiederholt um eine Kandidatur fürs Abgeordnetenhaus baten17 – war peinlich berührt davon, regelmäßig den „unverschämten und überlästigen Bettler“18 spielen zu müssen. Gegenüber den Altliberalen verlor er zunehmend die Geduld, wie diese Zeilen an Max Duncker zeigen: In Bezug auf die PJ habe „die Partei ihre Indifferenz trotz meiner Erklärungen und Aufforderungen bewährt“. Duncker sei der Einzige, der mit Rat und Tat, „und Reimer der Einzige, der mit Geldopfern mir hilft“19. Da seine Rufe nach Unterstützung unerhört blieben, verstärkten sich Hayms Zweifel, zur Redaktionsführung der PJ befähigt zu sein. Er gestand Max Duncker, er dilettiere „in dieser Beschäftigung aufs Elendeste und gerate dabei fortwährend in Collision mit meiner Ueberzeugung, daß gerade die Politik, ihres Ernstes und ihrer Verantwortung wegen, von Befähigtesten und Realisten getrieben werden sollte. Ihre Bemerkungen über das was 12 Haym an Reimer am 23. Februar 1861 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). Vgl. an Duncker, 26. Februar und 14. September 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 183 ff. / Bl. 208 f.). 13 Haym an Duncker am 12. Juli 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 194 f.). 14 Zum Beispiel von Karl Neumann am 28. Dezember 1860 über seinen Artikel zum Stieberschen Prozess (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV N 24): „[W]ohl auch bei meiner vollständigeren Kenntniß der hier herrschenden Misere wäre ich ganz außer Stande gewesen, auch nur annähernd mit solcher Würde und Wärme, und doch mit so unwiderstehlicher Eindringlichkeit zu schreiben. Sie haben die Jahrbücher wieder mit starker Hand in die Höhe gehoben […].“ Ludwig Aegidi hoffte am 16. September 1860 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV A 47) „daß Sie und die Jahrbücher verbunden bleiben. Es würde mich so freuen, wie das Gegentheil mir schwerlich wäre.“ 15 Vgl. Haym an Duncker am 16. Juli 1859 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 226 f.; Beginn des Briefes in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 188 f.) und Haym, Aus meinem Leben, S. 272. 16 Haym gestand Duncker am 8. Mai 1861 (in Rosenberg, ebd., S. 202), die Professur sei eine Tortur für ihn. 17 ULB Halle, NL Haym, Yi 23 I, Bl. 38 (Jahresnotizen für 1862): „20. April 62 fragt Giseke in Eisleben wegen Annahme einer Kandidatur bei mir an. Majorität sei sicher.“ 18 Haym an Karl Mathy am 16. Oktober 1861 (BArch Berlin-Lichterfelde N/2184 – 28, NL Mathy, Bl. 39 f.). 19 Haym an Duncker am 28. November 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 21 f.).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
wir in unserem öffentlichen Leben für die nächste Zeit zu erwarten haben, sind ohne bewegende Kraft für mich.“20
Bei Verleger Reimer fragte Haym im August 1860 vertraulich an, „ob sich Maßregeln treffen lassen, die mich eventuell die Redaction in einer minder belästigenden Weise fortführen lassen“21. Seinem Freund Wilhelm Schrader erklärte Haym, um als Philologe anerkannt zu bleiben könne er seine wissenschaftlichen Pflichten nicht länger vernachlässigen. Deshalb werde er zum Jahresende die PJRedaktion aufgeben. Als Ausweg bliebe nur, ihm einen Mitredakteur zu beschaffen, der nach und nach die Geschäfte übernehmen solle.22 Neumann, Baumgarten und Wehrenpfennig standen nicht als Nachfolger zur Verfügung. So konzentrierte Haym seine Bemühungen auf Heinrich von Treitschke, den er als „Politiker und Historiker von Fach“ lobte und dem er darlegte, wie abgetrennt vom Berliner Parteiverkehr man in Halle sei. Seine Vorstellungen darüber, wie der fast taube Treitschke dies von Leipzig aus ändern solle, waren unrealistisch: „Sie müßten zuweilen nach Berlin, und wenn Ihnen auch dort Ihr Gehörfehler einen so mannigfachen und ungehinderten Verkehr, wie ich ihn dort trieb, unmöglich machte, so würden Sie das eben durch Ihr lebhafteres politisches Organ, durch mehreres Zeitungslesen und dergleichen ersetzen müssen und können.“23 Treitschke lehnte das „ehrenvolle Angebot“ ab. Die PJ bedürften eines Redakteurs, „der von den Parteiverhältnissen […] eine auf langjährige Anschauung gegründete Kenntniß hat“. Feine Berechnung und taktvolles Verschweigen wären ihm unmöglich, er sei zu jung und zu leidenschaftlich dafür. „[E]s ist ein Anderes die politischen Dinge in ihren großen Umrissen, […] mit historischem Blicke, anzuschauen, und wieder ein Anderes die Pflicht des Journalisten zu erfüllen“ und jeder Wendung nachzuspüren. „Jenes hoffe ich mit der Zeit zu erreichen, für dieses fehlt mir Geschick und Sinn.“24 Den Kompromissvorschlag, die Redaktion gemeinsam zu führen, wies Treitschke zurück: 20 Haym an Duncker am 9. September 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 212 ff.). Vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 279. Das selbstkritische Eigenbild wurde von Treitschke am 13. Juni 1859 bestätigt (NSUB Göttingen F. Frensdorff I, Brief 391): Er habe Haym in Halle getroffen, der über die aktuelle Politik wenig Auskunft geben könne. 21 Haym an Reimer am 12. August 1860 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). Gegenüber Duncker äußerte er am 9. September 1860 den Wunsch, bis spätestens Ostern oder Johanni 1861 abgelöst zu werden (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 212 ff.). 22 Haym an Schrader am 10. August 1860 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 V 215). 23 Haym an Treitschke am 14. August 1860 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 194), ähnlich auch am 7. September 1860 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87 Bl. 47 f.). 24 Treitschke an Haym am 24. August 1860 (in Cornicelius, Briefe Treitschkes II, S. 97 ff.). Vgl. seinen Brief an Haym am 3. Oktober 1860 (ebd., S. 101 ff.), an Heinrich Bachmann am 4. Oktober 1860 (ebd., S. 105) und an Hugo Meyer am 3. Oktober 1860 (NSUB Göttingen F. Frensdorff I Briefe 421, S. 10 ff.): „Ich lehnte ab, weil ich die Berliner Correspondenz aus physischen und moralischen Gründen nicht schreiben kann – denn zum Diplomaten hat mich die Natur nicht geschaffen, und weil ich nun mehr genug von der Journalistik kenne, daß man
I. Rudolf Hayms Suche nach Unterstützung
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„[W]enn Sie mich auch mit noch so großem Vertrauen beehren wollen, ein Mensch werden wir doch nicht. Das Resultat einer solchen Arbeitstheilung würde nur sein, daß Sie die Correspondenz, welche Sie bisher mit den Mitarbeitern geführt, nun mit mir führen müßten. Das wäre für Sie gar kein oder doch nur ein sehr geringer Zeitgewinn und für mich eine zeitraubende Arbeit, der ich nur mit Mühe genügen könnte. […I]ch vermag den Nutzen Ihres Planes nicht zu erkennen. Wenn Sie Ihre Kraft den Jahrbüchern erhalten wollen – und ich hoffe wie alle Welt, daß Sie dies tun werden – so scheint mir das einfachste und sicherste Mittel zu Ihrer Erleichterung, daß Sie sich einen zuverlässigen und intelligenten jungen Mann als Secretär nehmen zu Besorgung der lästigen mechanischen Redactionsgeschäfte.“25
Da also kein Nachfolger für Haym zu finden war, verharrte dieser auf seinem Posten und schrieb Eduard Zeller: „Ich habe dem Andringen meiner Parteifreunde, die meine Redactionsthätigkeit weit überschätzen, nachgeben und mich verpflichten müssen, das Blatt […] fortzuredigiren.“26 Den nächsten Rückzugsversuch startete Haym vor den Wahlen des Jahres 1861. Wieder begründete er sein „Recht auf Entlassung“27 oder Aufteilung der Redaktionsleitung mit wissenschaftlichen Verpflichtungen. Zusätzlich baute er Druck auf: Es sei für ihn „[k]eine Schande […], die Segel zu streichen, sondern eine Schande und eine Torheit ist es nur für die Partei, wenn die die Segel streicht. Ehe ich also nicht sehe, daß man seitens der Partei die Situation fällt wie sie ist und sich doch um reelle Hülfe bemüht, die Preußischen Jahrbücher zu halten und zu fördern, werde ich nicht nur nichts tun, dieselben der Concurrenz gegenüber zu retten, sondern durch meinen Rücktritt eine – hoffentlich zum Guten ausschlagende – Katastrophe herbeizuführen suchen.“28
Einmal mehr konnte Haym seinen Willen nicht durchsetzen. Umso erleichterter war er, als er Treitschke ankündigen konnte, seinen Posten „definitiv“ zum 1. Januar 1863 gekündigt zu haben, um „das Ganze ungeschwächt anderen, frischeren Händen
dabei äußerlich wohl leben und dennoch gewiß verkommen kann.“ Vgl. auch Dorpalen, Treitschke, S. 49 f. 25 Treitschke an Haym am 3. September 1860 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 18, Mappe 1, Bl. 3 und ebd., Kasten 2, Nr. 25, Bl. 16 f.). 26 Haym an Zeller am 4. Oktober 1860 (UB Tübingen, NL Zeller, Md 747 – 279). Durch seinen Rückzug wollte er Zeller wieder in den Kreis der PJ zurückholen, wie er in dem Brief ausführlich darlegte. 27 Haym an Duncker am 28. November 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 21 f.): „Ich kann und darf nicht länger wissenschaftlich unthätig bleiben, meiner inneren Befriedigung wegen, meiner Universitätsstelle u[nd] Universitätspflichten wegen, der Jahrbücher selbst wegen, denen jetzt […] mein Name keinerlei Relief mehr gibt. […] Entweder will man die Zeitschrift erhalten, dann muß man beizeiten dazu thun, und mich, der ich mich für invalide erkläre, ablösen, oder man will sie fallen lassen […]. Ich will bleiben, wenn – sei es Erdmannsdörffer oder Willprant oder wer sonst […] allmählich in die Geschäftsführung einrücken.“ 28 Haym an Georg Reimer am 25. August 1861 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym; Hervorhebungen im Original).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
[zu] übergeben“29. Für die Nachfolge waren die üblichen Personen im Gespräch: Treitschke, Pauli, Dilthey, Wehrenpfennig.30 Seit Sommer 1862 dann hatte Haym zudem vergeblich versucht, den altliberalen Parlamentarier Moritz Veit, Max Duncker31 oder gar Dunckers linksliberal-demokratisch gesinnten Bruder Hermann32 als regelmäßige Korrespondenten zu gewinnen. Darüber hinaus bemühte sich der Herausgeber rund um Bismarcks Amtsantritt intensiv, aber erfolglos, um die Liberalen Heinrich von Sybel und Karl Twesten als Autoren. Zum Jahresbeginn 1863 begann ein reger Gedankenaustausch zwischen Haym und Sybel über die Stellung der PJ.33 Der Herausgeber der Historischen Zeitschrift hatte bereits einen Artikel zur Veröffentlichung an Haym gesandt, ihn aber kurz vor der Drucklegung zurückgezogen.34 Twesten hatte den Plan einer Mitwirkung „mit lebhafter Freude und voller Zustimmung [ergriffen] – nur daß er freilich bedauerte, fürs Allererste direct und mit seinem Namen nicht mitwirken zu können – in der Besorgniß nämlich, dadurch völlig den Zusammenhang mit dem nicht preisgebundenen besseren Teile der Fortschrittspartei zu zerreißen“35. Dilthey war bereits als Redaktionsleiter auserkoren.36 Obwohl die Verhandlungen hierüber weit gediehen waren (Dilthey berichtete von einem möglichen Jahresgehalt von 200 bis
29 Haym an Treitschke am 16. Juli 1862 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 68 f.). 30 Haym an Duncker am 28. November 1861 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 21 f.): „Dieser Treitschke wäre mein bester Nachfolger – wenn er in Preußen wäre. Dasselbe gälte für Pauli.“ Thielen, Dilthey, S. 14 f., informiert über dessen Hoffnungen im Dezember 1862, seine Dissertation bald abzuschließen. „Zur gleichen Zeit trägt er sich mit dem Gedanken, selbst in die Redaktion der ,Preußischen Jahrbücher‘ einzutreten.“ Vgl. Misch, Junger Dilthey, S. 179 f. 31 Vgl. Rudolf Haym an Max Duncker am 13. Juli 1862 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56. Bl. 44 ff.). 32 Vgl. Rudolf Haym an Max Duncker am 10. August 1862 (ebd., Bl. 49 f.). 33 Eingeleitet hatte den Briefwechsel Rudolf Haym am 17. Dezember 1862 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 120 f.). Die komplette Korrespondenz zwischen Januar und März 1863 in GSTA PK, VI. HA, NL Sybel, B Nr. 1 XVI a, Bl. 286 – 296; der Brief vom 1. Februar abgedruckt bei Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 128 ff. 34 Vgl. Rudolf Haym an Verleger Georg Reimer am 15. und 16. Februar 1863 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 35 Haym an Ludwig Häusser am 2. November 1862 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3741, Nr. 9). Mit derselben Begründung lehnte Twesten am 23. Januar 1863 ab, einen Artikel in den PJ über die Verfassungskrise zu schreiben. Die vorangegangene Anfrage Hayms in Heyderhoff, Briefwechsel Haym-Twesten, S. 251 ff. 36 An seinen Bruder Karl schrieb Wilhelm Dilthey Ende November 1862 (in Misch, Junger Dilthey, S. 179): „Bei einem neulichen Cirkulär von Häußer-Sybel […], das Haym, Wehrenpfennig und ich bekamen –, ich qua möglicher künftiger Mitredakteur, falls ich nämlich Zeit habe und frühestens von Ostern ab, und falls ich mich über das Geschehende mit den Betr. verständigen kann – war von Gneists Zutritt zu den Jahrbüchern die Rede, welches Sybel sehr wünschte. Haym entschieden dagegen, Wehrenpfennig zweifelhaft, ich unbedingt dafür.“
I. Rudolf Hayms Suche nach Unterstützung
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300 Talern), verschob sich die Übernahme mehrmals und war Mitte des Jahres 1863 kein Thema mehr.37 So haderte Rudolf Haym weiter mit seiner Tätigkeit als Redaktionsleiter der PJ und kündigte im Sommer 1863 sein Ausscheiden für den nächsten Jahreswechsel an. Nun rückte Diltheys Freund Wilhelm Wehrenpfennig in den Mittelpunkt der Bemühungen – schließlich unterstützte der seit 1862 das Organisieren und Verfassen der Politischen Korrespondenz. Im Mai 1863 führte Wilhelm Wehrenpfennig in Berlin Gespräche mit Rudolf Haym, Max Duncker, Heinrich von Sybel, Bernhard Erdmannsdörffer und Karl Twesten, um mögliche Kooperationen bei der Redakteurstätigkeit auszuloten.38 Im Oktober 1863 folgte Wehrenpfennigs Eintritt in die Redaktion.39 Er war als Kontaktperson in Berlin dafür zuständig, das aktuelle Geschehen zu verfolgen und politische Themen für die Zeitschrift aufzuarbeiten. „Wehrenpfennig rumort in der ganzen Stadt nach ,Glanzpunkten‘ für die Jahrbücher und unterhält hunderttausend politische Beziehungen […]“, berichtete Wilhelm Dilthey.40 Ab Sommer 1864 bereitete Rudolf Haym seinen endgültigen Ausstieg aus den PJ vor41 und überließ Wehrenpfennig auch Autorenkorrespondenz und Honorarabrechnungen42. Dieser erklärte im Oktober 1864: „Seit einem Jahr eben leite ich die Jahrbücher mit Haym gemeinsam – anonym der ich als zur Disposition gestellter Beamter nach unserem Preßgesetz nicht unterkam – und mehr und mehr strebt nun Haym danach, sich für 37 Am 2. Januar 1863 schrieb Haym an Georg Reimer (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym), er hoffe, dass Wehrenpfennig und Dilthey bis Ostern 1863 in die Redaktion eintreten werden. Dilthey informierte seine Eltern im März 1863 (in Misch, Junger Dilthey, S. 182): Solle er die PJ zum 1. Juli mitübernehmen, würde er für seinen Teil an den Geschäften 200 bis 300 Taler „jährlich fest haben“. Am 15. April 1863 aber erklärte er Rudolf Haym (in Dilthey, Briefwechsel, S. 281), dass ein Eintreten in die PJ-Redaktion wegen seines Augenleidens und der Arbeit an seiner Dissertation vorerst herausgeschoben werde, „u[nd] mich dünkt, die Sache objektiv betrachtet, daß ein anderweitiges Arrangement wohl für diese das zweckmäßigste [sei]. Wenn es sich bequem so machen läßt, daß ich dann Juni oder Juli eintreten kann: so scheint dies, nach dem Rat[schlag] des Augenarztes zu schließen, thunlich. Aber ein gutes Definitivum dürfte nicht dadurch verzögert werden.“ 38 Vgl. zum Vorherigen Rudolf Haym an Max Duncker am 13. Juli 1862 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 44 ff.) und am 28. Mai 1863 (ebd., Bl. 58 f.), Wehrenpfennig an Haym am 19. Mai 1863 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV W 15 l) und Erdmannsdörffer an Haym am 31. Mai 1863 (ebd., Yi 23 IV E 6). 39 Vgl. die Briefe Wehrenpfennigs an Haym ab dem 2. November 1863 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV W 15o ff.) und Haym an Scherer am 23. Dezember 1863 (in Scherer, Briefe, S. 134 f.). 40 Dilthey an Rudolf Haym zwischen dem 7. und 18. November 1863 (in Weniger, Briefe Dilthey-Haym, S. 31). 41 Vgl. Haym an Wilhelm Scherer am 12. Oktober 1864 (in Scherer, Briefe, S. 142 ff.) und Haym, Vorwort, in PJ XIV, 1 (1864), S. I/II. 42 Vgl. Abrechnungen und Autorenlisten der PJ von Band 1 bis 66 (1858 bis 1886), die ab Band XIV (Sommer 1864) Wehrenpfennig führte (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Preußische Jahrbücher).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
seine Studien ganz frei zu machen und mir die Fortführung unserer Verbindungen zu überlassen.“43 Da Wehrenpfennig „seine Sache vortrefflich“ machte, konnte Haym „ohne Sorge um die Zukunft des Blattes“ aus seiner Stellung ausscheiden. Zum 1. Januar 1865 verschwand „auf dem Rückblatt der Jahrbücher mein Name und Wehrenpfennig ist alleiniger Herausgeber. Ich verliere damit eine Einnahme die sich früher auf 600, im letzten Jahr auf 200 Thlr. belief. Gott mag wissen, wie ich mit meinen 500 Thlr. Universitätsgehalt auskommen werde! Gleichwohl jedoch, ich brauche Zeit und Sammlung.“44 Haym kündigte nun an, sich „wieder in eine größere, zusammenhängendere Arbeit zu vertiefen. Ich dehne meine Pläne wohl in mutigen Augenblicken bis zu einer Geschichte unsrer deutschen romantischen Schule aus, die ich dann nicht bloß in ihre poetischen, sondern auch in ihre wissenschaftlichen Leistungen und Anregungen hineinverfolgen würde.“45 Aus Hayms Arbeit an der Romantischen Schule, die 1870 erscheinen sollte, entstanden für die PJ einige Aufsätze und Notizen. Mit Wilhelm Wehrenpfennig zog eine andere Art der Redaktionsleitung ein. Rudolf Haym gehörte einer Generation an, die Politik vonseiten der Wissenschaft und idealer Prinzipien zu durchdringen gedachte, den Journalismus als ungeliebtes Mittel zum Zweck ansah – und die unter anderem deshalb 1848/49 mit der Etablierung eines gesamtdeutschen parlamentarischen Systems gescheitert war. Der promovierte Theologe Wehrenpfennig hingegen stand seit 1860 im Dienst des Pressebüros der preußischen Staatsregierung im Mittelpunkt des politischen Geschehens. Er war Journalist, Netzwerker, später Politiker, und scheute den Konflikt nicht. So wandelte sich auch die Beziehung zwischen Herausgeber und Verleger: Rudolf Haym kleidete Anmerkungen und Vorschläge in umständliche Rechtfertigungen und streute Privates und Politisches ein. Das Verhältnis zwischen dem Verlagshaus Reimer und Wilhelm Wehrenpfennig war ein rein geschäftliches, in dem es um Beschwerden, Korrekturen, Organisation und Geld ging, das sich aber zu einem Korrespondenz-Staccato entwickelte: mehrere hundert Briefe Wehrenpfennigs sind
43 Wilhelm Wehrenpfennig an Heinrich von Treitschke am 19. Oktober 1864 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 2 f.). 44 Alle Zitate: Rudolf Haym an Wilhelm Schrader am 26. Dezember 1864 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 233). Das von Bercht, PJ, S. 134, geäußerte Motiv für Hayms Rücktritt aus der Redaktion ist in diesem Zusammenhang zurückzuweisen: „Dass allerdings nicht der gesamte Altliberalismus die von Wehrenpfennig in den Pr. Jb. dargestellten Auffassungen vertrat, geht daraus hervor, dass der leitende Redakteur der Monatszeitschrift, Rudolf Haym […] im Juli 1864 seine Funktion als leitender Redakteur mit dem lakonischen Bemerken niederlegte, dass ihm ,das innere Staatsleben‘ unter der Regierung Bismarck die Ausübung dieser Tätigkeit nicht mehr gestatte.“ 45 Rudolf Haym an Georg Gottfried Gervinus am 11. August 1864; vgl. den Brief an Karl August Koberstein am 10. August 1864 (beide in Rosenberg, ebd., S. 228 ff.).
I. Rudolf Hayms Suche nach Unterstützung
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allein aus den Jahren 1864 bis 1867 erhalten.46 Als der Verleger den Altherausgeber Haym im Frühjahr 1865 um Unterstützung bat, verneinte dieser mit Verweis auf seine Lehrverpflichtungen sowie seine fehlenden Verbindungen nach Berlin und erinnerte Reimer daran, dass er nun mit Wehrenpfennig allein glücklich werden müsse.47 Nicht alle Autoren kamen mit dem Leitungswechsel in der Redaktion zurecht. Nach dem Tod von Jacob Grimm vermittelte der Germanist Karl Müllenhoff seinen begabten Schüler Wilhelm Scherer an die PJ, um einen ausführlichen Nachruf auf den Begründer der deutschen Philologie zu verfassen.48 Zunächst hatte Scherer eine kurze Rezension einer Grimm-Rede an die PJ geschickt, die Wilhelm Wehrenpfennig ohne Rücksprache redigiert hatte49 – für den Journalisten selbstverständlich, für den jungen Wissenschaftler ein Affront. Scherer schrieb, dass er niemandem das Recht zugestehen könne, seine Aufsätze zu verstümmeln, und keine Möglichkeit mehr sehe, mit den PJ in ein näheres Verhältnis zu treten.50 Rudolf Haym konnte Scherer nur davon überzeugen, den vereinbarten Artikel über Grimm zu schreiben, da er sich vielfach für seinen Kollegen entschuldigte und einräumte, dieser habe „im Ganzen mit seinem Verfahren, leider […] auch im Einzelnen mit seinen Änderungen Unrecht“. Dennoch betonte Haym, dass der tüchtige Wehrenpfennig sein Vertrauen genieße, „das durch einzelne Mißgriffe, wie den in Rede stehenden, nicht erschüttert ist, wenn mich dieselben auch zur Vorsicht mahnen. Genug aber, daß ich Ihnen wiederhole: der eigentliche Herausgeber bin ich, u. über die Hälfte der Aufsätze der Zeitschrift ging u. geht durch meine, zum Theil nur durch meine Hände. Besteht aber keine unbedingte Solidarität zwischen mir u. W[ehrenpfennig], noch viel weniger eine Identität zwischen den Jahrb[üchern] u. W [ehrenpfennig] – denn, wenn ich mich nicht irre, ist ein Zerwürfniß mit dem Letzteren nicht nothwendig eins mit den Ersteren u. die Möglichkeit ihrerseits, in einem freundlichen Verhältniß zu der Zeitschrift zu bleiben, ist nicht ausgeschlossen.“51
Zwar erschien der Aufsatz tatsächlich in den PJ und war somit Vorbote zu Scherers großer Grimm-Biographie, doch zog sich die Veröffentlichung über zwei Jahre hin und war von einer fortwährenden Skepsis des Autors in Bezug auf Wilhelm 46
In: StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Wehrenpfennig. Haym an das Verlagshaus Reimer, 30. März 1865 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 48 Vgl. Wehrenpfennig an Haym am 3. November 1863 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV W15p). 49 Scherer, Notizen: Zwei Reden von Jacob Grimm, in PJ XII, 6 (1863), S. 628 f. (Rede auf Wilhelm Grimm und Rede über das Alter, gehalten in der Königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin, hg. v. Hermann Grimm). 50 Scherer an Wehrenpfennig am 20. Dezember 1863 (weitergeleitet an Rudolf Haym und daher in: ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV S6). Zumindest empfahl er: „Für den Artikel über Jacob Grimm werden Sie z. B. in Herrn Professor Zacher in Halle einen bei weiterem geeigneten Bearbeiter finden.“ 51 Haym an Scherer am 23. Dezember 1863 (in Scherer, Briefe, S. 135 f., Hervorhebung im Original). 47
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
Wehrenpfennig begleitet.52 So vergaß es Scherer selten, Haym gegenüber „noch einmal meine Meinung auszusprechen, daß Sie sich den Jahrbüchern gar nicht entziehen müßten“53. Mit der Weitergabe seiner Texte war Scherer derart vorsichtig, dass Wehrenpfennig sogar Wilhelm Dilthey als Vermittler einsetzte.54 Doch selbst Dilthey geriet im Umgang mit dem empfindsamen Scherer an seine Grenzen und ergriff eindeutig für seinen Freund Partei: „[W]ie ernsthaft nehmen Sie das Geschick eines Aufsatzes in den Preußischen Jahrbüchern. Als ob Sie sich feindlich gesinnten Menschen oder einer politischen Gruppe oder Gott weiß wem gegenüberständen und nicht einer schwerfälligen Maschine, unglückseligen Redaktionswirrnissen. […] Ich bezweifle auch durchaus, daß von Wehrenpfennigs Seite irgendetwas anderes als Vergeßlichkeit vis à vis der Entscheidung seiner eigenen Angelegenheit gewaltet hat. Und selbst den unwahrscheinlichen Fall angenommen, daß ich mich irrte, so werden Sie sich eben schon im Lauf dieses Jahres besser kennen lernen und gewiß sich gegenseitig gern haben. Denn was auch in Wehrenpfennig’s äußerer Weise, sich zu geben, zuweilen abstoßen mag: er ist durchaus einsichtig, der Verständigung offen und ein treuer Freund seiner Freunde.“55
II. Die Jahrbücher am finanziellen Abgrund und ihr Aufschwung Nicht nur der Wechsel in der Herausgeberschaft stellte die PJ vor große Herausforderungen, auch finanziell stand das Projekt mehrmals kurz vor dem Zusammenbruch. Bereits zu Jahresbeginn 1860 musste Verleger Georg Reimer darum bitten, 60 Prozent seines Garantiescheins auszuzahlen, um nicht beglichene Ausgaben für seine Druckerei auszugleichen.56 Rudolf Haym und Wilhelm Wehrenpfennig verzichteten auf Teile ihres Redakteursgehalts oder die Honorierung der Politischen Korrespondenz57, auch erwog man, sich Garantien aus der altliberalen 52
Vgl. den weiteren Briefwechsel aus dem Herbst 1864 über die sich ziehende Veröffentlichung des Grimm-Aufsatzes in Scherer, Briefe, S. 137 ff.; ebenso Scherer an Hermann Grimm am 12. März und 20. April 1864 (StaBi Berlin PK, NL Grimm Nr. 651, Bl. 6 ff.). 53 Scherer an Haym am 17. Oktober 1864 (in Scherer, Briefe, S. 146 und ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV S8). 54 So bat Dilthey Scherer am 29. Mai 1865 (in Misch, Junger Dilthey, S. 198 f.) im Namen Wehrenpfennigs um sein Manuskript für den Druck des kommenden PJ-Heftes. 55 Dilthey an Scherer am 1. Januar 1867 (ebd., S. 228). Weiter: „Auch Sie müssen von jemandem, der sich in der letzten politischen Krisis von Anfang an mit solchem voraussehenden Verstand benommen, Achtung haben […]; er hat sich in den Preußischen Jahrbüchern das Verdienst erworben daß man sieht, wie es auch außerhalb des Adels und der Diplomatie in Deutschland in diesem Jahr richtig und kühl urtheilende Köpfe gegeben hat.“ 56 Vgl. Reimer an Kurt von Saucken-Tarputschen am 4. Januar 1860 (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – von Saucken-Tarputschen). 57 Vgl. Wehrenpfennig ans Verlagshaus Reimer am 4. April 1864 (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Wehrenpfennig).
II. Die Jahrbücher am finanziellen Abgrund und ihr Aufschwung
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Parteikasse vorstrecken zu lassen58. Am 12. Januar 1864 erhielten alle Abonnenten und altliberale Parteifreunde ein Zirkularschreiben, in dem sie von Rudolf Haym aufgefordert wurden, den PJ treu zu bleiben, weitere Abonnenten zu werben oder ein zweites Exemplar zu bestellen. Nur 200 neue Käufer könnten das Unternehmen erhalten. Außerdem forderte Haym mit den folgenden Worten zur finanziellen Beteiligung an den PJ auf: „Herausgeber und Verleger dürfen die Anerkennung für sich in Anspruch nehmen, daß sie, treu der ursprünglichen Absicht, in der die Zeitschrift gegründet wurde, […] nach Kräften ihre Schuldigkeit gethan haben. Im Vertrauen auf die innere Lebensfähigkeit der Zeitschrift und auf den Gemeinsinn der Partei, welcher dieselbe dient, hat namentlich der Verleger erhebliche Geldopfer gebracht. […] In erster Linie nun werden wir natürlich diese Ungunst der Verhältnisse durch fortgesetztes Streben nach Verbesserung, […] durch Heranziehung […] der tüchtigsten Mitarbeiter zu besiegen bemüht sein. In Folge einer Verstärkung der redactionellen Kräfte ist neuerdings bereits ein zeitigeres und regelmäßigeres Erscheinen der einzelnen Hefte ins Werk gesetzt und eine besondere Sorgfalt dem politischen Theil der Zeitschrift zugewandt worden, um denselben wirksamer und eingreifender zu machen. Allein ein […] Parteiunternehmen, wie die Preußischen Jahrbücher sind, dürfen dieselben auch an die entgegenkommende Hilfe der Gesinnungsgenossen appelliren. Es ist billig, daß diejenigen, für deren Ziele die Zeitschrift arbeitet, einen Teil der Opfer auf sich nehmen, die bisher der Verleger allein getragen hat.“59
Doch Haym musste feststellen, dass die Zirkulare keine Wirkung zeigten.60 So konnte er zum Jahresende 1864 gegenüber dem Verleger nur betonen, dass die PJ die „einzige Manifestation in der periodischen Presse“ der Altliberalen seien. „[Z]uversichtlich hoffe ich, daß, nachdem wir die Probe bestanden haben, die Zeitschrift auch in Zukunft sich halten wird. Nur so können wir die Früchte unseres Sieges ernten. Auch die Partei wird das einsehen […].“61 Den PJ gelang es also nicht, die Probleme der anderen liberalen Zeitschriften – die Deutschen Jahrbücher für Politik und Literatur waren Ende 1864 nach Beschlag58 Vgl. Rudolf Haym an Max Duncker am 7. Juli 1863 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 60 f.). 59 Lithographisches Zirkularschreiben in Sachen der Preußischen Jahrbücher vom 12. Januar 1864 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym, Mappe 3; Hervorhebungen im Original). 60 Haym erklärte Georg Reimer am 13. Februar 1864 (ebd.), er habe zumindest in Halle von niemandem gehört, der infolge des Schreibens die PJ abonniert habe. „Zwei Briefe an Verstorbene habe ich ,retour‘ erhalten.“ 61 Haym an Georg Reimer am 22. Dezember 1864 (ebd.). Ähnlich Ludwig Karl Aegidi an Haym am 16. September 1860 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV A 47): „Die Jahrbücher sind ein Stück Nationalleben geworden.“ Haym, Aus meinem Leben, S. 280, urteilte: „Er betrachtete es als eine Ehrenpflicht, selbst mit bedeutenden Opfern, das Begonnene fortzusetzen und der Partei das Beispiel zu geben, wie man nur durch Ausdauer zum Ziele gelangen könne. Fast von Jahr zu Jahr stand die Zeitschrift vor einer neuen Krisis; immer wieder wurden Reformpläne, wie […] die häufigere Unterzeichnung der Beiträge, in Erwägung gezogen, immer wieder fanden sich die äußeren Mittel, und immer wieder that dabei die uneigennützige Festigkeit des Verlegers das Beste.“
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
nahmungen und Presseprozess eingegangen62, die Grenzboten mussten nach häufigen Redakteurswechseln 1869 aus dem Welfenfonds der preußischen Regierung subventioniert werden63 – zum Ausbau ihrer eigenen Leserschaft zu nutzen. Im Gegenteil: Da sich die PJ im ersten Halbjahr 1865 mit den Artikeln Heinrich von Treitschkes und Moritz Buschs für die Einverleibung Schleswig-Holsteins in den preußischen Staat aussprachen, gingen die Abonnentenzahlen der Zeitschrift spürbar zurück.64 Die gleichzeitige Beschwerde der Altliberalen Graf Schwerin, Simson und Saucken-Julienfelde65 zeigte, wie brüchig die Verbindung zur Kernklientel der PJ inzwischen geworden war. PJ-Verleger Georg Reimer bezuschusste die PJ seit 1863 pro Halbjahresband mit 500 Talern, für eine ausgeglichene Bilanz hätte die verkaufte Auflage binnen kürzester Zeit von 650 auf 900 Exemplare steigen müssen.66 Daher kündigte er am 3. Juli 1865 an, bei keiner gravierenden Änderung der Kostenverteilung die PJ zum Jahresende einzustellen.67 Die PJ standen vor dem Aus. Ehemaliger und aktueller Herausgeber waren alarmiert68 und wandten sich an ihren ersten Ratgeber: Max Duncker. Rudolf Haym legte ihm dar, dass „nach Jahresfrist, vorausgesetzt, Bismarck setzt seine auswärtige Politik durch, im Lande ein Umschlag vor sich gegangen sein dürfte, der wieder eine Mittelpartei, wie die altliberale […] mit der Zeit ans Ruder bringen könnte. Für diesen späteren Moment die ,Jahrbücher‘ zu retten und in ihnen die Kontinuität mit der altliberalen Vergangenheit zu wahren, wäre gewiß von Wichtigkeit.“69 Wehrenpfennig erkannte zwei Wege zur Rettung der Zeitschrift: drastische Kürzungen
62 Dazu Haym an Wilhelm Schrader am 26. Dezember 1864 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 233): „Einen großen Triumph haben wir durch das Eingehn der ,Deutschen Jahrbücher‘ gefeiert. […] Daß wir dies Konkurrenzunternehmen überlebt haben, ist gewissermaßen der erste Sieg über die Fortschrittspartei, nachdem wir bisher immer und überall nur im Weichen waren.“ Vgl. Obenaus, Politische Zeitschriften, S. 53 f. 63 Vgl. Obenaus, ebd., S. 41. 64 Vgl. Georg Reimer an Rudolf Haym am 3. Juli 1865 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV R 14). 65 Vgl. Wehrenpfennig an Max Duncker am 12. Mai 1865 (GStA PK, VI. HA, NL Duncker, Nr. 154, Bl. 45/46). 66 Verleger Georg Reimer schlüsselte Rudolf Haym seine Kalkulation für den 15. Band der PJ auf (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV 416, Brief vom 14. September 1865): 650 verkaufte Exemplare ergaben Einnahmen von 1462 Talern und 15 Kreuzern; die Kosten für Papier und Umschläge betrugen 700 Taler, das Redakteurshonorar 300, Strohmann Flögel (dazu später in diesem Kapitel mehr) erhielt 50 Taler, die Honorare für die Beiträge beliefen sich auf 916 Taler, dazu kamen 20 Taler Portokosten, also Ausgaben von 1986 Talern und ein Defizit von gut 525 Talern. 67 Vgl. Reimer an Haym am 3. und 7. Juli 1865 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV R 14 und R 15). 68 Vgl. Wehrenpfennig an Reimer, 4. Juli 1865 (StaBi PK Berlin, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Wehrenpfennig). 69 Haym an Duncker am 7. Juli 1865 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 392), ebenso am 6. Juli 1865 an Reimer (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym).
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bei der Bezahlung von Redakteur und Autoren70 sowie finanzielle Unterstützung durch befreundete Altliberale. Da sich Haym und Wehrenpfennig darüber im Klaren waren, dass den PJ entfremdete Parteigenossen schwerlich dazu bereit seien71, baten sie Duncker eindringlich um Vermittlung. Dieser war sicher, die benötigten zusätzlichen Garantien von 500 Talern pro Halbjahr auftreiben zu können, denn am 18. Juli 1865 schrieb ihm Wehrenpfennig: „[I]ch bitte nun meinerseits, daß Sie uns seinerzeit mittheilen, von wem die 500 fl. ankommen. Ich selbst werde vorläufig auf 200 fl. Redacteurshonorar verzichten […]. Reimers Zustimmung, daß er, so um 700 fl. erleichtert, die Zeitschrift weiter führen werde, kann ich Ihnen freilich heute noch nicht formal geben, denn Reimer ist auf Reisen, ich kann seine Antwort erst in 5 – 8 Tagen haben. Er wird aber zustimmen […].“72
Schnell war klar, dass drei altliberale Parteigenossen die Garantiesumme unter sich aufteilen sollten: aus Halle/Saale der Zuckerfabrikant Carl August Jacob sowie Friedrich Fubel, der 1866/67 Schriftführer der altliberalen Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus war. Dazu kam der Posener Rittergutsbesitzer Carl von Saenger, ein enger Vertrauter Dunckers und von 1867 an Mitglied des Norddeutschen Reichstags.73 Am 28. August 1865 berichtete Max Duncker dem besorgten Altherausgeber Rudolf Haym, dass er ein Arrangement vorbereite, das Verleger Georg Reimer für die nächsten drei bis fünf Jahre weitere Garantien von 500 Talern einbringen werde. Dass Sänger und Jacob Geld bereitstellten, sei sicher, nur Fubel sei knapp bei Kasse, weshalb Haym bei ihm vorstellig werden solle.74 Darüber hinaus waren sich alle Beteiligten darüber einig, die Geldgeber in das Aufsichtskomitee der PJ aufzunehmen. Sie sollten aber ohne Einfluss auf die Inhalte der Zeitschrift bleiben.75 70 Wehrenpfennig an Duncker am 12. Juli 1865 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 154, Bl. 47/48): Man tilge das Defizit „durch Herabsetzung des Redactionsgehalts von 600 fl. auf eben 400 fl. und das Honorar von 21fl. p. Bogen […] auf 15, das ergebe bei 7 Bogen p. Heft monatlich 42 fl. oder p. Jahr 504 fl. Dazu Ersparniß v. 200 fl. an Redaction“, und das Defizit wäre „bis auf 300 fl. gemindert. Zu der Herabsetzung des Redactionsgehalts […] wäre ich sofort bereit […].“ 71 Ebd.: „Aber wer will die Mühe übernehmen […] bei der heutigen Zerstreuung und Erschlaffung?“ 72 Wehrenpfennig an Duncker am 18. Juli 1865 (ebd., Bl. 49/50). 73 Vgl. Wehrenpfennig an Duncker am 14. September 1865 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 154, Bl. 51/52), und an Treitschke am 17. September 1865 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 37/38); Haym an Verleger Reimer am 12. September und 8. November 1865 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym) sowie an Duncker am 4. Oktober 1865 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 62/63). 74 Vgl. Duncker an Haym am 28. August 1865 (ULB Halle, NL Haym Yi 23 IV D 138) und Wehrenpfennig an Reimer am 20. September 1865 (Vgl. StaBi PK Berlin, Dep. 42, Archiv de Gruyter, R1 – Wehrenpfennig). 75 Haym an Verleger Reimer am 8. November 1865 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym), vgl. Wehrenpfennig an Reimer am 22. Oktober 1865 (ebd., R1 – Wehrenpfennig).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
Die Verhandlungen über Details der finanziellen Unterstützung waren zwar erfolgreich76, zogen sich aber bis in den November 1865, da die Förderer Carl von Saenger und Carl August Jacob sehr wohl Ansprüche stellten. Nachdem Friedrich Fubel „seine persönlichen Kräfte zur Disposition stellte“, von einer Mitfinanzierung der PJ jedoch Abstand nahm, erklärte Saenger sich bereit, für drei Jahre die Hälfte der 500 Taler „zu decken, wenngleich mir freilich […] eine solche ganz extraordinäre Ausgabe nicht eben leicht wird“. Denn das Eingehen der PJ „würde ich für eine so große Calamität für uns ansehen, daß ein Opfer nicht gescheut werden darf. Ich setze dabei voraus, daß Dr. Wehrenpfennig jedenfalls die Redaction fortführt. Da er nach der bisherigen Haltung der P. J. […] mit uns nicht doctrinären Liberalen übereinstimmt, so wird man für jetzt seiner Leitung und Verantwortlichkeit Alles allein überlassen können. Sobald aber neue, wichtige Momente hervortreten – z. B. neue Wahlen oder irgend eine Entscheidung der Politik der Regierung namentlich in Bezug auf innere Fragen, so müßte doch eine Conferenz […] unter uns Zahlenden (Reimer, Jacob und ich) – unterstützt durch Fubel mit Wehrenpfennig über die Position, die das Blatt zu nehmen habe[] […], herbeigeführt werden.“77
Da auch Max Duncker beim Verleger dringend den Eintritt einer weiteren Person in die Redaktion anmahnte, waren mittelfristig Veränderungen in der Organisation der PJ möglich. Innerhalb eines Dreivierteljahres aber änderten sich die Voraussetzungen: zunächst verstarb am 25. März 1866 Zuckerfabrikant Carl August Jacob.78 Rudolf Haym klagte, man habe einen unverzichtbaren Helfer für die Jahrbücher verloren79 und beauftragte Friedrich Fubel, bei Jacobs Verwandten nach den Garantien zu fragen80. Dieser konnte nur eine Mitteilung des Bruders weiterleiten, der angab, sein Abonnement nicht zu kündigen und sein Exemplar regelmäßig an weniger bemittelte Freunde weiterzugeben. Nur wenige Monate vor dem Krieg Preußens gegen Österreich, als die PJ begannen, gegen den Großteil der öffentlichen Meinung die Regierung Bismarck in positiverem Licht zu interpretieren, waren also keine neuen Geldgeber aufzutreiben. So berichtete Fubel, es gebe „keine so reiche[n] Parteimänner“, die an Jacobs Stelle treten könnten. „Wir werden noch Schweres zu tragen haben und um so mehr ist es zu beklagen, daß keinerlei Versicherungszeichen zur Beilegung des innern Conflicts und zur Weckung natureller Sympathien von oben 76 Haym an Duncker am 18. Oktober 1865 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 64/ 65): Fubel erhalte „von Jacob die Zusage von 250 fl. sowie die Vollmacht, ihn bei etwaigen Conferenzen mit W[ehrenpfennig] u. R[eimer] zu vertreten“. Wehrenpfennig aber sei in Sorge über den Einfluss des Komitees. „Ein Brief Fubels wird ihn ohne Zweifel vollständig beruhigen.“ 77 Brief Saengers an Duncker vom 5. November 1865, tags darauf weitergeleitet an Georg Reimer und daher in StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Duncker. Vgl. auch für folgende Anmerkungen Dunckers. 78 Zu seinem Leben vgl. Neuß, Carl August Jacob, S. 373 ff. 79 Vgl. Haym an Max Duncker am 7. April 1866 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 1/2). 80 Vgl. Haym an Verleger Reimer am 12. April 1866 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym).
II. Die Jahrbücher am finanziellen Abgrund und ihr Aufschwung
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her zur rechten Zeit sichtbar werden. […] Nun, wir müssen durch und es gilt jetzt den Kopf oben zu behalten.“81 Mit dem erfolgreichen Krieg gegen Österreich, der Beilegung des Verfassungskonflikts und dem gleichzeitigen Eintritt Heinrich von Treitschkes in die Redaktion konnten die PJ seit dem Sommer 1866 selbstbewusst argumentieren. Treitschke schrieb, die Jahrbücher hätten sich seit ihrer Gründung von einem vornehm zurückhaltenden Organ der Mittelpartei zum radikalsten deutschen Blatt („das allerruchloseste Organ der Einheitspartei“) entwickelt.82 Das wirkte sich auch auf den Absatz aus. Treitschke berichtete seiner Verlobten im Dezember 1866 merklich stolz von 900 PJ-Abonnenten. Das sei „sehr viel für eine deutsche Revue. Die Grenzboten hatten in ihrer besten Zeit nur 700. Natürlich ist der Verleger mit mir sehr zufrieden.“83 Auch aus dem Verlagshaus Reimer kamen zuversichtliche Zeilen: sollte sich der Absatz weiter so entwickeln, würden sich die PJ bald aus eigener Kraft finanzieren.84 1868 wurde vermeldet, dass „die Abonnentenzahl bis auf 1000 und sogar etwas darüber gestiegen ist“85, drei Jahre später berichtete der Jungverleger von einem weiter erheblich gestiegenen Absatz.86 Genaue Leserzahlen für 1871 lassen sich nicht mehr ermitteln, doch verweist Kirchner auf den Höchststand der Auflage in den Jahren 1875/76 mit 2200 Exemplaren, „von denen aber nur 1700 Exemplare verkauft wurden und 1550 erst die Kosten deckten“87. Als gesichert gilt, dass das Redakteursgehalt mit steigendem Absatz wieder stieg: Ende 1866 erhöhte es Verleger Georg Reimer von 400 auf 600 Taler jährlich88 – wobei sich heute nicht mehr eindeutig ermitteln lässt, welchen Betrag die Redakteure zusätzlich zu diesem Grundgehalt für ihre Nebenkosten erstattet bekamen89. Hein81 Alles Vorherige in: Friedrich Fubel an Verleger Reimer am 15. Mai 1866 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Fubel). 82 Treitschke an Emma von Bodman am 12. Februar 1867 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 138 f.). Mit „Genugthuung“ Haym, Aus meinem Leben, S. 280: „[D]urch den Sieg, den eine überlegene Staatskunst in ungeahnter Weise der von uns vertretenen nationalen Sache verschaffte, und durch das Echo, das nun vor allem Treitschkes Beredsamkeit in unserem Vaterlande weckte, traten die Jahrbücher in eine neue Periode des Gedeihens.“ 83 Treitschke an Emma von Bodman am 6. Dezember 1866 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 120). 84 Vgl. Jungverleger Ernst Reimer an Treitschke am 5. Dezember 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 8, Mappe 69, Bl. 16). 85 Ernst Reimer an Treitschke am 4. Januar 1868 (ebd., Bl. 23/24). 86 Ernst Reimer an Treitschke am 4. Januar 1871 (ebd., ohne Nummerierung). 87 Kirchner, Zeitschriftenwesen, S. 463. Auf S. 472 ff. eine Kostenrechnung, nach der die PJ 1882 wieder Verluste aufwiesen, nachdem sie in den Jahren zuvor noch ein Gewinn von bis zu 5.000 Mark erwirtschaftet hatten. 88 Vgl. Wilhelm Wehrenpfennig an Heinrich von Treitschke am 5. November 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 116/117). 89 Vgl. dazu den „Schriftwechsel innerhalb der Redaktion der Preußischen Jahrbücher, betr. Redaktionelle, Honorar- und Vertragsangelegenheiten von 1870 bis 1882“ (GStA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 4).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
rich von Treitschke gab sich dabei gönnerhaft und bestand darauf, „daß Wehrenpfennig, da er die ganze Arbeitslast trägt, auch das ganze Einkommen bezieht“90. Was sein eigener Name den PJ nütze, sei dagegen nur eine Kleinigkeit wert. Als der Verleger im Frühjahr 1868 aber vorschlug, zur Kostenersparnis die Autorengehälter zu kürzen, reagierte Treitschke verschnupft: Dieses „Knausersystem mißfällt mir im höchsten Grade. Wenn Herr Reimer schlechterdings nicht mehr zahlen kann – und er hat […] ein Recht jetzt einigen Gewinn zu verlangen – so scheint es mir klüger, lieber ein paar Bogen weniger zu drucken.“ Er habe dem Physiologen und Physiker Hermann Helmholtz genaue Angaben zum Honorar gemacht und wolle dieses Versprechen auch halten. Er selbst sehe nicht ein, sich 1868 geringer honorieren zu lassen als noch 1858, „wo meine Bedürfnisse geringer, meine Arbeiten schlechter und die Finanzen der Jahrbücher ungünstiger waren“.91 1870 versprach Jungverleger Ernst Georg Reimer wegen des gestiegenen Absatzes das Redaktionshonorar, „so lange sich der Absatz in dieser Höhe erhält, zu verbessern“ und Treitschkes Anteil von 100 auf 160 Taler im Vierteljahr zu erhöhen.92 Gleiches galt für die beiden Redakteure auch 1871, in dessen Verlauf Reimer Treitschke erklärte, um wie viele Bögen die PJ-Hefte wegen der gestiegenen Verkaufserlöse nun erweitert werden könnten.93
III. Die Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke Die steigende Aufmerksamkeit für die PJ war unzweifelhaft verbunden mit dem Redaktionseintritt Heinrich von Treitschkes. Dieser wiederum hing eng mit dem Beginn der Tätigkeit Wilhelm Wehrenpfennigs zusammen: Eine seiner ersten Aufgaben war es, das Verhältnis der Zeitschrift mit Treitschke nach der öffentlichen Lossagung vom Sommer 1863 wieder zu normalisieren. Zunächst aber nutzte Rudolf Haym die Gunst der Stunde und antwortete auf einen Brief Treitschkes im Sommer 1864: „Mein Verhältnis zu den Jahrbüchern ist, wie Sie wissen, endlich gelöst oder doch nur noch ein ganz sekundäres. Schon seit Jahren ging ich, wie Ihnen gleichfalls bekannt ist, damit um, da meine wissenschaftliche Tätigkeit allzusehr unter den Anforderungen der geschäftlich90
Treitschke an Georg Reimer am 28. Oktober 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 16). Ähnlich auch am 9. Oktober 1867 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 174 f.). 91 Treitschke an Wehrenpfennig, 28. April 1868 (GStA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 106 ff.). 92 Ernst Reimer an Treitschke, 3. Januar 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 8, Mappe 69, Bl. 32). 93 Vgl. ebd., Briefe des Jahres 1871. Kirchner, Zeitschriftenwesen, S. 463 dazu: „1871 bekam Treitschke 840 Mark, während die restlichen 2160 Mark an die übrigen Redaktionsmitglieder gingen. Für die Mitarbeiter wurde […] eine Summe von 5670 Mark ausgewiesen.“ Bis 1883 sei das Redaktionshonorar auf 3920 Mark gestiegen.
III. Die Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke
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redaktionellen litt; dazu kam, daß ich nicht imstande war, den politischen Teil hier in Halle so zu kontrollieren und zu dirigieren, daß es sich gelohnt hätte, den Prügelknaben für die gerichtlichen Schikanen zu spielen, mit denen man gerade mir persönlich zu Leibe ging. Ich bin, wie ich glaube, vortrefflich ersetzt und mehr als ersetzt und scheide mit der Hoffnung, daß die Zeitschrift nicht untergehen wird. Ihre Teilnahme an dem Geist und Wirken der Jahrbücher hat zu dem Erfreulichsten gehört, was die oft unerfreuliche Redaktion mit sich brachte: Ihr vorjähriger Angriff ist das einzig nachhaltige Bittere gewesen, was ich in der Erinnerung dieser sieben Jahre mit mir nehme. Ihr jüngster Brief hat, wie Sie selbst andeuten, nichts dazu beigetragen, diese Empfindung zu ändern, wohl aber hat er mich in dem Gefühl bestärkt, mir die Richtigkeit dessen bestätigt, was ich sogleich damals ergriff und Ihnen auch schrieb. Es ist zum Überfluß, daß Sie mich der persönlichen Verletzung wegen um Verzeihung bitten, denn ich kann versichern, dass ich keinen Augenblick die Achtung vor der Reinheit Ihrer Absichten und die herzliche Zuneigung zu Ihnen verloren habe; ich hielt und halte eben Ihr Auftreten – wie Sie das meinige – für politisch fehlerhaft […].“94
Im Oktober 1864 schaltete sich Wehrenpfennig in die Korrespondenz ein und schmeichelte Treitschke: von den Verbindungen zu den Autoren liege „uns – ich sage die einfache, ehrliche Wahrheit – aber keine mehr am Herzen, keine ist den Jahrbüchern wünschenswerther […] als die mit Ihnen“95. So umgarnt konnte Treitschke – selbst gewillt, das Verhältnis zu den PJ zu normalisieren96 – die dringende Bitte nach weiteren Artikeln nicht abschlagen: „Das Blatt hat meine Befürchtungen Lügen gestraft, nach jener einen argen Verwirrung hielt es sich immer brav. Ich bereue den Schritt von damals nicht, ich würde in gleicher Lage heute noch genau so handeln; aber da ich jetzt wieder ganz mit den Jahrbüchern übereinstimme, so würde ich’s für Eigensinn halten, wenn ich den Bitten Hayms und Wehrenpfennigs widerstehen wollte.“97 Das Verhältnis zwischen Wehrenpfennig und Treitschke entwickelte sich gut: seit Herbst 1864 standen sie in regem Briefkontakt (in beider Nachlässe sind mehrere hundert Briefe bis zum Jahr 1871 erhalten, und bei Weitem nicht nur redaktionelle Anweisungen), gingen im Herbst 1865 zur Anrede „hochgeehrter Freund“98 über und
94 Rudolf Haym an Heinrich von Treitschke am 7. August 1864 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 227 f.). 95 Wilhelm Wehrenpfennig an Heinrich von Treitschke am 19. Oktober 1864 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 2/3). 96 Vgl. Treitschke an Gustav Freytag am 13. November 1864 (in Dove, Briefe FreytagTreitschke, S. 26 f.). 97 Treitschke an Franz Overbeck am 19. November 1864 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 6, Bl. 23/24). Vgl. Wehrenpfennig an Treitschke am 8. Dezember 1864 (ebd., Kasten 9, Mappe 46, Bl. 4/5) und Freytag an Treitschke am 12. Dezember 1864 (in Dove, ebd., S. 34), der sich „von Herzen“ über die erneute Verbindung zwischen Haym und Treitschke freute. 98 Wehrenpfennig an Treitschke am 5. November 1865 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 47 – 49): „Ich danke Ihnen herzlich und bin stolz darauf, daß Sie mir das Recht geben, Sie so zu nennen.“
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
trafen sich wohl im Januar 1866 zum ersten Mal99. Das Verhältnis zu Altherausgeber Rudolf Haym gestaltete sich wohlwollend, wenn auch eher einseitig: Während Treitschke zu Beginn seiner PJ-Herausgeberschaft im Sommer 1866 freundlich um allgemeine Zustimmung und Unterstützung Hayms bat100, entschuldigte sich dieser wiederholt für die Kleinlichkeit, mit der er „Ihre Manuskripte recht schulmeisterlich in den steifen Rahmen, den ich mir […] ausgedacht hatte, hineinzudrücken versuchte. Ich bekenne mir längst, wie sehr Sie mir und den Jahrbüchern über den Kopf gewachsen sind […].“101 Hayms Lob der schriftstellerischen Leistung Treitschkes und seine Ankündigung, sich dessen Rotstift zu unterwerfen102, waren ernst gemeint, erscheinen aus heutiger Sicht aber übertrieben – oder als taktisch kluge Bauchpinselei. Bekannt ist, dass Treitschke kurz vor Beginn des preußisch-österreichischen Krieges die Anfrage Bismarcks, in dessen Dienst zu treten, mit der Begründung ablehnte, sich nicht mit der inneren Konfliktspolitik der Regierung identifizieren zu können.103 Bereits zwei Wochen später flüchtete er aus Freiburg nach Berlin104 und übernahm die Redaktion der PJ105 – was an vielen Stellen fälschlicherweise in Zusammenhang mit dem Handeln Bismarcks gebracht wurde106. Tatsächlich war der Eintritt Treitschkes in die Redaktion der PJ bereits seit Januar 1866 zwischen ihm und Wilhelm Wehrenpfennig ausgemacht.107 Treitschke hatte es immer als höchstes Ziel angesehen, das „Volk zur Freiheit und Bildung zu erziehen“108, „der deutschen Bevölkerung seine Idee von der Nation als der entscheidenden Kraft der Geschichte zu vermitteln“109. Er war ein begnadeter 99
Treitschke berichtete Freytag am 28. Januar 1866 (in Dove, Briefe Freytag-Treitschke, S. 87), er habe in Frankfurt einen Vortrag über Mirabeau gehalten. Außerdem habe er „dort 2 Tage mit Wehrenpfennig […], einem sehr tüchtigen Manne, und mit meinem alten Gönner Mohl“ verkehrt. 100 Vgl. Haym an Treitschke am 19. Juli 1866 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV T 10). 101 Haym an Treitschke am 5. Oktober 1865 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 239 f.). 102 Haym an Treitschke, um den 20. Juli 1866 (ebd., S. 256). 103 Vgl. dazu die Passage in Kapitel D. II. 4 dieser Studie. 104 Vgl. Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 475 ff. und Bernhardi, Tagebücher VII, S. 269 ff. 105 Vgl. Treitschke an Emma von Bodman am 24. Juni 1866 (in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 489). 106 Zum Beispiel von Bercht, PJ, S. 148 f.; Prugel, Treitschke, S. 76 f.; Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 219. 107 Vgl. Wilhelm Wehrenpfennig an Heinrich von Treitschke am 24. Januar 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 62/63). 108 Vgl. Treitschke an Emma von Bodman am 4. März 1867 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 145 f.). 109 Wyrwa, Treitschke und öffentliche Meinung, S. 789. Dazu so wortgewaltig wie das Objekt seiner Untersuchung Meinecke, Treitschke, S. 467: „Treitschke dachte […] in Imperativen. Wie oft hat man den Eindruck bei ihm, daß seine Sätze Dekreten gleichen, die eine durch ihre innere Evidenz sich beweisende Tatsache behaupten. Dadurch erhielten seine Be-
III. Die Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke
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Netzwerker – wegen seiner fast vollständigen Taubheit zumeist in schriftlicher Form – mit einem herausragenden Gespür für gesellschaftliche und politische Strömungen. Doch für den Kampf mit politischen Schlagworten, für wirklichen Einfluss auf die öffentliche Meinung, war eine „entscheidende institutionelle Voraussetzung […] die Verfügung über zeitgemäße Medien“110 ; mit der geteilten Redaktionsleitung der PJ verfügte Heinrich von Treitschke nun über ein solches Organ. Tatsächlich leitete Treitschke nach seiner Ankunft in Berlin die PJ alleine – doch nur zwei Monate lang. Von Anfang an war die Tätigkeit als Provisorium geplant, oder wie es Treitschke ausdrückte, als „herzlich schlechtes Ferienvergnügen. Ich freue mich, im Herbst wieder auf das Katheder zu kommen, dann tritt Wehrenpfennig wieder in seine Rechte.“111 Bereits im November 1866 bat Treitschke Max Duncker aus seinem neuen Wirkungsort Kiel: „Wenn Sie mir einmal, kurz, aber lehrreich, über die Dinge in Berlin schreiben wollen, so wäre mir das eine wahre Beruhigung. Ich begreife kaum, wie ich, ohne solche Belehrung, hier aus meiner Abgeschiedenheit […] etwas nützen soll.“112 Als Treitschke bereits ein Jahr später, im Herbst 1867, nach Heidelberg berufen wurde, berichtete er PJ-Verleger Georg Reimer, die Heidelberger Kollegen erwarteten, dass sein Name „von dem Titel der blauen Blätter verschwinden werde“. Er werde an seinem Verhältnis zu den PJ jedoch nichts ändern, weiter ein fleißiger Mitarbeiter sein „und für das Blatt mitsorgen, soweit das aus der Ferne angeht“113. Vor diesem Hintergrund konnte nur Wilhelm Wehrenpfennig die faktische Leitung der PJ ausüben. Doch dieser befand sich bereits seit Frühjahr 1865 weitab von Berlin, in Frankfurt am Main. Nach dem Tod seiner Schwiegermutter musste er die weisführungen etwas Stoßweises und Eruptives, ja Ungeduldiges. Die Beweise für das, was er wollte, jene Dekrete über die Dinge, die er gab, sprangen ihm immer fertig gerüstet wie Minerva aus dem Haupte des Zeus. Aus der lebendigsten, reichsten und kraftvollsten Anschauung der Dinge entsprangen ihm seine Dekrete, und ein sittlich hoher und reiner Wille gab den Bildern, die sein Künstlerauge sah, jene Festigkeit und bezwingende Evidenz, die sie zu Beweisen machte. Was Wunder, wenn diese Verbindung von edelster sittlicher Kraft und farbigster Sinnlichkeit und Lebendigkeit in allen Gedanken einen überwältigenden Eindruck machte. Er wurde durch mehr als ein Menschenalter zum Führer der Nation, das heißt derjenigen Schichten der Nation, die den nationalen Staat als Geber von Macht und Freiheit errichten und erhalten wollten, – aber er wurde dabei auch zum Verführer derer, die mehr das Wollen als das Denken schätzten und nun in seinen begeisternd überzeugenden Sätzen und Dekreten Ersatz für alles eigene Denkbemühen fanden. Sein heiliger schwerer Ernst stand in Gefahr, aus allen seinen Idealen, mochte er noch so sehr ihre historische Wandelbarkeit beteuern, etwas Starres, Unbewegtes, Absolutes zu machen.“ 110 Wyrwa, Treitschke und öffentliche Meinung, S. 789. 111 Treitschke an Wilhelm Lang am 21. August 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 18, Mappe 7, Bl. 53; ebenso in WLB Stuttgart, Cod. hist. 8 Nr. 156, Fasz. 297, Br. 1). Ähnlich an Gustav Schmoller (GStA PK, VI. HA, NL v. Schmoller, Nr. 146, Bl. 4/5) und Emma von Bodman (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 36 ff.), jeweils am 3. August 1866. 112 Treitschke an Duncker am 11. November 1866 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 140, Bl. 14/15). 113 Treitschke an Reimer am 9. Oktober 1867 (in Cornicelius, ebd., S. 174 f.).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
Firma der Familie abwickeln. Hatte Wehrenpfennig anfangs einen zweiwöchigen Aufenthalt in Frankfurt veranschlagt, um sich einen Überblick über die Geschäfte der Spezerei Hölzle, eines Gewürz- und Lebensmittelhandels, zu verschaffen, so blieb er am Ende zweieinviertel Jahre.114 Seine Rückkehr plante Wehrenpfennig zum folgenden Jahreswechsel115, im Sommer 1866 vermeldete er dasselbe und klagte „über die materiellen Verluste, die ihm und seiner Familie die neue Gestaltung der Dinge verursacht hat“116. Ende 1866 endlich hatte Wehrenpfennig das Geschäft der Familie verkauft und plante, im Februar 1867 nach Berlin zurückzukehren117; zu diesem Zeitpunkt hatte er die Spezerei Hölzle erst an den nächsten Besitzer übergeben118. Am 1. Juni 1867 meldete Treitschke: „Wehrenpfennig ist immer noch nicht in Frankfurt fertig. Seine Frau wartet mit uns jeden Tag vergeblich auf seine Ankunft […].“119 Eine Woche später war er zurück in Berlin, wo er zunächst „zu gar nichts fähig als zum Schlafen“ war.120 Die Folge der Abwesenheit Wehrenpfennigs lag auf der Hand: über das politische Geschehen in Berlin war er nur unzureichend informiert.121 Bereits nach einem Monat in Frankfurt vermeldete er Treitschke, dass er außer der geschäftlichen Korrespondenz – die nach eigenen Angaben mindestens 50 Briefe im Monat betrug122 – „für die Jahrbücher nichts tun könne[]“. Die politischen Korrespondenzen müssten „für einige Zeit schweigen oder […] durch einen Anderen geschrieben werden. Es ist das kein großer Verlust, aber ich fühle, daß es doch deshalb einer Rechtfertigung vor den Freunden der Jahrbücher bedarf.“123 Die Suche nach einem Ersatzkorrespondenten war glücklicherweise schnell abgeschlossen: der Redakteur der Weser-Zeitung und liberale Handelspolitiker Alexander Meyer sprang in die 114
Vgl. Wehrenpfennig an Heinrich von Treitschke am 5. April 1865 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 22/23). Am 18. Juli 1865 kündigte er Duncker an (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 154. Bl. 49/50), „nimmermehr“ im verrotteten, von der Malaria geplagten Nest namens Frankfurt zu bleiben. 115 Vgl. Wilhelm Wehrenpfennig an Max Duncker am 14. September 1865 (GStA PK, ebd., Bl. 51/52). 116 Jungverleger Ernst Reimer an Heinrich von Treitschke am 26. September 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 8, Mappe 69, Bl. 12/13). 117 Vgl. Wilhelm Dilthey an Wilhelm Scherer am 1. Januar 1867 (in Misch, Dilthey, S. 227 ff. und Dilthey, Briefe, S. 383) und Wehrenpfennig an Duncker am 16. Dezember 1866 (GStA PK, VI. HA, NL Duncker, Nr. 154, Bl. 96 f.). 118 Vgl. Wehrenpfennig an Duncker am 15. Februar 1867 (GStA PK, ebd., Bl. 102/103). 119 Treitschke an Georg Reimer am 1. Juni 1867 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 8, Mappe 68, Bl. 6/7). 120 Wehrenpfennig an Treitschke am 9. Juni 1867 (ebd., Kasten 9, Mappe 46, Bl. 145/146). 121 Vgl. Wilhelm Wehrenpfennig an Max Duncker am 12. Juli 1865 und 17. April 1866 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 154, Bl. 47/48 und 66/67) sowie ans Verlagshaus Reimer am 26. November 1866 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Wehrenpfennig). 122 Vgl. Wehrenpfennig an Treitschke, 6. Dezember 1865 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, ebd., Bl. 55/56). 123 Alles Vorherige in: Wehrenpfennig an Treitschke am 4. Mai 1865 (ebd., Bl. 24/25).
III. Die Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke
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Bresche.124 Darüber hinaus stimmte Rudolf Haym zu, „halb und halb für die Zeit von Wehrenpfennigs Aufenthalt in Frankfurt das Notizenfach für die Jahrbücher“ zu übernehmen.125 Vor allem in seinem zweiten Frankfurter Jahr kam Wehrenpfennig mit seinen Aufgaben als Herausgeber kaum hinterher: Der Heidelberger Staatsrechtler Siegfried Brie beschwerte sich, dass ein Teil seines Aufsatzes Die Gründung des Königreiches Belgien vier Monate, nachdem er diesen an Wehrenpfennig geschickt habe, noch nicht erschienen sei126; Ähnliches tat Wilhelm Oncken127; Rudolf Haym berichtete von einem verzweifelten Verleger, der ohne Anweisungen für die Drucklegung bleibe128; Treitschke schrieb: „Von Wehrenpfennig hab’ ich schon lange nichts gehört“129 ; Wilhelm Dilthey bemerkte, jener sei „ohne alles Interesse für die Vertheilung von Aufsätzen in Hefte, seine Antworten bleiben aus; er antwortet ohne die Briefe bei der Hand zu haben u. vergißt so manches“. Seinen Freund verteidigte er aber erneut gegenüber Wilhelm Scherer, der lange auf die Veröffentlichung seines Aufsatzes Pater Abraham a Santa Clara wartete und den Wehrenpfennig bereits vor Veröffentlichung seines Grimm-Aufsatzes mit nicht abgesprochenen Korrekturen vor den Kopf gestoßen hatte.130 Im Winter 1866/67 konnte Wehrenpfennig noch weniger Zeit für die PJ aufbringen: sein jüngster Sohn Willy litt an einer akuten Hirnhautentzündung, hatte die Krankheit scheinbar überwunden und verstarb nach einem Rückfall am 11. Januar 1867.131 Auch Heinrich von Treitschke musste zu dieser Zeit einen Schicksalsschlag verkraften – sein Vater, Generalleutnant Eduard von Treitschke, hatte sich wegen der Äußerungen gegen den Fortbestand des sächsischen Königshauses öffentlich von ihm losgesagt und war im März 1867 verstorben, bevor es zu einer wirklichen Aussöhnung kam132 – und konnte von seiner akademischen Zwischenstation in Kiel 124 Vgl. die Briefe Meyers an Verleger Reimer (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Meyer). 125 Rudolf Haym an Reimer am 9. Mai 1865 (ebd., R1 – Haym). 126 Vgl. Brie an Treitschke am 18. August 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 5, Mappe 85, Bl. 1/2). 127 Vgl. Wilhelm Wehrenpfennig an Wilhelm Oncken am 21. April 1867 (StaBi Berlin PK, Slg. Darmstaedter, 2 l 1860: Wehrenpfennig, Bl. 14). 128 Haym an Treitschke, 21. Dezember 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 111/2). 129 Treitschke an Verleger Reimer, 6. Februar 1867 (ebd., Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 39). 130 Alles aus dem Brief Wilhelm Diltheys an Wilhelm Scherer am 1. Januar 1867 (in Dilthey, Briefe, S. 384). 131 Vgl. Rudolf Haym an Heinrich von Treitschke am 18. Januar 1867 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 113/4) sowie Wilhelm Wehrenpfennig an Max Duncker am 12. Januar und 15. Februar 1867 (GStAPK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 154; Bl. 100 ff.). 132 Vgl. Cornicelius, Treitschke Briefe II/III, S. 398 ff./S. 50 ff. und Dorpalen, Treitschke, S. 118 ff.
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
aus133 schwerlich die Redaktionsarbeit der PJ koordinieren. So sprach Wilhelm Wehrenpfennig zeitweise von einer „Anarchie in den Preußischen Jahrbüchern“134. Ungeachtet dessen war klar: Heinrich von Treitschke und Wilhelm Wehrenpfennig sollten die geteilte Herausgabe der PJ übernehmen. Doch diese Formalität umzusetzen gestaltete sich ebenfalls schwieriger als gedacht. Zunächst hatten sich im Herbst 1866 Verleger Reimer und Treitschke auf die geplante Lösung verständigt.135 Wehrenpfennig war bis dahin nie offiziell als Herausgeber aufgetreten, da er seit seinem Ausscheiden aus dem Literarischen Büro des Preußischen Staatsministeriums136 nur in den einstweiligen Ruhestand versetzt war. Daher wurde 1865/66 ein bis heute unbekannter Schattenmann namens Flögel eingesetzt.137 Wehrenpfennig bat nun Max Duncker um eine offizielle Anfrage bei Innenminister Eulenburg oder gar Ministerpräsident Bismarck.138 Außerdem ermahnte er Treitschke, ohne ihm „irgend einen sachlichen Grund anzugeben, daß diese Nennung seines Namens erst im April eintrete“139 – der Grund war letztendlich Wehrenpfennigs hohe Arbeitsbelastung in Frankfurt am Main. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren viele Personen an vielen Orten mit der Frage der Herausgabe befasst. Nun schaltete sich auch Altherausgeber Rudolf Haym ein140, der wohl von Duncker und Wehrenpfennig widersprüchlich informiert wurde, und sprach sich gegenüber Treitschke gegen Wehrenpfennig als alleinigen und somit vom Staatsministerium „concessionierten“ PJ-Herausgeber aus. Treitschkes Name „mitgenannt wäre ein volles Gegengewicht“ und sei die einzige Garantie für weitere Verkaufserfolge. Treitschke konnte Haym beruhigen: „Ich habe im Oktober mit Reimer verabredet, daß […] Wehrenpfennigs und mein Name auf dem Titel stehen sollten, und nie daran gedacht, diese Abrede zu ändern. […B]is zum April zeichne ich, nachher wir Beide.“ Spätestens zu diesem Zeitpunkt empfanden es alle Betei-
133
Vgl. Hjeholt, Treitschke und Schleswig-Holstein. Wehrenpfennig an Treitschke, 6. Juni 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 87/88). 135 Vgl. Heinrich von Treitschke an Georg Reimer am 29. September 1866 (ebd., Kasten 17, Nr. 10, Bl. 15). 136 Zum Ausscheiden Wehrenpfennigs aus dieser Stellung vgl. GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 3736 (Literarisches Büro des Staatsministeriums im Königlichen Zivilkabinett), Bl. 33 ff.: Schriftstücke März bis September 1862. 137 Vgl. Verleger Georg Reimer an Rudolf Haym am 14. September 1865 (ULB Halle, NL Haym, Yi 23 IV 416): Flögel erhielt für den 15. Band der PJ ein Gehalt von 50 Talern ausbezahlt. 138 Vgl. Wehrenpfennig an Duncker, 16./21. Dezember 1866 (GStA PK, VI. HA, NL Duncker, Nr. 154, Bl. 96 f.), Haym an Treitschke, 21. Dezember (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 111 f.). 139 Heinrich von Treitschke an Rudolf Haym am 10. Januar 1867 (ebd., Kasten 33, Mappe 1867, Bl. 4). 140 Haym an Treitschke am 21. Dezember 1866 und 18. Januar 1867 (ebd., Kasten 6, Mappe 87, Bl. 111 ff.). 134
III. Die Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke
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ligten als unumgänglich, dass Wehrenpfennig schnellstmöglich nach Berlin zurückkehre.141 Im Sommer 1867 nahm die Doppelspitze der PJ endlich ihre Arbeit auf. Das bedeutete: gleichberechtigte Führung, enge Absprachen142 und Wehrenpfennig als Schlussredakteur, der die Hefte plante und für Treitschke zum unverzichtbaren politischen Informanten wurde. In dessen Briefen an den Kollegen wiederholten sich die Entschuldigungen: „[W]erden Sie nicht zornig, wenn mein Artikel erst in einigen Tagen […] fertig wird“; „[H]aben Sie Geduld mit mir“; „Es tut mir […] leid mein Wort nicht halten zu können“; „[D]iesmal bedarf ich Ihrer vollen Nachsicht“; „Sie sind rührend gutmüthig, daß Sie […] um Verzeihung bitten – während das Entschuldigen doch an mir ist.“143 Treitschke erlaubte selbst Korrekturen an seinen eigenen Aufsätzen, wenn auch nur nach nochmaliger Rücksprache und mit „größte[r] Sorgfalt“144. Doch auch der diplomatisch geschickte Wehrenpfennig konnte den Heißsporn nicht immer zufriedenstellen. Im Sommer 1866 erhielt Treitschke aus den Händen Gustav Schmollers einen Aufsatz über die Staatslehre des in Wien wirkenden Lorenz von Stein und bewunderte die Geduld, mit der „Sie sich in Steins Werk eingelesen haben. Der Mann ist unzweifelhaft gescheit und eigenthümlich, aber so […] abstruß, seine Form so recht das Gegentheil der Weise, wie practische Nationen über Politik schreiben sollen.“145 Über ein halbes Jahr kam der Artikel nicht zur Sprache, bis er das Märzheft 1867 der PJ eröffnete. Treitschke tobte: „[W]as um Himmels Willen haben Sie in dem letzten Hefte angerichtet!! Lorenz Stein – am Eingang eines preußischen Blattes! Der Lump, der Börsenjobber, der Speichellecker Schmerlings!! Ich traute meinen Augen nicht! Ich bin wahrhaft entsetzt über diese Sache, die ich nur einer vollständigen Unkenntniß Ihrerseits zuschreiben kann. Stein ist ein Mann nicht ohne Geist, aber seine besten Gedanken durch Schrullen, Hegelei etc. bis zum Unkenntlichen entstellt; der Mann selbst bei Jedermann auf das Äußerste discreditirt. Die Verwaltungslehre ist allerdings weitaus Steins bestes Buch, aber ein so übertriebenes Lob, wie das von Schm[oller] läßt sich in einem anständigen Blatte nur verantworten, wenn das Lob in der bescheidenen Form einer Bücheranzeige, mit kleinem Druck (wie Schm[oller] ursprünglich wollte) erscheint. Nun haben Sie daraus einen großen leader gemacht! […S]o 141 Treitschke an Haym am 10. Januar 1867 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 33, Mappe 1867, Bl. 4). 142 Vgl. Wilhelm Wehrenpfennig an Heinrich von Treitschke am 21. November 1868 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 212 ff.) und am 25. April 1869 (ebd., Bl. 239/40). 143 Treitschke an Wehrenpfennig am 1. Juni 1867 (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 30/31), 27. August 1867 (ebd., Bl. 47), während eines spontanen Besuchs seines Schwiegervaters am 7. September 1867 (ebd., Bl. 51/52), am 4. und 23. Januar 1869 (ebd., Bl. 147 ff.). 144 Treitschke an Wehrenpfennig über den Bonapartismus-Essay, 16./29. September 1867 (ebd., Bl. 53 ff.). 145 Treitschke an Gustav Schmoller am 3. August 1866 (GStA PK, VI. HA, NL v. Schmoller, Nr. 146).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
lange mein Name auf dem Titel steht, muß ich wenigstens eine ungefähre Kenntnis des Inhalts im Voraus haben. Es geht nicht an, daß in Sachen, die ich verstehe […], mein Blatt von meiner eigenen Meinung so himmelweit abweicht.“146
Zu Jahresbeginn 1869 musste sich Wehrenpfennig mit den Befindlichkeiten des Heidelberger Universitätslebens auseinandersetzen: dort scheiterte der Nationalökonom Gustav Cohn beim ersten Versuch, sich zu habilitieren. Ein Mitglied der Prüfungskommission war Heinrich von Treitschke. Cohn hatte nun einen Artikel an die PJ geschickt, der sich gegen eine aktuelle Flugschrift des linksliberalen württembergischen Zollabgeordneten Moritz Mohl richtete. Wilhelm Wehrenpfennig hatte die Druckfahnen für das nächste Heft freigegeben und den Artikel Cohns einem des Heidelberger Kirchenrechtlers Friedrich Nippold vorgezogen. Obwohl Treitschke eine Zurückweisung Mohls befürwortete, wies er Wehrenpfennig zurecht: „Schicken Sie mir, bitte, sofort den Abdruck. Sollte der Aufsatz wider Erwarten ganz ausgezeichnet sein, so kann ich zur Noth dafür stimmen. Ist er nur mittelmäßig, so muß er schlechterdings herausgeworfen werden. Ich mache mich ja geradezu lächerlich, wenn ich einen Menschen, den ich kürzlich durchfallen ließ und der dieser Tage sein Glück von Neuem versuchen will, in meinem Blatte reden lasse. Schon die Frechheit, daß er sich für meinen Collegen ausgibt, verdient eine Abfertigung.“147
Drei Tage später erhielt Wehrenpfennig Treitschkes dringende Aufforderung: „Schmeißen Sie den Cohn heraus!“ Cohn komme wohl „mit zwei blauen Augen“ durch seinen zweiten Examensversuch. Aber man dürfte in der akademischen Welt nicht die Botschaft vermitteln, was zum Privatdozenten „zu schlecht scheint ist für die blauen Blätter immer noch gut genug. Jedenfalls muss erst etwas Gras gewachsen sein über Cohns akademisches Mißgeschick, bevor wir ihn bei uns aufnehmen können.“148 Treitschke regelte die Sache schließlich „mit gewohnter Menschenfreundlichkeit“, gab Nippold den Vorzug und berichtete Wehrenpfennig, Cohn „nahm den Streich so wenig übel, daß er mir gleich einen neuen Aufsatz anbot! […] Mein Staatsstreich hat also nur Ihnen und der Druckerei verlorene Mühe gemacht.“149 Wehrenpfennig reagierte sachlich und wortkarg auf Ausbrüche und Interventionen dieser Art. Eine Ausnahme bildet ein Brief aus dem Februar 1870, in dem er Treitschke nachsagte, die PJ „mit gar zu trüben Augen“ anzusehen. Treitschke erhalte jeden Aufsatz vor Erscheinen als Separatabzug, er könne ihn ablehnen, auch wenn er ihn selbst weitergeleitet habe. Beim leisesten Verdacht der unklaren poli-
146 Treitschke an Wehrenpfennig am 16. März 1867 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 43, Bl. 2). Im Brief vom 10. April wurde die Sache Stein bereits „in Frieden begraben“ (ebd., Bl. 3). 147 Treitschke an Wehrenpfennig am 24. Februar 1869 (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 153/4). 148 Treitschke an Wehrenpfennig am 27. Februar 1869 (ebd., Bl. 155 ff.). 149 Treitschke an Wehrenpfennig am 5. März 1869 (ebd.).
III. Die Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke
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tischen Stoßrichtung eines Artikels werde mit Treitschke Verständigung gesucht. „Also, machen Sie keine Geschichten.“150 Außerdem erschwerte das parlamentarische Engagement Wehrenpfennigs und Treitschkes die Redaktionstätigkeit. Während einer Wahlkampfreise Wehrenpfennigs im Frühjahr 1869, an deren Ende er bei einer Nachwahl im Kreis Waldeck zum Abgeordneten des Norddeutschen Reichstags bestimmt wurde, musste Treitschke für zwei Ausgaben die Redaktionsarbeit alleine stemmen.151 Die verspätete Lieferung redigierter Artikel und eigener Korrespondenzen waren an der Tagesordnung, in der Folge auch verspätetes Erscheinen der Zeitschrift.152 Kein Herausgeber zeigte überdies große Motivation, selbst die Politischen Korrespondenzen zu den PJ beizusteuern. Sie sei „eine leidige schwierige Sache“, klagte Wehrenpfennig nach seiner Rückkehr aus Frankfurt, „ich muß mich erst wieder in sie hinein arbeiten“153. 1868 versuchte er vergeblich, Heinrich Bernhard Oppenheim als Korrespondenten zu gewinnen. Dieser hatte Anfang der 1860er-Jahre mit den Deutschen Jahrbüchern für Politik und Literatur ein Konkurrenzunternehmen zu den PJ herausgegeben, gehörte der dem äußersten linken Flügel der Nationalliberalen an und versuchte, eine Brücke zur Fortschrittspartei zu schlagen. Treitschke lehnte diesen Kommentator ab: „Bedenklich ist mir nur, ob wir unsere Mitarbeiter so weit links führen dürfen; einige unserer treuesten Freunde würden sich vor O[ppenheim]s Namen bekreuzigen. Auch seh’ ich nicht ein, was es nützt, die schwarze Wäsche der Fortschrittler nochmals zu waschen; wir überlassen das besser den Zuschauern.“154 Wehrenpfennig muss Treitschke nach seinem Einzug ins preußische Abgeordnetenhaus angekündigt haben, wegen der zusätzlichen Arbeitsbelastung keine Korrespondenzen mehr zu schreiben. „Daß Ihnen diese Arbeiten widerwärthig sind, kann ich mir lebhaft vorstellen nach meinen eigenen Empfindungen im Herbst 1866“, meinte Treitschke, schränkte aber ein, die Korrespondenzen seien ein unentbehrlicher Bestandteil ebenso der PJ wie aller französischer und italienischer Revuen. Es sei ein Bedürfnis, sich nach der zerstreuenden Zeitungslektüre „an einem verständigen zusammenfassenden Überblick“ zu orientieren. Wehrenpfennig müsse
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Wehrenpfennig an Treitschke am 16. Februar 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 279 ff.). 151 Vgl. Wehrenpfennigs Briefe aus dem März 1869 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46). 152 Vgl. Wehrenpfennig an Treitschke am 21. August 1869 (ebd., Bl. 258 ff.) und Treitschke an Verleger Georg Reimer am 7. März 1871 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 59): „Sie werden mir zürnen, und mit Recht. Malen Sie auf die Vignette des Märzheftes mein Bild am Galgen baumelnd.“ 153 Im Brief an Treitschke vom 12. Juli 1867 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 147/8). 154 Treitschke an Wehrenpfennig, 7. Januar 1868 (GStA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 81 f.).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
„uns auch fernerhin dies Opfer bringen“ und regelmäßig für die PJ zur Feder greifen.155 Bereits im Dezemberheft 1868 fehlte die Politische Korrespondenz, den folgenden Essay zum Jahresbeginn musste Treitschke übernehmen, Wehrenpfennig war erst für den März 1869 zu einer politischen Stellungnahme zu bewegen.156 Treitschke setzte die „unverwüstliche[] Regel“ durch, dass die Korrespondenzen „in keinem Hefte fehlen dürfen, wenigstens niemals während der Parlaments-Sitzungen. Wir brauchen schlechterdings einen Ersatzmann, der Sie im Falle von Wahlreisen u. dgl. vertreten kann. Ich bitte Sie dringend dafür zu sorgen; unter der […] lib[eralen] Fraction muß sich doch Einer finden, der im Nothfall eintreten kann.“157 In den Folge fielen die Korrespondenzen immer wieder der politischen Arbeit der Herausgeber zum Opfer – oder zumindest litt die Qualität der Berichterstattung. So hatte Treitschke im Februar 1871, als er ohne Rückmeldung Wehrenpfennigs geblieben war158, als Ersatz „höchst ungern die beifolgenden Seiten zusammengeschrieben“ und Verleger Georg Reimer direkt in die Druckerei geschickt. Doch Treitschke zeigte dabei Verständnis: Dass Wehrenpfennig keine Korrespondenz geschrieben habe, sei „sehr traurig, aber sehr menschlich“159. Zumindest konnte man sich stets auf Wehrenpfennig als politischen Informanten verlassen. Durch ihn erreichten Treitschke Informationen aus erster Hand, teils direkt aus den Sitzungen des preußischen Abgeordnetenhauses oder dem Norddeutschen Reichstag.160 Treitschke nutzte diese direkt für seine eigenen Aufsätze und Flugschriften, wie zum Beispiel für den Jahresrückblick auf das Jahr 1868, als dessen Vorlage ein Brief Wehrenpfennigs vom 25. Dezember gilt. So bemerkte Heyderhoff: „Bleistiftstriche Treitschkes im Original sind die äußeren Kennzeichen der Benut155 Treitschke an Wehrenpfennig am 15. Oktober 1868 (GStA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 133/4). Vgl. ebd., Bl. 139 ff. (Brief vom 30. November 1868) mit Treitschkes Erinnerung an die Pflicht, „zur rechten Zeit […] die Wahrheit zu sagen“. 156 Treitschke informierte Baumgarten am 6. Dezember 1868 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 18, Mappe 9, Bl. 62), Wehrenpfennig habe keine Korrespondenz geschrieben und „mir von dieser schlechten Absicht nichts vorhergesagt, wie er das immer thut wenn er ein schlechtes Gewissen hat. Er hat viele gute Entschuldigungsgründe; die Candidatur, der Eintritt in das Haus und ein Aufsatz über Ihre spanische Geschichte nahmen ihm seine Zeit. Aber für die Jahrbücher ist das Ausfallen der Correspondenz sehr bös […].“ Da dies bereits zum dritten Mal geschehen sei, werde er „verabreden, daß ein tüchtiger Ersatzmann für solche Fälle unbedingt gefunden werden muß“. 157 Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 14. Dezember 1868 (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 143/4). 158 Heinrich von Treitschke an PJ-Verleger Georg Reimer am 4. Februar 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 31): „[I]ch gebe jede Hoffnung auf jemals einen Brief von ihm zu erhalten […].“ 159 Beide vorherigen Zitate: Heinrich von Treitschke an Georg Reimer am 9. Februar 1871 (ebd., Bl. 32). 160 Vgl. Wilhelm Wehrenpfennig an Heinrich von Treitschke am 31. Mai und 25. Juli 1869 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 241/2 und Bl. 251/2).
IV. Neue Mitarbeiter, neue Themen und alte Probleme
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zung.“161 Als Treitschke im Februar 1871 in den Reichstag einzog, bat er Wehrenpfennig um Beistand. Der sagte zu – auch wenn er überzeugt war, dass Treitschke als freier Publizist mehr nütze und mit der Parteipolitik nicht zurechtkommen werde.162
IV. Neue Mitarbeiter, neue Themen und alte Probleme Auch die Riege der regelmäßigen PJ-Autoren veränderte sich im Zuge der Herausgeberwechsel. Wilhelm Wehrenpfennig hatte bereits zum Jahresende 1863 mit Wilhelm Lang einen Mitarbeiter angeworben163, der in den Folgejahren zum wichtigsten politischen Korrespondenten aus und über Süddeutschland werden sollte. Zugleich gelang es Wehrenpfennig nicht, seinen engen Freund Wilhelm Dilthey als Autoren zu halten. Der war Altherausgeber Rudolf Haym als Philosoph in seiner Themenwahl deutlich näher, zog sich ebenfalls aus der politischen Publizistik zurück und wirkte ab 1866 im weit entfernten Basel.164 Diese Personalien sind exemplarisch für die Art und Weise, wie sich die Beziehungen zur Redaktionsleitung nach dem Ausscheiden Rudolf Hayms gestalteten: persönliche Bindungen zählten nun weniger, stattdessen bestimmte das gemeinsame Ziel eines preußisch dominierten kleindeutschen Nationalstaates die Auswahl der Themen und Autoren. Nachdem sich Wehrenpfennig und Heinrich von Treitschke Anfang 1866 auf eine gemeinsame Leitung der PJ verständigt hatten, ließ Ersterer seinem künftigen Kollegen eine Liste „Sonstige wissenschaftliche Mitarbeiter“165 zukommen. Von zwei Dutzend Genannten wurden nur neun regelmäßig fortbeschäftigt: die Historiker Hermann Baumgarten, Karl Mendelssohn-Bartholdy, Reinhold Pauli und Hermann Reuchlin, die Theologen Wilhelm Lang und Eduard Zeller sowie die Ökonomen Victor Böhmert, Gustav Schmoller und Adolph Wagner.166 161 Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 433 als Anmerkung zum Brief Wehrenpfennigs an Treitschke vom 25. Dezember 1868. Vgl. auch die Briefe vom 4. und 11. Dezember 1868 (alle in StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 216 ff.). 162 Wilhelm Wehrenpfennig sagte Heinrich von Treitschke am 10. Februar 1871 (ebd., Bl. 338/9) zu, ihm nach Kräften beizustehen, ergänzte aber: „Sie wissen, daß ich Ihren Entschluß für nicht gut halte.“ Sollte ihm Bismarck zur Kandidatur für den Reichstag geraten haben, sei dies ein egoistischer Rat gewesen. 163 Vgl. Wilhelm Wehrenpfennig an Wilhelm Lang am 4. November 1863 (WLB Stuttgart, NL Lang, Cod. Hist. 88 156, Fasz. 308, Br. 1). 164 Vgl. von Renthe-Fink, Geschichtlichkeit, S. 64 f. sowie Thielen, Dilthey, S. 194 ff. und S. 440 ff. 165 Wilhelm Wehrenpfennig an Heinrich von Treitschke am 24. Januar 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 62/63). 166 In den PJ kaum noch oder niemals namentlich in Erscheinung traten aus der angesprochenen Liste wissenschaftlicher Mitarbeiter: Theodor von Bernhardi, Bernhard Erdmannsdörffer, Otto Gildemeister, Karl Hase, Hermann Hettner, Friedrich Hinrichs, Friedrich Kreyßig, August Lammers, Otto Nasemann, Wilhelm Roscher, Wilhelm Rossmann, Heinrich Christian Schrader, Karl Schwarz, David Friedrich Strauß und Rudolf Usinger.
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
Zum Mitarbeiterkreis stieß nun eine Reihe junger Historiker, die ebenfalls die Einigung Deutschlands unter Führung Preußens als Erfüllung der deutschen Geschichte ansahen und ihre historiographischen – und teils auch politischen – Aktivitäten danach ausrichteten167: der Tübinger Mediävist Bernhard Kugler (geb. 1837); der Karlsruher Archivar Friedrich von Weech (geb. 1837); Wilhelm Maurenbrecher (geb. 1838), der ab 1869 in Königsberg lehrte und zu den bedeutendsten Reformationshistorikern gehörte; der Heidelberger Kirchenhistoriker Friedrich Nippold (geb. 1838); Wilhelm Oncken (geb. 1838), der sich in Heidelberg und Gießen zunächst mit der griechischen, dann mit der preußischen Geschichte beschäftigte; Karl Theodor Wenzelburger (geb. 1839), der aus den Niederlanden vor allem als Korrespondent für die liberale Kölnische Zeitung berichtete. Den Blick in andere Kulturkreise weiteten darüber hinaus Kunst- und Literaturhistoriker wie Hermann Grimm (geb. 1828), der seine ersten (populär)wissenschaftlichen Abhandlungen zur Kunstgeschichte in den PJ veröffentlichte; Karl Justi (geb. 1832), der neben Burckhardt, Gregorovius und eben diesem Grimm als bedeutendster Vertreter der deutschsprachigen Kulturgeschichtsschreibung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelten kann; dazu kamen der Literaturhistoriker Michael Bernays (geb. 1834) und der Kunsthistoriker Julius Lessing (geb. 1843). Bedeutende Rechtswissenschaftler kommentierten für die PJ die Verfassungsentwicklung im entstehenden deutschen Nationalstaat: der Kasseler Otto Bähr (geb. 1817), mit der Einverleibung Kurhessens in den preußischen Staat an das Oberappellationsgericht für die neuen Provinzen berufen, ab 1867 nationalliberales Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, des Norddeutschen und dann des Deutschen Reichstages; Samuel Endemann (geb. 1825), seit 1862 Professor für Handels- und Zivilprozessrecht in Jena; Friedrich von Thudichum (geb. 1831), seit 1862 außerordentlicher und seit 1870 ordentlicher Professor der Rechte in Tübingen; außerdem der Hallenser Staats- und Kirchenrechtler Edgar Löning (geb. 1843). Mit Autoren wie Victor Böhmert (geb. 1829), Erwin Nasse (geb. 1829), August Lammers (geb. 1831), Adolph Wagner (geb. 1835)168 und Gustav Schmoller (geb. 1838) zog ab Mitte der 1860er-Jahre die Nationalökonomie als Thema in die PJ ein. Schmoller – der 1864 seine außerordentliche Professur in Halle vor allem auf Betreiben Max Dunckers erhalten hatte169 – thematisierte dabei als erster sozialpolitische Fragen, wenn auch in liberalen Denkmustern, da er an die Eigenverantwortlichkeit und Selbsthilfe der unteren Schichten appellierte. Doch so deutete sich 167 Eine Ausnahme bildete der bereits erwähnte Karl Mendelssohn-Bartholdy (geb. 1838), der 1867 in Heidelberg lehrte – dort Heinrich von Treitschke kennenlernte – und 1868 nach Freiburg wechselte. Mendelssohn-Bartholdy war überzeugter Demokrat und Gegner der kleindeutsch-preußischen Nationalstaatslösung. In den PJ publizierte er zwei Aufsätze zur griechischen Geschichte und Französischen Revolution. 168 Briefe Wagners in Zusammenhang mit den PJ in Wagner, Briefe, S. 43 ff. (von 1866) und S. 75 ff. (von 1870). 169 Vgl. Brinkmann, Schmoller, S. 66, allgemein Kaufhold, Schmoller, S. 229 ff. und vom Bruch, Schmoller.
IV. Neue Mitarbeiter, neue Themen und alte Probleme
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in den PJ ein erstes Vordenken von staatlichen Eingriffen in rein kapitalistische Produktionsweisen an, zumal die meisten der Genannten 1872 zu den Gründungsmitgliedern des Vereins für Sozialpolitik gehören sollten. Da sich die PJ unter der Leitung der Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke deutlicher denn je zur preußischen Suprematie im deutschsprachigen Raum bekannten, trugen zum Inhalt der Hefte nun Autoren bei, die sich bereits über Jahre publizistisch für dieses Ziel eingesetzt hatten: Emil Frensdorff (geb. 1818), der ab 1855 zunächst als Berliner Korrespondent für die Kölnische Zeitung gearbeitet hatte, berichtete aus Paris über die Entwicklung in Frankreich; der Literaturhistoriker Julian Schmidt (geb. 1818), der von 1848 bis 1861 mit Gustav Freytag die Grenzboten und danach bis Ende 1863 die altliberale Allgemeine Zeitung geleitet hatte; dazu kamen mit Konstantin Rößler (geb. 1820) und Moritz Busch (geb. 1821) zwei Männer, die gemeinsam mit Lothar Bucher um die Reichsgründung zu den wichtigsten publizistischen Mitarbeitern Bismarcks gehörten. Rößler unterstützte seit 1860 Preußens Politik, unter anderem berichtete er 1865 aus Schleswig und Holstein für die Preußische Zeitung und den Preußischen Staatsanzeiger. Busch schrieb von 1857 bis 1866 für die Grenzboten, unterbrochen durch ein halbjähriges Intermezzo als Presseagent des Herzogs von Augustenburg. 1866/67 arbeitete er als Presseattaché des Zivilkommissars von Hannover und nahm in der gleichen Funktion am Frankreichfeldzug Teil. Zu den „kleindeutschen Publizisten“ zählten darüber hinaus: der Jurist und Philologe Karl Braun (geb. 1822), seit 1843 im nassauischen Staatsdienst, zugleich Journalist, ab 1849 Abgeordneter der nassauischen zweiten Kammer, deren Präsident von 1858 bis 1863 und ab 1867 nationalliberaler Abgeordneter des Norddeutschen Reichstags; Karl Hillebrand (geb. 1829), seit 1857 französischer Staatsbürger, der in Paris für Zeitschriften wie Revue des deux mondes, Journal de débats, Revue critique und Le Temps arbeitete, bis er im Zuge des deutsch-französischen Krieges nach Italien auswandern musste; der erwähnte Wilhelm Lang (geb. 1832), ab 1858 Redakteur für die Augsburger Allgemeine Zeitung, die er unter Eindruck des Krieges in Italien und der großdeutschen Tendenz des Blattes 1860 verließ, um in Stuttgart Redakteur des Schwäbischen Merkur zu werden und dort 1866 die Deutsche Partei mitzubegründen; Alexander Meyer (geb. 1832), von 1862 bis 1864 Redaktionsmitglied der liberalen Weser-Zeitung, von 1864 bis 1866 nationalliberales Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses und ab 1867 Sekretär der Breslauer Handelskammer; Julius Eckardt (geb. 1836), der sich zunächst als Redakteur der Rigaer Zeitung, ab 1867 als Mitarbeiter der Grenzboten und ab 1870 als Chefredakteur des Hamburgischen Correspondenten vor allem für die Sicherung baltendeutscher Traditionen einsetzte. Dass die PJ im Laufe ihres Erscheinens Mitarbeiter verloren, war nicht ungewöhnlich, und auch nicht, dass sie starben – wie der Vorkämpfer der Judenemanzipation Gabriel Riesser (1863) oder die Altliberalen Moritz Veit (1864) und Adolf Lette (1868). Besonders tragisch aber war der Tod Julius Königers. Königer hatte insgesamt 29 militärische Korrespondenzen, Aufsätze und Notizen in den PJ veröffentlicht und plante für die Zeit nach dem deutsch-deutschen Krieg seinen Eintritt
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
in den preußischen Generalstab.170 Doch fiel er am 13. Juli 1866 als Hauptmann eines hessischen Infanterieregiments durch eine preußische Kugel.171 „Das Schicksal des armen Hauptmanns Königer […] geht mir sehr nahe“, schrieb Treitschke172 und musste gemeinsam mit Wehrenpfennig einen neuen militärischen Korrespondenten finden, zumal dieser betonte: „Die Lorbeeren der Grenzboten in dieser Hinsicht lassen mich nicht schlafen.“173 Letztlich konnte man in Max Jähns (geb. 1837) den wohl bekanntesten Militärhistoriker des späten 19. Jahrhunderts als Mitarbeiter gewinnen – wenn er auch noch am Beginn seiner Laufbahn stand, wie die Zeilen Treitschkes zeigen: „Wer ist Hr. M. Jähns? Seine Arbeit will wenig sagen, ja, mein Kollege Weinhold, ein künftiger Germanist und kein Cliquenmann, mag gar nichts davon wissen; er ist unbefangen und kennt J[ähns] gar nicht.“174 Die Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke gab den PJ eine deutlich tagespolitisch-journalistische Prägung. Die Abläufe erschienen professionalisierter als noch in den Anfangszeiten unter Haym. Doch beschwerten sich auch die neuen Herausgeber über „unfruchtbare[] Arbeit“175, die hauptsächlich aus dem Zurücksenden unbrauchbarer Manuskripte bestehe und deshalb weder Freude mache noch Freunde bringe. Tatsächlich findet sich in fast jedem Brief, der in den Jahren 1867 bis 1871 zwischen den Herausgebern kursierte, ein Verweis auf zurückgewiesene oder bis zum Vergessen verschobene Artikel. „Landgraff jun. kam neulich mit 8 (echt!) Bogen […] und schäumte, als ich ihn auslachte“, schrieb Treitschke beispielsweise.176 170 Vgl. Königers Brief an Wehrenpfennig am Tag vor seinem Tod in Flöring, Königer, S. 140. 171 Vgl. Flöring, Königer, S. 126 ff. und Hundeshagen, Julius Königer aus Darmstadt, der „deutsche Offizier“ der „Preußischen Jahrbücher“, in PJ XVIII, 2 (1866), S. 211 ff. Die Qualität dieses Nachrufs ließ wohl zu wünschen übrig, denn Treitschke schrieb Verleger Georg Reimer am 9. August 1866, daß Rudolf Haym den Nekrolog „erbarmungslos zusammenstreiche[]“ (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10). Ähnlich auch an Haym am 6. und 8. August 1866 (ebd., Kasten 2, Nr. 25, Bl. 72 und 73). 172 Treitschke an Georg Reimer am 19. Juli 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 7). 173 Wilhelm Wehrenpfennig an Max Duncker am 26. September 1866 (GStA PK, VI. HA, NL Duncker, Nr. 154, Bl. 95/96). Die Anfragen nach einem fähigen Korrespondenten wurden bis in die historische Abteilung des preußischen Generalstabs weitergeleitet (vgl. ebd., Bl. 93/ 94, Brief vom 18. September 1866). 174 Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 29. September 1867 (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 55/56; Hervorhebung im Original). 175 Heinrich von Treitschke an Salomon Hirzel am 9. April 1869 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 244 f.). 176 Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 24. Juli 1867 (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 40/41) Vgl. einige von unzähligen Beispielen: Treitschke an Wehrenpfennig am 28. Oktober, 20. November, 29. November und 2. Dezember 1867 (ebd., Bl. 59 ff.); Wehrenpfennig an Treitschke am 24. September und 21. Oktober 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 316 ff.) sowie Treitschke an Karl Weinhold am 6. November 1871 (ebd., Kasten 17, Nr. 44, Bl. 6).
IV. Neue Mitarbeiter, neue Themen und alte Probleme
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Einige weitere Beispiele sollen verdeutlichen, warum gerade Heinrich von Treitschke die Redakteursarbeit, wann immer es möglich war, Wilhelm Wehrenpfennig überließ: so konnte er den Druck eines Plagiats, das ihm Moritz Busch zusandte, nur im letzten Moment verhindern177; der nationalliberale Wirtschaftspolitiker Karl Braun begann Treitschke in den Artikeln „fürchterlich zu werden durch Breite und faule Witze“178 ; der Historiker Julius Opel drohte mit Maßregeln, da Treitschke sich weigerte, dessen überlanges Manuskript über den Dreißigjährigen Krieg zu veröffentlichen179; August Reyscher befand, seine Schrift Die Ursachen des deutschen Krieges und seine Folgen sei falsch wiedergegeben worden und forderte eine Richtigstellung Treitschkes – was dieser freundlich, aber bestimmt zurückwies180 ; Wilhelm Scherer beschwerte sich: „Der letzte Band war ja von einer unglaublichen Langweiligkeit“181. Zu guter Letzt war es Treitschke ein Gräuel, ihm nicht genehme Aufsätze veröffentlichen zu müssen. Doch oftmals waren die Verfasser „alte[] Freunde“ und „tüchtige Männer, die uns später Besseres schreiben werden“. Gebe man ihnen einen Korb, verliere man sie für immer und „außerdem noch ein Dutzend Abonnenten, wegen des Grolls, den solche Händel hervorrufen“.182 Auch das Manuskript zu einem Vortrag Eduard Zellers enttäuschte Treitschke. „Ich hatte von seinen Zuhörern das höchste Lob darüber gehört und […] Vortreffliches erwartet. Da ich ihn selber darum gebeten, so ist es rein unmöglich den Aufsatz […] zurückzugeben.“183 Dazu kamen Probleme in und mit dem Verlagshaus Reimer: Die Druckerei verlegte Teile einer Abhandlung von Hermann Helmholtz, der diese nochmals einreichen musste184; Friedrich Thudichum äußerte exorbitante Forderungen nach
177 Vgl. Treitschke an Salomon Hirzel am 4. und 9. April 1869 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 243 ff.). 178 Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 9. Februar 1868 (ebd., S. 200). 179 Treitschke an Georg Reimer am 24. Juli 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 8). 180 Vgl. Treitschke an Reyscher am 20. Mai 1867 (WLB Stuttgart, NL Reyscher, Cod. hist. Fol. 767 Fasz. XIII) und an Wehrenpfennig am 19. Mai 1867 (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 24/25). 181 Wilhelm Scherer – hier Anfang 1869 an Hermann Grimm (StaBi Berlin PK, NL Grimm, Nr. 651, Bl. 58) – hatte diese Kritik auch gegenüber Heinrich von Treitschke geäußert. 182 Treitschke an Georg Reimer am 3. Juli 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 33) über die Historiker Rudolf Usinger und Wilhelm Maurenbrecher. 183 Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 1. März 1868 (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 94/95; Hervorhebung im Original). Bei dem Aufsatz handelt es sich um den zuvor in Heidelberg gehaltenen Vortrag „Die Politik in ihrem Verhältnis zum Recht“ (in PJ XXI, 6 (1868), S. 637 ff.). 184 Vgl. Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 11. und 12. März 1868 (ebd., Bl. 96 ff.).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
der Anzahl von Separatdrucken185; wiederholt beschwerten sich Treitschke und Wehrenpfennig über den langsamen Druckprozess: „Reimer ist ein vortrefflicher Mann und die Jahrbücher schulden ihm vielen Dank. Aber Schnelligkeit ist nicht die hervorragendste Tugend seiner Buch- und Druckanstalten.“186 Um die „Jahrbücher zu einem Zentralorgan der ernstlich Gebildeten und politisch Verständigen [zu] machen“187 gab es wiederholt Vorstöße, das Notizenfach aufzuwerten und anstatt reiner Rezensionen vor allem Ankündigungen neuer Bücher oder Berichte wissenschaftlicher Versammlungen zu veröffentlichen. Allerdings waren Rudolf Haym und Ferdinand Frensdorff188 die Einzigen, die regelmäßig Notizen an die Redaktion schickten, so dass Treitschke noch im Sommer 1871 feststellen musste, die Notizen seien „die schwache Seite der Jahrbücher“, gegen die alle tüchtigen Mitarbeiter eine Abneigung hegten.189 Vor diesem Hintergrund nahm man das Erscheinen der Wochenschrift Im neuen Reich zu Jahresbeginn 1871 sehr ernst.190 Sie scheine kein „entschieden politisches Blatt“ zu sein und werde daher in erster Linie den Grenzboten Konkurrenz machen, stellte Treitschke erleichtert fest.191 Ein halbes Jahr später aber kündigte er Georg Reimer an, in die Offensive zu gehen und die deutliche Sprache der Politischen Korrespondenzen gemeinsam mit Wehrenpfennig aufrecht zu erhalten. Der Verleger müsse darüber hinaus „mehr tun für die erlaubte Reklame“, also regelmäßig lesenswerte Korrekturbögen an die Redaktionen der Kölnischen sowie der WeserZeitung schicken – diese fühlten „sich dadurch geschmeichelt“ und seien empfänglich für Gefälligkeiten. Da „[d]er große Haufen der Zeitungen“ die PJ grundsätzlich totschweige, sei es um so nötiger, „die wenigen wirklich gleichgesinnten Blätter zum Reden zu bringen“.192
185 Vgl. Friedrich Thudichum ans Verlagshaus Reimer am 17. September 1868 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Thudichum). Am Rand des Briefes findet sich ein Vermerk: „Abdr. Abgelehnt 23/9.“ 186 Wehrenpfennig an Treitschke am 30. Dezember 1864 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 6/7). Ähnlich am 14. Februar 1871 (ebd., Bl. 340/1), ebenso Treitschke an Wehrenpfennig am 23. Dezember 1867 (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 75/76). 187 Hermann Baumgarten an Heinrich von Treitschke am 13. November 1867 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 5, Mappe 41, Bl. 32/33). 188 Vgl. die Briefe Treitschkes an Frensdorff ab Herbst 1867 (NSUB Göttingen, F. Frensdorff I, Br. 21a/405 ff.). 189 Treitschke an E. Rohmer, 1. Juli 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 34, Briefe von 1871, Bl. 36). 190 Vgl. PJ-Verleger Georg Reimer an Treitschke am 4. Januar 1871 (ebd., Kasten 8, Mappe 69). Zur Gründung der Zeitschrift vgl. Gustav Freytag an Ludwig Karl Aegidi am 23. November 1870 (StaBi Berlin PK, Slg. Darmstaedter, 2 m 1863, Bl. 1 f.). 191 Treitschke an Georg Reimer am 6. Januar 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 30). 192 Treitschke an Georg Reimer am 3. Juli 1871 (ebd., Bl. 33).
IV. Neue Mitarbeiter, neue Themen und alte Probleme
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Unter der Führung von Wehrenpfennig und Treitschke entwickelten sich die PJ – wie das obige Beispiel erneut deutlich macht – zu einer Zeitschrift, die in erster Linie politische Ziele verfolgte. Die neuen Herausgeber verabschiedeten sich endgültig von der philosophisch-theoretischen Ausrichtung, die Rudolf Haym in seinem Manifest von 1857 als zweites zentrales Element der PJ ausgemacht hatte (vgl. Kapitel B.V). Eine Auseinandersetzung mit der spekulativen Wissenschaft in der Tradition Hegels war nicht mehr vorgesehen. Da man die PJ von vornherein nicht als Organ der altliberalen Partei, sondern der kleindeutsch-liberalen Bewegung ansah, sollte der Zerfall der Altliberalen im Zuge der parteipolitischen Neuorientierung ab 1866 die Zeitschrift nicht in Konflikt mit ihrem Gründungsprogramm bringen. Zentrales Element der Zeitschrift blieb die „geschichtliche Haltung, ihr Sinn für das […] Wirkliche, ihr Bemühen um allgemeine Verständlichkeit“193. Die Aufgabe der politischen Bildung der Leser gebührte der Historiographie, Fortschritte im Staatsleben sollten sich aus der Analyse des Vergangenen ergeben.194 Als „normgebend für die Gegenwart“195 und zur Abgrenzung gegen republikanisch-demokratische Tendenzen galten die positiven Leistungen Altpreußens und der Reformzeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Pflichtbewusste Bürger und Adlige, effiziente Verwaltung und Machtbewusstsein des Staates dienten als Vorbild für ein vereintes Deutschland. Der Staat unter und die Persönlichkeiten von Friedrich Wilhelm von Brandenburg196, Friedrich Wilhelm I.197 und Friedrich II.198 wurden ausführlich gewürdigt. Gleichzeitig dienten Essays wie Treitschkes Republik der vereinigten Niederlande199 der historischen Herleitung einer Notwendigkeit staatlicher Einheit und der Abgrenzung gegen überstarke katholische Mächte wie Spanien und Österreich. Die 193
Aus Hayms Mitarbeiter-Manifest vom 16. Oktober 1857 (vgl. Kapitel B.V). „Die Geschichte strebt vorwärts, auch wo sie ein Bild aus der Vergangenheit als ein Ziel des Strebens setzt“, erklärte daher Erdmannsdörffer, Die Kultur der Renaissance in Italien, in PJ XI, 2 (1863), S. 103 ff., hier S. 104. Vgl. auch Loebell, Zur Methode neuester Geschichtsschreibung, in PJ I, 2 (1858), S. 150 ff., hier S. 150 f. und zum gesamten Themenkomplex zuerst Westphal, PJ, S. 248 ff. 195 Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges, S. 199, vgl. auch ebd., S. 207 f. 196 Über ihn erschienen alleine zehn Aufsätze, z. B. Erdmannsdörffer, Die Anfänge des großen Kurfürsten, in PJ IX, 6 (1862), S. 605 ff. oder Duncker, Der Staat des großen Kurfürsten, in PJ XVII, 5 (1866), S. 471 ff. 197 Schmoller, Die innere Verwaltung des preußischen Staates unter Friedrich Wilhelm I., in PJ XXV, 6 und XXVI, 1 (1870) und Der preußische Beamtenstand unter Friedrich Wilhelm I., in PJ XXVI, 2, 3 und 5 (1870). 198 In einem guten halben Dutzend Artikel spielte Friedrich der Große die Hauptrolle, zum Beispiel in Maurenbrecher, Die Politik Friedrich des Großen, in PJ XXVII, 5 (1871), S. 543 ff. oder Droysen jun., Erinnerungen an Friedrich den Großen, in PJ XVIII, 4 und 5 (1866) – mit der Qualität des letzteren war man aber nicht zufrieden, vgl. Treitschke an Georg Reimer am 7. und 29. September 1866 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 25 und StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 15). 199 von Treitschke, Vereinigte Niederlande, in PJ XXIV, 1 (1869), S. 43 ff.; vgl. Langer, Treitschke, S. 203 ff. 194
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
historisch-publizistische Auseinandersetzung mit dem politischen System und den Zielen Österreichs diente dazu, das angeblich seit jeher angestrebte und mit dem Wiener Kongress 1815 befestigte Unrechtssystem zu dämonisieren und zu demontieren.200 Die Nationalgeschichte Italiens diente bis zu dem Zeitpunkt als Vorbild, an dem in Deutschland noch keine wirklich aktive Einheitsbewegung zu erkennen war; ab 1863 hatten die Berichte aus Italien – geliefert von Philosophen und (Kunst-)Historikern wie Otto Hartwig201, Heinrich Homberger202, Carl Justi und Wilhelm Lang – einen kulturellen Schwerpunkt. Die Vollendung der Einheit Italiens 1870 nahmen die PJ schließlich ohne Begeisterung zur Kenntnis. Über die österreichische Politik in Italien, auf dem Balkan und gegenüber Preußen schrieb bis 1863 noch Anton Springer, über dessen Unzuverlässigkeit sich Rudolf Haym zwar regelmäßig beklagte, aber auch betonte, „keinen Andern“203 engagieren zu wollen. Wehrenpfennig und Treitschke griffen nicht mehr auf die Dienste Springers zurück und mussten sich in den folgenden Jahren mit wechselnden Österreich-Experten begnügen. Doch nicht nur die Staats-, sondern auch die vom Bürgertum getragene Kulturgeschichte diente den PJ als „Zeichen des Werdens der Nation“204. Zur Förderung eines kulturellen Einheitsgefühls charakterisierte Treitschke die „patriotischen Dichter“ Kleist205 und Uhland206; Scherer wies Jacob Grimm das Verdienst zu, eine deutsche Nationalgeschichtsschreibung geschaffen zu haben207; zahlreiche Nachrufe auf deutsche Geistesgrößen wurden im Zeichen des Nationalgedankens veröffentlicht – so auf den Geographen Carl Ritter oder auf den Publizisten und Dichter Ernst Moritz Arndt208, aber auch auf Georg Gottfried Gervinus, den man wegen seiner Bismarck-kritischen Haltung zwar als unverstandenen Doktrinär beschrieb, aber doch als Schöpfer der modernen deutschen Literaturgeschichte würdigte209. 200
Vgl. Wassmann, Österreich in den PJ, S. 213 ff. und S. 235 ff. Vgl. Fischer/Ujma, Hartwig, S. 55. 202 Vgl. die Korrespondenz zwischen Homberger und Wilhelm Lang von 1869 bis 1871 (WLB Stuttgart, Cod. Hist. 88 156, Fasz. 147, Br. 3 – 6) und Wehrenpfennig an Lang am 20. August 1869 (ebd., Fasz. 308, Br. 47). 203 Haym an Duncker, 15. Juli 1863 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 56, Bl. 57; Hervorhebung im Original). 204 Brückner/Haym, Zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Geistes, in PJ I, 6 (1858), S. 594 ff., hier S. 595, vgl. S. 616. Haym erklärte Georg Reimer am 26. Juni 1858, er habe den Artikel größtenteils umgeschrieben. Am 13. Mai 1871 bestätigte er, es sei „in der That ein von mir nur (freilich bis zur Unkenntlichkeit) überarbeiteter Aufsatz von einem gewissen […] Brückner.“ Beides: StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym. 205 von Treitschke, Heinrich von Kleist, in PJ II, 6 (1858), S. 599 ff., hier S. 606. 206 von Treitschke, Zum Gedächtnis Ludwig Uhlands, in PJ XI, 4 (1863), S. 323 ff. 207 Zuerst in Scherer, Über den Ursprung der deutschen Literatur in PJ XIII, 5 (1864), S. 445 ff. 208 Daniel, Carl Ritter, in PJ V, 4 (1860), S. 323 ff. und Haym, Ernst Moritz Arndt, in PJ V, 5 (1860), S. 470 ff. 209 Vgl. Grimm, Gervinus, in PJ XXVII, 4 (1871), S. 475 ff., besonders S. 478. 201
IV. Neue Mitarbeiter, neue Themen und alte Probleme
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Völlig misslang in diesem Zusammenhang ein Nachruf auf den Historiker Ludwig Häusser, der im März 1867 verstorben war. Zwei Jahre zuvor hatte sich Heinrich von Treitschke in der Kontroverse um die Annexionspolitik Preußens in Schleswig-Holstein explizit gegen diesen gestellt. Nun hatte er als Mitherausgeber einen Nachruf zu verantworten, in dem Häusser als wichtiger Mitarbeiter der PJ, als badischer Politiker und für seine Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des Deutschen Bundes gewürdigt werden sollte. Zudem trat er zeitgleich Häussers Nachfolge als Ordinarius in Heidelberg an.210 Bereits im Mai 1867 ermahnte Treitschke PJ-Mitherausgeber Wehrenpfennig, dringend einen Nekrolog über Häusser in Auftrag zu geben und deswegen beim Großherzoglichen Hofbibliothekar Friedrich von Weech in Karlsruhe anzufragen.211 Doch der sagte ab, ebenso Hermann Baumgarten in Karlsruhe, Karl MendelssohnBartholdy in Heidelberg und auch Wehrenpfennig. Ende November 1867 war Treitschke noch immer auf der Suche nach einem Autor.212 Er selbst fühlte sich nicht imstande, Häussers Leben und Werk zu kritisieren. Lediglich loben wolle er nicht, den Pflichten der Pietät habe er in seiner Antrittsvorlesung genügt.213 Es sollte bis in den Sommer 1868 dauern, bis Häussers Schüler August von Kluckhohn einen ausführlichen Nachruf in den PJ veröffentlichte – der daran litt, dass der Münchner Historiker die Würdigung seines akademischen Lehrers mit einer teils diffusen Kritik an dessen Werken sowie an der zeitgenössischen badischen Politik verband. Heinrich von Treitschke war für die Veröffentlichung verantwortlich und konnte sie nur mit den Worten verteidigen, er könne „froh sein“, dass „Kluckhohn sich bereit fand, der in seiner unschuldigen Unbefangenheit die Schwierigkeit der Aufgabe gar nicht bemerkt“. Daher müsse man „die argen Schwächen seiner Arbeit gelassen hinnehmen“.214 Darüber hinaus hoben die PJ die Relevanz historisch-staatswissenschaftlicher Bildung an den Universitäten hervor. Dabei offenbarten die Autoren für die Zeitgenossen teils erstaunliche Ansichten: Natürlich setzten sie sich für die Freiheit der
210 Eine unter den Heidelberger Professoren höchst umstrittene Berufung, die nur in Kraft trat, da die badische Regierung unter Karl Mathy ignorierte, dass der Universitätssenat die Berufungsliste geändert und Treitschke dort an die letzte Stelle gesetzt hatte. Außerdem vorgeschlagen waren: Max Duncker und Reinhold Pauli. 211 Treitschke an Wehrenpfennig, 19. Mai 1867 (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 24/25) 212 Vgl. Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 20. November 1867 (ebd., Bl. 63/64). 213 Vgl. Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 28. Dezember 1867 (ebd., Bl. 77/78). 214 Treitschke an Heinrich von Sybel am 15. Juni 1868 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 29, Bl. 5), auch zitiert in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 215, Anm. 2 (Brief an Baumgarten am 12. Juni 1868).
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E. Die Preußischen Jahrbücher im Umbruch
Forschung und Lehre215 ein, aber auch für die Förderung naturwissenschaftlicher Bildung216, für Interdisziplinarität in Forschung und Lehre217 sowie für das Lernen moderner Fremdsprachen zur besseren Orientierung in der zunehmend internationalisierten Welt218.
215
Vgl. von Gwinner, Die deutschen Universitäten im 19. Jahrhundert, in PJ II, 2 (1858), S. 107 ff.; Driesen, Zur Frage über das Disziplinarrecht der Minister gegen die Staatsbeamten, in PJ XII, 3 (1863), S. 272 ff. 216 Anmerkung Hayms zu Karsten, Zur Reform der Unterrichtsanstalten, in PJ IX, 3 (1862), S. 272 ff., hier S. 272. 217 Vgl. Meyer, Eine Universitätsangelegenheit von allgemeiner Bedeutung, in PJ VIII, 3 (1861), S. 254 ff.; Richter, Die Vorbildung der höheren Verwaltungsbeamten in Preußen, in PJ XVII, 1 (1866), S. 1 ff.; Curtius/ Treitschke, Zur Reform der Universitäten. Mit einem Zusatz der Redaktion, in PJ XXIII, 4 (1869), S. 406 ff. 218 Vgl. Götz, Die Berechtigung zum einjährigen Militärdienst, in PJ VII, 2 (1861), S. 153 ff., hier S. 158.
F. Unter neuen Vorzeichen: Preußen und Preußische Jahrbücher im Aufbruch I. Die Konsolidierung des Norddeutschen Bundes (1867 – 1870) 1. Die Parteien sortieren sich neu a) Das politische Geschehen Unter veränderten Voraussetzungen kam das Preußische Abgeordnetenhaus am 5. August 1866 zur ersten Sitzung nach der Wahl zusammen. Nach dem erfolgreichen Krieg gegen Österreich stand Bismarcks Verbleiben im Amt außer Frage. Zwischen den zahlenmäßig immens gestärkten konservativen Abgeordneten und den Linksliberalen herrschte im Abgeordnetenhaus eine Pattsituation, dazu kam eine nicht unerhebliche Anzahl von polnischen, altliberalen und Zentrums-Vertretern. Vor allem Altliberale und Wirtschaftsliberale innerhalb der Fortschrittspartei glaubten inzwischen, ihre Ziele nur in einem vernünftigen Verhältnis mit der Regierung verwirklichen zu können. Der Fortschrittsliberalismus war sich seiner Führung in parlamentarischen Angelegenheiten nicht mehr sicher.1 Vor diesem Hintergrund war die Thronrede Wilhelms I. zur Landtagseröffnung eine handfeste Überraschung. Im Glauben, nicht länger gegen die national-bürgerliche Bewegung regieren zu können und die eigene Stellung zu stärken, bat die Regierung um Indemnität – also um nachträgliche Entlastung und Genehmigung der Ausgaben vergangener Jahre – und bot somit ein Ende des Verfassungskonfliktes an.2 Dabei war die Regierung in der komfortablen Lage, sich in der Frage nach ihrer militärischen Kommandogewalt eindrucksvoll durchgesetzt zu haben. So hielt sie „an ihrem moralischen Recht fest, in einer Notlage so zu handeln, und sie gab auch
1 Vgl. Gall, Bismarck, S. 376 f. und S. 401; Spahn, Nationalliberale Partei, S. 404 ff. Clark, Preußen, S. 621, betont einen weiteren Aspekt: „Die österreichischen Kriegskostenentschädigungen […] von 40 Millionen Talern, die die Liquidität der Regierung wiederherstellten, unterstrichen Bismarcks Unabhängigkeit vom Parlament.“ 2 Die Thronrede des Königs bei Huber, Dokumente II, S. 85 und Sten. Ber PrAH 1866/67, Bd. 1, S. 1 f. Zur verfassungsrechtlichen und -politischen Bedeutung der Indemnität vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 350 ff.
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F. Unter neuen Vorzeichen: Preußische Jahrbücher im Aufbruch
ihren Rechtsstandpunkt nicht auf, daß eine Lücke in der Verfassung bestehe, daß sie diese auszufüllen berechtigt und verpflichtet sei“3. Die Verhandlungen um den Entwurf des Indemnitätsgesetzes4 spalteten die linksliberale Fraktion im Landtag. In der Generaldebatte um die Vorlage argumentierte der Fortschrittler Waldeck, dass deren Annahme das verfassungswidrige Verfahren der Regierung billige und gleichbedeutend sei mit der „Abschwörung alles dessen, wofür die Opposition der Konflikts-Zeit gekämpft hat“5 – stattdessen forderte er das parlamentarische Bewilligungsrecht und die Anerkennung der Reichsverfassung von 1849 als Grundlage der bundesstaatlichen Einigung. Auch die Budgetkommission des Abgeordnetenhauses6 bemerkte, dass „der Begriff der Indemnität theils die nachträgliche Genehmigung und Gültigerklärung einer ohne gesetzliche Berechtigung vorgenommenen Handlung, theils die Entbindung von den civilrechtlichen und strafrechtlichen Folgen einer gesetzwidrigen Handlung umfaßt“ und stellte fest, dass „jeder Minister für eine ohne vorgängige gesetzliche Ermächtigung geleistete Ausgabe civilrechtlich verantwortlich bleibt, bis die im Art. 104 der Verfassungs-Urkunde vorgesehene Entlastung erfolgt“. Letztlich empfahl man, die Indemnität zu erteilen, da es „politisch rathsam“ sei, den Konflikt zu beenden und sich „an den bevorstehenden Arbeiten des Staats zu betheiligen“. Eine ähnliche Argumentation verfolgten der rechte Flügel der Fortschrittspartei, Altliberale und Liberale aus den annektierten Gebieten, die den Verfassungskonflikt gegen die Regierung Bismarck nicht durchfochten hatten. Sie erhofften sich durch das Eingehen auf das Versöhnungsangebot Bismarcks das Ende ihrer fruchtlosen Opposition und die Verfolgung der eigenen Ziele gemeinsam mit der Regierung. Die Geschichte selbst, die normative Kraft des Faktischen, hatte ihrer Ansicht nach dem Ministerium Bismarck bereits die Indemnität erteilt.7 Das Preußische Abgeordnetenhaus nahm das Indemnitätsgesetz mit 230 zu 75 Stimmen an. In der Interpretation Füllings bedeutete das, dass „der Liberalismus als ganzer […] das Streben nach der Erweiterung und Sicherung der parlamentarischen Macht aufgegeben hatte“8. Diese Sicht spitzten Autoren wie Sell, Kohn und Eyck zu.9
3
Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 35. Vgl. ebd., S. 35 ff. und Pflanze, Bismarck, S. 330 ff. 4 Entwurf des Indemnitätgesetzes bei Huber, Dokumente II, S. 85 ff. und Sten. Ber. PrAH 1866/67, Bd. 1, S. 33. 5 Die Rede Waldecks in Sten. Ber. PrAH 1866/67, Bd. 1, S. 152. Vgl. Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 100. 6 In Huber, Dokumente II, S. 87 und Sten. Ber. PrAH 1866/67, Anlagen, Bd. 1, S. 138 ff. 7 Vgl. die Rede Karl Twestens am 2. September 1866 in Sten. Ber. PrAH 1866/67, S. 194 f.; Sheehan, Deutscher Liberalismus, S. 147 f.; Spahn, Nationalliberale Partei, S. 429 und Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 99 ff. 8 Fülling, Altliberale, S. 79.
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Doch dass der Liberalismus im Zuge der Indemnitätspolitik seine Ideale verraten hatte und den feudalen Kräften unterlegen war, wird in der Forschung inzwischen verneint. „Sie eine Kapitulation vor der Macht nennen, heißt […] die Dinge allzu sehr ex post beurteilen“, meinte Winkler10 und betonte den von der liberalen Bürokratie protegierten wirtschaftlichen Aufschwung. Auch Nipperdey erkannte in der Zusage zur Indemnität ein realistisches „Kalkül über die Chancen des Liberalismus“ – die Alternative wäre der „Ausstieg aus der realen Politik gewesen“.11 Vor allem war die Indemnität ein Kompromiss, der die Fortsetzung des Verfassungskonflikts ins Unendliche verhindert hat.12 Mit der nachträglichen Anerkennung der verfassungswidrigen Regierungspolitik aber hatte die Exekutive ihre Interpretation der Verfassung – die Lückentheorie – durchgesetzt. Krone und Regierung wehrten parlamentarische Tendenzen ab. Die Mitsprache der Abgeordneten in Militärfragen scheiterte. So bleibt doch zu fragen, ob die Liberalen die Tatsache, dass Bismarck „auf ihre Unterstützung angewiesen war, um seine Politik durchzusetzen, nicht stärker dazu hätten ausnützen können, […] ihre freiheitlichen Forderungen durchzusetzen“13. Anlässlich der Debatte um die Indemnitätsvorlage war innerhalb der Fortschrittspartei im preußischen Abgeordnetenhaus ein heftiger Streit über den künftigen Kurs ausgebrochen.14 Der rechte Parteiflügel sah keine Alternative zur schnellen Einigung Deutschlands sowie zur Außenpolitik Bismarcks15 und wollte in Zusammenarbeit mit der Regierung liberale Forderungen durchsetzen. Der linke Flügel bestand darauf, die Grundsatzopposition auf Grundlage des Parteiprogramms von 1861 fortzusetzen. Man bezeichnete sich wechselseitig als Opportunisten oder doktrinäre Idealisten, so dass Abgeordnete wie Forckenbeck, Lasker, Michaelis, Twesten, von Unruh und PJ-Beiratsmitglied Roepell im Streit aus der Fraktion austraten. Am 24. Oktober 1866 erklärten 24 (ehemalige) Abgeordnete aus Fortschrittspartei und linkem Zentrum ihre Unterstützung der auswärtigen Politik der Regierung und kündigten gleichzeitig wachsame, loyale Opposition auf Grundlage eines entschiedenen Liberalismus an. Basierend auf dieser Erklärung konstituierte sich drei Wochen später die „Neue Fraktion der nationalen Partei“ mit 19 Mitgliedern. „Es 9 Vgl. zusammenfassend Ritter, Deutsche Parteien, S. 64 ff. und Siemann, Gesellschaft im Aufbruch, S. 218 ff. 10 Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 117. 11 Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 37 f. 12 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 796 und Bergsträsser, Konfliktszeit, S. 373 ff. 13 Bergsträsser, Geschichte der politischen Parteien, S. 106. 14 Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 214 ff.; Brandt, Dt. Geschichte, S. 173 f.; Sheehan, Deutscher Liberalismus, S. 148 f.; Spahn, Nationalliberale Partei, S. 434 f.; Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 107 f. 15 Vgl. die Reden Twesten/Lasker vom 3. September 1866 (in Sten. Ber. PrAH 1866/87, S. 184 und S. 196).
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scheint, daß die meisten dieser Männer anfänglich gar nicht vorhatten, eine eigene Fraktion zu bilden, aber allmählich kristallisierten sie sich zu einer Gruppierung, aus der im Juni 1867 die Nationalliberale Partei hervorging.“16 Zugleich zerfiel die altliberale Fraktion.17 Gerade Rudolf Haym – im Sommer 1866 neu ins Abgeordnetenhaus gewählt – und der linke Flügel der Altliberalen um Schwerin und Simson distanzierten sich von Fraktionschef Vincke, sympathisierten mit der neuen Fraktion und hofften auf die Gründung einer „neuliberalen“ Partei. Auch die Konservativen spalteten sich im Zuge der Indemnitätspolitik: die neue Fraktion der Freikonservativen unter Graf Bethusy-Huc war für eine Versöhnung mit den Liberalen offen und bildete sich zur Partei des Besitz- und Bildungsadels, der Beamten und Professoren, der Generäle und Großindustriellen aus. Diese Partei ohne Massenbasis zog ihre Stärke „aus dem Wohlwollen der Regierung, die sie in allen innenpolitischen und außenpolitischen Fragen bedingungslos unterstützte.“18 Die Spaltung zwischen der Fortschrittspartei und der neuen Fraktion der nationalen Partei war von außen zunächst kaum zu bemerken. Bei den Wahlen zum Konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes kooperierten die Gruppierungen in den Wahlkreisen gegen die konservativen Kandidaten und vermieden Doppelkandidaturen. Intern aber stritt man über das allgemeine Wahlrecht im Norddeutschen Bund: Linksliberale sahen die Freiheit nur in der Beteiligung aller verwirklicht und konnten ihr Misstrauen gegenüber Regierung und Staat nicht ablegen, Rechtsliberale betonten die Beteiligung Geeigneter und den gemeinschaftlichen Dienst für den Staat. Als sich Ende Februar 1867 im Reichstag des Norddeutschen Bundes erstmals die Nationalliberale Fraktion konstituierte, unterschied man sich verfassungspolitisch kaum von der Fortschrittspartei. Die 79 Nationalliberalen aber hatten ihre Basis in den neu annektierten Gebieten Preußens und verfügten über exzellente Kontakte nach Süddeutschland. Die 19 Abgeordneten des Fortschritts orientierten sich kaum über Preußens Grenzen hinaus.19 Die Debatten um die Verfassung des Norddeutschen Bundes bestimmte der preußische Ministerpräsident: um eine vom Parlament möglichst losgelöste Exekutive zu schaffen, argumentierte Bismarck mit außenpolitischen Gefahren und drohte zwischenzeitlich damit, die Verfassung zu oktroyieren. Fortschrittsliberale 16 Sheehan, Deutscher Liberalismus, S. 148. Vgl. dazu Georg Bassenge an Eduard Lasker am 7. Oktober 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 349): „Ich muß gestehen, daß mir eine Trennung von ihnen sehr schwer werden würde; wenn man so 4 Jahre Schulter an Schulter gegen einen gemeinsamen Gegner gestanden hat, trennt man sich nicht leicht und ich muß ferner gestehen, daß mich die Parteidisziplin bisher noch nicht im mindesten in meinen Abstimmungen geniert hat.“ Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 39, vergaß nicht darauf hinzuweisen, dass auch Indemnitätsbefürworter Mitglieder der Fortschrittspartei blieben und umgekehrt auch Ablehnende zur „neuen Fraktion der nationalen Partei“ wechselten. 17 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 173 und Fülling, Altliberale, S. 82 ff. 18 Pflanze, Bismarck, S. 343. Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 179 ff. 19 Vgl. zum Absatz Biefang, Fortschrittspartei, S. 383; Brandt, Deutsche Geschichte, S. 174 ff. und Gagel, Wahlrechtsfrage, S. 50 ff.
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und Nationalliberale aber drängten auf ein Mindestmaß parlamentarischen Einflusses und konnten zumindest die Budgetbewilligung der Abgeordneten durchsetzen – wenn auch der Militäretat des Bundes durch eine Kompromissregelung bis 1871 garantiert blieb. Zudem schrieb Artikel 17 der Bundesverfassung einen Kanzler vor, der durch Gegenzeichnung der Gesetze „Verantwortlichkeit übernimmt“. Wem gegenüber er dies tun und wer ihn zur Verantwortung ziehen sollte, blieb offen. Auch deshalb votierte die Fortschrittspartei gegen den Verfassungsentwurf, während die ebenfalls ernüchterten Nationalliberalen ihn nicht aufs Spiel setzen wollten und bejahten.20 So trat die mit 230 zu 53 Stimmen angenommene Verfassung des Norddeutschen Bundes im April 1867 in Kraft. Das Ringen um die Bundesverfassung machte ein erneutes Zusammengehen von Fortschritt und Nationalliberalen bei den Wahlen zum ersten Norddeutschen Reichstag im August 1867 unmöglich. Dennoch ähnelte das Gründungsprogramm der Nationalliberalen Partei vom 12. Juni21 dem der Fortschrittspartei frappierend und orientierte sich an deren konstitutionellem Forderungskatalog von 1861. Von einer Integration demokratischer Tendenzen war man jedoch weit entfernt, die Nationalliberalen zeigten kein Interesse an unteren sozialen Milieus. Von Anfang an war eine Dreiteilung der Partei zu erkennen22: Ein linker Flügel – angeführt von Twesten, Lasker und Forckenbeck – stand der Regierung Bismarck skeptisch gegenüber und forderte maximale Verfassungsgarantien für die Freiheit von Politik und Individuum. Der rechte Flügel, außerparlamentarisch repräsentiert durch Treitschke, gab sich staatstragend und regierungstreu. Die Mitte unter Führung Bennigsens bestand meist aus Abgeordneten von außerhalb des preußischen Kernlands und sah in Bismarck nicht den früheren Gegner aus dem Verfassungskonflikt, sondern einen Staatsmann, der die deutsche Nation stärken konnte. Sie hofften auf die Realisierung des Rechtsstaates und Mitsprache an der Regierungstätigkeit. So haftete der nationalliberalen Politik der Folgejahre der Charakter des Kompromisses an – als „Reformpolitik des stillen Verfassungswandels“23 hat sie Langewiesche bezeichnet. Der Zwang, unter der Regierung Bismarck auf die Verwirklichung vieler liberaler Prinzipien zu verzichten, wurde durch die Befriedigung der „nationalen Wünsche sowie durch die begründete Aussicht auf eine wirksame Beteiligung an der liberalen Gesetzgebung ausgeglichen“24. Dennoch war man überzeugt, dass gerade die wirtschaftliche Stärke des liberalen Bürgertums 20
Vgl. zum Absatz Fülling, Altliberale, S. 94 ff.; Langewiesche, Bismarck und Nationalliberale, S. 79 und Sheehan, Deutscher Liberalismus, S. 155 f. 21 In Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 372 ff., zuerst veröffentlicht in der Nationalzeitung. Bußmann, Liberalismus, S. 556, interpretierte die Parteigründung als Ergebnis eines lange währenden Entscheidungsprozesses auf geistiger Ebene, aus dem „jetzt die Konsequenzen gezogen wurden“. 22 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 174 ff. und Mork, Bismarck and German Liberalism, S. 65. 23 Langewiesche, Bismarck und Nationalliberale, S. 79. 24 Bußmann, Liberalismus, S. 556; vgl. Winkler, Preußischer Liberalismus, S. 113.
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„zwangsläufig die politische Struktur des Nationalstaats zugunsten des Liberalismus verändern werde. Wer in der Gesellschaft dominiert wird auch den Staat beherrschen, davon zeigten sich die Nationalliberalen überzeugt. Sie dachten materialistisch, nicht idealistisch. Die Entwicklung im ersten Jahrzehnt seit der Gründung des Norddeutschen Bundes schien ihnen Recht zu geben. Es begann nun […] eine der bis heute wirkungsmächtigsten Reformphasen der jüngeren deutschen Geschichte.“25
b) Die PJ und die Neuorientierung der liberalen Parteien „Bewußt oder unbewußt ist in allen politischen Köpfen die Einsicht zum Durchbruche gekommen, daß heute die Lebenskraft der Parteien abhängt von ihrer Fähigkeit, die große nationale Politik der Regierung zu verstehen und zu fördern.“26 So erklärten die PJ – als Teil einer wahren Phalanx liberaler Publikationen27 – ihre Zustimmung zur Indemnitätserklärung. Es fiel ihnen leicht, die Politik der Regierung in diesem Punkt zu unterstützen, sahen sie in der Indemnität zwar keine Sicherheit für die künftige Vermeidung von Verfassungskämpfen, aber einen weiteren Schritt zur Verwirklichung von Einheit und Freiheit, den sie im Januar 1865 zum ersten Mal gefordert hatten28. Durch die Zustimmung zur Indemnitätsvorlage der Regierung könnten die Liberalen sich nicht nur als geistig produktive, sondern endlich auch wieder als politisch aktive Partei zeigen. Während des Verfassungskonflikts vergaßen sie den „Inhalt des Staates über seiner Form, die welthistorischen Aufgaben unserer auswärtigen Politik über einem mit ehrenwerther Ausdauer geführten Rechtsstreite, sie suchten die Unerreichbarkeit ihrer Forderungen dadurch zu verbergen, daß sie dieselben noch höher spannten, sie wähnten, durch Massenversammlungen und Volksreden politische Ziele zu erreichen in einer Nation, welcher jede revolutionäre Neigung fehlt. Das ganze Treiben krankte an einem wohlmeinenden, doch engherzigen, kleinbürgerlichen Wesen.“29
Vor diesem Hintergrund bilanzierten die PJ die Parlamentssession von 1866 überaus positiv. Abgesehen von der faktisch zerfallenen Fortschrittspartei30 schienen Abgeordnetenhaus und Regierung wieder einer Meinung zu sein, man blicke ver-
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Langewiesche, Bismarck und Nationalliberale, S. 79. von Treitschke, Politische Korrespondenz vom 10. September, in PJ XVIII, 3 (1866), S. 342 ff., hier S. 342. 27 So unter anderem Nationalzeitung, Magdeburger, Breslauer, Kölnische, Schlesische, Vossische sowie Volkszeitung, Hamburger und Berliner Reform, Hamburger Nachrichten und Westfälische Zeitung. 28 Vgl. Wehrenpfennigs Politische Korrespondenz in PJ XV, 2 (1865), S. 218 und Kahan, Haym, S. 80 ff. 29 von Treitschke, Politische Korrespondenz vom 10. August, in PJ XVIII, 2 (1866), S. 219 ff., hier S. 232. 30 Vgl. Meyer, Politische Korrespondenz von 8. Oktober, in PJ XVIII, 4 (1866), S. 441 ff., hier S. 442 f. 26
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trauensvoll in die Zukunft31. Ein „streng-conservatives Parteiregiment [sei] in der nächsten Zukunft unmöglich; wir werden eine conservative Regierung haben, welche, soweit die menschliche Gebrechlichkeit dies erlaubt, über den Parteien steht, […] auf die besonnenen Elemente aller gemäßigten Fractionen sich stützt und in den Extremen von rechts und links ihre geborenen Gegner findet.“32 Große Hoffnungen setzten die PJ auf unbefangene Politiker aus Hannover, Sachsen und Kurhessen. Neue preußische Abgeordnete wie Miquel oder Bennigsen könnten der Kitt werden, um „den Riß zwischen preußischen Fortschrittsleuten und Altliberalen endgiltig zu schließen; die Zukunft des deutschen Liberalismus als der herrschenden Partei […] wäre dann gesichert“33. Eine bahnbrechende Veröffentlichung gelang den PJ im Herbst 1866 mit der viel diskutierten und interpretierten Selbstkritik des Liberalismus. Hermann Baumgarten rang darin in fast epischer Breite zwischen der Loyalität zu liberalen Prinzipien und der Akzeptanz bismarckscher Außenpolitik34 – und rechnete zuletzt mit dem wirklichkeitsfremden Linksliberalismus ab. Unbestritten entsprang die Selbstkritik auch dem Gedankenaustausch, den der Karlsruher Historiker Baumgarten mit seinem Schwager, dem badischen Innenminister Julius Jolly, führte, und der ihn schon zu Veröffentlichungen in ähnlicher Stoßrichtung angeregt hatte35. Eine tragende Argumentationslinie Baumgartens war die Kritik an der – von der Reformation ausgehenden – nationalstaatlichen Zersplitterung: Die „Politik der moralischen Bedenken, der hausväterlichen Gewissenhaftigkeit, der Tüchtigkeit im Kleinen und der Ohnmacht im Großen […] und der bornierten Trägheit, wo Großes auf dem Spiel stand“, habe im protestantischen Kleinfürstentum ihren Ursprung gehabt und den Partikularismus gefördert.36 Dies habe den Weg für die katholischspanisch-österreichische Vormacht in Europa bereitet. In diesem geistigen Klima konnte nur ein unklarer Patriotismus entstehen, den – so der Brückenschlag in die zeitgenössische Gegenwart – weder die Neue Ära in
31 Meyer, Politische Korrespondenz von 8. Oktober 1866, S. 445: „Es hat sich gezeigt, daß die scheinbar unheilbare Entfremdung, die […] zwischen Regierung und Volk geherrscht, keineswegs auf so gewichtigen Motiven beruhte, wie der Parteieifer es darstellte […].“ 32 von Treitschke, Politische Korrespondenz vom 10. September, in PJ XVIII, 3 (1866), S. 345. 33 Lammers, Die Lage in den norddt. Mittelstaaten: Hannover, in PJ XVIII, 2 (1866), S. 189 ff., hier S. 199. 34 Vgl. Baumgarten an Heinrich von Sybel am 23. Juni 1866 (in Heyderhoff, Preußischdeutsche Einigung, S. 315): „Wie erfüllt Bismarck unsere Hoffnungen, wie übertrifft das preußische Volk alle unsere Erwartungen! Freilich der Liberalismus […] hat übel verspielt. […D]ie Bevölkerung wird dem Liberalismus den Rücken kehren. Aber das sind jetzt untergeordnete Sorgen. Erst ein großer Staat, dann können wir das andere abwarten.“ 35 Vgl. Stark, Baumgarten, S. 165 und Haym, Baumgarten, S. 617 ff. 36 Baumgarten, Der deutsche Liberalismus. Eine Selbstkritik, in PJ XVIII, 5 (1866), S. 455 ff., hier S. 456.
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Preußen noch die in Baden trotz aller Möglichkeiten für sich nutzen konnten.37 Die Neue Ära in Baden sei trotz schätzenswerter Reformen letztlich an der Enge des Kleinstaats und „den überall wiederkehrenden Fehlern des Liberalismus“38 gescheitert. Ein deutscher Kleinstaat sei auch unter günstigsten Umständen nicht imstande, eine ganze Nation in Bewegung zu setzen. So ließ Baumgarten an der Politik der Neuen Ära in Preußen kein gutes Haar39 – und ergab sich einem Lamento, das alles wiederholte, was die PJ in den Jahren liberaler Regierungstätigkeit bereits kritisiert hatten.40 „Die liberale Partei war gescheitert wie das liberale Ministerium. Wenn sich nichts destoweniger das liberale System noch fast zwei Jahre scheinbar in der Gewalt behauptete, so scheint mir das nur von Neuem zu beweisen, daß dieses System bei einer anderen Geschäftsbehandlung wirklich große Chancen gehabt hätte […].“41 Bemerkenswert war lediglich die Einsicht, dass es für liberale Minister unmöglich sei, „mit Fürsten zu verkehren, bei denen sie im Verdachte stehen, den fürstlichen Rechten Abbruch thun zu wollen“42 und zugleich von deren adliger Umgebung unablässig angegriffen zu werden. In der heute nicht mehr erhaltenen ersten Fassung der Selbstkritik hatte Baumgarten an dieser Stelle wohl führende Altliberale wie Auerswald, Gruner, Schleinitz und Waldeck heftig und persönlich kritisiert. PJ-Herausgeber Wehrenpfennig, der deren (finanzielle) Unterstützung nicht aufs Spiel setzen wollte, belehrte seinen Autoren: „Sie wollen nicht kränken, sondern belehren, nicht erbittern, sondern überzeugen. Sie wollen nicht die Fehler einzelner, sondern eine allgemeine Krankheitsform darstellen, zu der wir als Patienten allzumal, wenn auch die persönlich Hervortretenden mit persönlicher Virtuosität, gehörten. Weil Sie unsere Irrtümer und Fehler in dieser Allgemeinheit fassen, weil Sie jene nicht durch willkürlich herumfahrende Beurteilung, sondern durch die Darstellung der Tatsachen ans Licht stellen, darum und nur darum folgt der Leser Ihrer Kritik, unterwirft sich ihr und lernt durch sie. […] Sie haben tatsächlich nachgewiesen und mußten tatsächlich nachweisen, daß die altliberalen Minister gute Menschen, aber schlechte Mu-
37 Vgl. Baumgarten, Selbstkritik I, in PJ XVIII, 5 (1866), S. 455 ff., hier S. 487 ff. und Baumgarten, Der deutsche Liberalismus. Eine Selbstkritik II, in PJ XVIII, 6 (1866), S. 575 ff., hier S. 579 ff. 38 Baumgarten, Selbstkritik II, S. 581. Zum Folgenden vgl. ebd., S. 585. 39 In der Selbstkritik war die neue Ära sehr negativ konnotiert, was folgende Schlagworte unterstreichen: entsittlicht, gescheitert, maßlos, unerfahren, unpolitisch, zuchtlos, Konflikt, Phrase, Radikalismus, Revolution, Streit, Untergang und Verneinung. 40 Vgl. Stark, Baumgarten, der auf S. 233 auf die Äußerung der fortschrittsnahen Allgemeinen Zeitung verwies, nach der Baumgarten wenig originell die Grundsätze der vermittelnden Politik der Altliberalen abermals ausführte. Auch Faber, Realpolitik als Ideologie, erwähnte S. 17 ff., dass es bereits zuvor zahlreiche ähnliche Äußerungen gegeben habe, die in Ansätzen bis in die Frankfurter Nationalversammlung zurückreichten. 41 Baumgarten, Selbstkritik I, S. 515. 42 Ebd., S. 505. Übrigens verwies er auch hier auf einen lange zuvor veröffentlichten Artikel: Baumgarten, Zum Jahreswechsel, in PJ V, 1 (1860), S. 1 ff.
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sikanten waren – lassen Sie es dabei, aber sagen Sie es nicht ausdrücklich den Leuten in das Gesicht. Ich bin überzeugt, daß es Ihnen später selbst leid tun wird.“43
Ähnlich kritisch beurteilte Baumgarten die Gründung der Fortschrittspartei. „Wir waren ohne Erfahrung, ohne Haltung, ohne […] Instinct. Unsere Ziele stellte die Doctrin, nicht die Praxis; unsere Handlungen lenkte eine unruhige Phantasie, nicht die kalt rechnende Klugheit. So stürzten wir uns, da wir doch leidlich festen und guten Boden unter den Füßen hatten, mit Enthusiasmus in den Abgrund einer bodenlosen Agitation, um einen idealen Staat nach den ausschreitenden Wünschen unserer ganz unpolitischen Natur herzustellen.“44 Mehr Erfolg als alle Reden und Forderungen des Liberalismus aber habe Bismarcks Politik gebracht: „Denn in der Politik kommt es darauf an, nicht daß ich eine Ansicht habe, sondern dass ich sie realisire. Darum zählt die Politik zu ihren wichtigsten Mitteln die Klugheit, die freilich geleitet werden soll von der Weisheit. Die Klugheit lehrt die zum Ziele führenden Wege richtig wählen und geschickt gehen, die politische Weisheit aber verlangt, daß ich immer klaren Blick behalte über die ganze Lage […]. An jener Klugheit sind wir immer arm gewesen.“45 Mit seiner Politik in Schleswig-Holstein habe Bismarck die historisch bedingte Bestimmung Preußens zur Führung der deutschen Einheitsbewegung realisiert und gezeigt, dass das Gedeihen eines Teils nicht das Wohl des Ganzen gefährden dürfe. Es habe sich nur für ein Recht zu kämpfen gelohnt: das von Deutschlands Größe, Einheit und Ehre. Die Person Bismarck war für Baumgarten das beste Beispiel für seine gewagte und umstrittene These, nach der für die Leitung eines Staates nur die besten Repräsentanten des Adels in Frage kämen. Er forderte, vereinfacht gesagt, die „weitgehende Ausschaltung des Bürgertums von der aktiven Politik“46 und dessen Rückzug in die staatliche Bürokratie. Denn der gebildete Bürger sei nie zum Staatsmann erzogen worden. Politik aber sei „der höchste und schwierigste Beruf, dem sich der Mann widmen kann. Es ist eine wahre Versündigung am deutschen Lande und am deutschen Namen, daß wir, die wir das Kleinste mit gründlicher Sammlung aller Kräfte betreiben, das Größte und Höchste der menschlichen Dinge, den Staat, mit spielendem Dilettantismus abthun zu können meinen, wir, die unter allen Nationen die schwierigste politische Aufgabe zu lösen haben mit den bescheidenen politischen Anlagen. Wenn nun aber bedeutende politische Leistungen nur erwartet werden können von Männern, welche die Politik zu ihrem Lebensberuf gemacht haben, und wenn 43
Wilhelm Wehrenpfennig an Baumgarten am 7. Oktober 1866 (in Heyderhoff, Preußischdeutsche Einigung, S. 347 f.). Zur Reaktion auf die Selbstkritik vgl. zudem die Briefe Wehrenpfennigs vom 9. September und 8. Oktober (in BArch Berlin-Lichterfelde N/2013 – 24, NL Baumgarten, Bl. 29 ff.) und Stark, Baumgarten, S. 230 ff. 44 Baumgarten, Selbstkritik II, S. 589 f. Deutlich schärfer an Friedrich Oetker am 18. Dezember 1866 (vgl. Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 358). 45 Baumgarten, ebd., S. 606; zum Folgenden vgl. ebd., S. 609 ff. sowie Stark, Baumgarten, S. 206 ff./S. 228 ff. 46 Stark, ebd., S. 286, vgl. ebd., S. 224 ff.
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dem bürgerlichen Stand die eigentliche politische Carrière fern liegt, so ergiebt sich daraus von selber, wie unerläßlich jedem Volke die Beihülfe des Adels ist, wenn es große politische Aufgaben lösen will.“47
Am Ende der Selbstkritik prophezeite Baumgarten, die Ausführungen über die Stellung des Adels würden sicherlich den Widerspruch seiner Parteigenossen herausfordern. Tatsächlich kam die Trennung der privaten von der öffentlichen Sphäre und die Bestätigung der privilegierten Stellung des Adels „einer Selbstabdankung des Dritten Standes gefährlich nahe“48. Doch wollte Baumgarten tatsächlich der preußischen Noblesse einen „unverdienten göttergleichen Platz einräumen“49? Zwar glaubte auch Heinrich von Treitschke, dass zum Staatsmann in der Regel nur Aristokraten taugten, schränkte aber ein, dass es einen Adel der Geburt und einen des Geistes gebe und der außerpreußische Geburtsadel kaum „mit seinen erbärmlichen höfischen Traditionen brechen“ werde. Gerade in den Kleinstaaten sei es schwierig, „aus solchem Stoff eine politische Klasse zu bilden“, dort sei der Adel der „Hemmschuh für die nationale Politik“50. Letztlich ging es Baumgarten wohl darum, die schmale soziale Basis des bildungs- und wirtschaftsbürgerlichen Liberalismus um Adelskreise zu erweitern.51 Seine Liberalismuskritik spitzte Baumgarten derart zu, dass er der Fortschrittspartei die Qualität zu politischer Führung absprach. Mit einer andauernden oppositionellen Haltung verspiele man jeglichen Einfluss auf die deutsche Einigung, die nun die Regierung vollziehe. „Der Liberalismus muß regierungsfähig werden. Wer darin eine Verkümmerung der liberalen Größe findet, daß er, statt als Opposition ein Unbegrenztes zu fordern, als Regierung ein Geringes thun soll, dem kann ich freilich nicht helfen. Aber einen Abfall vom Liberalismus wird doch wohl Niemand die Forderung zu nennen wagen, daß der Liberalismus endlich eine seine Gedanken selbst realisirende Macht werde. Ich bin weit davon entfernt, eine Grenze ziehen zu wollen, über die er diese Macht nicht ausdehnen solle: so weit seine Macht wirklich reicht, soll er sie mit allem Nachdruck üben; ich wünschte nur, er hörte auf, sich durch Illusionen über den Umfang seiner Kräfte um alle wirkliche Macht zu bringen.“52 47
Vgl. Baumgarten, Selbstkritik I, S. 473. Winkler, Liberalismus, S. 112; vgl. Baumgarten, ebd., S. 627 f.; Bergsträsser, Politische Parteien, S. 107. 49 Wilhelm Beseler an Baumgarten am 20. Dezember 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deut. Einigung, S. 360). 50 Alle Zitate: Treitschke an Baumgarten am 14. Dezember 1866 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 124). Ähnlich auch an Emma von Bodman am 18. August 1866 (ebd., S. 49). Vgl. Wehrenpfennig an Baumgarten am 7. Oktober 1866 (in Heyderhoff, Preußischdeutsche Einigung, S. 348 f.) und Stark, Baumgarten, S. 231 f. 51 Vgl. Siemann, Tragödie des Liberalismus?, S. 224 ff. 52 Baumgarten, Selbstkritik II, S. 627. Treitschke lobte Baumgarten bereits nach Durchsicht der ersten Fassung am 17. August 1866 (in Cornicelius, ebd., S. 47 f.) für sein „Wort zur rechten Stunde […]. Auf einen Axthieb fällt der Baum übrigens nicht. Die nächste Zukunft gehört dem gemäßigten Absolutismus, und wir wollen froh sein, wenn der Liberalismus in einigen Jahren regierungsfähig ist.“ 48
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Die Selbstkritik des Liberalismus, von PJ-Verleger Reimer sogleich als Einzelschrift publiziert53, wird als wirkmächtiges Manifest bezeichnet54, das die Gründung der Nationalliberalen Partei beschleunigte. Ein „meisterhafter Aufsatz von Baumgarten – […] wirklich[e] Politik“, jubelte Heinrich von Treitschke und freute sich darüber, dass die PJ „auf die Partikularisten wie Rattengift“ wirkten.55 Auch Mitherausgeber Wilhelm Wehrenpfennig berichtete über Lob der Altliberalen Haym und Simson.56 Aus dem engeren Umfeld der PJ kam nur vereinzelte Kritik.57 Die Wirkungsmacht der Selbstkritik scheint sich nach dieser Aussage Baumgartens aus dem Februar 1867, drei Monate nach Erscheinen seiner Schrift, allerdings zu relativieren: „Das vollständige Schweigen der Presse […] hätte mich fast zu der Aussage bringen können, daß ich eine ganz unnöthige Arbeit unternommen habe, oder wenigstens eine solche, für welche die Zeit auch gar kein Verständniß besitze. […D]ie großen Organe des Liberalismus, Nat., Voss., Köln. Ztg., warum attackiren Sie mich nicht, wenn Sie sich über mich ärgern?“58 In der Interpretation des Manifests war sich die historische Forschung weitestgehend einig: sie sah die Selbstkritik als Aufforderung zum Ende des Kampfes um den Verfassungsstaat. Die Haltung, dass Politik statt des Wünschenswerten das Erreichbare erstreben solle, verkenne „die Wechselwirkung zwischen Ideal und Wirklichkeit für jede echte politische Haltung […]. Man verzichtete darauf, für das weiterzukämpfen, was in echtem Sinne wünschenswert war, und erstarrte in wachsendem Maße in einer politischen Haltung, die die Freiheit im Sinne der Wirtschaftsfreiheit einengte.“59 Außerdem stand Baumgartens pseudowissenschaftliche Herangehensweise in der Kritik: die Geschichtswissenschaft habe „systemrelevante Fakten herbeizuschaffen, um eine vorgefertigte Aussage […] in ihrer Logik zu beweisen“60.
53 Vgl. den Brief vom 31. Oktober 1866 in StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Baumgarten. 54 Zuerst bei Marcks, Baumgarten, S. 24, und später von allen Forschern übernommen. 55 Treitschke an Emma von Bodman am 11. November 1866 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 109), ähnlich nochmals am 10. Dezember über den zweiten Teil der Selbstkritik (ebd., S. 121 f.). 56 An Baumgarten am 19. Dezember 1866 (BArch Berlin-Lichterfelde N/2013 – 24, NL Baumgarten, Bl. 42 f.). 57 Ebd.: „[E]inzelne wie Schmoller fanden sie etwas zu conservativ.“ Eine ähnliche Meinung äußerte Wilhelm Beseler gegenüber Baumgarten am 20. Dezember 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 360). 58 Baumgarten an Friedrich Oetker, 20. 2. 1867 (BArch Berlin-Lichterfelde, N/2215 – 106, NL Oetker, Bl. 11 ff.). 59 Bergsträsser, Politische Parteien, S. 107; vgl. Stark, Baumgarten, S. 236 ff. und Bercht, PJ, S. 154. 60 Stark, Baumgarten, S. 206. Obwohl Preußens Geschichte nie Gegenstand intensiver Forschung Baumgartens war, schien es ihm „gerechtfertigt, sie als historischen Beweis seiner Behauptungen zu gebrauchen“ (S. 208).
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Im Ringen um eine Neuausrichtung der liberalen Parteilandschaft mussten sich nun auch die PJ positionieren, was den Gegensatz zwischen Regierungs- und Verfassungstreuen wieder aufbrechen ließ. Dabei standen sich zwei Männer gegenüber, die sich bereits von einer aktiven Rolle in der Zeitschrift verabschiedet hatten: Max Duncker und Rudolf Haym, jeweils unterstützt durch die aktuellen Herausgeber Heinrich von Treitschke und Wilhelm Wehrenpfennig.61 Einig in der Unterstützung der preußischen Außenpolitik und der Sicherung liberalen Einflusses auf die Regierung, zum Beispiel durch die Ablehnung des allgemeinen Wahlrechts62, entzweiten sie sich am Grad der Unterstützung der Bismarckschen Innenpolitik. Duncker und Treitschke bestimmten bis zum Zusammentreten des Konstituierenden Reichstags des Norddeutschen Bundes die Haltung der PJ. Sie stellten „den Einheitsgedanken und das Interesse des preußischen Staates über die liberalen Forderungen“63. Duncker kritisierte die Haltung der Neuen Fraktion der nationalen Partei, die auswärtige Politik der Regierung zu unterstützen und dabei die innere zu bekämpfen: Jede systematische Opposition gegen die innere Politik sei auch eine gegen die auswärtige.64 Erst wenn die neue Fraktion die innenpolitische Opposition aufgebe, könnten Altliberale und PJ ihrer Haltung zustimmen.65 Duncker bestand darauf, die liberalen Forderungen der politischen Realität anzupassen und im Kompromiss mit der Regierung das zu erlangen, was ohne Konflikt möglich sei: „Die liberale Seite der eigenen Ueberzeugung wird nicht verleugnet, wenn sie eine Zeit lang weniger […] hervorgehoben wird, als die nationale.“66 Dabei betonte er, dass man die Durchsetzung des liberalen Programms sehr wohl nachdrücklich einfordern könne. Allerdings hätten der Obertribunalsbeschluss gegen Twesten und die faktische Aufhebung der parlamentarischen Redefreiheit das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz erschüttert und dürften nie mehr vorkommen.
61 Zuerst ausführlich thematisiert bei Cranston, PJ, S. 110 ff., in Ansätzen schon bei Fülling, Altliberale, S. 81 f. 62 Vgl. Wehrenpfennig an Duncker am 15. Februar 1867 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 437) und Haym an Wilhelm Schrader am 19. Februar 1867 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 268). 63 Fülling, Altliberale, S. 75. Der Ideengeber in dieser Konstellation war Max Duncker, den Treitschke wiederholt um Unterrichtung bat, so am 11. November 1866 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 140, Bl. 14/15). 64 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 5. Dezember, in PJ XVIII, 6 (1866), S. 700 ff., hier S. 704. 65 Vgl. auch von Treitschke, Zum Jahresanfang, in PJ XIX, 1 (1867), S. 1 ff., hier S. 2 ff., und Bercht, PJ, S. 155. 66 Duncker, Politische Korrespondenz vom 5. Dezember, in PJ XVIII, 6 (1866), S. 704. Vgl. Duncker an Treitschke am 6. Dezember 1866 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 355) und Treitschke an Georg Reimer am 1. Dezember 1866 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 101 f., Anm. 1): Man benötige ein „Nothdach für den Eintagsbau unseres Bundes. Da wäre es thöricht unsere Freiheitsforderungen hoch zu spannen […].“
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Das Verschlanken der Verwaltung und eine Kompetenzerweiterung für die Provinzialregierungen könnte außerdem die Forderung nach Selbstverwaltung erfüllen.67 Das entscheidende Motiv der PJ war, die Einheit (Nord-)Deutschlands keinesfalls aufs Spiel zu setzen. Dabei griff Max Duncker zu überspitzten Formulierungen, die von den politischen Gegnern wie der historischen Forschung mit Begier auf- und angegriffen wurden. Die Nation dürfe, so Duncker, „[w]eder vor dem Wege der Eroberung noch vor dem der Diktatur, auch nicht vor dem der Militärdiktatur […] zurückschrecken, sie müßte willig auch dem despotischen Führer folgen, der ihr den Besitz seiner Glieder, ihr Bestehen, ihre ebenbürtige Stellung unter den Nationen und damit ihre Zukunft zu sichern vermöchte“68. Die staatliche Einheit sei die Vorbedingung für die innere Freiheit. Demnach sei die Klärung der Einheitsfrage der beständigen Freiheitsfrage für den Moment vorzuziehen, die Gegensätze des beendeten Verfassungskonflikts dürften die Gründung des Bundesstaates nicht beeinflussen.69 So hofften die PJ eine altliberal-konservative Allianz zu bilden, die alle demokratischen und partikularistischen Ansichten abweisen werde. Gerade Treitschke, der inzwischen in Kiel lehrte und dort einer schleswig-holsteinisch-partikularistischen und augustenburgischen Bewegung gegenüberstand70, erwartete von den Altliberalen, dass sie in den Beratungen um die Verfassung des Norddeutschen Bundes „im Nothfalle auch für solche Bestimmungen des Regierungsentwurfes stimmen, welche dem liberalen Programm nicht entsprechen: – auf daß nur der Anfang der Einheit des Vaterlandes nicht zerstört werde. Durch eine solche strengunitarische Haltung kann es gelingen, daß aus den gemäßigten Elementen der conservativen und der liberalen Partei eine neue lebensfähige Mittelpartei, eine freie und deshalb werthvolle Bundesgenossin der deutschen Politik des Cabinets, entstehe.“71 Diese Partei sei der ideale, von Bismarck nicht länger ignorierbare, Mittler zwischen Regierung und entschiedenen Liberalen und könne daher auch liberale Zugeständnisse verlangen. Man sei weit davon entfernt „den liberalen Gedanken auszuschließen. Aber wir sind verpflichtet, im Namen der höchsten Interessen des Vaterlandes laut und entschieden dagegen zu protestiren, daß die Aufgabe des Parlaments in die Verwirklichung des liberalen Gedankens gelegt wird. Wer in dieser Welt etwas erreichen will, muß sich zu bescheiden, er muß sich zu beschränken wissen, am meisten dann, wenn Existenz, Sicherheit und Zukunft auf dem Spiele stehen. Die Aufgabe des Parlaments ist in erster Linie die Realisirung des nationalen Gedankens. Kann 67
Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 5. Dezember 1866, S. 704 ff. Duncker, Politische Korrespondenz vom 4. Februar, in PJ XIX, 2 (1867), S. 223 ff., hier S. 224. 69 Vgl. ebd., S. 225 f. 70 Vgl. Heinrich von Treitschke an Rudolf Haym am 10. Januar 1867 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 127 f.) und an Emma von Bodman am 12. Februar 1867 (ebd., S. 138 f.). 71 von Treitschke, Zum Jahresanfang, in PJ XIX, 1 (1867), S. 1 ff., hier S. 8 f. Vgl. Langer, Treitschke, S. 130. 68
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mit diesem auch der liberale verwirklicht werden, wir werden uns am meisten Glück dazu wünschen. Ist dies unmöglich, so muß der liberale Gedanke hinter dem nationalen zurückstehen. […] Wir bleiben, was wir seit der Gründung dieses Blattes immer gewesen sind, die ,Entschieden-Nationalen‘. Mit den Besorgnissen um die Freiheit wird es nicht allzu ernst gemeint sein. Deutschland tritt in den Besitz einer Central-Vertretung, die aus allgemeinem Wahlrecht hervorgeht, es besitzt außerdem gegen dreißig Sondervertretungen. Es erfreut sich vieler Mittel zum Schutze der individuellen Freiheitsrechte, und alle Wege, auf die Staatsgewalten wie auf die öffentlichen Dinge einzuwirken, stehen ihm offen.“72
Vor allem Rudolf Haym übte Kritik an diesen Korrespondenzen. Der Altherausgeber hatte Duncker selbst als Korrespondent zurück zu den PJ vermittelt73 und schrieb nun an seinen Nachfolger Treitschke: „Mir scheint der Akzent […] zu überwiegend auf die Erwartungen an das Abgeordnetenhaus und zu wenig auf die an die Regierung gelegt zu sein, und ein gewisser Ton der Polemik gegen die Fortschrittspartei erinnert mich zu sehr an den offiziösen, als daß ich Geschmack daran finden könnte.“74 Treitschkes Unterstützung der Regierung sah er in dessen schleswig-holsteinischem Umfeld begründet, warnte ihn aber, dass „Bismarck die Herstellung des Bundesstaats doch zugleich benutzt, um antifreiheitliche Experimente zu machen. Von dieser Voraussetzung glaube ich, gerade im Interesse der reinen Erreichung des einen großen Ziels, auch betreffs der Freiheitsfragen auf der Hut sein zu müssen.“75 Rudolf Haym selbst war zu diesem Zeitpunkt fest in die Wirren der liberalen Umstrukturierung verstrickt. Bereits im Frühjahr 1866 hatte er in Halle die Gründung einer Partei vorangetrieben, die gleichzeitig die Erweiterung Deutschlands und einen innenpolitischen Reformkurs anstrebte, in Zeiten des Krieges gegen Österreich aber die nationale Politik in den Vordergrund stellte.76 Anfang Juni 1866 war Haym verantwortlich für einen Wahlaufruf der „national-liberalen Partei“ in Halle77, deren Profil er Max Duncker folgendermaßen erklärte: „[W]ir sind eine national-deutsche Partei. Wir sind aber weiter eine liberale Partei. Es handelt sich darum, beides zu verbinden. Diese Verbindung kann nicht so gemeint sein, daß unser Liberalismus ein Hindernis unseres nationalen und patriotischen Wirkens wird, 72
Duncker, Politische Korrespondenz vom 4. Februar, in PJ XIX, 2 (1867), S. 229. Vgl. dazu den Brief Wilhelm Wehrenpfennigs ans Verlagshaus Reimer vom 26. November 1866 (StaBi Berlin PK, Dep. 42, Archiv de Gruyter, R1 – Wehrenpfennig). 74 Rudolf Haym an Heinrich von Treitschke am 10. Dezember 1866 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 6, Mappe 87, Bl. 106/7 und in Auszügen bei Rosenberg, Briefe Hayms, S. 262). 75 Haym an Treitschke am 18. Januar 1867 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 266) und ähnlich nochmals am 13. Februar 1867 (ebd., S. 267 f.). Vgl. zu alledem Cranston, PJ, S. 112 f. 76 Vgl. Haym, Aus meinem Leben, S. 288 ff., die Briefe in Rosenberg, ebd., S. 244 ff. und Hayms Nachlass in der ULB Halle: Briefe an Schrader ab Oktober 1865 (Yi 23 V 219c), Mappe „Wahlangelegenheiten und Wahlreden 1866 – 78“ (Yi 23 I 10). Außerdem: Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 205 ff.; Fülling, Altliberale: S. 76 ff. 77 In Rosenberg, ebd., S. 248 ff; vgl. außerdem Hayms Wahlrede „Zum 30. Juni“, ebd., S. 252 ff. 73
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sondern nur so, daß wir unseren Liberalismus selbst in die Waagschale der guten Sache werfen. Dies können wir aber nur, wenn wir der Regierung liberale Maßregeln, ein populäres Verhalten abverlangen – ausgehend von der Überzeugung, daß sie doppelt stark, ja überhaupt nur dann stark im Kriege wie in der diplomatischen Aktion sein wird, wenn sie sich die freie, die willige, die begeisterte Zustimmung der Bevölkerung erworben hat. […] Es muß ausgesprochen werden, daß uns die Anerkennung des Budgetrechts des Abgeordnetenhauses als die Vorbedingung alles Erfolgs erscheint. […] Demnach sind wir entschlossen, nur solche Männer zu wählen, deren Patriotismus so unzweifelhaft ist wie ihre Verfassungstreue.“78
So sah es Haym als seine moralische Verpflichtung an, dem Ruf seiner Parteigenossen zu folgen und für das preußische Abgeordnetenhaus zu kandidieren, in das er nach den Wahlen des Kriegssommers 1866 auch einzog und sich dort der altliberalen Fraktion anschloss.79 Die Altliberalen befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einer Phase „recht heiße[r] Debatten über das Maß, das Bekenntniß unserer liberalen Principien und unserer Verwandtschaft mit den übrigen freisinnigen Parteien“80. Rudolf Haym formte mit Simson, Schwerin „und etwa einem Dutzend anderer den linken Flügel der Partei, deren Zentrum, zu seiner Ehre sei es gesagt, unser Tyrann, der, trotz allem famose Vincke bildet“81. Die Abgeordneten um den Fraktionschef betrieben die „Billigung der Bismarckschen Kriegs- und Außenpolitik und keine strikte Forderung nach der unbedingten […] Sicherstellung des Budgetrechtes“82. Haym arbeitete auf die „Wiedervereinigung der jetzt gespaltenen liberalen Parteien“83 hin und fürchtete, dass die konservative Ausrichtung der Altliberalen deren Auflösung beschleunigen würde und „im norddeutschen Parlament von den Altliberalen nicht viel zu sehen sein wird. Unsere Hoffnung muß sein, daß die Neuliberalen immer vernünftiger werden und so eine neue Partei entstehen machen, die […] die politische Erbschaft der Altliberalen antritt.“84 Als Parlamentarier bestand die wichtigste Aufgabe Hayms darin, das Programm der altliberalen Fraktion für die Wahl zum Konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes auszuarbeiten. Die militärische, diplomatische und wirtschaftliche Suprematie Preußens stand dabei außer Frage, ebensowenig die liberale und
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Haym an Duncker am 19. Mai 1866 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 409 f.), ähnlich und ebenfalls an Duncker bereits am 12. Mai (ebd., S. 407). 79 Das gewohnt selbstkritische Urteil über seine Zeit als Parlamentarier ohne Autorität und diplomatisches Geschick in Haym Aus meinem Leben, S. 291 ff. Vgl. auch die Briefe (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 256 ff.) an seine Gattin von November 1866, in denen sich Hayms Faszination gegenüber der parlamentarischen Tätigkeit ebenso zeigt wie die sich anbahnende Spaltung innerhalb der verbliebenen Altliberalen. 80 Haym, Aus meinem Leben, S. 296. 81 Haym an Schrader am 8. Dezember 1866 (in Rosenberg, ebd., S. 263). 82 Fülling, Altliberale, S. 78. 83 Haym an seine Gattin am 12. Dezember 1866 (in Rosenberg, ebd., S. 265). 84 Haym an Treitschke am 21. Dezember 1866 (ebd., S. 266).
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verfassungsgemäße Ausgestaltung des neuen Staatsgebildes.85 Um also durch die volle Unterstützung der Regierung den liberalen Einfluss zu erhalten, sprach sich Rudolf Haym in einer Rede vor dem Abgeordnetenhaus für die Annahme der Norddeutschen Bundesverfassung ohne Vorbehalt aus. Die Gruppe um Vincke, die sich auf die Unterstützung der Regierung Bismarck ohne den Bezug auf die liberalen Ziele beschränkte, bildete in der Folge eine eigene Fraktion.86 Die altliberale Partei in Preußen war zerbrochen. Rudolf Haym empfahl im Bemühen um „die Solidarität aller nationalgesinnten Liberalen“ in der Magdeburger Zeitung vom 1. Juni 1867, „den Namen ,altliberal‘ […] ruhen zu lassen“. Eine gemäßigt liberale Partei werde immer bestehen, und wenn die nationalliberale diese Rolle übernehme, würden sich die Altliberalen ihr anschließen. „Die Läuterung und Verstärkung der nationalliberalen Partei im Sinne der Mäßigung, der Scheidung von der Demokratie, der festen besonnenen Unterstützung der nationalen Politik und seiner Regierung: das ist die Aufgabe, welche der Gestaltung des Parteilebens für die nächste Zukunft gestellt ist.“87 Auf der Ebene des Norddeutschen Bundes hatten die Altliberalen ebenfalls keine Zukunft – wie die Situation Max Dunckers zeigt. Der war mit einem rein nationalen Programm in den Wahlkampf gegangen88 und konnte Anfang 1867 für den HalleSaale-Kreis nur in das Norddeutsche Bundesparlament gewählt werden, weil die Konservativen keinen Gegenkandidaten aufstellten.89 Im Konstituierenden Reichstag waren die Altliberalen von den Parteibildungen auf liberaler wie konservativer Seite ausgeschlossen.90 Die Aufmerksamkeit der Regierung galt der ungleich stärkeren Fraktion der Nationalliberalen91; aus deren Reihen war nur wenigen ehema-
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Hayms Entwurf zum Reichstagswahlprogramm in Rosenberg, ebd., S. 258 f. Vgl. Haym an seine Gattin am 5. und 7. Mai 1867 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 269 ff.) und Fülling, Altliberale, S. 83. 87 Zitiert in Haym, Aus meinem Leben, S. 300 f. Original in ULB Halle, NL Haym Varia, Yi 23 II a1. 88 Vgl. GStA PK, VI. HA, FA Schmoller, Nr. 2, Bl. 24 (Offener Brief Dunckers vom 6. Februar 1867) und, auch zum Vorherigen, Fülling, Altliberale, S. 83 ff. 89 Sie meinten, dass Duncker der Regierung „genehm“ sei. Außerdem seien „bei den Verhandlungen des Norddeutschen Reichstages besondere conservative Interessen nicht gefährdet“. Man verzichte auf einen Gegenkandidaten, da die Altliberalen seit dem Krieg von 1866 „treu zu unserer Regierung“ stünden. In: GStA PK VI. HA, FA Schmoller, Nr. 2, Bl. 14 („An die conservative Partei der Stadt Halle und des Saalkreises“). 90 Vgl. zum Folgenden Cranston, PJ, S. 115 ff.; Fülling, Altliberale, S. 87 ff.; Haym, Leben Dunckers, S. 406 f. 91 Cranston, PJ, S. 117: „The Jahrbücher for the first half of 1867 would reflect the editor’s belief that Bismarck would change his mind and support a governmental old liberal policy. And yet, the decision taken by Bismarck would prove to be both fateful and shrewd. A new liberal party for all Germany would be formed out of Bennigsen’s Nationalverein, Wehrenpfennig’s constitutional old liberals, and Forckenbeck’s moderate Progressives. For a time, at least, the governmental old liberals would have to live with their disappointments.“ 86
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ligen altliberalen Parteifreunden daran gelegen, die Verbliebenen zum Umdenken in Bezug auf eine mögliche Liberalisierung des Norddeutschen Bundes zu bewegen92. Duncker wollte die altliberale Selbständigkeit bewahren und griff die Nationalliberalen scharf an93 : sie hätten eine Norddeutsche Reichsverfassung unterstützt, in der die Legislative mit zu viel Macht ausgestattet sei94 und den Einigungsprozess verlangsame95. Mit dieser Denkweise wies er den Altliberalen eine den Verfassungsprozess blockierende Rolle zu und verbaute sich jede Einflussmöglichkeit auf die Parteien, wie Fülling urteilte.96 Die Zeitgenossen waren ebenfalls kritisch: „Der Fehler der alten Herren (Dunckers und der Altliberalen) ist: sie treiben die Verachtung des Publikums, der Wähler und der jedesmal populären Parteien – früher des Fortschritts, jetzt der Nationalen – bis zu einem Punkt, wo die Möglichkeit des Wirkens innerhalb parlamentarischer Formen aufhört.“97 Auch PJ-Herausgeber Heinrich von Treitschke wusste, dass es nicht die Alt-, sondern die Nationalliberalen gewesen waren, die einen Wahlsieg und Zugeständnisse bei der Ausarbeitung der Bundesverfassung errungen hatten. Gegenüber Wilhelm Wehrenpfennig bekannte er, Dunckers Korrespondenzen seien ihm zu konservativ, „und Vinckes Tollheiten lächerlich“98 und kündigte Rudolf Haym an: „Kommt es zu einem definitiven Bruch zwischen unseren Freunden […] halte ich mich zu der liberaleren Fraktion.“99 Allerdings wollten Treitschke, Wehrenpfennig und Haym keinesfalls auf Dunckers politische Expertise verzichten. So begann ein Taktieren um dessen Gunst100, während sich die PJ von den Altliberalen distanzierten. So kündigte Treitschke Duncker an, künftig eine Strategie der Versöhnung in den Mittelpunkt der Politischen Korrespondenzen zu stellen. Die Bildung einer großen Mittelpartei sei möglich, seit die Fortschrittspartei ihren „heilsamen häuslichen Zank“ führe. Die PJ wollten sich
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Ein Beispiel: August Anschütz an Duncker am 20. Februar 1867 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 438). 93 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenzen von 4. Februar und 4. April, in PJ XIX, 2 und 4 (1867). 94 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 6. März, in PJ XIX, 3 (1867), S. 341 ff., hier S. 345. 95 Vgl. ebd., S. 351 ff. und Duncker, Politische Korrespondenz vom 4. April 1867, S. 475. 96 Fülling, Altliberale, S. 83. Ähnlich Cranston, PJ, S. 118. 97 Wehrenpfennig an Treitschke am 22. Juni 1867 (in Heyderhoff, Preußisch-dt. Einigung, S. 386, Anm. 1). 98 Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 17. Mai 1867 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 153, Anm. 1) und ähnlich nochmals am 26. Juni 1867 (ebd., S. 157 f.). 99 Heinrich von Treitschke an Rudolf Haym am 19. Mai 1867 (ebd., S. 153). 100 Vgl. Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 26. Juni 1867 (ebd., S. 157) und am 19. Mai 1867 an Rudolf Haym (ebd., S. 153): Eine Trennung von Duncker „wäre ein unersetzlicher Verlust, seine letzten Bemerkungen über Luxemburg waren wieder ganz vortrefflich.“ Vgl. auch Haym, Aus meinem Leben, S. 286 f.
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nicht „zum Organ einer Fraction […] machen“, doch mehr die mit den Nationalliberalen geteilten Überzeugungen als die Differenzen thematisieren.101 Bereits einen Monat später ersetzte Treitschkes Artikel Die Verfassung des Norddeutschen Bundes Dunckers monatliche Korrespondenz. Die PJ befürworteten darin die Bildung einer großen regierungsfähigen Mittelpartei, die den Einigungsprozess vorantreiben könne.102 Die Zeit der kleinen, mehr persönlichen als politischen Fraktionen wie die der Altliberalen sei vorbei; dass sich in der Fraktion des Zentrums Altliberale gemeinsam mit sächsischen Partikularisten organisierten, werfe zudem ein schlechtes Licht auf sie.103 Ohne sich den Nationalliberalen entscheidend anzunähern, wandten sich die PJ damit von den Altliberalen ab. Duncker aber erkannte darin eine Wendung hin zum Nationalliberalismus und fragte: „Weshalb sich mit einer bestimmten Partei solidarisch machen, besonders in einer Zeit der Umbildung der Parteien, warum im Voraus die Verteidigung einer bestimmten Partei übernehmen, sich mit ihren eventuellen Fehlern, ihrem möglichen Scheitern belasten und sich selbst die Freiheit der Bewegung, die Freiheit der Kritik erschweren?“104 Je mehr die Nationalliberale „Partei als Ausdruck der Mehrheit erscheint, um so höher spannt sich ihre Meinung von ihrer Kraft. Diese wird sie verführen, höchst ,entschieden‘ aufzutreten, und die Presse wird nicht unterlassen, die Ausführung ihres Programms, die größten Leistungen zu verlangen. Auf diesem Wege erleben wir die zweite Auflage des Fortschritts und seiner Niederlage, die dann der letzte Stoß für den Liberalismus sein würde.“105 Duncker empfahl: „Kein Wind in die ohnehin geblähten Segel der Nationalliberalen von unserer Seite […].“106 Ähnlich reagierten Ludwig Karl Aegidi, Wilhelm Schrader und Hermann Baumgarten.107 Diese Argumentation war für Treitschke Beweis für die altliberale „Unverträglichkeit und Rechthaberei“108. Er erklärte Duncker, die PJ weiter als unabhängiges Organ mit Beiträgen aus dem liberalen wie konservativen Lager zu führen. Zentrales Element werde eine „streng sachliche Haltung der Kritik“ bleiben, ohne dabei „um die Gunst des Publicums zu buhlen.“109 101
Heinrich von Treitschke an Max Duncker am 18. Mai 1867 (ebd., S. 152). Vgl. von Treitschke, Verfassung des Norddeutschen Bundes, in PJ XIX, 6 (1867), S. 717 ff., hier S. 720 ff. 103 Vgl. ebd., S. 722 f. und auch die Interpretation von Langer, Treitschke, S. 130 ff. 104 Max Duncker an Heinrich von Treitschke am 23. Juni 1867 (in Heyderhoff, Preußisch-dt. Einigung, S. 384). 105 Duncker an Treitschke am 23. Juni 1867 (ebd., S. 385). 106 Ebd., S. 386. 107 Vgl. Aegidi und Schrader an Duncker, jeweils am 20. Juni 1867 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 439 f.), und Baumgarten an Treitschke am 8. Juli 1867 (in Heyderhoff, ebd., S. 386). 108 Treitschke an Duncker am 18. Mai 1867 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 152); ausführlicher an Wehrenpfennig am 26. Juni 1867 (ebd., S. 157 f.). 109 Treitschke an Duncker am 27. Juli 1867 (ebd., S. 162 f.); vgl. Cranston, PJ, S. 123. 102
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Ein klares Bekenntnis zur Nationalliberalen Partei sollten die PJ auch in den folgenden Monaten nicht abgeben. Stattdessen folgten vor den Wahlen zum Norddeutschen Reichstag im Spätsommer 1867 unaufhörliche Ermahnungen, den Bogen liberaler Forderungen nicht zu überspannen.110 Ein Grundrechtskatalog für die Verfassung des Norddeutschen Bundes wurde ebenso abgelehnt wie das allgemeine Wahlrecht.111 Dem Wahlaufruf der Nationalliberalen bescheinigte man gute Impulse, kritisierte aber, dass darin „der ganze liberale Wunschzettel reproducirt“ werde, „in der sichtbaren Absicht nachzuweisen, daß man nicht weniger liberal sei als die Fortschrittspartei“. Das sei der „schlagende[] Beleg von dem inneren Widerspruch der Partei, ihren praktischen Tendenzen und ihrer unpraktischen Herkunft“112. Dagegen setzten die PJ auf einen Vereinbarungsparlamentarismus vor allem in wirtschaftlichen Fragen und empfahlen der nationalen Mittelpartei bei „Opposition gegen alle ihrer Überzeugungen nach schlechte oder gesetzwidrige Maßregeln, die Punkte auf[zu]suchen, wo das Einheitsinteresse der Regierung ihren eigenen unitarischen Tendenzen entgegenkommt, ferner die Punkte, wo die Regierung zur Deckung der Bedürfnisse des Bundes den guten Willen der Nationalvertretung braucht, endlich die, wo wiederum im Interesse der Verschmelzung und der Einheit die Regierung mit neuen Gesetzvorlagen vorgehen und deren Umgestaltung im liberaleren Sinne, als sie an sich vielleicht beabsichtigte, sich gefallen lassen muß“113.
Hier lag der „Gegensatz zwischen der alten politischen Generation, die zu ihrer Rechtfertigung auf ihre Taten und Einsichten hinweisen kann, und der jungen, die im Bunde mit den neuen politischen Kräften das deutsche Reich aufbauen wollte“114. Aus einer höheren Warte gegenüber der Politik (wie im Gründungsprogramm beschrieben) verfolgten die PJ das aktuelle Geschehen längst nicht mehr, sie befanden sich im Gegenteil mittendrin: seit Herbst 1867 war auch Wilhelm Wehrenpfennig Abgeordneter – als Teil der nationalliberalen Fraktion im Norddeutschen Reichstag. Dort stand er „wie alle den Nationalliberalen beigetretene Altliberale auf dem rechten Flügel der Partei“ und trug deren Sicht, „das Gut einer abtretenden politischen Generation und Parteigruppe in die neue Zeit und einen neuen Parteikörper hinüber“115. Den noch verbliebenen Altliberalen um Duncker riet er, den Freikonservativen beizutreten, um „die von der Kreuzzeitung losgelöste große Aristokratie
110 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 3. August, in PJ XX, 2 (1867), S. 216 ff., hier S. 217 ff. 111 Vgl. von Treitschke, Die Verfassung des Norddeutschen Bundes, S. 725 und S. 731 f. 112 Beide Zitate in Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 3. August 1867, S. 221. 113 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 3. August, in PJ XX, 2 (1867), S. 222. Vgl. zu den wirtschaftlichen Fragen auch von Treitschke, Die Verfassung des Norddeutschen Bundes, in PJ XIX, 6 (1867), S. 727 ff. 114 Fülling, Altliberale, S. 89 f. 115 Beide Zitate ebd., S. 90.
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mit liberalen Elementen zu versetzen und die Scheidung dadurch dauernder zu machen“116. Max Duncker stand inzwischen gänzlich im politischen Abseits. So hatte er Treitschke und Haym aufgefordert, jegliche Polemik gegenüber den verbliebenen reformkritischen Altliberalen zu vermeiden117, sich bei Baumgarten über die Distanz zu seinen bisherigen Weggefährten beklagt118 und angekündigt: „Sollten die Jahrbücher das Zentrum angreifen, so wäre ich […] nicht mehr in der Lage für dieselben zu schreiben.“119 Nach seinem Ausscheiden aus dem Konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes gehörte er nie wieder einer parlamentarischen Versammlung an und äußerte sich auch nie wieder öffentlich zur Tagespolitik.
2. Deutschlandpolitik ab 1867 unter veränderten Voraussetzungen in Norddeutschem Bund und Zollverein a) Das politische Geschehen Während sich in Preußen die Parteienlandschaft veränderte, hatte die Regierung nach dem Abschluss der Friedensverträge mit den deutschen Staaten freie Hand, um Norddeutschland nach ihren Wünschen zu organisieren. Mitte Dezember 1866 trafen die Bevollmächtigten der Regierungen in Berlin zusammen, um über den Entwurf einer neuen Bundesverfassung zu beraten – den hatte Bismarck zuvor in den sogenannten Putbuser Diktaten maßgeblich geprägt. Die ersten Entwürfe einer Bundesverfassung hatten Vortragende Räte im Preußischen Ministerium des Auswärtigen ausgearbeitet, darunter Max Duncker. Bismarck bezeichnete diese als zu zentralistisch „für den dereinstigen Beitritt der Süddeutschen“, forderte eine entschiedene Sicherung der dominierenden Stellung Preußens und empfahl, sich „in der Form mehr an den Staatenbund“ zu halten, diesem aber „die Natur des Bundesstaates [zu] geben mit elastischen, unscheinbaren, 116
Wehrenpfennig an Treitschke am 25. September 1867 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 390 f.). 117 Vgl. Duncker an Treitschke am 23. Juni 1867 (Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 383 ff.) und an Haym am 21. Juni 1867 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 272): „[D]ie Trümmer der Altliberalen haben Ursache einander in Ruhe zu lassen […].“ 118 Duncker an Baumgarten am 29. Juli 1867 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 440 f.): „Meine Reichstagspolitik hat mich auch mit den Treuesten der Treuen, mit den Hallensern, auseinander gebracht, d. h. mit den letzten, auf welche ich mit Sicherheit zählen zu können glaubte. Haym ist entschieden national-liberal. Er will nicht einsehen, daß aus dieser Partei niemals etwas werden kann, wenn sie den Mut nicht findet, offen und entschieden mit der Demokratie zu brechen. Wir können in der gegenwärtigen Lage weder die Demokratie, noch den doktrinären Liberalismus, noch die Reaktion gebrauchen, wir bedürfen eines preußischnationalen Liberalismus.“ 119 Duncker an Haym am 21. Juni 1867 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 273).
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aber weitreichenden Ausdrücken“. Als Zentralbehörde solle ein Bundestag fungieren.120 Bismarcks Vorstellung prägte eine starke monarchische Ordnung – also ein Bundesstaat der Fürsten und ihrer Regierungen, repräsentiert durch einen Bundesrat – und ein Parlament als ausgleichender Faktor der Bundesexekutive. Diese Exekutive sollte von der Krone Preußens bestimmt werden und der Volksvertretung gegenüber, die ohne Mitspracherecht in militärischen Dingen bleiben sollte, explizit nicht verantwortlich sein. Bismarcks Direktiven mündeten in einen Verfassungsentwurf, der zunächst in den preußischen Ministerien, dann im Kronrat, schließlich bei der Berliner Zusammenkunft diskutiert und am 4. März 1867 in den Konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes eingebracht wurde. Dieser Reichstag befand sich von Anfang an in einer zwiespältigen Position121: einerseits waren sich die Abgeordneten ihrer Chance bewusst, die Einigung Deutschlands auf parlamentarischem Wege vorzubereiten; andererseits ließ Bismarck keinen Zweifel darüber aufkommen, die Verfassung bei einem Misserfolg der Verhandlungen notfalls zu oktroyieren. Im Reichstag ließ er Plätze für mehr als 40 Kommissare einrichten, die den Abgeordneten die Meinung der Regierungen verdeutlichten. Außerdem stammte fast die Hälfte der Abgeordneten aus dem eher regierungstreuen Adel122 sowie der Armee. Eine deutliche Zustimmung zu den Regierungsvorschlägen war zu erwarten – auch weil die Nationalliberalen die Konstituierung des Staatsverbandes über dessen konstitutionelle Ausgestaltung zu stellen gedachten. Die Verhandlungen über die Bundesverfassung123 fanden – bedingt durch die Vertragskonstellation zwischen Preußen und den Drittstaaten – unter Zeitdruck statt und waren nach sechs Wochen abgeschlossen124. Nichtsdestotrotz suchten die Abgeordneten die Diskussion und den Kompromiss, rangen um eine Kompetenzerweiterung für die Volksvertretung und konnten „einige schwerwiegende Mängel von Bismarcks Entwurf“ beheben, die dem Reichstag schließlich „wesentliche Eigenschaften einer modernen Volksvertretung“ verliehen125. In der Generaldebatte über die Bundesverfassung126 verfochten die Freikonservativen eine reine Einigungspolitik und zeigten der Regierung gegenüber „Ver120 Alles in: Bismarck, Gesammelte Werke VI, S. 167 f. Zu den Verfassungsentwürfen vgl. Engelberg, Bismarck, S. 643 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 649 ff. und Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 39 ff. 121 Vgl. Pollmann, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, S. 190 ff. 122 Vgl. Pflanze, Bismarck, S. 361. 123 Vgl. Brandt, Dt. Geschichte, S. 187 ff.; Engelberg, Bismarck, S. 644 f.; Gall, Bismarck, S. 383 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 655 ff.; Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 493 f.; Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 42 ff. 124 „Offensichtlich“, interpretierte Engelberg (Bismarck, S. 645), „glaubte Bismarck durch […] Termindruck die zu erwartenden Einwände leichter überwinden zu können“. 125 Pflanze, Bismarck, S. 364 f. 126 Die Positionen in Auszügen und gut nachzuvollziehen bei Fenske, Weg zur Reichsgründung, S. 346 ff.: Generaldebatte über die Verfassung des Norddeutschen Bundes – Aus-
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ständigungswillen bis zur Selbstverleugnung“127. Die Altliberalen waren sich über den eigenen Kurs nicht im Klaren und wurden in ihrer vernachlässigbaren Minderheitenposition aufgerieben.128 Die Nationalliberalen wollten eine erneute Auseinandersetzung mit der Regierung Bismarck vermeiden und lavierten zwischen der Durchsetzung liberaler Forderungen und der Distanzierung vom Linksliberalismus, der wiederum konsequent an den Positionen des Verfassungskonflikts festhielt und sich dem Vorwurf mangelnder Objektivität ausgesetzt sah.129 In der Folge vertraten die Liberalen vorwiegend Anliegen, die dem Norddeutschen Bund eine stärker zentralistische Prägung geben und die Gesetzgebungskompetenz des Reichstags im Justiz- und Finanzbereich stärken sollten130 ; außerdem setzten sie geheime Wahlen durch in der Hoffnung, Manipulationen von Seiten der Regierungen eindämmen zu können. Harte Verhandlungen über den Einfluss der Abgeordneten auf den Militäretat brachten das gesamte Verfassungsprojekt an den Rand des Scheiterns und führten zum doppelten Erfolg Bismarcks: er entzog die Militärfragen weiter dem Einfluss des Parlaments und konnte das Diätenverbot für Abgeordnete durchsetzen. Seiner Meinung nach verhinderte man so das Entstehen einer Klasse machtbezogener Berufspolitiker, da sich nur begüterte Personen ein Mandat leisteten, die in kurzen Sitzungsperioden mehr wirtschaftliche als politische Interessen verträten. Darüber hinaus konnte die Regierung weitere Erfolge für sich verbuchen: Statt eines von der parlamentarischen Linken geforderten Bundesmonarchen blieb es beim kaum (an)greifbaren Bundespräsidium als Gegenpol des Reichstags. Mit dem Verweis auf die Regelungen der Einzelstaaten war in der Bundesverfassung kein Grundrechtskatalog enthalten.131 Zudem entstand kein verantwortliches, kollegiales Bundesministerium – es blieb der Bundeskanzler, dessen Verantwortlichkeit (wie bereits beschrieben) ungeregelt blieb und der sich lediglich der „politischen Folgewirkungen der moralisch öffentlichen Verantwortung“132 stellen musste. züge vom 9. März 1867 mit Twesten, Waldeck, von Miquel und Wagener (Orignale: Sten. Ber. Norddt. RT 1/1867, S. 102 ff.). 127 Pollmann, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, S. 194. 128 Ebd., S. 195: „Sie erklärten die Sicherung der dominierenden Stellung Preußens für die erste Pflicht des Parlaments und verlagerten den Freiheitsbegriff weitgehend aus dem innerstaatlichen in den Bereich nationaler Selbstbehauptung nach außen. Ihre parlamentarische Selbsteinschätzung gaben sie dadurch zu erkennen, daß sie den Verzicht auf Anträge, welche die Regierung nicht zu akzeptieren gewillt sei, für eine Stärkung des Parlaments hielten. In harten Auseinandersetzungen suchten sie konstitutionelle und parlamentarische Grundsätze gegen die Liberalen auszuspielen, was als Vorwurf der Verleugnung früherer Positionen auf sie zurückschlug […].“ 129 Vgl. Sten. Ber. Norddt. RT 1/1867, S. 114 und Parisius, Deutschlands politische Parteien, S. 92. 130 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 42 ff. und Pflanze, Bismarck, S. 363 ff. 131 Vgl. Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 499 f. 132 Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 44.
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Mit überwältigender Mehrheit nahmen die Abgeordneten den Verfassungsentwurf für den Norddeutschen Bund am 16. April 1867 an.133 Die Regierungen stimmten tags darauf zu, die Einzellandtage folgten, am 1. Juli trat die Verfassung in Kraft. Damit war der Norddeutsche Bund als staatsrechtliches Gebilde begründet134 – ein Staatenbund mit starken bundesstaatlichen Tendenzen, der föderalistische und parlamentarische Prinzipien gegeneinander ausspielte. Zwar war die Borussifizierung des Staatsgebietes unverkennbar, allein wegen der Eingliederung der einzelstaatlichen Armeen in die preußische Militärorganisation. Den Norddeutschen Bund als vergrößerten preußischen Einheitsstaat zu bezeichnen135 greift dennoch zu kurz. Schließlich war es den 22 Einzelstaaten möglich, Preußen im Bundesrat der Staatsregierungen zu überstimmen, zudem bestand ein frei gewähltes Nationalparlament.136 Nach der Wahl zum Reichstag im August 1867, die im Groben wiederum eine nationalliberal-freikonservative Mehrheit erbrachte, entfaltete der Norddeutsche Bund eine kaum vorhersehbare Aktivität auf dem Gebiet der Verwaltung und Gesetzgebung.137 Der „Sicherung des Rechts- und Verfassungsstaats“138 dienten unter anderem: das Freizügigkeitsgesetz vom 1. November 1867, das Gesetz über die Kontrolle des Bundeshaushalts für die Jahre 1867 bis 1869 vom 4. Juli 1868, das Reichstagswahlgesetz vom 31. Mai 1869, die Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 mit Regelungen zur Gewerbefreiheit, das Gesetz zur Gleichberechtigung der Konfessionen vom 3. Juli 1869 sowie das Strafgesetzbuch vom 31. Mai 1870. Die rege Gesetzgebungstätigkeit festigte das Bündnis zwischen den moderat Liberalen und Bismarck – der zwar die Einzelentscheidungen seinem Stellvertreter Delbrück überließ, sich aber dennoch zum modernisierenden Reformer wandeln musste, um die Strömungen der Zeit zu steuern. Trotzdem drohte der Großteil der Gesetzesvorhaben bis zuletzt zu scheitern, weil Nationalliberale und Freikonservative selten geschlossen abstimmten. Ersteren gelang es, zwischen „Gouvernementalismus und einem Bruch mit Bismarck durchzusteuern und die Zersplitterung der Parlamentspartei zu vermeiden“139. Liberale und Regierung akzeptierten eine 133 Die Verfassung des Norddeutschen Bundes bei Huber, Verfassungsdokumente II, S. 227 ff. 134 Vgl. Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 504 und Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 797. 135 So tat es Mann, Deutsche Geschichte, S. 365. Problematisierend und erhellend dazu Hauser, Zum Problem der Nationalisierung Preußens, S. 95 ff. 136 Clark, Preußen, S. 624: „So gesehen war der Norddeutsche Bund eine der späten Früchte der nachrevolutionären Synthese und vermengte die traditionelle Politik der Fürstenkabinette mit der neuen und unvorhersagbaren Logik der nationalen parlamentarischen Vertretung.“ 137 Pollmann, Parlamentarismus, S. 457 ff., zählt allein 32 erfolgreiche Gesetzesvorhaben in vier Jahren auf. 138 Huber, Verfassungsdokumente II, S. 240. Alle im Folgenden genannten Gesetze ebd., S. 240 ff. 139 Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 47. Vgl. zum gesamten Absatz ebd., S. 46 ff.
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gewisse Teilung der Zuständigkeiten: Erstere forcierten Gesetzesänderungen im Bereich Wirtschaft und Recht, Außenpolitik und Militär blieben allein Sache der Staatsleitung. Gleichzeitig blieben Bestrebungen zur Gründung eines Südbundes ohne Ergebnis. Im Prager Frieden war festgehalten worden, dass der noch zu gründende Norddeutsche Bund in ein völkerrechtliches Verhältnis mit einem noch zu gründenden Bund süddeutscher Staaten treten solle. Angesichts der fortschreitenden gesamtdeutschen Integration im Militärbereich und im Zollverein aber blieben diese Pläne Makulatur. Außerdem dominierten Ängste entweder vor einem neuerlichen Rheinbund unter französischer Dominanz oder vor einer bayerischen Übermacht innerhalb eines Südbundes. So wiesen starke Tendenzen auf den Zusammenschluss Deutschlands: die ewigen Schutz- und Trutzbündnisse sowie der neu belebte Zollverein überschritten militärpolitisch und wirtschaftlich die Mainlinie; durch den Süden wog eine Welle liberaler Verwaltungs-, Justiz-, Presse-, Wirtschafts- und Bildungsgesetzgebung; die liberalen Parteien in Süddeutschland waren, mit Ausnahme Württembergs, kleindeutsch-preußisch eingestellt. So erklärte Max Duncker im Spätsommer 1866, man könne nichts Besseres für Deutschland tun, „als ein so starkes Staatswesen aufzubauen, wie es die deutsche Geschichte noch nicht gesehen hat. Je stärker, desto mächtiger wird seine Attraktionskraft auf die übrigen deutschen Staaten sein, desto besser wird es in der Lage sein, die europäische Frage der deutschen Gesamteinigung durchzufechten.“140 Rege Diskussionen über einen möglichen Anschluss Badens an den Norddeutschen Bund Anfang 1870141 gaben ihm Recht. Doch er hatte auch gewarnt: die gefährlichsten Gegner des Nordens seien gut organisierte Klerikalen und Partikularisten im Süden. Mit zunehmender Dauer wuchsen die Gegenkräfte gegen den kleindeutschen Nationalstaat unter preußischer Führung wieder an.142 In Bayern und Württemberg stand die Volksmeinung in Bezug auf Preußen („Steuern zahlen, Soldat sein, Maul halten“143) gegen die von Regierung und Verwaltung, die in der engen Bindung an Preußen die einzige Chance sahen, ihre Länder außenpolitisch zu sichern und innenpolitische Anarchie zu verhindern. In Bayern führte der Streit um die kirchliche Schulaufsicht 1869 zu einem Wahlsieg der Patriotenpartei und letztlich zum Rücktritt des mit Bismarck kooperierenden Ministerpräsidenten Hohenlohe. In Württemberg sammelte die Volkspartei die Unterschriften von 43 Prozent aller Wahlberechtigten, die sich gegen die militärische Angleichung an Preußen aus140 Duncker an August Ludwig Reyscher am 29. August 1866 (in Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 350). 141 Vgl. dazu hintergründig Gall, Bismarcks Süddeutschlandpolitik, S. 23 ff. 142 Vgl. Gall, Bismarck, S. 414 ff.; Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 52 ff.; Pflanze, Bismarck, S. 409 f. 143 Julius Weizsäcker an Heinrich Marquardsen, 7. Mai 1868 (in Heyderhoff, Preußisch-dt. Einigung, S. 418 f.).
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sprachen. Nachdem Innen- und Kriegsminister auf den Bestimmungen der Schutzund Trutzbündnisse mit Preußen beharrten, folgte ein Proteststurm der Demokraten und Großdeutschen. Erfolgversprechender schien es also, Süddeutschland über die wirtschaftliche Verbindung durch den Zollverein wieder an den Norden zu binden, zumal weder Österreich noch Frankreich diese Verbindung in Frage stellten. Mit den Friedensverträgen von 1866 traten die alten Zollvereinsverträge vorläufig wieder in Kraft. Bismarck zwang die süddeutschen Staaten in der Folge zur Umgestaltung des Zollvereins in bundesstaatlich-parlamentarischer Form144 : Den ständigen ZollBundesrat dominierte Preußen wegen seines Vetorechts, dazu kam ein frei gewähltes Zollparlament, in dem 91 süddeutsche Abgeordnete das des Norddeutschen Reichstags verstärkten. Am 8. Juli 1867 wurde der neue Zollvereinsvertrag unterzeichnet und danach trotz starker Opposition gegen das preußische Diktat von den deutschen Regierungen ratifiziert – selbst in Bayern und Württemberg. „So hatte Bismarck das Zollparlament geschaffen, doch das Maß des Widerstands, dem er dabei begegnet war, kündigte ihm an, daß er es auf dem Weg zu seinen darüber hinaus liegenden Zielen sehr schwer haben würde.“145 Die Wahlen zum Zollparlament fanden im Februar und März 1868 statt. Das Votum führte, zur „Bestürzung der Vertreter der kleindeutschen Nationalpartei, aber auch Bismarcks, zur Offenlegung eklatanter politischer und sozialer Gegensätze im Süden“146 : nur 29 der süddeutschen Abgeordneten waren im weitesten Sinne einer gesamtnationalen Partei zuzurechnen. Eine Allianz aus süddeutschen Partikularisten, norddeutschen Föderalisten, Katholiken, Konservativen und Sozialisten, angeführt vom Hannoveraner Windthorst, blockierte in der Folge alle Versuche, das Zollvereinsparlament zum Motor nationaler Einigung zu machen. Strikt innerhalb seiner eigenen Kompetenzen zumindest konnte der Zollverein beachtliche Leistungen vollbringen: Handelsabkommen mit Österreich und der Schweiz, die Vereinheitlichung der Zucker- und Tabaksteuern sowie das allgemeine Zollgesetz von 1870 – Letzteres setzte wiederum die nationalliberal-konservative Mehrheit gegen die süddeutsche Fraktion durch. Nach den für ihn so enttäuschenden Wahlen zeigte Bismarck kaum Interesse an der Arbeit des Zollparlaments. „Andere Optionen zur Lösung der deutschen Frage beschäftigten ihn jetzt.“147
144 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 629 ff. und Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 507 ff. 145 Pflanze, Bismarck, S. 394. 146 Gall, Bismarck, S. 412; vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 30 ff. 147 Pflanze, Bismarck, S. 400.
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b) Die Preußischen Jahrbücher zur Entwicklung des Norddeutschen Bundes Im Vorfeld der Beratungen über die Bundesverfassung stellten die PJ ihre Leser auf eine nüchterne politische Arbeit der Verfassungsgeber ein. Deutlich artikulierte man nur zentrale Forderungen wie das Vereinheitlichen der norddeutschen Armeen zu einem unteilbaren Heer148, den preußischen Führungsanspruch in der Außenpolitik und das Fallen aller Handelsschranken149. In der Diätenfrage stellte man sich auf den Standpunkt, dass sich unbezahlte und wohlhabende Abgeordnete kaum zu Volksdemagogen entwickeln würden.150 Zudem forderte man die Verschmelzung des preußischen Landtags mit dem Norddeutschen Reichstag.151 Den Verfassungsentwurf der Regierungen interpretierte Max Duncker aus außenpolitischer Perspektive als „fest genug, um Deutschland zu dem zu machen, was es seit den Zeiten der fränkischen Kaiser nicht mehr gewesen ist, zu einer europäischen Macht“152. Daher ermahnte er alle Fraktionen des Norddeutschen Reichstags, den Entwurf schnell abzuschließen, so das neue System zu stärken153 und der altliberalen Denkweise zu folgen: „Heute handelt es sich um den Anschluß der deutschen Staaten an Preußen, welches kraft seiner staatlichen Ueberlegenheit die deutschen Regierungen vertragsmäßig gebunden hat. […] Von diesem Standpunkt aus kann die altliberale Partei das Hauptgewicht nicht auf die Schaffung einer absolut constitutionellen Centralgewalt legen, sie stellt vielmehr das Ziel dahin, daß ein nationales Werk mit dieser Verfassung geschaffen wird, welches im liberalen Sinn und in liberaler Richtung entwickelungsfähig ist, dessen Normen diese Entwickelungsfähigkeit nach keiner Seite hin ausschließen.“154
Dennoch erhob Duncker auch allerlei Einwände gegen den Verfassungsentwurf. Einerseits müsse die Exekutivgewalt des Bundespräsidiums gestärkt werden, an148 Vgl. von Treitschke, Zum Jahresanfang, in PJ XIX, 1 (1867), S. 1 ff., hier S. 9 f. und Treitschke an Emma von Bodman am 9. Januar 1867 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 126 f., Anm. 1). 149 Vgl. Braun, Die Zugfreiheit im norddeutschen Bund, in PJ XX, 4 (1867), S. 427. 150 Vgl. von Treitschke, Zum Jahresanfang 1867, S. 12. 151 Vgl. ebd., S. 13; von Treitschke, Politische Korrespondenz vom 10. September, in PJ XVIII, 3 (1866), S. 342 ff., hier S. 346 und von Treitschke, Der norddeutsche Reichstag und das preußische Abgeordnetenhaus, in PJ XX, 1 (1867), S. 93 ff., hier S. 94 f. 152 Duncker, Politische Korrespondenz vom 6. März, in PJ XIX, 3 (1867), S. 341 ff., hier S. 342. 153 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 4. April, in PJ XIX, 4 (1867), S. 469 ff., hier S. 476 f. 154 Ebd., S. 477. Ebenso Hermann Baumgarten an Friedrich Oetker am 28. Februar 1867 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 369): „Alle Verfassungsartikel, auch die wichtigsten, sind irrelevant im Vergleich mit der Tatsache, dass die deutsche Nation als Einheit konstituiert werde. Budgetrecht und alle anderen Rechte können wir in 3, in 5, in 10 oder 20 Jahren erringen; keine auswärtige Macht wird uns daran hindern. Bringen wir aber die nationale Organisation heute nicht zustande, so ist sie vielleicht für immer verloren.“
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dererseits seien die Befugnisse des Reichstags unzureichend: den Abgeordneten müsse ein Budgetrecht gewährt und das Militärbudget zur jährlichen Beratung vorgelegt werden.155 Einen Grundrechtskatalog lehnten Duncker und die Altliberalen mit Verweis auf die Regelungen der Einzelstaaten ab, ebenso eine Ausdehnung der Verantwortlichkeit über die Person des Bundeskanzlers hinaus – denn nicht das Recht, sondern die Moral bestimme die Verantwortung der Politik.156 Statt einer fruchtlosen Diskussion über Abgeordnetendiäten forderte Duncker ein Wahlgesetz, „welches, bei möglichst weitgehender Ausdehnung des Wahlrechts, die Resultate der Wahl insoweit sichert, daß die Geschicke des Staats nicht alle drei Jahre einem reinen Experiment überlassen werden, und wir finden […] Gewähr darin, daß nur solche in den Reichstag gelangen können, welche sowohl das Vertrauen der Wähler erworben haben als durch ihre sociale Stellung für die Erhaltung des Bestehenden doch nicht ohne einiges Interesse sind.“157 Das vollendete Verfassungswerk bezeichnete Treitschke – positiver als in seiner privaten Korrespondenz158 – als „Markstein des größten Fortschrittes, den das politische Leben der Deutschen je vollzogen hat“159 : die Verfassung sei klar formuliert und entwicklungsfähig, der Norddeutsche Bund erscheine nach außen als einheitlicher Staat160. Außerdem hätten die maßvollen Verhandlungen das Selbstwertgefühl der gehörten Abgeordneten gesteigert und die Unhaltbarkeit aller radikal-demokratischen sowie partikularistischen Ansichten aufgedeckt.161 Dementsprechend positiv beurteilte Treitschke die patriotische Selbstüberwindung der konservativen Kräfte – das preußische Herrenhaus hatte die Bundesverfassung angenommen – sowie das kraftvolle Auftreten von Nationalliberalen und Freikonservativen.162 Seine Bedenken richteten sich gegen alles, was der Einheit zuwiderlief: von Offizieren, die innerhalb des Bundesheeres kleinstaatlichen Kontingenten zugeordnet blieben, über
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Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 6. März 1867, S. 345 f. Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 4. April 1867, S. 478 f. 157 Ebd., S. 480 f.; vgl. von Treitschke, Die Verfassung des norddeutschen Bundes, in PJ XIX, 6 (1867), S. 717 ff., hier S. 731 f. 158 „Die Bundesverfassung ist kein Meisterwerk, doch sie sorgt für das Nöthigste.“ Treitschke an Ludwig Reyscher am 20. Mai 1867 (WLB Stuttgart, Cod. hist. Fol. 767, Fasz. XIII, L-Z: Treitschke; zweiter Teil des Briefes in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 153 f.). 159 von Treitschke, Die Verfassung des norddeutschen Bundes, S. 732. 160 Vgl. ebd., S. 723. Nahezu wortgleich urteilte die Nationalzeitung (in Friehe, Nationalzeitung, S. 117), während die Volkszeitung weiter die Reichsverfassung von 1849 forderte (in Frölich, Volkszeitung, S. 358 f.). 161 Vgl. ebd., S. 719 ff. und Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXI, 1 (1868), S. 131 ff., hier S. 132. 162 Ebd., S. 721: „[D]ie conservative Richtung […] findet einen fruchtbaren Boden des Wirkens erst wenn sie, wie Graf Bethusy-Huc und seine Freunde thun, das constitutionelle System rückhaltlos anerkennt und ihre erhaltende Neigung auch auf das bereits angesammelte Capital von Volksrechten erstreckt.“ 156
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eigene kleinstaatliche Gesandte bis zu Hansestädten, die weiterhin auf wirtschaftliche Eigenständigkeit pochten.163 Die Vorschläge der PJ, um den Norddeutschen Bund auszugestalten und zu stabilisieren, waren in der Folge meist wirtschaftlicher Art. Noch vor den Wahlen zum Reichstag sprach sich Wilhelm Wehrenpfennig für eine Vereinfachung des Zolltarifs, direkte Reichssteuern und Gesetze zum Gewerbe- und Handelswesen aus.164 August Lammers verlangte die Deutsche Münzreform165, ausführlich beschrieb der Nationalliberale Karl Braun die Vorteile der Zugfreiheit im norddeutschen Bunde166. Erneut forderte man mehr Selbstverwaltung auf regionaler und lokaler Ebene167, verbunden mit einem nur halbherzig geäußerten Bedauern über die diktatorischen Zustände, mit denen Preußen in die inneren Zustände der annektierten Gebiete Norddeutschlands – speziell in Hannover – eingegriffen habe168. Das Verhältnis des Norddeutschen Bundes zu Süddeutschland brachte die PJ in ein fast auswegloses Dilemma.169 Zum einen glaubte man, dass die starke norddeutsche Zentralgewalt, die Schutz- und Trutzbündnisse sowie die wirtschaftliche Anziehungskraft den Süden schnell dem Norden zuführen könnten.170 Auch die gescheiterte Militärkonvention zwischen Baden und Preußen Anfang 1867 brachte sie von dieser Meinung nicht ab171, so dass Bestrebungen zur Gründung eines Südbundes nie ernsthaft in Erwägung gezogen wurden172. Zum anderen war aber offensichtlich, dass die süddeutschen Regierungen und Dynastien ihre Souveränität 163 Vgl. zu den vorgenannten Beispielen von Treitschke, Die Verfassung des norddeutschen Bundes, S. 725 ff. 164 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 3. August, in PJ XX, 2 (1867), S. 216 ff., hier S. 222 f. 165 Lammers, Deutsche Münzreform, in PJ XX, 5 (1867), S. 463 ff. 166 Braun, Zugfreiheit im norddeutschen Bunde, in PJ XX, 4 (1867), S. 412 ff. Nach Gesetzesverabschiedung: Braun, Gewerbe-, Zug- und Verehelichungs-Freiheit im Norddeutschen Bunde, in PJ XXI, 4 (1868), S. 435 ff. 167 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 3. August, in PJ XX, 2 (1867), S. 223. 168 Vgl. ebd., S. 224 ff. und Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXI, 1 (1868), S. 131 ff., hier S. 132. 169 Vgl. Wehrenpfennig an Baumgarten am 26. Januar 1867 (in Heyderhoff, Preußisch-dt. Einigung, S. 364). 170 Vgl. von Treitschke, Die Verfassung des norddeutschen Bundes, in PJ XIX, 6 (1866), S. 717 ff., hier S. 733; ebenso an Ludwig Reyscher am 20. Mai 1867 (WLB Stuttgart, Cod. hist. Fol. 767, Fasz. XIII, L-Z: Treitschke). 171 Vgl. die Briefe Treitschkes an Baumgarten vom 5. Februar 1867, an Hirzel vom 28. Oktober 1867, an Freytag vom 14. November 1867 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 134 f.; S. 188 f. und S. 189 ff.) sowie an Frensdorff vom 28. Oktober 1867 (NSUB Göttingen, F. Frensdorff I, Br. 405/Nr. 21a). Ähnlich Baumgarten, Aus Süddeutschland, in PJ XX , 3 und 5 (1867), S. 302 ff. und S. 565 ff. 172 Der Südbund wurde abqualifiziert durch Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland, in PJ XXII, 2 (1868), S. 260 ff., hier S. 264 und von Treitschke, Zum Jahreswechsel, in PJ XXIII, 1 (1869), S. 115 ff., hier S. 129.
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zugunsten einer preußischen Übermacht nicht aus freien Stücken aufgeben würden.173 Vor diesem Hintergrund setzte Wilhelm Wehrenpfennig Zum Jahreswechsel 1868 all seine Hoffnungen in den Zollverein und das geplante Zollparlament: „Auf ihm ruht […] fast allein die Aussicht, daß unsere in Stillstand gekommene deutsche Bewegung wieder in Fluß gerathe“174, dass eine Angleichung der wirtschaftlichen Infrastruktur ein Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit im gesamten Süden wecke. Innerhalb kürzester Zeit aber wurden diese Hoffnungen herbe gedämpft: zunächst starb im Februar 1868 der badische Ministerpräsident Karl Mathy, der bis dahin ohne Rücksicht auf parlamentarische Mehrheiten und die Volksstimmung einen pro-preußischen Kurs gefahren hatte.175 Wenige Wochen später folgten die Wahlen zum gesamtdeutschen Zollparlament, deren Ergebnis als eindeutiges Votum gegen die preußische Vorherrschaft gewertet werden konnten. Wie alle Nationalliberalen bemühten sich auch die PJ, das Ergebnis der Zollparlamentswahlen positiv zu interpretieren: 24 Abgeordnete seien „auf das Programm des sofortigen Eintritts in den Nordbund gewählt“, erklärte Wehrenpfennig und verwies auf Siege der Nationalen in Franken, der Pfalz, Südhessen, Mainz und Baden. In Württemberg hätten die Freunde des gesamtdeutschen Nationalstaats zwar keinen Sitz für das Zollparlament errungen, aber doch 29 Prozent der Stimmen. Den Partikularisten in Württemberg und Altbayern warf er „Maulheldenthum“ und eine „alberne Schönfärberei“ der heimatlichen Verhältnisse vor.176 Die deutsche Einheit als Ziel aller Bemühungen wurde trotz des Wahlergebnisses nicht in Frage gestellt – der Weg dorthin sei lediglich beschwerlicher geworden.177 Die Arbeit des Zollparlaments müsse der süddeutschen Bevölkerung nun vor Augen führen, dass ein Eintritt in den Norddeutschen Bund eine Vermehrung eigener Rechte und die „Rettung aus allgemeiner Zerrüttung“178 bedeute. Als erste konkrete Ziele riefen die PJ den Abschluss des deutsch-österreichischen Handelsvertrags und die Reform des Zollverfahrens aus. Wilhelm Wehrenpfennig fasste Treitschke die Gemütslage der kleindeutschen Bewegung zusammen: 173 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Oktober, in PJ XX, 4 (1867), S. 444 ff., hier S. 447 ff. und seinen Brief an Baumgarten vom 26. Januar 1867 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 364). 174 Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel 1868, S. 137. Vgl. Wilhelm Wehrenpfennig an Hermann Baumgarten am 13. November 1867 (in Heyderhoff, ebd., S. 391 f.). 175 Vgl. von Treitschke, Karl Mathy, in PJ XXI, 3 (1868), S. 325 ff. und Treitschke an Wehrenpfennig am 3. Februar 1868 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 199). 176 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang April, in PJ XXI, 4 (1868), S. 476 ff., hier S. 481 f. Vgl. Mathy an Freytag, 25. Dezember 1867 (in Heyderhoff, ebd., S. 403 f.). 177 Vgl. ebd. und Wehrenpfennigs Brief an Treitschke vom 21. Februar 1868 (in Heyderhoff, ebd., S. 409 f.). 178 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang April 1868, S. 487. Zum Folgenden vgl. S. 484.
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„[I]ch bin mit den Dingen im Süden nicht so unzufrieden. Die Krankheit muß heraus, je vollständiger, desto besser. Es ist gut, daß nicht irgendein deutscher Garibaldi, getragen von einer rasch verfliegenden Begeisterung, uns diese Gesellschaft in unseren noch höchst unfertigen Staat eingeführt hat. Österreichisch oder französisch kann sie ja doch nicht werden, für sich auf die Dauer existieren kann sie auch nicht, also bleibt ja doch nichts übrig, als daß wir sie zuletzt – nicht ohne sanften Zwang – in unsere Gemeinschaft aufnehmen. Aber in Anbetracht der unglaublichen Rohheit und Verwahrlosung, welche die letzten Wahlen zeigten, müssen wir wünschen, daß die Aufnahme nicht übereilt wird. Wir müssen die wichtigsten Aufgaben unserer Gesetzgebung im Reichstag, wir müssen die Organisation unserer Bundesregierung, wir müssen endlich die Regeneration unserer preußischen Verwaltung erst vollendet haben […]. Unsere Parteien sind zu schwach, unsere Volksstimmungen selbst noch zu ungesund, um so viel Unsinn ohne Gefahr der Infektion erlangen zu können. Das Jahr 1866 bleibt ja doch der weitaus größte Ruck, den unsere deutsche Geschichte gemacht hat. […] Warum wollen wir über das bisherige Gesetz unserer Geschichte, die Allmählichkeit der Entwicklung, hinausdrängen? Und wenn es uns gelänge, würden wir es ungestraft tun?“179
In den folgenden Jahren machte es sich Wehrenpfennig zur Aufgabe, den Norddeutschen Bund als einen reformfähigen – und für den Süden anziehenden – Verband darzustellen und in Preußen weitere Reformen zu fordern.180 Gleichzeitig verlangte er von allen Beteiligten vor allem Geduld. Denn „[u]nter dem Eindruck der riesenhaften Fortschritte der letzten Jahre haben wir den Maßstab für den durchschnittlichen Grad der Geschwindigkeit verloren, mit welchem die Staaten sich entwickeln“181. In den PJ wurden alle Schritte zur Vereinheitlichung der staatlichen Infrastruktur ausführlich und kritisch begleitet: vom Heerwesen182 bis zu Post- und Passwesen, von Maßen zu Gewichten, von Freizügigkeit bis Gewerbeordnung183. „Indem wir uns von den wirtschaftlichen und militärischen zu den mehr politischen Fragen wenden, mindert sich allerdings die Befriedigung“ der PJ. „Wir haben auf diesem Felde von fehlgeschlagenen Versuchen, von Stückarbeit oder von provisorischen Auskunftsmitteln zu berichten.“184 Man forderte wiederholt die Klärung der Marineausgaben und der Rechtsverhältnisse der Bundesbeamten, die Revision des Bundesrechnungs- und Schuldenwesens, die Vereinheitlichung des Strafrechts, 179 Wehrenpfennig an Treitschke am 10. April 1868 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 415 f.). 180 Vgl. Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXI, 1 (1868), S. 132 f. und Cranston, PJ, S. 146 ff. 181 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang April 1868, S. 480. 182 Vgl. Wehrenpfennig, Die zweite Session des Reichstages, in PJ XXII, 1 (1868), S. 120 ff., hier S. 127 f. und Bauer, Die württembergische Armee, in PJ XXI, 5 (1868), S. 581 ff. Über letzteren Aufsatz war Treitschke „sehr erfreut“ (an Wehrenpfennig am 5. Mai 1868, in StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 43, Bl. 46). 183 Vgl. Wehrenpfennig, Die zweite Session des Reichstages, S. 121 ff. und Beutner, Die wirtschaftlichen Ergebnisse der letzten Reichstags-Session, in PJ XXIV, 3 (1869), S. 351 ff., hier S. 355 ff. 184 Wehrenpfennig, ebd., S. 128.
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die Rechtsgleichheit der Juden185 sowie die vollständige Eingliederung der annektierten Kleinstaaten in den preußischen Verwaltungsapparat186. Vom Zollparlament erwartete Wilhelm Wehrenpfennig – vor allem wegen der süddeutschen Abgeordneten – keine nennenswerten Resultate. Man werde sich „nicht der Illusion hingeben, als ließen sich mit einem so zusammengesetzten Organ überraschende politische Eroberungen machen“.187 Einer die liberale Presse und viele Nationalliberale beherrschenden Strömung, „die, über die Thatsachen der süddeutschen Wahlen hinweggehend, wer weiß welche großen Dinge durch das Zollparlament erreichen wollte“188, machte er deutlich, dass es sich bei dem erreichten Zustand nur um ein Provisorium auf dem Weg zum Einheitsstaat handeln könne189. Weder habe das Zollparlament regierungsähnliche Befugnisse, noch gebe es einen gemeinsamen Verwendungszweck für die noch zu erhebenden Zolleinnahmen.190 So blieb es bei der Empfehlung an die Nationalliberalen, den Norddeutschen Bund zu stabilisieren, und so den Süden mitzuziehen. „Darum darf vor der Formel: Competenzerweiterung des Zollparlaments nicht die richtigere und bessere Parole zurücktreten: Anschluß an den norddeutschen Bund! Auch dieser Anschluß gestattet Zwischenstufen und Uebergänge. […] Die Politik, die wir empfehlen, ist einfach und sicher; sie verlangt, dass wir erst die innere Gestalt des Nationalstaats und dann seinen äußeren Umfang vollenden.“191 Die Revolution von 1866 hatte nach Meinung der meisten Rechtsliberalen192 vorläufig ihr Ziel am Main erreicht. Eine Neuge185 Vgl. Wehrenpfennig, Die zweite Session des Reichstages, in PJ XXII, 1 (1868), S. 128 ff. und Endemann, Die Bundeszivilprozessordnung, in PJ XXII, 3 (1868), S. 296 ff. 186 Vgl. Thudichum, Staatliche und kirchliche Zustände im Großherzogtum Hessen von 1850 – 1869, in PJ XXIV, 1 (1869), S. 22 ff. und Braun, Prinz Hyazinth. Ein Beitrag zur Geschichte der Segnungen des Kleinstaats, in PJ XXIV, 4 (1869), S. 423 ff.; außerdem den Brief Friedrich Thudichums ans Verlagshaus Reimer vom 3. Juli 1869 (StaBi PK Berlin, Dep. 42, Archiv de Gruyter, R1 – Thudichum) und den Wehrenpfennigs an Thudichum vom 3. Januar 1870 (UB Tübingen, NL Thudichum, Md 728 – 60). 187 Wehrenpfennig, Das Zollparlament und seine Kompetenzerweiterung. Eine Warnung vor falschen Wegen, in PJ XXI, 5 (1868), S. 591 ff., hier S. 592. Deutlicher im Brief an Treitschke vom 25. April 1868 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 418): „Es ist eine heillose Konfusion aller Köpfe hier bei Beginn des Zollparlaments, und ich bin gewiß, es wird nichts dabei herauskommen.“ 188 Wehrenpfennig an Treitschke am 8. Mai 1868 (in Heyderhoff, ebd., S. 419). 189 Vgl. Wehrenpfennig, Das Zollparlament und seine Kompetenzerweiterung, S. 593. 190 Vgl. ebd., S. 597. 191 Ebd., S. 600. Ebenso: Wehrenpfennig, Die erste Session des Zollparlaments, in PJ XXI, 6 (1868), S. 698 ff.; Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland, in PJ XXII, 2 (1868), S. 260 ff. hier S. 260 f./S. 270 f.; v. Treitschke, Zum Jahreswechsel, in PJ XXIII, 1 (1869), S. 115 ff., hier S. 115. Vgl. auch Schwab, Königgrätz, S. 323. 192 Baumgarten erinnerte Treitschke am 18. Juni 1868 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 5, Mappe 41, Bl. 40/41) daran, dass Wehrenpfennig vor den Wahlen zum Zollparlament noch den Anschluss des Südens gefordert hatte: „Sie wissen, daß ich den Anschluß des Südens immer in weiterer Ferne sah, daß ich […] diese Aussicht nachdrücklich vertrat und durch die
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staltung der Verhältnisse erwartete man mit dem Ende der aktuellen Zollvereinsverträge 1877. „Wir dürfen die Früchte nicht unreif abpflücken, es sei denn“, das betonte man privat, „daß ein Ungewitter sie abschüttelt und uns in den Schoß wirft“193. Mit Blick auf die Arbeit des Norddeutschen Reichstags begeisterte die Gewerbeordnung von 1869. „Sie führt das Princip der individuellen Freiheit fast überall bis zu der Grenze durch, welche die Rücksicht auf das öffentliche Wohl gestattet.“194 Wehrenpfennig machte aber deutlich, dass Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Bund und seinen Mitgliedern nur auf dem Weg weiterer Vereinheitlichung gelöst werden könnten. Unter der Einführung von Bundesministerien könne man sich nur vorstellen, dass „ein Theil der preußischen Minister zu Bundesministern avancirt, wie die preußischen Gesandten zu Bundesgesandten avancirt sind“195 ; Ähnliches gelte für die Vorbildfunktion der preußischen Rechtsprechung. Der Norddeutsche Bund in seiner derzeitigen Form basiere auf dem Widerspruch zwischen dem „formalen Reichs- oder Bundesrecht und zwischen den thatsächlichen Verhältnissen […]. Jede eigentlich föderative Fortbildung, die darauf hinausgeht, Centralgewalt und Particulargewalt, Gemeinsames und Besonderes gegen einander abzugrenzen, ist durch den Unterschied in der Größe der Bundesglieder unmöglich gemacht. Der einzig naturgemäßen Fortbildung aber, die darin besteht daß der preußische Staat mit der Bundesmacht mehr und mehr verschmilzt, und diese den Charakter einer monarchischen Staatsgewalt annimmt, widerstrebt theils die Anlage der Bundesverfassung, theils der […] noch ungebrochene deutsche Particularismus. Wir werden uns abermals Jahre und Jahrzehnte in politischen Fictionen bewegen und diese durch das reale Schwergewicht der preußischen Monarchie thatsächlich corrigiren müssen.“196
Die PJ machten sich damit zum Sprachrohr des Unitarismus. Aus dieser Perspektive sahen sie den Norddeutschen Bund und das Zollparlament spätestens seit 1869 in einer andauernden Krise. Verwirrung, Streit um Kompetenzen und Ämter sowie der Aufstieg politischer Dampfplauderer statt Fachleuten präge das Geschehen.197 So forderte Wehrenpfennig, den Abgeordneten von Landtag, Reichstag und Zollparlament die Regierungsvorlagen zur Einarbeitung bereits vor Beginn einer
lebhaften Demonstrationen der Nationalliberalen in Berlin, unter denen Wehrenpfennig damals der Ungeduldigste war, mich etwas beirren ließ.“ 193 Wehrenpfennig an Treitschke am 4. Juni 1868 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 421). 194 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 9. Mai, in PJ XXIII, 5 (1869), S. 579 ff., hier S. 588 f.; vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Juli, in PJ XXIV, 1 (1869), S. 111 ff., hier S. 116 f. 195 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 9. Mai 1869, S. 584. 196 Ebd., S. 586. 197 Vgl. von Treitschke, Zum Jahreswechsel, in PJ XXIII, 1 (1869), S. 115 ff., hier S. 119 f.
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Sitzungsperiode zu übermitteln. Außerdem forderte er ständige themenbezogene Kommissionen in den Parlamenten.198 Die Existenz des Zollparlaments in seiner aktuellen Form stellte man bereits im Sommer 1869 in Frage. Da die Abgeordneten verstanden, dass „das Zollparlament eine direkte politische Bedeutung nicht habe“199, wurden nur Scheinverhandlungen über gemeinsame Tarife und Zölle geführt. Wenn sich einige Staaten nicht an einer umfassenden Revision des Finanz- und Handelssystems beteiligen wollten, sei es notwendig, „nach dem Ablauf der jetzigen Vertragsperiode die wirtschaftliche Gemeinschaft nur mit denen fortzusetzen, welche die staatliche Gemeinschaft, die Ausgaben für die Landesverteidigung, mit uns teilen wollen“200. Dennoch behalte das Zollparlament die Aufgabe, bis 1877 – „oder bis zu dem vielleicht früheren Termin eines mitteleuropäischen Völkerkampfes“201 – eine wirtschaftliche Gemeinschaft aufzubauen und einen Vereinigungspunkt für die nationalen Parteien zu bieten. Der Blick nach Süddeutschland offenbarte für die PJ einen Zustand politischer Zerrüttung und des Stillstands in der Gesetzgebung.202 Fortschritte seien nur zu erkennen, wenn Preußen in Folge bilateraler Verträge die Richtung vorgebe – wie bei der Angleichung der Heeresorganisation203 : die gehe in Hessen und Baden gut voran, während Bayern und Württemberg „auf Kosten der Gesammtheit gespart und damit den Grundsatz, daß gleiches Recht auf Schutz auch gleiche Pflicht der Leistung bedingt, verläugnet“ hätten204. Die Politiker Sachsens205, Württembergs und Bayerns hangelten sich nur von einer Verlegenheit zur nächsten. So wurde selbst das Ende der Amtszeit des Ministerpräsidenten Hohenlohe erleichtert zur Kenntnis genommen –
198 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Juli 1869, S. 112 u. Langer, Treitschke, S. 129 ff. 199 Ebd., S. 113. Zum Folgenden vgl. S. 114 ff. 200 Ebd., S. 116. 201 ebd., S. 114. Vgl. von Treitschke, Zum Jahreswechsel, in PJ XXIII, 1 (1869), S. 115 ff., hier S. 116. 202 Vgl. Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland von Anfang Juli, in PJ XXIII, 6 (1869), S. 686 ff., hier S. 686; Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland, in PJ XXII, 2 (1868), S. 260 ff. hier S. 266 ff.; Lang, Württembergische Gesetzgebung, in PJ XXV, 1 (1870), S. 88 ff. Vgl. Briefe Treitschkes an Wehrenpfennig vom 27. Juli 1868 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 217) und an Freytag am 9. Januar 1870 (in Dove, Briefwechsel Freytag-Treitschke, S. 147 ff.). 203 Vgl. Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland von Anfang Juli 1869, S. 269. 204 Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland, in PJ XXIII, 6 (1869), S. 690. 205 Treitschke konstatierte gegenüber Wehrenpfennig am 27. Februar 1869 eine unbeschreibliche Verkommenheit der sächsischen Bürokratie (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 240 f.). Vgl. Blum, Einige der gesetzgeberischen Reformen im Königreich Sachsen unter König Johann, in PJ XXIII, 3 und 4 (1869).
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denn dieser sei zwar ein Fürsprecher für eine enge Verbindung Bayerns mit dem Norddeutschen Bund gewesen, aber nicht für eine Einheit.206 Erst im Frühjahr 1870 bezogen die PJ wieder Stellung zu drängenden bundespolitischen Vorkommnissen: Heinrich von Treitschke mischte aktiv mit in der Diskussion über den möglichen Anschluss Badens an den Norddeutschen Bund und über die Aufnahme der Todesstrafe in das norddeutsche Strafgesetzbuch. Den Antrag auf den möglichst ungesäumten Anschluss Badens an den Norddeutschen Bund hatte Eduard Lasker gestellt, der dem linken Flügel der Nationalliberalen im Reichstag angehörte.207 Bundeskanzler Bismarck wies den Antrag schroff zurück – mit der vertraulichen Begründung gegenüber dem preußischen Gesandten in Baden, dass er Rücksicht auf Bayern und Frankreich nehmen müsse. Die Ablehnung der Aufnahme Badens in den Norddeutschen Bund brachte Bismarck heftige Kritik der Nationalbewegung und der PJ-Autoren ein. Hermann Baumgarten empörte sich: Bismarck missachte nationale Interessen und habe seit 1866 „nie mit einem badischen Staatsmann gesprochen […]. Er kennt folglich das Fundament der hiesigen Ansichten gar nicht. Da er sich immer nur von Bayern und Württemberg zuflüstern läßt, ist es kein Wunder, daß er die süddeutschen Dinge ganz falsch beurteilt.“208 Auch Wilhelm Wehrenpfennig verstand das Vorgehen der Regierung nicht: „Meinem unvorgreiflichen Menschenverstande stellt sich die Sache so dar: Wir ziehen im Süden an uns heran, was vorbereitet genug ist, um auf dem Boden der Bundesverfassung assimiliert zu werden, und wir isolieren dadurch noch mehr das, was uns feindlich ist. […W]ir nehmen, was sich freiwillig bietet; warum sollen wir das arme Baden erst verderben lassen, um es nachher mit den Übrigen zu erobern!“209 Wehrenpfennig drängte auf die sofortige Aufnahme Badens in den Norddeutschen Bund und ermahnte Treitschke, der sich zwei Jahre zuvor noch für diesen Anschluss ausgesprochen hatte210 : „Wir waren sonst immer in der Avantgarde der nationalen Idee. Wenn wir jetzt Angst bekommen vor dem Süden und unserer guten Verdauungskraft nicht mehr trauen, geraten wir da nicht in die Arrièregarde? Allerdings als strenge Unitarier. Aber den Unitarismus hat uns Bismarck 1866 verdorben […]. Wenn nur die Scheu vor Frankreich nicht wäre, so würde glaube ich, 206
Vgl. Lang, Süddeutsche Korrespondenz von Anfang Mai, in PJ XXV, 5 (1870), S. 562 ff., hier S. 573. Vgl. auch Marquard Barth an Baumgarten am 12. Oktober 1868 (in Heyderhoff, Preußisch-dt. Einigung, S. 426 ff.). 207 Die parlamentarische Diskussion vom 19. Februar 1870 in Sten. Ber. Norddt. RT 1870/ I, S. 57 ff. 208 Baumgarten an Treitschke, März 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 467; vgl. S. 463 f.). 209 Wehrenpfennig an Treitschke am 20. Februar 1870 (ebd., S. 455); ähnlich PJ-Autor Friedrich Thudichum an Treitschke (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 10, Bl. 1/2). 210 Vgl. zum Beispiel Treitschke an Wilhelm Nokk am 3. Januar 1868 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 197) und weitere Briefe vom Dezember 1867 und Januar 1868.
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Bismarck auch nicht zögern.“211 Doch Treitschke ging nicht auf das Drängen ein und verließ sich stattdessen auf die Ratschläge Franz von Roggenbachs. Mit dem ehemaligen badischen Ministerpräsidenten, Außen- und Handelsminister stand er in regem Kontakt und übernahm dessen Stellungnahmen teils wörtlich im Aufsatz Badens Eintritt in den Bund.212 Der leitende Gedanke Roggenbachs und Treitschkes war, dass Badens Eintritt in den Norddeutschen Bund im Frühjahr 1870 weniger nützlich und schwieriger zu realisieren sei als je zuvor. Vor einer Erweiterung des Bundes müssten drei Voraussetzungen erfüllt sein: eine gestärkte Bundesgewalt213, die endgültige Vereinheitlichung von Heer und Verwaltung214 sowie eine Akzeptanz der süddeutschen Parlamente für eben diese Ordnung. Gerade in letztem Punkt setzte Treitschke, wie Bismarck, auf den Faktor Zeit: die nationale Gesinnung in Baden werde überdauern und könne die anderen Staaten letztlich mit in den Bund reißen.215 Harsche Kritik übten Treitschke und Roggenbach an der liberalen Nationalbewegung. Die einen seien von stärkerem Staatssinn, die anderen von größerem Streben nach gesellschaftlicher und individueller Gebundenheit geprägt. Diese Gruppen würden ausgebeutet von „der nationalliberalen […] und der partikularistisch-großdeutsch-demokratischen Koterie. […N]ur sehr wenige sind darunter, welchen, wie den ehrlichen Altliberalen die Wahrheit und das Wohl des Gemeinwesens – nicht ihrer Fraktion – über alles geht.“ Ein Großteil der Nationalliberalen verhalte sich völlig konfus und hänge der nicht realisierbaren Idee nach, den Norddeutschen Bund nach Vorbild des englischen parlamentarischen Systems auszugestalten.216 Im Mittelpunkt dieser Kritik stand Eduard Lasker, der Nationalliberale, der im Reichstag den Anschluss Badens beschließen wollte. Dessen namentliche Nennung in den PJ verhinderte sein Fraktionskollege Wilhelm Wehrenpfennig mit Blick auf die nahenden Reichstagswahlen. Treitschke ließ sich den Einspruch dieses eine Mal gefallen, kündigte aber an, den „seichten Schwätzer Lasker“ nicht länger als sakrosankte Person zu behandeln.217 Gegenüber Max Duncker erklärte er, „Wehrenpfennigs Stellung in dieser gottverlassenen nationalliberalen Fraktion wird all-
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Wehrenpfennig an Treitschke am 20. Februar 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 456). 212 Vgl. Roggenbach an Treitschke am 12. Februar 1870 (ebd., S. 457 ff.). 213 Vgl. von Treitschke, Badens Eintritt in den Bund, in PJ XXV, 3 (1870), S. 328 ff., hier S. 333. 214 Vgl. ebd., S. 330 ff; ähnlich an Hirzel und Baumgarten zu Jahresbeginn 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 261 ff.). 215 Vgl. von Treitschke, Badens Eintritt in den Bund, S. 334 f. 216 Roggenbach an Treitschke am 12. Februar 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 458). 217 Treitschke an Baumgarten, 9. März 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 33, Mappe 1870, Bl. 12).
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mählich eine Gefahr für unser Blatt. Ich habe soeben meinen Artikel über Baden verstümmeln müssen“, um Wehrenpfennig nicht zum Fraktionsaustritt zu nötigen.218 Treitschke war überzeugt, dass die von verschiedenen Motiven durchsetzte Einheitsbewegung die selbständige Entwicklung des deutschen Staates nicht nach außen vertreten könne. Sollte der Aufnahme Badens in den Norddeutschen Bund einen schneller Eintritt Bayerns und Württembergs folgen, wären die außenpolitischen Folgen nicht kalkulierbar, zudem würde Preußen im Reichstag in die Minorität gegenüber der partikularistischen Bewegung geraten.219 Auch bei einem isolierten Eintritt Badens erwartete man einen Zustand „absoluter Unzuverlässigkeit für die Tage der Gefahr“220. Denn in Bayern setze sich die Regierungskrise fort, in Schwaben grassiere „Zuchtlosigkeit“221. All diese Erwägungen verband die Warnung, „nicht die Energie des leicht mißleiteten Nationalstolzes der Franzosen“222 zu unterschätzen. Daher stimmte Treitschke Bundeskanzler Bismarck zu und empfahl in den PJ – genau wie die Grenzboten und im Gegensatz zur Nationalzeitung223 –: keine Aufnahme Badens in den Bund. „Wir haben nie begriffen, warum die Deutschen allein verzichten sollen auf den nationalen Einheitsstaat, den alle anderen Culturvölker sich erobert haben. Aber wir wissen auch unsere persönlichen Wünsche den harten Thatsachen unterzuordnen. Wir sehen ein, daß eine Regierung anders reden muß als ein politischer Schriftsteller […]. Wir sehen vor der Hand gar keinen Grund, unserem auswärtigen Amt zu mißtrauen, und halten für die nächste Pflicht der Patrioten die norddeutsche Bundesverfassung zu verstärken. Führt die furchtbar überhandnehmende Zerrüttung im Süden zu einem Umsturz, so wird der norddeutsche Staat die Kraft besitzen, der kleinköniglichen Souveränität den Gnadenstoß zu geben. Gewinnt der gesunde Sinn der nationalen Parteien im Süden die Oberhand, scheint eine friedliche Verständigung möglich […].“224
Mit der Zustimmung zur Aufnahme der Todesstrafe in das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes gerieten die PJ ins Kreuzfeuer der Kritik. Treitschkes Überlegungen bestimmte dabei die Sorge um den Erhalt des Einheitsstaates225 und der Zorn über die „verblendeten Menschen“ der nationalliberalen Fraktion, die ein einheitliches Strafgesetz „nicht einmal um den Preis der Todesstrafe erkaufen“
218 Treitschke an Duncker am 12. März 1870 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 451. Das vollständige Original in GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 140, Bl. 24/25). 219 Vgl. Roggenbach an Treitschke am 6. Februar 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 450 f.). 220 Roggenbach an Treitschke am 6. Februar 1870 (ebd., S. 453). 221 von Treitschke, Badens Eintritt in den Bund, in PJ XXV, 3 (1870), S. 336. 222 Ebd., S. 335. 223 Nationalzeitung 95/1870 vom 26. Februar und Grenzboten 29 (1/1870), S. 413 und S. 506 ff. (in Schwab, Königgrätz, S. 330 ff.). 224 von Treitschke, Badens Eintritt in den Bund, S. 337. Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 464, Anm. 1 und 2, erwähnt das überraschend ruhig geäußerte Urteil Treitschkes. 225 Vgl. Langer, Treitschke, S. 144 f.
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wollten226. Zwar kündigte er in gewohntem Pathos an, „diese Thoren in den Jahrb[üchern zu] beschwören, daß sie uns nur nicht vor der weiten Welt lächerlich machen sollen durch einen Doctrinarismus, an dem niemand Freude hat“227. In seinem Artikel über Das Strafgesetzbuch vor dem Reichstag schlug er dann leisere Töne an.228 Im Prinzip, erklärte Treitschke, sei man sich einig: „Recht und Unrecht unter den Söhnen eines Volkes“ müssten „mit gleichem Maße gemessen“229 werden. Vor dem Hintergrund der nahenden Wahlen aber sei die Arbeit des Reichstages von Fraktionszwängen gezeichnet. Die Regierung ängstige die Liberalen mit der Aussage, ihre Unterstützung nach einem konservativen Wahlsieg nicht mehr zu benötigen. „Die Liberalen aber bedrückt der Gedanke, daß ihre Haltung den Wählern allzu nachgiebig erscheinen möge; und obwohl diese Furcht sich mehr auf lärmende Zeitungsartikel als auf sichere Beobachtungen stützt – der Selbsterhaltungstrieb drängt die Masse der Partei unmerklich nach links hinüber.“230 Treitschkes Überzeugung fußte auf der Frage: steht der Individualismus des Einzelnen höher oder das Recht der Volksgemeinschaft? Seine Argumentation für die Todesstrafe ähnelte dabei der für die Notwendigkeit von Kriegen. „Des Staates aber ist“, so Treitschke in den PJ, „das Recht über Leben und Tod; der Staat, der das Leben von tausend Tapferen hingiebt für seine Selbstbehauptung, darf und soll auch den Verbrecher vernichten, der durch eine furchtbare Blutthat die Rechtsordnung gestört hat.“231 Die Todesstrafe sei der Ausgleich für die Zerstörung der Rechtsordnung. „[V]erletzt ein Staat, in dem Solches möglich ist, nicht die erste und natürlichste seiner Pflichten? […] Es muß eine Grenze geben für die Barmherzigkeit wie für das Recht; der Staat soll das Schwert in seiner Hand wohl lange ruhen, aber nicht entfallen lassen.“232 Die Todesstrafe sei zweifellos ein furchtbares Machtinstrument – werde aber kaum angewendet und oft durch Begnadigungen in den Einzelstaaten ausgehebelt.233
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Treitschke an Baumgarten, 9. März 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 33, Mappe 1870, Bl. 12). 227 Treitschke an Baumgarten am 27. März 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 268 f.). 228 „Weil ich die Leute gewinnen, nicht erbittern wollte“ (an seine Frau, 7. April 1870; ebd., S. 269, Anm. 3). 229 von Treitschke, Das Strafgesetzbuch vor dem Reichstag, in PJ XXV, 4 (1870), S. 441 ff., hier S. 442. Ähnlich Endemann, Einige Briefe eines norddeutschen Juristen über den Entwurf einer Bundeszivilprozessordnung, in PJ XXV, 5 (1870), S. 502 ff., v. a. S. 504. 230 von Treitschke, Das Strafgesetzbuch vor dem Reichstag, S. 441. 231 Ebd., S. 444. 232 Ebd., S. 446. 233 Vgl. ebd., S. 443 f.
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Die parlamentarische Debatte über Das Norddeutsche Strafgesetzbuch und die Todesstrafe kommentierten die PJ ebenfalls ausführlich.234 Man sprach sich nochmals für die Annahme dieses maßgebenden Gesetzentwurfes des Norddeutschen Reichstages aus235, zumal die Todesstrafe nur in vier Fällen zur Anwendung kommen könne236. Man könne dieses „Gesetz, welches nicht mehr befolgt wird“, verabschieden in der Hoffnung, dass es „in den Kulturstaaten Europas noch vor dem Scheiden des 19. Jahrhunderts verschwinden wird“237. Weder wurde das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes in der von den PJ gewünschten Form realisiert, noch waren die Reaktionen auf ihre Ausführungen positiv. Das hatte Treitschke erwartet und mit dem Verweis, die veröffentlichte Meinung sei nicht die öffentliche Meinung, eine Liste mit Fürsprechern der Todesstrafe veröffentlicht238 und betont, in den PJ eine persönliche Überzeugung zu vertreten, „welche von nahen Freunden, auch von dem Mitherausgeber dieser Blätter nicht geteilt wird“239. Dennoch wurden Wehrenpfennig und 16 ihm nahe nationalliberale Abgeordnete von fortschrittsliberalen Blättern als Handlanger Bismarcks bezeichnet. Denn sie hatten im Reichstag gegen die Todesstrafe gestimmt, aber das Strafgesetzbuch verabschiedet – und somit die Wiedereinführung der Todesstrafe in einigen Gebieten des Bundes durchgesetzt.240 Seiner Frau erklärte Treitschke, sein Artikel errege einen kaum vorstellbaren Unmut. Die Regierung wolle ihn separat abdrucken, doch da das liberale Pressebüro „an die Glocke geschlagen“ habe, würden Zeitungen im ganzen Land „kein gutes Haar“ an ihm lassen, ohne aber seine „Gründe zu widerlegen“.241
234 Rüdorff/Oetker, Das Norddeutsche Strafgesetzbuch und die Todesstrafe, in PJ XXV, 5 (1870), S. 522 ff. Der unter dem Pseudonym Rüdorff angegebene Verfasser ist mit großer Wahrscheinlichkeit Friedrich Oetker: Sein Nachlass (BArch Berlin-Lichterfelde N/2350 – 27) enthält eine Mappe mit Artikeln zur Todesstrafe, meist aus seiner Hand in der Hessischen Morgenzeitung, teils im gleichen Wortlaut und mit gleichen Begründungen wie in den PJ. Zudem stimmte Oetker als MdR für den Kompromiss zum Strafgesetzbuch mit der Begründung der nationalen Vereinheitlichung und lobte die lediglich vier verbliebenen Voraussetzungen für eine Verurteilung. 235 Vgl. Rüdorff/Oetker, Todesstrafe, S. 547. 236 Diese waren: Hochverrat gegen Bundesfürsten, Tätlichkeiten gegen Landesherrn, Mord und vorsätzliche Tötung in Unternehmung einer strafbaren Handlung. 237 Beide Zitate: Rüdorff/Oetker, Das Norddeutsche Strafgesetzbuch und die Todesstrafe, S. 540 und S. 539. 238 von Treitschke, Das Strafgesetzbuch vor dem Reichstag, S. 444 und S. 448 zählte unter anderem auf: Goethe und Hegel, Otto von Bismarck und Karl Mathy, David Friedrich Strauß und Friedrich Adolf Trendelenburg. 239 Ebd., S. 448. Vgl. zum gesamten Absatz Langer, Treitschke, S. 144 f. 240 Vgl. Rüdorff/Oetker, Das Norddeutsche Strafgesetzbuch und die Todesstrafe, S. 522 ff. 241 Treitschke am 22. April 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 273). Der Abdruck des Artikels erfolgte in der Provinzialkorrespondenz der Regierung vom 13. April 1870 (Online: http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1870 – 04 – 13/9838247/? no_cache=1, letzter Zugriff vom 7. Juni 2016).
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Der Streit innerhalb der (National-)Liberalen um die Todesstrafe feuerte die Diskussionen um eine erneute Umbildung der Parteien an, in der sich die PJ erneut auf der nationalen Seite positionierten. Wehrenpfennig bemerkte, „daß der Zug nach der Einheit stärker ist als irgend eine liberale Theorie, und daß, wer dieser zu Gefallen jenem entgegenstrebt, die öffentliche Meinung der Nation nicht auf seiner Seite behält“242. Treitschke bedauerte in zwei offenen Briefen an die liberale Weser-Zeitung – die in Bezug auf ihn „vermeintliche Mißgriffe der preußischen Verwaltung in den neuen Provinzen“ thematisiert hatte243 – dass keine ministerielle Partei die kongenialen Kräfte der Liberalen und Konservativen in sich vereine244. Mit Blick auf die für den Sommer 1870 geplanten Reichstagswahlen erwartete Treitschke, dass „Oetker, Wehrenpfennig und einige andere versuchen, ob eine Mittelpartei sich bilden läßt. Leider sind die Freiconservativen erschreckend arm an guten Köpfen, und unter den Liberalen besitzen gerade die Gemäßigten wenig Einfluß. Wir können also kaum hoffen, daß dem Fractionen- und Fractiönchen-Unwesen mit einem Schlag ein Ende gemacht werde, sondern müssen vorderhand zufrieden sein, wenn ein bescheidener Stamm ernster Patrioten sich von dem Terrorismus der Herren Lasker und Hennig befreit. Der gegenwärthige Zustand dieser buntscheckigen Coterie ist wahrhaft heillos; in diesen Köpfen steckt dicht nebeneinander ein ungeheurer Eigensinn und eine ebenso große Bereitwilligkeit, sich durch Schlagworte und Großredner knechten zu lassen.“245
Abgesehen davon fiel die Bilanz der Ergebnisse des Reichstags in den PJ positiv aus: die Jahre bis 1870 seien von Arbeitseifer, Gründlichkeit und nationalen Ideen geprägt gewesen – ganz im Gegensatz zur Situation in Preußen, wo die Konservativen verzweifelt versuchten, in Kooperation mit dem Herrenhaus die letzten Reste der ständischen Ordnung zu bewahren.246 Das treibe einerseits die preußischen Liberalen nach links; andererseits sei es unter diesen Voraussetzungen illusorisch, die Landesparlamente des Norddeutschen Bundes aufzulösen und die volle staatliche Einheit des Nordens anzustreben. Diese Umbildung sei „eine publicistische Phantasie, keine praktische Absicht unserer Staatsmänner“, konstatierte Wehrenpfennig. „[S]o bleibt nichts übrig, als auf dem bisherigen Wege fortzufahren, Jahr für Jahr das Netz einheitlicher Gesetzgebung, beaufsichtigender und eingreifender Verwaltung am Bunde dichter und fester zu spinnen und mit der Mediatisirung der Kleinstaaten zugleich die Mediatisirung des preußischen Landtags immer vollständiger zu voll242
Alles in Wehrenpfennig, Die Ergebnisse des Reichstags, 4. Juni, in PJ XXV, 6 (1870), S. 668 ff., hier S. 690. 243 Aus der Provinzialkorrespondenz der Regierung vom 15. Juni 1870 (Online: http:// zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/auswahl/date/1870 – 06 – 15/9838247/?no_cache=1N, letzter Zugriff vom 9. Juni 2016). 244 von Treitschke, An den Briefschreiber der Weser-Zeitung, in PJ XXV, 6 (1870), S. 691 ff. Seiner Frau gegenüber hatte er sich am 22. April bereits beklagt, dass „dies Deutschland nicht einmal im Stande ist, einen politischen Kopf zu ertragen“ (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 273). 245 Treitschke an Ernst von Eynern am 25. Mai 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 33, Bl. 21). 246 Vgl. Wehrenpfennig, Die Ergebnisse des Reichstags, S. 668 f.
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F. Unter neuen Vorzeichen: Preußische Jahrbücher im Aufbruch
ziehen.“247 Dass ein halbes Jahr später die nationale Einigung gelungen sein sollte, ahnten die führenden Köpfe der PJ nicht.
3. Die preußische Innenpolitik bis zur Reichsgründung a) Das politische Geschehen Im Zuge der Ausgestaltung deutsch-deutscher Beziehungen rückte die preußische Innenpolitik von 1867 bis 1870 in den Hintergrund – in der Wahrnehmung der Zeitgenossen und der historischen Forschung. An den Voraussetzungen hatte sich nach dem Ende des Verfassungskonflikts nichts geändert: die Regierung Bismarck blieb im Amt und ließ nicht zu, dass eine weitere Ausgestaltung des Budgetrechts der Abgeordneten, ein jährlich zu bewilligender Militäretat, eine Reform des Herrenhauses oder die Milderung der strikt konservativen Schul- und Kulturpolitik ernsthaft diskutiert wurden. Die Kreisreform inklusive Selbstverwaltung der Landkreise in Verbindung mit der Abschaffung feudaler Restbestände – eine Kernforderung der Liberalen – kam erst 1869 vor den Landtag und blieb in den Kriegswirren des Folgejahres unerledigt. Lediglich der hochkonservative Justizminister zur Lippe wurde wegen seines Vorgehens gegen die Immunität der Abgeordneten Ende 1867 durch den Liberalkonservativen Adolph Leonhardt ersetzt, der dieses Amt bereits vor der Annexion in Hannover ausgeübt hatte. Im Herbst 1869 folgte Otto Camphausen als Finanzminister auf August von der Heydt. Preußens Finanzprobleme und der Umgang mit den annektierten Provinzen dominierten die politische Auseinandersetzung. Die Finanzierung des Norddeutschen Bundes schuf ein kaum zu entwirrendes Knäuel aus „Fragen des Budgetrechts und der Kontrolle mit dem Föderalismusproblem, der materiellen Lastenverteilung und den Ressortzuständigkeiten“248. So sorgten die Zuweisungen aus den Landesetats in den Bundeshaushalt für eine Schieflage der Finanzen Preußens. Pläne zur Ernennung des preußischen Finanzministers von der Heydt zum verantwortlichen Bundesminister scheiterten, ebenso Versuche, in Preußen Steuererhöhungen durchzusetzen. Hier waren auch jährliche Geldzuweisungen in die annektierten Provinzen umstritten. Sie dienten zwar der Abwicklung alten Vermögens und Schulden, unterstanden aber faktisch der regionalen Selbstverwaltung und gewährten somit eine gewisse Eigenständigkeit. Vor allem altpreußische Mitglieder des Herrenhauses empfanden diese Regelung als Bevorzugung der neuen Provinzen und machten dagegen mobil, was letzten Endes zu einem Pairsschub führte, den eine freikonservativ-nationalliberale Koalition im Abgeordnetenhaus mittrug. Erst der neue Finanzminister Camphausen konnte dem preußischen Staat wieder Liquidität verschaffen, indem er die Schuldentilgungspläne für die annektierten Provinzen außer 247
Wehrenpfennig, Die Ergebnisse des Reichstags, S. 669 f. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 197. Vgl. zum Absatz ebd., S. 197 f.; Nipperdey, Dt. Geschichte II, S. 50. 248
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Kraft setzte. Zur besseren Verzahnung seiner Arbeit mit der Bundespolitik fungierte Camphausen auch als Leiter des Finanzausschusses im Bundesrat. Die Diskussion um die preußischen Staatsfinanzen schadete dem Ansehen der Regierung immens. Bismarck, der im Norddeutschen Bund alle Fäden in der Hand hielt, stand innenpolitisch gewaltig unter Druck. Nachdem im Frühjahr 1869 sogar seine Entlassung in Erwägung gezogen wurde, ließ sich Bismarck in der Folge aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend von seinem Amt als Leiter des preußischen Staatsministeriums beurlauben.249 Auch die Eingliederung der Provinzen Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen-Nassau in den preußischen Staatsverband gestaltete sich schwierig.250 Vor allem in Hannover war der Widerstand der Anhänger des entthronten Königs gut organisiert, bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus 1867 gewannen diese Konservativen die Hälfte der hannoverschen Sitze. Außerdem kam der Abfindungsvertrag mit König Georg V. nicht zustande, weil dieser weiter gegen die Annexion protestierte und eigene Legionen in Holland, Frankreich und Österreich unterhielt. Bismarck ließ das Vermögen des abgesetzten Königs schließlich durch eine Notverordnung kassieren und in den sogenannten Welfenfonds überführen, der im Zuge der Reichsgründung noch eine gewichtige Rolle spielen sollte. Offene Antipathie schlug Preußen auch in Schleswig-Holstein entgegen, wo noch viele die Herrschaft der Augustenburger wünschten, und ebenso in Frankfurt am Main, wo die Okkupation besonders demütigend vonstatten gegangen war und das bis 1869 große Abschlagzahlungen leisten musste. Gegen die Sicht des preußischen Verwaltungsapparats, seine Organisation ohne Abstriche zu übertragen, stand das allgemeine Empfinden, die neuen Bevölkerungsteile für Preußen gewinnen zu müssen, deshalb bestehende Ordnungen zu tolerieren und zu dezentralisieren. Während im Ergebnis die preußische Heeresorganisation straff umgesetzt wurde, erhielten die Verwaltungen, Justiz- und Finanzbehörden der neuen Provinzen lediglich einen preußischeren Anstrich – die Namen der Behörden und die Titel der großteils übernommenen Amtsträger blieben zumeist erhalten. Völlig uneinheitlich blieb die Organisation der provinziellen Selbstverwaltung sowie das jeweilige Schul- und Kirchenwesen. Der Einfluss der Volksvertreter auf die Politik der Regierung blieb auch nach dem Ende des Verfassungskonflikts gering. Im preußischen Abgeordnetenhaus bestand nach den Wahlen vom 7. November 1867 ein „System der freien parlamentarischen Fluktuation“251, eine ständige Zweiteilung des Hauses in eine Regierungsgruppe und eine Opposition gab es nicht. Vielmehr entschieden vor allem Nationalliberale, Altliberale und Freikonservative von Fall zu Fall, ob sie mit der Regierung stimmen 249
Vgl. dazu die Briefe Max von Forckenbecks an Eduard Lasker vom 6. August 1868 und Gustav Freytags an Hermann Baumgarten am 28. März 1869 (in Heyderhoff, Preußischdeutsche Einigung, S. 424 bzw. S. 439 f.). 250 Vgl. zum Folgenden Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 49 ff. 251 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 371.
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F. Unter neuen Vorzeichen: Preußische Jahrbücher im Aufbruch
sollten. Der bundespolitische Schulterschluss mit Bismarck hielt die Nationalliberalen dabei von einer weiteren Kraftprobe zurück.252 So kam die im nationalliberalen Programm von 1867 geforderte Liberalisierung und Parlamentarisierung Preußens wieder nicht voran. Der erneute Streit um die Immunität der Abgeordneten253 brachte lediglich eine personelle Änderung. Im Spätherbst 1867 wurde Karl Twesten wegen seiner Reden im Abgeordnetenhaus zu zwei Jahren Haft wegen Verleumdung verurteilt.254 Letzten Endes musste Twesten nur eine Geldstrafe bezahlen, was dennoch eine Gesetzesinitiative des Abgeordnetenhauses für die unbedingte Redefreiheit zur Folge hatte. Gleichzeitig erwirkte der nationalliberale Präsident des Abgeordnetenhauses, Max von Forckenbeck, bei Bismarck die Entlassung des Justizministers zur Lippe. Dieser erste parlamentarisch erzwungene Ministerwechsel in Preußen unter der Verfassung von 1850 blieb jedoch die einzige Konsequenz der Immunitätsdiskussion: das preußische Herrenhaus brachte den Gesetzentwurf zur freien Rede der Abgeordneten zu Fall. So konstatierte ein sichtlich verbitterter Karl Twesten am Ende der Wahlperiode im Frühsommer 1870: „So scheide ich denn aus der politischen Tätigkeit – mit einem zerbrochenen Arm, Verlust von Amt und Einkommen, gänzlich zerrütteter Gesundheit – ohne irgend etwas gewirkt und erreicht zu haben.“255 b) Die Preußischen Jahrbücher zur preußischen Innenpolitik bis 1870 Für die PJ war der Eindruck von der Arbeit des Preußischen Abgeordnetenhauses „kein erquicklicher“256. Folgende Beurteilungen Wilhelm Wehrenpfennigs aus dem Februar 1868257 hatten über Jahre Bestand: ein mangelndes Interesse an der Arbeit der Landesvertretung gegenüber der des Norddeutschen Bundes, eine überhöhte Zahl an Abgeordneten und somit ein niedrigeres geistiges Niveau der Verhandlungen.258 Den Wunsch nach einer Zeit, „wo die Competenzen des preußischen Landtags von dem Reichstag auf der einen, und den Provinzialvertretungen auf der anderen Seite aufgesogen werden“, bezeichnete er als Phantasie. „[G]rößere Selbständigkeit der Provinzen, eine ernstliche Decentralisation des Staats, gesunde Verwaltungs- und 252
Vgl. Schwab, Königgrätz S. 309 und S. 325 f. Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 373 ff. 254 Empörte Reaktionen, auch Twestens, auf das Urteil bei Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 392 ff. 255 Karl Twesten an Gustav Lipke am 12. Juli 1870 (ebd., S. 470). 256 Wehrenpfennig, Der preußische Landtag, in PJ XXI, 2 (1868), S. 241 ff., hier S. 241. 257 So lobte Treitschke am 9. Februar 1868 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 199 f.): „[D]er beste politische Aufsatz, den die Jahrb[ücher] seit Langem gebracht haben, […] politisch gedacht und reich an neuen Ideen.“ 258 Vgl. Wehrenpfennig, Der preußische Landtag, S. 241 und im Brief an Treitschke vom 17. März 1869. Vgl. außerdem von Treitschke, Zum Jahreswechsel. 31. Dezember, in PJ XXIII, 1 (1869), S. 115 ff., hier S. 120. 253
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Rechtsverhältnisse, das ist gerade die Aufgabe, welche der preußische Landtag in den kommenden Jahren für Preußen und […] Deutschland zu lösen haben wird.“259 Den preußischen Staat wähnte Wehrenpfennig in einer tiefen Krise. Die Reformbedürftigkeit von Verwaltung, Justiz- und Unterrichtswesen260 überdecke die Fortschritte in Wirtschaft und Infrastruktur, Wehrverfassung und Steuersystem. Die Lage in den Provinzen Hannover und Ostpreußen beschrieben die PJ dabei besonders negativ.261 Der Regierung mangele es an innenpolitischer Initiative262, das Herrenhaus blockiere jede Art des parlamentarischen und organisatorischen Fortschritts263. Die Redefreiheit der Volksvertretung und der Prozess Twesten264 beschäftigten die PJ nur noch am Rande – man hatte sich bereits deutlich zur Immunität der Abgeordneten bekannt und wiederholte dies nochmals. Wehrenpfennig kritisierte zudem, dass es dem neuen Justizminister Leonhardt nicht nötig erschienen war, „die Beseitigung des Streits über die Redefreiheit der Abgeordneten zur Bedingung seines Amtsantritts zu machen. […] Er muß es also nicht für wichtig halten, den leidigen Twesten’schen Prozeß baldmöglichst aus der Welt zu schaffen, – eine Ansicht, zu der ein Justizminister, der unsere politische Gesammtlage in Rechnung zieht, wohl schwerlich gelangen würde.“265 Die innenpolitischen Stellungnahmen der PJ dieser Jahre trugen die Handschrift Wilhelm Wehrenpfennigs, der zugleich als nationalliberales Mitglied des Preußi259 Beide Zitate in Wehrenpfennig, Der preußische Landtag, S. 242. Vgl. Wehrenpfennig, Polit. Korrespondenz, November, in PJ XXII, 5 (1868), S. 639 ff., hier S. 640, und von Treitschke, Zum Jahreswechsel 1869, S. 121. 260 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von März, in PJ XXIII, 3 (1869), S. 367 ff., hier S. 369 f. und Politische Korrespondenz von Anfang Juli, in PJ XXIV, 1 (1869), S. 111 ff., hier S. 111 f. Ebenso von Treitschke, Zum Jahreswechsel. 31. Dezember, in PJ XXIII, 1 (1869), S. 126: „Der kraftvolle Wille, der über der Ausbildung des norddeutschen Bundes wacht, wird in der inneren Entwicklung Preußens schmerzlich vermisst.“ 261 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von März 1869, hier S. 368; Busch, Hannover seit der Einverleibung in Preußen, in PJ XIX, 6 (1867), S. 675 ff.; Busch, Die Provinz Hannover, landschaftlich und volkswirtschaftlich, in PJ XXI, 5 (1868), S. 558 ff.; Samuel, Aus Ostpreußen, Ende Januar, in PJ XXI, 2 (1868), S. 232 ff. 262 Dass Treitschke die Schuld am gesetzgeberischen Stillstand vielmehr beim Abgeordnetenhaus selbst sah, zeigt sein Brief an Wilhelm Wehrenpfennig vom 23. Januar 1869 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 239). 263 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang November, in PJ XXII, 5 (1868), S. 639 ff., hier S. 640; Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 6. November, in PJ XXIV, 5 (1869), S. 628 ff. Ebenso der Brief Wehrenpfennigs an Treitschke vom 16. Januar 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 447) und sein übergreifendes Fazit in der Politischen Korrespondenz von März 1869, S. 377: „Wir sind fleißig gewesen im Kleinen, aber im Großen haben wir Nichts erreicht. Unbeweglich steht der Organismus des Staats noch da in seiner alten Gestalt. Es ist kein Zusammenhang zwischen unserer auswärtigen und unserer inneren Politik; wir leben im Innern fort, als wäre im Jahr 1866 nichts geschehen.“ 264 Bähr, Die Redefreiheit der Volksvertretung und der Prozess Twesten, in PJ XXI, 3 (1868), S. 313 ff. 265 Wehrenpfennig, Der preußische Landtag, in PJ XXI, 2 (1868), S. 246.
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F. Unter neuen Vorzeichen: Preußische Jahrbücher im Aufbruch
schen Abgeordnetenhauses auf die Verwirklichung des Reformprogramms seiner Partei drängte. Erste Schritte seien einheitliche Gesetze und einheitliche Rechtssprechung in allen Provinzen266 sowie ein Unterrichtsgesetz, das statt Theologie und Bürokratie endlich die Pädagogik in den Schulen fördere267. Zentral blieb die Forderung nach einer Verwaltungsreform inklusive Selbstverwaltung: die „Cardinalfrage des norddeutschen Staats“ gehöre vor das Parlament.268 Dabei bezog der Nationalliberale Adolf Lette Stellung zu Kreisverfassung, ländlicher Polizei, Ordnung der Landgemeinden, Provinziallandtagen und Provinzbehörden.269 Gustav Schmoller beschrieb die Verwaltungslehre Lorenz von Steins270 und idealisierte den alten preußischen Beamtenstand, nur um die Zeitgenossen um so heftiger zu attackieren271. Wehrenpfennig beschränkte sich auf ungeduldige Aufrufe an die Fraktionen, die Verwaltungsreform gemeinsam voranzubringen, und Warnungen an die Konservativen, diese nicht länger hinauszuschieben. Heute hätten sie die Sache noch in der Hand, in naher Zukunft vielleicht schon nicht mehr.272 Die angespannte Finanzlage Preußens bezeichnete Wehrenpfennig als Fiasko, das die Regierung jedoch ausnutze, um notwendige innenpolitische Reformen zu blockieren. Da der Wirtschaftsaufschwung alleine das Defizit nicht ausgleichen könne, seien Steuererhöhungen die einzig verbleibende Lösung.273 Entscheidend blieb die Forderung nach erweiterter Budgetkontrolle durch den Landtag. Hielte die Regierung die vollständige Kontrolle über die Staatsfinanzen, werde jeder finanzielle Impuls für die Justiz-, Kreis- und Gemeindereform, „zur Verringerung der Beamtenzahl und Begünstigung der Selbstverwaltung weggefallen sein. Man wird in dem alten Schlendrian weiter leben und von Zeit zu Zeit eine Kreisreform 266
Vgl. Bähr, Die Einheit des obersten Gerichtshofs in Preußen, in PJ XXII, 5 (1868), S. 621 ff. 267 Vgl. Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXV, 1 (1870), S. 100 ff., hier S. 112; Leiberig, Die Gesetzentwürfe, betreffend die Einrichtung und Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen und die Pensionsverhältnisse ihrer Lehrer, in PJ XXI, 2 (1868), S. 219 ff.; Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang November, in PJ XXII, 5 (1868), S. 639 ff., hier S. 648 ff.; Wehrenpfennig, Zur Literatur über die Schulfrage, in PJ XXIV, 3 und 4 (1869); von Treitschke, Zum Jahreswechsel, in PJ XXIII, 1 (1869), S. 115 ff., hier S. 125. 268 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang November, in PJ XXII, 5 (1868), S. 641. 269 Lette, Die Reorganisation der Staats- und der Selbstverwaltung in Preußen, in PJ XXII, 2 (1868), S. 139 ff. 270 Schmoller, Lorenz Stein, in PJ XIX, 3 (1867), S. 245 ff. 271 Vgl. Schmoller, Der preußische Beamtenstand unter Friedrich Wilhelm I., in PJ XXVI, 2 und 5 (1870), vor allem S. 554. Ähnlich Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXI, 1 (1868), S. 131 ff., hier S. 136 f. 272 Vgl. Wehrenpfennig, Polit. Korrespondenz vom 6. November, in PJ XXIV, 5 (1869), S. 628 ff., hier S. 633 ff. 273 Vgl. ebd., S. 629 und Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang November 1868, S. 643.
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oder ein Schulgesetz vorlegen, in der sicheren Voraussicht, daß es im Abgeordnetenhause verbessert und im Herrenhaus verworfen wird. Im Innern der preußischen Monarchie wird die conservative Partei so unbekümmert weiter regieren, als hätten wir nie ein Jahr 1866 gehabt. Kann die nationale, die liberale Partei die Förderung eines solchen Zustands verantworten? Sie kann es nicht; sie ist verpflichtet, die neuen Finanzmittel, sei es im Abgeordnetenhaus sei es im Reichstag, mit Sparsamkeit und nur von Jahr zu Jahr zu bewilligen, damit die Regierung ein Interesse behält, die Wünsche des Landes zu erfüllen. Wir warten seit 20 Jahren auf eine Kreisordnung und seit 50 […] auf ein Schulgesetz; es ist keine Überstürzung, wenn wir diese Fragen […] für reif erklären.“274
Die Ernennung des neuen Finanzministers wertete Wehrenpfennig als Zeichen Bismarcks, liberalere Personen im Staatsministerium zuzulassen. Hoffnungsvoll erklärte er, Camphausen sei „ein geschulter Finanzmann und eine Capacität […], die keineswegs allzu weich und nachgiebig ist und die auch schwerlich sich in die Grenzen des eigenen Ressorts einengen lassen, und jeder mitbestimmenden Einwirkung auf den Gang der allgemeinen, besonders der inneren Politik entsagen wird“275. An der Diskussion um die Zukunft des Ministerpräsidenten beteiligten sich die PJ mit einer grundsätzlichen Stellungnahme: ohne Bismarck müsse die Regierung umgebildet werden. Lediglich Kriegsminister von Roon habe sich durch militärische Erfolge Respekt verschafft. Die Abgeordneten beurteilten die anderen Ressortchefs skeptisch – das zeige den Widerspruch zwischen der preußischen Innen- und Bundespolitik.276 Zum Ende der Legislaturperiode des Abgeordnetenhauses erklärte Wehrenpfennig daher, Preußen sei „auf das Bündniß mit den liberalen Ideen hingedrängt“277. Rückwärtsgewandte Politik sei unmöglich, weil die neuen Provinzen „kein Pietätsverhältniß an die Dynastie knüpft […]. Die Bande zwischen den alten und neuen Provinzen müssen dadurch festgezogen werden, daß der größere Staat an freier Bewegung, an Wohlsein, an materieller und idealer Befriedigung mehr bietet, als die alten Kleinstaaten.“278 Es sei gemeinsam mit Bismarck möglich, eine stringente liberale Innenpolitik zu realisieren, wenn der verkrustete Staatsapparat mitspiele oder ausgetauscht werde. Die dringendsten Forderungen blieben dabei dieselben wie seit Jahren: Reform der Verwaltung, geordnete Finanzen und ein liberalisiertes Bil-
274
Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Juli, in PJ XXIV, 1 (1869), S. 111 ff., hier S. 120. 275 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 6. November 1869, S. 630. 276 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Juli 1869, S. 120 ff. 277 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Februar, in PJ XXV, 2 (1870), S. 219 ff., hier S. 219. 278 Ebd. Vgl. Wehrenpfennig an Treitschke am 21. November 1868 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 430 ff.) und am 22. Dezember 1869 (ebd., S. 447): „[I]ch glaube, die nächsten Jahre werden uns bedeutende Reformen eintragen. An alledem ist der Norddeutsche Bund schuld, mit dessen Existenz eine negative preußische Politik sich nicht verträgt, und noch mehr sind die Annexionen daran schuld; sie haben den alten preußischen Konservatismus, das Übergewicht der sozialen Verhältnisse des Ostens, definitiv gebrochen.“
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dungswesen.279 Den für den Sommer 1870 geplanten und nach dem deutsch-französischen Krieg im Spätherbst abgehaltenen Wahlen wies Wehrenpfennig dabei immense Wichtigkeit zu: „Sollten die conservativen zusammen mit den klerikalen Elementen einen Zuwachs bekommen, so wird die rein aristokratische Selbstverwaltung des Kreises und das Unterrichtssystem im Sinne der Raumer-Mühlerschen Verwaltung eine gesetzliche Thatsache werden. Will das preußische Volk diesem Schicksal entgehen, so muß es sich bald und kräftig regen. Die Ermüdung und Erschlaffung der letzten zwei Jahre muß überwunden werden. Die Kreisordnung und das Unterrichtsgesetz bieten den Gegnern der liberalen Sache viele Agitationsmittel. Es ist leicht, die Idee der Liberalen so umzudeuten, daß der Particularismus der Landgemeinden und der kirchliche Sinn der Volksmassen gegen sie aufgeregt wird. Diesen Umdeutungen muß frühzeitig vorgebeugt werden. Werden diese Wahlen gewonnen, so ist der Sieg der liberalen Reform voraussichtlich für eine lange Reihe von Jahren entschieden.“280
Mit seiner eindeutig nationalliberalen Haltung, die sich auch in seiner Mitgliedschaft der Landtagsfraktion manifestierte281, stieß Wehrenpfennig bei den Mitstreitern auf Unverständnis, die ihre publizistische Energie in die Förderung des Einheitsstaates investierten. Hermann Baumgarten stellte beispielsweise fest, „daß der Liberalismus auch über Wehrenpfennig Herr geworden“ sei. Für ihn „wäre es mehr als verdrießlich, wenn die Jahrbücher die Stellung wechselten“. Als nationalliberales Blatt würden sie sehr an Bedeutung verlieren.“282
279
Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Februar 1870, S. 220 ff. und Cranston, PJ, S. 134. 280 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Februar 1870, S. 226. 281 Cranston, PJ, S. 133, bezeichnete ihn – obwohl er seine inhaltlichen Schwerpunkte richtig herausarbeitete, möglicherweise aber seine Fraktionszugehörigkeit nicht kannte – noch immer als Parteigänger der Altliberalen. 282 Baumgarten an Treitschke am 18. November 1869 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 5, Mappe 41, Bl. 59 f.). Etwas beherrschter Treitschke gegenüber Duncker am 13. Juni 1870 (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 140, Bl. 26 – 29): „Das milde Urtheil, das Wehrenpfennig in dem neuesten Jahrbücherhefte fällt, ist gar nicht nach meinem Sinn, obgleich ich einsehe, daß man nicht anders schreiben konnte.“
II. Krieg gegen Frankreich und Gründung des Deutschen Reiches (1867 – 1870/71) 375
II. Die Preußischen Jahrbücher, der Krieg gegen Frankreich und die Gründung des Deutschen Reiches (1867 – 1870/71) 1. Die Luxemburg-Krise und der Norddeutsche Bund in Europa a) Das politische Geschehen Das preußische Übergewicht innerhalb der deutschen Staaten war im Zuge des Krieges von 1866 und seiner politischen Folgen augenscheinlich geworden. Ein mögliches Ausgreifen Preußens über die Maingrenze hinaus beunruhigte die europäischen Mächte zutiefst. Österreich und Frankreich konnten und wollten eine Ausdehnung des Norddeutschen Bundes auf Süddeutschland nicht akzeptieren.283 Gerade die französische Außenpolitik wurde in Bezug auf die Entwicklung in Deutschland nach 1866 widersprüchlich interpretiert: Gerhard Ritter erkannte eine Status-quo-Politik, Hermann Oncken betonte die Rheingelüste Napoleons III., Elisabeth Fehrenbach und Erich Eyck hielten die Akzeptanz einer Reichsgründung unter liberalen Vorzeichen für möglich.284 Ein geeintes Deutschland hätte die Macht und Sicherheit Frankreichs eingeschränkt. Napoleon III. war bereit, ein vergrößertes Preußen entweder als Juniorpartner eines französisch geführten Europa zu akzeptieren oder den Anschluss des Südens an den Norddeutschen Bund bei gleichzeitigen territorialen Kompensationen bis zur Rheingrenze hinzunehmen. Beide Lösungen aber standen für die deutsche Seite nicht zur Diskussion. So wurde Napoleon, der auf außenpolitische Erfolge angewiesen war, zunehmend Gefangener eines „reizbare[n] französische[n] Nationalismus“285, dessen Ziel die Eindämmung Preußens war. Auf der anderen Seite bezeichnete bereits während des Krieges von 1866 ein großer Teil der Öffentlichkeit die militärische Auseinandersetzung mit Frankreich als unvermeidbar. Nur vereinzelt wurde vor diesem Automatismus gewarnt. Gerade Nationalliberale waren überzeugt, dass die nationale Einigung gegen den Willen Frankreichs durchgesetzt werden müsse. In der luxemburgischen Frage286 prallten die gegensätzlichen französischen und deutschen Interessen zum ersten Mal heftig aufeinander und führten Europa an den Rand eines erneuten Krieges. Mit der Auflösung des Deutschen Bundes bedurfte das Verhältnis des Großherzogtums Luxemburg zur neuen Ordnung einer Regelung. Das 283 Vgl. Radewahn, Französische Außenpolitik, S. 33 ff. und Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 15 ff. 284 Vgl. zusammenfassend Radewahn, Französische Außenpolitik, S. 36. 285 Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 16. 286 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 226 ff.; Gall, Bismarck, S. 404 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 693 ff.; Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 17 ff. und Pflanze, Bismarck, S. 374 ff.
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F. Unter neuen Vorzeichen: Preußische Jahrbücher im Aufbruch
Gebiet unter Hoheit des Königs der Niederlande in den Norddeutschen Bund einzugliedern, stand nie ernsthaft zur Diskussion. Napoleon III. sah in einem Anschluss an Frankreich wie selbstverständlich den Ersatz für die linksrheinischen Gebiete, die ihm vor dem Krieg Preußens gegen Österreich in Aussicht gestellt worden waren. Über das zweite Halbjahr 1866 erstreckten sich Geheimverhandlungen zwischen Bismarck und dem französischen Botschafter Benedetti, der Preußen dazu drängte, den niederländischen König zur Abtretung Luxemburgs an Frankreich aufzufordern. Man erwog deutsch-französische Schutz- und Trutzbündnisse, sofern Preußen „einer Machterweiterung Frankreichs auf dem Boden der französischen Nationalität keine Hindernisse“ entgegensetze und Frankreich die nationale Entwicklung Deutschlands akzeptiere.287 Da Bismarck mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung äußerste Diskretion verlangte und eine Initiative Preußens ablehnte, musste Napoleon III. im März 1867 den Vorschlag auf Abtretung Luxemburgs an Frankreich unterbreiten. Um die aufgeschreckte deutsche Nationalbewegung zu beruhigen, ließ Bismarck im Gegenzug die Verträge der bis dato geheimen Schutz- und Trutzbündnisse zwischen Nord- und Süddeutschland veröffentlichen. Der König der Niederlande erklärte sich indes zur Abtretung Luxemburgs nach einer Geldzahlung und dem Zuspruch Preußens bereit, das noch das Besatzungsrecht für das Großherzogtum besaß. So geriet die luxemburgische Frage zum „Ehrenpunkt auf dem Feld nationaler Prestigebedürfnisse und chauvinistischer Emotionen“288. Frankreich inszenierte Kundgebungen gegen Preußens Herrschaft, die deutsche liberale Öffentlichkeit antwortete mit Gegendemonstrationen, die den deutschen Charakter des alten reichszugehörigen Landes betonten. Ähnlich war die Reaktion bei einer von Bismarck initiierten parlamentarischen Anfrage im Norddeutschen Reichstag, in der unter anderem der Nationalliberale Bennigsen eine deutliche Reaktion auf diesen Präzedenzfall für das Verhalten gegenüber Frankreich forderte.289 Bismarck forderte den niederländischen König nun mit parlamentarischer Rückendeckung auf, die Abtretung Luxemburgs an Frankreich abzulehnen, da sonst die öffentliche Meinung einen Krieg fordere. Da Wilhelm III. der Niederlande dem nachkam, erhielt er im Gegenzug die Zusage, dass das Herzogtum Limburg aus jeglicher Verbindung zu Deutschland ausscheide. Nun war Napoleon III. nicht mehr bereit, die preußische Besatzung Luxemburgs länger hinzunehmen. Eine diplomatische Lösung des Konflikts schien unmöglich. Bismarck erklärte den europäischen Regierungen am 2. April 1867 – erneut mit Verweis auf die öffentliche Meinung – dass er selbst auf die Gefahr eines Krieges am Besatzungsrecht
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Vgl. die Erlasse Bismarcks vom 7. September und 29. Dezember 1866 (in GW 6, Nr. 606 und Nr. 638). 288 Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 696. Zur Diskussion: Faber, Nationalpolitische Publizistik, S. 444 ff. 289 In Sten. Ber. Norddt. RT 1867, S. 487 ff. (vom 1. April 1867).
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für Luxemburg festhalte.290 Im Norddeutschen Bund führte dies zur raschen Verabschiedung der Bundesverfassung und stellte zugleich die Bündnisse mit den Südstaaten auf eine erste Probe – die übrigens wenig verheißungsvoll war, da sich Bayern und Württemberg vorbehielten, den Bündnisfall gegen Frankreich zu prüfen. Schließlich entstand auf der Konferenz von London im Mai 1867 innerhalb weniger Tage ein Vertrag291 , der die fortdauernde Verbindung Luxemburgs mit der niederländischen Krone feststellte und dessen Neutralität unter kollektiver Garantie der europäischen Mächte proklamierte. Preußen musste die Festung Luxemburg räumen, Frankreich verzichtete auf den Erwerb des Großherzogtums. Der Frieden in Europa war nochmals gesichert, doch hatte die Luxemburger Krise deutlich gemacht: eine deutsche Nationalpolitik war nur mit großem Widerstand Frankreichs möglich. Die Nationalliberalen empfanden Europa nunmehr als „bewaffnetes Heerlager“292 verfeindeter Nationen, erwarteten von Frankreich keine Zustimmung zu jedweder Form einer deutschen Einheit und erhofften sich von einem Waffengang gegen den Nachbarn eine schnelle Vereinigung von Nord und Süd. Eine staatliche Konsolidierung Deutschlands werde also den Ehrgeiz Frankreichs bremsen – so argumentierten beispielsweise Karl Twesten und Rudolf Haym im Preußischen Abgeordnetenhaus.293 „Der Krieg mit Frankreich wurde seit spätestens 1859 von vielen kleindeutsch-orientierten Liberalen als Notwendigkeit für die deutsche Vereinigung angesehen. Diese Traditionslinie wurde durch die LuxemburgKrise im Frühjahr 1867 nicht nur erneut aufgefrischt, sondern als Dogma endgültig festgeschrieben.“294 Napoleon III. war nach 1866 erneut mit seinen diplomatischen Bemühungen gescheitert. Sein Ziel musste nun sein, den Status quo in Deutschland zu verteidigen und eine preußische Machterweiterung in Europa auf Dauer zu verhindern.295 Die Suche nach Bündnispartnern rückte Österreich ins französische Interesse. Im April 1867 fühlte der Generalbevollmächtigte in Wien, der spätere Außenminister Gramont, wegen einer Allianz mit dem Ziel territorialer Veränderungen in Deutschland vor. Die Kaiser trafen sich im August und Oktober 1867 – wobei Frankreich Österreich gegen Preußen zu instrumentalisieren gedachte und Österreich die Allianz 290 „Es ist sicher, dass Bismarck im April 1867 entschlossen war, die luxemburgische Krise als ein Mittel zur schnelleren Lösung der deutschen Frage zu benutzen“, urteilte Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 699. 291 Der Londoner Vertrag über Luxemburg vom 11. Mai 1867 bei Huber, Verfassungsdokumente II, S. 221 f. 292 Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 235, zum gesamten Absatz vgl. ebd., S. 235 ff. und S. 253 f. 293 Sten. Ber. PrAh 1867, S. 32 (Twesten) und S. 49 ff. (Rudolf Haym, jeweils am 6. Mai 1867). 294 Biermann, ebd., S. 237. 295 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 229 ff.; Mieck, Preußen und Westeuropa, S. 801 f.; Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 20 ff.; Pflanze, Bismarck, S. 441 ff. und Radewahn, Französische Außenpolitik, S. 46 ff.
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mit Frankreich als Mittel gegen Russlands Balkanpolitik sah. Mehr als Absprachen über wohlwollende Neutralitäten im Kriegsfall kamen in der Folge aber nicht zustande. Inzwischen kam es zur Erneuerung der preußisch-russischen Entente. Das finanziell und militärisch instabile Russland litt noch immer an den Nachwirkungen des Krimkrieges und versuchte, jeden weiteren Verlust an Autorität zu verhindern, vor allem gegenüber Österreich-Ungarn. Während Bismarck versicherte, Frankreich aus einem Krieg zwischen Russland und Österreich herauszuhalten, bestand Russland auf der österreichischen Neutralität im Falle eines preußisch-französischen Krieges.296 Die Politik Großbritanniens war eine der Nichtintervention. Mögliche Kriege auf dem europäischen Festland führten nach der Ansicht der Regierung Palmerston zu keiner grundlegenden Neuordnung der Mächtekonstellation.297 Bis ins Jahr 1870 hinein fanden die europäischen Mächte keinen Spielraum für außenpolitische Bewegungen.298 Allerdings schätzte man Preußens Machtgewinn tendenziell gering ein und erwartete eine permanente, diplomatisch zu kontrollierende deutsch-französische Rivalität. Das wiederum bestärkte Bismarck in seiner Haltung, in Ruhe auf ein außenpolitisches Ereignis zu warten, das er zugunsten Preußens ausnutzen konnte. b) Die PJ und die Europäische Politik Mit dem Ende der Auseinandersetzungen des Jahres 1866 und der Unterzeichnung der Friedensverträge zwischen den deutschen Staaten war in Europa nur scheinbar Ruhe eingekehrt. Die deutsche Öffentlichkeit und auch die PJ rechneten mit einem erneuten, von Frankreich und Österreich inszenierten Kriegsausbruch.299 Überhaupt sahen sich Preußen und seine Unterstützer von feindlichen Mächten geradezu umzingelt. Das wurde beim Ausbruch der Luxemburgkrise deutlich. Max Duncker empörte sich über den angeblich besiegelten Verkauf des Großherzogtums an Frankreich.300 Das Haus Nassau-Oranien habe sich „mit dem gefährlichsten Gegner der Niederlande verbunden, um Deutschland zu verrathen […]; es hat dem
296
Vgl. Beyrau, Russland und Reichsgründung, S. 104 ff. Vgl. Hildebrand, Großbritannien und Reichsgründung, S. 12 ff. 298 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 22. 299 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz, 6. März, in PJ XIX, 3 (1867), S. 341 ff., hier S. 353 ff.; Treitschke an Ernst Rohmer am 10. Januar, an Baumgarten am 5. Februar 1867 (in Corincelius, Treitschke Briefe III, S. 129 und S. 134 f.); ebenso Duncker an Mathy am 29. Januar 1867 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 437). 300 Dazu Haym, Leben Dunckers, S. 408: „Mit dem vollen Nachdruck patriotischen Unwillens hat Duncker damals den ganzen Apparat historischer, politischer und moralischer Argumente für die Abweisung der durchaus willkürlich erhobenen Forderung erschöpft. Er betonte […] in erster Linie die moralische Seite der Frage, ihre Bedeutung für die Ehre und das Selbstgefühl des neuen von Preußen geschaffenen deutschen Staates.“ 297
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Neide der Franzosen die Erfolge Preußens, ihrem Hass gegen Deutschland und ihrer Ländergier ein Stück deutschen Bodens hingeworfen!“301 Duncker interpretierte die Luxemburger Frage, analog zur parlamentarischen Debatte, als Präzedenzfall für das weitere Verhältnis zu Frankreich und die Stellung des Norddeutschen Bundes in Europa. Jede Diskussion über Kompensationen könne als Zeichen der Schwäche gewertet werden und Frankreichs Gier nach der Rheingrenze befeuern.302 Andererseits habe der Norddeutsche Reichstag deutlich gemacht, keinen Zoll deutschen Bodens aufgeben zu wollen, das Volk zeige entschlossenen Widerstand, eine mögliche „Waffenbrüderschaft der nord- und süddeutschen Truppen würde im gemeinsamen Kampfe gegen den alten Bedroher und Schädiger der deutschen Integrität unzerreißbar für alle Zukunft besiegelt werden“303. Bezeichnend für Dunckers vorzügliche Kenntnis der europäischen Lage304 war seine Vorausschau auf die möglichen Ergebnisse der Londoner Konferenz: Zwar registrierte er besorgt die Avancen Frankreichs in Richtung Österreich und die angekündigte englische Neutralität, hielt aber eine Neutralisierung Luxemburgs durch die europäischen Mächte für möglich.305 Die Klärung der Luxemburger Frage nahmen die PJ erfreut zur Kenntnis: nun könne man sich auf die Stabilisierung des Norddeutschen Bundes konzentrieren.306 Allerdings hänge der Frieden alleine davon ab, „ob Frankreich ehrlich und aufrichtig gemeint ist, sich mit der Stelle in Europa zu begnügen, die ihm mit der Einigung Deutschlands unter preußischer Führung zugefallen ist“307. Mit einem Kriegsausbruch rechneten die Liberalen jederzeit, argumentierten nun aber aus der Position einer vermeintlichen moralischen und militärischen Überlegenheit heraus: „Wir
301 Duncker, Politische Korrespondenz vom 4. April, PJ XIX, 4 (1867), S. 469 ff., hier S. 469. Mit deutlich weniger Pathos Anschütz, Die Niederlande und Preußen, in PJ XIX, 6 (1867), S. 696 ff. 302 Vgl. Duncker, ebd., S. 471 ff. 303 Duncker, ebd., S. 475. Friedrich von Weech warnte Treitschke am 1. Mai 1867 aus Karlsruhe (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 43, Bl. 26/27): „[W]ir sind den Franzosen völlig wehrlos in die Hand geliefert.“ 304 Vgl. das Lob Treitschkes gegenüber Haym am 19. Mai (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 153, Anm. 1) und PJ-Verleger Reimer am 13. Mai 1867 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 21). 305 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 7. Mai, in PJ XIX, 5 (1867), S. 602 ff., hier S. 607; ebenso die Kölnische Zeitung in einer Artikelserie von 7. bis 11. Mai 1867 (in Buchheim, Kölnische Zeitung IV, S. 474 f.). 306 Vgl. Treitschke, Nachschrift zur Politischen Korrespondenz vom 7. Mai, in PJ XIX, 5 (1867), S. 613 f. 307 Duncker, Politische Korrespondenz vom 7. Mai 1867, S. 606. Ebenso Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXI, 1 (1868), S. 131 ff., hier S. 142 f.; von Treitschke, Der Bonapartismus V. Das zweite Kaiserreich, in PJ XXII, 1 (1868), S. 1 ff., hier S. 94 ff.; Treitschke an Duncker am 18. Mai 1867 (in Cornicelius, ebd., S. 152).
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wünschen den Kampf mit Frankreich nicht, denn wir sind ein gesittetes und friedliebendes Volk; aber die Tage sind vorbei, wo wir ihn zu fürchten hatten.“308 Das Verhältnis zu Frankreich und die Analyse der politischen Verhältnisse im Nachbarland blieben ein zentraler Baustein in der Berichterstattung der PJ. Die Einschätzung war meist dieselbe: Napoleon III. müsse sich einer mächtigen Kriegspartei innerhalb seiner Regierung erwehren, die Frankreichs militärische und wirtschaftliche Macht überschätze309 ; so lange aber das französische Militär nicht neu organisiert werde, gehe keine Gefahr von der grande nation aus310. Im Gegensatz dazu folge das friedliebende Preußen seiner Mission, die willkürliche territoriale Zersplitterung zu beenden durch die Angleichung der staatlichen Verhältnisse.311 In die Reihe dieser Untersuchungen gehörte auch Treitschkes Serie Der Bonapartismus. Darin untersuchte er die politischen und gesellschaftlichen Zustände der Zeit von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart312 und sezierte die Herrschaft Napoleons III. in allen Details. Dieser Napoleon hatte ein für die preußischen Rechtsliberalen nicht nachvollziehbares System etabliert: eine „schrankenlose Gewalt des demokratischen Despotismus“313, in der die Exekutive – also der Monarch – die einzige verantwortliche Kraft war, die kein noch so genialer Minister antasten konnte und die nur durch eine Revolution zu vertreiben war. Treitschkes Analyse des zeitgenössischen Frankreichs war von markigen Worten geprägt. Er beschrieb den Bonapartismus als Ausprägung des „modernen Radicalismus“ und „socialen Eigennutzes“314, als „Tyrannei der ideenlosen Unsittlichkeit“ und „Knechtung der Geister“315. Treitschke gestand dem zweiten Kaisertum durchaus zu, „der Macht und dem Wohlstande des Reiches manchen glänzenden Erfolg gebracht“ zu haben, „aber nach sechszehn Jahren ist ihm nicht gelungen, die
308 Wehrenpfennig, Militärinstitutionen und Militärliteratur in Frankreich, in PJ XX, 2 (1867), S. 181 ff., hier S. 194. Vgl. Haym, Leben Dunckers, S. 409. 309 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 8. Juli, in PJ XX, 1 (1867), S. 96 ff., hier S. 100 ff. und von Treitschke, Bonapartismus V, S. 42 ff. 310 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 8. Juli 1867, S. 102 ff.; Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel 1867/68, S. 141 ff.; Wehrenpfennig, Militärinstitutionen und Militärliteratur in Frankreich. 311 Vgl. Braun, Französische Kritik und deutsche Antikritik, in PJ XXI, 1 (1868), S. 102 ff., besonders S. 110 ff. und Wehrenpfennig, Politische Rundschau von Anfang Oktober, in PJ XXII, 4 (1868), S. 486 ff. hier S. 488. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 258 f., erkannte ein mangelndes Gefühl der Liberalen für Befindlichkeiten der europäischen Länder, die den Norddeutschen Bund nicht als per se friedfertiges Gebilde sahen. 312 Überarbeitet und erweitert erschien die Serie in Treitschkes Historisch-Politischen Aufsätzen. 313 von Treitschke, Bonapartismus V. Das zweite Kaiserreich, in PJ XXII, 1 (1868), S. 12. 314 von Treitschke, Der Bonapartismus IV. Republik u. Staatsstreich, in PJ XXI, 4 (1868), S. 491 ff., hier S. 495. 315 Ebd., S. 535. Ebenso in von Treitschke, Bonapartismus V, S. 13 und S. 56 ff.
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Nation zur ruhigen, rückhaltlosen Anerkennung der neuen Ordnung zu bewegen“316. Auswege aus dem System seien Reformen durch Selbstverwaltung auf regionaler Ebene und mehr Einfluss durch die Volksvertretung.317 Treitschke war also noch weit davon entfernt, französischen Staat, Gesellschaft und Kultur gänzlich zu verdammen.318 Für mehr Kopfzerbrechen sorgte die instabile Lage in Österreich sowie dessen ungeklärtes Verhältnis zu Frankreich. So erhofften die PJ ein rasches Erstarken der Donaumonarchie, um (Südost-)Europa „vor der Ueberfluthung durch das russische Wesen“ und der „Vernichtung des europäischen Gleichgewichts“ zu bewahren.319 Es sei nicht Preußens Aufgabe, „hemmend und helfend einzugreifen in den Zersetzungsprozeß des Nachbarstaates“320 – das Missverhältnis von Österreichs Kraft und Anspruch321, den nicht wirklich vollzogenen Ausgleich mit Ungarn322 und die Annäherung an Frankreich unter Federführung des verhassten Außenministers von Beust kommentierten die PJ dennoch äußerst kritisch. Das Salzburger Kaisertreffen im August 1867 wurde zum erneuten Wendepunkt der Sicht auf Österreich. Zwar wurde es von Bismarck und der offiziösen Norddeutschen Allgemeinen Zeitung als politisch folgenlos interpretiert, was die Regierungen in Österreich und Frankreich bald bestätigten.323 Auch Wehrenpfennig bemerkte, dass keine Planungen für ein französisch-österreichisches Bündnis oder einen Süddeutschen Bund vorangetrieben wurden. Doch habe das Treffen die latente Verschwörung gegen den Norddeutschen Bund aufgedeckt.324 In der Folge interpretierten die PJ die Schwäche der Donaumonarchie als „Garantie des Friedens, weil Frankreich zu einem Angriff auf uns einer kräftigen Sei-
316
von Treitschke, Bonapartismus IV, S. 536. Vgl. von Treitschke, Bonapartismus V, S. 27 und S. 99. 318 Vgl. Treitschke an Wehrenpfennig am 19. April 1868 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 208 ff.) und weitere Briefe von Herbst 1867 (ebd., S. 192 f. sowie GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 47 ff. und Bl. 121 f.) 319 von Treitschke, Zum Jahresanfang, in PJ XIX, 1 (1867), S. 1 ff., hier S. 16. Vgl. auch Treitschke an Emma von Bodman am 10. Dezember 1866 (in Cornicelius, ebd., S. 121 f.). 320 von Treitschke, Zum Jahresanfang 1867, S. 16. Vgl. Wassmann, Österreich in den PJ, S. 88 ff. 321 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 5. Dezember, in PJ XVIII, 6 (1866), S. 700 ff. 322 Vgl. Duncker, Politische Korrespondenz vom 6. März, in PJ XIX, 3 (1867), S. 341 ff., hier S. 354. 323 Vgl. Overesch, Presse zwischen Lenkung und Freiheit, S. 109 f. Nach offizieller Lesart war es in Salzburg um einen Akt der Höflichkeit und des Beileids gegangen, da der von Frankreich unterstützte österreichische Kaiserbruder Maximilian als Kaiser von Mexiko abgesetzt und standrechtlich erschossen worden war. 324 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 3. September, in PJ XX, 3 (1867), S. 319 ff., hier S. 324; Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von Anfang Oktober, in PJ XX, 4 (1867), S. 444 ff., hier S. 444 f. und Wassmann, Österreich in den PJ, S. 94. 317
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tenbewegung Oesterreichs bedarf“325. Innenpolitisch seien alle Ordnungsversuche zum Scheitern verurteilt, da den Slawen, in Galizien, Lodomerien, Tirol und Slowenien „jeder Gedanke der österreichischen Staatseinheit abhanden gekommen“326 sei. Auch die Veröffentlichung diplomatischer Akten Österreichs trug nicht dazu bei, das Vertrauen der PJ in den Nachbarn zu intensivieren.327 In Bezug auf die Grenzregelung in Nordschleswig erwarteten die PJ die Zusammenarbeit Frankreichs und Österreichs zur Unterstützung Dänemarks.328 Der Blick auf den möglichen Bündnispartner Russland war für die PJ vor dem Hintergrund der französisch-österreichischen Annäherung nur Nebensache. „Entsprechend dem Grade der Rußland […] zu Recht oder Unrecht unterstellten Einflußnahme auf preussische Interessen verläuft die Berichterstattung, sowohl in ihrer Dichte als auch in ihrer Qualität“329, hat Riethmüller zurecht festgestellt. Zwar betonte man das gute Einvernehmen mit Russland in der Außenpolitik330, verwies sonst auf die unfreien inneren Verhältnisse331 und kritisierte die Russifizierungsmaßnahmen in den westlichen Provinzen nahe Preußens scharf332. Großbritannien wurde indes als vernachlässigbare Größe beurteilt.333 Die Engländer seien religiös und politisch degradiert, schrieb Baumgarten an Treitschke.334
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Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXI, 1 (1868), S. 131 ff., hier S. 141. Wehrenpfennig, Politische Rundschau von Anfang Oktober, in PJ XXII, 4 (1868), S. 496. Vgl. Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXV, 1 (1870), S. 100 ff., hier S. 107 ff. und Wassmann, ebd., S. 99. 327 Vgl. Wehrenpfennig, Das österreichische Rotbuch, in PJ XXI, 3, (1868), S. 356 ff. Vgl. Wassmann, ebd., S. 97 ff.; Wehrenpfennig, Politische Rundschau von Anfang Oktober 1868, S. 495. Dazu die Kritik an Außenminister und Reichskanzler von Beust in Wehrenpfennig, Österreichs orientalische Politik, in PJ XXIII, 1 (1869), S. 98 ff., hier S. 98 f., als Werkzeug habsburgischer Politik, „deren dynastischer Stolz nach dem Wohl und Wehe der Völker selten gefragt hat“. Er überhäufe sich mit verschiedensten Projekten, „weil er gewohnt ist, nicht beim Wort genommen zu werden und keine ernste Verantwortung zu tragen. […E]r kann den Staat, den er 1866 durch seine Rathschläge an den Rand des Abgrundes bringen half, vielleicht in ihn hineindrängen.“ 328 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 8. Juli, in PJ XX, 1 (1867), S. 96 ff., hier S. 99. 329 Riethmüller, Russland in den PJ, S. 10. 330 Vgl. von Treitschke, Altpreußen und russische Ostseeprovinzen, in PJ XXII, 2 (1868), S. 254 ff., hier S. 259. 331 Vgl. Schmidt, Iwan Turgénew, PJ XXII, 4 (1868), S. 432 ff.; Eckardt, Die Anfänge der Neuen Ära in Russland, in PJ XXIII, 1 und 3 (1869) und Eckardt, Russlands innere Politik, in PJ XXIV, 1 und 6 (1869). 332 Nicht von der Hand zu weisen ist der Verweis von Riethmüller, Russland in den PJ, S. 12, dies stehe in Zusammenhang „mit der von Bismarck 1869 initiierten Pressekampagne gegen die antideutschen Auslassungen des Panslavismus“. Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 255 f.; Gertler, Russlandpublizistik, S. 178. 333 Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 261. 326
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Dieser Bruch mit der anglophilen Tradition der Liberalen335 manifestierte sich auch in der Berichterstattung der PJ. Reinhold Pauli konstatierte mit Blick auf unwürdige Experimente – so der Kommentar zur Wahlrechtsreform von 1867 – und der Nichtinterventionspolitik in europäischen Fragen eine Krise des gesamten öffentlichen Lebens in England.336 In den ehemals österreichischen Gebieten Italiens bemerkte man eine Wirtschaftskrise und die fortwährende Auseinandersetzung zwischen deutschen, österreichischen und italienischen Traditionen.337 Dem von Revolution und Aufständen geprägten Spanien bescheinigte man nur unter der Bedingung Zukunftsfähigkeit, dass den fundamental-katholischen, ultramontanen Kräften entgegengewirkt werde, die seit Jahrhunderten einen europäischen Kampf gegen den preußisch-protestantischen Geist führten.338 Ähnlich argumentierte Treitschke in seinem Essay Die Republik der Vereinigten Niederlande, in dem er – nach zwei Jahren Vorbereitung339 – die Wechselwirkung zwischen dem Aufstieg Preußens und dem Niedergang der Niederlande aufarbeitete340. Bezeichnend für das überbordende Selbstbewusstsein kleindeutscher Historiker war die Empfehlung eines freundschaftlichen Verhältnisses zu Preußen aus dem Grund, dass nur eine positive Haltung zur deutschen Einigung eine deutsche Vorherrschaft verhindern könne. So verwunderte es kaum, dass Treitschke bei seiner Reise durch die Niederlande und Belgien eine „Todesangst“ der Bevölkerung vor den Deutschen konstatierte.341 334
Brief vom 2. August 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 473); ähnlich auch Johann Gustav Droysen an seinen Sohn am 27. Juli 1870 (in Hübner, Droysen Briefe II, S. 894). 335 Vgl. Scheerer, Nationalliberale und England, S. 67 ff. 336 Pauli, Englands auswärtige Politik im Rückblick auf Lord Palmerston, in PJ XXIII, 2 (1869), S. 135 ff. Scheerer, Nationalliberale und England, S. 102, setzte den nationalliberalen Kompromiss mit Bismarck mit der Notwendigkeit gleich, „dem englischen Parlamentarismus seinen Modellcharakter für die deutschen Verhältnisse abzusprechen“. Über eine verständige Bewertung der Leistungen des Prinzgemahls Albert (Meyer, Albert, Prinz-Gemahl von Großbritannien, in PJ XX, 6 (1867), S. 583 ff.) urteilte Treitschke: „der trieft ja förmlich von Ergebenheit“ (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 43, Bl. 34; an Wehrenpfennig, 15. Dezember 1867). 337 Vgl. Reuchlin, Aus Italien, in PJ XXII, 4 (1868), S. 399 ff. 338 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Rundschau von Anfang Oktober, in PJ XXII, 4 (1868), S. 494; Baumgarten, Spanien und die kirchliche Frage, in PJ XXIII, 6 (1869), S. 674 ff.; Wehrenpfennig, Spanien und die preußische Politik, in PJ XXIII, 6 (1869), S. 713 ff. 339 Briefe Treitschkes zum Niederlande-Essay gibt es von ersten Überlegungen (GSTA PK, VI. HA, NL Wehrenpfennig C Nr. III 3c, Bl. 47, Treitschke an Wehrenpfennig am 27. August 1867) über die Reise durch Belgien und die Niederlande im September 1868 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 221 ff.) bis zur Edition und den Reaktionen (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 29: Treitschke an Georg Reimer am 29. Juli 1869; ebd., Kasten 7, Mappe 69, Bl. 1 f.: Bernhard Kugler an Treitschke am 25. Juli 1869). 340 Vgl. von Treitschke, Die Republik der vereinigten Niederlande, in PJ XXIV, 1 und 2 (1869). 341 Treitschke an Wehrenpfennig am 22. September 1868 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 227).
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Hatte sich das Verhältnis zu Frankreich nach der Luxemburgkrise in der Sicht der PJ wieder normalisiert, so barg das Jahr 1869 wieder enorme Spannungen. Die französischen Beschlüsse zur Umgestaltung des Heeres, hohe Militäranleihen, die Schaffung einer mobilen Nationalgarde und die aufgeregte öffentliche Meinung zeigten, dass Frankreich den Krieg vorbereite.342 Als im Frühjahr zudem Gedanken einer französischen Zolleinigung mit Belgien aufkamen, riefen die PJ Preußen als Schutzmacht gegen die „Eruptionen des französischen Ehrgeizes“ aus.343 Die Wahlen in Frankreich änderten an dieser Lage nichts, da sie weder das persönliche Regiment Napoleons III. noch die Kriegspartei in der Regierung eindämmten.344 So erschien den PJ die außenpolitische Situation zunehmend als Kampf Preußens gegen den Aufstieg ultramontaner Partikularisten und pseudoliberaler Anarchisten, die in Frankreich bereits um die politische Vorherrschaft konkurrierten. Nur weil Preußen die militärische Stärke und den Mut besitze, zur Durchsetzung eigener Interessen auch Krieg zu führen, sei der deutschen Nation bisher ein Schicksal wie zum Beispiel Polen erspart geblieben.345 Dass der Frieden zwischen dem Norddeutschen Bund und Frankreich noch immer bestehe, sei alleine der Zurückhaltung Bismarcks und König Wilhelms geschuldet.346
c) Die PJ und die Situation in Europa zum Jahresbeginn 1870 Der über das Schicksal Deutschlands und Frankreichs entscheidende Krieg stehe nach wie vor aus347 – dieses Dogma war nach der Luxemburgkrise und den französisch-österreichischen Bündnisversuchen, wegen des augenscheinlichen innenpolitischen Kontrollverlusts Napoleons III. und der weiter erstarkenden Kriegspartei in Frankreich für große Teile der deutschen Öffentlichkeit unumstößlich. Zwar zweifelten die PJ nicht an der militärischen Überlegenheit des Norddeutschen 342 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Rundschau von Anfang Oktober, in PJ XXII, 4 (1868), S. 486 ff. 343 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz, in PJ XXIII, 4 (1869), S. 483 ff., hier S. 485. 344 Vgl. Hillebrand, Die französische Krisis, 14. Juni, in PJ XXIV, 1 (1869), S. 102 ff., besonders S. 110. 345 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Rundschau von Anfang Oktober 1868, S. 486; Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz, in PJ XXIII, 3 (1869), S. 367 ff. hier S. 368; Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXV, 1 (1870), S. 100 ff.; Langer, Treitschke, S. 133 f.; vorzüglich die Zusammenfassung der Beurteilung der außenpolitischen Lage bei Faber, Nationalpolitische Publizistik, S. 531 ff. 346 Vgl. Wehrenpfennig an Hermann Baumgarten am 6. November 1868 und an Heinrich von Treitschke am 16. Januar 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 430 und S. 447). 347 Vgl. Hillebrand, Die französische Krisis, in PJ XXIV, 1 (1869), S. 110 und Die französische Krisis II, 8. August, in PJ XXIV, 2 (1869), S. 255 ff. Die Nationalzeitung vermutete bereits im September 1868, dass man nicht ohne einen entscheidenden Krieg gegen Frankreich auskommen könne (in Friehe, Nationalzeitung, S. 182 f.).
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Bundes, allerdings erkannten sie, dass diesem in Europa die Bündnispartner fehlten: Österreich war innenpolitisch und militärisch schwach, dazu von Frankreich umworben; das Verhältnis zu Russland gestaltete sich wohlwollend, eine Allianz mit dem erzkonservativen Staat wagte man aber nicht zu fordern; die Rolle Süddeutschlands schien trotz der Schutz- und Trutzbündnisse unklar; England und Italien stufte man als unbedeutend ein. Daher war Wilhelm Wehrenpfennig in seiner Korrespondenz Zum Jahreswechsel 1870 bemüht, Feuer aus der Diskussion um einen möglichen Krieg zu nehmen. In Frankreich erkannte er den Beginn eines Ausgleichs zwischen den außenpolitisch gemäßigten Anhängern Napoleons III. und der bis dato tonangebenden radikalen Kriegspartei. Der de facto als Premierminister amtierende Émile Ollivier habe – vom amtsmüden, alternden und um die Zukunft der Dynastie besorgten Napoleon III. gestützt – ein Reformprogramm entwickelt, das die Rechte des Parlaments stärke und die Verantwortlichkeit der Minister zum Ziel habe. Darüber hinaus zeigten Ollivier und sein Außenminister Daru Verständnis für die deutsche Nationalpolitik. „So dürfen wir hoffen, daß bald der letzte Rest des Mißtrauens zwischen den beiden mächtigen Staaten geschwunden sein wird.“348 Diese versöhnlichen Töne gegenüber Frankreich gehörten nur wenige Monate später wieder der Vergangenheit an.
2. Spanische Thronkandidatur und diplomatisches Vorspiel des Krieges a) Das politische Geschehen Bundeskanzler Bismarck stand im Frühjahr 1870 unter Erfolgsdruck349 : Die Ausweitung des Norddeutschen Bundes über den Main hinaus war seit 1867 nicht vorangekommen, in Preußen stritten sich konservative Regierung und liberal dominiertes Abgeordnetenhaus um die Ausgestaltung des Staatswesens und die angespannte Finanzlage, die Berufung des konstitutionell-liberalen Premierministers Ollivier hatte Frankreich als internationalen Partner wieder attraktiver gemacht. So geriet durch die spanische Thronfolgefrage350 die Bildung einer weiteren Hohenzollern-Dynastie unmittelbar an Frankreichs Grenze und somit eine Eindämmung der hegemonialen Ambitionen des Nachbarn in den Bereich des Möglichen. In Spanien war Königin Isabella in der Revolution von 1868 vertrieben worden. Die neue Regierung versuchte seit Ende 1869, den aus der katholischen Linie des Hauses
348 Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, in PJ XXV, 1 (1870), S. 100 ff., hier S. 107; zum Absatz vgl. S. 103 ff. Zur vorübergehenden Beruhigung des deutsch-französischen Verhältnisses vgl. Radewahn, Französische Außenpolitik vor 1870, S. 50 f. 349 Vgl. Gall, Bismarck, S. 422. 350 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 232 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 709 ff. und Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 56 ff.
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Hohenzollern (Sigmaringen) stammenden Prinz Leopold für eine Thronkandidatur zu gewinnen.351 Bismarck unterstützte die Kandidatur nur zaghaft, da sich weder der Vater des Prinzen noch Wilhelm I. von Preußen dafür aussprachen. Aussichtsreicher schien es dem preußischen Ministerpräsidenten, die Frage nach einem deutschen Kaisertum wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Die Diskussion darüber konnte sowohl die innere Ausgestaltung des norddeutschen Herrschaftsgebiets als auch die formale Gleichstellung Wilhelms mit den anderen europäischen Kaisern voranbringen, zudem die deutsche Nationalbewegung beschäftigen und befriedigen. Was unter wohlwollenden diplomatischen Vorzeichen begann – überraschenderweise stimmte Bayern den Kaiserplänen zu, auch England schien aufgeschlossen – endete nach Protesten von französischer Seite schnell.352 Bismarck wollte den Kaiserplan nun innenpolitisch fördern, ehe er erneut in Verbindung mit den europäischen Höfen treten würde. Zwar stimmte der preußische Kronrat unter Führung des Ministerpräsidenten einer Kandidatur Leopolds auf den spanischen Thron zu. König Wilhelm aber lehnte das Vorgehen weiterhin ab – ebenso Frankreich, England und zudem auch Russland, das zunehmend skeptisch auf Machterweiterungen Preußens ohne Gegenleistungen auf dem Balkan reagierte. In dieser Konstellation konnte Prinz Leopold nur noch der spanischen Regierung am 20. April 1870 den Verzicht auf seine Kandidatur mitteilen. Die preußische Diplomatie hatte innerhalb weniger Wochen eine weitere empfindliche Niederlage erlitten. Inzwischen wurde das Kabinett in Frankreich erneut umgebildet. Der Übergang zur konstitutionellen Monarchie sollte durch ein Plebiszit bestätigt werden, aus dem Regierung und Napoleon III. am 8. Mai 1870 als eindeutige Sieger hervorgingen. Die Linke im Kabinett Ollivier, darunter Außenminister Daru, war wegen der offensichtlichen Beeinflussung der Volksabstimmung zurückgetreten. Nach außen stellte sich das neue System liberal dar, doch waren bereits mit dem Plebiszit etliche Reformvorhaben wieder zurückgenommen worden. Abgesehen von Ministerpräsident Ollivier rückte die umgebildete Regierung nach rechts. Der neue Außenminister von Gramont war ein glühender Patriot, nahm eine entschieden antipreußische Haltung ein und offenbarte einen Mangel an politischer Weitsicht: er fasste die Hohenzollernkandidatur als gute Gelegenheit für eine 351 Vgl. den Brief Theodor von Bernhardis an Max Duncker aus Madrid am 9. Februar 1870 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 449): „Alles – außer den Republikanern – schreit in der Angst nach einem König […], als ob alle Schwierigkeiten ausgeglichen wären, wenn man nur einen König hätte. […] Daß dieses unglückliche Land eine republikanische Periode wird durchmachen müssen, ist sehr wahrscheinlich […].“ 352 Dass Bismarck lediglich einen Versuchsballon hatte steigen lassen, vermutet Gall, Bismarck, S. 425, weil der Kaiserplan „in dem Augenblick von der Bildfläche verschwand, in dem ihn Frankreich und in dessen Gefolge England nicht als Ausdruck der Selbstbescheidung, sondern als den expansiver nationaler Aspirationen interpretierten“. Vgl. auch Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 703 ff.
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Auseinandersetzung mit Preußen auf, da der Gegenstand der Diskussion das deutsche Nationalgefühl nicht berühre.353 Frankreichs Lage war explosiv, weil „das Prestigebedürfnis mit einem offenkundig führungsschwachen und im Zerfall begriffenen autoritären Regime kontrastierte und daher stets die Gefahr gegeben war, vor dem Hintergrund eines tatsächlichen oder als solchen empfundenen außenpolitischen Machtverfalls die Lösung aller Probleme im kriegerischen Erfolg zu suchen“354. Die Regierung Preußens war dagegen in einer sicheren Verhandlungsposition. So nahm Bismarck im Hintergrund die Verhandlungen über das Schicksal des Hohenzollernprinzen Leopold in Spanien wieder auf und konnte alle Beteiligten von einer Thronkandidatur überzeugen. Diese Nachricht löste Anfang Juli 1870 in Frankreich einen Aufschrei der Entrüstung aus. Einem drohenden Telegramm nach Berlin folgte eine Hetzrede des Außenministers mit der eindeutigen Botschaft, dass Leopold niemals den spanischen Thron besteigen werde und man bei Aufrechterhaltung seiner Kandidatur interveniere. Um die Angelegenheit mit dem preußischen König persönlich zu klären, reiste der französische Botschafter in Berlin, Graf Benedetti, an dessen Kurort Bad Ems.355 Der um den Frieden besorgte Wilhelm I. empfing den Diplomaten und sicherte ihm die Rücknahme der Kandidatur Leopolds in Spanien zu. Politisch handelte Wilhelm ungeschickt, denn Frankreich hatte sein Ziel ohne großen diplomatischen Aufwand erreicht. Doch der französische Botschafter war mit dem Erfolg nicht zufrieden und verlangte von Wilhelm eine Entschuldigung samt Garantie, die Hohenzollernkandidatur in Spanien auch künftig nicht zu unterstützen. Diese Forderung leitete Wilhelm am 13. Juli 1870 an Bismarck weiter. Die französischen Forderungen waren ohne Zweifel „unnötig herausfordernd[]“356 und für die preußische Monarchie eine Zumutung. So griff Bismarck in das Geschehen ein: er ließ das Telegramm des Königs in einer redigierten Fassung an Preußens Botschafter in den deutschen Hauptstädten versenden sowie als Pressemeldung herausgeben. Die Emser Depesche357 erweckte den Eindruck, dass sich 353
Vgl. Pflanze, Bismarck, S. 465. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 232. Vgl. Radewahn, Französische Außenpolitik, S. 51 ff. 355 Vgl. Clark, Preußen, S. 627 ff.; Gall, Bismarck, S. 430 ff. und Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 718 ff. 356 Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 513. 357 Im Nachlass von Konstantin Rößler (BArch Berlin-Lichterfelde N/2245 – 84, Bl. 11) findet sich ein Extrablatt der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 13. Juli 1870, abends 9 Uhr: „Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der Kaiserlich Französischen Regierung von der königlich spanischen amtlich mitgeteilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an Se. Majestät den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisieren, daß er nach Paris telegraphiere, daß Se. Majestät der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder Seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur wieder zurückkommen sollten. Se. Majestät der König hat es darauf ab354
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Wilhelm in keiner Weise mit dem Anliegen des französischen Botschafters beschäftigt habe. Dass Bismarck eine diplomatische Verwicklung direkt in die Öffentlichkeit weitergab, war eine Provokation gegenüber Frankreich. Dort fasste man den Vorfall von Ems als nicht hinnehmbare diplomatische Niederlage auf. In hitzigen Parlamentsdebatten setzten sich die Kriegsanhänger durch, am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Ein „unsinniger Krieg, eine guerre de prestige, begann“358. Mit der Kriegsschuldfrage hat sich die Forschung ausführlich auseinandergesetzt – mit dem wenig überraschenden Ergebnis, dass sich für alle Standpunkte überzeugende Indizien finden. „Keine Seite ist innerlich widerstrebend in diesen Krieg hineingestolpert oder gar hineingerissen worden. Hier wie dort galt es in seinem Vorfeld bei den entscheidenden Männern als ausgemacht, daß das Instrument des Krieges die ultima ratio der Politik und ein […] äußerstes Mittel zur Konfliktlösung sei, das man entsprechend anwenden könne.“359 So kann die Unterstützung der Hohenzollernkandidatur als offensiver Akt gegenüber Frankreich gelten.360 Bismarcks Überarbeitung der Emser Depesche war ein fragwürdiges diplomatisches Meisterstück, zumal der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit seines eigenmächtigen Handelns nicht aufrecht zu erhalten war.361 Andererseits war er damit praktisch alleine verantwortlich für die endgültige „Abwendung Preußens von den westeuropäischen Traditionen“362. Der französischen Regierung diente die Emser Depesche als Instrument zur Mobilisierung der nationalen Leidenschaft gegen die preußische Machtpolitik. In einer Proklamation an das Volk erklärte man am 22. Juli 1870 die Kriegsziele: den Kampf gegen den Ausschluss Österreichs aus Deutschland und die Gefährdung der Freiheit Deutschlands durch Preußens Militarismus sowie einen dauerhaften Frieden innerhalb eines europäischen Gleichgewichtssystems nach dem Vorbild französischer Sicherheitsinteressen.363 Keine sechs Wochen später war der französische Kaiser in deutscher Gefangenschaft und Olliviers Regierung abgesetzt.
gelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Se. Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe.“ Die Emser Depesche in beiden Versionen bei Huber, Verfassungsdokumente II, S. 256 f. 358 Mieck, Preußen und Westeuropa, S. 803. Vgl. Radewahn, Französische Außenpolitik, S. 36; Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 15 f.; Kolb, Kriegsausbruch 1870, S. 19 ff. und Geuss, Bismarck, S. 74 ff. 359 Gall, Bismarck, S. 417. Vgl. Althammer, Bismarckreich, S. 19 und Nipperdey, Dt. Geschichte II, S. 58 ff. 360 Vgl. Pflanze, Bismarck, S. 464 f. 361 Vgl. Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 513 f. 362 Mieck, Preußen und Westeuropa, S. 805. 363 Vgl. ebd. und Radewahn, Französische Außenpolitik, S. 60 f.
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b) Die PJ im Vorfeld des deutsch-französischen Krieges Mit Blick auf die angespannte Situation war die Außenpolitik in der Berichterstattung der PJ unterrepräsentiert. Zu sehr beschäftigten die mögliche Aufnahme Badens in den Norddeutschen Bund und die Diskussion um das Strafgesetzbuch die Autoren. Lediglich Karl Hillebrand analysierte in Drei Briefe[n] aus Paris die innenpolitische Situation in Frankreich. Die Berufung des liberalen Ministeriums Ollivier, die freiheitlichen Ideale Napoleons und die allgemeine Aufbruchstimmung beschrieb er so pathetisch, dass eine redaktionelle Anmerkung kommentierte, man lasse dem „Correspondenten auch da das Wort […], wo wir seinen Hoffnungen oder seiner Anerkennung nicht unbedingt folgen können“364. Doch auch Hillebrand ergänzte: schlage dieser Versuch einer stabilen Regierung fehl, „so ist der Krieg oder die Revolution unvermeidbar: und eine Revolution im Jahr 1870 wäre der Anfang des Endes“.365 So unvermittelt wie die spanische Thronfolgefrage Anfang Juli 1870 an die Öffentlichkeit kam, so unvermittelt traf sie auch die PJ. Wilhelm Wehrenpfennig äußerte sich in seiner Korrespondenz vom 9. Juli einerseits empört über die Geheimdiplomatie Bismarcks. Andererseits sei die Rede des französischen Außenministers vom 6. Juli eine überstürzte und überzogene Reaktion gewesen, die von Unvernunft, gekränkter Eitelkeit und Selbstüberschätzung zeuge.366 Die wenigen Abgeordneten, die an Gramonts Rede Kritik geübt hätten, seien durch die „unvergleichliche Logik […] von der legitimen Suprematie Frankreichs in Europa“ überstimmt worden: „Wenn Frankreich erklärt, ich will das nicht und an den Säbel schlägt, so werden alle anderen sich fügen und so der Friede erhalten bleiben.“367 Korrekt sah Wehrenpfennig voraus, dass Frankreich nun König Wilhelm auffordern werde, Prinz Leopold zum Rücktritt von seiner Thronkandidatur zu bewegen. Aber das sei für alle Beteiligten auf deutscher Seite „seit dem 6. Juli politisch unmöglich“.368 „[B]ei der augenblicklichen Lage der Dinge darf der Prinz Leopold als deutscher Mann nicht zurückweichen. Er darf es nicht, weil seine Nachgiebigkeit sofort auf geheime Weisungen aus Berlin zurückgeführt werden und als ein Beweis unserer Schwäche gelten würde. […] Der Prinz Leopold ist uns schuldig, dafür zu sorgen, daß wir vor Europa und vor den frivolen 364 Hillebrand, Drei Briefe aus Paris, 15. Januar 1870, in PJ XXV, 2 (1870), S. 185 ff., Anm. d. Red. auf S. 185. 365 Hillebrand, Drei Briefe aus Paris, S. 203. 366 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz von 9. Juli, in PJ XXVI, 1 (1870), S. 108 ff., hier S. 108 f.: „Graf Bismarck bereitet einen neuen spanischen Erbfolgekrieg vor, und wir müssen die Zeche bezahlen.“ / „Wir sind gleich den Spaniern und Franzosen der Spielball heilloser Intriguen geworden.“ Vgl. auch ebd., S. 112. 367 Ebd., S. 113 f. 368 Ebd., S. 114. Vgl. Wassmann, Österreich in den PJ, S. 100; ähnlich Frankfurter Zeitung (GStA PK, VI. HA, NL von Savigny, Artikel a: FFZ Nr. 188/1870 vom 8. Juli) und Kreuzzeitung (in Bussiek, Kreuzzeitung, S. 209).
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und anmaßenden Komödianten, welche heute Frankreich regieren, nicht in den unverdienten Ruf der Furchtsamkeit gerathen.“369
Wehrenpfennig erkannte zu diesem Zeitpunkt drei mögliche Szenarien für die folgenden Wochen: das verschreckte Spanien ziehe entweder die Anfrage an Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen zurück; Napoleon III. entlasse seine ungeschickten Minister und distanziere sich von deren „thörichten Erklärungen“; oder ein Krieg werde zeigen, „auf wessen Seite die Gerechtigkeit, die Achtung vor der Freiheit und Selbständigkeit der Völker sich befindet“370. Die Rhetorik des Aufsatzes zeigte deutlich, welche Alternative Wehrenpfennig für die wahrscheinlichste hielt. Zuletzt betonte er noch, dass es nun nicht an der Zeit sei, die Militärorganisation im Norddeutschen Bund von ihrer volkswirtschaftlichen oder konstitutionellen Seite zu behandeln. „[D]as Höchste ist doch, daß diese gesammte Existenz geschützt ist und sicher gestellt wird vor dem Einbruch räuberischer Barbaren. […F]assen wir uns in unserer nationalen Macht zusammen wider einen Gegner, der in zu schlechten Händen ist, als daß wir mit Sicherheit auf eine friedliche, vernünftige Verständigung rechnen dürften.“371 Das Juliheft 1870 der PJ war kurz vor dem Vorfall um die Emser Depesche in den Druck gegangen.372 Die Vorgänge rund um den Kriegsausbruch fanden daher nur kurz im Augustheft Erwähnung, also bereits mitten in den Kriegshandlungen. So reihte sich Das diplomatische Vorspiel des Krieges in die von nationalem Pathos geprägte Bewertung der deutschen Presse ein: Frankreich galt als Kriegstreiber, der innenpolitische Streit habe zu ruhen.373 Im Zuge dessen ordneten die PJ den französischen Botschafter Benedetti der französischen Kriegspartei zu, die wiederum den Deutschland wohlgesonnenen Premier Ollivier komplett zu ihrem Werkzeug gemacht habe. Das Urteil über die gesamte politische Klasse Frankreichs lautete,
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Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 9. Juli 1870, S. 115. Ebd., S. 115. 371 Ebd., S. 116. Ähnlich Wehrenpfennig am Tag der Emser Depesche, aber noch vor deren Bekanntwerden, an Otto Hartwig (Hess. Landesbibliothek Wiesbaden, Hs. 324): „Der Krieg ist ja für den Augenblick abgewandt, aber leider nicht ohne Antastung der Ehre Preußens. Sobald Frankreich uns die Pistole auf die Brust setze, dürfte Prinz Leopold nicht mehr zurücktreten. Er hat es doch, offenbar in Einverständniß mit dem König gethan […].“ 372 Wehrenpfennig an Treitschke, 16. Juli 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 305). 373 Vgl. Wehrenpfennig, Das diplomatische Vorspiel des Krieges, in PJ XXVI, 2 (1870), S. 222 ff. Ähnlich die Spenersche Zeitung vom 23. Juli, die Volkszeitung vom 16. Juli (in Koch, Berliner Presse, S. 60 und S. 85) und die Kreuzzeitung vom 16. Juli (in Bussiek, Kreuzzeitung, S. 210). Lediglich die Frankfurter Zeitung wünschte den Erhalt des Friedens und erklärte – wie die PJ in ihrer Juli-Korrespondenz vor Kriegsausbruch –, dass beide Regierungen und auch das preußische Pressebüro einen Krieg provozierten (GStA PK, VI. HA, NL von Savigny, Artikel c und d, FFZ Nr. 195 und 197/1870 vom 15. und 17. Juli). 370
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„daß diese Menschen nicht nur schlecht, daß sie unfähig waren, und daß ihre Kraft nur für ihren eigenen und ihres Landes Ruin ausgereicht hat“374.
3. Der Krieg gegen Frankreich bis zum Frankfurter Frieden im Mai 1871 a) Das politische Geschehen Frankreich hatte den Krieg gegenüber Preußen erklärt – faktisch aber war das eine Kriegserklärung gegen den gesamten Norddeutschen Bund. Zudem war durch die Schutz- und Trutzbündnisse für Süddeutschland der Beistandsfall eingetreten, in dessen Folge sich die Armeen Bayerns, Württembergs, Badens und Hessens unter preußischen Oberbefehl stellten. Lediglich die starke bayerische Opposition war gegen einen Kriegseintritt. Sie sah in einer dynastischen Frage keinen Grund zum Kampf, wurde aber selbst von der Patriotenpartei überstimmt, die bei einer Nichtbeteiligung am Feldzug die komplette Einverleibung Bayerns fürchtete. So rüstete sich eine ganze in ihrer Ehre gekränkte deutsche Nation375 zum Krieg. Die anderen europäischen Mächte griffen nicht direkt in den deutsch-französischen Krieg ein. England und Russland erwarteten eine begrenzte Auseinandersetzung, an deren Ende die Einigung Deutschlands und ein Ende des französischen Hegemoniestrebens stehen könnten. In Österreich spekulierten Erzherzog Albrecht und Reichskanzler von Beust zwar auf einen Revanchekrieg gegen Preußen im Bündnis mit Frankreich, doch letztlich bedingten die Ablehnung der deutschösterreichischen Bevölkerung, die drohende Haltung Russlands und die verheerende Situation der eigenen Armee eine Neutralität.376 Die Überlegenheit der preußischen Militärorganisation zeigte sich schnell. Bereits nach zwei Wochen gingen die deutschen Heere in die Offensive. Von „Präzision und reibungslos funktionierende[r] Maschinerie“ auf deutscher und „Chaos und Konfusion“ auf französischer Seite zu sprechen377, erscheint zwar übertrieben angesichts einiger blutiger Schlachten und grober taktischer Fehler auch des preußischen Militärstabs. Doch mit der Schlacht bei Sedan, der Kapitulation einer der französischen Hauptarmeen und der Gefangennahme Napoleons III. hatte dessen Regime nach einem Kriegsmonat seinen Rückhalt verloren. „Mit dem Zusammenbruch des zweiten Kaiserreichs entfiel für Deutschland jeder Grund zur Weiter374 Frensdorff, Graf Benedetti, in PJ XXVI, 2 (1870), S. 192 ff., hier S. 204; vgl. Treitschke, Die Feuerprobe des norddeutschen Bundes, in PJ XXVI, 2 (1870), S. 240 ff., hier S. 246 ff. 375 Vgl. Becker, Krieg und Nation, S. 299 f. 376 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 234 f.; Gall, Bismarck, S. 435; Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 514. 377 Pflanze, Bismarck, S. 474. Gegensätzlich argumentiert zum Beispiel Clark, Preußen, S. 630 f.
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führung des Krieges.“378 Doch am 4. September 1870 bildete Adolphe Thiers in Paris eine republikanische Regierung der nationalen Verteidigung, die zum eigenen Machterhalt einen Frieden unter den Bedingungen Preußens ablehnte und zum Volkskrieg gegen die befeindeten Truppen aufrief. Ein Krieg französischer Partisanenkämpfe und deutscher Vergeltungsmaßnahmen begann, der vor allem die französische Zivilbevölkerung stark in Mitleidenschaft zog. Die Zustände in Frankreich bestätigten Bismarck in der Ansicht, dass der Gegensatz zum Nachbarn im Westen dauerhaft und dessen geostrategische Schwächung unabdingbar sei.379 Da Preußen bereits als der sichere Sieger des Krieges feststand und sich vor einem erneuten Angriff Frankreichs schützen wollte, war es unvorstellbar, keine territorialen Forderungen zu stellen. So kam bereits nach wenigen Kriegswochen die Forderung nach einer Annexion der französischen Provinzen Alsace und Lorraine auf.380 Kaum ein Aspekt des deutsch-französischen Krieges ist so kontrovers diskutiert worden wie die Rolle Bismarcks beim Aufkommen der Annexionsforderungen um Elsass-Lothringen – und damit verbunden die Wirkungsmacht der Politik auf die Presse und der Presse auf die Öffentlichkeit.381 Seit Ende Juli 1870 war die Forderung nach „Rückgewinnung“ der vermeintlich deutschen Länder Elsass und Lothringen immer vehementer zu vernehmen. Nachdem die preußische Regierung Mitte August begann, zusätzlich auf die Meinungsbildung in der Frage nach dem Kriegsziel einzuwirken, war schnell eine weitgehende Einmütigkeit in der Öffentlichkeit erreicht. Allerdings war Bismarck gezwungen, zur Rechtfertigung der Annexion „die amtliche Auffassung vom Charakter des Krieges zu modifizieren und einzuräumen, daß dieser nicht nur gegen die französische Regierung, sondern gegen die französische Nation geführt wurde“. Die französische levée en masse machte ihm diese Argumentation leicht. So wurde „[a]us einem Krieg mit dem Ziel der Vernichtung gegnerischer Armeen […] ein Krieg mit dem Ziel, eine Nation zu erschöpfen und zu zerteilen. Auf beiden Seiten glich der Krieg einem nationalen Kreuzzug.“382 Durch
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Engelberg, Bismarck, S. 735. Bismarck am 21. August 1870 an Botschafter Bernstorff in London (GW 6b, S. 455, vgl. Pflanze, Bismarck, S. 437 ff.): „Die einzig richtige Politik ist unter solchen Umständen einen Feind, den man nicht zum aufrichtigen Freund gewinnen kann, wenigstens etwas unschädlicher zu machen und uns mehr gegen ihn zu sichern, wozu nicht die Schleifung seiner uns bedrohenden Festungen, sondern nur die Abtretung einiger derselben genügt.“ 380 Vgl. Engelberg, Bismarck, S. 735 f.; Gall, Elsass und Lothringen, S. 271 ff.; Körner, Annexionsfragen, S. 38 ff.; Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 70 ff.; Pflanze, Bismarck, S. 487 ff. 381 Vgl. als Zusammenfassung der gesamten Kontroverse zwischen Gall und Lipgens in den 1960er-Jahren Kolb, Bismarck und die Annexionsforderung. 382 Beide Zitate bei Pflanze, Bismarck, S. 488 und S. 483. 379
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das Streben nach Annexion kündigte Deutschland aus Sicht der anderen Mächte einen bedrohlichen Anspruch als europäische Ordnungsmacht an.383 Als die deutsche Armee im Herbst 1870 Paris einkesselte, die französische Regierung um Vermittlung durch die neutralen Mächte bat und Großbritannien, Österreich sowie Italien einen sofortigen Waffenstillstand forderten, schien Preußen für kurze Zeit komplett isoliert. England, das trotz offizieller Neutralität Kohlen und Waffen an Frankreich lieferte, stand kurz vor einem Kriegseintritt.384 Bismarck aber agierte geschickt und drängte die russische Regierung zu einem Vorstoß in der Schwarzmeerfrage. Nachdem Russland die Pontus-Klauseln – die als demütigend empfundene Entwaffnung und Neutralisierung des Schwarzen Meeres und seiner Küsten infolge des Krimkriegs – kündigte, waren die neutralen Großmächte über Monate in diplomatischen Wirren gebunden. Praktisch ungehindert marschierte Italien zeitgleich in Rom ein und beendete die weltliche Herrschaft des Papstes. In Frankreich konnte Bismarck daher ungestört verfahren. Die „Fraktionierung der Konflikte und […] Partikularinteressen förderten also die machtpolitische Blockierung der potenziellen Interventionsmächte und sicherten auch nach Sedan die Isolierung des deutsch-französischen Krieges“385. Je länger sich aber der Krieg zwischen Frankreich und den deutschen Staaten hinzog, desto mehr wuchsen die Wahrscheinlichkeit einer auswärtigen Intervention und die Spannungen zwischen der zivilen und militärischen Führung Preußens.386 Nach Ansicht des Generalstabschefs durfte der Frieden erst nach dem vollständigen militärischen Sieg über Frankreich geschlossen werden: Moltke wollte Paris aushungern lassen. Bismarck und Kriegsminister Roon hingegen forderten einen schnellen Einmarsch und boten der französischen Regierung Verhandlungen an. Nachdem dies scheiterte, begann erst am 28. Dezember die Bombardierung von Paris. Einen Monat später kapitulierte die französische Regierung. Der folgende Waffenstillstandsvertrag regelte bereits die deutsche Besatzung Frankreichs, sicherte aber auch die Wiederaufnahme der Versorgung von Paris. Als dort Mitte März 1871 der Kommunenaufstand losbrach, nutze Bismarck die Gunst der Stunde, um die französische Regierung in den Friedensverhandlungen massiv unter Druck zu setzen – und sie nach deren Ende bei der erfolgreichen Niederschlagung des Aufstandes zu unterstützen.387 Der Frankfurter Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 bestätigte schließlich die Regelungen des Vorfriedens von Versailles: Frankreich verzichtete auf alle Ansprüche an den östlich der künftigen deutsch-französischen Grenze gelegenen Gebiete – also auch auf das Elsass und große Teile Lothringens, die somit als Teil des um 383 Vgl. Brandt, Deutsche Geschichte, S. 239; Canis, Bismarcks Außenpolitik, S. 49 ff.; Clark, Preußen, S. 632 ff. und Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 74. 384 Vgl. Scheerer, Nationalliberale und England, S. 83 f. 385 Brandt, Deutsche Geschichte, S. 239. Vgl. Canis, Bismarcks Außenpolitik, S. 65. 386 Vgl. Neitzel, Bismarck und die Generale, S. 92 ff. 387 Vgl. Brandt, ebd., S. 240 und Pflanze, Bismarck, S. 441 ff. sowie S. 474 ff.
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Süddeutschland vergrößerten Deutschen Reichs völkerrechtlich anerkannt wurden. Darüber hinaus musste Frankreich eine horrende Kriegsentschädigung von fünf Milliarden Francs an das Deutsche Reich zahlen und blieb bis zu deren endgültigen Ausgleich in seinen nordöstlichen Departements von deutschen Truppen besetzt. Versöhnlich schienen nur gemeinsame Regelungen für Schifffahrt und Handel.388 Bei den im Februar folgenden Wahlen zur französischen Nationalversammlung errangen gemäßigte Republikaner eine Mehrheit, die den Friedensschluss mit den Deutschen befürworteten. Im Deutschen Reich wurden die Regelungen ebenfalls positiv aufgenommen, sicherten sie doch die Anerkennung des neuen vergrößerten Staatsgebildes. Doch die Siegeseuphorie389 konnte das Leid nicht überdecken: die Zahl der Deutschen, die im Krieg verwundet, getötet oder von den Pocken dahingerafft wurden, ging in die Hunderttausende. Auf europäischer Ebene bestand trotz aller Friedensbeteuerungen ein immenses Misstrauen gegenüber der deutschen Politik, das als große Hypothek auf dem neu gegründeten Reich lasten sollte. b) Die PJ während des Krieges gegen Frankreich An den Kriegsschauplätzen hatte sich ein Heer deutscher Berichterstatter versammelt: die Nationalzeitung hatte mindestens zehn Korrespondenten abgestellt, Gustav Freytag schrieb für die Grenzboten aus dem Hauptquartier des Kronprinzen, Moritz Busch steuerte vor Ort die Berichterstattung für das Literarische Büro des Preußischen Staatsministeriums.390 Zeitschriften wie die PJ waren weniger an Reportage und Kriegsberichterstattung interessiert, „dafür um so mehr der Deutung und Kommentierung der Ereignisse verpflichtet“391. So konstatierte Rudolf Haym: „Die Preußischen Jahrbücher haben ihre Schuldigkeit gehörig getan, und wenn sie […] nicht in gleicher Weise alle Akte des Krieges haben begleiten können: den großen Sinn der Dinge haben sie doch ausgesprochen und überzeugend gedeutet.“392 388 Vgl. Huber, Verfassungsdokumente II, S. 286 ff.; Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 515; Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 74. 389 An dieser Stelle muss der Brief Heinrich von Sybels an Hermann Baumgarten vom 27. Januar 1871 zitiert werden (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 494): „[M]eine Augen gehen immer herüber zu dem Extrablatt und die Tränen fließen mir über die Backen. Wodurch hat man die Gnade Gottes verdient, so große und mächtige Dinge erleben zu dürfen? Und wie wird man nachher leben? Was zwanzig Jahre der Inhalt alles Wünschens und Strebens gewesen, das ist nun in so unendlich herrlicher Weise erfüllt! Woher soll man in meinen Lebensjahren noch einen neuen Inhalt für das weitere Leben nehmen?“ 390 Vgl. Becker, Krieg und Nation, S. 43 ff., der zu recht darauf hinweist, dass die Nähe zur Staats- und Militärführung ein Einfalltor für direkte und indirekte Pressezensur gewesen sei. Er ergänzte aber ebd., S. 45: „Dennoch sollte man das Ausmaß der Pressemanipulation in der Zeit der Einigungskriege nicht überschätzen.“ 391 Ebd., S. 57. 392 Haym an Treitschke am 20. November 1870 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 280). Becker, Krieg und Nation, S. 57, bezeichnete Haym fälschlicherweise noch für das Jahr 1870 als Herausgeber der PJ. Immerhin betonte er, dass die PJ gerade in Krisenzeiten durch die Öffnung
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Die Betrachtung der Kriegshandlungen in den PJ bestimmte dabei die Vorstellung einerseits von der Unterlegenheit der französischen Armee393 und andererseits vom bevorstehenden und gerechten Sieg Preußens: „Es ist gegen den Sinn und Verstand der Weltgeschichte, daß in diesem Streite der Theil unterliegen sollte, der die Wahrheit vertheidigt gegen die Lüge, die Güter eines reichen Culturlebens gegen die Begierde zuchtloser Räuber, die Freiheit der Völker gegen die anmaßliche Herrschsucht einer Nation, welche Recht und Freiheit weder daheim festzuhalten noch im Verkehr der Völker zu achten versteht.“394 Der Krieg gegen Frankreich wurde zu einem zweier prinzipiell verfeindeter Völker stilisiert und Analogien zu den Freiheitskriegen 60 Jahre zuvor gezogen.395 Treitschke erwartete aus diesem Kampf das Erwachen einer sittlich gestärkten deutschen Nation – dabei aber kein „fratzenhaftes Teutonenthum […], das dem weltbürgerlichen Verkehr des neuen Europas widerspricht“396. Preußen war nach Ansicht der PJ auf dem besten Wege, das Machtvakuum zu schließen, das der europapolitische Rückzug Englands auf dem Kontinent hinterlassen habe.397 Auch wenn Treitschke betonte: „Wir stehen allein“398, so sei die Lage für den Aufstieg Gesamtdeutschlands günstig, weil sich Russland alleine wegen der unsicheren Lage in Polen auf die Seite Preußens schlage. Damit werde ein möglicher hin zu den „führenden Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft, den Meinungsführern des bildungsbürgerlichen Milieus“ eine Meinungsführerschaft aufgebaut habe, „die weit über den Kreis ihrer Käufer hinauswies“. 393 Vgl. Wehrenpfennig, Die französische Armee, in PJ XXVI, 2 (1870), S. 205 ff. und [unbekannt], Die Rüstungswochen, in PJ XXVI, 3 (1870), S. 271 ff. 394 Wehrenpfennig, Die französische Armee, S. 221. Ähnlich pathetisch von Treitschke, Die Feuerprobe des norddeutschen Bundes, in PJ XXVI, 2 (1870), S. 240 ff., besonders S. 246 ff. und S. 251. Ebenso Rudolf Haym an Max Duncker am 2. August 1870 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 453). Ebenso Baumgarten an Reuchlin am 13. Juli 1870 (WLB Stuttgart, NL Reuchlin, Cod. hist. fol. 815, Fasz. 5, Nr. 15: „Hier steht einfach der Deutsche gegen den Franzosen.“) oder auch die Vossische Zeitung vom 6. September (in Koch, Berliner Presse und Europäisches Geschehen, S. 52). Deutlich weiter ging die Kreuzzeitung: „Wenn es überhaupt noch eines Beweises für die enge Verbindung von Franzosenhass und nationaler Selbstfindung der Deutschen bedurfte, so lieferte ihn die Kreuzzeitung dieser Monate.“ (Bussiek, Kreuzzeitung, S. 211 ff.) Differenzierter – weil offiziell – die Norddeutsche Allgemeine Zeitung (vgl. die Beilage vom 25. September 1870, S. 2 f., in GStA PK, VI. HA, NL Aegidi, Nr. 72). Dazu Leonhard, Nationalhistoriographie, S. 197: „Die Nationsbildung konnte demnach nur gelingen, wenn der äußeren Sicherheit ein Sündenbekenntnis und eine Katharsis nach innen entsprachen, indem die dem deutschen Volk unnatürlichen Eigenschaften abgestreift werden mussten. Das richtete sich sowohl gegen französische Kultur als auch gegen übersteigerten neureichen Materialismus.“ 395 Vgl. Usinger, Deutschland in der französischen Zeit, in PJ XXVI, 3 (1870), S. 297 ff. (auch als Separatdruck erschienen); Wehrenpfennig, Die deutschen Forderungen von 1815, in PJ XXVI, 3 (1870), S. 344 ff.; Maurenbrecher, Die deutsche Frage 1813 – 1815, in PJ XXVII, 1 (1870), S. 39 ff. 396 von Treitschke, Die Feuerprobe des norddeutschen Bundes, S. 252. 397 Vgl. ebd., S. 249 ff. 398 Ebd., S. 251.
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Rachefeldzug Österreichs verhindert, das man davor warnte, eine Allianz mit Frankreich zu bilden. Nur das italienische Königshaus und Dänemark wähnte man an Frankreichs Seite, ohne damit aber militärische Schwierigkeiten zu verbinden. Die Überlegenheit des deutschen Militärs war für die PJ offensichtlich. Anstatt das Geschehen auf den Schlachtfeldern zu beschreiben oder den Sturz Napoleons III. zu kommentieren, begnügten sie sich mit allgemeinen Erörterungen zum Kriegswesen.399 Eine führende Rolle nahmen die PJ in Person Heinrich von Treitschkes in der Diskussion um die Annexion Elsass-Lothringens ein. Treitschke äußerte Ende August 1870 nur „Selbstverständliches“400. So war bereits in den Wochen zuvor „der Gedanke der Rückgewinnung von Elsaß und Lothringen in der deutschen Presse in vielfältiger Weise erörtert worden […], und zwar ganz überwiegend in positivem Sinne“401. Inzwischen ist nachgewiesen, dass die Berliner Börsenzeitung bereits vor Kriegsausbruch, am 13. Juli 1870, als erste Publikation offen über die Annexion spekuliert hatte.402 Unmittelbar nach den ersten Siegen der deutschen Armeen tauchte die Annexionsforderung dann in der gesamten Presse auf, quer durch alle Parteischattierungen und vor allem in Süddeutschland.403 Bedingt wurde diese Haltung nicht zuletzt durch das Ausrufen des Volkskrieges in Frankreich. Das Einbeziehen der gesamten Bevölkerung wurde als revolutionärer Akt im Zuge einer Kriegsführung interpretiert, die in barbarischer Weise den Errungenschaften des Kriegs- und Völkerrechts widersprach. Davor müsse die deutsche Bevölkerung geschützt werden: mit strikter militärischer Führung, im starken Staat, und mit sicheren Grenzen nach Westen.404 Im PJ-Umfeld forderten Max Duncker und Hermann Baumgarten als erste die Annexion.405 „Ohne die Herausgabe von Metz und des gesamten Elsasses dürfen wir nicht Frieden schließen, und zwar müssen diese Gebiete der preußischen Rheinprovinz angeschlossen werden. Nur bei direkter Zugehörigkeit zu einem großen Staat sind diese Bevölkerungen zu verdauen, zu reorganisieren und zu assimilieren“, 399
Vgl. Lammers, Die wirtschaftlichen Vorgänge im deutsch-französischen Kriege, in PJ XXVI, 4 (1870), S. 419 ff.; Jähns, Umrisse einer Geschichte des französischen Heerwesens, in PJ XXVII, 1 und 3 (1871); Löbell, Aphoristische Andeutungen über den Wert und die Bedeutung der Festungen, in PJ XXVII, 2 (1871), S. 159 ff. 400 Treitschke an Julian Schmidt am 1. September 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 23, Bl. 10). 401 Gall, Elsass und Lothringen, S. 292. Einige Beispiele bei Faber, Nationalpolitische Publizistik, S. 578 ff. 402 Vgl. Körner, Annexionsfragen, S. 17. 403 Vgl. zusammenfassend Gall, ebd., S. 280 ff. und seine Aufzählung auf S. 292, Anm. 60.; außerdem Koch, Berliner Presse und Europäisches Geschehen, S. 78 ff. 404 Vgl. Becker, Krieg und Nation, S. 254 f. und S. 273 ff. 405 Die nicht zu unterschätzende Rolle Dunckers bei der Meinungsbildung im Sinne der Machtpolitik betonte Bussmann, Treitschke, S. 354. Vgl. zu Baumgarten ebd., S. 353 und Marcks, Baumgarten, S. LXXII ff.
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schrieb Duncker vor dem Hintergrund, „Deutschland auf Grund realer Interessen so stark wie möglich zu konstituieren“406. Baumgarten war wegen des im Elsass grassierenden „Fanatismus“ skeptisch in Bezug auf eine Annexion allein durch Preußen und brachte Bayern ins Spiel. Das könne durch eine Teilannexion „eine Ausnahmestellung“ im neuen deutschen Staatsgebiet haben und an Preußen „gekettet werden“407. Heinrich von Treitschke hatte zu Kriegsbeginn erneut Bismarcks Anfrage nach einer offiziellen Anstellung abgelehnt. Stattdessen war er in Kontakt mit den Kriegsberichterstattern Moritz Busch und Gustav Freytag und erhielt durch sie Informationen aus erster Hand über die Kriegspolitik der Regierung.408 Auch wenn Treitschke von Anfang an auf die Eroberung Elsass-Lothringens drängte, so warf er in den PJ zunächst nur die Frage auf, „wie der Staat Frankreichs, nicht sein Herrscherhaus, also geschwächt werden soll, daß wir mit erhöhter Zuversicht eine neue Störung des Völkerfriedens erwarten können“409. Dass Treitschke anfangs nicht näher auf eine mögliche Annexion französischer Gebiete einging, ist auf das Einwirken Wilhelm Wehrenpfennigs zurückzuführen. Der befürchtete, dass eine Diskussion über die künftige Verwaltung der Gebiete die nationale Bewegung wieder spalten könne und bat Treitschke wiederholt, die Frage nach der Annexion noch nicht aufzuwerfen.410 Der kam in diesem Fall der Bitte seines Mitherausgebers nach – was wieder einmal zeigt, dass Wehrenpfennig das Verhältnis zu seinem Mitstreiter deutlich mehr auf Augenhöhe gestalten konnte, als manch angesehener Historiker411 bislang angenommen hat. Lange hielt die Geduld des Heißsporns jedoch nicht an. Treitschke kündigte bereits Mitte August an, sich nicht länger an die Ratschläge Wehrenpfennigs halten zu wollen und für die PJ den programmatischen Aufsatz Was fordern wir von
406 Duncker an Baumgarten am 7. und 13. August 1870 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 453). 407 Baumgarten schrieb Heinrich von Sybel am 11. August 1870 (in Heyderhoff, Preußischdeutsche Einigung, S. 475), gegen den antideutschen Fanatismus im Elsass könne man nicht ankommen. „Sollte man sich da nicht begnügen, Straßburg zur Reichsfestung zu machen und die Grenze von Bayern und Preußen ein Stück vorzuschieben? Duncker meint, ohne Metz und Elsaß dürften wir keinen Frieden machen. Genügte es nicht, Metz zu schleifen? Ich denke, Frankreichs Macht hat auf einige Generationen den Stoß bekommen.“ 408 Vgl. Treitschke an Baumgarten am 26. Juli 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 281) und Busch an Treitschke am 1. Dezember 1870 (ebd., S. 297, Anm. 4). 409 von Treitschke, Die Feuerprobe des norddeutschen Bundes, in PJ XXVI, 2 (1870), S. 252. 410 Vgl. Wehrenpfennig an Treitschke am 27. Juli (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 306 f.) und am 16. August 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 476). 411 Gall schrieb (Elsass und Lothringen, S. 296, Anm. 3) bezugnehmend auf Lipgens: „Die Formulierung ,Auf energische Veranlassung des Berliner Redakteurs Wehrenpfennig‘ muß […] einigermaßen grotesk erscheinen.“
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Frankreich? zu schreiben.412 Zwar hoffte er vergeblich darauf, in Kombination mit Baumgartens Broschüre Wie wir wieder ein Volk geworden sind einen zweifachen Aufruf der nationalen Stärke zu veröffentlichen.413 Doch Treitschkes hoch emotionale Arbeit allein wurde zu einem durchschlagenden Erfolg: von den Mitstreitern gelobt414, weit verbreitet und besprochen415, als separate Flugschrift „aus den Preußischen Jahrbüchern“ veröffentlicht und sogar ins Englische übersetzt416. „[H]eraus mit dem alten Raube, heraus mit Elsaß und Lothringen!“417, ließ Treitschke verlautbaren. Denn der Frieden könne nur dauerhaft gesichert werden, wenn „unsere Heere in wenigen Märschen in die Ebenen der Champagne herabsteigen können, wenn dem Raubtier die Zähne ausgebrochen sind und […] Frankreich nicht mehr wagen darf uns anzugreifen“418. Der gänzlich verfeindeten Nation sprach er dabei jegliches Selbstbestimmungsrecht ab und stellte ihr Recht und historische Vorsehung des wachsenden Großstaates gegenüber419. Das französische Elsass sei einst entstanden als Folge des Partikularismus im darniederliegenden Deutschland. Nun könne die Entstehung neuer Provinzen die nationale Politik stärken und die Parteien lehren, „aus der Rechthaberei des Fractionslebens, aus der Armseligkeit doktrinärer Programme sich emporzu-
412 Bussmann, Treitschke, S. 352, sieht Treitschkes Aufsatz geradezu als von Wehrenpfennig provoziert an. 413 Treitschke an Baumgarten am 19. August 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 18, Mappe 11, Bl. 47): „Lassen Sie die Arbeit in den Jahrbüchern erscheinen, so ist ihr ein guter Leserkreis sicher; die Broschüre mag sich dann noch mehr Leser suchen. Es schadet Nichts, wenn Sie die Arbeit etwas populärer halten als in den Jahrbüchern üblich; gewisse große Wahrheiten können nicht oft und nicht einfach genug gesagt werden.“ 414 Vgl. Baumgarten an Treitschke am 8. September 1870 (ebd., Kasten 5, Mappe 41, Bl. 90 f.). 415 Vgl. Wehrenpfennig an Treitschke am 12. September 1870 (ebd., Kasten 9, Mappe 46, Bl. 314 f.). 416 Vgl. Jungverleger Ernst Reimer an Treitschke, 3. September/29. Oktober 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 8, Mappe 69). 417 von Treitschke, Was fordern wir von Frankreich?, in PJ XXVI, 3 (1870), S. 367 ff., hier S. 368. Vgl. auch seinen Brief an Baumgarten vom 18. August 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 283 f.) und dessen Antwort am gleichen Tag (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 477). 418 von Treitschke, ebd., S. 370. Rache werde noch lange „die einzige Idee sein, welche den verfallenden Staat durchleuchtet. Ein zuverlässiges freundnachbarliches Verhältniß bleibt vorderhand unmöglich.“ 419 Vgl. ebd., S. 371 und Zeller, Das Recht der Nationalität und die freie Selbstbestimmung der Völker, in PJ XXVI, 6 (1870), S. 627 ff., bes. S. 648 ff. Bussmann, Treitschke, S. 375, dazu: „Es scheint, als sei Treitschke diese umwegige und geradezu konstruktivistische Begründung für das Recht auf Metz geläufiger als sonst noch so gute militärische bzw. realpolitische Gesichtspunkte. Er befand sich hier gewissermaßen wieder auf dem Boden seiner eigentümlichen Neigungen. Die Motive einer Vernunftsgläubigkeit ließen sich leicht in den Bekenntnissen auch anderer Historiker und Publizisten nachweisen, obwohl sie nirgends gleichsam so mit Händen zu greifen sind und so naiv ausgesprochen werden wie bei Treitschke.“
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heben zu einer großen, streng sachlichen Behandlung der Staatsgeschäfte“420. Die „Grenze, die wir zu fordern berechtigt sind“, sei „vorgezeichnet durch die Sprache und Sitte des Landvolks“421 und durch dessen Sicherheitsansprüche. Eine weise nationale Politik müsse daher „nicht mit doktrinärem Eigensinn an der Sprachgrenze als einer unüberschreitbaren Schranke festhalten“422. Einen großen Teil seiner Abhandlung widmete Treitschke der Herleitung eines nicht versiegten Deutschtums der französischen Gebiete.423 So sei das Elsass infolge der französischen Zentralisation schwer vom Feindesland abzutrennen, jedoch im tiefsten Innern deutsch. In Lothringen hingegen habe „unter einem fast ausschließlich katholischen Volke […] deutsche Gesittung niemals so großartig sich entfaltet“424. Infolgedessen sei „Preußen, allein Preußen!“425 imstande, die annektierten Gebiete effektiv zu verwalten und gegen französische Revanchegelüste zu behaupten. Diese Last anzunehmen sei eine tief patriotische Tat. Indiskutabel seien Alternativen wie ein neutraler Pufferstaat, ein Anschluss Elsass-Lothringens an Baden426 oder an Bayern427. „Die Zeit ist für immer vorüber, da deutsche Mittelstaaten noch wachsen konnten“, konstatierte Treitschke und ergänzte: „[W]ir wollen Deutschlands Einheit, nicht ein trügerisches Gleichgewicht.“428 420
von Treitschke, Was fordern wir von Frankreich?, S. 374. Ebd., S. 376 und S. 378. Grob gesagt verlief die Grenze für Treitschke an den Vogesen entlang bis zur Saarquelle. Dahinter seien „Land und Leute verwandelt“, werde „kein deutsches Wort mehr gesprochen“, „der dürftigere Häuserbau, der Holzschuh und die baumwollene Zipfelmütze verrathen […] die französische Civilisation“. 422 Ebd., S. 379. Bussmann, Treitschke, S. 361, wies darauf hin, dass bereits Wehrenpfennig die Sprachgrenze als politisches Prinzip abgelehnt habe: „Kaum an einer anderen Stelle wird die Abhängigkeit, in welcher sich Treitschkes publizistische Behandlung militärisch-diplomatischer Fragen vom Vorbild Wehrenpfennigs befindet, so deutlich wie in der elsaß-lothringischen Frage.“ Treitschke allerdings deute Wehrenpfennigs Sicht – wegen außenpolitischer Verwicklungen nicht über die Sprachgrenze zu diskutieren – so um, dass er ihre Nichtbeachtung als Notwendigkeit ansah, um mit der Germanisierung des anderen Volkes zu beginnen. 423 Bussmann, Treitschke., S. 355, sprach von großen Mengen „überladenen Beweismaterials“ für die Rückkehr der deutschsprachigen Gebiete und der Erwerbung der französischen. Vgl. Zeller, Recht der Nationalität, S. 633 ff. 424 Ebd., S. 396; vgl. auch S. 396 ff. 425 von Treitschke, Was fordern wir von Frankreich?, in PJ XXVI, 3 (1870), S. 398; vgl. S. 399 f. und S. 403. 426 Ebd., S. 401: „Wer vermöchte die starken ultramontanen und radikalen Parteien des Landes, die heute eine verständige liberale Mehrheit darniederhält, dann noch zu bändigen, wenn sie mit den verwandten Parteien im Elsaß sich verbündeten? Ein solcher Staat wäre […] eine politische Unmöglichkeit.“ 427 Vgl. ebd., S. 402 und S. 405. Die Begründung kam von Baumgarten am 18. August 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 477): „Gäbe man Bayern das Elsaß, so machte man es vollends zur süddeutschen Großmacht. Natürlich würde dann dieses bei erster Gelegenheit das neue Land an Frankreich zurückgeben und sich mit Baden und Württemberg entschädigen lassen. Hat dagegen Preußen die ganze Grenze gegen Frankreich inne, so kann man der bayrischen Souveränität ohne Gefahr alle möglichen Konzessionen machen.“ 428 Ebd., S. 405 und S. 406. 421
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Den neuen deutschen Gebieten prophezeite Treitschke dabei eine positive Entwicklung.429 Weniger optimistisch war er in Bezug auf Frankreich – was wiederum der Assimilation des Elsass zugute komme: „Gedemüthigt, von wüthenden Parteien zerfleischt, kann Frankreich in den nächsten Jahren schwerlich an einen Rachekrieg denken. Gewinnen wir diese Frist, so steht zu hoffen, daß Straßburg dann schon aus seinem Schutte neu erstanden ist, und die Elsasser sich schon mit ihrem Schicksal versöhnt haben.“430 Was fordern wir von Frankreich? stand – neben einem von Moritz Busch im Auftrag Bismarcks verfassten Aufruf an das deutsche Volk – Anfang September 1870 am Beginn eines gewaltigen Pressechores, der sichere und vorgerückte Westgrenzen für ein geeintes deutsches Staatsgebiet forderte. Vor allem in Baden und Württemberg erschienen unzählige Artikel und Broschüren, die sich mit der Annexion ElsassLothringens auseinandersetzten.431 Lediglich die Berliner Volkszeitung432 und zunächst die Nationalzeitung433 waren in Bezug auf Annexionen skeptisch, da sie einen verwundbaren Fleck für das neu zu organisierende Deutschland darstellten und Frankreich einen berechtigen, dauernden Kriegsgrund schafften. Die deutsche Publizistik war sich also weitestgehend darüber einig, dass das Elsass und Lothringen der siegreichen Nation zugeschlagen werden sollten.434 Zudem erwogen die PJ die Annexion Luxemburgs, um die dortige Bevölkerung vor der moralischen Verrottung durch französischen Einfluss zu schützen.435 Über die Stellung der zu annektierenden Gebiete in der neuen Staatsorganisation aber herrschten in der deutschen Presse unterschiedliche Vorstellungen. So kamen vor allem in Süddeutschland Stimmen auf, die für die Treue mit Preußen einen Territorialgewinn forderten.436 Daher setzte Heinrich von Treitschke im September 1870 alles daran, gewichtige Mitstreiter um Artikel zur Förderung der Eingliederung Elsass-Lothringens in Preußen zu bitten. Er schrieb Julian Schmidt, die deutsche Presse befolge in dieser Sache „ein unverantwortliches System der Zurückhaltung. 429
von Treitschke, Was fordern wir von Frankreich?, S. 406: „Die nüchternen, gerechten Grundsätze, die wir in allen neuerworbenen Provinzen erprobten, reichen auch hier im Westen völlig aus. Nach einer kurzen Uebergangszeit strenger Dictatur können die Lande ohne Gefahr in den Vollgenuß preußisch-deutscher Verfassungsrechte eintreten.“ 430 Ebd., S. 408. 431 Vgl. Körner, Annexionsfragen, S. 19 und S. 26 ff. sowie Schwab, Königgrätz, S. 333 ff. Ebenso betonte Grunewald, Frankreich aus Sicht der PJ, S. 194, dass die PJ nicht nationaler als andere Publikationen argumentierten und in den meisten Fällen um eine sachliche Einordnung der Geschehnisse bemüht waren. 432 Vgl. Körner, ebd., S. 75 und Koch, Berliner Presse und Europäisches Geschehen, S. 85 f. 433 Vgl. Friehe, Nationalzeitung, S. 170 und Körner, ebd., S. 20. 434 Zur fortdauernden Diskussion noch 1871 vgl. Koch, Berliner Presse und europäisches Geschehen, S. 309 ff. 435 von Treitschke, Luxemburg und das deutsche Reich, in PJ XXVI, 5 (1870), S. 605 ff. 436 Vgl. Hermann Baumgarten an Hermann Reuchlin am 22. August 1870 (WLB Stuttgart, NL Reuchlin, Cod. hist. Fol. 815., Fasz. 5, Nr. 16).
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Es wird hohe Zeit, daß vernünftige Männer das Nothwendige offen aussprechen.“ Eine Vergrößerung Bayerns wäre „geradezu ein Verbrechen“, „die Begründung eines neuen Dualismus“. So dürfe der Krieg nicht enden.437 Selbst den preußischen Ministerpräsidenten erreichte in dieser Sache ein Brief Treitschkes. Dort heißt es: „Der Süden will […] daß sich eine preußische Provinz zwischen Frankreich und Baden schiebe; und wenn die preußische Regierung offen diesem Ziel zuarbeitet, so kann sie auf den Beistand aller treuen Deutschen“ in Bayern, Baden und Schwaben zählen438. Doch da Bismarck und König Wilhelm zunächst vor einer erneuten Gebietserweiterung Preußens Abstand hielten439 griff Treitschke erneut zur Feder. Er forderte im Oktoberheft der PJ eindringlich die Eingliederung Elsass-Lothringens in den preußischen Staat – im Gleichklang unter anderem mit der Kölnischen, Vossischen, Staatsbürger- oder Nationalzeitung440 – während im gleichen Heft Wilhelm Wehrenpfennig zu Treitschkes Verdruss lediglich davor warnte, die drei süddeutschen Staaten weiter dem französischen Einfluss auszusetzen441. Treitschke begründete seine Sicht der Dinge übrigens mit dem Recht auch der neuen Staatsbürger auf eine eigene Landesvertretung. Diese wäre, auf sich alleine gestellt und nicht in die preußische eingegliedert, kein Instrument der Verständigung mehr. So entstünde vielmehr „ein Tummelplatz des Vaterlandsverraths, französischer Ränke und republikanischer Wühlereien. Nein wahrlich, ein so gefährdeter Besitz bietet keinen Boden für politische Experimente […].“442 Allerdings stellte Treitschke fest, dass viele Befürworter seiner Idee zugleich an der innenpolitischen Stärke und Integrationskraft Preußens zweifelten. „[F]ühre man die unverbesserlichen Franzosen-Freunde in das Preußische Abgeordnetenhaus ein“, ahnte der Tübinger Staatsrechtler und PJ-Mitarbeiter Friedrich Thudichum, würden diese mit Polen, Klerikalen und Fortschrittlern „wenig Gutes 437 Treitschke an Schmidt am 1. September 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 23, Bl. 10); ebenso an Ernst von Eynern am 9. September 1870 (ebd., Kasten 2, Nr. 37, Bl. 9) und an einen unbekannten Empfänger am 3. September 1870 (UB Heidelberg, Heid. Hs. 3476, 58). 438 Treitschke an Bismarck am 8. September 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 287 f.). 439 Vgl. auch Treitschke an Wilhelm Maurenbrecher am 19. September 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke Kasten 2, Nr. 9, Bl. 1/2): „Bismarcks Plan geht […] leider dahin, die Lande zu einem deutschen ,Vorlande‘ unter Bundesverwaltung zu machen. Das wäre für den Augenblick, Bayerns wegen, sehr bequem, doch für die Zukunft sehr gefährlich, und […] müssen wir versuchen dem unglücklichen Gedanken entgegenzuwirken.“ 440 Vgl. Koch, Berliner Presse und europäisches Geschehen, S. 328 ff. sowie Hermann Baumgarten an Heinrich von Sybel am 22. September 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 478 f.). 441 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 30. September, in PJ XXIV, 4 (1870), S. 502 ff. und Wehrenpfennig/Baumgarten, Die süddeutsche Frage, in PJ XXIV, 5 (1870), S. 612 ff. 442 von Treitschke, Friedenshoffnungen, in PJ XXVI, 4 (1870), S. 491 ff., hier S. 494.
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stiften“. Da er es ebenfalls für einen Fehler hielt, Reichstag, Bundesrat und Bundeskanzler „mit Elsäßischen Kleinigkeiten, Gemeinde-, Schul-, Kirchenwesen, Steuergesetzgebung u.s.w. zu behelligen“, empfahl er „einige Jahre Dictatur unter Rechenschaftsbericht an den Reichstag […]. Ohne Zweifel gibt uns ein längeres Provisorium Gelegenheit weiter über diese schweren Fragen nachzudenken.“443 Den sich hinziehenden Krieg stilisierten die meisten publizistischen Organe des sich bildenden Gesamtstaates als einen pflichtbewusster und sittlich erhabener deutscher Soldaten gegen unmoralische Franzosen.444 Gerade die Nationalliberalen waren erst spät dazu bereit, sich von der Vorstellung des Volkskrieges ohne Schattenseiten zu verabschieden.445 So war auch den PJ bis zum Friedensschluss mit Frankreich vor allem daran gelegen, „die gräßliche Zerrüttung des Staats- und Volkslebens unserer Feinde“446 darzustellen. „Mir ist es gleichviel, ob ein republikanisches, ein bonapartistisches oder ein orleanistisches Frankreich aus dem Hexenkessel hervorgehen wird – genug, daß es ein schwaches und ungefährliches sein wird.“447 Diese Aussage Rudolf Hayms fasst die Sicht des PJ-Umfelds treffend zusammen. Unter den Franzosen und ihrer politischen Führung grassiere eine nationale Selbstvergötterung. Diese verhindere eine realistische Einschätzung der militärischen Lage und bringe Abenteurer wie Innenminister Léon Gambetta ans Ruder, der nicht bereit sei, den aussichtslosen Krieg der Republik Frankreich zu beenden.448 In seiner Korrespondenz äußerte sich Treitschke despektierlich über die militärische Führung der Franzosen: „Diese saubere Nation bleibt bis zum letzten Augenblicke dieselbe“, schrieb er an PJ-Verleger Reimer. „Der General der mit Moltke wegen der Capitulation verhandeln sollte, kam […] besoffen in Versailles an – mein […] Schwager sprach ihn selbst, soweit das möglich war. Man mußte die Verhandlung um
443 Alle Zitate aus dem Brief Thudichums and Treitschke vom 8. Dezember 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 10, Bl. 3 ff.). Auch die Augsburger Allgemeine Zeitung (vom 23. November 1870, in BArch, NL Oetker, N/2215 – 25, Bl. 29) schrieb: „Die Lage der Dinge selbst scheint uns daher auf den einstweiligen Aufschub dieser Einverleibung und auf Schaffung eines Provisoriums hinzudrängen, welches Elsaß-Lothringen einstweilen außerhalb des preußischen Staats- und des deutschen Bundesverbandes beläßt, uns aber die Vortheile des Besitzes dieser Gebiete so lange sichert bis wir dieselben genügend für uns gewonnen haben, um sie auf gleichem Fuße mit den übrigen Deutschen in den deutschen Staatsverband aufnehmen zu können.“ 444 Vgl. Becker, Bilder von Krieg und Nation, S. 341 ff. und Grunewald, Frankreich aus Sicht der PJ, S. 195. 445 Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 269 f. 446 von Treitschke, Friedenshoffnungen, in PJ XXVI, 4 (1870), S. 491. 447 Haym an Max Duncker am 5. April 1871 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 281). 448 von Treitschke, Parteien und Fraktionen, in PJ XXVII, 2 (1871), S. 175 ff., hier S. 177. Vgl. Grimm, Voltaire und Frankreich, und Usinger, Der politische Zustand Frankreichs, jeweils in PJ XXVII, 1 (1871).
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einen Tag verschieben, bis die grande nation wieder nüchtern war.“449 So konnte es für die PJ nur ein Ziel geben: die Hauptstadt des moralisch verrotteten Frankreich musste fallen.450 Der Blick auf die anderen europäischen Staaten unterblieb während des Krieges gegen Frankreich beinahe vollständig. Lediglich das Ende der weltlichen Herrschaft des Papstes im Kirchenstaat nahmen die PJ wohlwollend zur Kenntnis, merkten aber an: „Italiens Freiheit ist nicht gesichert, solange die Sprache, die Sitten, die Politik der Franzosen noch die Halbinsel beherrschen.“451 Darüber hinaus beschuldigte man England, aus dem Krieg um jeden Preis Handelsvorteile herausschlagen zu wollen. Heinrich von Treitschke und Reinhold Pauli betonten mehrfach, dass ein solch feiger und ohnmächtiger Staat kein Vorbild mehr für die deutsche Verfassungsentwicklung sein könne. Es galt ihnen, Englands Neutralitätsbruch als „Symptom einer allgemeinen Staatskrise zu schildern und diese wiederum als logische Konsequenz liberaler Parteiherrschaft erscheinen zu lassen. Auf diese Weise wurde England als Modell für etwaige innenpolitische Reformen restlos diskreditiert. Stattdessen diente es nun als abschreckendes Anschauungsmaterial dafür, zu welch verderblichen Folgen die durch keine wirksamen Kontrollrechte, etwa der Krone, mehr eingeschränkte Herrschaft des Liberalismus zwangsläufig führen musste.“452
c) Die PJ und das Ende des deutsch-französischen Krieges Zum deutsch-französischen Verhältnis hatten sich die PJ bereits im Herbst 1870 umfassend und abschließend geäußert. Es galt, dem prinzipiell verfeindeten Nachbarstaat den eigenen moralischen, politischen und militärischen Niedergang aufzuzeigen. Das deutsche Volk sollte auf Dauer vor der französischen Bedrohung geschützt werden: nach innen im gut organisierten Nationalstaat unter preußischer Führung, nach außen durch sichere Grenzen nach Westen infolge der Ausdehnung deutschen Staatsgebiets auf das Elsass und Lothringen. Nach dem Waffenstillstand mit Frankreich betonte Wehrenpfennig daher nochmals die großartige Leistung des deutschen Volkes unter preußischer Militärführung453 für den Erhalt der „Prinzipien wahrhafter Freiheit, ernster Sitte, wirklicher Cultur und Bildung, die heute keinen 449
Brief vom 31. Januar 1871 (StaBi Berlin PK, Dep. 42, Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 56). 450 Vgl. von Treitschke, Die Verträge mit den Südstaaten, in PJ XXVI, 6 (1870), S. 684 ff. und Treitschke an Verleger Georg Reimer am 6. Januar 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 10, Bl. 30). 451 von Treitschke, Friedenshoffnungen, S. 500. 452 Scheerer, Nationalliberale und England, S. 88, der die ähnliche Sicht von Grenzboten und Im Neuen Reich betont. Vgl. von Treitschke, Die Feuerprobe des norddeutschen Bundes, S. 249; Pauli, Unsere Klagen über England, in PJ XXVI, 5 (1870), S. 515 ff. und Pauli, Lebenserinnerungen, S. 272 ff. 453 Vgl. Wehrenpfennig, Am Schluss des Kriegs (Politische Korrespondenz), in PJ XXVII, 3 (1871), S. 376 ff., hier S. 376 und für ähnliche Stimmen Becker, Krieg und Nation, S. 265 f.
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mächtigen Träger in Europa mehr haben würden, wenn Deutschlands Waffen unterlägen wären“454. Den Frankfurter Frieden interpretierten die PJ daher als Beweis maßvoller „Staatskunst, welche dem besiegten Feinde nicht mehr auferlegt als das Nothwendige und der widerwilligen Welt die Ueberzeugung aufzwingt, daß Deutschlands Einheit den europäischen Frieden verbürgt“455. Der Krieg sollte demnach ein neues, friedvolles Zeitalter begründen – bestimmt durch die Hegemonie eines Deutschen Reiches, das aus territorialer Sicherheit aus agieren könne.456 Französische Revanchegedanken, die beispielsweise Victor Hugo geäußert hatte und die in der deutschen Presse im Frühjahr 1871 lautstark zurückgewiesen wurden457, griff man nicht mehr auf. Die PJ beschäftigte bereits die Diskussion über die Stellung Preußens im neuen Deutschen Reich, die Ausgestaltung der Reichsverfassung und die Bestimmung der eigenen Position im nun gesamtdeutschen Parteienspektrum.
4. Die Verhandlungen zur Begründung des Deutschen Reiches a) Das politische Geschehen Als die militärische Niederlage Frankreichs nach der Niederlage bei Sedan vorauszusehen war, rückte die Frage der nationalen Einheit in den Mittelpunkt der politischen Aktivität in Deutschland. Durch den Kriegsverlauf schien die Nation emotional bereits geeint, europaweit erkannte man die deutsche Einigung als politisch unvermeidbar an. Vor diesem Hintergrund wiederholte Baden seinen zu Jahresbeginn 1870 schon einmal gestellten Antrag auf einen Beitritt zum Norddeutschen Bund und erklärte seine Bereitschaft, die Norddeutsche Bundesverfassung ohne Überarbeitung anzunehmen. Die folgenden Monate zeigten den Norddeutschen Bundeskanzler Otto von Bismarck „auf dem Höhepunkt seiner politisch-diplomatischen Fähigkeiten“458. 454
Wehrenpfennig, ebd., S. 388. von Treitschke, Friedenshoffnungen, in PJ XXVI, 4 (1870), S. 501; ähnlich die Kreuzzeitung vom 16. Mai 1871 (in Koch, Berliner Presse und Europäisches Geschehen, S. 366). 456 Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik. S. 271 f., der in diesem Zusammenhang Äußerungen Gustav Rümelins und Rudolf Hayms zitiert, die in den Ereignissen des Jahres 1870/1 die Bestätigung Hegelscher Staatsweisheit erkannt hätten. Vgl. dazu auch Haym, Baumgarten, S. 613. 457 Vgl. Koch, Berliner Presse und europäisches Geschehen, S. 356 f. (Beispiele aus Norddeutscher Allgemeiner, Spenerscher und Nationalzeitung). 458 Gall, Bismarck, S. 444. Vgl. zum Themenkomplex ebenfalls Brandt, Deutsche Geschichte, S. 242 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 724 ff.; Huber, Verfassungsdokumente II, S. 258 ff.; Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 515 ff.; Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 76 ff. 455
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Gemeinsam mit Kanzleramtschef Rudolf von Delbrück, im Namen eines übermächtigen Preußen, gestärkt durch die Macht des Norddeutschen Bundes, bereit zum Entgegenkommen gegenüber den süddeutschen Wünschen, erreichte er in getrennten Verhandlungen mit den souveränen monarchischen Regierungen Süddeutschlands einen allgemein akzeptierten Interessensausgleich. Mit Baden und Hessen wurden schnelle Abschlüsse mit dem Ziel erreicht, zum 1. Januar 1871 einen „Deutschen Bund“ zu gründen und dessen Verfassung festzustellen. Die Verhandlungen mit Bayern und Württemberg gestalteten sich äußerst zäh. Letztlich sorgte die Angst vor einer politischen Isolierung dafür, dass die Wünsche nach Kompensationen für den preußischen Machtgewinn und nach einer Totalrevision der Bundesverfassung fallen gelassen wurden. Das umfangreiche Vertragswerk des Norddeutschen Bundes mit Hessen, Baden, Württemberg und Bayern wurde zwischen dem 15. und 25. November 1870 unterzeichnet. Den Abschluss bildeten im Dezember ein Beitritts- und Verfassungs-Neuordnungsvertrag mit Bayern und wechselseitige Folgeverträge zwischen allen beteiligten Staaten. Bayern und Württemberg erhielten Reservatrechte im Post- und Steuerwesen, faktisch eine selbständige Heeresverwaltung in Friedenszeiten sowie das Versprechen eines Bundesratsausschusses für auswärtige Angelegenheiten unter bayerischem Vorsitz – der aber nur einmal in den folgenden 30 Jahren tagte. Ludwig II. von Bayern erhielt große Geldzahlungen, man garantierte ihm außerdem jährliche Zuwendungen aus dem 1866 gegründeten Welfenfonds. Letztlich aber blieb es bei einer modifizierten Norddeutschen Bundesverfassung für das neu gegründete Staatsgebilde und „im wesentlichen beim bloßen Anschluss der süddeutschen Staaten an den Bund“459. Dementsprechend umstritten waren die Versailler Verträge trotz aller Reservatrechte gerade in Bayern, wo man zu recht erahnte, dass diese mehr symbolische als substanzielle Bedeutung erlangen sollten. Während die Kammer der Reichsräte im Dezember 1870 schnell für die Annahme der Versailler Verträge plädierte, dauerten die Debatten in der Kammer der Abgeordneten bis zum 21. Januar 1871 an. Letztlich wurden die Verträge mit 102 zu 48 Stimmen angenommen. Dabei kamen 47 der Neinstimmen von der Bayerischen Patriotenpartei460, die in dieser Frage selbst uneins war. Auch die Hoffnungen der nun gesamtdeutsch zusammengefassten Nationalliberalen461 wurden enttäuscht: Sie mussten hinnehmen, dass aus den Verhandlungen unter fürstlichen Regierungen kaum Reformen in unitarischem und liberalem Sinn entsprungen waren, dass die neue Staatsorganisation eine deutlich föderative Gestalt annehmen würde, dass es 459
Gall, Bismarcks Süddeutschlandpolitik, S. 32. Vgl. Bergsträsser, Geschichte der Reichsverfassung, S. 105 ff.; Jörg, Briefwechsel, S. 348 ff.; Roeder, Wider Kaiser und Reich; bei Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 749 f. die Punktation führender Landtagsabgeordneter der Bayerischen Patriotenpartei zur Schaffung eines deutschen Nationalstaates. 461 Vgl. Mayer, Nationalliberale, S. 141 ff.; Sten. Ber. Norddt. RT 1870 II, außerordentliche Session, S. 162 f. 460
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keine verantwortlichen Reichsministerien geben werde und vor allem Bayern bedeutende Reservatrechte erhalten sollte.462 Während sich die Verhandlungen um die Versailler Verträge auf dem Gebiet der Geheimdiplomatie abspielten, führte die breite Öffentlichkeit eine Diskussion um die Schaffung eines deutschen Kaisertums. Am 31. Oktober 1870 bat der badische Großherzog Friedrich I. in einem Brief König Ludwig II. von Bayern, dem preußischen König die Kaiserwürde anzutragen.463 Der Norddeutsche Reichstag richtete eine entsprechende Adresse an Wilhelm I.464, der sich der wiederholten Ehrerbietung nicht länger verschließen konnte – wenn auch Preußens Königswürde unter einem deutschen Kaisertum verblassen würde. Am 9. und 10. Dezember 1870 beschlossen Norddeutscher Bundesrat und Reichstag die Einführung der Bezeichnungen Deutsches Reich und Deutscher Kaiser.465 Im Spiegelsaal von Versailles wurde schließlich am 18. Januar 1871 das Deutsche Reich ausgerufen und Wilhelm I. zum Kaiser gekrönt – exakt 170 Jahre nachdem Preußen unter Friedrich III./I. zum Königreich aufgestiegen war. „Im Herzen des besiegten Landes, im Kreis von Generälen, Höflingen und Diplomaten begingen die deutschen Fürsten die kleindeutsche Einigung als einen Akt der Bestätigung und Bekräftigung ihrer Souveränität und ihres Anspruches auf die alles überragende politische Stellung. Die Öffentlichkeit, die Volksvertretung, die eigentlichen Antriebskräfte der nationalstaatlichen Einigung in Wirtschaft und Gesellschaft – sie alle traten zurück gegenüber diese Selbstdarstellung des Fürstenstaates […].“466
Die Verfassung des Deutschen Reiches467 trat am 4. Mai 1871 in Kraft und fasste – abgesehen von Deutsch-Österreichern, Luxemburgern und Liechtensteinern – erstmals tatsächlich alle Deutschen unter ihren Bestimmungen zusammen. Allerdings war sie vor allem Abschluss eines militärisch-dynastischen Akts der Kriegsführung 462 Eine exzellente Kurzzusammenfassung der Reaktionen auf die Reichsgründung aus den verschiedenen politischen Lagern bei Althammer, Bismarckreich, S. 28 ff. 463 Huber, Verfassungsdokumente II, S. 277: „Die Erneuerung der deutschen Kaiserwürde als des Schlußsteins des Reiches deutscher Nation gilt wohl auch in den Augen Ew. M[ajestät] als die sichere Bürgschaft sowohl für die Unauflöslichkeit des alle deutschen Länder umschließenden Bandes, als auch für die Achtung gebietende Stellung derselben gegenüber Europa. Ein unvergänglicher Ruhm würde sich an den Namen König Ludwigs II. knüpfen, wenn der große Wendepunkt, an dem die Geschicke Deutschlands gegenwärtig sich befinden, durch seine kühne Initiative dahin führte, daß schwere Opfer der Nation zuletzt mit der Anerbietung der Kaiserwürde an den greisen Heldenkönig von Preußen, Ihren verehrten Oheim, belohnt und gekrönt würden. Das gesamte deutsche Volk würde Ihnen dankbar zujubeln.“ Der sogenannte Kaiserbrief Ludwigs II. an König Wilhelm I. von Preußen vom 30. November 1870 ebd., S. 278 f. 464 Vgl. Sten. Ber. Norddt. RT 1870 II, außerordentliche Session, S. 182 f. 465 Vgl. Huber, Verfassungsdokumente II, S. 281. 466 Gall, Bismarck, S. 450. Vgl. Althammer, Bismarckreich, S. 22 ff. und Pflanze, Bismarck, S. 502 ff. 467 Huber, Dokumente II, S. 289 ff.; vgl. Verfassungsgeschichten von Kotulla, S. 527 ff. und Menger, S. 146 ff.
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und Staatseinigung. Die Verfassung bestand aus 78 Artikeln und war „so einsilbig, daß nennenswerte Verfassungsänderungen von 1871 bis zur Oktoberverfassung von 1918, die dann mit wenigen Halbsätzen das Reich parlamentarisierte, nicht stattfanden“468. Die Volkssouveränität bestand nur im Ansatz durch das Wahlrecht, ein erweiterter Grundrechtskatalog war mit Verweis auf die Landesverfassungen nicht aufgeführt. Auch als Nationalstaat definierte sich das Reich nicht, sondern als ewigen Bund der Fürstenhäuser und Staatsregierungen „zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechts sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes“. In der politischen Praxis zeigte sich schnell, dass die eigentlichen Souveräne des Reiches der preußische Monarch und die von ihm ernannte Staatsregierung waren.469 Gesetzgebung, Haushaltsfragen und parlamentarische Auseinandersetzungen liefen in der Person des Reichskanzlers zusammen, der vom Kaiser ernannt wurde und nach der Staatsräson kein anderer als der preußische Ministerpräsident sein konnte. Das preußische Staatsministerium fungierte in der Gesetzgebung damit als das eigentliche Reichskabinett, das darüber hinaus dem Reichstag gegenüber nicht verantwortlich war. Innerhalb des Bundesrats genügten die 17 preußischen Stimmen, um unerwünschte Vorhaben zu stoppen – zuständig für deren Koordination war der preußische Minister für auswärtige Angelegenheiten, stets identisch mit dem Ministerpräsidenten.470 Darüber hinaus blieb das Militär der parlamentarischen Kontrolle entzogen und preußisch dominiert: der preußische Monarch erhielt im Ausnahmezustand die Kommandogewalt über die Reichsarmee, der Militärhaushalt wurde weiter über Pauschalzahlungen durch das Parlament bewilligt, deutsche Soldaten standen außerhalb der zivilen Gerichtsbarkeit.471 b) Die PJ zur Reichsgründung „Der uralte Traum von Kaiser und Reich […] wird wieder lebendig, willig folgt die Nation ihrem königlichen Feldherrn, und der König erwidert dem begeisterten Zuruf, er werde Treue mit Treue vergelten. Wer darf schon sagen, wenn und in welchen Formen sich das deutsche Königthum vollenden wird? Nur das bleibt sicher: die Waffenbrüderschaft, die in diesem Krieg geschlossen wird, ist nicht mehr aufzulösen, und das Herrschergeschlecht, das uns diesmal zum Sieg führt, wird Deutschlands Krone tragen.“472
Wie dieses Zitat Treitschkes belegt, setzte die liberale Nationalbewegung den Ausbruch des deutsch-französischen Krieges mit dem Beginn der Lösung der 468
Stürmer, Das ruhelose Reich, S. 99. Vgl. Huber, Verfassungsgeschichten III, S. 798 ff. und IV, S. 131 ff. sowie Clark, Preußen, S. 636 ff. 470 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 849 ff. 471 Vgl. Stürmer, Das ruhelose Reich, S. 100. 472 von Treitschke, Die Feuerprobe des norddeutschen Bundes, in PJ XXVI, 2 (1870), S. 242 f. 469
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deutschen Frage gleich.473 „Mit derselben Nothwendigkeit, mit welcher sich nach dem Falle Oesterreichs der norddeutsche Bundesstaat bildete, wird sich nach dem Falle Frankreichs der deutsche Bundesstaat bilden“, sagte Wehrenpfennig voraus.474 Beide wiesen aber auch darauf hin, dass man immer auf fantastische Wendungen des Partikularismus und Parteiwirren gefasst sein müsse.475 Das neue Staatsgebilde sahen Treitschke und Wehrenpfennig ganz in der Tradition des von Preußen dominierten Norddeutschen Bundes: „Wir bedürfen keines Neubaus, keiner constituirenden Versammlung; es genügt, wenn die süddeutschen Staaten einfach sich der norddeutschen Bundesverfassung unterordnen, mit Vorbehalt einiger Aenderungen, welche zu Gunsten Preußens und Baierns unerläßlich sind.“476 Vor allem die Angst vor einer preußischen Minderheitsposition in einem gesamtdeutschen Bundesrat nötigte beide, jeglichen Plänen zur Erweiterung des Bundeszweckes, zur Kompetenzerweiterung für die Bundesgewalt oder zur Neugestaltung der Bundesverfassung eine Absage zu erteilen.477 Dabei unterschieden sich die Motive der PJ kaum von denen der Kreuzzeitung, die den vollen Machterhalt Preußens im Bund autonomer Einzelstaaten forderte, aber befürchtete, im neuen Staat von (links)liberalen, süddeutschen, demokratischen und katholischen Stimmen marginalisiert zu werden.478 Wehrenpfennig wies Baden eine Schlüsselrolle bei der Konstituierung des neuen Staates zu. Ein schneller Abschluss der Verhandlungen der preußischen Regierung mit Baden, das in den vergangenen Jahren treu zu den Vereinbarungen mit dem Norddeutschen Bund gestanden habe, könne sich positiv auf die Verhandlungen mit Württemberg und Bayern auswirken.479 Allerdings ging man auch davon aus, dass
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Vgl. auch die Briefe Baumgartens an Reuchlin am 13. Juli 1870 (WLB Stuttgart, NL Reuchlin, Cod. hist. fol. 815. Fasz. 5, Nr. 15) und an Sybel am 11. August 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 474 f.) sowie Haym an Duncker am 2. August 1870 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 452 f.) und Wehrenpfennigs an Lang am 27. Juli 1870 (WLB Stuttgart, NL Lang, Cod. Hist. 88 156, Fasz. 308, Br. 50). 474 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 30. September, in PJ XXVI, 6 (1870), S. 502 ff., hier S. 503. Aufgegriffen in der Provinzial-Correspondenz vom 12. Oktober 1870, online unter (letzter Zugriff vom 9. Juni 2016): http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/kalender/ auswahl/date/1870 – 10 – 12/9838247/?no_cache=1. 475 Vgl. Wehrenpfennig, ebd., S. 504 und von Treitschke, Die Feuerprobe des norddeutschen Bundes, S. 241. 476 von Treitschke, Friedenshoffnungen, in PJ XXVI, 4 (1870), S. 497. Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 30. September, S. 506 f. 477 Vgl. Wehrenpfennig, ebd., in PJ XXVI, 6 (1870), S. 512 f. 478 Vgl. Bussiek, Kreuzzeitung, S. 211 ff. und Koch, Berliner Presse und Europäisches Geschehen, S. 79. Spenersche Zeitung und Volkszeitung sprachen sich im Gegensatz dazu erneut für die Einführung der Reichsverfassung von 1849 aus (vgl. Koch, ebd., S. 52 und S. 86). 479 Vgl. Wehrenpfennig, ebd., S. 508 ff.; Die süddeutsche Frage, in PJ XXVI, 5 (1870), S. 612 ff., hier S. 616 sowie sein Brief an Baumgarten am 21. Oktober 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 482).
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Baden diese Position zum eigenen Vorteil nutzen werde. Es sei im Preis sehr gestiegen, bemerkte Hermann Baumgarten.480 In Württemberg erkannte man ein Schwanken zwischen der Angst vor bundespolitischer Isolation und dem Wunsch, möglichst viel Souveränität in die neue Staatsordnung zu retten. Nur eine kleine nationale Partei setze sich für den raschen Anschluss an den Norddeutschen Bund ohne Vorbedingungen ein.481 „Württemberg verrät […], wie schwer es ihm wird, deutsch zu sein“, schrieb Baumgarten. Sein Zusatz aber fasste den Optimismus der Nationalbewegung zusammen: „[E]s kann nicht zurück.“482 Diese Sichtweise schien sich zu bestätigen, als Hermann von Mittnacht im Herbst 1870 Karl von Varnbüler als Leitender Minister folgte und die Verhandlungen über den Eintritt des Königreichs in den neuen Bund engagiert führte.483 Von Anfang an erkannte man in den Verhandlungen mit Bayern den eigentlichen Angelpunkt für die Zukunft des neuen Staatswesens. Heinrich von Treitschke äußerte sich zunächst optimistisch484 : Bayern zeige eine Art verständigen Partikularismus, habe „wacker mitgeholfen zum glänzenden Sieg“ und müsse daher nicht zu sehr bedrängt werden. Allerdings müsse sich der bayerische Staat damit abfinden, „nichts mehr zu sein als das zweitmächtigste Glied des deutschen Bundes, er muß […] verzichten auf jene unheilvolle Großmachtspolitik, von der man einst rühmte, sie habe Baiern groß gemacht. Ist man in München gewillt die wesentlichen Sätze der Bundesverfassung anzuerkennen, so kann die Verständigung über Nebenpunkte nicht schwer fallen.“ Dass es sich um Subventionen, Steuervorteile und die größtmögliche Selbständigkeit der bayerischen Armee handelte, war für Treitschke offensichtlich. Deutlich forderte Wilhelm Wehrenpfennig die bayerische Regierung auf, ihre dem Wohl 30 Millionen Deutscher zuwider laufenden Sonderpläne aufzugeben und eine Entscheidung über den Eintritt in das neue Bundesgebiet nicht bis zum Ablauf der Zollvereinsverträge im Jahr 1877 herauszuschieben: „Wenn es jetzt zurückbleibt, so wird es später in eine weit straffere Verfassung eintreten müssen.“485 Die Brief480 Hermann Baumgarten an Heinrich von Treitschke am 19. November 1870 (in Heyderhoff, ebd., S. 486). 481 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 30. September 1870, S. 510. 482 Baumgarten an Treitschke am 19. November 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-dt. Einigung, S. 486). Ähnlich Max Duncker an August Ludwig Reyscher am 7. Oktober 1870 (in Grube, Duncker im Briefwechsel, S. 355 f.). 483 Vgl. Wehrenpfennig, Die süddeutsche Frage, S. 614 und S. 620. Vgl. Hermann Baumgarten an Heinrich von Sybel am 22. September 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 479) und Friedrich Thudichum an Heinrich von Treitschke am 8. Dezember 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 10, Bl. 3 ff.). 484 Zitate im gesamten Absatz: von Treitschke, Friedenshoffnungen, in PJ XXVI, 4 (1870), S. 497 f. 485 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 30. September 1870, in PJ XXVI, 6 (1870), S. 511; ebenso die Nationalzeitung (in Friehe, Nationalzeitung, S. 172), die Münchner
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wechsel der Liberalen bestimmte die „Besorgnis, daß Bismarck fortfährt, Rücksicht auf Bayern das oberste Gebot seiner deutschen Politik sein zu lassen“. Man „würde nötigenfalls Bayern ganz ruhig draußen lassen“486. Letztlich erstrebten die PJ eher einen starken deutschen Staat ohne Bayern als einen durch Sonderregelungen geschwächten. Bayern hatte Ende September 1870 bei den Vorverhandlungen des norddeutschen Kanzleramtschefs Delbrück in München weitgehende Forderungen für einen Eintritt in den Norddeutschen Bund gestellt: keine finanzielle Beteiligung an einer deutschen Flotte, eine eigene Steuergesetzgebung, ein privilegiertes Stimmenverhältnis im Bundesrat, ein eigenes Veto bei Verfassungsänderungen und Mitsprache in der auswärtigen Bundespolitik. Wehrenpfennig bejahte Übergangsfristen und kleinere Gesetzesnovellen. Die gemeinsame Entwicklung im Steuer- und Verkehrswesen aber „für alle Zeit vertragsmäßig an []einen Particularismus binden“ scheine „geradezu unverantwortlich“. Die Verhandlungen von Versailles hätten nicht das Ziel, „nur mit Allen zugleich oder mit Niemand“ abzuschließen. „Das deutsche Reich wird vor den Thoren von Paris zweifellos aufgerichtet werden, wenn auch Baiern vielleicht noch ein Paar Jahre des Besinnens bedarf, ehe es sich entschließt, seinen vollen Theil an den Pflichten und Ehren der Reichsgemeinschaft zu übernehmen.“487 Nach dem Bekanntwerden der Versailler Verträge reihten sich die PJ in den lautstarken Chor der Kritik an den Vereinbarungen ein. Vor allem die Sonderregelungen in Bezug auf Bayern und das Stimmgewicht im erweiterten Bundesrat sorgten für Entsetzen.488 Treitschke489 schrieb Wehrenpfennig, seine schlimmsten Befürchtungen seien weit überboten, nachdem ihn jener über die Auswirkungen der Bundesrats-Regelungen für Verfassungsänderungen informiert hatte490. Um zu verhinNeuesten Nachrichten (in Rau, MNN, S. 192) oder die Berliner Volkszeitung (Koch, Berliner Presse und Europäisches Geschehen, S. 86). Für die Sicherstellung der bayerischen Staatsrechte traten die HPBl ein (Martin, Historisch-politische Blätter, S. 220 f.). 486 Hermann Baumgarten an Heinrich von Sybel am 22. September 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 479). Ähnlich nochmals an Sybel am 28. September, an Treitschke am 19. November (ebd., S. 481 und S. 486) und an Duncker während des gesamten Herbstes 1870 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 454 ff.). 487 Alle Zitate: Wehrenpfennig, Die süddeutsche Frage, in PJ XXVI, 5 (1870), S. 620. 488 Zur praktisch gleichlautenden Kritik in Münchner Neuesten Nachrichten, Nationalzeitung, Spenerscher Zeitung, Staatsbürger-Zeitung, Volkszeitung und Vossischer Zeitung, die mit regelmäßigen Beschlagnahmungen einherging, vgl. Koch, Berliner Presse und Europäisches Geschehen, S. 52 und S. 151, Rau, Münchner Neueste Nachrichten, S 193 ff. und Buchholtz, Vossiche Zeitung, S. 165. 489 Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 30. November 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 296) und am 26. November 1870 (ebd., S. 295) an Baumgarten, dies sei ein unverantwortlicher Rückschritt und neuer Beweis „für die unheilbare Verblendung aller Kleinstaaten“. 490 „Wenn wir also nach Bismarcks Rücktritt ein Bundesministerium brauchen, so können Bayern, Württemberg, Sachsen mit zusammen 14 Stimmen, falls sie auch nur Strelitz mit 1 Stimme hinzuwerben, diesen wie jeden anderen Fortschritt verhindern.“ (Wilhelm Wehren-
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dern, dass „die drei kleinen Könige oder auch die zwei süddeutschen Könige mit drei schmollenden Herzögen verbündet den Willen der Nation und der Mehrheit der Dynastien widersprechen, der natürlichen Entwicklung des deutschen Gemeinwesens nach Willkür Halt gebieten dürfen“491, müsse der Reichstag nun „seine ganze Kraft auf den einen entscheidenden Punkt, auf Art. 78, werfen“492, um „Preußen ein größeres Gegengewicht gegen die zutretenden Stimmen der Südstaaten zu geben“493. Wie Wehrenpfennig und Baumgarten kritisierte auch Treitschke die Reservatrechte für Bayern. Ein selbständiges bayerisches Heer bleibe ein qualitativ schlechtes, der diplomatische Ausschuss des Bundesrats unter bayerischem Vorsitz würde die kleinstaatliche Diplomatie stärken.494 Zudem wurde Kritik an Bismarcks Verhandlungsführung deutlich. Statt Verhandlungen mit jedem einzelnen Staat hätten die PJ es lieber gesehen, in gemeinsamen Gesprächen „durch das redlich deutschgesinnte Baden auf die bairische Selbstsucht zu drücken“. Nun aber müsse man Bismarck vorwerfen, „in verworrene, unklare Verhältnisse sich einzulassen, die nur seine geniale Kraft, doch nicht ein schwächerer Nachfolger beherrschen kann“495. Man könne das Vertragswerk mit Bayern nicht einmal als föderalistisch bezeichnen – das wäre für den Unitarier Treitschke schon schlimm genug gewesen – da es „offenbar darauf ausgeht, dem bairischen Staate eine Stellung halb außerhalb des deutschen Bundes zu sichern“496. Auch wenn die Herausgeber der PJ im Spätherbst 1870 ihren „tiefe[n] Unwille[n] gegen das elende Flickwerk von Versailles“497 äußerten, stand die Annahme der pfennig an Heinrich von Treitschke am 25. November 1870, in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 490). 491 von Treitschke, Die Verträge mit den Südstaaten, in PJ XXVI, 6 (1870), S. 684 ff., hier S. 689. 492 Heinrich von Treitschke an Wilhelm Wehrenpfennig am 30. November 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 296) und ebenso an Hermann Baumgarten am gleichen Tag (vgl. ebd., Anm. 1). 493 Wehrenpfennig an Treitschke am 28. November 1870 (in Heyderhoff, ebd., S. 492). 494 Vgl. Hermann Baumgarten an Treitschke am 28. November 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 490) und Wehrenpfennig an Treitschke am 25. November 1870 (ebd., S. 489 f.). 495 von Treitschke, Die Verträge mit den Südstaaten, S. 686. Beinahe wortgleich aus dem Brief Baumgartens an Treitschke vom 28. November 1870 (in Heyderhoff, ebd., S. 490 f., vgl. auch dort Anm. 1) und ebenso am 30. November an Wehrenpfennig (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 297). 496 von Treitschke, ebd., S. 687. Weiter: „[V]or Deutschlands bewundernden Blicken steht in nackter Naturschönheit der bajuvarische Particularismus, jener unwandelbare Dynastensinn, den selbst das Gottesgericht dieses großen Jahres […] nicht belehrt hat.“ Ebenso am 12. Dezember 1870 an Sybel (in Cornicelius, ebd., S. 299). 497 Treitschke an Salomon Hirzel am 11. Dezember 1870 (in Cornicelius, ebd., S. 297). Rudolf Haym gestand Treitschke am 20. November 1870 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 281), „daß mir bange ist, wie wir das alles werden verdauen und wie die preußische Zentralverwaltung den ungeheuren Aufgaben wird genügen können […]“. Wehrenpfennig schrieb an Treitschke
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Verträge für sie nicht zur Diskussion. „Gegen Preußen und den in neuer Kraft wieder erwachten nationalen Geist wird Baiern auf die Dauer schwerlich viel schaden können“498, erklärte Heinrich von Treitschke. „Unser vollberechtiger Unwille muß schweigen vor einer höheren Pflicht, vor der Treue, die wir unseren süddeutschen Landsleuten schulden. Was für uns ein Verlust, ist für Süddeutschland ein unermeßlicher Gewinn.“499 Im Gegensatz zu anderen liberalen Publikationen wie den Münchner Neuesten Nachrichten verlangten die PJ aber nicht, die Versailler Verträge durch Verhandlungen im Reichstag oder den Landtagen zu modifizieren.500 Auch gegen den Titel eines deutschen Kaisers gab es Abneigung. Max Duncker zog „das nüchterne Präsidium und Feldherrnamt vor“ und bekannte sich „äußerstenfalls zum deutschen Königtum“. Er erläuterte seine Sicht – grosso modo die der kleindeutschen Liberalen: „1848 mußten wir unbedingt an die Reichstradition anknüpfen, da Preußen versagt hatte. Jetzt stehen die Dinge anders; es muß vielmehr an die preußische Tradition angeknüpft werden. Mir mißfällt, einen Kaiser zu stürzen und dann selbst den Kaisertitel anzunehmen. Es ist ein romanisches Erzeugnis, der Papst gehört als Ergänzung dazu und außerdem ist der Titel durch Anwendung in Brasilien, Mexiko, Haiti diskreditiert. Ich fürchte den Prunk und das Zeremoniell, das sich daran hängen wird, ich fürchte das Großdeutschtum, das darin liegt, und möchte sehr gern das Kaiserwesen und das Kaiserlich Königlich den Österreichern lassen. Der Titel ruft alle Irrwege unserer Nation ins Gedächtnis und nimmt den preußischen Bauern ,unseren König‘. Für den Fahneneid der außerpreußischen Truppen hätte er vielleicht einen Vorteil. Nach meinem Gefühl gebe ich der Einfachheit der Sache den Vorzug vor dem großen Namen.“501
Doch man sah ein: „[D]as Volk fühlt und denkt in solchen Dingen anders als wir Politiker.“502 Daher erklärte Treitschke: „Der Kaisertitel ist unvermeidlich, weil die drei kleinen Könige vor einem Könige sich nicht beugen wollen: er wird im Süden, wo Kaiser und Reich noch unvergessen sind, mit Jubel aufgenommen, und den Süden am 11. Dezember 1870 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 46, Bl. 331 f.): „Ich bin tief verstimmt über den Gang unserer Dinge und sehe schwarz in die Zukunft.“ 498 Treitschke an Sybel am 12. Dezember 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 299). Ähnlich PJ-Autor Friedrich Thudichum am 8. Dezember 1870 an Treitschke (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 9, Mappe 10, Bl. 3 ff.): „Hat der Einheitsgedanke einmal im Volk eine entschiedenere Gestalt gewonnen, so wird der Druck auf die Einzelregierungen die Hindernisse im Bundesstaat besiegen.“ 499 von Treitschke, Die Verträge mit den Südstaaten, in PJ XXVI, 6 (1870), S. 692. Ebenso Wehrenpfennig an Treitschke am 25. November 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 489 f.): „Können wir Nein sagen? Ich glaube nicht. Es hülfe uns auch nichts, denn die konservative Seite und die Partikularisten, die sehr fröhlicher Gemütsstimmung sind, sagen Ja und haben die Mehrheit.“ 500 Vgl. Rau, Münchner Neueste Nachrichten, S. 195. 501 Alles: Duncker an Baumgarten am 7. November 1870 (in Schulze, Briefe Dunckers, S. 461). Ebenso Haym an Treitschke am 20. November 1870 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 280). Vgl. Müller, Friedrich III., S. 125 ff. 502 Baumgarten an Treitschke am 28. November 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 492).
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ganz zu gewinnen ist des neuen Reiches nächste Aufgabe.“503 Die Kaiserproklamation selbst erwähnten die PJ kaum. c) Zwischenfazit: PJ, außenpolitische Entwicklung bis 1870 und Reichsgründung In Bezug auf die Außenpolitik des Norddeutschen Bundes hatten sich die Erwartungen der PJ vollauf bestätigt: Es war zum nicht mehr abwendbaren Krieg gegen Frankreich gekommen, der den vollständigen moralischen, politischen und militärischen Bankrott des Nachbarstaats aufzeigte und den Weg ebnete für eine Neuordnung der europäischen Machtverhältnisse. Die Vorherrschaft eines preußisch dominierten Deutschen Reichs sollte in Europa ein neues und friedvolles Zeitalter begründen. Allerdings machte man sich keine Illusionen darüber, zunächst ohne Bündnispartner dazustehen: Österreich war innenpolitisch und militärisch schwach, das Verhältnis zu Russland blieb ungewiss, Italien galt ebenso als politisch unbedeutend wie England, das man zudem der heimlichen Unterstützung Frankreichs bezichtigte. Noch im ersten Halbjahr 1870 rechneten die PJ nicht mit einem baldigen Kriegsausbruch; man erhoffte ihn zwar, wies der Spanischen Thronfolgefrage aber bis zuletzt keine solch immense politische Sprengkraft zu. Der schnellen Eskalation auf diplomatischer Ebene und dem Erscheinungsrhythmus der PJ war es geschuldet, dass Wehrenpfennig und Treitschke die Vorgänge rund um die Emser Depesche nicht ausführlich kommentierten. Stattdessen nahm Treitschke in den folgenden Monaten eine führende Rolle in der Diskussion um die Annexion Elsass-Lothringens ein. Er zweifelte nicht daran, dass allein Preußen dazu imstande sei, sich diese Gebiete einzuverleiben, effektiv zu verwalten und auf Dauer gegen französische Revanchegelüste zu behaupten, weshalb er in seiner öffentlichen wie privaten Korrespondenz deutlich für dieses Ziel eintrat. So war zum deutsch-französischen Verhältnis in den PJ bereits alles gesagt, als sich der Krieg im Herbst 1870 zu einem Festungskrieg rund um Paris und zu einem Guerillakrieg in den von Deutschen besetzten Provinzen ausweitete. Intensiv beteiligten sich die PJ auch an der Diskussion über die Stellung Preußens im neuen Deutschen Reich. Dieses sollte ganz in der Tradition des von Preußen dominierten und möglichst stark zentralisierten Norddeutschen Bundes stehen. Dementsprechend laut war die Kritik an den Versailler Verträgen und besonders am Stimmgewicht im erweiterten Bundesrat, das die Gefahr einer Marginalisierung Preußens in sich trage, sowie den Sonderregelungen für Württemberg und Bayern. 503
von Treitschke, Die Verträge mit den Südstaaten, S. 695. Vgl. Treitschke an Salomon Hirzel am 11. und an Heinrich von Sybel am 12. Dezember 1870 (in Cornicelius, Treitschke Briefe III, S. 297 ff.). Die HPBl bezeichneten die Unterordnung unter einen HohenzollernKaiser als Mediatisierung der Krone Bayerns. Die Verfassung wurde als Symbol des zentralisierten Einheitsstaates abgelehnt (vgl. Martin, Historisch-politische Blätter, S. 224 ff.).
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Die Annahme der Verträge und somit der Reichsverfassung empfahlen die PJ dennoch. Preußen sei die Pflicht auferlegt, die Treue der süddeutschen Bündnispartner schnell mit sichtbaren Ergebnissen zum Wohl des deutschen Volkes zu begleichen. Für die Zukunft erhoffte sich vor allem Wilhelm Wehrenpfennig eine Weiterentwicklung der Reichsverfassung in liberalem Sinne. Doch ließ sich die Genugtuung über das inzwischen Erreichte – vor allem über die von Bismarck proklamierte äußere Saturiertheit des Reichs – nur schwer in Aktionswillen für eine erneute Verfassungsbewegung umwandeln. Außerdem sollte den PJ-Herausgebern als inzwischen aktive Parlamentarier schlichtweg die Zeit fehlen, um weitere publizistische Großtaten zu vollbringen. Die in den PJ des Jahres 1871 zeitweise aufscheinende Agonie in Bezug auf die politische Lage sollte lediglich in der Diskussion um den Heeresetat des Reiches und im beginnenden Kulturkampf überwunden werden.
G. Epilog: Politik und Preußische Jahrbücher im ersten Jahr des Deutschen Reiches I. Das politische Geschehen Im Frühjahr 1871 kam der Reichstag des nunmehr geeinten Deutschland erstmals in Berlin zusammen, beäugt von der Öffentlichkeit und der ungehindert berichtenden Presse. Die Abgeordneten genossen Immunität und waren befugt, Reichsgesetze und Haushaltsvorlagen zu verabschieden. Allerdings war ihre Macht begrenzt: Reichskanzler, Bürokratie und Militär blieben dem parlamentarischen Zugriff ebenso entzogen wie Diplomatie und Außenpolitik. „Die Große Politik […] blieb außerhalb der Reichweite des Parlaments.“1 Auch die Eröffnung des Reichstags selbst zeigte: diese Institution war das Werk von Militär und Regierungen.2 Die Wahlen zum Reichstag hatten einen enormen Stimmenzuwachs für Nationalliberale (125 Mandate), Fortschrittspartei (46) und das katholische Zentrum (61) erbracht. Auch Altkonservative, Freikonservative und die Liberale Reichspartei schickten Abgeordnete in nicht geringer Zahl in die Volksvertretung. Parlamentarische Mehrheiten waren in der Folge nicht zu gewinnen, ohne dass „von den drei großen Gruppierungen […] je zwei sich gegen die dritte zusammenfanden“3. Dass Konservative und Liberale aber mit den Katholiken auch nur eine zeitweise Koalition eingehen würden, schien unmöglich. Schnell hatte man die Mitglieder der Zentrumsfraktion im beginnenden Kulturkampf als Reichsfeinde ausgemacht. Da sich zudem die politischen Vorstellungen zumeist preußischer Freikonservativer doch stark von denen der Nationalliberalen unterschieden, die auf eine liberale Ausgestaltung der Reichsverfassung hinwirkten, war auch dieses Bündnis auf wirtschaftliche oder Verwaltungsfragen beschränkt. Daher fungierte der Reichstag zwar als Sammlungspunkt politischer Interessen, aber nicht als Gegengewicht zu bürokratischem Regierungsapparat und charismatischem Reichskanzler. Die Reichs- und Rechtsvereinheitlichung ging vor diesem Hintergrund aber gut voran. Alleine 24 Gesetze des Norddeutschen Bundes wurden beispielsweise in das 1
Stürmer, Das ruhelose Reich, S. 180. Vgl. Althammer, Das Bismarckreich, S. 56 f. Vgl. dazu die Antwortadresse des Reichstags auf die Kaiserliche Thronrede in der 7. Sitzung des Reichstags, 30. März 1871 (in Fenske, Bismarckreich, S. 41 ff. und Sten. Ber. RT 1. Legislatur, 1. Session, Bd. 1, S. 70 f.). 3 Stürmer, ebd., S. 174. Ähnlich war übrigens die Konstellation im preußischen Abgeordnetenhaus, in dem sich noch elf Mitglieder einer altliberalen Splittergruppe anschlossen. 2
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G. Epilog
bayerische Handels- und Steuerrecht übernommen. Allgemein gültig waren bereits Freizügigkeit und Rechtsgleichheit, gesamtdeutsche Gewerbeordnung, Handelsund Strafgesetzbuch, staatliche Armenfürsorge und die Gleichberechtigung der Konfessionen. Im Dezember 1871 wurde infolge der Währungsgesetze die Mark als Rechnungseinheit im Deutschen Reich eingeführt.4 Die staatstragende Gruppe während dieser Zeit waren neben den Freikonservativen die Nationalliberalen. „Trotz des eigentümlichen Gefühls der Leere, das manche verspürten, nachdem das, worum es seit Generationen gegangen war, erreicht war, wurden sie keineswegs zur Status-quo-Partei.“5 Ihr Ziel war eine freiheitliche Entwicklung des Verfassungsstaates in Kooperation mit der Regierung. In ihrem Wahlaufruf aus dem Januar 1871 versprachen die Nationalliberalen ihr „öffentliches Wirken einer Reform zu widmen, welche, bei ehrlicher Achtung des Bundesstaates, die Zentralgewalt des Reiches bis zur Machtfülle einer wirksamen und wohlgeordneten Staatslenkung stärkt und die Freiheit auf dem gesicherten und fruchtbaren Boden des deutschen Stammes ununterbrochen fortbildet“6. Dass Reichskanzler Bismarck mit einem großen Teil der Parlamentarier überkreuz lag7, war für die Nationalliberalen Fluch und Segen zugleich. Sie rückten in die Nähe einer mitregierenden Partei, die zwischen liberalen Zielen und pragmatischen Möglichkeiten des Mitregierens lavieren musste. Ihr doppeltes Ideal von Einheit und Freiheit zeigte sich in den beiden Parteiflügeln, die Rudolf von Bennigsen und Eduard Lasker anführten: „Der rechte Flügel sah die beste Gewähr für Freiheit und kulturellen Fortschritt in der Macht und Unabhängigkeit des Staates; der linke Flügel dagegen in der bürgerlichen Freiheit und der Macht des Parlaments. Paradoxerweise verdankte die Nationalliberale Partei eben dieser inneren Gespaltenheit, an der sie schließlich zerbrechen sollte, die Beherrschung des Angelpunkts im Parlament, denn sie gestattete es den Liberalen des linken Flügels, wenn nötig, mit den Fortschrittlern zu stimmen, während sich der rechte Flügel bei Bedarf mit den Freikonservativen und der Liberalen Reichspartei verbünden konnte.“8
4
Vgl. Stürmer, Das ruhelose Reich, S. 176 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 140 f.; Althammer, Bismarckreich, S. 66 ff. 5 Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 317. Vgl. zum Folgenden ebd., S. 317 ff.; Gall, Bismarck, S. 467 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 64 ff. und S. 138 ff.; Mommsen, Der autoritäre Nationalstaat, S. 18 ff. und Pflanze, Bismarck, S. 679 ff. Zur Organisation der Nationalliberalen vgl. Biermann, Nationalliberale, S. 127 ff. 6 Zitiert in Mayer, Nationalliberale, S. 153. 7 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 139. 8 Pflanze, Bismarck, S. 679 f.; vgl. auch Stürmer, Das ruhelose Reich, S. 180. Über das Potenzial einer geeinten liberalen Partei schrieb Max von Forckenbeck an Eduard Lasker am 19. Oktober 1871 (in Wentzcke, Im Neuen Reich, S. 29): „Wenn sich nach so großartigen Ereignissen statt der ,Fraktionen‘ eine feste und großherzige liberale Partei bilden wollte, so würde dieselbe […] ohne Überstürzung mit immer steigender Macht für lange Zeit den Gang der Dinge bestimmen, und es könnte dann statt nervöser Hast ein wirklich politisches parlamentarisches Leben, an welchem die ganze Nation teilnimmt, sich herausstellen.“
I. Das politische Geschehen
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Die parlamentarische Debatte des Jahres 1871 bestimmte vor allem der Kulturkampf.9 In ihm steigerte sich die Tendenz, dass moderne Nationalstaaten bis dato kirchlich dominierte Felder wie Schulwesen, Eherecht oder Armenfürsorge für sich reklamierten, zu einem Kampf der Weltanschauungen. Auf der einen Seite standen Religiös-Klerikale, die den Papst nach Verkündung des Infallibilitätsdogmas am 18. Juni 1870 in Fragen des Glaubens und der Sittenlehre für unfehlbar hielten und dem modernen Nationalstaat die Zerstörung sittlich-moralischer Grundlagen der Gesellschaft vorwarfen. Auf der anderen Seite standen Liberale, die – teils aus mangelnder Kenntnis – dem Katholizismus eine aggressive Tendenz vorwarfen und deren Forderungen bis zur Gründung einer vom Papst losgelösten Nationalkirche reichten. Letztlich war der Kulturkampf eine Auseinandersetzung innerhalb der politischen Öffentlichkeit und der Publizistik, die keine der beteiligten Gruppierungen gewann. Als einziges fühlbares Ergebnis konstatierte Gall „die Tendenz zu immer tieferen Eingriffen des Staates in alle individuellen und gesellschaftlichen Verhältnisse“10 und die Gründung der Zentrumspartei11. Diese hatte sich deutschlandweit im Dezember 1870 als Interessengruppe zusammengeschlossen, um Angriffe auf den kirchenpolitischen Status quo zu verhindern. Schon drei Monate später stellte das Zentrum mehr als 60 Reichstagsabgeordnete – darunter berühmte Männer wie die Brüder Reichensperger, Bischof von Ketteler, Mallinckrodt, Windhorst und von Savigny – und stellte den Antrag auf Annahme einer Reihe von Grundrechten in die Reichsverfassung. Das wiederum interpretierte die liberale Öffentlichkeit als Wunsch nach Privilegien für die katholische Bewegung, die der Reichsgründung sowieso feindlich gegenüberstand. Sie drängte auf die strikte Trennung von Kirche und Staat und stimmte sich bereits auf den Kampf der deutschen Freiheitsidee gegen den römischen Autoritätsanspruch ein. Spätestens als die katholische Kirche forderte, Altkatholiken, die das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes nicht anerkannten, aus dem Staatsdienst zu entfernen, gab auch Bismarck seine Zurückhaltung auf. Im Sommer 1871 ließ er die katholische Abteilung im preußischen Kultusministerium auflösen, mit Adalbert Falk ernannte er 1872 einen Verfechter der Idee des Kulturkampfs zum preußischen Kultusminister, der bald mit einem Schulaufsichtsgesetz die autonomen kirchlichen Befugnisse in diesen Fragen aufhob. Zudem verlagerte Bismarck den Kulturkampf – der bereits in Einzelstaaten wie Baden ausgetragen worden war – auf die Reichsebene. Der zunächst von der bayerischen Regierung in den Bundesrat eingebrachte Kanzelparagraph12 ergänzte das Strafgesetzbuch seit Dezember 1871 und bedrohte 9 Vgl. überblickend Althammer, Bismarckreich, S. 90 ff.; Gall, Bismarck, S. 468 ff.; Pflanze, Bismarck, S. 691 ff. 10 Gall, Bismarck, S. 478. 11 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 50 ff. und Pflanze, Bismarck, S. 696 ff. 12 Die Debatte über den Kanzelparagraphen vom 23. November 1871 in Auszügen (auch mit Treitschke) bei Fenske, Im Bismarckschen Reich, S. 67 ff. und in Gänze in Sten. Ber. RT 1. Legislatur, 2. Session, Bd. 1, S. 463 ff.
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G. Epilog
„jeden Geistlichen oder anderen Religionsdiener“ mit Freiheitsstrafen, der in Ausübung seines Amts „Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung oder Erörterung“ machte. Die Liberalen unterstützten diese Politik und mussten sich daher dem Vorwurf stellen, mit den Kulturkampfgesetzen ihr Grundprinzip der staatsbürgerlichen Toleranz aufgegeben zu haben.13 Stark belasteten die Nationalliberalen auch die Beratungen über das Reichsmilitärbudget. Zunächst stimmte der linke Parteiflügel am 6. November 1871 gemeinsam mit Fortschrittspartei und Zentrum gegen eine letztlich angenommene Regierungsvorlage, die 40 Millionen Taler französischer Kriegsentschädigungen dem Reichskriegsschatz einverleibte und somit der parlamentarischen Kontrolle entzog. Zeitgleich begannen die Beratungen für das Reichsbudget für 1872, das drei Viertel seiner 117 Millionen Taler pauschal dem Militär zuwies. Ein Teil der Nationalliberalen war gewillt, den Militäretat in einer verringerten, der Verfassung entsprechenden Höhe von 225 Talern pro Soldat zu bewilligen. Regierung und Konservative versprachen ihre Unterstützung unter der Voraussetzung, dass ein solcher Etat auf drei Jahre festgesetzt werde. Die Abstimmung über diesen Kompromiss brachte die Nationalliberalen Ende November 1871 an den Rand des Zerfalls. Letztlich setzte sich der rechte Flügel um Bennigsen, Forckenbeck und Treitschke durch. Letzterer hatte sich in einer seiner wenigen Reden vor dem Reichstag für diesen sogenannten „Eisernen Etat“ der Regierung eingesetzt: dieser sei ein Schutzschild parlamentarischer Freiheit; Deutschland sei niemals freier gewesen als im Norddeutschen Bund, wo man nicht über den Militäretat debattiert habe.14 Die Sicht des Auslands auf das Deutsche Reich bestimmte nicht nur der augenscheinliche Entzug des Militärs von der parlamentarischen Kontrolle, sondern auch der Umgang mit den annektierten französischen Gebieten. Das Vereinigungsgesetz vom 9. Juni 187115 nahm die Gebiete als Reichsland Elsass-Lothringen in das 13 Zum Verhältnis der Liberalen zum Kulturkampf vgl. Foerster, Liberalismus und Kulturkampf, S. 546 ff. und Heinen, Umstrittene Moderne, S. 143 ff.; Pflanze, Bismarck, S. 718, bilanziert: „Zwar konnten viele von diesen Gesetzen bei gutem Willen als Maßnahmen des Staates zum Schutze der bürgerlichen Freiheiten gedeutet werden – zum Schutz der Bürger gegen die Kirche (das Zivilehegesetz), zum Schutz aufsässiger Katholiken gegen ihre Kirche (Gesetz über Kirchenangehörigkeit), zum Schutz des niederen Klerus gegen den höheren (Beschränkung des Disziplinarrechts der Kirche) –, doch das täuschte eine kleine Minderheit der Nationalliberalen (Lasker und Bamberger) und der Fortschrittler (etwa ein Dutzend, unter ihnen Hoverbeck, Richter und Franz Duncker) nicht über die Tatsache hinweg, daß die meisten Kulturkampfgesetze, angefangen mit dem Kanzelparagraphen […], die bürgerlichen Freiheiten auf nicht zu rechtfertigende Weise einschränkten und für künftige Maßnahmen des Staates gegen Liberale und Demokraten einen besorgniserregenden Präzedenzfall schufen.“ 14 Vgl. zu alledem Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 545 ff.; Mommsen, Autoritärer Nationalstaat, S. 20 ff. und Pflanze, Bismarck, S. 687 ff. 15 In Huber, Dokumente II, S. 347 f.; zum Folgenden vgl. Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 438 ff.
I. Das politische Geschehen
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Deutsche Reich auf. Alleiniger Träger der Exekutivgewalt war hier der Kaiser, der mit Zustimmung des Bundesrats auch die Legislative bestimmte. Die Geschäfte legte Wilhelm I. in die Hände Bismarcks und des Kanzleramtes. Ein Verwaltungsgesetz vom 31. Dezember 1871 schuf die Institution eines Oberpräsidenten – das Amt übernahm Eduard von Möller bis 1879 –, der ein weisungsabhängiges Vollzugsorgan des Reichskanzlers war. Mit Verweis auf die antideutsche Agitation in weiten Teilen des öffentlichen Lebens und der Verwaltung gestand man dem Oberpräsidenten unter Umständen sogar diktatorische Befugnisse zu.16 Die Reichsverfassung trat in ElsassLothringen erst 1874 in Kraft, bis dahin war der Reichstag in Bezug auf die dortige Gesetzgebung ausgeschaltet. Diese Entwicklung bestätigte das europäische Misstrauen gegenüber der deutschen Politik. Der Aussage, das Reich sei saturiert, schenkte man keinen Glauben. Bismarck hingegen sah keinen Spielraum für eine weitere Machtausdehnung: Frankreich galt als revisionistische Macht und Erbfeind; die englische Regierung Gladstone schien dem Reich gegenüber positiv eingestellt, blieb aber kontinentaleuropäischen Angelegenheiten fern; das machtpolitisch stagnierende Russland empfinde ein starkes Deutschland als Gegner des eigens propagierten Panslawismus und erwäge eine Kooperation mit Frankreich. So bleibe für das Deutsche Reich nur der Ausgleich mit Österreich, das zudem auf dem Balkan eine Rückendeckung gegen Russland benötige.17 Aus Bismarcks Sicht machten das deutsche Sicherheitsinteresse und die Gefahr von Zweifrontenkriegen eine starke, und für das Ausland als bedrohlich empfundene, Armee notwendig. Die neue deutsche Frage konnte demnach nur lauten: ist das neue Machtzentrum im Herzen Europas für die anderen Nationen akzeptabel – und wenn ja, wie lange?18
16 Der sogenannte Diktaturparagraph (in Huber, Dokumente II, S. 349), lautet: „Bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist der Oberpräsident ermächtigt, alle Maßregeln ungesäumt zu treffen, welche er zur Abwendung der Gefahr für erforderlich erachtet. Er ist insbesondere befugt, innerhalb des der Gefahr ausgesetzten Bezirks diejenigen Gewalten auszuüben, welche der § 9 des Gesetzes vom 9. August 1849 der Militairbehörde für den Fall des Belagerungszustandes zuweist. Von den erlassenen Verfügungen ist dem Reichskanzler ohne Verzug Anzeige zu machen. Zu polizeilichen Zwecken, insbesondere auch zur Ausführung der vorbezeichneten Maßnahmen ist der Oberpräsident berechtigt, die in Elsass-Lothringen stehenden Truppen zu requiriren.“ 17 Eine Sicht, die auf Gegenseitigkeit beruhte, wie Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst am 6. März 1871 von einem Treffen mit Österreichs Außenminister von Beust berichtete (in Fenske, Bismarckreich, S. 39). 18 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte II, S. 426 ff. und Althammer, Bismarckreich, S. 191 ff.
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G. Epilog
II. Die Preußischen Jahrbücher und das erste Jahr des Deutschen Reiches Für die PJ war mit der Begründung des Deutschen Reiches in doppelter Hinsicht eine neue Zeitrechnung angebrochen: Mit dem deutschen National- und Verfassungsstaat war die Hauptforderung der Zeitschrift Wirklichkeit geworden, und beide Herausgeber sollten als Mitglieder des Reichstags die parlamentarische Debatte aktiv mitgestalten. Alle Welt dränge ihn, in den Reichstag zu treten, berichtete der geschmeichelte Heinrich von Treitschke im Herbst 1870, schränkte aber ein: „In einer Fraction würde ich aber mit meiner Taubheit, die jetzt ganz vollständig ist, auch wenig ausrichten.“19 Treitschke ließ durch Moritz Busch beim Reichskanzler anfragen, ob dieser ihm zur Wahl in den Reichstag rate. Da Bismarck dies bejahte, suchte er einen passenden Wahlkreis – was deutlich machte: wenn sich Parteipolitiker und Wähler nicht an Treitschkes exponierten Positionen störten, dann an seiner Taubheit. Auch Freunde wie Hermann Baumgarten rieten Treitschke – der offensichtlich kein Mann der Kompromisse war und langen Debatten kaum folgen konnte – von einer Kandidatur ab.20 Baumgarten selbst verneinte zu Jahresbeginn 1871 seine Nominierung für das Parlament aus den folgenden stichhaltigen und deshalb auch ausführlich zitierten Gründen: „Wenn ich in den Reichstag träte, so würde das nur dann einen Sinn haben, wenn ich mich zu einer parlamentarischen Laufbahn entschließen könnte. Denn ein oder zweimal nach Berlin gehen und dann wieder zurücktreten, wie es leider in den letzten Jahren so Viele gemacht haben, das heißt mit einer sehr ernsten Sache ein unwürdiges Spiel treiben. Ich habe das Kammerleben in München, Berlin und hier lange genug aus nächster Nähe kennen gelernt um zu wissen, daß in dieser Thätigkeit so wenig als in einer anderen etwas improvisirt werden kann […]. Ich habe eine viel zu hohe Meinung vom politischen Leben, als daß ich meinen könnte, es ließe sich in ihm etwas ohne ganze völlige Hingebung erreichen. Mit solcher Hingebung habe ich der politischen Entwickelung unseres Volkes als Historiker und Publicist gelebt und hoffe ihr als solcher bis an meines Lebens Ende zu dienen. […] Überhaupt ist der Professor an sich für politische Praxis nicht gemacht. Er nimmt die Dinge zu scharf, zu reizbar, er kann gewöhnlich das kleine kümmerliche Treiben unserer Fractionen nicht ertragen. Ich denke, wir können einiges nützen, wenn wir den politischen Arbeiten mit vollem Interesse folgen und dann mit wissenschaftlicher Unbefangenheit unser Urtheil und unseren Rath geben. So hat die Historie bisher nicht ganz wenig für die nationale Entwickelung getan. Allerdings ist es höchlich zu wünschen, daß in unserem Parlament sehr viel mehr als bisher Männer von gründlicher historischer Bildung sitzen; aber sie müssen diese Bildung der politischen Praxis unmittelbar und unbedingt dienstbar machen, nicht 19
Treitschke an Busch am 13. November 1870 (GStA PK, VI. HA, NL Busch, Bl. 43 f.). Vgl. Aegidi, der Treitschke im Reichstag sehen wollte, an eben diesen am 6. Januar 1871 (in Wentzcke, Im neuen Reich, S. 3 f.) und Petersdorff, „Treitschke, Heinrich“, in: ADB 55 (1910), S. 263 ff., vgl. S. 293 f. Online unter: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118623761. html#adbcontent (Zugriff vom 16. Juni 2016). 20 Vgl. Baumgarten an Treitschke am 9. März 1871 (in Wentzcke, Im neuen Reich, S. 10 f.).
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zwischen Theorie und Praxis in schwankender Mitte stehen. Parlamentsmitglied sollte nur werden, wer entschlossen ist, aus der practischen Politik einen Lebensberuf zu machen und wer innerlich und äußerlich dazu im Stande ist. Ich könnte einen solchen Entschluß nicht fassen, weil ich glaube als Professor und Schriftsteller mehr zu nützen […].“21
Solche Argumente ließen Treitschke zweifeln. Doch wählte man ihn im Wahlkreis Kreuznach-Simmern in den Reichstag, ohne eigenes Zutun, aber sicher nicht gegen seinen Wunsch, wie es Treitschke häufig betonte. „So bin ich […] gezwungen, den Versuch zu wagen, ob ich mit meiner Taubheit im Parlamente zu brauchen bin. Ist meine Körperkraft der ungeheuren Langeweile nicht gewachsen, so lege ich nach der ersten Session mein Mandat nieder.“22 Der Aufsatz Parteien und Fractionen, dessen zwei Teile im Februar und März 1871 in den PJ erschienen, kann als Treitschkes Programm für den Reichstag angesehen werden. Darin begründete er seine Staatsauffassung aus der Tradition des deutschen Idealismus: „[D]er Staat ist nicht ein Werk der Willkür, sondern ein ursprüngliches Vermögen der Menschheit; dies Vermögen einem unendlichen historischen Processe […] stärker zu entfalten ist einer der Zwecke der menschlichen Freiheit.“23 Um aber das Volk zum politischen Denken und Wirken zu erziehen, müsse der Parteihader überwunden werden. Eine zentrale Rolle im Reichstag wies Treitschke der freikonservativ-nationalliberalen Allianz zu. Sie könne eine starke Mittelpartei bilden im „stolzen Bewußtsein, daß sie selber die Partei des Fortschritts ist. Mittlere Ansichten sind immer stark, wenn sie hervorgehen […] aus der Ueberwindung der Extreme.“24 Treitschke warnte die Nationalliberalen jedoch, ihre Meinung als die der Nation zu bezeichnen – man repräsentiere lediglich das gebildete Bürgertum und den Großteil der Presse.25 Darüber hinaus betonte Treitschke das Recht des Abgeordneten zur strengen Kontrolle der Regierung und zur Gesetzesinitiative.26 Da der süddeutsche Partiku21 Baumgarten an Franz Varentrapp am 10. Februar 1871 (BArch N/2013 – 24, NL Baumgarten, Bl. 18). 22 Treitschke an Hermann Reuchlin am 14. März 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 34, Bl. 14). Ebenso am 13. März an Max Duncker (GStA PK, VI. HA, FA Duncker, Nr. 140, Bl. 30 f.) und an Ferdinand Frensdorff (NSUB Göttingen, F. Frensdorff I, Br. 26/ Nr. 410). 23 von Treitschke, Parteien und Fractionen I, in PJ XXVII, 2 (1871), S. 175 ff., hier S. 182. Vgl. zum Folgenden S. 186 ff. Ähnlich Rudolf Haym an Wilhelm Schrader am 31. März 1871 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 281). 24 von Treitschke, Parteien und Fractionen II, in PJ XXVII, 3 (1871), S. 347 ff., hier S. 359; vgl. auch S. 348 f. 25 Vgl. ebd., S. 349, der Blick auf die anderen Parteien auf den folgenden Seiten. Vgl. auch Treitschke an Johann Caspar Bluntschli am 14. April 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 34, Briefe von 1871, Bl. 23) und Rößler in den Grenzboten II/1871, S. 78 ff. (ebenfalls in GStA PK, VI. HA, NL Rößler, Nr. 97). 26 Vgl. von Treitschke, Parteien und Fractionen I, S. 198 f. Daher erscheint die Folgerung Cranstons, PJ, S. 178, ein wenig überzogen: „Treitschke left no doubt that party unity and obedience to the executive would replace parliamentary debate, legislative initiative, and co-
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G. Epilog
larismus nicht überwunden und auch der Norddeutsche Bund nicht vollständig entwickelt sei, müssten nun die „Versprechen“ der Reichsverfassung erfüllt werden.27 Treitschke empfahl die Einheit von Handel, Steuern, Recht, Heeresorganisation und Währung28 – während er gesellschaftspolitische Fragen ausklammerte. So kommentierten die PJ das Ergebnis der Reichstagswahlen vom 3. März 1871 (bei der vor allem die Sozialdemokratie benachteiligt war, da 1,5 Millionen meist unterprivilegierte Soldaten in Frankreich standen) nur aus süddeutscher Perspektive29 und gingen nicht auf die Grundrechtsdebatte des Reichstags ein30. Im Reichstag selbst blieb Treitschke fraktionslos31, um seine Unabhängigkeit zu wahren, eine Politik vom nationalen Standpunkt aus zu betreiben und den Rückgang des Einflusses der Gelehrten – sozusagen die Demokratisierung des politischen Lebens – zu verhindern32. Diese Grundhaltung brachte Treitschke in Konflikt mit Wilhelm Wehrenpfennig, der mit den Nationalliberalen eine Periode liberaler Reformen gekommen sah. Auch sorgte Wehrenpfennig dafür, dass Autoren wie Gustav Schmoller oder Lujo Brentano in den PJ Probleme der Arbeiterklasse thematisierten – unter Protest Treitschkes, wohlwollend betrachtet aber vom linken Flügel der Nationalliberalen unter Eduard Lasker.33 So brach innerhalb der PJ der alte Gegensatz zwischen den Staats- und den Verfassungstreuen wieder auf. Dass beide Herausgeber als Parlamentarier agierten, sorgte paradoxerweise für das Verschwinden einer politischen Leitlinie. So äußerte sich Altherausgeber Rudolf Haym, Wehrenpfennig ginge auf „in parlamentarischer Arbeit; auch Treitschke ist durch den Reichstag seiner publizistischen Tätigkeit entzogen worden, so daß das Juniheft der Jahrbücher den politisch leitenden Teil einigermaßen vermissen ließ. Treitschke hat das Abenteuer des Eintritts in den Reichstag zwar sehr anständig bestanden, dennoch hält er es eben selbst für ein Abenteuer, nur im alitions with more liberal parties or factions. If there were to be any coalitions, they would be with the conservatives. In his praise of the crown and executive, Treitschke invoked the images of Heinrich vom Stein and Julius Stahl. […A]ll of Germany would now be obliged to rely on a single National Liberal party, responsive to the goals of the Prussian monarch.“ 27 von Treitschke, Parteien und Fractionen II, in PJ XXVII, 3 (1871), S. 358. 28 Vgl. ebd. und Cranston, PJ, S. 175 ff. 29 Vgl. Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland, in PJ XXVII, 4 (1871), S. 487 ff. 30 Zur erregten Debatte zu beiden Themen vgl. Koch, Berliner Presse und europ. Geschehen, S. 168 ff. / S.183 ff. 31 Unregelmäßig nahm Treitschke an Sitzungen der Nationalliberalen und Freikonservativen teil. Vgl. den Brief an seine Frau vom 30. April 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 34, Briefe von 1871, Bl. 27). 32 Vgl. Langer, Treitschke, S. 247 ff.; Herzfeld, Staat und Person bei Treitschke, S. 284 f. und Cornicelius, Treitschke Briefe IV, S. 303 ff., wo viele Unmutsäußerungen über endlose parlamentarische Debatten, Überarbeitung und fehlenden Anschluss zu finden sind. Ebenso an Gustav Freytag am 21. November 1871 (StaBi Berlin PK, NL Freytag Nr. 769, Bl. 56 f. und StaBi Berlin PK, acc. Darmst. 1920.329) und an Ferdinand Frensdorff am 25. November 1871 (NSUB Göttingen, F. Frensdorff I, Br. 27/Nr. 411). 33 Vgl. Cranston, PJ, S. 170 ff. und S. 191 f.
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Herbst will er noch einmal des Militärbudgets wegen hin, dann aber austreten. Ich wünsche von Herzen, daß er sich wieder ganz der Federtätigkeit widme.“34
Den beginnenden Kulturkampf auf nationaler Ebene wie in Preußen stilisierten die PJ als den „alte[n] Kampf der römischen Kirche wider den deutschen Staat“35. Hochmut komme vor dem Fall, so lautete der lakonische Kommentar über Die päpstliche Unfehlbarkeit und die Säkularisation des Kirchenstaats.36 Als oberstes Prinzip des Kulturkampfs riefen die PJ im Sommer 1871 aus: „Die Aufgabe des Staates muß es sein, seine eigene Unabhängigkeit auf allen Gebieten des Staatslebens zu wahren, die unbedingte Gewissens- und Glaubensfreiheit seiner Bürger gegen jeden Angriff zu schützen und den Kirchen volle Freiheit und Selbstständigkeit zu gewähren, soweit sie sich mit der staatlichen Ordnung und der Freiheit Aller vereinigen lassen.“37 Zumindest der letzte Halbsatz zeigt, dass ein Teil der PJ-Autoren – in diesem Fall der Staats- und Kirchenrechtler Edgar Löning, der Philosoph Eduard Zeller sowie Wilhelm Wehrenpfennig – bereit war, auf die katholischen Reformer zuzugehen und als Korrektiv zur Kulturkampfgesetzgebung eine weitere Liberalisierung des Staatswesens zu fordern38. Heinrich von Treitschke wiederum zeigte auch in innerkirchlichen Fragen keine Kompromissbereitschaft und forderte klare, hierarchische, staatliche Lösungen. Die Diskussion über den Militäretat des Deutschen Reichs erzwang von den PJ Stellungnahmen zu den Wechselwirkungen zwischen Krieg und Nationswerdung.39 Es galt, die erfolgreiche „Verschmelzung der verschiedenen sozialen Schichten“40 dem Zusammenwirken von Aristokratie und Bürgertum zuzuschreiben. Wer sich überzeugender „in den Krieg hineinkonstruierte, konnte auch eine tragende Rolle im neuen Nationalstaat für sich beanspruchen. Je bürgerlicher die Armee gezeichnet wurde, desto bürgerlicher musste auch die Selbstdefinition der gesamten Nation 34 Rudolf Haym an Wilhelm Schrader am 8. Juli 1871 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 282). 35 Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland von Anfang Juli, in PJ XXIII, 6 (1869), S. 686 ff., hier S. 696. Ähnlich in den Politischen Korrespondenzen des Jahres 1871: Meyer, am 31. Juli, in PJ XXVIII, 2 (1871), S. 209 ff.; Wehrenpfennig, am 4. September, in PJ XXVIII, 3 (1871), S. 323 ff., hier S. 335; Wehrenpfennig, am 3. Oktober, in PJ XXVIII, 4 (1871), S. 432 ff. und Meyer, im Dezember, in PJ XXVIII, 6 (1871), S. 683 ff. 36 Vgl. Zeller, Die päpstliche Unfehlbarkeit und die Säkularisation des Kirchenstaats, in PJ XXVII, 5 (1871), S. 511 ff. Vgl. Zeller, Die Bewegung gegen die Infallibilität, in PJ XXVII, 6 (1871), S. 740 ff. 37 Löning, Die katholische Kirche im Elsass und in Preußen, in PJ XXVII, 6 (1871), S. 716 ff., hier S. 739. Ähnlich Zeller, Preußen und die Bischöfe, in PJ XXVIII, 2 (1871), S. 205 ff. 38 Vgl. Cranston, PJ, S. 238 ff.; Wehrenpfennig, Die Ultramontanen im Reichstag und die römische Kirche, in PJ XXVII, 4 (1871), S. 492 ff., hier S. 497 und Zeller, Obligatorische oder fakultative Zivilehe?, in PJ XXVIII, 5 (1871), S. 507 ff. Ähnlich ebenso die Nationalzeitung im Sommer 1871 (vgl. Friehe, Nationalzeitung, S. 174). 39 Vgl. Becker, Bilder von Krieg und Nation, S. 19. 40 Ebd., S. 334.
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ausfallen.“41 In verschiedensten Zusammenhängen betonten die PJ in den Jahren 1870/71 den Gleichklang von Monarchie, Nation, Armee und Bürgertum.42 Wehrenpfennig war zunächst nicht bereit, das Budgetrecht des Reichstags in Bezug auf den Militäretat anzuzweifeln und dachte über eine Heeresverkleinerung nach.43 Da abzusehen war, dass Treitschke einen der parlamentarischen Mitbestimmung entzogenen Pauschalbetrag für die Armee befürwortete44, empfahl Wehrenpfennig, die Beratungen über den Militäretat zu vertagen, da die süddeutschen Staaten das preußische Heeressystem noch nicht vollkommen übertragen hätten und die Armee durch die Besatzung Frankreichs gebunden sei45. Dies war, abgesehen von einem anonymen Beitrag Bismarcks zum Bau der deutschen Seeflotte46, die einzige Äußerung zur letztlich erfolgten Einschränkung parlamentarischer Gestaltungsmacht. Die parlamentarische Mehrheit und liberale Mitstreiter wie Julian Schmidt47 oder Rudolf Haym48 unterstützten die Haltung Treitschkes und der PJ, doch die Kritik war nicht zu überhören. Wehrenpfennig berichtete, dass die Armeeführung mit dem Aufschub der Etatberatungen auf drei Jahre unzufrieden sei. Man behaupte, „daß schon jetzt recht gut ein spezieller Etat hätte aufgestellt werden können“49. Treitschke schrieb, die Weser-Zeitung bezeichne ihn als „ausgejubelten Jubelgreis“, der
41 Becker, Bilder von Krieg und Nation, S. 375 f. Sell, Liberalismus, S. 233, konstatierte, der „Geist des Militarismus“ laufe liberalen Idealen zuwider. Also müsse untersucht werden, wie sich die Liberalen nach 1870 zu diesem Lebensstil verhielten. 42 Vgl. von Treitschke, Friedenshoffnungen, in PJ XXVI, 4 (1870), S. 491 ff., hier S. 497; Wehrenpfennig, Polit. Korrespondenz von 30. September, in PJ XXVI, 4 (1870), S. 502 ff., hier S. 505 f.; von Treitschke, Die Verträge mit den Südstaaten, in PJ XXVI, 6 (1870), S. 684 ff., hier S. 695; von Treitschke, Parteien und Fractionen I, S. 179 ff. Ähnlich Duncker an Reyscher am 7. Oktober 1870 (in Grube, Duncker Briefwechsel, S. 356), Baumgartens Broschüre Wie wir wieder ein Volk geworden sind (Leipzig, 2. Aufl. 1870) und meist die Nationalzeitung (vgl. Friehe, Nationalzeitung, S. 170 und Koch, Berliner Presse und Europäisches Geschehen, S. 376 ff.). 43 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 6. Juli, in PJ XXVIII, 1 (1871), S. 87 ff., hier S. 94 f. 44 Am 29. November 1871 im Reichstag (Sten. Ber. RT, 1. Legislatur, 2. Session, Bd. 1, S. 600 ff.). 45 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 3. Oktober, in PJ XXVIII, 4 (1871), S. 432, hier S. 442 f. 46 von Bismarck (Q.), Der Friede und die deutsche Marine, in PJ XXVII, 3 (1871), S. 338 ff. Vgl. Buch, Große Politik im Neuen Reich, S. 214 und Cranston, PJ, S. 188 f. 47 Vgl. Treitschke an Schmidt, 25. Dezember 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 23, Bl. 15). 48 Vgl. Rudolf Haym an Heinrich von Treitschke am 25. Januar 1872 (in Rosenberg, Briefe Hayms, S. 283 f.). 49 Wilhelm Wehrenpfennig an Treitschke am 26. Dezember 1871 (in Wentzcke, Im neuen Reich, S. 35).
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seit der Reichsgründung „eigentlich brotlos geworden sei“50. Selbst die Freikonservativen um Ludwig Karl Aegidi waren irritiert von Treitschkes altmodischer Staatstreue, die sogar die Koalition mit den Nationalliberalen sprengen könne.51 Auch die Lage in Süddeutschland blieb im Blickfeld der PJ – unter der Voraussetzung, den „heimgekehrten“ Staaten wieder ein gesamtdeutsches, bundesstaatlich organisiertes Vaterland zu bieten.52 Dieses müsse dagegen protestieren, dass in den Einzelstaaten noch immer Männer regierten, „deren Name […] mit tiefstem Mißtrauen und Widerwillen gehört wird“53. Daher agitierten die PJ auf höchste Anweisung und letztlich erfolgreich für die Absetzung des hessischen Ministerpräsidenten Reinhard von Dalwigk. Treitschke informierte den Autoren54 Friedrich Thudichum über einen vertraulichen „Brief aus Versailles“, in dem der Sturz Dalwigks angedacht werde. In den PJ wollte Treitschke nun thematisieren, „daß ein ehrliches Verhältniß Hessens zum Reiche unmöglich bleibt so lange dieser Mensch regiert“. In Bezug auf Elsass-Lothringen blieb die Prämisse, „alle Spuren deutscher Gesinnung [zu] begünstigen“55. Da Max Duncker aus dem Elsass berichtete, „[d]ie Beamten seien verzweifelt, unsere Milde und Großmütigkeit würde überall mit Schwäche verwechselt“56, forderten die PJ bald eine „strammere Haltung“ der deutschen Beamten vor Ort57. Darüber hinaus sollten die Beamten vorübergehend durch deutsche Pendants ersetzt werden, „die in herausfordernder Weise französische Sympathien zur Schau tragen“ und „der gegen die Regierung gerichteten Agitation offen und im Geheimen Vorschub“ leisteten. Alternativ müssten die
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Treitschke an Schmidt am 25. Dezember 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 23, Bl. 15). 51 Vgl. Aegidi an Treitschke am 18. Januar 1872 (in Wentzcke, ebd., S. 38 f.) und Cranston, PJ, S. 182. 52 Vgl. Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland, in PJ XXVII, 4 (1871), S. 487 ff.; Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 6. Juli 1871, S. 87 ff.; Lang, Vom württemberg. Landtag, in PJ XXVIII, 2 (1871), S. 195 ff. 53 Thudichum, Das Ministerium Dalwigk auch im neuen Reiche, in PJ XXVII, 3 (1871), S. 368 ff., hier S. 375. Vgl. auch Thudichum an Reimer, 3. Juli 1869 (StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Thudichum). 54 Treitschke an Thudichum am 15. Februar 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 17, Nr. 33, Bl. 4); vgl. Thudichum, Lebensabriss, S. 24. 55 Treitschke an Ferdinand Frensdorff am 25. November 1871 (NSUB Göttingen, F. Frensdorff I, Br. 27/411). 56 Wehrenpfennig berichtete Treitschke am 12. Juli 1871 über eine Dienstreise Dunckers (in Wentzcke, Im neuen Reich, S. 21); ähnlich Aegidi an Treitschke am 18. Juli 1871 (ebd., S. 22 f.). 57 Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 4. September, in PJ XXVIII, 3 (1871), S. 323 ff., hier S. 334; vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz vom 6. Juli 1871, S. 90 ff.; Tiedemann, Eine Mahnung aus dem Elsass, in PJ XXVIII, 4 (1871), S. 444 ff. und aus der Sekundärliteratur Schlüter, Reichswissenschaft, S. 309 ff.
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„Gemeinde-Beamten durch halbgebildete Polizei-Commissäre auf Schritt und Tritt überwacht werden“58. Die europäische Lage betrachteten die PJ aus einer Position deutscher Stärke. Doch sie fühlten sich auch von Feinden umzingelt. Ehe „der Argwohn der Mächte gegen den deutschen Emporkömmling nicht beschwichtigt ist, dürfen wir den Finger nicht vom Drücker lassen“, bemerkte Hermann Baumgarten.59 Voraussetzung für eine sichere Existenz der neuen Nation war also die Suche nach einem verlässlichen Partner. Da die PJ eine engere Verbindung zu Russland ausschlossen60 und England auf Seiten Frankreichs wähnten, blieb nur Österreich61. Man setzte auf die Treue der deutschsprachigen Bevölkerung, erhoffte sich von Außenminister Gyula Graf Andrássy eine ausgleichende Politik und freute sich über das entspannte Verhältnis zwischen den beiden Kaisern, das sich 1871 bei drei Konsultationen gezeigt hatte.62 Allerdings bereitete die innere Entwicklung Österreichs Sorgen. In der Bewertung der föderalen Ordnung blieben die PJ schwankend.63 Nachdem im Herbst 1871 erneut wichtige Minister ausgetauscht wurden64 und viele Deutschösterreicher den Wunsch nach einem Großdeutschland erneuerten, warnte Treitschke wieder einmal vor dem finis austriae und den revolutionären Folgen für Ostmitteleuropa65. Zumindest Wehrenpfennig war zuversichtlicher und schrieb: „[U]nsere Enkel werden noch über den Zerfall Österreichs philosophieren wie wir.“66
58 Tiedemann, Noch ein Wort über die Elsässischen Maires, in PJ XXVIII, 6 (1871), S. 664 ff., S. 665 u. S. 667. 59 Brief an Varentrapp vom 10. Februar 1871 (BArch Berlin-Lichterfelde N/2013 – 24, NL Baumgarten, Bl. 18). 60 Vgl. Jähns’ Artikelreihen über das russische Heereswesen in PJ XXV bis XXVIII und Cranston, PJ, S. 291 f. 61 Vgl. Biermann, Ideologie statt Realpolitik, S. 279 ff. und Wassmann, Österreich in den PJ, S. 102 ff. 62 Vgl. Wehrenpfennig, Politische Korrespondenzen vom 6. Juli 1871, S. 96 und vom 4. September 1871, S. 323; von Noorden, Sechs Jahre österreichischer Politik, in PJ XXVIII, 4 (1871), S. 354 ff., hier S. 385 ff. und von Treitschke, Österreich und das deutsche Reich, in PJ XXVIII, 6 (1871), S. 668 ff., hier S. 672 ff. 63 Vgl. von Treitschke, Österreich und das deutsche Reich, S. 671 f. und Wassmann, ebd., S. 151 ff. 64 Vgl. Lorentz, Korrespondenz aus Wien, in PJ XXVIII, 5 (1871), S. 562 ff., hier S. 570. 65 Vgl. von Treitschke, Österreich und das deutsche Reich, S. 668 ff.; Dillmann, Treitschke und Österreich, S. 22. Ähnlich in der Bewertung: Grenzboten und Im neuen Reich (vgl. Faber, Nationalpolitische Publizistik II, S. 645). Die HPBl wiesen dieses Bündnis zurück; Russland werde es nicht akzeptieren (vgl. ebd., S. 652). 66 Wilhelm Wehrenpfennig an Treitschke am 26. Dezember 1871 (in Wentzcke, Im neuen Reich, S. 35).
H. Fazit und Ausblick Seit dem Beginn ihres Erscheinens zum Ende der Reaktionsperiode in Preußen war es der Anspruch der PJ, eine historische Perspektive mit dem Mut zur politischen Tat zu verbinden. Die Verbindung von Ideal und Praxis machte bereits das Gründungsmanifest vom 18. Oktober 1857 deutlich. Die von zwei Gruppen preußischer (Alt-)Liberaler gegründeten PJ wurden darin als Zeitschrift dargestellt, die durch ansprechende Inhalte in die Gesellschaft hineinwirken und die nationale Einheit ohne parteipolitische Festlegung fördern sollte. So waren sie von Anfang an eine hochpolitische Zeitschrift, deren beherrschendes Ziel ein deutscher Nationalstaat war, der auf vier Grundprinzipien aufbaute: Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten, Sicherung des parlamentarischen Systems, verantwortungsvoll agierende Regierende und politisch gebildete Bürger. Gründungsherausgeber der PJ war Rudolf Haym, ein später hoch angesehener Philologe und Literaturwissenschaftler aus Halle/Saale. Dieser hatte sich vor 1858 weniger als Mitglied der Casino-Fraktion der Frankfurter Nationalversammlung einen Namen gemacht, sondern als Verfasser einer dreibändigen Darstellung der Verhandlungen in der Paulskirche und als Kurzzeit-Chefredakteur der Constitutionellen Zeitung. Darüber hinaus veröffentlichte er mit Hegel und seine Zeit ein Werk, das in der Tradition Arnold Ruges und dessen Hallischen Jahrbüchern stand, eine spekulationsfreie Philosophie proklamierte und die Historiographie als Leitwissenschaft begriff. So fanden sich auch im Gründungsmanifest der PJ Verweise auf eine Distanzierung von der spekulativen Wissenschaft Hegels. Die Inhalte der Zeitschrift bestimmte Haym alleine. Zum Scheitern verurteilt war dabei sein Versuch, wissenschaftliche Ideale auch auf den politischen Journalismus zu übertragen. Zum einen konnte Haym fast ausnahmslos nur Gelehrte als Autoren an sich binden, die mit der Zusammenfassung und Kommentierung der raschen politischen Entwicklung überfordert waren. Zum anderen leitete der penibel arbeitende Haym die Redaktion meist ohne personelle Unterstützung und war daher mit seiner Arbeit – die zudem in Halle weitab vom politischen Geschehen stattfand – überfordert. So ging er noch in seiner Autobiographie hart mit sich ins Gericht und behauptete, zur politischen Leitung des Blattes habe ihm jegliches Talent gefehlt. Mit Beginn der Neuen Ära wurden die preußischen Altliberalen zur mitregierenden Partei in Preußen, was für die PJ ein regelmäßiges Bewerten der Tagespolitik notwendig machte.1 Anfangs unterstützten die Autoren das preußische Staatsmi1 „In jenem verwirrenden Streite haben die Jahrbücher sichtlich zur Klärung und Sammlung der öffentlichen Meinung, zur Verständigung über die nächsten Ziele beigetragen; ja ich stehe
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nisterium noch bedingungslos. Doch die liberale Ausgestaltung der Verfassung blieb aus, da die altliberalen Minister zu wenig Durchsetzungskraft gegenüber den konservativen Kräften in Regierung und Bürokratie zeigten. Innerhalb der Autoren bildete sich daher schnell eine eher verfassungstreue Fraktion um Herausgeber Rudolf Haym und Heinrich von Treitschke aus, die mit ihren Vorstellungen von Moral und Reform in der Politik über die Forderungen altliberaler Mitstreiter hinausging. Gerade Heinrich von Treitschke machte sich in seinen Essays für die politische und rechtliche Gleichberechtigung des Bildungs- und Besitzbürgertums mit dem Adel stark. Auf der anderen Seite standen Staatstreue wie Theodor von Bernhardi, Max Duncker und Karl Neumann, die das aktuelle politische Geschehen kommentierten und dabei deutlich mehr Verständnis für die Politik König Wilhelms und des Ministeriums der Neuen Ära aufbrachten. Als sich mit der Gründung der Fortschrittspartei 1861 das Ende der liberalen Einheit in Preußen deutlich abzeichnete, wandten sie sich gegen jeglichen Radikalismus in der Politik. Denn sie fürchteten besonders, dass Erfolge der Fortschrittspartei zu einem konservativen roll-back in der Regierung führen könnten. Daher kritisierten Bernhardi, Duncker und Neumann offen die Altliberalen im preußischen Abgeordnetenhaus, deren unnachgiebige Haltung in Bezug auf die Heeresreformpläne der Regierung die innenpolitische Blockade verfestigt habe. Bedingt war dieser Kurs auch durch die Gründung der linksliberalen Deutschen Jahrbücher für Politik und Literatur, von denen sich die PJ deutlich absetzen mussten. Die außen- und bundespolitische Analyse der PJ bestimmte jahrelang Rudolf Hayms enger Vertrauter Max Duncker, zugleich Leiter der staatlichen Zentralstelle für Presseangelegenheiten und später Berater des Kronprinzen Friedrich Wilhelm. In Bezug auf die Bundespolitik hatte Duncker bereits im Sommer 1858 das Prinzip moralischer Eroberungen eingeführt und damit die enge Verknüpfung der innen- mit der außenpolitischen Perspektive verdeutlicht. Für die führenden Köpfe der Zeitschrift war es ein unumstößliches Prinzip, dass Preußen für seine inneren Probleme nicht lösen könne, solange es nicht die Deutsche Frage angehe. Die Ereignisse des Jahres 1859 aber schienen Preußens Chancen auf moralische Eroberungen im Süden Deutschlands verbaut zu haben. Duncker zog aus den Wirren um eine mögliche Kriegsbeteiligung Preußens und des Deutschen Bundes in Italien richtungsweisende Lehren. Für ihn war aus der „bedingungsweisen österreichischpreußischen ,Notgemeinschaft‘ […] im Geiste der alten ,österreichischen Schule‘ des friedlichen Dualismus“2 ein Gegensatz geworden. Anstelle Englands handelte man nun Frankreich als möglichen Kooperationspartner in der Außenpolitik. Infolge dieses Wandels wurde die instabile Lage Italiens in den PJ zunächst positiver benicht an zu behaupten, daß sie selbst in ihrem nicht seltenen Widerspruch die Staatsregierung auf dem richtigen Weg festgehalten und weiter getrieben haben.“ So urteilte Schrader im Jahre 1903 in seinem Vorwort zu Haym, Gesammelte Aufsätze, S. III. 2 Wassmann, Österreich in den PJ, S. 45.
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trachtet, dann praktisch nicht mehr. Dennoch blieb man bei der Ansicht: Sollte sich Preußen als verlässlicher Verfassungs- und Militärstaat beweisen, könne es die Blockade im Deutschen Bund alleine beenden – und das infolge gesteigerten Ansehens und vergrößerter Macht ohne die Unterordnung unter Österreich und/oder die Drittstaaten. Sachlich, nüchtern und abwartend verhielten sich die PJ bei der Berufung Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten. Das budgetlose Regime aber verurteilten die Autoren als verfassungswidrig, die Grundfesten der Verfassung und des parlamentarischen Lebens waren für sie unumstößlich. Herausgeber Rudolf Haym positionierte die PJ nun als Organ einer verfassungstreuen Bewegung, zu der er noch die Altliberalen zählte. Dennoch versuchte er, wenn auch vergeblich, seiner Zeitschrift durch das Hinzuziehen fortschrittsliberaler Autoren eine neue, klar oppositionelle Färbung zu geben. Die Diskussion um die Presseverordnung von Juni 1863 stellte die Zeitschrift dabei aber vor enorme Probleme mit der eigenen Glaubwürdigkeit. Rudolf Haym erkannte zwar zurecht, dass Tageszeitungen „in der That übel dran“ seien, weniger aber die PJ, „die ja von Haus aus darauf angelegt waren, vom Standpunkte der höchsten Bildung und vom Standpunkte der Wissenschaft in den politischen Kampf miteinzugreifen“3. Bei seinem Versuch, die Motive der Regierung nach diesem Prinzip zu erläutern, zeigte er nach Ansicht vieler Alt- und Fortschrittsliberaler zu viel Verständnis. So beschwor der einflussreiche Autor Heinrich von Treitschke in den Grenzboten eine Auseinandersetzung mit Haym herauf und stellte seine Arbeit für die PJ ein – ein schwerer Schlag für die Zeitschrift, deren Einschätzungen zur verfahrenen innenpolitischen Lage in den folgenden Jahren zunehmend aussichtslos wirkten. Nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch innerhalb der PJ waren die Jahre von 1863 bis 1866 von Umbruch und Aufbruch geprägt. Zwar hatten sich die PJ nach gut fünf Jahren ihres Erscheinens ihren Leserstamm im kleindeutschen Bildungsund Besitzbürgertum gesichert, doch blieb ihr Absatz weit hinter den Erwartungen zurück. Finanziell stand das Projekt mehrmals kurz vor dem Zusammenbruch, Verleger Georg Reimer musste die PJ so sehr bezuschussen, dass er beispielsweise ankündigte, die Zeitschrift zum Jahresende 1865 einzustellen. Vor allem dem unermüdlichen Einsatz des politischen Netzwerkers Max Duncker war es zu verdanken, dass unter altliberalen Politikern und Industriellen weitere Garantiesummen für den Erhalt der PJ aufgebracht werden konnten. Begleitet wurden diese finanziellen Schwierigkeiten von Rückzugsgedanken des Gründungsherausgebers. Rudolf Haym versuchte über Jahre immer wieder vergeblich, wichtige Mitarbeiter und Korrespondenten wie Hermann Baumgarten, Karl Neumann oder – vor dessen Rückzug – auch Heinrich von Treitschke von der 3 Haym an Georg Gottfried Heid. Hs. 2526, 155; Nr. 11).
Gervinus
am
11. Juni
1863
(UB Heidelberg,
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Übernahme der Redaktion zu überzeugen. Erst im Oktober 1863 trat Wilhelm Wehrenpfennig in die PJ-Redaktion ein und übernahm die Herausgabe der Zeitschrift zum Jahresbeginn 1865 endgültig. Die nun spürbar steigende Aufmerksamkeit für die PJ war unzweifelhaft verbunden mit dem Beginn der Redaktionstätigkeit Wehrenpfennigs, der auch Heinrich von Treitschke in die Riege der Autoren zurückholte und ihn im Sommer 1866 zum Mitherausgeber machte. Diese Entscheidung kam völlig unabhängig von der politischen Entwicklung und ohne Einwirkung der preußischen Regierung zustande. Treitschkes Eintritt in die Redaktion war bereits seit Jahresbeginn 1866 ausgemacht und vor allem dadurch bedingt, dass PJ-Herausgeber Wilhelm Wehrenpfennig seit Frühjahr 1865 für mehr als zwei Jahre lang in Frankfurt am Main einen Familienbetrieb abwickeln musste. In den folgenden Jahren führten beide die Zeitschrift vollkommen gleichberechtigt, wobei Wehrenpfennig der eigentliche Schlussredakteur war, den Inhalt der Hefte plante und als politischer Informant für Treitschke wirkte. Die Doppelspitze Wehrenpfennig-Treitschke gab den PJ eine deutlich politischjournalistische Prägung. Beide Herausgeber beendeten die philosophisch-theoretische Ausrichtung der Zeitschrift und nahmen auch auf die Befindlichkeiten der Altliberalen keine Rücksicht mehr. So hatten zwischenzeitlich die Geschehnisse in Schleswig-Holstein die Rolle der PJ innerhalb der liberalen Nationalbewegung grundlegend verändert. Unter anderem mit den gewichtigen Namen Georg Waitz und Ludwig Häusser hatten sich die PJ noch bis ins Frühjahr 1864 hinein für die Einsetzung des augustenburgischen Erbprinzen in Schleswig-Holstein eingesetzt und sich selbst zu Jahresbeginn 1865 noch für einen reformierten deutschen Bundesstaat inklusive selbständiger Herzogtümer ausgesprochen. Unter Federführung Heinrich von Treitschkes setzte sich die Zeitschrift alsbald an die Spitze einer Bewegung, die Preußens militärische Erfolge zur Beschleunigung der Deutschen Einheit einzusetzen gedachte – beginnend mit der Eingliederung Schleswig-Holsteins in den preußischen Staat. Damit aber waren die PJ in den Augen mancher Weggefährten zu weit gegangen. Grenzboten, altliberale preußische Abgeordnete, eigene Beitragsmitglieder, Altherausgeber Rudolf Haym und Max Duncker forderten, man möge sich künftig mehr auf Einordnung von Sachverhalten als auf Agitation konzentrieren. Derart bedrängt unterließ es PJ-Herausgeber Wilhelm Wehrenpfennig in der Folge, allzu parteiischen Gastautoren prominenten Platz in der Zeitschrift einzuräumen. Dennoch blieben Vorwürfe der Staatshörigkeit und der Entfremdung von der Verfassungsbewegung noch lange an den PJ haften. Dabei interpretierten sie die Annexionspolitik auf dem Weg zur deutschen Einheit immer als Teil einer Verfassungsbewegung. Man gab die innere Reform zwar nicht zugunsten der deutschen Einheit auf, schätzte aber die Gelegenheit zur Realisierung Letzterer günstig ein. Damit widersprachen die PJ aber noch dem Großteil der liberalen Nationalbewegung, der innere und äußere Politik nicht getrennt bewertete.
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Auch in der Folge sahen die Autoren der PJ einen bundesdeutschen Krieg als unvermeidbar an, wenn sie auch die – mehr oder minder ernsthaft betriebenen – Pläne unterstützten, die Auseinandersetzung durch eine Reform des Deutschen Bundes unter Ausschluss Österreichs zu verhindern. Nach Kriegsende und der Begründung des Norddeutschen Bundes empfahlen sie Österreich einen harten Reformkurs und die Beschränkung seiner territorialen Interessen auf Südosteuropa. So hatten sich auf außen- und bundespolitischer Ebene die Erwartungen bestätigt – doch eine rein nationalliberale oder gar Bismarck-hörige Publikation sind die Jahrbücher auch in den Jahren bis zur Reichsgründung nie gewesen. Als sich der Krieg Preußens gegen Österreich und dessen Verbündete abzeichnete, erklärten wichtige Autoren der PJ weiterhin ihre strikt oppositionelle Haltung in innenpolitischen Fragen. Doch sie betonten ebenso, dass die aktuelle preußische Regierung in der gegenwärtigen Situation unterstützt werden müsse, da nur sie die Geschicke der gesamten Nation in die richtige Richtung lenken könne. Diese Argumentation sollte die Diskussion um die Neuausrichtung der Parteien in den Wirren des Jahres 1866 bestimmen. Das Leitmotiv der PJ blieb in der Folge die Sorge um den preußischen Staat. Zu Mitträgern der Politik der preußischen Regierung haben sich lediglich zwei den PJ nahe stehende Personen gemacht: Theodor von Bernhardi, der bereits zu Beginn des Verfassungskonflikts aus dem Autorenkreis geschieden war, und Max Duncker, für dessen Ansichten in der künftig von den Altliberalen unabhängigen Zeitschrift kein Platz mehr sein sollte, traten in den diplomatischen Dienst Preußens ein. PJ-Herausgeber Heinrich von Treitschke lehnte Angebote, in Bismarcks publizistischen Dienst zu treten, wiederholt mit der Begründung ab, die verfassungspolitisch fragwürdige Politik der Regierung nicht vertreten zu können. Dass in der historischen Forschung dennoch über Jahrzehnte die Stimmen die Oberhand behielten, die in den PJ einen reinen Verfechter Bismarckscher Politik sahen4, mag mit einer weiteren zentralen Veröffentlichung der Zeitschrift zusammenhängen: die Selbstkritik des Liberalismus aus dem Herbst 1866. Der Historiker Hermann Baumgarten kritisierte darin die Politik der Neuen Ära in Preußen (persönliche Angriffe auf altliberale Politiker nahm PJ-Herausgeber Wilhelm Wehrenpfennig aus Sorge um deren finanzielle Unterstützung für die Zeitschrift aus dem Heft) als haltungs-, instinkt- und machtlos. Ebenso missbilligte Baumgarten die Rolle der linkliberalen Fortschrittspartei, die mit ihrer idealistisch-doktrinären Haltung niemals politische Führungsaufgaben übernehmen könne. In der Grundsatzopposition verspiele man jeglichen Einfluss auf die Gestaltung der deutschen Einigung. Die Aufforderung Baumgartens, der Liberalismus müsse regierungsfähig werden, wurde nach dem bisherigen Stand der Forschung in der zeitgenössischen Publizistik sowie im Bildungs- und Besitzbürgertum heftig diskutiert. Der Verfasser selbst aber beklagte ein mangelndes Echo aus der politisch-publizistischen Öffentlichkeit. 4 Vgl. nochmals die besonders offensichtlichen Beispiele: Bercht, PJ, S. 148 f.; Pflanze, Bismarck, S. 555; Prugel, Treitschke, S. 76 f. und Sell, Tragödie des Liberalismus, S. 219.
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Im Zuge der Neusortierung der Parteilandschaft ab 1866 gaben die PJ zunächst kein klares parteipolitisches Bekenntnis ab. Stattdessen brach der seit Gründung der Zeitschrift bestehende Gegensatz zwischen Regierungs- und Verfassungstreuen wieder auf. Treitschke und Duncker einerseits sowie Wehrenpfennig und Haym andererseits entzweiten sich am Grad der Unterstützung der Innenpolitik der Regierung Bismarck. Während Erstere – ähnlich wie Baumgarten in seiner Selbstkritik – darauf bestanden, liberale Forderungen der politischen Realität anzupassen, warnten Letztere vor einer Beschneidung verfassungsmäßig garantierter Freiheiten. Weil Heinrich von Treitschke aber erkannte, dass die Nationalliberalen bei der Wahl zum Konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes einen Wahlsieg und bei der Ausarbeitung der Bundesverfassung Zugeständnisse errungen hatten, unterstützten die PJ fortan die Bildung einer großen regierungsfähigen Mittelpartei, um den Einigungsprozess voranzutreiben. Ohne sich den Nationalliberalen entscheidend anzunähern, distanzierten sich die PJ deutlich vom verbliebenen Rest der altliberalen Fraktion. In der Folge schied mit Max Duncker ein Mann aus dem Autorenkreis der PJ, der mit seiner politischen Expertise fast zehn Jahre lang die politische Ausrichtung der Zeitschrift entscheidend mitbestimmt hatte und die Altliberalen weiterhin als zukunftsfähige Partei betrachtete. Ein klares Bekenntnis zur Nationalliberalen Partei sollten die PJ zunächst nicht abgeben. Zudem mahnte man vor den Wahlen zum Norddeutschen Reichstag im Spätsommer 1867, den Bogen liberaler Forderungen nicht zu überspannen und lehnte einen Grundrechtskatalog für die Verfassung des Norddeutschen Bundes ebenso ab wie ein allgemeines Wahlrecht. In der Folge setzten die PJ auf einen Vereinbarungsparlamentarismus vor allem in wirtschaftlichen Fragen und empfahlen einer sogenannten nationalen Mittelpartei die Förderung der staatlichen Einheit gemeinsam mit der Regierung, der aber so viele liberale Ziele wie möglich abgerungen werden sollten. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes und die Arbeit des Norddeutschen Reichstags interpretierten die PJ als weiteren Schritt zum deutschen Einheitsstaat. Doch schien ein gesamtdeutscher Staatsverbund auf mittelfristige Sicht unwahrscheinlich aufgrund der in Süddeutschland grassierenden Preußenfeindlichkeit und einer möglichen Intervention Frankreichs. Unter diesen Umständen akzeptierte man vorläufig eine Ausdehnung des Norddeutschen Bundes bis zur sogenannten Mainlinie. Man hoffte, den Süden inzwischen durch wirtschaftliche Anziehungskraft und eine einheitliche Militärorganisation enger an den Norddeutschen Bund binden zu können – als Mittel dazu erkannte man einerseits die Schutz- und Trutzbündnisse Preußens mit den süddeutschen Staaten und andererseits den Zollverein. Doch die Hoffnungen auf eine gemeinsame Wirtschaftspolitik wurden bei den Wahlen zum Zollparlament im Frühjahr 1868 enttäuscht. Die deutsche Einheit als Ziel aller Bemühungen stellten die PJ trotz der deutlich partikularistischen Signale aus dem Süden nicht in Frage – der Weg dorthin sei lediglich länger und beschwerlicher geworden.
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Preußen selbst wähnten die PJ zum Ende der 1860er-Jahre in einer Krise. Wilhelm Wehrenpfennig kommentierte das politische Geschehen seit Herbst 1867 als nationalliberaler Abgeordneter im preußischen Abgeordnetenhaus und später auch im Norddeutschen Reichstag und drängte dabei auf die Verwirklichung des Reformprogramms der Partei. Dabei stieß er vor allem bei PJ-Mitstreitern wie Treitschke und Baumgarten auf Unverständnis, die ihre publizistische Energie gänzlich in die Förderung des Einheitsstaates investierten. 1870 kam es zum als unabwendbar empfundenen Krieg gegen Frankreich. Der Kriegsausbruch und das ihm vorausgehende Ränkespiel um die spanische Thronfolgefrage trafen die PJ unvermittelt, und so wurde auch der preußische Ministerpräsident für seine Geheimdiplomatie kritisiert. Die Kampfhandlungen selbst stilisierten die PJ als Volkskrieg zweier gänzlich verfeindeter Nationen, die (analog zu den Entwicklungen in den Kriegen gegen Dänemark und Österreich) den moralischen, politischen und militärischen Niedergang des Nachbarn aufzeigen sollten. Nach der endgültigen Kapitulation Frankreichs dann war der Weg frei für eine Neuordnung der europäischen Machtverhältnisse: Die Vorherrschaft eines preußisch dominierten Deutschen Reichs sollte in Europa ein neues und friedvolles Zeitalter begründen. Eine führende Rolle nahmen die PJ in diesem Zusammenhang als Befürworter einer Annexion Elsass-Lothringens durch Preußen ein. Heinrich von Treitschkes wirkungsvoller Aufsatz Was fordern wir von Frankreich? begründete Anfang September 1870 einen gewaltigen Pressechor mit, der für ein vereintes Deutschland eine vorgerückte und sichere Westgrenze forderte. Treitschke sprach Frankreich jegliches Selbstbestimmungsrecht ab und erläuterte, dass nur Preußen dazu imstande sei, die zu annektierenden Gebiete effektiv zu verwalten und gegen Revanchegelüste zu behaupten. Das neue deutsche Staatsgebilde sollte in der Tradition des von Preußen dominierten und möglichst stark zentralisierten Norddeutschen Bundes stehen. Dementsprechend laut war die Kritik an den Versailler Verträgen, die nach Ansicht der PJ einer Marginalisierung Preußens Vorschub leisteten. Dennoch empfahl man die Annahme der Verträge und der Verfassung des Deutschen Reichs, denn man sei verpflichtet, die Treue der süddeutschen Bündnispartner schnell in sichtbare Ergebnisse zum Wohl des gesamten Volkes umzumünzen. Für die PJ war mit der Begründung des Deutschen Reichs in doppelter Hinsicht eine neue Zeitrechnung angebrochen: erstens war mit dem deutschen National- und Verfassungsstaat die Hauptforderung der Zeitschrift Wirklichkeit geworden, zweitens konnten beide Herausgeber als Mitglieder des Reichstags die parlamentarische Debatte aktiv mitgestalten. Während Heinrich von Treitschke dort einer freikonservativ-nationalliberalen Allianz eine zentrale Rolle zuwies, um den Einheitsstaat nach innen wie außen zu sichern, erwartete Wilhelm Wehrenpfennig eine Periode liberaler Verfassungsreformen unter rein nationalliberaler Führung.
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Unter der parlamentarischen Tätigkeit der beiden Redaktionsleiter litt die Qualität ihrer Berichterstattung: Treitschke und Wehrenpfennig brachten kaum Zeit und Motivation auf, um das politische Geschehen für die PJ angemessen aufzuarbeiten. So ging der Zeitschrift nicht nur die politische Leitlinie verloren, wie oben beschrieben brach auch der alte Gegensatz zwischen Staats- und Verfassungstreuen wieder auf. Das zeigte sich auch in der Kommentierung des Kulturkampfs auf Reichsebene, in der die PJ für die strikte Trennung von Kirche und Staat eintraten. Doch während Wehrenpfennig noch ein Mindestmaß an Kompromissbereitschaft gegenüber der katholischen Reformbewegung aufbrachte, beschwor vor allem Treitschke in den Folgejahren das Stereotyp des katholisch-ultramontanen Reichsfeindes. Insgesamt lässt sich jedoch konstatieren, dass die PJ im gesamten Untersuchungszeitraum gerade die preußische Politik glaubwürdig kommentierten. In der Anfangsphase der Neuen Ära beispielsweise konzentrierte sich Korrespondent Karl Neumann ganz darauf, die Motive der von Altliberalen gestützten Regierung zu erläutern. In der Beurteilung des Heeres- und Verfassungskonflikts war noch über das Ende der Neuen Ära hinaus der Wille zu erkennen, Lösungsvorschläge von allen Seiten unvoreingenommen zu diskutieren. Auch bei der Einschätzung der Bundespolitik – von den Reformvorhaben über die Verfassungsentwicklung im Norddeutschen Bund bis zur Arbeit des Zollparlaments – wurden die PJ ihrem Ziel gerecht, sich glaubwürdig für das Wohlergehen der Nation einzusetzen. Vom Streit um die Vorherrschaft im deutschsprachigen Raum geprägt war die Sicht auf Österreich und die katholische Kirche. Spätestens seit dem Krieg um Italien beschworen die Autoren der PJ das finis austriae und konnten in keiner außen- und verfassungspolitischen Entscheidung Österreichs einen Sinn erkennen. Vor allem Treitschke rechnete in seinen Veröffentlichungen scharf und polemisch mit partikularistischen und proösterreichischen Tendenzen innerhalb des Deutschen Bundes ab, die er unter anderem von der weltlichen Politik der Kurie in Rom beeinflusst sah. Bereits im ersten Rundschreiben an die Mitarbeiter der PJ setzte sich Erstherausgeber Rudolf Haym das Ziel, mit der Zeitschrift die Meinungsbildung eines größeren Publikums zu beeinflussen. So positionierten Autoren und Herausgeber die Publikation in den folgenden Jahren als „Zentralorgan der ernstlich gebildeten und politisch Verständigen“5, also der national gesinnten, historisch interessierten, verfassungstreuen und zumeist protestantischen Liberalen in Preußen und auch in den übrigen deutschen Staaten. Wer genau die PJ las, lässt sich nicht mehr eindeutig ermitteln. Zwar werden im Archiv des Verlags Georg Reimer (heute Teil des de-Gruyter-Verlagsarchivs in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin) vereinzelt ungefähre Abonnentenzahlen erwähnt. Eine Subskriptionsliste aus dem Jahr 1859 ist beispielsweise
5 Hermann Baumgarten an Heinrich von Treitschke am 13. November 1867 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 5, Mappe 41, Bl. 32/33).
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nicht vollständig erhalten.6 Informationen über die genaue Zahl der Abonnenten oder gar deren geografischen, wirtschaftlichen, parteipolitischen oder altersmäßigen Hintergrund sind also nicht vorhanden. Zumindest finden sich heute in den Nachlässen der mehr als 200 PJ-Autoren im Zeitraum 1858 bis 1871 reichhaltige Korrespondenzen über die Inhalte der Zeitschrift, und auch in der zeitgenössischen deutschen Medienlandschaft wurden einzelne Beiträge aus den PJ teils kontrovers diskutiert. Das wirkliche Ausmaß der Aufmerksamkeit für die Veröffentlichungen der PJ bleibt aus heutiger Sicht also schwer zu bestimmen. Das Augenmerk der historischen Forschung liegt auf Abhandlungen, in der die Sichtweisen der (Alt-)Liberalen zusammengefasst oder neu justiert wurden, wie – um nur drei Beispiele zu nennen – Max Dunckers außenpolitischer Leitfaden Die Politik der Zukunft aus dem Sommer 1858, Heinrich von Treitschkes umstrittenes Lob für den Einheitsstaat Das deutsche Ordensland Preußen aus dem Sommer 1862 oder Hermann Baumgartens Selbstkritik des Liberalismus aus dem Winter 1866. Ob Artikel wie diese aber bei den Zeitgenossen ähnlichen Widerhall fanden, bleibt strittig. Dass Dunckers Veröffentlichung viel diskutiert wurde, lässt sich nicht aus zeitgenössischen Korrespondenzen oder Zeitungsberichten belegen, sondern nur aus zweiter Hand, nämlich aus Hayms Duncker-Biographie von 1891. Baumgarten klagte über ausbleibende Reaktionen auf seine für die politische Orientierung der Liberalen eminent wichtige Publikation. Und Treitschkes als immens wirkmächtig geltende Schrift Der Krieg und die Bundesreform von Juni 1866 ging in der Broschürenflut infolge des preußisch-österreichischen Krieges unter. Wirkliche publizistische Durchschlagskraft erreichten die PJ in ihren Kommentaren zur Bundes- und Außenpolitik im Zuge der militärischen Auseinandersetzungen Preußens seit 1864. Wieder waren es vor allem Heinrich von Treitschkes Aufsätze, die „einiges Aufsehen“7 erregten. Die Schriften, in denen er offensiv die Annexion Schleswig-Holsteins forderte, erreichten als Separatdrucke eine noch größere Leserzahl und wurden zudem öffentlichkeitswirksam von der Kölnischen Zeitung und der Deutschen Allgemeinen Zeitung kritisiert, von den Grenzboten sowie den Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland verteidigt und von der sächsischen Regierung gar in ihrer Verbreitung gestoppt. Im Gegensatz dazu erschien die Kommentierung der preußischen Innenpolitik in den PJ als eine ohne Strategie und Außenwirkung, gerade weil man im Bemühen um eine sachliche Einordnung des Geschehens auch sich widersprechende Meinungen zugelassen hatte. Da die PJ seit Ausbruch des deutsch-dänischen Krieges die Bismarcksche Außenund Bundespolitik weitgehend unterstützten und zuvor während der Neuen Ära in 6
Vgl. StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Preußische Jahrbücher. Treitschke an Georg Reimer am 14. Februar 1865 in Bezug auf seine Befürwortung der preußischen Annexion Schleswig-Holsteins (in StaBi Berlin PK, Dep. 42, Archiv de Gruyter, R1 – Treitschke, Bl. 5). 7
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Preußen als Organ der die Regierung stützenden altliberalen Partei fungierten, wurde ihnen von großen Teilen der historischen Forschung fälschlicherweise eine durchgehend wohlwollende Haltung gegenüber der eigenen Staatsführung zugeschrieben. Dagegen sprechen vor allem wiederholte Beschlagnahmungen und Presseprozesse in den Jahren 1858, 1862 und 1863/4, denen sich Erstherausgeber Rudolf Haym infolge regierungskritischer Kommentare erwehren musste. Selten blieben auch die Versuche der Autoren, mit Veröffentlichungen in den PJ den politischen Kurs des Königshauses zu beeinflussen. Als prominentestes Beispiel aus der Frühphase der Zeitschrift gilt Max Dunckers Die Politik der Zukunft, eine Denkschrift zur bundesdeutschen Politik Preußens, gerichtet an König Friedrich Wilhelm IV. und Kronprinz Wilhelm. Enge persönliche Verflechtungen aber gab es tatsächlich zwischen der Zentralstelle für Pressangelegenheiten (seit Februar 1860 Literarisches Büro) des Staatsministeriums und der Redaktion der PJ. Max Duncker, der enge Vertraute des Gründungsherausgebers Rudolf Haym, leitete das Literarische Büro bis ins Frühjahr 1861. Er vermittelte wichtige Autoren wie Hermann Baumgarten, der den PJ über Jahrzehnte als Mittelsmann für Süddeutschland dienen sollte, oder den späteren Herausgeber Wilhelm Wehrenpfennig. Dass sich Rudolf Haym als Erstherausgeber der PJ von seinen im Regierungsdienst tätigen Autoren in seiner Themenwahl hat beeinflussen lassen oder gar Subventionen vonseiten des Literarischen Büros angenommen hat8, kann nach eingehender Recherche nicht bestätigt werden. Zudem sollte die Verbindung zum Literarischen Büro mit dem Ende der Neuen Ära ebenfalls enden, da nach Duncker auch dessen Nachfolger Wehrenpfennig im März 1862 sein aufreibendes Amt als Leiter der Regierungspresse aufgegeben hatte. Duncker, der in der Folge Preußens Kronprinzen Friedrich Wilhelm beriet, schied aus der Pressearbeit in der Befriedigung, mit „dem Ministerium […] kein Jota mehr zu tun“9 zu haben; und dass Wehrenpfennig am Tag des Amtsantritts des Ministeriums Hohenlohe-von der Heydt einen unbefristeten Urlaub antrat, kann kein Zufall sein, auch wenn weder seine Korrespondenz noch die Archivbestände mit Bezug auf das Literarische Büro eindeutig auf den Grund seines Rückzugs hinweisen. Infolge des steigenden Bekanntheitsgrads der Zeitschrift und des gesteigerten parteipolitischen Engagements von PJ-Herausgebern und Autoren kam es zwangsläufig zu häufigeren direkten Kontakten mit der Exekutive. Als sich die Zeitschrift mit dem gewichtigen Namen Heinrich von Treitschkes ab 1865 offensiv für die Einverleibung Schleswig-Holsteins in das preußische Staatsgebiet aussprach, kamen daher schnell Gerüchte auf, denen zufolge die PJ im Auftrag Bismarcks agitierten. Direkte Einflussnahmen der Regierung auf die inhaltliche Ausrichtung der PJ konnten bis heute nicht nachgewiesen werden und wurden auch von Zeitgenossen wie Max Duncker bestritten. Auch Heinrich von Treitschke lehnte im Vorfeld des Krieges von 1866 mit Verweis auf die verfassungswidrige Innenpolitik der Regie8 9
Diese Behauptung stellte Bercht, Konzeption der PJ, S. 52, auf. Aus einem Brief vom 20. Juni 1861 (zitiert in Haym, Leben Dunckers, S. 238).
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rung das durchaus ehrenvolle Angebot ab, im Hauptquartier der preußischen Armee publizistisch tätig zu sein und im Anschluss daran eine Professur in Berlin zu erhalten. Bismarck, der diese Entscheidung akzeptierte, versandte daraufhin die Grundzüge seiner geplanten Bundesreform und bat den geschmeichelten Treitschke, diese in verschiedenen Veröffentlichungen zu erläutern.10 Doch auch in diesem Punkt ließ sich der PJ-Autor nicht instrumentalisieren und kommentierte die Bundesreformpläne nicht öffentlich. Im Zuge der Diskussion um die Zukunft Elsass-Lothringens war es dann Treitschke, der sich an den Bundeskanzler wandte und eindringlich eine preußische Annexion der Provinzen erbat. Da aber Bismarck eine erneute Gebietserweiterung Preußens vermeiden wollte, forderte Treitschke in den PJ von Oktober 1870 die Eingliederung Elsass-Lothringens in den preußischen Staat. Doch sein Appell wurde durch Wehrenpfennigs im gleichen Heft veröffentlichte Mahnung geschwächt, Süddeutschland lediglich nicht weiter dem französischen Einfluss auszusetzen. Nur einmal kam es offensichtlich zu einer Zusammenarbeit mit Bismarck: Im März 1871 erschien in den PJ eine anonym veröffentlichter Artikel des Reichskanzlers, in dem er den Bau einer deutschen Seeflotte forderte – ein Anliegen jedoch, das die PJ bereits zwischen 1858 und 1861 in der sechsteiligen Serie Preußen und das Meer von Reinhold Pauli und in weiteren Veröffentlichungen immer wieder thematisiert hatten. Intensiver als die Kontakte zur preußischen Regierung gestalteten sich für die PJ die zu den liberalen Regierungen in Baden. Karl Mathy stand noch als Vortragender Rat im badischen Finanzministerium, dann als Handelsminister und zuletzt als Regierungschef in regelmäßigem Briefkontakt zu Max Duncker und Rudolf Haym, bis er im Februar 1868 einem Herzleiden erlag. Hermann Baumgartens Selbstkritik des Liberalismus entsprang aus dem regen Austausch mit seinem Schwager, dem badischen Innenminister und späteren Regierungschef Julius Jolly. Auch Heinrich von Treitschke verfügte durch seine knapp drei Jahre andauernde Tätigkeit an der Universität Freiburg ebenfalls über Kontakte in und nach Baden. Diese nutzte er im Frühjahr 1870, als er die Stellungnahmen des ehemaligen badischen Ministerpräsidenten, Außen- und Handelsministers Franz von Roggenbach zum Teil wörtlich für seine Aufforderung zu Badens Eintritt in den Bund11 nutzte. Nach dieser Zusammenfassung der wichtigsten Forschungsergebnisse dieser Studie weisen einige Fragen in die Zukunft der PJ innerhalb der nationalen und liberalen Bewegung – und auf wünschenswerte nachfolgende Untersuchungen. Konnte sich die Zeitschrift als parteipolitisch vielfältige Publikation behaupten oder 10
Vgl. den Briefwechsel zwischen Bismarck und Treitschke von Juni 1866 in in Cornicelius, Treitschke Briefe II, S. 478 ff. und StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 4, Mappe 19, Bl. 1 ff. 11 Vgl. Franz von Roggenbach an Treitschke am 12. Februar 1870 (in Heyderhoff, Preußisch-deutsche Einigung, S. 457 ff.) und von Treitschke, Badens Eintritt in den Bund, in PJ XXV, 3 (1870), S. 328 ff.
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etablierte sie sich als Parteiorgan der Nationalliberalen beziehungsweise Freikonservativen? Blieb sie weiter unabhängig von inhaltlichen Weisungen und finanziellen Unterstützungen der Staatsregierung? Setzten sich im Verlauf des Kulturkampfs innerhalb der preußisch-protestantisch dominierten Zeitschrift die Kräfte durch, die bereit waren, auf die katholischen Reformer zuzugehen, oder war von Kompromissbereitschaft keine Spur? War man bereit, den süddeutschen Staaten – und hier vor allem dem Königreich Bayern und dem Reichsland Elsass-Lothringen – eine gewisse Eigenständigkeit zuzugestehen und akzeptierte man die föderale Struktur des Reichs? Wie beurteilte man die Stellung des gesamtdeutschen Staats innerhalb der europäischen Machtverhältnisse? Aber auch die interne Entwicklung der PJ birgt interessante Fragen, gerade in Bezug auf die Herausgeber: Wie entwickelte sich das Verhältnis Heinrich von Treitschkes zu Wilhelm Wehrenpfennig, zumal Letztgenannter in den Jahren 1872 und 1873 zusätzlich die Redaktion der Spenerschen Zeitung12 übernehmen sollte? Führten sie die PJ weiter als das publizistische Organ für die bildungsbürgerliche Elite? Charakteristisch für den Großteil der liberalen Nationalbewegung ist in diesem Zusammenhang ein Zitat Rosenbergs, der in der Einleitung zur Briefedition des ersten PJ-Herausgebers Rudolf Haym schrieb: „Die soziale Bewegung seiner Zeit hat er nicht verstanden, wie sein Edelbürgerliberalismus, dem Hungergefühle und sklavische Abhängigkeit erspart geblieben waren, die Massen nie verstanden hat. Von früher Jugend an hatte er sich bewusst von alledem ferngehalten, was seiner ideal angelegten Natur und seinem adeligen Empfinden widersprach und unbequem war.“13 Klammerten die Macher der Zeitschrift – sei es aus Bequemlichkeit oder Ignoranz – also auch weiterhin so gut wie alle Fragen aus, die sich mit den sozialen Folgen der industrialisierten Gesellschaft beschäftigten? Der Blick in die fernere Zukunft der PJ lässt weitere Wegmarken aufscheinen: Wie positionierten sie sich in Bezug auf Bismarcks Sozialgesetzgebung? Wie interpretierten sie 1888 die kurze Regierungszeit Kaiser Friedrichs III., der Anfang der 1860er-Jahre noch der Hoffnungsträger der Liberalen14 gewesen war? Wie gestaltete sich das Verhältnis Treitschkes zu Hans Delbrück, als sie von 1883/4 bis 1889 die PJ zusammen leiteten, bis es zum Bruch zwischen ihnen kam? Delbrück soll wegen persönlicher Differenzen den Verleger um seine Entlassung gebeten haben. Entlassen wurde aber Treitschke, Delbrück gab die Zeitschrift bis 1919 allein heraus und übernahm zudem nach Treitschkes Tod dessen Berliner Lehrstuhl. Wie behaupteten sich die PJ unter seiner Führung? Wie standen sie zur Politik in der Regierungszeit Wilhelms II., während des Ersten Weltkriegs und in der Weimarer Republik (einem politischen System, das die Gründungsväter der PJ nicht als erstrebenswert erachtet hätten)? Behaupteten sich die PJ zuletzt vor der Gleichschaltungspolitik der Nationalsozialisten? 12 13 14
Diese sollte 1874 dann in der Nationalzeitung aufgehen. Rosenberg, Briefe Hayms, S. 16. Vgl. dazu neuestens und abschließend Müller, Der 99-Tage-Kaiser, S. 90 ff.
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Auch wenn diese Untersuchung die Position der PJ innerhalb der liberalen Nationalbewegung bis zur Reichsgründung 1870/71 weitgehend klären konnte, so gilt für die Zeit danach noch immer der Ausruf des letzten PJ-Herausgebers Walter Heynen, es fehle „eine ausholende und wirklich abschließende Darstellung dessen, was diese Zeitschrift in den fast 78 Jahren ihres Bestehens gewollt und erstrebt und vielleicht sogar erreicht hat“15.
15
Heynen, Abschied, in PJ CCXL, 3 (1935), S. 341 ff., hier S. 341.
I. Artikelverzeichnis der Preußischen Jahrbücher von 1858 bis 1871 Dieses Verzeichnis weist die Artikel, die in den Bänden I bis XXVIII der PJ erschienen sind, in bisher nicht vorhandener Vollständigkeit nach. Ein großer Teil der Informationen stammt aus den Registern, die an den 25. und 50. Band der Zeitschrift angehängt waren – der Briefwechsel zwischen Verlagshaus und (Alt-)Herausgebern zeigt aber auch, dass bereits 1870 viele Autoren nicht mehr nachgewiesen werden konnten oder wollten1. So stammen die überwiegenden stichhaltigen Informationen über die Autoren aus den Briefwechseln der Herausgeber Haym, Treitschke und Wehrenpfennig. Unverzichtbar für die Recherche waren überdies die Honorarabrechnungen und Autorenlisten der PJ, die sich heute im de-Gruyter-Archiv in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin befinden; Rudolf Haym (bis 1864) und Wilhelm Wehrenpfennig (ab 1864) haben diese recht gewissenhaft geführt.2 So können heute alle Artikel der PJ aus den Jahren 1858 bis 1871 – abgesehen von etwa zwei Dutzend – ihren Verfassern zugeordnet werden. Eine Ausnahme stellt die Rubrik der Notizen dar: Eine eindeutige Zuordnung zu den jeweiligen kurzen Passagen über die zeitgenössische politische Literatur blieb auch in den Honorarabrechnungen aus. Angegeben werden also in alphabetischer Reihenfolge nur die Personen, die zweifelsfrei am Entstehen der jeweiligen Notizenübersicht beteiligt gewesen sind. Eine weitere Ausnahme findet sich im Novemberheft 1868 (Band XXII) der PJ, dessen Seiten 503 bis 543 in den mir verfügbaren Exemplaren heute nicht mehr erhalten sind, im entsprechenden Registerband ebenfalls nicht geführt werden und über die sich in den Nachlässen der Herausgeber keine Informationen finden. Ob und aus welchem Grund die Seiten aus dem Heft genommen wurden, oder einfach vergessen, bleibt bis auf weiteres ungeklärt. Band I Heft 1 (Januar 1858) Karl Neumann, Die Engländer in Indien, S. 4 – 23. Max Duncker, Preußen und England, S. 23 – 31. Ludwig Aegidi, Die Aufgabe deutscher Staats- und Rechtsgeschichte, S. 31 – 45. 1
Vgl. Jungverleger Ernst Reimer an Heinrich von Treitschke am 14. Juli 1870 und 8. Februar 1871 (StaBi Berlin PK, NL Treitschke, Kasten 8, Mappe 68, Bl. 12 ff.) oder auch Rudolf Haym ans Verlagshaus Reimer am 13. Mai 1871 (ebd., Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Haym). 2 Vgl. StaBi Berlin PK, Dep. 42 Archiv de Gruyter, R1 – Preußische Jahrbücher: Honorarabrechnungen und Autorenlisten von Band 1 bis 66 (1858 bis 1886).
I. Artikelverzeichnis
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Friedrich Hinrichs, Beethoven, S. 46 – 60. Karl Philipp Francke, Das dänische Finanz-Memoir, S. 61 – 79. Rudolf Haym, Josef Lehfeldt und Otto Nasemann: Mitteilungen: Ein ungedrucktes Werk von Kant; Aus dem Leben des Grafen Schlabrendorf; Ein Brief Wilhelms von Humboldt; Über den Verein für deutsche Kulturgeschichte; Ein Denkmal für den Freiherren vom Stein, S. 80 – 96. Heft 2 (Februar 1858) Otto Gildemeister, Die Verkehrskrisis des Jahres 1857, S. 97 – 123. David Friedrich Strauß, Ludwig Timotheus Spittler, S. 124 – 150. Johann Wilhelm Loebell, Zur Methode neuester Geschichtsschreibung, S. 150 – 165. Bremer, Die schleswig-holsteinische und die „deutsch-dänische“ Frage, S. 166 – 185. Rudolf Haym und Adolf Lette, Der preußische Landtag während der Jahre 1851 bis 1857, S. 186 – 213. Rudolf Haym und Moritz Veit, Das Empfangsfest des 8. Februar, S. 214 – 223. Rudolf Haym, Ferdinand Walters Erklärung zu den Preußischen Jahrbüchern, S. 223 – 224. Heft 3 (März 1858) Theodor Mommsen, Thiers Geschichte der Kaiserzeit, S. 225 – 243. Ludwig Wilhelm Hermann Wasserschleben, Die neuesten Vereinbarungen mit Rom, S. 244 – 274. Gustav Cohen, Hamburg und die Handelskrisis, S. 275 – 292. Gabriel Riesser, Amerikanische Anschauungen und Studien, S. 292 – 304. Julius Jolly, Das französische Sicherheitsgesetz, S. 304 – 318. Rudolf Haym und Jürgen Bona Meyer, Mitteilungen: Ein Urteil über Friedrich Creuzer; Eine deutsche Revue in Frankreich, S. 319 – 324. Ludwig Karl Aegidi, Die Aufgabe deutscher Staats- und Rechtsgeschichte. Ein notgedrungener Nachtrag, S. 325 – 336. Heft 4 (April 1858) Wilhelm Vischer, Die Geschichte der Griechen, S. 337 – 365. Heinrich von Treitschke, Die Grundlagen der englischen Freiheit, S. 366 – 382. Eduard Zeller, Der Staat und die Hierarchie, S. 382 – 393. Karl Philipp Francke, Der Stader Zoll, S. 393 – 402. Gabriel Riesser, Amerikanische Anschauungen und Studien, S. 402 – 419. Johann Gustav Droysen, Rudolf Haym, Friedrich Hinrichs und Jürgen Bona Meyer, Mitteilungen: Die Ermordung des Kaisers Paul; Staatsausgaben in Dänemark und Holstein; Christianisierung der Hindus; Guizots Memoiren; Geschworenengericht in England; Kritische Monatshefte zur Förderung der Wahrheit bei literarischen Besprechungen; Zeitschrift des Zentralvereins der arbeitenden Klassen, S. 420 – 432.
442
I. Artikelverzeichnis Heft 5 (Mai 1858)
Reinhold Pauli, Preußen und das Meer, S. 433 – 444. Friedrich Heinrich Geffcken, Die französischen Finanzen, S. 444 – 464. Gabriel Riesser, Amerikanische Anschauungen und Studien, S. 465 – 486. Rudolf Haym, Ulrich von Hutten, S. 487 – 532. Hermann Ulrici, Kaulbachs Shakespeare-Galerie, S. 533 – 544. Rudolf Haym, Otto Nasemann und Karl Otto Weber, Mitteilungen: Johannes Müller, Feudalität und Aristokratie; Guizots Memoiren; Aus Schleiermachers Leben; Mommsen und Roß, S. 545 – 560. Heft 6 (Juni 1858) Gustav Karsten, Das neue deutsche Gewicht, S. 561 – 576. Reinhold Pauli, Preußen und das Meer, S. 577 – 593. Alexander Brückner und Rudolf Haym, Zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Geistes, S. 594 – 617. Ludwig Friedländer, Die Homerische Frage, S. 618 – 645. Hermann Reuchlin, Die Österreicher in Italien und die italienische Politik Russlands: I. Bis zum Frieden von Luneville (1801), S. 645 – 684. Rudolf Haym und Eduard Zeller, Mitteilungen: Bunsens Bibelwerk; Graf Schwerin an seine Wähler; Ein Wort mit der Neuen Preußischen Zeitung, S. 685 – 699. Band II Heft 1 (Juli 1858) Karl Mathy, Deutsche Interessen und deutsche Politik, S. 1 – 7. Reinhold Pauli, Preußen und das Meer, S. 7 – 27. Max Duncker, Die Politik der Zukunft, S. 27 – 43. Karl Otto Weber, Alexander von Humboldt und sein Einfluss auf die Naturwissenschaft, S. 44 – 65. August Friedrich Pott und Rudolf Haym, Ein Blick auf die allgemeine Sprachkunde und deren Literatur, S. 65 – 79. Christoph von Sigwart, Zur Geschichte der englischen Reformation, S. 79 – 95. Ludwig Karl Aegidi, Rudolf Haym und Emil Lehmann, Mitteilungen: Konstitutionelle Glossen; Die deutsche Auswanderung und der Bundestag; Zur neuesten Geschichte des deutschen Verfassungslebens; Sybels historische Vierteljahresschrift, S. 96 – 106. Heft 2 (August 1858) Wilhelm von Gwinner, Die deutschen Universitäten im 19. Jahrhundert, S. 107 – 141. Hermann Reuchlin, Die Österreicher in Italien und die italienische Politik Russlands: II. Vom Jahre 1800 bis zum Abschluss des Wiener Kongresses, S. 142 – 180.
I. Artikelverzeichnis
443
Karl Otto Weber, Alexander von Humboldt und sein Einfluss auf die Naturwissenschaft, S. 180 – 209. Karl Schwarz, Schleiermacher, S. 210 – 226. Rudolf Haym und Otto Nasemann, Mitteilungen: Das Jubiläum der Universität Jena; Zwei politische Broschüren; Böckhs Universitätsreden, S. 227 – 242. Heft 3 (September 1858) Robert von Mohl, Drei deutsche Staatswörterbücher, S. 243 – 267. Hermann Reuchlin, Die Österreicher in Italien und die italienische Politik Russlands: III. Von 1815 bis auf die Gegenwart, S. 268 – 303. Ludwig Friedländer, Winckelmann und seine Nachfolger, S. 303 – 332. Friedrich Hinrichs, Columbus, S. 332 – 350. Karl Philipp Francke, Rudolf Haym, Julius Jolly und Adolf Lette, Mitteilungen: Die Regentschaftsfrage und die Presse; Der Stader Zoll und die deutsche Ehre; Die Rechtswissenschaft der Gegenwart; Zum Stein-Denkmal, S. 351 – 362. Heft 4 (Oktober 1858) Karl Mathy, Der Münzvertrag, S. 363 – 389. Emil Lehmann, Die deutsche Auswanderung, S. 389 – 412. August Lammers, Der Gothaer Kongress und die Genossenschaftsbewegung in Deutschland, S. 413 – 438. Ludwig Karl Aegidi, Die Regentschaft in Preußen, S. 438 – 457. Rudolf Haym, Zu den Wahlen in Preußen, S. 457 – 468. Karl Biedermann, Colmar Grünhagen, Schellhass, Mitteilungen: Die Philologen-Versammlung zu Wien; Aus dem amerikanischen Rechtsleben; Zur historischen Literatur, S. 469 – 482. Heft 5 (November 1858) Emil Lehmann, Die deutsche Auswanderung, S. 483 – 521. Wilke, Schweizerische Zustände und Sympathie, S. 522 – 533. Reinhold Pauli, Preußen und das Meer, S. 533 – 542. Friedrich Heinrich Geffcken, Carlyles Friedrich der Große, S. 542 – 555. Adolf Lette und Rudolf Haym, Der alte und der neue preußische Landtag, S. 555 – 579. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. November, S. 579 – 593. Rudolf Haym und Otto Nasemann, Mitteilungen: Die Preußischen Jahrbücher und Herr B. A. Huber; Die Sprache des Quickborn; Ein Brief Yorcks an Oberst Rauch, S. 594 – 598.
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I. Artikelverzeichnis Heft 6 (Dezember 1858)
Heinrich von Treitschke, Heinrich von Kleist, S. 599 – 623. Georg Waitz, Das Königtum und die verfassungsmäßige Ordnung, S. 624 – 639. Emil Lehmann, Die deutsche Auswanderung, S. 639 – 663. Karl Philipp Francke, Schleswig, S. 663 – 674. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. Dezember, S. 675 – 702. Reinhold Pauli, Mitteilungen: Aus London, 13. Dezember, S. 703 – 707. Rudolf Haym, Mitteilungen: Was die holsteinischen Stände zu tun haben? Ein Beitrag zur deutschen Einheit, S. 707 – 713. Band III Heft 1 (Januar 1859) Rudolf Haym, Vorwort, S. 1 – 15. Wilhelm Schrader, Das Unterrichtsgesetz in Preußen, S. 16 – 29. Levin Goldschmidt, Das preußische Recht und das Rechtsstudium, insbesondere auf den preußischen Universitäten, S. 29 – 57. Hermann Baumgarten, Spanien unter den Habsburgern. I. Karl V. Und die Revolution von 1520, S. 58 – 92. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. Januar, S. 93 – 107. Heinrich von Treitschke, Broschüren-Literatur: I. Der Militärstaat, S. 108 – 114. Reinhold Pauli, Aus London, S. 115 – 121. Rudolf Haym, Notizen, S. 121 – 122. Heft 2 (Februar 1859) Hermann Baumgarten, Spanien unter den Habsburgern. II. Der katholische Absolutismus, S. 123 – 153. Gustav Cohen, Parlamentarische Studien, S. 153 – 175. Eduard Zeller, Zum zwölften Februar, S. 176 – 194. Marquardt Barth, Zehn Jahre bayrischen Verfassungslebens I, S. 194 – 219. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. Februar, S. 219 – 233. Heinrich von Treitschke, Broschüren-Literatur. 1. Suum cuique, 2. Eine politische Totenschau, S. 234 – 240. Reinhold Pauli, Aus London, S. 240 – 246.
I. Artikelverzeichnis
445
Heft 3 (März 1859) Theodor von Bernhardi, Leibeigenschaft und Freilassung der Bauern in Russland, S. 247 – 287. Max Duncker, Die neuere Geschichte Frankreichs, S. 288 – 299. Hugo Hälschner, Ein Krieg gegen Frankreich, seine Voraussetzungen und Zwecke, S. 300 – 325. Marquardt Barth, Zehn Jahre bayrischen Verfassungslebens II, S. 325 – 342. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. März, S. 342 – 352. [unbekannt], Aus Berlin. 10. März, S. 352 – 355. Reinhold Pauli, Aus London, S. 355 – 361. Hermann Reuchlin, Farini über die Lage und Stimmung Italiens, S. 361 – 365. Levin Goldschmidt, Rudolf Haym und Heinrich von Treitschke, Broschüren-Literatur: Preußen und die italienische Frage; Woran uns gelegen ist, ein Wort ohne Umschweife; Dissidentische Denkschrift; Über das Selfgouvernement in Preußen und England; Das juristische Studium in Preußen, S. 365 – 383. Rudolf Haym, Notizen: Der bevorstehende Krieg und das deutsche Volk; Über die Einheit Italiens; Sybels Hist. Vierteljahresschrift, Erstes Heft, S. 383 – 386. Heft 4 (April 1859) Reinhold Pauli, Kavaliere und Rundköpfe I, S. 387 – 408. Moritz Veit, Zur Pressgesetzgebung in Preußen, S. 408 – 419. Karl Philipp Francke, Die holsteinische Ständeversammlung, S. 420 – 439. R. Zwicker, Die Elbzölle, S. 439 – 451. Friedrich Heinrich Geffcken, Die Herzogin von Orléans, S. 452 – 459. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. April, S. 460 – 475. [unbekannt], Zur Situation, S. 476 – 478. Reinhold Pauli, Aus London, 15. April, S. 478 – 482. Hermann Baumgarten, Aus Süddeutschland, Mitte April 1859, S. 483 – 488 Hermann Reuchlin, Zur italienischen Politik Österreichs, S. 489 – 491. Rudolf Haym und Heinrich von Treitschke, Zur Tagesliteratur: Po und Rhein; Preußen und die italienische Frage; Die Verfassungsfrage in der holsteinischen Ständeversammlung; Preußen und der zukünftige Kongress; Stimme aus dem Volke; Braters Bayerische Wochenschrift; Zur Presserechtsprechung, S. 492 – 504. Heft 5 (Mai 1859) August Lammers, Hannovers Reaktionsjahre, S. 505 – 540. Wilhelm Roßmann, Die Gründung des preußischen Staats, S. 541 – 576. Gustav Wendt, Die Bildung der Gegenwart und die Kirche, S. 577 – 583. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Mitte Mai, S. 583 – 598.
446
I. Artikelverzeichnis
Hermann Baumgarten, Aus Süddeutschland, 21. Mai, S. 599 – 603. Friedrich Heinrich Geffcken, Die savoyische Neutralität, S. 604 – 607. Hermann Reuchlin, Italienische Studien, S. 608 – 612. [unbekannt], Alexander von Humboldt: 1787. 1794. 1830, S. 612 – 616. Heft 6 (Juni 1859) Anton Springer, Österreich in den Jahren 1848 bis 1858, S. 617 – 657. Rudolf Haym, Die Fabier, S. 657 – 683. Ernst Herrmann, Der Untergang Polens und die östlichen Großmächte. 1. Die erste Teilung Polens, S. 683 – 717. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Mitte Juni, S. 717 – 735. Hermann Baumgarten, Aus Süddeutschland, 18. Juni, S. 736 – 742. Otto Nasemann, Der erste Akt des italienischen Krieges, S. 742 – 747. Band IV Heft 1 (Juli 1859) Reinhold Pauli, Kavaliere und Rundköpfe. II. Ein Seestück, S. 1 – 21. Alexander Meyer, Das Institut der Staatsanwaltschaft in Deutschland, S. 22 – 42. Anton Springer, Fürst Metternich, S. 42 – 70. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 18. Juli, S. 71 – 89. August Lammers, Aus Hannover, Mitte Juli, S. 90 – 93. Anton Springer, Aus Österreich, 21. Juli, S. 94 – 101. Otto Nasemann, Der Schluss des italienischen Krieges, S. 101 – 106. Rudolf Haym, Wilhelm Beseler: Das deutsche Interesse in der italienischen Frage, S. 106 – 111. Rudolf Haym, Preußen und der Friede von Villafranca, S. 111 – 112. Heft 2 (August 1859) Heinrich von Treitschke, Zeitgenössische Dichter. I. Otto Ludwig, S. 113 – 132. Ernst Herrmann, Der Untergang Polens und die östlichen Großmächte. 2. Bis zum konstituierenden Reichstag von 1788, S. 133 – 162. Reinhold Pauli, Preußen und das Meer, S. 163 – 178. Theodor von Bernhardi, Frankreich, Österreich und der Krieg in Italien I, S. 179 – 197. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Mitte August, S. 197 – 212. Anton Springer, Aus Österreich, 17. August, S. 213 – 221. Rudolf Haym, Zur Broschürenliteratur: Preußen, der Bund und der Frieden; Was hat Preußen gesagt, getan?; Nach dem Frieden; Die Fälschung der guten Sache durch die Augsburger Allgemeine Zeitung, S. 222 – 228.
I. Artikelverzeichnis
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Heft 3 (September 1859) Theodor von Bernhardi, Frankreich, Österreich und der Krieg in Italien II./III., S. 229 – 252. Ernst Herrmann, Der Untergang Polens und die östlichen Großmächte. 3. Der konstituierende Reichstag und die Verfassung vom 3. Mai 1791, S. 253 – 279. Karl Twesten, Lehre und Schriften August Comtes, S. 279 – 307. Hermann Baumgarten, Die neuere Geschichte Italiens, S. 307 – 317. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Mitte September, S. 317 – 327. August Lammers, Aus Hannover, 22. September, S. 328 – 332. Friedrich Oetker, Ein Verfassungs-Brief aus Kurhessen, S. 332 – 337. Rudolf Haym und Theodor von Bernhardi, Zur Broschürenliteratur: Was ist zu tun – ein Wort eines Kurhessen an seine Mitbürger; Die kurhessische Verfassung vor der Bundesversammlung; Beseler: Das deutsche Verfassungswerk nach dem Kriege; Gottschalls Studie über Napoleon III., S. 337 – 344. Heft 4 (Oktober 1859) Hermann Reuchlin, Die italienische Frage, Deutschland und die Diplomatie im Jahre 1848, S. 345 – 366. Friedrich Hinrichs, Händel u. seine Zeit, S. 366 – 397. Friedrich Heinrich Geffcken, Die Zukunft des Zollvereins, S. 397 – 421. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Oktober, S. 422 – 436. Karl Ludwig Urlichs, Zu F. G. Welckers Jubiläum, S. 437 – 444. Anton Springer, Aus Österreich, 20. Oktober, S. 445 – 453. Friedrich Oetker, Die kurhessische Frage und die Presse, S. 453 – 454. [unbekannt], Die preußische Expedition nach Japan und China, S. 455 – 456. Heft 5 (November 1859) Theodor von Bernhardi, Frankreich, Österreich und der Krieg in Italien IV./V., S. 457 – 494. Otto Jahn, Die Bedeutung und Stellung der Altertumsstudien in Deutschland, S. 494 – 515. Rudolf Haym, Schiller an seinem hundertjährigen Jubiläum, S. 516 – 545. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Mitte November, S. 545 – 556. Anton Springer, Aus Österreich, S. 557 – 561. Friedrich Oetker, Ein zweiter Verfassungsbrief aus Kurhessen, S. 562 – 570. Heft 6 (Dezember 1859) Theodor von Bernhardi, Frankreich, Österreich und der Krieg in Italien VI./VII., S. 571 – 612. Friedrich Heinrich Geffcken, Eine Aufgabe für den Kongress, S. 612 – 626. Rudolf Haym, Schiller an seinem hundertjährigen Jubiläum, S. 626 – 664. Hermann Baumgarten, Aus Süddeutschland, 10. Dezember, S. 665 – 671.
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I. Artikelverzeichnis
Friedrich Oetker, Dritter Verfassungsbrief aus Kurhessen, S. 671 – 674. Band V Heft 1 (Januar 1860) Hermann Baumgarten, Zum Jahresanfang, S. 1 – 10. Otto Nasemann, Heinrich Theodor v. Schön, S. 10 – 30. H. Burghart, Zur Grundsteuerfrage in Preußen, S. 30 – 56. Wilhelm Schrader, Zukunft der Realschule, S. 57 – 70. Heinrich von Treitschke, Zeitgenössische Dichter. II. Ein Schweizer Poet (Gottfried Keller), S. 70 – 87. Anton Springer, Aus Österreich, 20. Dezember 1859 und 1. Januar 1860, S. 87 – 95. Rudolf Haym, Notizen: Biedermanns Staatengeschichte; Die Historische Zeitschrift; Die Eröffnung der preußischen Staatsarchive; Carlyles Friedrich der Große; Freytags Bilder aus der deutschen Vergangenheit; Kreyßigs Vorlesungen über Shakespeare; Jahns Mozart-Biographie; Schriften zu Kurhessen, dem Zollverein u.v.m., S. 96 – 104. Heft 2 (Februar 1860) Gabriel Riesser, Die Rechte der Juden in Preußen, S. 105 – 142. Karl Freiherr von Vincke-Olbendorf, Über Reformen der preußischen Kriegsverfassung, S. 143 – 174. Otto Nasemann, Heinrich Theodor von Schön, S. 174 – 188. Karl Julius Holtzmann, Das Badische Konkordat, S. 188 – 206. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Januar, S. 206 – 211. Bernhard Erdmannsdörffer, Aus Italien, Florenz, Mitte Januar, S. 211 – 217. Rudolf Haym, Notizen: Wilhelm Beselers „Mahnruf an das deutsche Volk“; Das Papsttum vor der Napoleonischen und deutschen Politik, S. 217 – 218. Heft 3 (März 1860) Bernhard Erdmannsdörffer, Der preußische Staat während der territorialen Zeit, S. 219 – 251. Karl Philipp Francke, Preußen und Schleswig-Holstein, S. 251 – 264. Otto Nasemann, Heinrich Theodor von Schön, S. 264 – 281. Karl Schwarz, Die kirchliche Reaktion in Preußen während der letzten zehn Jahre, S. 281 – 294. August Lammers, Die österreichischen und die württembergischen Zwangsgenossenschaften, S. 295 – 299. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Februar, S. 299 – 311. Bernhard Erdmannsdörffer, Aus Italien, Pisa, Mitte Februar, S. 311 – 317. Rudolf Haym, Notizen: Geschichte der dt. Politik unter dem Einfluss des italienischen Krieges; Beseler: Zur österreichischen Frage; Das Herrenhaus und der ritterschaftliche Grundbesitz in Preußen, S. 318 – 322.
I. Artikelverzeichnis
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Heft 4 (April 1860) Hermann Adalbert Daniel, Carl Ritter, S. 323 – 349. Friedrich Kreyßig, Studien zur französischen Literatur- und Kulturgeschichte. I. Béranger, S. 349 – 374. Friedrich Hinrichs, Alte und neue Rechtszustände in Preußen. I. Grundzüge der Reformen unter Friedrich II., S. 375 – 392. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende März, S. 392 – 410. Anton Springer, Aus Österreich, 28. März, S. 410 – 414. Rudolf Haym, Notizen: Briefe Alexander von Humboldts an Varnhagen, S. 414 – 416. Heft 5 (Mai 1860) Friedrich Hinrichs, Alte und neue Rechtszustände in Preußen. II. Die Reformen der Justizverfassung unter Friedrich II. und die Inquisitionsmaxime, S. 417 – 445. Sigurd Abel, Sardinien und Kaiser Paul von Russland, S. 446 – 470. Rudolf Haym, Ernst Moritz Arndt, S. 470 – 512. Wilhelm Wehrenpfennig, Zur Geschichte der preußisch-deutschen Einheitsbestrebungen, S. 512 – 516. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende April, S. 517 – 525. Anton Springer, Aus Österreich, 26. April und 27. April, S. 525 – 530. Rudolf Haym, Notizen: Sybels Vorlesungen (Erhebung Europas gegen Napoleon I.); Denkschrift zur Savoyer Frage; Bernhardi zur Reform der Heeresverfassung, S. 530 – 532. Heft 6 (Juni 1860) Friedrich Hinrichs, Alte und neue Rechtszustände in Preußen. III. Die Gegenwart, S. 533 – 552. Heinrich von Treitschke, Zeitgenössische Dichter. III. Friedrich Hebbel, S. 552 – 572. Gustav Wendt, Ein Rückblick auf das Ministerium Eichhorn, S. 572 – 591. Bernhard Erdmannsdörffer, Zu den Ereignissen in Italien, Rom, Mitte Mai, S. 592 – 597. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Mai, S. 598 – 605. Rudolf Haym, Notizen: Wehrenpfennigs „Die äußere Politik des Abgeordnetenhauses und die Militärreform“; Die Apologie des Herrn von Manteuffel, S. 605 – 611. Band VI Heft 1 (Juli 1860) Friedrich Kreyßig, Studien zur französischen Literatur- und Kulturgeschichte: II. Scribe und seine Schule, S. 1 – 24. Heinrich v. Treitschke, Das Selfgovernment, S. 25 – 53. Pietro Peverelli, Sardinien und die Annexionen, S. 53 – 85. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 1. Juli, S. 85 – 101. Otto Hartwig, Sizilische Briefe: 1. Messina, den 2. Juni; Messina, 23. Juni, S. 101 – 114.
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I. Artikelverzeichnis
Rudolf Haym, Notizen: Die Coburger Wochenschrift des Nationalvereins, S. 114 – 116. Heft 2 (August 1860) Friedrich Kreyßig, Studien zur französischen Literatur- und Kulturgeschichte: III. Châteaubriand, S. 117 – 146. Wilhelm Heinrich Ewald, Der deutsche Bund und die deutsche Flotte, S. 146 – 178. Ferdinand von Heinemann, Ein Schleswig-Holsteinischer Dichter (Klaus Groth), S. 178 – 196. Otto Nasemann, Der dritte Band der Guizotschen Memoiren, S. 196 – 201. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 4. August, S. 201 – 208. Pietro Peverelli, Aus Italien, Turin, Ende Juli, S. 209 – 215. Rudolf Haym, Notizen: Rückschau auf den Landtag; Baltische Monatsschrift; Preußische Provinzialblätter; Zeitschrift des Zentralvereins zum Wohl der arbeitenden Klassen; Häussers Metternich-Aufsatz; Protokolle der Wiener Ministerialkonferenzen, S. 215 – 220. Heft 3 (September 1860) Reinhold Pauli, Kavaliere und Rundköpfe: III. Oliver Cromwell, S. 221 – 249. Friedrich Hinrichs, Wolfgang Amadeus Mozart, S. 250 – 272. Friedrich Heinrich Geffcken, Zur Situation: Paris, Ende August, S. 273 – 280. Friedrich Hinrichs, Der erste deutsche Juristentag, S. 281 – 284. Otto Hartwig, Sizilische Briefe: 3. Messina, 3. August, S. 284 – 302. Bernhard Erdmannsdörffer, Aus dem Kirchenstaat, August 1860, S. 302 – 307. Rudolf Haym und Otto Nasemann, Notizen: Strauß’ Gespräche Huttens; Paulis Bilder aus AltEngland, S. 307 – 312. Heft 4 (Oktober 1860) Friedrich Kreyßig, Studien zur französischen Literatur- und Kulturgeschichte. IV. Joseph de Maistre und Lamennais, S. 313 – 336. Hermann Reuchlin, Zur Geschichte des italienischen Nationalvereins, S. 336 – 352. Rudolf Haym, Thomas Babington Macaulay, S. 353 – 396. Wilhelm Heinrich Ewald, Die Frage der Küstenverteidigung beim Bunde, S. 397 – 400. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. Oktober, S. 400 – 412. Pietro Peverelli, Die Bedeutung der italienischen September-Ereignisse, S. 412 – 416. August Lammers, Ein Blick auf die deutsche Genossenschaftsbewegung, S. 416 – 418. Heft 5 (November 1860) Heinrich von Treitschke, Milton, S. 419 – 448. Sigurd Abel, Das Priesterregiment im Kirchenstaat, S. 449 – 483. Rudolf Haym, Zum Berliner Universitäts-Jubiläum, S. 483 – 491. Theodor Sickel, Die Neugestaltung Österreichs, S. 492 – 510.
I. Artikelverzeichnis
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Anton Springer, Aus Österreich, 10. November, S. 510 – 516. Karl Neumann, Politische Korrespondenz. Berlin, Mitte November, S. 516 – 529. Ludwig Karl Aegidi, Notizen: Otto Meißners Kurhessen-Schrift und die drei Lebensläufe, S. 529 – 530. Heft 6 (Dezember 1860) Reinhold Pauli, Unsere Historiker, S. 531 – 543. Friedrich Kreyßig, Die Erziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit, S. 543 – 559. Salomon Hirzel, Ein Brief Goethes an den Herzog von Weimar, S. 559 – 563. August Lammers, Die wirtschaftliche Reformbewegung in Deutschland, S. 563 – 583. Wilhelm Werenberg, Hannovers Staatswirtschaft in den letzten zwölf Jahren, S. 583 – 593. Rudolf Haym, Zum Stieberschen Prozess, S. 593 – 601. Anton Springer, Aus Österreich, S. 601 – 606. Band VII Heft 1 (Januar 1861) Rudolf Haym, Am 4. Januar 1861, S. I-IV. Berthold Sigismund, Der Volkskalender, S. 1 – 10. Gabriel Riesser, Die Judenfrage noch einmal vor beiden Häusern des Landtags, S. 11 – 50. Reinhold Pauli, Ch. K. J. Bunsen, S. 50 – 66. Otto Hartwig, Süditalische Zustände. Messina, Ende 1860, S. 66 – 73. Theodor von Bernhardi, Die Situation beim Regierungswechsel, S. 73 – 83. Anton Springer, Aus Österreich, Anfang Januar, S. 84 – 88. Heft 2 (Februar 1861) Friedrich Kreyßig, Studien zur frz. Literatur- und Kulturgeschichte: V. Frau von Staël, S. 89 – 109. Theodor von Bernhardi, Die Situation in Italien und an der Eider, S. 110 – 128. Otto Frick, Philologie und Naturwissenschaft, S. 129 – 145. Gustav Hertzberg, Zur neuesten Geschichte Italiens, S. 146 – 153. Götz, Die Berechtigung zum einjährigen Militärdienst, S. 153 – 161. Theodor von Bernhardi, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. Februar, S. 161 – 169. Anton Springer, Aus Österreich, Anfang Februar, S. 169 – 175. [unbekannt], Aus einem Privatbrief aus Rom, S. 175 – 181. [unbekannt], Notizen: Die Stellung der Ostseeprovinzen und der Zollverein; Arndts Denkmal, S. 181 – 184.
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I. Artikelverzeichnis Heft 3 (März 1861)
Reinhold Pauli und Heinrich von Treitschke, Dahlmann, S. 185 – 203. Bernhard Erdmannsdörffer, Die ewige Stadt und das Papsttum, S. 204 – 226. Friedrich Heinrich Geffcken, Lehren und Schriften Tocquevilles, S. 226 – 243. Rudolf Haym, Eine Erinnerung an Johann Gottlieb Fichte, S. 244 – 260. Georg Beseler, Politische Korrespondenz. Berlin, 16. März, S. 260 – 267. Rudolf Haym, Notizen: Zum Tode Rietschels; Aus Schleiermachers Leben; Cohen zum englischen Parlament; Die Verfassungsfrage in Anhalt-Dessau-Köthen; Die Zeit, S. 268 – 274. Heft 4 (April 1861) Theodor von Bernhardi, Die französische Revolution und die historische Forschung, S. 275 – 317. Ludwig Häusser, Friedrich der Große und sein neuester Ankläger, S. 318 – 340. Bernhard Erdmannsdörffer, Ein Projekt zur Säkularisation des Kirchenstaats im vierzehnten Jahrhundert, S. 341 – 345. Anton Springer, Zur Eröffnung des österr. Reichsrates. Aus Österreich, Anfang April, S. 345 – 356. Karl Klüpfel, Württembergische Zustände, S. 357 – 366. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 20. April, S. 366 – 378. Rudolf Haym, Notizen: Zum Dahlmann-Denkmal; Steins Nachruf auf Friedrich Wilhelm IV., S. 378 – 380. Heft 5 (Mai 1861) Heinrich von Treitschke, Die Freiheit, S. 381 – 403. Friedrich Kreyßig, Studien zur französischen Literatur- und Kulturgeschichte, VI. Guizot, S. 404 – 429. Gottfried Heinrich Handelmann, Der Itzehoer Landtag und die Kopenhagener Regierung, S. 430 – 453. Theodor von Bernhardi, Die Europäische Weltlage, S. 453 – 481. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 20. Mai, S. 482 – 492. Rudolf Haym, Notizen: Eine Expedition nach Zentralafrika; Schultheß’ Europäischer Geschichtskalender, S. 492 – 494. Heft 6 (Juni 1861) Eduard Zeller, Ferdinand Christian Baur, S. 495 – 512. Reinhold Pauli, Preußen und das Meer, S. 512 – 525. Gustav Weicker, Ein Gang durch die Jesuitenschule, S. 526 – 544. Heinrich von Treitschke und Hermann Baumgarten, Zwei süddeutsche Korrespondenzen: München, Mitte Juni und Vom Main, 12. Juni, S. 544 – 560.
I. Artikelverzeichnis
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Gabriel Riesser, Zur amerikanischen Krisis, S. 560 – 567. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 20. Juni, S. 568 – 577. Rudolf Haym, Notizen: Broschüre zur frz. Armee; zum Staatsarchiv von Aegidi und Klauhold, S. 578 – 580. Band VIII Heft 1 (Juli 1861) Tschischwitz, Amerikanische Dichter: William Cullen Bryant, S. 1 – 15. Ferdinand von Heinemann, Die Sukzessionsfrage im Herzogtum Braunschweig, S. 15 – 29. Wilhelm Soldan, Die Juden im christlichen Abendland, S. 30 – 48. Theodor von Bernhardi, Glossen und Enthüllungen zur Tagesgeschichte, S. 48 – 74. Reinhold Pauli, Georg Waitz: Deutsche Verfassungsgeschichte, Dritter Band, S. 75 – 80. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 20. Juli, S. 81 – 91. Rudolf Haym, Notizen: Guizots Memoiren; Die deutsche Münzfrage; Hubers Concordia, S. 91 – 94. Heft 2 (August 1861) Friedrich Kreyßig, Studien zur französischen Literatur- und Kulturgeschichte. VII. Lamartine, S. 95 – 121. Wilhelm Soldan, Die Juden im christlichen Abendland, S. 121 – 147. Gottfried Heinrich Handelmann, Die Negerfrage und die neuesten Vorgänge in Amerika I, S. 147 – 161. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 25. August, S. 162 – 170. Hermann Baumgarten, Aus Süddeutschland, 18. August, S. 171 – 180. Anton Springer, Aus Österreich, 21. August, S. 181 – 185. Alfred Klauhold, Das Jubelfest in Braunschweig, S. 185 – 186. Einschub zwischen PJ VIII, 2 und PJ VIII, 3 (August/September 1861) Georg Reimer, Die Preußischen Jahrbücher, herausgegeben von R. Haym in Halle Heft 3 (September 1861) Gustav Hartlaub, Die Heuglinsche Expedition nach Innerafrika, S. 187 – 206. Eduard Zeller, Ferdinand Christian Baur, S. 206 – 224. Wilhelm Dilthey, Ein Brief A.W. Schlegels an Huber, S. 225 – 235. Anton Springer, Österreich als Verfassungsstaat, S. 235 – 254. Jürgen Bona Meyer, Eine Universitätsangelegenheit von allgemeiner Bedeutung, S. 254 – 265. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 23. September, S. 266 – 278. Rudolf Haym und Wilhelm Dilthey, Notizen: Dilthey, Aus Schleiermachers Leben, S. 279 – 282.
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I. Artikelverzeichnis Heft 4 (Oktober 1861)
Eduard Zeller, Ferdinand Christian Baur, S. 283 – 314. Moritz Veit, Die Legislaturperiode des Hauses der Abgeordneten 1859 – 1861. Ein Rechenschaftsbericht, S. 315 – 402. [unbekannt], Ein Brief Dahlmanns, S. 403 – 406. Rudolf Haym, Aus der Lebensgeschichte eines Historikers [von Raumer], S. 406 – 412. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 14. Oktober, S. 413 – 420. Wilhelm Schrader, Aus Königsberg, den 19. Oktober, S. 420 – 424. Heft 5 (November 1861) Karl Lorentzen, Preußen und Schleswig-Holstein, S. 426 – 444. Heinrich von Treitschke, Hans von Gagern, S. 444 – 478. Heinrich Handelmann, Die Negerfrage und die neuesten Vorgänge in Amerika II, S. 478 – 493. Julius Königer, Militärische Briefe aus Süddeutschland. I. Staatsverfassung und Heeresreform, S. 494 – 509. Heinrich von Treitschke, Aus Süddeutschland, München, Mitte November, S. 510 – 519. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 22. November, S. 519 – 527. [unbekannt], Notizen: Guizots neueste Broschüre, S. 527 – 528. Heft 6 (Dezember 1861) Reinhold Pauli, Reise- und Geschichtsbilder aus Irland, S. 529 – 548. Gustav Hertzberg, Demothenes und Philipp, S. 548 – 561. Julius Königer, Militärische Briefe aus Süddeutschland. II. Die Militärfrage und der nächste Landtag. III. Die militärische Schule, S. 562 – 589. Heinrich Handelmann, Die Negerfrage und die neuesten Vorgänge in Amerika III, S. 589 – 629. Reinhold Pauli, Die Trent-Angelegenheit, S. 630 – 636. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 24. Dezember, S. 636 – 647. Rudolf Haym, Notizen: Freytags Bilder aus der dt. Vergangenheit; Aegidis Staatsarchiv, S. 647 – 652. Band IX Heft 1 (Januar 1862) Karl von Hase, Das Klosterleben und die Heiligen, S. 1 – 27. Friedrich Kreyßig, Studien zur frz. Literatur- und Kulturgeschichte. VIII. George Sand, S. 27 – 56. Theodor von Bernhardi, Die inneren Verhältnisse Russlands, S. 57 – 91. Julius Königer, Militärische Briefe aus Süddeutschland. IV. Die Heeresreform im Bereich des Offizierskorps und der Unteroffiziere, S. 92 – 103.
I. Artikelverzeichnis
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Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 24. Januar, S. 103 – 114. Rudolf Haym, Notizen: Sybel: Die deutsche Nation und das Kaiserreich; Kleists gesammelte Schriften; Zur Stellung der Ostsee-Provinzen, S. 114 – 120. Heft 2 (Februar 1862) Johann August von Stinzing, Friedrich Carl von Savigny, S. 121 – 168. Julius Königer, Militärische Briefe aus Süddeutschland. V. Die speziellen Reformforderungen für das Offizierskorps und die Unteroffiziere, S. 169 – 194. Karl Ludwig Urlichs, Briefe der Brüder Schlegel an Schiller 1795 bis 1801, S. 194 – 228. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 22. Februar, S. 229 – 240. Otto Nasemann, Zur preußischen Geschichte, S. 241 – 245. Rudolf Haym, Das Lessing-Denkmal in Berlin, S. 245 – 248. Heft 3 (März 1862) Johann Wilhelm Loebell, Die Stimmungen und Bestrebungen der Katholiken in Rheinpreußen, S. 249 – 271. Gustav Karsten, Zur Reform der Unterrichtsanstalten, S. 272 – 297. Julius Otto Opel, Eine Probe politischer Publizistik aus Zeiten des dreißigjährigen Krieges, S. 297 – 344. Heinrich von Treitschke, Die Zustände des Königreiches Sachen unter dem Beustschen Regiment. Aus Sachsen, 20. März, S. 344 – 356. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 25. März, S. 356 – 364. Rudolf Haym und Eduard Zeller, Literarisches: Reden Stahls; Stichling: Das Bundesgericht; Thielaus Essay über Pourtales; Schriften Strauß’; Schleiermacher; Reinhold Lenz; Groths Rothgeter; Aus alten Tagen, S. 365 – 372. Heft 4 (April 1862) Wilhelm Dilthey, Friedrich Christoph Schlosser, S. 373 – 433. Julius Königer, Militärische Briefe aus Süddeutschland. VI. Die Organisation der Wehrkräfte in Linie und Landwehr, S. 433 – 462. Theodor Sickel, Pariser Briefe. 24. April, S. 462 – 467. Rudolf Haym und Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 24. April, S. 467 – 477. Ludwig Bickell und Rudolf Haym, Notizen: Aus Savignys Tagebuch; Biographie Fichtes, S. 478 – 484. Heft 5 (Mai 1862) Eduard Cauer, Die Entstehung des preußischen Königtums, S. 485 – 500. Franz Vorländer, Englische Geschichtsphilosophie, S. 501 – 527 Levin Goldschmidt, Die deutsche Hansa, S. 528 – 557. Friedrich Heinrich Geffcken, Der deutsch-französische Handelsvertrag, S. 557 – 579.
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I. Artikelverzeichnis
Theodor Sickel, Pariser Briefe, 24. Mai, S. 579 – 589. Rudolf Haym, Politische Korrespondenz. Berlin, 26. Mai, S. 589 – 600. Hermann Baumgarten, Aus Süddeutschland, Ende Mai, S. 600 – 604. Heft 6 (Juni 1862) Bernhard Erdmannsdörffer, Die Anfänge des großen Kurfürsten, S. 605 – 633. Julius Königer, Die neuen Systeme der Kriegsschiffe und ihre Bedeutung für Deutschland, S. 634 – 655. Jürgen Bona Meyer, Das preußische Schulwesen nach dem Bericht der englischen Erziehungskommission, S. 656 – 665. Theodor Sickel, Pariser Briefe, 23. Juni, S. 665 – 675. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 26. Juni, S. 675 – 687. Hermann Baumgarten, Rudolf Haym, Gustav Hertzberg, Emil Lehmann und Otto Nasemann, Notizen: Der Trent-Fall; Dümmlers Geschichte des ostfränkischen Reiches; Guizots Memoiren; Über Fichte; Baumgarten, die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Pfingstversammlung, S. 687 – 700. Band X Heft 1 (Juli 1862) Reinhold Pauli, Das Königtum in England seit hundert Jahren, S. 1 – 18. G. von Kappe, Karl August Ehrenswärd, Schwedens Winckelmann, S. 18 – 47. Eduard Zeller, Wolffs Vertreibung aus Halle; der Kampf des Pietismus mit der Philosophie. Ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte, S. 47 – 72. Julius Königer, Die neuesten Flugschriften über die Militärfrage, S. 73 – 78. Rudolf Haym, Politische Korrespondenz. Berlin, 26. Juli, S. 78 – 90. Rudolf Haym, Notizen: Hettners Geschichte der deutschen Literatur; Fichte in den Grenzboten; Replik eines Sachsen auf Treitschke, S. 90 – 94. Heft 2 (August 1862) Heinrich von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, S. 95 – 151. Friedrich Heinrich Geffcken, John Stuart Mills politische Schriften, S. 152 – 169. Julius Königer, Zur Verständigung in der Militärfrage, S. 169 – 186. Gustav Hertzberg und Johann Adolf von Càrnap, Aus der Vorgeschichte der preußischen Verfassung. Briefe von J. F. Benzenberg, S. 187 – 200. Friedrich Fubel, Politische Korrespondenz. Berlin, 25. August, S. 200 – 208. Heft 3 (September 1862) Reinhold Pauli, Reise- und Geschichtsbilder aus Irland, S. 209 – 234. Wilhelm Dilthey, Schleiermachers politische Gesinnung und Wirksamkeit, S. 234 – 277. Friedrich Heinrich Geffcken, John Stuart Mills politische Schriften, S. 277 – 288.
I. Artikelverzeichnis
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Gustav Hertzberg und Johann Adolf von Càrnap, Fernere Mitteilungen aus der Korrespondenz von J. F. Benzenberg, S. 289 – 301. Moritz Veit, Politische Korrespondenz. Berlin, 28. und 29. September, S. 302 – 314. Heft 4 (Oktober 1862) Reinhold Pauli, Reise- und Geschichtsbilder aus Irland, S. 315 – 335. Eduard Cauer, Ein Regierungsprogramm Friedrichs des Großen, S. 335 – 362. Julius Königer, Der Feldzug 1862 in Nord-Amerika, S. 363 – 386. Karl Mathy, Die Zollvereinsfrage, S. 386 – 392. Julius Königer, Neue Flugschriftenliteratur zur Militärfrage, S. 393 – 402. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 28. Oktober, S. 402 – 418. Ernst Ludwig Dümmler und Rudolf Haym, Literarische Notizen: Erinnerungen aus Griechenland; Chroniken deutscher Städte, S. 418 – 422. Heft 5 (November 1862) Adolph Schöll, Goethe als Staatsmann I, S. 423 – 470. Julius Königer, Der Feldzug 1862 in Nord-Amerika, S. 470 – 487. Karl Mathy, Neue Tatsachen und Schriften zur Zollvereinsfrage, S. 487 – 498. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 28. November, S. 498 – 511. Rudolf Haym, Reinhold Pauli, Wilhelm Schrader und Wilhelm Wehrenpfennig, Literarisches: Waitz’ Grundzüge der Politik; Arnold zum Schulwesen und der Pädagogik; Ruge: Aus früherer Zeit; Preußen nach dem Landtag von 1862, S. 512 – 526. Rudolf Haym, Zur Beschlagnahmung der PJ, S. 526. Heft 6 (Dezember 1862) Friedrich Kreyßig, Studien zur französischen Literatur- und Kulturgeschichte: IX. Victor Hugo in der Verbannung, S. 527 – 568. Wilhelm Schrader, Die Reform des russischen Unterrichtswesens, S. 569 – 585. Adolph Schöll, Goethe als Staatsmann II, S. 585 – 616. Julius Königer, Militärische Korrespondenz. I. Das Bundesmilitärwochenblatt und die südwestdeutschen Bundesfestungen. Vom Main, 20. Dez., S. 616 – 622. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 28. Dezember, S. 622 – 637. Rudolf Haym und Wilhelm Wehrenpfennig, Literarisches: Zwei Broschüren über den Verfassungskonflikt in Preußen; Freytags Dramaturgie; das Staatsarchiv, S. 637 – 646. Band XI Heft 1 (Januar 1863) Ludwig Häusser, Am Vorabend des Jahres 1863, S. 1 – 15. Heinrich von Treitschke, Karl August von Wangenheim. Ein Kapitel aus der Geschichte des deutschen Bundes, S. 15 – 64.
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I. Artikelverzeichnis
Julius Königer, Die Jubelfeier der Befreiungskämpfe, S. 64 – 82. C. G. Haeckel, Mitteilungen über Gneisenau, S. 82 – 90. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 28. Januar, S. 90 – 102. Heft 2 (Februar 1863) Bernhard Erdmannsdörffer, Die Kultur der Renaissance in Italien, S. 103 – 134. Adolph Schöll, Goethe als Staatsmann III, S. 135 – 161. Wilhelm Wehrenpfennig, Sieben Worte der Verfassung, S. 162 – 181. C. G. Haeckel, Mitteilungen über Gneisenau, S. 181 – 188. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 23. Februar, S. 188 – 204. Ludwig Aegidi und Gustav Hertzberg, Notizen: Zur neuesten Geschichte des deutschen Verfassungslebens; Zur griechischen Frage, S. 204 – 210. Heft 3 (März 1863) Adolph Schöll, Goethe als Staatsmann IV, S. 211 – 240. Reinhold Pauli, Prinz Albert, S. 240 – 266. Rudolf Stadelmann, Carl von Wulffen-Pietzpuhl, S. 267 – 299. Julius Königer, Militärische Korrespondenz. II. Die militärische Presse und die deutschen Offizierskorps. Vom Main, 20. März, S. 300 – 309. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 24. März 1863, S. 309 – 321. Rudolf Haym, Notizen: Onno Klopp, S. 321 – 322. Heft 4 (April 1863) Heinrich von Treitschke, Zum Gedächtnis Ludwig Uhlands, S. 323 – 348. Reinhold Schmid, Drei Kapitel über Repräsentativverfassungen, S. 349 – 387. Moritz Veit, Vor der Militärdebatte im preußischen Abgeordnetenhause, S. 387 – 413. Colmar Grünhagen, Der Anfang der schlesischen Kriege in der Darstellung eines österreichischen Historikers, S. 413 – 418. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 26. April 1863, S. 419 – 434. Bernhard Erdmannsdörffer, Rudolf Haym und Julius Königer, Notizen: Zur evangelischen Bewegung in Italien; Ungedruckte Aufsätze von Clausewitz; Zur Zeitschriftenliteratur: Droysens „Erhebung der Geschichte zum Rang einer Wissenschaft“; Österreichische Zeitschriften, S. 434 – 444. Heft 5 (Mai 1863) Rudolf Haym, Varnhagen von Ense, S. 445 – 515. Moritz Veit, Dem Andenken Gabriel Riessers, S. 516 – 532. Julius Königer, Ein Ostseefeldzug und die preußische Politik in der polnischen Frage, S. 533 – 551.
I. Artikelverzeichnis
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Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 25. Mai 1863, S. 551 – 565. Heft 6 (Juni 1863) Friedrich Kreyßig, Studien zur frz. Literatur- und Kulturgeschichte: X. Louis Napoleon, S. 569 – 593. Friedrich Hinrichs, Die poetische und musikalische Lyrik des deutschen Volks, S. 594 – 616. Friedrich August Eckstein, August Hermann Francke und seine Stiftungen in Halle, S. 616 – 626. Rudolf Haym, Die Verordnung vom 1. Juni und die Presse, S. 627 – 644. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 29. Juni 1863, S. 644 – 653. Bernhard Erdmannsdörffer und Rudolf Haym, Notizen: Dantes Säkularfeier und das deutsche Volk; Die erste Justizreform Friedrichs des Großen; Berichtigung, S. 653 – 660. Band XII Heft 1 (Juli 1863) Eduard Cauer, Zur Literatur der Polemik gegen Friedrich den Großen, S. 1 – 18. Felix Liebrecht, Ein englischer Minister. Mitteilungen über Sir George Cornewall Lewis, S. 19 – 38. Friedrich Hinrichs, Die poetische und musikalische Lyrik des deutschen Volks, S. 39 – 62. Rudolf Haym, Ein Artikel der Grenzboten, S. 62 – 73. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 29. Juli 1863, S. 73 – 86. Rudolf Haym und Julius Königer, Notizen: Zur Orientierung über den Krieg in Amerika; Aegidis „Verhältnis der Turner und Turnvereine zur Politik“, S. 86 – 92. Heft 2 (August 1863) Christoph von Sigwart, Ein Philosoph und ein Naturforscher über Franz Bacon von Verulam, S. 93 – 129. Otto Hartwig, Kultur- und Geschichtsbilder aus Sizilien, S. 129 – 143. Anton Springer, Das freie deutsche Österreich, S. 143 – 156. Julius Königer, Was gehört zur Lösung der Schleswig-Holsteinischen Frage?, S. 156 – 178. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 28. August 1863, S. 178 – 192. Heft 3 (September 1863) Otto Hartwig, Kultur- und Geschichtsbilder aus Sizilien, S. 193 – 214. Ludwig Meyn, Die internationale landwirtschaftliche Ausstellung in Hamburg, S. 215 – 257. Otto Nasemann, Veit Ludwig von Seckendorff, S. 257 – 272. Driesen, Zur Frage über das Disziplinarrecht der Minister gegen die Staatsbeamten, S. 272 – 283.
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I. Artikelverzeichnis
Julius Königer, Militärische Korrespondenz: Bundesinspektionen und Heereszustände in Deutschland. Vom Main, Ende September, S. 284 – 294. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 26. September 1863, S. 295 – 304. Heft 4 (Oktober 1863) F. von Kappe, Ägypten und Syrien im Jahre 1863, S. 305 – 328. Carl Friedrich Meyer, Christian Friedrich Freiherr von Stockmar. Von einem langjährigen Freunde des Verstorbenen, S. 328 – 344. Julius Königer, Die Schlacht von Leipzig in ihrem Verlauf und ihrer Bedeutung für den Freiheitskrieg, S. 344 – 387. Moritz Veit, Die Leipziger Gedenkfeier der Völkerschlacht, S. 387 – 392. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 30. Oktober 1863, S. 392 – 403. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Heidelberger Rechtsgutachten zur Presseverordnung; Rößler: Studien zur Fortbildung der Preußischen Verfassung, S. 403 – 408. Heft 5 (November 1863) Hermann Baumgarten, Don Carlos, S. 409 – 450. Wilhelm Lang, Renans Leben Jesu, S. 450 – 479. Julius Königer, Der Feldzug 1863 in Nord-Amerika, S. 480 – 506. Wilhelm Wehrenpfennig, Die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Sache, S. 506 – 510. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 17. November 1863, S. 511 – 520. Heft 6 (Dezember 1863) Max Duncker, Der Wiener Kongress und der zweite Pariser Frieden, S. 521 – 539. Julius Königer, Unsere Aufgaben und Pflichten für Schleswig-Holstein, S. 540 – 566. Marquardt Barth, Bayrisches Verfassungsleben während der Jahre 1859 bis 1863, S. 567 – 586. Leopold Riecke, Eine Anekdote aus der österreichischen Geschichte vom Jahre 1800, S. 586 – 593. Fr. Maurer, Die schleswig-holsteinische Flottille von 1849 und 1850, S. 593 – 599. Wilhelm Lang, Briefe aus Schwaben. I. Dezember, S. 599 – 609. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 14. Dezember 1863, S. 609 – 622. Bernhard Erdmannsdörffer, Rudolf Haym, Otto Nasemann, Wilhelm Scherer und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Aus Schleiermachers Leben; Chroniken der deutschen Städte; Zwei Reden von Jacob Grimm; Heinrich von Sybels kleinere Schriften; Zur schleswigholsteinischen Literatur, S. 622 – 635.
I. Artikelverzeichnis
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Band XIII Heft 1 (Januar 1864) Reinhold Pauli, Ein Blick auf die auswärtige Politik George Cannings, S. 1 – 17. Hermann Grimm, Rafaels Disputa und Schule von Athen, seine Sonette und seine Geliebte. Anmerkungen zu Passavants Leben Rafaels, S. 18 – 38. Hugo Hälschner, Staatsrechtliche Prüfung der gegen das Thronfolgerecht des Augustenburgschen Hauses erhobenen Einwände, S. 39 – 78. Christoph von Sigwart, Noch ein Wort über Franz Bacon von Verulam. Eine Entgegnung, S. 79 – 90. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 8. Januar 1864, S. 90 – 101. Rudolf Haym und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Ruge, Aus früherer Zeit; Zachariae über die schleswig-holsteinische Sukzessionsfrage; Eine Urkunde aus dem Oldenburgschen Staatsarchiv, S. 101 – 108. Heft 2 (Februar 1864) G. von Kappe, Esaias Tegnér, S. 109 – 149. Hermann Grimm, Rafaels Disputa und Schule von Athen, seine Sonette und seine Geliebte. Anmerkungen zu Passavants Leben Rafaels, S. 149 – 172. Julius Königer, Schleswig-Holstein und die preußischen Waffen, S. 173 – 180. Fr. Maurer, Ein preußisch-schwedisches Seetreffen, S. 181 – 187. Wilhelm Lang, Briefe aus Schwaben. II. Anfang Februar, S. 187 – 200. Anton Springer, Aus Österreich, S. 200 – 207. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz, S. 207 – 217. Rudolf Haym, Notizen: Broschüren für das Recht Schleswig-Holsteins, S. 217 – 218. Heft 3 (März 1864) Wilhelm Hertzberg, Zur Geschichte und Kritik der deutschen Übersetzungen antiker Dichter, S. 219 – 243. Alexander Meyer, Englische Pressfreiheit, S. 243 – 255. Wilhelm Roßmann, Der Eintritt Ostasiens in die moderne Geschichte, S. 256 – 281. Alexander Meyer, Aus der Geschichte Braunschweigs, S. 281 – 293. Julius Königer, Die militärische Aktion in Schleswig (Von einem deutschen Offizier), S. 294 – 311. August Anschütz und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Zeitschrift für deutsches Staatsrecht und deutsche Verfassungsgeschichte; Schmidt und Wippermann zur Schleswig-Holsteinischen Frage, S. 311 – 314.
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I. Artikelverzeichnis Heft 4 (April 1864)
Ferdinand von Weech, Nürnberg im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert, S. 315 – 334. Wilhelm Wehrenpfennig, Zum Andenken an Moritz Veit, S. 334 – 360. Wilhelm Hertzberg, Zur Geschichte und Kritik der deutschen Übersetzungen antiker Dichter, S. 360 – 391. Georg Waitz, Über die gegenwärtige Lage der schleswig-holsteinischen Angelegenheit. Göttingen, 26. März 1864, S. 392 – 399. Julius Königer, Die militärische Aktion in Schleswig und Jütland, S. 399 – 409. Max Duncker, Das englische Blaubuch, S. 409 – 431. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Anfang April 1864, S. 431 – 436. Rudolf Haym, Notizen: Das neue Leben Jesu von Strauß; über Lessing; Beseler: Die englischfranzösische Garantie von 1720; ein Prozess gegen die Preußischen Jahrbücher, S. 436 – 444. Heft 5 (Mai 1864) Wilhelm Scherer, Über den Ursprung der deutschen Literatur, S. 445 – 464. Wilhelm Lang, Das Leben Jesu von Strauß, S. 465 – 484. Friedrich Kreyßig, Shakespeares lyrische Gedichte und ihre neuesten deutschen Bearbeiter, S. 484 – 504. Georg Waitz, Über die gegenwärtige Lage der schleswig-holsteinischen Angelegenheit. Göttingen, 20. April 1864, S. 504 – 524. Otto Roquette, Das schweizerische Volkstheater und die Tellsage, S. 525 – 533. Julius Königer, Der Sieg in Schleswig, S. 533 – 544. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 1. Mai 1864, S. 544 – 557. Bernhard Erdmannsdörffer, Notizen: Graf Johann Kapodistrias; Staats- und Erbrecht der Herzogtümer Schleswig-Holstein, S. 557 – 562. Heft 6 (Juni 1864) Heymann Steinthal, Über den gegenwärtigen Zustand der Sprachwissenschaft, S. 563 – 587. Wilhelm Lang, Das Leben Jesu von Strauß II, S. 587 – 613. Wilhelm Roscher, Die dt. Volkswirtschaftslehre unter den beiden ersten Königen von Preußen, S. 613 – 626. Hermann Grimm, Der Verfall der Kunst in Italien. Carlo Saraceni. Ein Vorschlag an Regierungen und Kunstfreunde, S. 627 – 660. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Mai 1864, S. 661 – 671. Driesen und Rudolf Haym, Notizen: Schriften und Reden des Herzogs von Broglie; Usingers deutsch-dänische Geschichte; Schetschkes ausgewählte Schriften, S. 671 – 678.
I. Artikelverzeichnis
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Band XIV Heft 1 (Juli 1864) Rudolf Haym, Vorwort, S. I-II. Hermann Baumgarten, Das heutige Spanien I, S. 1 – 28. Wilhelm Roscher, Die dt. Volkswirtschaftslehre unter den beiden ersten Königen von Preußen, S. 28 – 44. Rudolf Haym, Arthur Schopenhauer, S. 45 – 91. Friedrich Kreyßig, Shakespeares lyrische Gedichte und ihre neuesten deutschen Bearbeiter, S. 91 – 114. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Anfang Juli, S. 114 – 129. Rudolf Haym und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Paulis Geschichte Englands 1814/15; Friedrich Oetker zu den Landtagsverhandlungen über die Besetzung des Oberappellationsgerichtes zu Kassel, S. 129 – 132. Heft 2 (August 1864) Hermann Baumgarten, Das heutige Spanien II, S. 133 – 159. Wilhelm Roscher, Die dt. Volkswirtschaftslehre unter den beiden ersten Königen von Preußen, S. 159 – 179. Rudolf Haym, Arthur Schopenhauer, S. 179 – 243. Julius Königer, Die letzten Kriegsereignisse in Schleswig, S. 243 – 252. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Juli, S. 252 – 262. Rudolf Haym, Notizen: Preisfragen der Fürstlich Jablonowskischen Gesellschaft in Leipzig, S. 263 – 264. Heft 3 (September 1864) Erwin Nasse, William Pitt der Jüngere, S. 265 – 288. Paul Hassel, Die deutsche Politik des großen Kurfürsten bis zum Reichstage von 1653, S. 288 – 315. Alexander Meyer, Zum Begriffe der Sozialpolitik, S. 315 – 330. [unbekannt], Zur neueren Finanzgeschichte Österreichs. Von einem Österreicher, S. 330 – 343. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende August, S. 343 – 350. Wilhelm Lang, Aus Süddeutschland, S. 350 – 356. Wilhelm Lang und Karl Schwarz, Notizen: Das Leben Jesu von Schleiermacher; Schenkels Charakterbild Jesu, S. 357 – 364. Heft 4 (Oktober 1864) Karl Mendelssohn-Bartholdy, Die Verwaltung König Ottos in Griechenland und sein Sturz, S. 365 – 392. Gustav Schmoller, Die Arbeiterfrage, S. 393 – 424.
464
I. Artikelverzeichnis
Alexander Meyer, Die Advokatur in Preußen, S. 424 – 439. Bernhard Erdmannsdörffer, Zur Gründungsgeschichte der preuß. Akademie der Wissenschaften, S. 439 – 456. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende September, S. 456 – 464. Paul Hassel und Rudolf Haym, Notizen: Brandenburg u. Holstein; Hettners Literaturgeschichte, S. 465 – 470. Heft 5 (November 1864) Rudolf Usinger, Napoleon und der rheinische Bund, S. 471 – 505. Reinhold Pauli, Wie Kriegsflotten entstehen, S. 506 – 523. Gustav Schmoller, Die Arbeiterfrage II, S. 523 – 547. Driesen, Armee, Finanzen und Volkswirtschaft des Königreichs Italien, S. 548 – 555. [unbekannt], Die Konvention vom 15. September, S. 555 – 560. [unbekannt], Politische Korrespondenz, S. 560 – 567. Otto Hartwig, Rudolf Haym und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Königer: Die Völkerschlacht bei Leipzig; Rößler: Studien zur Fortbildung der preuß. Verfassung; Vincke-Olbendorff zur Reorganisation des preußischen Heerwesens; Scott: Herren der Inseln; das Grabmahl des Grafen von Platen, S. 568 – 576. Heft 6 (Dezember 1864) Rudolf Usinger, Napoleon und der rheinische Bund, S. 577 – 616. Paul Hassel, Die Heeresverbesserungen des großen Kurfürsten während der ersten Periode seiner Regierung (-1655), S. 616 – 631. Wilhelm Scherer, Jacob Grimm, S. 632 – 680. Rogge und Anton Springer, Die zweite Session des österreichischen Reichsrates. I. Juni bis Oktober 1863, S. 680 – 688. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende November, S. 688 – 700. Friedrich Kreyßig, Alexander Meyer, Heymann Steinthal, Rudolf Usinger und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Urkunden des großen Kurfürsten; Lotzes Mikrokosmos; Bluntschli: Harthausens Sammlung; Gildemeisters Byron-Übersetzung; Waitz: Kurze schleswig-holsteinische Landesgeschichte; Der Krieg gegen Dänemark im Jahr 1864, S. 700 – 708. Band XV Heft 1 (Januar 1865) Wilhelm Scherer, Jacob Grimm, S. 1 – 32. Gustav Schmoller, Die Arbeiterfrage III, S. 32 – 63. Constantin Rößler, Die verlorene Handschrift (Roman in fünf Büchern von Gustav Freytag), S. 63 – 84. Ludwig Häusser, Silvesterbetrachtungen aus Süddeutschland, S. 84 – 101.
I. Artikelverzeichnis
465
Heft 2 (Februar 1865) Alexander Meyer, Die Verantwortlichkeit der Beamten, S. 111 – 129. Edmund Henoumont, Die Bauernfrage zur Zeit Kaiser Alexanders II., S. 129 – 154. Georg Beseler, Die Justizgesetzgebung unter Friedrich Wilhelm III. (Rede vom 3. August 1863), S. 155 – 168. Heinrich von Treitschke, Die Lösung der schleswig-holsteinischen Frage. Eine Erwiderung, S. 169 – 187. F. von Kappe, Die Drusen, S. 188 – 211. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Januar, S. 211 – 226. Alexander Meyer, Notizen: Die Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland (J. Schmidt), S. 226 – 228. Heft 3 (März 1865) Immanuel Rosenstein, Friedrich Karl von Moser, S. 229 – 258. Julius Königer, Der Krieg in Nordamerika seit der Entscheidung im Westen, S. 258 – 291. Paul Goldschmidt, Zur Geschichte des großen Kurfürsten, S. 292 – 309. Edmund Henoumont, Entstehung und Entwicklung der Leibeigenschaft in Russland, S. 310 – 316. Constantin Rößler, Preußische Probleme für 1865, S. 316 – 325. Wilhelm Wehrenpfennig, Bundesstaat und Einheitsstaat, S. 325 – 335. Julian Schmidt, Notizen: Tiecks Briefe, S. 336 – 338. Heft 4 (April 1865) Wilhelm Lang, Der französische Protestantismus der Gegenwart, S. 339 – 370. Friedrich Kreyßig, Lord Byron, S. 371 – 390. Adolph Wagner, Die preußische Bankfrage vom allgemein wirtschaftlichen und politischen Standpunkte, S. 390 – 412. Moritz Busch, Die Parteien in Schleswig-Holstein. Aus Holstein, S. 413 – 437. Eduard Pfeiffer, Die Ausgabebudgets der mitteleuropäischen Staaten, S. 437 – 459. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende März, S. 460 – 470. Wilhelm Lang, Notizen: Strauß: Der Christus der Kirche und der Jesus der Geschichte, S. 471 – 474. Heft 5 (Mai 1865) Immanuel Rosenstein, Friedrich Karl von Moser, S. 475 – 505. Friedrich Kreyßig, Lord Byron. Schluss, S. 506 – 520. Wilhelm Lang, Dante, S. 520 – 541. Moritz Busch, Die Zukunft Schleswig-Holsteins. Aus Holstein, S. 542 – 569.
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I. Artikelverzeichnis
Rudolf Haym und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Mommsen, Die Annexion SchleswigHolsteins; Welcker, Tagebuch einer griechischen Reise, S. 569 – 574. Heft 6 (Juni 1865) Paul Hinschius, Die Camorra und die Camorristen. Die Bourbonenherrschaft in Neapel, S. 575 – 595. Wilhelm Dilthey, Novalis, S. 596 – 650. August Lammers, Dt. Konsularwesen, S. 650 – 682. Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Mai, S. 682 – 692. Rudolf Haym und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Hirzels Staatengeschichte der neuesten Zeit; Baumgartens Geschichte Spaniens; Moderne Essayisten; Der Krieg von 1815 und die Verträge von Wien und Paris; Heinrich von Sybels Festrede in Bonn, S. 692 – 704. Band XVI Heft 1 (Juli 1865) Wilhelm Scherer, Jacob Grimm. II. Artikel, S. 1 – 47. Friedrich von Preen, Die neue Organisation in Baden, S. 48 – 61. Otto Glagau, Nordfries. Fragmente: Föhr, S. 61 – 73. Julius Königer, Der Krieg von 1815 und die Verträge von Wien und Paris, S. 74 – 85. Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Juni, S. 86 – 96. [unbekannt], Notizen: Der Arbeiterfreund – Zeitschrift des Zentralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen, S. 97 – 98. Heft 2 (August 1865) Wilhelm Scherer, Jacob Grimm. II. Artikel, S. 99 – 139. Wilhelm Wattenbach, Einige Briefe Alexanders von Humboldt aus den Jahren 1789 – 1813, S. 139 – 148. Julius Königer, Der Aufstand der Sachsen in Lüttich (2. Mai 1815), S. 149 – 174. Wilhelm Lang, Pariser Tagebuch, S. 174 – 190. Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Juli, S. 191 – 193. [unbekannt], Notizen: Zur Geschichte des Zollvereins, S. 194 – 196. Heft 3 (September 1865) Heinrich von Treitschke, Der Bonapartismus. I. Das erste Kaiserreich, S. 197 – 252. Wilhelm Scherer, Das Nibelungenlied, S. 253 – 271. Konrad Adolf Graf von Dyrhn, Graf Ludwig York von Wartenburg (Nachruf eines Freundes), S. 271 – 277. Otto Glagau, Nordfries. Fragmente: Sylt, S. 278 – 289. Wilhelm Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland. Ende August, S. 289 – 295.
I. Artikelverzeichnis
467
Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende August, S. 295 – 299. Wilhelm Lang und Heymann Steinthal, Notizen: Strauss, Die Halben und die Ganzen; Lazarus, Über die Ideen in der Geschichte, S. 299 – 304. Heft 4 (Oktober 1865) Friedrich Hinrichs, Johann Seb. Bach, S. 305 – 323. Julius Königer, Der Krieg in Nordamerika und die Präsidentenwahl im Herbst 1864, S. 324 – 344. Wilhelm Lang, Der französische Protestantismus der Gegenwart, S. 345 – 374. Heinrich von Treitschke, Die Parteien und die Herzogtümer, S. 375 – 401. Wilhelm Dilthey und Bernhard Erdmannsdörffer, Notizen: Julian Schmidts Literaturgeschichte; Springers österreichische Geschichte, S. 401 – 408. Heft 5 (November 1865) Hermann Baumgarten, Zur Vorgeschichte der Erhebung Italiens, S. 409 – 427. Gustav Schmoller, Ethische und ästhetische Kultur. Noch einmal ein Wort über Schillers „Ästhetische Erziehung des Menschen“, S. 427 – 448. Julius Duboc, Zur Gefängnisreformfrage in Preußen, S. 448 – 461. Reinhold Pauli, Die Anfänge Lord Palmerstons, S. 461 – 485. Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Oktober, S. 485 – 495. Otto Liebmann, Notizen: Kants Reliquien; Hebbels Werke, S. 495 – 500. Heft 6 (Dezember 1865) Alexander Meyer, Der achte volkswirtschaftliche Kongress, S. 501 – 518. Reinhold Pauli, Lord Palmerstons Macht und Popularität, S. 519 – 544. Wilhelm Stricker, Deutsche in Oberungarn, S. 545 – 553. Victor Böhmert, Der deutsche Handelstag und seine drei Generalversammlungen. (Von einem Mitglied des Handelstags), S. 554 – 588. Heinrich von Treitschke, Herr von Beust und die Preußischen Jahrbücher, S. 589 – 595. Anton Springer, Die Verfassungskrisis in Österreich, S. 595 – 616. Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende November, S. 616 – 622. Joseph Georg Beer, Korrespondenz aus Wien, S. 623 – 630. Wilhelm Lang und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Treitschkes historische und politische Aufsätze; Zellers Vorträge und Abhandlungen; Carl Schwarz zur Geschichte der neuesten Theologie, S. 630 – 637.
468
I. Artikelverzeichnis Band XVII Heft 1 (Januar 1866)
Eugen Richter, Die Vorbildung der höheren Verwaltungsbeamten in Preußen, S. 1 – 19. Alexander Meyer, Völkerrecht im Kriege, S. 19 – 37. Gustav Schmoller, Nationalökonomische und sozialpolitische Rückblicke auf Nordamerika, S. 38 – 75. Wilhelm Lang, Rückblick auf die Herzogtümerfrage im Jahr 1865, S. 76 – 95. Wilhelm Lauser, Korrespondenz aus Paris. 20. Dezember 1865, S. 96 – 100. Rudolf Haym, Alexander Meyer, Gustav Schmoller, Notizen: Herder über den Großherzog von Toskana, später Kaiser Leopold II.; Seelig: Schleswig-Holstein und der Zollverein; Das Shakespeare-Jahrbuch; Jahrbuch für Literaturgeschichte; Zur Geschichte der Ministerkonferenzen von Karlsbad und Wien; Chronik der deutschen Städte, Vierter Band, S. 100 – 118. Heft 2 (Februar 1866) Otto Gildemeister, Kriegsanleihen, S. 119 – 152. Gustav Schmoller, Nationalökonomische und sozialpolitische Rückblicke auf Nordamerika, S. 153 – 192. Julius Königer, Gneisenau in den Jahren 1810 bis 1813, S. 193 – 201. August Lammers, Die schwedische Parlamentsreform und der Skandinavismus, S. 201 – 221. Wilhelm Lauser, Korrespondenz aus Paris. Ende Januar 1866, S. 222 – 229. Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende Januar 1866, S. 230 – 236. [unbekannt], Kultur und Rechtsleben von Wilhelm Arnold, S. 237 – 238. Heft 3 (März 1866) Hermann Reuchlin, Die Klosterfrage in Italien, S. 239 – 271. Jürgen Bona Meyer, Der Darwninismus, S. 272 – 302. Wilhelm Werenberg, Der gegenwärtige Stand der Steuerreformfrage in Deutschland, S. 303 – 320. Alexander Meyer, Der Obertribunalsbeschluss vom 29. Januar, S. 321 – 338. C. Silberschlag, Notizen: Ein Votum vom Staatsrat Dr. Zachariae, S. 339 – 342. Heft 4 (April 1866) Siegfried Brie, Die Gründung des Königreiches Belgien, S. 343 – 363. Wilhelm Lang, Massimo d’Azeglio, S. 364 – 403. Jürgen Bona Meyer, Der Darwninismus. 2. Prüfung der Theorie Darwins, S. 404 – 453. Friedrich von Weech, Korrespondenz aus Baden. Ende März, S. 453 – 458. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Ende März 1866, S. 459 – 464. Rudolf Haym, Notizen: H.A. Zachariae über Art. 84 der Preußischen Verfassung; Wattenbach über Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, S. 465 – 470.
I. Artikelverzeichnis
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Heft 5 (Mai 1866) Max Duncker, Der Staat des großen Kurfürsten, S. 471 – 518. Gustav Schmoller, Nationalökonomische und sozialpolitische Rückblicke auf Nordamerika, S. 519 – 547. David Müller, Friedrich Hölderlin. Eine Studie, S. 548 – 568. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Anfang Mai, S. 569 – 578. Rudolf Haym und Gustav Schmoller, Notizen: Kleine Schriften von David Friedrich Strauß; Erwin Nasse über die Preußische Bank und die Ausdehnung ihres Geschäftsbetriebs in Deutschland, S. 579 – 586. Heft 6 (Juni 1866) Gustav Schmoller, Nationalökonomische und sozialpolitische Rückblicke auf Nordamerika, S. 587 – 611. Julius Königer, Die Kriegsmacht Italiens, S. 612 – 640. Reinhold Schmid, Das demokratische Prinzip, seine rechtliche und seine politische Seite, S. 640 – 669. Moritz Busch, Aus Sachsen, S. 670 – 676. Heinrich von Treitschke, Der Krieg und die Bundesreform, S. 677 – 696. Rudolf Haym, Notiz: Partei oder Vaterland? Ein Wort an die norddeutschen Liberalen, S. 696 – 698. Band XVIII Heft 1 (Juli 1866) Karl Twesten, Der preußische Beamtenstaat, S. 1 – 39. Adolf Leopold Richter, Die Privathilfe zur Pflege der im Felde verwundeten und erkrankten Krieger und das Zentralkomitee der Hilfsvereine in Preußen, S. 39 – 56. Moritz Busch, Land und Leute in Rumänien, S. 57 – 84. Anton Springer, Kaiserlich-königliche Geschichtsschreibung, S. 85 – 92. Heinrich von Treitschke, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. Juli, S. 93 – 107. [unbekannt], Notiz: Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten, S. 108. Julian Schmidt und Wilhelm Wehrenpfennig, Erklärung, S. 108. Heft 2 (August 1866) Karl Twesten, Der preuß. Beamtenstaat, S. 109 – 148. Ludwig Friedländer, Über die antike Kunst im Gegensatz zur modernen (Vortrag zur Niederlegung des Prorektorats zu Königsberg am 15. April), S. 148 – 163. Alexander Meyer, Das Prinzip der Kommunalsteuer, S. 164 – 176. Reinhold Pauli, Württemberg und die Bundeskatastrophe, S. 177 – 189.
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I. Artikelverzeichnis
Moritz Busch, Otto Hartwig, August Lammers und Heinrich von Treitschke, Die Lage in den norddeutschen Mittelstaaten. Hannover, 16. Juli; Kassel am 13. Juli; aus Sachsen (Leipzig), 23. Juli, S. 189 – 211. Karl Bernhard Hundeshagen, Julius Königer aus Darmstadt, der deutsche Offizier der PJ, S. 211 – 218. Heinrich von Treitschke, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. August, S. 219 – 235. Rudolf Haym, Notizen: Ästhetisch-politische Wahlverwandtschaften (über Vischers „Kritische Gänge“), S. 235 – 240. Heft 3 (September 1866) Julius Königer, Die Siege der Union im Winter 1864/65 und die Friedensversuche, S. 241 – 268. Victor Böhmert, Deutschlands wirtschaftliche Neugestaltung. Bremen, den 15. August 1866, S. 269 – 304. Heinrich von Treitschke, Aus der Blütezeit mittelstaatlicher Politik, S. 305 – 322. Bernhard Scholz, Die Annexionen und die Tonkunst, S. 322 – 325. R. Berndt, Friedrich von Weech, Alexander von Sybel, Zustände am Ober- und Niederrhein, S. 325 – 341. Heinrich von Treitschke, Politische Korrespondenz. Berlin, 10. September, S. 342 – 350. Heft 4 (Oktober 1866) Siegfried Brie, Die Gründung des Königreiches Belgien, S. 351 – 391. Gustav Droysen, Erinnerungen an Friedrich den Großen. Erster Artikel, S. 392 – 428. Bernhard Erdmannsdörffer, Das Testament des großen Kurfürsten, S. 429 – 441. Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, 8. Oktober, S. 441 – 445. Hugo Meyer und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Frei Schiff unter Feindesflagge. Zur Broschürenliteratur, S. 445 – 454. Heft 5 (November 1866) Hermann Baumgarten, Der deutsche Liberalismus. Eine Selbstkritik, S. 455 – 515. Christoph von Sigwart, Thomas Campanella und seine politischen Ideen, S. 516 – 546. Gustav Droysen, Erinnerungen an Friedrich den Großen. Zweiter Artikel, S. 547 – 568. Friedrich Dernburg, Die Restauration in Hessen-Darmstadt, S. 569 – 574. Heft 6 (Dezember 1866) Hermann Baumgarten, Der deutsche Liberalismus. Eine Selbstkritik II, S. 575 – 628. Gustav Droysen, Erinnerungen an Friedrich den Großen. Dritter Artikel, S. 629 – 656. Adolph Wagner, Die auswärtige Politik Russlands und ihre Bedeutung für Preußen, S. 657 – 692. Heinrich von Treitschke, Reinhold Pauli und Minister Golther, S. 693 – 699. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 5. Dezember, S. 700 – 713.
I. Artikelverzeichnis
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Ludwig Karl Aegidi, Notizen: Prinz Albert und König Friedrich Wilhelm IV. über die deutsche Verfassung, S. 713 – 718. Band XIX Heft 1 (Januar 1867) Heinrich von Treitschke, Zum Jahresanfang, S. 1 – 17. Otto Hartwig, Winckelmann, S. 18 – 39. Wilhelm Lang, Tagebuchblätter aus Oberitalien. Oktober und November 1866, S. 39 – 61. Wilhelm Scherer, Pater Abraham a Sancta Clara. Wien, 18. Oktober 1866, S. 62 – 98. Karl Mendelssohn-Bartholdy, Lord Byron in Griechenland, S. 99 – 114. Gustav Schmoller, Hermann Schwabe über die Förderung der Kunstindustrie in England und den Stand dieser Frage in Deutschland, S. 115 – 116. Heft 2 (Februar 1867) Wilhelm Dilthey, Über Gotthold Ephraim Lessing, S. 117 – 161. Reinhold Pauli, Der Thronwechsel in England im Jahre 1837 und die Abtretung Hannovers, S. 162 – 186. David Friedrich Strauß, Preußen und Schwaben. Ein Gespräch, S. 186 – 199. Simon Samuel, Land und Leute in Österreich (Aus dem Feldzug von 1866. Königsberg, 31. Dezember 1866), S. 200 – 222. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 4. Februar, S. 223 – 237. Rudolf Haym, Notizen: Die Vollendung von Kobersteins Geschichte der deutschen Literatur, S. 238 – 244. Heft 3 (März 1867) Gustav Schmoller, Lorenz Stein, S. 245 – 270. Wilhelm Dilthey, Über Gotthold Ephraim Lessing, S. 271 – 294. Friedrich Hinrichs, Die Reform des Zivilprozesses, S. 294 – 323. Otto Gumprecht, Zur Jugendgeschichte Beethovens, S. 324 – 340. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 6. März 1867, S. 341 – 356. Rudolf Haym und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Livländische Beiträge; Adolph Schmidt, Preußens dt. Politik; Reyscher, Die Ursachen des deutschen Krieges und seine Folgen; Julian Schmidt, Geschichte der deutschen Literatur seit Lessings Tod, S. 356 – 360. Heft 4 (April 1867) Siegfried Brie, Montesquieu, S. 361 – 379. Simon Samuel, Die Sanitätspflege der Armee im Feldzug von 1866, S. 379 – 412. Otto Hartwig, Die Erhebung Siziliens im Jahr 1860, S. 413 – 461. Rudolf Haym, Literatur- und Kulturgeschichte, S. 462 – 468.
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I. Artikelverzeichnis
Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, den 4. April 1867, S. 469 – 482. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Rosens Geschichte der Türkei; Preis-Aufgaben der Greifswalder Rubenow-Stiftung, S. 482 – 486. Heft 5 (Mai 1867) Gustav Droysen, Leonardo da Vinci, S. 487 – 539. Adolph Wagner, Die Entwicklung der europäischen Staatsterritorien und das Nationalitätsprinzip. Eine Studie im Gebiet der vergleichenden Annexions- und Nationalitätsstatistik, S. 540 – 579. David Friedrich Strauß, Die „unechten Erinnerungen an Möhler“, oder der „Mythiker“ und der Benediktiner. Eine Erwiderung, S. 580 – 583. Siegfried Brie, Luxemburg und seine Verbindung mit Deutschland, S. 584 – 601. Max Duncker, Politische Korrespondenz. Berlin, 7. Mai 1867. Mit Nachschrift der Redaktion, S. 602 – 614. Heft 6 (Juni 1867) Wilhelm Lang, G. B. Niccolini. Ein Beitrag zur Geschichte der italienischen Literatur, S. 615 – 652. August Lammers, Die Stellung der Hansestädte zum Zollverein, S. 652 – 675. Moritz Busch, Hannover seit der Einverleibung in Preußen, S. 675 – 696. August Anschütz, Die Niederlande und Preußen, S. 696 – 706. Wilhelm Oncken, Friedrichs des Großen Wirtschaftspolitik und die schwäbischen Kolonien in Westpreußen, S. 707 – 717. Heinrich von Treitschke, Die Verfassung des norddeutschen Bundes, S. 717 – 733. Heinrich von Treitschke, Notiz: Kaiser Franz und Rotteck, S. 733 – 734. Band XX Heft 1 (Juli 1867) Adolph Wagner, Die Entwicklung der europäischen Staatsterritorien und das Nationalitätsprinzip. Eine Studie im Gebiet der vergleichenden Annexions- und Nationalitätsstatistik, S. 1 – 42. Otto Hartwig, Vierundsiebzig Briefe von Wilhelm von Humboldt, S. 43 – 77. Moritz Busch, Die ersten neun Monate des Übergangsjahres in Hannover, S. 78 – 93. Heinrich von Treitschke, Der norddeutsche Reichstag und das preußische Abgeordnetenhaus, S. 93 – 95. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 8. Juli, S. 96 – 105. Rudolf Haym und Constantin Rößler, Notizen: Arnold Ruge, Aus früherer Zeit; Otto de Grahl, Die Eigentümlichkeiten Schleswig-Holsteins, S. 105 – 112.
I. Artikelverzeichnis
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Heft 2 (August 1867) Ludwig Friedländer, Kant in seinem Verhältnis zur Kunst und schönen Literatur. Vortrag, 22. April, in der Universität zu Königsberg, S. 113 – 128. Wilhelm Oncken, Aus Alexis de Tocquevilles Nachlass, S. 128 – 154. Julian Schmidt, Hermann Grimms „Unüberwindliche Mächte“, S. 155 – 169. Wilhelm Lang, Massimo d’Azeglios Memioren, S. 169 – 181. Wilhelm Wehrenpfennig, Militärinstitutionen und Militärliteratur in Frankreich, S. 181 – 194. Karl Biedermann, Zur Charakteristik des öffentlichen Geistes in Sachsen, S. 195 – 215. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 3. August, S. 216 – 230. [unbekannt], Notiz: Reinhold Paulis Geschichte Englands seit den Friedensschlüssen von 1814 und 1815, S. 231 – 232. Heft 3 (September 1867) Max Jähns, Walther von der Vogelweide, S. 233 – 268. Constantin Rößler, Neue Lessingstudien: Die Erziehung des Menschengeschlechts, S. 268 – 284. Julius Eckardt, Die griechisch-russische Kirche und ihre Geistlichkeit, S. 284 – 302. Hermann Baumgarten, Süddeutschland. 24. August, S. 302 – 319. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, den 3. September, S. 319 – 331. Arthur Hobrecht und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Julius Meyer, Geschichte der modernen französischen Malerei seit 1789; Rudolf Gneists Forderung nach freier Advokatur, S. 331 – 336. Heft 4 (Oktober 1867) Julius Eckardt, Die griechisch-russische Kirche und ihre Geistlichkeit. Schluss, S. 337 – 357. Heinrich von Treitschke, Der Bonapartismus. II. Die Zeit der parlamentarischen Versuche. Mit einer Nachschrift für Herrn Ludwig Bamberger und Herrn H. B. Oppenheim, S. 357 – 397. Bernhard Simson, Zur Beurteilung Kaiser Heinrichs des Vierten, S. 398 – 412. Karl Braun, Die Zugfreiheit im norddeutschen Bund, S. 412 – 427. Wilhelm Lang, Zur neueren Geschichte Italiens, S. 428 – 438. Wilhelm Dilthey, Zu Lessings Seelenwanderungslehre. Eine Erwiderung, S. 439 – 444. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Anfangs Oktober, S. 444 – 454. Alexander Meyer und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Julian Schmidt, Geschichte der dt. Literatur; H. Schulte, Einleitung in das deutsche Staatsrecht; E. Leeder, Atlas zur Geschichte des preußischen Staates; Neuere deutsche Geschichten, S. 454 – 462.
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I. Artikelverzeichnis Heft 5 (November 1867)
August Lammers, Deutsche Münzreform, S. 463 – 477. Max Jähns, Die Anmarschkämpfe in Böhmen 1866, S. 478 – 506. Michael Bernays, Goethes Briefe an Friedrich August Wolf, S. 507 – 541. Louis Ehlert, Offenbach und das zweite Empire, S. 541 – 547. Wilhelm Wehrenpfennig, Rückblick auf den Reichstag, S. 548 – 565. Hermann Baumgarten, Aus Süddeutschland. 4. November, S. 565 – 571. Hermann Baumgarten, David Müller und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Max Dunckers Geschichte des Altertums; Griechische Geschichte von Ernst Curtius; Depeschen des Herzogs von Wellington; Nicomede Bianchi, Storia documentate delle diplomazia europea in Italia; Briefe aus dem Nachlass von Gentz; Graf Münster auf Derneburgs Politische Skizzen über die Lage Europas vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart; Moritz Busch, Das Übergangsjahr in Hannover; Lette zur Reform der Kreisordnung und ländlichen Polizeiverfassung, S. 572 – 582. Heft 6 (Dezember 1867) Carl Friedrich Meyer, Albert, Prinz-Gemahl von Großbritannien, S. 583 – 601. Max Jähns, Die Anmarschkämpfe in Böhmen 1866, S. 602 – 619. Michael Bernays, Goethes Briefe an Friedrich August Wolf, S. 620 – 674. Karl Braun, Wahlprüfungen und die Konstituierung des Hauses. Beitrag zur Kenntnis parlamentarischer Praxis in England. Berlin, 20. November, S. 675 – 697. Bernhard Erdmannsdörffer und David Müller, Notizen: Droysens Geschichte der preußischen Politik über Friedrich I. von Preußen; Giesebrechts Geschichte der deutschen Kaiserzeit; S. Hüppe, Die Verfassung der Republik Polen; Lette, Die ländliche Gemeindeordnung in den sechs östlichen Provinzen, S. 698 – 702. Band XXI Heft 1 (Januar 1868) Max Jähns, Die Anmarschkämpfe in Böhmen 1866, S. 1 – 22. Michael Bernays, Goethes Briefe an Wolf, S. 23 – 39. Heinrich von Treitschke, Der Bonapartismus. III. Die goldenen Tage der Bourgeoisie, S. 40 – 102. Karl Braun, Französische Kritik und deutsche Antikritik. Berlin, den 30. Dezember 1867, S. 102 – 121. Reinhold Pauli, Das altenglische Königtum und die deutsche Gegenwart, S. 121 – 130. W. Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, S. 131 – 144. David Müller, Notizen: Theodor Toeches Kaiser Heinrich VI.; G. A. von Klödens Handbuch der Erdkunde, S. 145 – 148.
I. Artikelverzeichnis
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Heft 2 (Februar 1868) Hermann von Helmholtz, Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens, S. 149 – 170. Wilhelm Lang, Paul Pfizer, S. 171 – 204. Michael Bernays, Goethes Briefe an Friedrich August Wolf, S. 204 – 218. Friedrich Leiberig, Die Gesetzentwürfe, betreffend die Einrichtung und Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen und die Pensionsverhältnisse ihrer Lehrer, S. 219 – 231. Simon Samuel, Aus Ostpreußen, S. 232 – 240. Wilhelm Wehrenpfennig, Der preußische Landtag. Berlin, Ende Januar, S. 241 – 254. Karl Braun, Schweizer Statistik, S. 255 – 260. Heft 3 (März 1868) Hermann von Helmholtz, Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens, S. 261 – 289. Adolph Wagner, Die Entwicklung des deutschen Staatsgebiets und das Nationalitätsprinzip. Eine Studie im Gebiet der vergleichenden Annexions- und Nationalitätsstatistik, S. 290 – 313. Otto Bähr, Die Redefreiheit der Volksvertretung und der Prozess Twesten, S. 313 – 325. Heinrich von Treitschke, Karl Mathy, S. 325 – 338. Julius Lessing, Eduard Gerhard, S. 339 – 347. Rudolf Haym, Kleine Mitteilungen für Goethefreunde, S. 347 – 355. Wilhelm Wehrenpfennig, Das österreichische Rotbuch, S. 356 – 374. Reinhold Pauli und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Ludwig Häussers Vorträge über die Geschichte der Französischen Revolution; Otto Hartwigs Kultur- und Geschichtsbilder aus Sizilien; L. Hahn, Zwei Jahre preußisch-deutscher Politik, S. 375 – 378. Heft 4 (April 1868) Adolph Wagner, Die Entwicklung des deutschen Staatsgebiets und das Nationalitätsprinzip II. Eine Studie im Gebiet der vergleichenden Annexions- und Nationalitätsstatistik, S. 370 – 402. Hermann von Helmholtz, Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens, S. 403 – 434. Karl Braun, Gewerbe-, Zug- und Verehelichungs-Freiheit im Norddeutschen Bunde. Berlin, 4. April 1867 [sic! 1868], S. 435 – 466. August Lammers, Küstenbeleuchtung, S. 467 – 476. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Anfang April, S. 476 – 487. Julian Schmidt, Notizen: Shakespeare-Jahrbuch; Hirths Annalen des Norddeutschen Bundes und des deutschen Zollvereins, S. 487 – 490.
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I. Artikelverzeichnis Heft 5 (Mai 1868)
Heinrich von Treitschke, Der Bonapartismus. IV. Die Republik und der Staatsstreich. 28. März, S. 491 – 536. Julius Eckardt, Die russische Agrargesetzgebung und der Kommunalbesitz, S. 536 – 557. Moritz Busch, Die Provinz Hannover, landwirtschaftlich und volkswirtschaftlich, S. 558 – 581. Heinrich Bauer, Die württembergische Armee vor und nach dem Jahre 1866, S. 581 – 591. Wilhelm Wehrenpfennig, Das Zollparlament und seine Kompetenzerweiterung. Eine Warnung vor falschen Wegen, S. 591 – 600. Wilhelm Wehrenpfennig und Woltmann, Notizen: Zur Geschichte des siebenjährigen Krieges; Friedrich Kapp, Deutsche Einwanderung in Amerika; Anton Springer, Bilder aus der neueren Kunstgeschichte; Friedrich Eggers, Vorträge aus der neueren Kunstgeschichte, S. 601 – 610. Heft 6 (Juni 1868) August Kluckhohn, Ludwig Häusser, S. 611 – 636. Eduard Zeller, Die Politik in ihrem Verhältnis zum Recht, S. 637 – 650. Theodor Fachtmann, Hannovers Verfassungs- und Verwaltungsorganisation vor dem Abgeordnetenhaus zu Berlin, S. 651 – 682. Rudolf Haym, Zur Biographie Goethes, S. 682 – 690. Carl Friedrich Nebenius und Friedrich von Weech, Der Versuch der Gründung eines Instituts für den Allgemeingeist Deutschlands (1787 – 1788), S. 690 – 697. Wilhelm Wehrenpfennig, Die erste Session des Zollparlaments. Berlin, Anfang Juni, S. 698 – 709. August Petermann, Notizen: Hirths Annalen des Norddeutschen Bundes und des deutschen Zollvereins; Aufruf zur Teilnahme und Unterstützung durch Geldbeiträge und Sammlungen für die Deutsche Nordpol-Expedition. Gotha, 20. Mai, S. 709 – 710. Band XXII Heft 1 (Juli 1868) Heinrich von Treitschke, Der Bonapartismus. V. Das zweite Kaiserreich, S. 1 – 99. Max Jähns, Die Literatur des Krieges vom Jahre 1866, S. 100 – 114. Wilhelm Lang, Michelangelos Gedichte, S. 114 – 119. Wilhelm Wehrenpfennig, Die zweite Session des Reichstages. Berlin, Anfang Juli, S. 120 – 135. Otto Hartwig, Eine Reliquie von Friedrich dem Großen, S. 135 – 138. Heft 2 (August 1868) Adolf Lette, Die Reorganisation der Staats- und der Selbstverwaltung in Preußen, S. 139 – 185. Max Jähns, Die Schlacht von Königgrätz, S. 186 – 244. Wilhelm Lang, Zur neueren Geschichte Italiens, S. 245 – 254.
I. Artikelverzeichnis
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Heinrich von Treitschke, Altpreußen und die deutsch-russischen Ostseeprovinzen. Offener Brief an Julius Eckardt, Redakteur der Grenzboten, S. 254 – 259. Wilhelm Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland. Anfang August, S. 260 – 273. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Wilhelm Müller, Politische Geschichte der Gegenwart, S. 273 – 274. Heft 3 (September 1868) Edgar Löning, Die Verwaltung der Stadt Paris, S. 275 – 295. Wilhelm Endemann, Die Bundeszivilprozessordnung und die Organisation der Justiz, S. 296 – 329. Karl Wittich, Wallenstein und die Spanier, S. 329 – 344. Wilhelm Wehrenpfennig, Österreich u. Preußen gegenüber dem französischen Revolutionskrieg, S. 345 – 386. Michael Bernays, Die Stiftungsfeier der rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, S. 387 – 395. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Julius Eckardt, Die baltischen Provinzen Russlands, S. 396 – 398. Heft 4 (Oktober 1868) Hermann Reuchlin, Aus Italien, S. 399 – 414. Karl Wittich, Wallenstein und die Spanier, S. 415 – 431. Julian Schmidt, Iwan Turgénew, S. 432 – 461. Heinrich von Treitschke, Aus den Papieren eines Sachsen. Mitgeteilt durch H. v. Treitschke, S. 461 – 474. Hermann Lücke, Mitteilungen aus Otto Ludwigs literarischem Nachlass, S. 475 – 486. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Rundschau. Berlin, Anfang Oktober, S. 486 – 499. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Baumgartens Geschichte Spaniens; Die Geschichte der badischen Verfassung; Hirths Annalen und Kollers Archiv des norddeutschen Bundes und des Zollvereins; Meyers Grundzüge des norddeutschen Bundesrechts; Mascher, Deutsches Grundbuch- und Hypothekenwesen; Hobrecht über öffentliche Gesundheitspflege und die Bildung eines Zentralamtes, S. 499 – 502. Heft 5 (November 1868) [nicht mehr ermittelbarer/nicht erschienener Artikel] Friedrich Thudichum, Rückblick auf die Geschichte der Leibeigenschaft, S. 543 – 563. Hermann Reuchlin, Aus Italien, S. 563 – 585. Julian Schmidt, Erkmann-Chatrian, S. 586 – 621. Otto Bähr, Die Einheit des obersten Gerichtshofs in Preußen, S. 621 – 639. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Anfang November, S. 639 – 652.
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I. Artikelverzeichnis
Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Alpheus Todd, Parlamentarische Regierung in England; W. Kellner, Handbuch für Staatenkunde; Karl Braun, Frankfurts Schmerzensschrei und Verwandtes, S. 653 – 654. Heft 6 (Dezember 1868) Max Jähns, Die Schlacht von Königgrätz, S. 655 – 697. Friedrich Thudichum, Rückblick auf die Geschichte der Leibeigenschaft, S. 698 – 731. Wilhelm Wehrenpfennig, Spanien und die preußische Politik (1814 – 1825), S. 731 – 747. Lorentz, Aus Österreich. Ein Blick auf die Wege und Ziele des Herrn von Beust, S. 748 – 762. Moritz Busch, Schleswig-Holstein landschaftlich und volkswirtschaftlich, S. 762 – 785. Heinrich von Treitschke und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Julius Eckardts baltische und russische Kulturstudien aus zwei Jahrhunderten; Aus dem Leben des Generals H. v. Brandt; Herr Baron Haußmann und die Preußischen Jahrbücher, S. 786 – 788. Band XXIII Heft 1 (Januar 1869) Max Jähns, Die Schlacht von Königgrätz, S. 1 – 18. Karl Wittich, Wallenstein und die Spanier, S. 19 – 62. Julius Eckardt, Die Anfänge der neuen Ära in Russland (1855 bis 1860), S. 63 – 85. A. Römer, Zur städtischen Selbstverwaltung. Aus Holstein im Oktober, S. 85 – 90. Hermann Baumgarten, Spanien. 31. Dez., S. 90 – 98. Wilhelm Wehrenpfennig, Österreichs orientalische Politik, S. 98 – 114. Heinrich von Treitschke, Zum Jahreswechsel. 31. Dezember, S. 115 – 129. Alexander Conze und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Otto Jahn, Biographie Eduard Gerhards und Aus der Altertumswissenschaft; Populäre Aufsätze; Die Gräfin, ein Trauerspiel, S. 130 – 134. Heft 2 (Februar 1869) Reinhold Pauli, Englands auswärtige Politik im Rückblick auf Lord Palmerston, S. 135 – 157. Max Jähns, Die Schlacht von Königgrätz, S. 158 – 190. Karl Braun, Die Zivilrechts-Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes, S. 191 – 222. Theodor Landgraff, Indigenat und Staatsbürgerrecht, S. 223 – 229. Hencke, Zur Regelung der Prüfungen für die Ärzte, S. 230 – 233. Reinhold Johow, Das staatliche Veto bei Bischofswahlen nach dem Recht der oberrheinischen Kirchenprovinz (von E. Herrmann), S. 234 – 241. Wilhelm Lang, Politische Korrespondenz (aus Süddeutschland), S. 242 – 254. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Brauns Parlamentsbriefe; Buschs Abriss der Urgeschichte des Orients; Hartwigs Kultur- und Geschichtsbilder aus Sizilien; Kluges Biostatik der Stadt Reval, S. 255 – 258.
I. Artikelverzeichnis
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Heft 3 (März 1869) Julius Eckardt, Die Anfänge der neuen Ära in Russland (1855 bis 1860), S. 259 – 282. Hans Blum, Einige der gesetzgeberischen Reformen im Königreich Sachsen unter König Johann. Eine Blütenlese aus dem Rechtsleben eines deutschen Mittelstaats um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, S. 283 – 325. Friedrich Nippold, Die verschiedenen Stadien des sogenannten preußischen Kirchenstreites (nach Bunsens Papieren), S. 325 – 355. Friedrich von Salpius, Über Verdeutschung amtssprachlicher Fremdworte, S. 356 – 366. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz, S. 367 – 377. Hans Blum und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: G. Lehmann, Körperverletzungen und Tötungen auf deutschen Eisenbahnen und die Unzulänglichkeit des Rechtsschutzes; Friedenthal, Reichstag und Zollparlament; Rochau, Grundsätze der Realpolitik, S. 377 – 380. Heft 4 (April 1869) Hans Blum, Einige der gesetzgeberischen Reformen im Königreich Sachsen unter König Johann. Eine Blütenlese aus dem Rechtsleben eines deutschen Mittelstaats um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, S. 381 – 406. E. Bemmann [Ernst Curtius] und Heinrich von Treitschke, Zur Reform der Universitäten. Mit einem Zusatz der Redaktion, S. 406 – 422. Friedrich Nippold, Die verschiedenen Stadien des sogenannten preußischen Kirchenstreites (nach Bunsens Papieren), S. 423 – 448. G. F. Beutner, Der Wertbegriff und die menschliche Arbeitskraft, S. 448 – 469. Hermann Baumgarten, Spanien. 31. März, S. 470 – 475. Max Jähns, Taktische Rückblicke auf 1866, S. 475 – 483. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz, S. 483 – 494. Bernhard Erdmannsdörffer, Notizen: Wilhelm Scherer zur Geschichte der deutschen Sprache, S. 495 – 500. Heft 5 (Mai 1869) G. F. Beutner, Der Preisbegriff und die soziale Frage, S. 501 – 522. Max Jähns, Die Schlacht von Königgrätz, S. 523 – 561. Wilhelm Lang, La Farina und der italienische Nationalverein, S. 562 – 578. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 9. Mai 1869, S. 579 – 589. [unbekannt], Ein Aktenstück aus der Geschichte Frankfurts im Jahre 1866, S. 590 – 594. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Gneist, Die konfessionelle Schule; Zum Dezemberheft, S. 595 – 596.
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I. Artikelverzeichnis Heft 6 (Juni 1869)
Wilhelm Lang, La Farina und der italienische Nationalverein, S. 597 – 615. G. F. Beutner, Das Geld und seine neuesten Verehrer, S. 616 – 634. Bernhard Kugler, Zur Beurteilung des Kurfürsten Moritz von Sachsen, S. 635 – 647. Erwin Nasse, Das politische Ehrenamt im alten Rom und modernen England, S. 648 – 673. Hermann Baumgarten, Spanien und die kirchliche Frage, S. 674 – 685. Wilhelm Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland. Anfang Juli, S. 686 – 697. E. Bemmann [Ernst Curtius] und Heinrich von Treitschke, Notizen: De Laveleye, La question du grec et la réforme de l’enseignement moyen; Massimo d’Azeglios Erinnerungen; Klaus Groth in italienischer Übersetzung, S. 698 – 703. Band XXIV Heft 1 (Juli 1869) Hermann Grimm, Goethe und Suleika. Zur Erinnerung an Marianne von Willemer, S. 1 – 21. Friedrich Thudichum, Staatliche und kirchliche Zustände im Großherzogtum Hessen von 1850 – 1869, S. 22 – 42. Heinrich von Treitschke, Die Republik der vereinigten Niederlande. 30. Juni, S. 43 – 101. Karl Hillebrand, Die französische Krisis. Paris, den 14. Juni 1869, S. 102 – 110. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Anfang Juli, S. 111 – 121. Hermann Grimm und Julian Schmidt, Notizen: Iwan Turgénjews Werke; Bernhard Erdmannsdörffer, Graf Georg Friedrich von Waldeck, S. 122 – 126. Heft 2 (August 1869) Julius Eckardt, Russlands innere Politik von 1861 bis 1863, S. 127 – 160. Eugène Nothomb, Die Weltmünze. Ein Vorschlag zu ihrer Verwirklichung, S. 161 – 190. Heinrich von Treitschke, Die Republik der vereinigten Niederlande II. 15. August, S. 191 – 255. Karl Hillebrand, Die französische Krisis II. Paris, 8. August 1869, S. 255 – 260. Heft 3 (September 1869) Rudolf Haym, Schlegel und die Lucinde. Ein Bruchstück aus der Geschichte der Romantik, S. 261 – 295. Ernst Dümmler, Die Römerzüge der deutschen Kaiser, S. 296 – 311. Johannes Miquel, Verfassung und Verwaltung der Provinzen und Gemeinden des Königreichs der Niederlande, S. 312 – 340. E. Bemmann [Ernst Curtius], Ein Publizist des achtzehnten Jahrhunderts (Wekhrlin), S. 341 – 351. G. F. Beutner, Die wirtschaftlichen Ergebnisse der letzten Reichstags-Session, S. 351 – 366. Wilhelm Wehrenpfennig, Zur Literatur über die Schulfrage, S. 367 – 377.
I. Artikelverzeichnis
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Max Jähns und August Lammers, Notizen: Emminghaus, Das Armenwesen und die Armengesetzgebung in den Europäischen Staaten; von Sobbe aus der Schlacht von Königgrätz, S. 378 – 380. Heft 4 (Oktober 1869) Friedrich Nippold, Die verschiedenen Stadien des sogenannten preußischen Kirchenstreites (nach Bunsens Papieren), S. 381 – 422. Karl Braun, Prinz Hyazinth. Beitrag zur Geschichte der Segnungen des Kleinstaats, S. 423 – 461. Bernhard Kugler, Wallenstein, S. 462 – 474. E. Bemmann [Ernst Curtius], R. Rey über die französische Schweiz, S. 475 – 481. Wilhelm Wehrenpfennig, Zur Literatur über die Schulfrage II, S. 481 – 496. E. Bemmann [Ernst Curtius] und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Der Papst und das Konzil von Janus; Pertz’ Leben Gneisenaus; Häussers deutsche Geschichte; Buckles Geschichte der Zivilisation in England; Homeggers Grundsteine einer allgemeinen Kulturgeschichte der neuesten Zeit; Eugen Richter, Das preußische Staatsschulwesen und die preußischen Staatspapiere, S. 497 – 504. Heft 5 (November 1869) Max Jähns, Die Schlacht von Königgrätz, S. 505 – 572. Hermann Grimm, Raphaels eigene Bildnisse. Beitrag zur Geschichte der modernen Kunstforschung. Berlin, November 1869, S. 573 – 598. E. Bemmann [Ernst Curtius], Ein deutscher Unionsversuch im Zeitalter des großen Kurfürsten, S. 599 – 614. Anton Springer, Die internationale Kunstausstellung in München, S. 614 – 627. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 6. November 1869, S. 628 – 638. E. Bemmann [Ernst Curtius], Notizen: Friedrich von Raumers literarischer Nachlass; Bunsens Biographie, deutsch von Friedrich Nippold; Nippold, Die gegenwärtigen Zustände im ehemaligen Herzogtum Nassau; Karl Brauns Bilder aus der deutschen Kleinstaaterei; Juri Samarins Anklage gegen die Ostseeprovinzen Russlands, S. 639 – 644. Heft 6 (Dezember 1869) Karl Weinhold, Friedrich Heinrich Jacobi, S. 645 – 678. August Lammers, Armenpflege in Dtl., S. 679 – 705. Hermann Baumgarten, Carl Brater, S. 706 – 709. Julius Eckardt, Russlands innere Politik von 1861 bis 1863, S. 710 – 748. Wilhelm Lang, Politische Korrespondenz (aus Süddeutschland), S. 749 – 758. E. Bemmann [Ernst Curtius], Hermann Grimm und Wilhelm Lang, Notizen: Kriegk, Brüder Senckenberg; Goethes Unterhaltungen mit von Müller; Arundel-Society; Brauns Fotografien in Kohlendruck; A new history of painting in Italy; Rembrandt; Künstlerlexikon; Naglers Briefe an einen Staatsbeamten; Paulis Aufsätze zur englischen Geschichte; Köhler,
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I. Artikelverzeichnis
Das allgemeine Konzil und der Protestantismus; Bastian, Die Völker des östlichen Asien, S. 758 – 770. Band XXV Heft 1 (Januar 1870) Wilhelm Endemann, Das Genossenschaftswesen nach dem Bundesgesetz vom 4. Juli 1868, S. 1 – 32. Ernst Immanuel Bekker, Zur Immobiliarkreditfrage: Renten- oder Kapitalschulden, S. 32 – 46. Friedrich Nippold, 1849 und 1854. Zwei Wendepunkte der europäischen Politik. (Mitteilungen aus Bunsens Papieren), S. 46 – 65. Theodor Creizenach, Goethes und Klingers Geburtshäuser, S. 66 – 76. Georg von Oertzen, Rückblicke auf Dänemark und seine jüngste Vergangenheit, S. 77 – 87. W. Lang, Württembergische Gesetzgebung, S. 88 – 100. W. Wehrenpfennig, Zum Jahreswechsel, S. 100 – 112. Wilhelm Wehrenpfennig und Heinrich von Treitschke, Notizen: Gustav Freytag über Karl Mathy; Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge; Hans Hopfen, Pinsel Ming; Friedrich Thudichum, Verfassungsrecht des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Zollvereins; von Maurer; Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, S. 112 – 120. Heft 2 (Februar 1870) Bernhard Erdmannsdörffer, Das Zeitalter der Novelle in Hellas I, S. 121 – 141. Georg von Oertzen, Rückblicke auf Dänemark und seine jüngste Vergangenheit, S. 142 – 155. Hermann Grimm, Geschichte der italienischen Malerei als Universitätsstudium, S. 156 – 163. Theodor von Kern, Zur Geschichte der österreichischen Politik im Jahre 1814, S. 163 – 174. Emil Frensdorff, Französische Urteile über Deutschland, S. 175 – 184. Karl Hillebrand, Drei Briefe aus Paris, S. 185 – 211. Wilhelm Reuling, Die Theaterzensur und die norddeutsche Gewerbeordnung, S. 212 – 218. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, Anfang Februar, S. 219 – 226. Bernhard Erdmannsdörffer, Notizen: von Noorden, Europäische Geschichte im 18. Jahrhundert; Sybels kleine historische Schriften; Boeckh, Der Deutschen Volkszahl und Sprachgebiet in den europ. Staaten; Zur Erinnerung an von Bardeleben, S. 227 – 232. Heft 3 (März 1870) August Lammers, Armenpflege außerhalb Deutschlands, S. 233 – 259. Wilhelm Maurenbrecher, Bergenroths Johanna von Kastilien, S. 260 – 282. Bernhard Erdmannsdörffer, Das Zeitalter der Novelle in Hellas II, S. 283 – 308. Karl Braun, Zur Erinnerung an den Abgeordneten Albert Oppermann, S. 309 – 327. Heinrich von Treitschke, Badens Eintritt in den Bund, S. 328 – 337. R. von Sanden, Das rumänische Heerwesen seit 1866. Bukarest, Januar 1870, S. 338 – 346.
I. Artikelverzeichnis
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E. Bemmann [Ernst Curtius], Theodor Creizenach und Hermann Grimm, Dixon, Der Tower von London; Friedrich Althaus, Englische Charakterbilder; Pfleiderer, Leibniz als Patriot, Staatsmann und Bildungsträger; Katalog der Brentano-Galerie Frankfurt; Über ein Dankschreiben Goethes, S. 346 – 350. Heft 4 (April 1870) J. Philipp Anstett, Die Revolution in Portugal vom 22. August 1820, S. 351 – 367. Georg von Oertzen, Rückblicke auf Dänemark und seine jüngste Vergangenheit, S. 368 – 383. Emil Frensdorff, Emil Ollivier, S. 384 – 406. Friedrich Heinrich Geffcken, Russland und England in Asien, S. 407 – 440. Heinrich von Treitschke, Das Strafgesetzbuch vor dem Reichstag. 5. April, S. 441 – 450. Hermann Grimm und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Ingres, sa vie, ses travaux, sa doctrine; Heinrich Kruse, Die Gräfin; Eine Erklärung zu Philarète Chasles und den Französischen Urteilen über Deutschland, S. 451 – 454. Heft 5 (Mai 1870) August Ubbelohde, Ein frommer Wunsch für die preußischen Universitäten, S. 455 – 474. Emil Frensdorff, Emil Ollivier, S. 474 – 501. Wilhelm Endemann, Einige Briefe eines norddeutschen Juristen über den Entwurf einer Bundeszivilprozessordnung, S. 502 – 514. Rüdorff [Friedrich Oetker], Das Norddeutsche Strafgesetzbuch und die Todesstrafe, S. 522 – 547. Lorentz, Aus Österreich, S. 548 – 562. Wilhelm Lang, Süddt. Korrespondenz, S. 562 – 575. Heft 6 (Juni 1870) Gustav Schmoller, Die innere Verwaltung des preußischen Staates unter Friedrich Wilhelm I., S. 575 – 591. Emil Frensdorff, Zur Geschichte des Journalismus. Louis Veuillot, S. 591 – 616. Hermann Grimm, E. Curtius über Kunstmuseen. Mai 1870, S. 616 – 623. Carl Friedrich Meyer, Goethe, die Wahlverwandtschaften und Wilhelmine Herzlieb, S. 623 – 636. Wilhelm Endemann, Einige Briefe eines norddeutschen Juristen über den Entwurf einer Bundeszivilprozessordnung, S. 636 – 655. Karl Hillebrand, Aus Frankreich. Paris, Anfang Juni 1870, S. 656 – 662. Max Jähns, Die Heeresstärke Österreichs, Russlands und Frankreichs, S. 662 – 668. Wilhelm Wehrenpfennig, Die Ergebnisse des Reichstags. Berlin, 4. Juni 1870, S. 668 – 690. Heinrich von Treitschke, An den Briefschreiber der Weser-Zeitung, S. 691 – 696. Bernhard Erdmannsdörffer, Wilhelm Vatke und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: H. Peter, Der Krieg des großen Kurfürsten gegen Frankreich; Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte
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I. Artikelverzeichnis
des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg; A. Riese, Die dreitägige Schlacht bei Warschau; Pfleiderer, Leibniz als Verfasser von zwölf anonymen, meist deutsch politischen Zeitschriften; Stobbe, Herman Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte; A. Eberhard, Julius von Tarent; W. Gilbert, Lucrezia Borgia; Adolph Laun, Washington Irving; K. Elze, Biographie Lord Byrons; Victor Hehn über Kulturpflanzen und Haustiere, S. 697 – 705. Band XXVI Heft 1 (Juli 1870) Gustav Schmoller, Die innere Verwaltung des preußischen Staates unter Friedrich Wilhelm I., S. 1 – 16. Wilhelm Endemann, Einige Briefe eines norddeutschen Juristen über den Entwurf einer Bundeszivilprozessordnung, S. 17 – 35. Karl Bernhard Stark, Wanderungen und Wandlungen der Antike, S. 36 – 63. Karl Theodor Wenzelburger, Eine diplomatische Sendung des Großen Kurfürsten, S. 64 – 83. Alexander Conze, Aus Johann Heinrich Rambergs Nachlass, S. 83 – 103. Heinrich von Treitschke, Nochmals Briefe der Weser-Zeitung. 30. Juni, S. 104 – 107. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 9. Juli 1870, S. 108 – 116. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Anton Springer über Dahlmann; Sechs Vorträge über Voltaire von David Friedrich Strauß; Die romantische Schule von Rudolf Haym und das Leben Schleiermachers von Wilhelm Dilthey; Julian Schmidt, „Bilder aus dem geistigen Leben unserer Zeit“; Aktenstücke zur Frage der Gotthardbahn; Kommentare zum Strafgesetzbuch; Gustav Schmoller, Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe, S. 116 – 126. Heft 2 (August 1870) Karl Justi, Die Entdeckung der Stadt Herculaneum, S. 127 – 148. Gustav Schmoller, Der preußische Beamtenstand unter Friedrich Wilhelm I., S. 148 – 172. Friedrich Oetker, Zur „Reform der preußischen Verfassung“, S. 172 – 191. Emil Frensdorff, Graf Benedetti, S. 192 – 204. Wilhelm Wehrenpfennig, Die französische Armee, S. 205 – 221. Wilhelm Wehrenpfennig, Das diplomatische Vorspiel des Krieges, S. 222 – 240. Heinrich von Treitschke, Die Feuerprobe des norddeutschen Bundes. Heidelberg, 3. August, S. 240 – 252. Heft 3 (September 1870) Gustav Schmoller, Der preußische Beamtenstand unter Friedrich Wilhelm I., S. 253 – 270. [unbekannt], Die Rüstungswochen, S. 271 – 297. Rudolf Usinger, Deutschland in der französischen Zeit, S. 297 – 343. Wilhelm Wehrenpfennig, Die deutschen Forderungen von 1815. Berlin, 28. August, S. 344 – 366.
I. Artikelverzeichnis
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Heinrich von Treitschke, Was fordern wir von Frankreich? 30. August, S. 367 – 409. Heinrich von Treitschke, Ein Lied vom schwarzen Adler. 25. Juli, S. 410 – 412. Hermann Grimm, Notizen: Zwei Polen in Weimar, Ein Beitrag zur Goethe-Literatur aus polnischen Briefen; Zu Arnims Siegeslied nach Aussprüchen des Paracelsus; Werke über ElsaßLothringen, S. 412 – 418. Heft 4 (Oktober 1870) August Lammers, Die wirtschaftlichen Vorgänge im deutsch-französischen Kriege, S. 419 – 440. Heinrich Homberger, Massimo d’Azeglios Briefe an seine Frau und an Giuseppe Torelli, S. 441 – 459. Emil Frensdorff, Prevost-Paradol, S. 460 – 490. Heinrich von Treitschke, Friedenshoffnungen. 25. September, S. 491 – 501. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 30. September 1870, S. 502 – 513. [unbekannt], Notizen: Wagner, Schmidt und Maurenbrecher über Elsaß und Lothringen; Die bundesstaatliche Einigung Süd- und Norddeutschlands unter Preußens Führung; Hermann Baumgarten, Wie wir wieder ein Volk geworden sind, S. 513 – 514. Heft 5 (November 1870) Reinhold Pauli, Unsere Klagen über England, S. 515 – 537. Gustav Schmoller, Der preußische Beamtenstand unter Friedrich Wilhelm I., S. 538 – 555. Rudolf Haym, Die Diltheysche Biographie Schleiermachers, S. 556 – 604. Heinrich von Treitschke, Luxemburg und das deutsche Reich. 25. Oktober, S. 605 – 611. Hermann Baumgarten und Wilhelm Wehrenpfennig, Die süddeutsche Frage. 1. November, S. 612 – 620. [unbekannt/F.], Aus Moskau. Klage eines Deutschen über die russische Presse. 27. Oktober, S. 621 – 626. Heft 6 (Dezember 1870) Eduard Zeller, Das Recht der Nationalität und die freie Selbstbestimmung der Völker, S. 627 – 650. Hermann Baumgarten, Zur Beurteilung der französischen Revolution, S. 651 – 668. A. Lammers, Reform des Seekriegsrechts, S. 669 – 683. Heinrich von Treitschke, Die Verträge mit den Südstaaten. 7. Dezember, S. 684 – 695. [unbekannt], Württemberg und das deutsche Verfassungswerk, S. 696 – 712. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Staatengeschichte der neuesten Zeit; Schäfers Geschichte des siebenjährigen Kriegs; Kommentare zum Strafgesetzbuch; Die zweite Auflage von Hermann Baumgartens „Wie wir wieder ein Volk geworden sind“; Wullenverer, ein Trauerspiel von Heinrich Kruse; Zur Erinnerung an Lessing, S. 713 – 720.
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I. Artikelverzeichnis Band XXVII Heft 1 (Januar 1871)
Hermann Grimm, Voltaire und Frankreich. Ein Versuch, S. 1 – 25. Rudolf Usinger, Der politische Zustand Frankreichs, S. 26 – 38. Wilhelm Maurenbrecher, Die deutsche Frage 1813 – 1815, S. 39 – 60. Emil Frensdorff, Die Bonapartistischen Emissäre, S. 61 – 75. Max Jähns, Umrisse einer Geschichte des französischen Heerwesens. I. Von der Thronbesteigung der Kapetinger bis zum Erlass der Ordonanzen von Chalons sur Marne (988 bis 1445), S. 76 – 102. Heinrich von Löbell, Aphoristische Andeutungen über Wert und Bedeutung der Festungen, S. 103 – 111. Wilhelm Wehrenpfennig, Aus dem österreichischen Rotbuch, S. 111 – 119. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Geschichte des Elsasses von O. Lorenz und W. Scherer; Geschichte des deutschen Landes und Volkes von A. L. von Rochau, S. 119 – 120. Heft 2 (Februar 1871) Adolf Held, Bemerkungen über die freiwillige Krankenpflege im Krieg von 1870. Bonn, Anfang Dezember 1870, S. 121 – 144. Alexander Conze, Antike Grabmäler, S. 145 – 158. Heinrich von Löbell, Aphoristische Andeutungen über Wert und Bedeutung der Festungen, S. 159 – 174. Heinrich von Treitschke, Parteien und Fraktionen. 30. Januar, S. 175 – 208. Wilhelm Lang, Deutsche und italienische Einheit, S. 208 – 223. L. Nagel, Zur Moralstatistik, S. 223 – 247. Hermann Grimm und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: The Future of France in der Fortnightly Review; Claus Groths Lieder; La grande nation in ihren Reden und Taten vom Anfang bis zum Ende des Krieges, S. 248 – 250. Heft 3 (März 1871) Adolf Held, Bemerkungen über die freiwillige Krankenpflege im Krieg von 1870. Bonn, Anfang Dezember 1870, S. 251 – 273. Ferdinand Frensdorff, Straßburgische Geschichtsschreibung, S. 274 – 287. Wilhelm von Bippen, Charles von Villers und seine deutschen Bestrebungen, S. 288 – 307. Max Jähns, Umrisse einer Geschichte des französischen Heerwesens. I. Von der Thronbesteigung der Kapetinger bis zum Erlass der Ordonanzen von Chalons sur Marne (988 bis 1445), S. 308 – 337. Otto von Bismarck, Der Friede und die deutsche Marine, S. 338 – 346. Heinrich von Treitschke, Parteien und Fraktionen II. 10. März, S. 347 – 367. Friedrich Thudichum, Das Ministerium Dalwigk auch im neuen Reiche, S. 368 – 375.
I. Artikelverzeichnis
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Wilhelm Wehrenpfennig, Am Schluss des Kriegs (Politische Korrespondenz), S. 376 – 388. W. Wehrenpfennig, Briefe deutscher Gelehrter an Napoleon III. (Zumpt, Ritschl, Mommsen), S. 388 – 391. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Niccola Marsellis Studie; Die friedfertige Politik der Regierung Preußens gegenüber Frankreich; Constantin Rößler, Graf Bismarck und die deutsche Nation; August Lammers, Deutschland nach dem Kriege; K. Bernhardi, Die Sprachgrenze zwischen Deutschland und Frankreich; Julian Schmidt, Bilder aus dem geistigen Leben unserer Zeit, S. 391 – 394. Heft 4 (April 1871) Karl Theodor Wenzelburger, Der Marquis von Pombal und die Jesuiten, S. 395 – 412. Friedrich Thudichum, Über Ausfertigung richterlicher Urteile im Namen des Staatsoberhaupts. Tübingen, im Januar 1871, S. 413 – 426. Friedrich Oetker, Die kurhessische Kirchenfrage, S. 427 – 459. Hermann Grimm, Domenico Fiorentino, S. 460 – 474. Hermann Grimm, Gervinus, S. 475 – 478. Rudolf Haym, Literarisches (Klaus Groths Quickborn), S. 479 – 486. Wilhelm Lang, Korrespondenz aus Süddeutschland, S. 487 – 491. Wilhelm Wehrenpfennig, Die Ultramontanen im Reichstag und die römische Kirche, S. 492 – 505. Ernst Henke, Wilhelm Maurenbrecher und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Das Frommannsche Haus und seine Freunde; Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der Preußischen Verfassungsurkunde von Paul Laband; Friedrich Kapp, Friedrich der Große und die Vereinigten Staaten von Amerika; Du Bois-Reymond, Die Leibnizschen Gedanken in der neueren Naturwissenschaft, S. 505 – 510. Heft 5 (Mai 1871) Eduard Zeller, Die päpstliche Unfehlbarkeit und die Säkularisation des Kirchenstaates, S. 511 – 542. Wilhelm Maurenbrecher, Die Politik Friedrich des Großen, S. 543 – 565. Hermann Grimm, Voltaire und Frankreich. Ein Versuch. Schluss, S. 565 – 613. Ernst Curtius, Prof. Adolf Schottmüller, S. 614 – 623. Otto Hartwig, Ludwig Nagel und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Hartwig, Übertritt des Erbprinzen Friedrich von Hessen-Kassel zum Katholizismus; Lujo Brentano, Die Arbeitsgilden der Gegenwart – Zur Geschichte der englischen Gewerkvereine; Max Jähns, Deutsche Feldzüge gegen Frankreich, S. 624 – 626. Heft 6 (Juni 1871) Karl Wilhelm Nitzsch, Deutsche Stände und deutsche Parteien einst und jetzt, S. 627 – 664. Karl Knies, Patriotismus Machiavellis, S. 665 – 699. Max Jähns, General Fadejew und sein Projekt einer russischen Heeresreform, S. 700 – 715.
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I. Artikelverzeichnis
Edgar Löning, Die katholische Kirche im Elsass und in Preußen, S. 716 – 739. Eduard Zeller, Die Bewegung gegen die Infallibilität, S. 740 – 745. Band XXVIII Heft 1 (Juli 1871) Georg von Oertzen, Federzeichnungen aus Frankfurt am Main, S. 1 – 30. Karl Theodor Wenzelburger, Der Marquis von Pombal und die Jesuiten II, S. 31 – 49. Karl Mendelssohn-Bartholdy, Eulogius Schneider und die Revolution im Elsass, S. 50 – 71. Otto Bähr, Die Reichstagskompetenz. Berlin, 30. Juni 1871, S. 72 – 81. Hermann Grimm, Domenico Tibaldi aus Bologna, S. 82 – 86. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 6. Juli 1871, S. 87 – 100. Hermann Grimm, Julian Schmidt und Wilhelm Vatke, Notizen: Heinrich von Sybel, Der Frieden von 1871; Leopold von Ranke, Die deutschen Mächte und der Fürstenbund sowie Der Ursprung des siebenjährigen Krieges; Sammlung der Werke von Dürer; Henry Lewes, Geschichte der alten Philosophie; L. Hahn, Der Krieg Deutschlands gegen Frankreich und die Gründung des deutschen Kaiserreichs, S. 100 – 108. Heft 2 (August 1871) Karl Justi, Raphael Mengs, S. 109 – 131. Heinrich Homberger, Die preußisch-italienische Allianz von 1866, S. 132 – 159. Rudolf Usinger, Die Anfänge der Hansa in ihrem historischen Zusammenhang, S. 160 – 177. Wilhelm Scherer, Zur deutschen Altertumskunde, S. 178 – 183. Georg Beseler, Die Reichstagskompetenz, S. 184 – 194. Wilhelm Lang, Vom württembergischen Landtag, S. 195 – 205. Eduard Zeller, Preußen und die Bischöfe (Aus Baden), S. 205 – 209. Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, 31. Juli 1871, S. 209 – 216. Heft 3 (September 1871) Heinrich Homberger, Die preußisch-italienische Allianz von 1866, S. 217 – 238. Colmar Grünhagen, Fr. Palacky. Ein deutscher Historiker wider Willen, S. 239 – 247. Karl Justi, Der Kardinal Alexander Albani, S. 248 – 264. Max Jähns, Die Reformen der Heeresorganisation in Russland seit 1867. Wehrpflicht und Rekturierung, S. 265 – 281. Michael Bernays, Über Heinrich Kruses Wullenwever, S. 282 – 308. Wilhelm Dilthey, Zum Andenken an Friedrich Ueberweg, S. 309 – 322. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 4. September, S. 323 – 335. Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Oppenheims Friedensglossen zum Kriegsjahr; Bamberger zur Naturgeschichte des französischen Krieges, S. 335 – 336.
I. Artikelverzeichnis
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Heft 4 (Oktober 1871) Karl Justi, Kardinal Alexander Albani, S. 337 – 353. Carl von Noorden, Sechs Jahre österreichischer Politik, S. 354 – 391. Heinrich Homberger, Die preußisch-italienische Allianz von 1866, S. 392 – 417. Hermann Grimm, Die Holbeinsche Madonna, S. 418 – 431. Wilhelm Wehrenpfennig, Politische Korrespondenz. Berlin, 3. Oktober 1871, S. 432 – 443. Christoph von Tiedemann, Eine Mahnung aus dem Elsass, S. 444 – 452. Alexander Meyer und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Das Lehrbuch des Preußischen Privatrechts von Heinrich Dernburg; Kommentare zum Strafgesetzbuch; Goldschmidts Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht; Über die französischen Ausfuhrprämien; Weibezahn zur Münzeinheit; Unruh zur Bankfreiheit; von Rönne über das Verfassungsrechts des deutschen Reichs, S. 452 – 456. Heft 5 (November 1871) Rudolf Haym, Ein deutsches Frauenleben aus der Zeit unserer Literaturblüte (Caroline Schelling), S. 457 – 506. Eduard Zeller, Obligatorische oder fakultative Zivilehe?, S. 507 – 521. Friedrich Kapp, New Yorker Stadverwaltung, S. 522 – 538. Max Jähns, Die Reformen der Heeresorganisation in Russland seit 1867. Truppen-Organisation, S. 539 – 556. [unbekannt], Aus Deutsch-Österreich, S. 557 – 561. Lorentz, Korrespondenz aus Wien, S. 562 – 570. W. Wehrenpfennig, Das Buch Benedettis, S. 570 – 578. Max Jähns und Wilhelm Wehrenpfennig, Notizen: Hermann Baumgartens Geschichte Spaniens; Carl Maria von Weber in seinen Werken von F. W. Jähns, S. 579 – 580. Heft 6 (Dezember 1871) Karl Justi, Ein Manuskript über die Statuen im Belvedere, S. 581 – 609. Heinrich Homberger, Die preußisch-italienische Allianz von 1866, S. 610 – 640. Carl von Noorden, Sechs Jahre österreichischer Politik, S. 641 – 663. Christoph von Tiedemann, Noch ein Wort über die Elsassischen Maires, S. 664 – 667. Heinrich von Treitschke, Österreich und das deutsche Reich. 15. Dezember, S. 667 – 682. Alexander Meyer, Politische Korrespondenz. Berlin, Dezember 1871, S. 683 – 691 [sic! S. 683 – 693]. Hermann Grimm, Max Jähns, Wilhelm Scherer und Julian Schmidt, Notizen: Hermann Grimms zehn ausgewählte Essays zur Einführung in das Studium der modernen Kunst; Turgenjews Novellen; Gervinus Geschichte der deutschen Dichtung; Meldungen aus der Kunst(geschichte); Heinrich Kruses König Erich, S. 692 – 696 [sic! S. 694 – 698].
Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz / StaBi Berlin PK Archiv des Verlagshauses Reimer. Korrespondenz folgender Personen: Baumgarten (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Hermann Baumgarten) Dilthey (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Wilhelm Dilthey) Duncker (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Max Duncker) Frensdorff (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Emil Frensdorff) Fubel (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – (Friedrich) Fubel) Geffcken (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Heinrich Friedrich Geffcken) Grimm (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Hermann Friedrich Grimm) Haym (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Rudolf Haym) Jahn (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Otto Jahn) Lammers (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – August Lammers) Lette (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Wilhelm Adolf Lette) Meyer (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Jürgen Bona Meyer) Molinari (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Theodor Molinari) Nasemann (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Otto Nasemann) Roepell (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Richard Roepell) Rößler (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Konstantin Rößler) Saucken (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Kurt von Saucken-Tarputschen) Schmoller (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Gustav Schmoller) Strauß (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – David Friedrich Strauß) Thudichum (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Friedrich Thudichum) Treitschke (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Heinrich von Treitschke). Wagner (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Adolf Wagner) Wehrenpfennig (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Wilhelm Wehrenpfennig) Honorarabrechnungen und Autorenlisten der PJ (Dep. 42 Archiv Walter de Gruyter, R1 – Preußische Jahrbücher)
Ungedruckte Quellen
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Nachlass Gustav Freytag Nr. 57 (Briefe Theodor von Bernhardi), Nr. 175 (Briefe von Max Duncker), Nr. 227 (Briefe von Ludwig Friedländer), Nr. 531 (Briefe von Theodor Mommsen), Nr. 708 (Briefe von Anton Springer), Nr. 769 (Briefe Heinrich von Treitschke) und Nr. 811 (Briefe von Wilhelm Wehrenpfennig) Nachlass Grimm Nr. 651 (Briefe Wilhelm Scherer an Hermann Grimm) Nachlass Max Jähns Nr. 301 Nachlass Wilhelm Mommsen Kasten 26 (Max Duncker an Theodor Mommsen), Kasten 46 (Rudolf Haym an Theodor Mommsen) und Kasten 126 (Wilhelm Wehrenpfennig an Theodor Mommsen) Nachlass Heinrich von Treitschke Kasten 2 (Briefe an Verschiedene) Kasten 4 (Briefe der Familie, Fürsten u. a.) Kasten 5 (Briefe an Treitschke: A bis E) Kasten 6 (Briefe an Treitschke: F bis H) Kasten 7 (Briefe an Treitschke: Hi bis M) Kasten 8 (Briefe an Treitschke: N bis S) Kasten 9 (Briefe an Treitschke: T bis Z) Kasten 17 (Briefabschriften an Verschiedene: O bis Z) Kasten 18 (Briefabschriften Treitschkes von 1860 bis 1871) Kasten 33 (Briefabschriften an Verschiedene: 1844 bis 1870) Kasten 34 (Briefabschriften und Anderes 1871 bis 1894) Sammlung Autographen Slg. Autogr. I/4504 (Treitschke an Haym) Sammlung Darmstaedter Slg. Darmstaedter 2 f 1855 (Neumann, Karl) Slg. Darmstaedter 2 f 1861 (Baumgarten, Hermann) Slg. Darmstaedter 2 f 1861 (Kluckhohn, August) Slg. Darmstaedter 2 f 1864 (Pauli, Reinhold) Slg. Darmstaedter 2 f 1866 (Treitschke, Heinrich von) Slg. Darmstaedter 2 f 1870 (Mendelssohn-Bartholdy, Karl) Slg. Darmstaedter 2 f 1878 (Duncker, Max) Slg. Darmstaedter 2 g 1863 (Wagner, Adolf)
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Slg. Darmstaedter 2 h 1855 (Hälschner, Hugo) Slg. Darmstaedter 2 h 1861 (Aegidi, Ludwig) Slg. Darmstaedter 2 h 1870 (Geffcken, Friedrich Heinrich) Slg. Darmstaedter 2i 1879 (Springer, Anton) Slg. Darmstaedter 2k 1850 (Lette, Wilhelm Adolf) Slg. Darmstaedter 2 l 1860 (Wehrenpfennig, Wilhelm) Slg. Darmstaedter 2 m 1863 (Freytag, Gustav). Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz / GStA PK I. HA, Rep. 75 G: Pressestation zu Frankfurt am Main Nr. 12 (Berichte an die Königliche Zentral-Pressestelle in Berlin 1855 bis 1859) Nr. 43 (Pressespiegel zur Regentschaft) Nr. 46 (Die österreichisch-italienische Angelegenheit) Nr. 61 (Zeitungsausschnitte 1856 bis 1858) I. HA, Rep. 77, Tit. 652, Nr. 4: Preußisches Staatsministerium des Inneren, II. Abteilung. Acta betr. Die Zeitschrift „Preußische Jahrbücher“, herausgegeben von R. Haym in Halle vom 13. Mai 1857 bis 1859. I. HA, Rep. 77 A: Literarisches Büro Preußen Nr. 281 (Die Subventionierung süddeutscher Blätter und die Honorierung von Literaten in Süddeutschland, sowie Anweisungen für die Pressestation in Frankfurt a. M. 1854 – 1867) Nr. 319 (Acta betreffend die französische Presse und die Zustände in Frankreich 1860/1) I. HA, Rep. 84 A: Preußisches Staatsministerium der Justiz Nr. 49764, Nr. 49765 und Nr. 49766: Untersuchungs- und Strafsachen gegen Presseorgane I. HA, Rep. 89: Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 3736 (Zentralstelle für Preßangelegenheiten, später Literarisches Büro des Staatsministeriums im Königlichen Zivilkabinett) Nr. 15188 (Pressegesetzgebung und die Maßregeln gegen den Missbrauch der Pressefreiheit 1847 – 1895) I. HA, Rep. 90 A: Preußisches Staatsministerium, jüngere Registratur Nr. 2410 (General-Akte betreffend die Bestimmungen über die Presse 1852 bis 1869) Nr. 2414 (Akten betreffend die Einwirkung auf die Privatpresse im Sinne der Regierung (offiziöses Pressewesen)) III. HA: Preußisches Staatsministerium der auswärtigen Angelegenheiten I, Nr. 9054 (Die Anstellung des Professors Max Duncker für die politische Tages-Presse in Preußen)
Ungedruckte Quellen
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VI. HA, Nachlass Ludwig Karl Aegidi Nr. 72, Nr. 86, Nr. 87, Nr. 89, Nr. 91 und Nr. 103 (Zeitungsausschnitte zum deutsch-französischen Krieg) VI. HA, Nachlass Moritz Busch VI. HA, FA Duncker: Nachlass Max Duncker Nr. 3 (Personalia) Nr. 5 (Erinnerungen Dunckers, niedergeschrieben von Charlotte Duncker, 689 Blatt) Nr. 9a (Briefe Dunckers an seine Gattin Charlotte 1841 – 1875) Nr. 12 (Briefe Aegidis an Duncker und seine Gattin 1851 – 1887) Nr. 19 (Briefwechsel zwischen Max Duncker und Hermann Baumgarten) Nr. 56 (Briefe von Rudolf Haym an Max Duncker und seine Gattin, auch Briefe von Frau Haym) Nr. 116/117 (Briefe Ernst von Saucken und August von Saucken an Max Duncker) Nr. 140 (Briefe Heinrich von Treitschkes an Max Duncker) Nr. 154 (Briefe von Wilhelm Wehrenpfennig an Max Duncker) VI. HA, Nachlass Jasmund Nr. 4 (Theodor von Bernhardi an Jasmund) VI. HA, Nachlass Friedrich Meinecke Nr. 236 (Von Meinecke für persönliche Studien benutzte Treitschke-Briefe. Abschriften auf Maschine) VI. HA, Nachlass Johannes von Miquel Nr. 48 (Miquel an Adolf Ellissen) VI. HA, Nachlass Gustav Schmoller Nr. 2 (Wahlangelegenheiten) Nr. 28 (Über die deutsche Arbeiterfrage 1866 bis 1900) Nr. 119 (Briefe von Wilhelm Dilthey, Johann Gustav Droysen und Max Duncker 1866 bis 1894) Nr. 146 (Briefe Heinrich von Treitschkes 1866 bis 1895) Nr. 148 (Briefe von Adolf Wagner 1870 bis 1896) VI. HA, Nachlass Edwin von Manteuffel Nr. I, 2 (Vorlage an das Militärkabinett zur Danziger Rede des Kronprinzen) Nr. I, 3 (Erwiderung auf die Stellungnahme des Kronprinzen zur Danziger Rede) VI. HA, Nachlass Karl Friedrich von Savigny Nr. 176 (Manuskript einer Druckschrift über eine Auseinandersetzung der Abgeordneten von Treitschke und von Rochau mit dem Abgeordneten Sonnemann)
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Quellen- und Literaturverzeichnis
VI. HA, Nachlass Heinrich von Sybel B I (Unter anderem Briefe Sybels an Heinrich von Treitschke und Rudolf Hayms an Sybel 1860 – 1868) VI. HA, Nachlass Karl Freiherr von Vincke-Olbendorff Nr. 2 (Briefe Moltkes an Vincke) VI. HA, Nachlass von Westphalen Nr. 6 (Acta betr. Regentschaftsfrage und Entlassung des Ministers von Westphalen 1858) VI. HA, Nachlass Johann Friedrich Wilhelm Wehrenpfennig A Nr. III 1 (Private Sachen – Korrespondenz: Briefe an Wehrenpfennig aus den Jahren 1856 bis 1863) B Nr. II 1 (Den Staatsdienst betreffend / Literarisches Büro) C Nr. I (Zeitungs- und Pressesachen betr. Süddeutsche Zeitung) C Nr. III (Zeitungs- und Presse-Sachen betr. Preußische Jahrbücher) C Nr. III 1 (Gedrucktes Programm der Preußischen Jahrbücher, September 1861) C Nr. III 2 (Personen- und Sachregister für die Hefte Januar bis Juni 1866 [sic! 1867] und 1867, Januar bis Juni und Juli bis Dezember 1874 bis 1880) C Nr. III 3 (Briefe Heinrich von Treitschkes an Wehrenpfennig) C Nr. III 4 (Schriftwechsel innerhalb der Redaktion der Preußischen Jahrbücher, betr. Redaktionelle, Honorar- und Vertragsangelegenheiten von 1870 bis 1882) C Nr. III 5 (Briefe von literarischen Mitarbeitern an die Redaktion, betr. Aufnahme von Aufsätzen in die PJ von 1871 bis 1883) C Nr. III 6 (An die Redaktion der PJ eingesandte Manuskripte ab 1875 nebst Notizen) C Nr. III 7 (Politische Korrespondenz Wehrenpfennigs vom 15. 10. 1876, Sonderabdruck aus 38. Band der PJ) D Nr. I (Politische Tätigkeit Wehrenpfennigs betr.: Papiere, betr. Frankfurter politische Angelegenheiten, 1866) D Nr. III 1 (Abgeordnetenpost an Wehrenpfennig, v. a. 1876 – 1879) Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde Nachlass Ludwig Bamberger N/2008 Nr. 202 (Briefe Heinrich von Treitschke) Nr. 216 (Briefe Wilhelm Wehrenpfennig) Nachlass Carl August Ludwig Hermann Baumgarten N/2013 Nr. 2 (Briefe B) Nr. 6 (Briefe von und an Max Duncker) Nr. 24 (Briefe T-V)
Ungedruckte Quellen
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Nachlass Bernhard Erdmannsdörffer N/2066 Nr. 3 (Briefe Heinrich von Treitschke) Nr. 74 (u. a. Rezensionen für die PJ) Nachlass Friedrich Heinrich Geffcken N/2090 Nachlass Wilhelm Adolf Lette N/2175 Nachlass Karl Mathy N/2184 Nr. 11 (54 Blatt Briefe von Max Duncker 1850 bis 1866) Nr. 14 (215 Blatt Briefe an Max Duncker und dessen Frau bis 1867) Nr. 28 (62 Blatt Briefe von und an Rudolf Haym 1851 bis 1898) Nachlass Friedrich Oetker N/2215 Nr. 1 (diverse Korrespondenz und Zeitungsausschnitte) Nr. 25 (diverse Korrespondenz und Zeitungsausschnitte) Nr. 85 (diverse Korrespondenz und Zeitungsausschnitte) Nr. 106 (diverse Korrespondenz und Zeitungsausschnitte) Nachlass Konstantin Rößler N/2245 Nr. 1 (Briefe von Ludwig Karl Aegidi) Nr. 6 (Briefe von Max Duncker 1859 bis 1887) Nr. 11 (Briefe von Gustav Freytag 1850 bis 1896) Nr. 39 (Briefe Heinrich von Treitschkes 1868 bis 1889) Nr. 84 (diverse Zeitungsausschnitte) Nachlass Rudolf von Bennigsen N/2350 Nr. 20 (Beitrittserklärungen von Abgeordneten des Konstitutionellen Reichstags zur Nationalliberalen Partei vom 28. Februar 1867) Nr. 134 (Briefe von August Ludwig Reyscher) Nr. 295 (Briefe von Hermann Baumgarten) Nachlass Theodor von Bernhardi N/2021 Nr. 24 (u. a. Schriftwechsel mit Max Duncker und Graf Usedom 1852 – 1886) Weitere Bestände Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (NSUB Göttingen) Nachlass Ferdinand Frensdorff F. Frensdorff I Briefe.
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Quellen- und Literaturverzeichnis Universitäts- und Landesbibliothek Halle (ULB Halle)
Nachlass Rudolf Haym Yi 23 I (Vita) Yi 23 II (Varia) Yi 23 III (Reden und Vorträge) Yi 23 IV (Briefe) Yi 23 V (Briefe und Briefentwürfe) Universitätsbibliothek Heidelberg (UB Heidelberg) Nachlass Georg Gottfried Gervinus Heid. Hs. 2523,21 (Briefe von Hermann Baumgarten 1851 bis 1860) Heid. Hs. 2526,155 (Briefe von Rudolf Haym von 1847 bis 1863) Heid. Hs. 2529 (Briefe von Wilhelm Wehrenpfennig) Nachlass Kuno Fischer Heid. Hs. 2614,2 (Briefe von Rudolf Haym) Nachlass Ludwig Häusser Heid. Hs. 3407,1 (Briefwechsel zwischen August Kluckhohn und Häusser) Heid. Hs. 3407,70 (Briefe von Wilhelm Wehrenpfennig) Heid. Hs. 3741 (Briefe von Max Duncker, Rudolf Haym, August Lammers und Heinrich von Treitschke). Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA Marbach) A: Auerbach Z 3650/1 – 4 (Heinrich von Treitschke an Auerbach) A: Hirzel Z 57.511 – 57 – 513 (Heinrich von Treitschke an Hirzel) A: Schwab.-Nolt. 58.1615, 58.1616 und 58.1921 (Heinrich von Treitschke und Otto Jahn an Klüpfel) A: Zeller Z 61.645, 1 (Eduard Zeller an Jolly) B: L. Häusser Z 6238/1 – 11 (Ludwig Häusser an Reimer) Cotta Br. (Geffcken an Cottasche Buchhandlung, Ludwig Häusser an Kolb, Friedrich Oetker sowie Rudolf Haym an Cotta) Cotta Copierbuch AZ 1851 – 1867 (Korrespondenz Cottas mit der Redaktion der Augsburger Allgemeinen Zeitung) Cotta Geffcken/Gerlach Fasz. I,5 bis I,21 (Geffcken an Hertz 1865 – 1869) Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB Münster) Autographen-Sammlung: August von Saucken-Julienfelde an Karl August Reimer am 30. Mai 1857.
Ungedruckte Quellen
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Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (WLB Stuttgart) Nachlass Wilhelm Lang Cod. Hist. 88 Nr. 156, Fasz. 10 (Briefe von Hermann Baumgarten) Cod. Hist. 88 Nr. 156, Fasz. 38 (Briefe von Moritz Busch) Cod. Hist. 88 Nr. 156, Fasz. 129 (Briefe von Rudolf Haym) Cod. Hist. 88 Nr. 156, Fasz. 147 (Briefe von Heinrich Homberger) Cod. Hist. 88 Nr. 156, Fasz. 288 (Briefe von David Friedrich Strauß) Cod. Hist. 88 Nr. 156, Fasz. 297 (Briefe Heinrich von Treitschkes) Cod. Hist. 88 Nr. 156, Fasz. 308 (Briefe von Wilhelm Wehrenpfennig). Nachlass Hermann Reuchlin Cod. Hist. Fol. 815, Fasz. 5 (Briefe u. a. von Hermann Baumgarten, Max Duncker, Julian Schmidt und Heinrich von Treitschke). Nachlass August Ludwig Reyscher Cod. Hist. Fol. 767, Fasz. VI (Kurhessische Kämpfe 1859 – 1866) Cod. Hist. Fol. 767, Fasz. XI (Verkehr mit Zeitungen, Zeitschriften, Sammelwerken) Cod. Hist. Fol. 767, Fasz. XIII (alphabetischer Briefwechsel) Universitätsbibliothek Tübingen (UB Tübingen) Nachlass Karl Klüpfel Md 756 – 10 (7 Briefe von Max Duncker 1859 bis 1876) Md 756 – 16 (6 Briefe von Rudolf Haym 1857 – 1870) Md 756 – 35 (27 Briefe von Hermann Reuchlin 1858 bis 1872) Md 756 – 39 (5 Briefe Heinrich von Treitschkes 1862 bis 1884) Md 756 – 47 (Eduard Zeller an Karl Klüpfel) Nachlass Robert von Mohl Md 613 – 352 (Briefe von Rudolf Haym von 1858/9) Md 613 – 891 (Briefe Heinrich von Treitschkes 1859 bis 1865) Md 613 – 891a (Briefabschriften an Heinrich von Treitschke von 1864/5) Nachlass Eduard Zeller Md 747 – 279 (23 Briefe von Rudolf Haym 1857 bis 1895) Md 747 – 376 (Briefe von Karl Klüpfel) Md 747 – 430 (Briefe von Wilhelm Lang)
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Selbstzeugnisse und zeitgenössische Schriften Andreas, Willy: Briefe Treitschkes an Historiker und Politiker vom Oberrhein, in: Preußische Jahrbücher 237 (1934), Nr. 3, S. 207 – 226. [anonym]: Bericht der national-liberalen Partei über die abgelaufenen Legislaturperioden des Reichstags, des Zollparlaments und des preußischen Abgeordnetenhauses, Berlin 1870. Baumgarten, Carl August Ludwig Hermann: Historische und politische Aufsätze und Reden. Mit einer biographischen Einleitung von Erich Marcks, hrsg. v. Erich Marcks, Straßburg 1894. Bernhardi, Theodor von: Tagebuchblätter, hrsg. v. Friedrich von Bernhardi, Leipzig 1894 – 1906 (7 Bände). Bismarck, Otto von: Aus Bismarcks Briefwechsel, Stuttgart 1901. Bismarck, Otto von: Kaiser Wilhelm I. und Bismarck, Stuttgart 1901. Bismarck, Otto von: Briefe, hrsg. v. Hans Rothfels, Göttingen 1955. Bleich, Eduard: Der Erste Vereinigte Landtag in Berlin 1847. Erster Teil: Königliche Propositioen und Botschaften, Denkschriften, Protokolle und andere Aktenstücke, hrsg. v. Preußisches Ministerium des Innern, Berlin 1847. Bluntschli, Johann Kaspar: Geschichte der neueren Staatswissenschaft. Allgemeines Staatsrecht und Politik seit dem 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 3. Aufl., München u. a. 1881 (Neudruck 1990). Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik. Auf den Grund und das Maß der gegebenen Zustände zurückgeführt, hrsg. v. Wilhelm Bleek, Frankfurt/Leipzig 1997. Dilthey, Wilhelm: Vom Aufgang des geschichtlichen Bewusstseins, 4. Aufl., Leipzig/Berlin 1972. Dilthey, Wilhelm: Briefwechsel. Band I: 1852 – 1882, hrsg. v. Gudrun Kühne-Bertram, HansUlrich Lessing, Göttingen 2011. Dilthey, Wilhelm: Zur Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. Aufsätze und Rezensionen aus Zeitungen und Zeitschriften 1859 – 1874, hrsg. v. Karlfried Gründer, 2. Aufl., Göttingen 1985. Droysen, Johann Gustav: Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte, hrsg. v. Rudolf Hübner, 8. Aufl., München 1977. Droysen, Johann Gustav: Politische Schriften, hrsg. v. Felix Gilbert, München/Berlin 1933. Droysen, Johann Gustav: Vorlesungen über die Freiheitskriege, Kiel 1846. Duncker, Max: Politischer Briefwechsel aus seinem Nachlass, hrsg. v. Johannes Schulze, Osnabrück 1967. Freytag, Gustav: Anton Springer als Historiker und Journalist, in: Springer, Anton, Aus meinem Leben, Berlin 1892, S. 347 – 357. Friedrich III.: Tagebücher 1848 – 1866, hrsg. v. Heinrich Otto Meisner, Leipzig 1929. Grube, Walter: Aus der Geschichte der Einheitsbewegung in Württemberg. Max Duncker im Briefwechsel mit Karl Klüpfel, A. L. Reyscher, Hermann Reuchlin und W. L. Holland, in:
Selbstzeugnisse und zeitgenössische Schriften
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Personenverzeichnis Abel, Sigurd (Historiker, 1837 – 1873) 66, 293 Aegidi, Ludwig Karl (Jurist, Publizist und Politiker, 1825 – 1901) 33, 66, 70, 78 f., 89, 96 f., 115, 118, 346, 425 Alexander II., Kaiser von Russland (1818 – 1881) 116 Andrássy, Julius Graf von (österreichischungarischer Staatsmann und Außenminister, 1823 – 1890) 273, 426 Arnim-Heinrichsdorf, Heinrich Friedrich von Graf von (Diplomat, 1791 – 1859) 56, 61 Auerswald, Rudolf von (preußischer Staatsmann, 1795 – 1866) 93 f., 96, 100, 114, 128, 142, 213, 336 Bähr, Otto (Jurist und Parlamentarier, 1817 – 1895) 320 Baumgarten, Hermann (Historiker und Politiker, 1825 – 1893) 22, 65, 70, 74, 94, 105 ff., 115 ff., 120 f., 135 f., 159 f., 163, 243, 279, 294, 296, 319, 327, 335 ff., 346 ff., 362, 374, 382, 397 ff., 409 ff., 420, 426, 429 ff. Baur, Ferdinand Christian (Theologe, 1792 – 1860) 61, 63 Belcredi, Richard Graf von (österreichischer Staatsmann, 1823 – 1902) 248 Bennigsen, Rudolf von (nationalliberaler Politiker, preußischer Oberpräsident für Hannover, 1824 – 1902) 122, 333, 335, 376, 416, 418 Bernays, Michael (Literaturhistoriker, 1834 – 1897) 320 Bernhardi, Theodor von (Publizist und Diplomat, 1803 – 1887) 65, 69, 79, 94, 138 ff., 143 f., 156 ff., 165 ff., 177, 183, 200, 233, 281, 428 Bernstorff, Albrecht Graf von (preußischer Diplomat und Staatsmann, 1809 – 1873) 128, 151, 158, 165 f.
Beseler, Georg (Jurist und Politiker, 1809 – 1888) 65, 143 f., 156 f. Beseler, Wilhelm (Jurist und Politiker, 1806 – 1884) 78 f. Bethmann Hollweg, Moritz August von (preußischer Kultusminister, 1795 – 1877) 54, 59, 100 Beust, Friedrich Graf von (sächsischer und österreichischer Staatsmann, 1809 – 1886) 96, 151, 273, 276, 381, 391 Biedermann, Karl (Politiker und Publizist, 1812 – 1901) 41, 260 f. Bismarck, Otto Fürst von (preußischer Ministerpräsident und Reichskanzler, 1815 – 1898) 13 ff., 19 f., 22, 33, 86, 96, 105, 149, 173, ab 184 praktisch durchgehend Bluntschli, Johann Caspar (Staatsrechtler, Historiker und Politiker, 1808 – 1881) 112 Bodelschwingh, Karl von (preußischer Finanzminister, Regierungspräsident in Arnsberg, 1800 – 1873) 189 Böhmert, Victor (Sozialpolitiker und Publizist, 1829 – 1918) 319 f. Bonin, Eduard von (preußischer Kriegsminister, 1793 – 1865) 100, 105, 124 Bonitz, Hermann (Pädagoge und Altphilologe, 1814 – 1888) 61 Brater, Karl (Jurist, Publizist und Politiker, 1819 – 1869) 69 f. Braun, Karl (Jurist, Philologe und Politiker, 1822 – 1893) 321, 323, 356 Busch, Moritz (Publizist, 1821 – 1899) 208, 261 ff., 286, 304, 321 ff., 394, 397, 400, 420 Camphausen, Otto von (preußischer Finanzminister, 1812 – 1896) 47, 368 f., 373 Cavour, Camillo Benso di (italienischer Politiker, 1810 – 1861) 102 f., 151, 154, 156 f. Christian IX., König von Dänemark (1818 – 1906) 245
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Personenverzeichnis
Cohn, Gustav (Nationalökonom, 1840 – 1919) 316 Dahlmann, Friedrich Christoph (Historiker und Politiker, 1785 – 1860) 39 ff., 72 f. Delbrück, Rudolph von (preußischer Staatsmann, 1817 – 1903) 71, 351, 405, 410, 438 Dilthey, Wilhelm (Philosoph, 1833 – 1911) 60, 65, 73 f., 173, 203, 293, 298 f., 302, 313, 319 Droysen, Johann Gustav (Historiker und Politiker, 1808 – 1884) 40 f., 61 ff., 78, 91 f., 142 f., 294 Duncker, Franz (Politiker und Verleger, Bruder von Max Duncker, 1822 – 1888) 71 Duncker, Max (Historiker und Politiker, 1811 – 1886) 22, 41, 46 ff., 53 ff., 63 ff., 69 ff., 77, 81 ff., 90 ff., 98 ff., 105, 111 ff., 117 f., 127, 137 ff., 152, 156 ff., 165 f., 173 ff., 183, 185 f., 194, 200 ff., 206 f., 225, 252, 262 f., 281 f., 294, 299 ff., 304 ff., 311 ff., 320, 340 ff., 352 ff., 363 f., 378 ff., 396, 412, 425, 428 ff. Eckardt, Julius (Journalist und Diplomat, 1836 – 1908) 321 Endemann, Samuel (Jurist und Politiker, 1825 – 1899) 320 Erdmannsdörffer, Bernhard (Historiker, 1833 – 1901) 65, 155, 299 Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha (1818 – 1893) 53, 65 Eulenburg, Friedrich Graf zu (preußischer Staatsmann, 1815 – 1881) 189, 202, 314 Fischer, Kuno (Philosoph, 1824 – 1907) 61, 63 Flottwell, Heinrich Eduard von (preußischer Staatsmann, 1786 – 1865) 100 f., 131 Forckenbeck, Max(imilian) Franz August von (liberaler Politiker, 1821 – 1892) 195 f., 331, 333, 370, 418 Francke, Karl Philipp (Politiker, schleswigholsteinischer Staatsmann, 1805 – 1870) 65, 92, 164 f. Frantz, Constantin (Staatsphilosoph, Politiker und Publizist, 1817 – 1891) 136
Franz Joseph, Kaiser von Österreich (1830 – 1916) 103, 110, 150, 237 f., 242, 377, 381 Frensdorff, Emil (Journalist, 1816 – 1909) 321 Freytag, Gustav (Journalist und Schriftsteller, 1816 – 1895) 36, 61, 134, 209, 261 f., 266 ff., 287, 321, 394, 397 Friedländer, Ludwig (klassischer Philologe, 1824 – 1909) 63, 65 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen (1795 – 1861) 13 ff., 28 ff., 40, 50, 76 f., 87, 436 Friedrich (III.) Wilhelm, König von Preußen und deutscher Kaiser (1831 – 1888) 79, 128, 157, 185 ff., 201 ff., 436 Friedrich VII., Herzog von Schleswig-Holstein und König von Dänemark (1808 – 1863) 245, 249 Friedrich VIII., Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1829 – 1880) 245 ff., 253 ff., 261 ff., 275, 290, 321, 430 Fubel, Friedrich Wilhelm Samuel (Theologe und Politiker, 1810 – 1905) 305 ff. Gagern, Heinrich Freiherr von (Staatsmann, 1799 – 1880) 68, 105 Garibaldi, Giuseppe (General und Politiker, 1807 – 1882) 151, 154 f., 281 Geffcken, Friedrich Heinrich (Jurist, Publizist und Diplomat, 1830 – 1896) 119 Georg V., König von Hannover (1819 – 1878) 273, 369 Gerlach, Leopold von (preußischer Politiker und General, 1790 – 1861) 105, 191 Gerlach, Ludwig von (preußischer Politiker und Gerichtspräsident, 1795 – 1877) 105, 191, 255, 271, 277 Gervinus, Georg Gottfried (Historiker, 1805 – 1871) 35, 40 f., 46, 61, 66, 72, 91, 136, 204, 326 Gildemeister, Otto (Politiker, 1823 – 1902) 63, 66 Golther, Ludwig von (württembergischer Kultusminister, 1823 – 1876) 288 ff. Grabow, Wilhelm (Politiker, Präsident des preußischen Abgeordnetenhauses, 1802 – 1874) 169, 172
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Gramont, Antoine Alfred Agénor de (französischer Außenminister, 1819 – 1880) 377, 386, 389 Grimm, Hermann (Kunst- und Literaturhistoriker, 1828 – 1901) 320 Grimm, Jacob (Germanist und Historiker, 1785 – 1863) 301 f., 313, 326 Groth, Klaus (Lyriker und Erzähler, 1819 – 1899) 61 Grünhagen, Colmar (Historiker, 1828 – 1911) 65
Hohenlohe zu-Schillingsfürst, Chlodwig (Diplomat, bayerischer Ministerpräsident und Außenminister, später Reichskanzler, 1819 – 1901) 352, 361 Hohenzollern-Sigmaringen, Karl Anton Fürst von (preußischer Ministerpräsident, 1811 – 1885) 69, 74, 93, 114, 128, 142, 191 Homberger, Heinrich (Jurist und Schriftsteller, 1838 – 1890) 326
Hagen, Adolf (Politiker, Fortschrittspartei, 1820 – 1894) 170 Hälschner, Hugo (Jurist, 1817 – 1889) 108 ff. Hansemann, David (preußischer Finanzminister, 1790 – 1864) 35, 47, 55 Harkort, Friedrich Wilhelm (Industrieller und Politiker, 1793 – 1880) 55 Hartwig, Otto (Historiker, 1830 – 1903) 65, 286, 326 Häusser, Ludwig (Historiker, Publizist und Politiker, 1818 – 1867) 41, 61, 65, 91, 106, 138, 194, 203, 232, 255 ff., 291, 327, 430 Haym, Rudolf (Literaturhistoriker, Herausgeber der Preußischen Jahrbücher, 1821 – 1901) 13, 22, 26 f., 35 ff., 41, ab Seite 43 praktisch durchgehend bis Seite 212, 239 ff., 251, 263, 267, 278 ff., 293 ff., 339 ff., 348, 377 f., 394, 402, 422, 427 ff. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (Philosoph, 1770 – 1831) 36 ff., 44 f., 50 ff., 58, 92, 325, 427 Helmholtz, Hermann von (Physiker, 1821 – 1894) 63, 308, 323 Hertzberg, Gustav (Althistoriker und Publizist, 1826 – 1907) 59, 66 Hettner, Hermann (Literatur- und Kunsthistoriker, 1821 – 1882) 61 Heydt, August Freiherr von der (preußischer Staatsmann, 1801 – 1874) 100, 169 ff., 193, 368, 436 Hillebrand, Karl (Historiker und Publizist, 1829 – 1884) 321, 389 f. Hohenlohe-Ingelfingen, Adolf Prinz zu (preußischer Ministerpräsident, 1797 – 1873) 171 ff.
Jacob, Carl August (Zuckerfabrikant, 1798 – 1866) 305 ff. Johann I., König von Sachsen (1801 – 1873) 237 Justi, Karl (Kunsthistoriker und Philosoph, 1832 – 1912) 320, 326
Itzenplitz, Heinrich Graf von (preußischer Handelsminister, 1799 – 1883) 189
Karsten, Gustav (Physiker, 1820 – 1900) 63 Klüpfel, Karl (Historiker, 1810 – 1894) 63, 67 f., 119 Königer, Julius (Militärschriftsteller, hessischer Offizier, 1820 – 1866) 250, 261, 276, 321 f. Kreyßig, Friedrich (Pädagoge und Literaturhistoriker, 1818 – 1879) 73 Kugler, Bernhard (Historiker, 1837 – 1898) 320 Lammers, August (Historiker, Publizist und Politiker, 1831 – 1892) 66, 122, 286, 320, 356 Lang, Wilhelm (Publizist, 1832 – 1915) 224, 274 f., 289, 319, 321, 326 Lasker, Eduard (preußischer Publizist und Parlamentarier, 1829 – 1884) 71, 331, 333, 362 f., 367, 416, 422 Lassalle, Ferdinand (Nationalökonom und (Sozial-)Politiker, 1825 – 1864) 105 Leonhardt, Adolf (hannoverscher und preußischer Justizminister, 1815 – 1880) 368, 371 Leopold von Hohenzollern (1835 – 1905) 386 ff. Lessing, Julius (Kunsthistoriker, 1843 – 1908) 320
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Personenverzeichnis
Lette, Adolf (Jurist und Sozialpolitiker, 1799 – 1868) 64, 88, 99, 181, 321, 372 Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld, Leopold Graf zur (preußischer Justizminister, 1815 – 1889) 189, 368, 370 Löning, Edgar (Jurist, 1843 – 1919) 320, 423
Manteuffel, Edwin Freiherr von (preußischer Generalfeldmarschall, Statthalter von Elsaß-Lothringen, 1809 – 1885) 148, 187, 268 Manteuffel, Otto Freiherr von (preußischer Ministerpräsident, 1805 – 1882) 29, 36, 50, 76 f., 86 ff., 93, 131, 171 f., 177, 189, 193 Marx, Karl (Sozialphilosoph, 1818 – 1883) 56, 105 Mathy, Karl (badischer Staatsmann und Publizist, 1807 – 1868) 66 f., 73, 96, 287, 357, 437 Maurenbrecher, Wilhelm (Historiker, 1838 – 1892) 320 Mendelssohn Bartholdy, Karl (Historiker, 1838 – 1897) 319, 327 Mensdorff-Pouilly, Alexander Graf von (österreichischer Minister und General, 1813 – 1871) 248 Meyer, Alexander (freisinniger Politiker, 1832 – 1908) 221 ff., 312, 321 Meyer, Jürgen Bona (Philosoph, 1829 – 1897) 60 Milde, Karl August (Industrieller und preußischer Handelsminister, 1805 – 1861) 55 Mill, John Stuart (britischer Philosoph, Nationalökonom und Schriftsteller, 1806 – 1873) 196 Mohl, Moritz (Nationalökonom und Parlamentarier, 1802 – 1888) 316 Mohl, Robert von (Staatswissenschaftler und Politiker, 1799 – 1875) 65 Molinari, Theodor (Kaufmann, 1803 – 1867) 53 ff. Moltke, Helmuth Graf von (preußischer Generalfeldmarschall, 1800 – 1891) 105, 215, 273, 281, 393, 402 Moser, Friedrich Carl Freiherr von (württembergischer Staatsmann, 1723 – 1798) 219
Mommsen, Theodor (Althistoriker, Nobelpreisträger für Literatur, 1817 – 1903) 41, 53 ff., 71, 79, 92, 145, 204, 249, 254, 264, 294 Mühler, Heinrich von (preußischer Kultusminister, 1813 – 1874) 189, 374 Müllenhoff, Karl (Philologe und Germanist, 1818 – 1884) 301 Napoleon III. (Kaiser der Franzosen, 1808 – 1873) 42, 80, 84, 102 ff., 114, 117, 149 f., 154 ff., 160 f., 229 f., 234, 274, 277 ff., 376 ff. Nasemann, Otto (Philologe und Historiker, 1821 – 1895) 64, 294 Nasse, Erwin (Nationalökonom, 1829 – 1890) 320 Neumann, Karl (Geograph und Publizist, 1823 – 1880) 22, 66 f., 70, 72, 92, 97 ff., 109 ff., 130 ff., 136 ff., 141 f., 152 ff., 183, 294, 296, 428 ff. Nippold, Friedrich (Kirchenhistoriker, 1838 – 1918) 316, 320 Oetker, Friedrich (Publizist und Politiker, 1809 – 1881) 66, 367 Ollivier, Émile (französischer Staatsmann, 1825 – 1913) 385 ff. Oncken, Wilhelm von (Historiker, 1838 – 1905) 313, 320, 375 Opel, Julius (Historiker und Pädagoge, 1829 – 1895) 323 Oppenheim, Heinrich Bernhard (Nationalökonom und Publizist, 1819 – 1880) 71, 317 Patow, Erasmus Robert Freiherr von (preußischer Minister, 1804 – 1890) 28, 100, 125, 170, 213 Pauli, Reinhold (Historiker, 1823 – 1882) 65, 73, 92, 108, 288 ff., 298, 319, 383, 403, 437 Pfizer, Paul (württembergischer Politiker und Publizist, 1801 – 1867) 61 Pfordten, Ludwig Freiherr von der (bayerischer Staatsmann, 1811 – 1880) 94, 96, 287 Pourtalès, Albert Graf von (preußischer Diplomat, 1812 – 1861) 105
Personenverzeichnis Rechberg und Rothenlöwen, Bernhard Graf von (österreichischer Staatsmann, 1806 – 1899) 248 Reimer, Ernst Heinrich (Verleger der Preußischen Jahrbücher, 1833 – 1897) 307 f. Reimer, Georg Ernst (Verleger der Preußischen Jahrbücher, 1804 – 1885) 54 f., 60, 66 f., 72, 101, 211, 224 f., 260, 278, 285, 289, 294 ff., 300 ff., 311 ff., 323 f., 339, 402, 429 ff. Reuchlin, Hermann (Historiker, 1810 – 1873) 60, 65, 71, 83 f., 107 f., 319 Reyscher, August (Jurist und Politiker, 1802 – 1880) 323 Riesser, Gabriel (Politiker, 1806 – 1863) 65, 80, 321 Rochau, August Ludwig von (Historiker, Publizist und Politiker, 1810 – 1873) 42 f., 185 Roepell, Richard (Historiker, 1808 – 1893) 53 ff., 79, 331 Roggenbach, Franz Freiherr von (badischer Politiker, 1825 – 1907) 94, 151, 168, 185, 276, 363, 437 Roon, Albrecht von (preußischer Kriegs- und Marineminister, 1803 – 1879) 124 ff., 128, 172, 184 f., 189, 373, 393 Rößler, Constantin (preußischer Publizist und Historiker, 1820 – 1896) 105, 262 f., 321 Ruge, Arnold (Philosoph, Politiker und Publizist, 1802 – 1880) 37, 44 f., 56, 71, 105, 427 Rümelin, Gustav von (Schriftsteller und württembergischer Kultusminister, 1815 – 1889) 61 von Saenger, Carl (Rittergutsbesitzer und Parlamentarier, 1810 – 1871) 305 f. Saucken-Julienfelde, August von (Parlamentarier und Gutsherr, 1798 – 1873) 55, 94, 263, 304 Sauppe, Hermann (klassischer Philologe, 1809 – 1893) 68 Scherer, Wilhelm (Germanist und Literaturhistoriker, 1841 – 1886) 301 f., 313, 323, 326 Schleiden, Rudolf (Diplomat, 1815 – 1895) 56, 59, 61 ff.
531
Schleinitz, Alexander Freiherr von (preußischer Außenminister, 1807 – 1885) 100, 104 ff., 117, 149, 336 Schmerling, Anton Ritter von (österreichischer Minister, 1805 – 1893) 150, 235, 239, 274, 315 Schmidt, Julian (Literaturhistoriker und Publizist, 1818 – 1886) 36, 321, 400, 424 Schmoller, Gustav von (Nationalökonom und Historiker, 1838 – 1917) 315, 319 f., 372, 422 Schrader, Wilhelm (Philologe und Politiker, 1817 – 1907) 64, 73, 296, 346 Schwarz, Karl (Theologe, 1812 – 1885) 64 Schwerin, Maximilian Graf von (preußischer Minister und Präsident des preußischen Abgeordnetenhauses, 1804 – 1872) 88, 118, 120, 131, 263, 304, 332, 343 Selchow, Werner Ludolf Erdmann von (preußischer Landwirtschaftsminister, 1806 – 1884) 189 Sickel, Theodor Ritter von (Historiker und Wissenschaftsorganisator, 1826 – 1908) 61, 73 Sigwart, Christoph von (Philosoph, 1830 – 1904) 65 Simons, Louis (preußischer Justizminister, 1803 – 1870) 77, 100, 141, 170 Simson, Eduard von (Jurist und Reichsgerichtspräsident, 1810 – 1899) 173, 204, 263, 304, 332, 339, 343 Soiron, Alexander von (Jurist und Politiker, 1806 – 1855) 48 Springer, Anton (Kunsthistoriker, Publizist und Politiker, 1825 – 1891) 65, 72, 108, 161, 241 f., 326 Stahl, Friedrich Julius (Jurist und Politiker, 1802 – 1861) 31, 50, 105 Stavenhagen, Friedrich (preußischer Generalmajor und Politiker, 1796 – 1869) 172, 181 Stein, Lorenz Ritter von (Jurist und Nationalökonom, 1815 – 1890) 315 f., 372 Strauß, David Friedrich (Theologe und Philosoph, 1808 – 1874) 45, 52, 63, 92 Sybel, Heinrich von (Historiker, 1817 – 1895) 40 ff., 62, 69 f., 91, 106, 112, 116, 138, 168 f., 172, 181, 197, 204, 280, 298 f.
532
Personenverzeichnis
Thudichum, Friedrich von (Rechtswissenschaftler, 1831 – 1913) 320, 323, 401, 425 Treitschke, Heinrich von (Historiker und Staatswissenschaftler, Herausgeber der Preußischen Jahrbücher, 1834 – 1896) 13, 22, 40, 60, 64, 68 ff., 78, 81, 92, 133 ff., 145, 160, 162 f., 173 f., 177 ff., 183, 187, 197, 203 ff., 239 f., 255 ff., ab 276 praktisch durchgehend. Twesten, Carl (Politiker, 1820 – 1870) 133 f., 148, 172, 181, 204, 216 f., 225 ff., 249, 254, 290, 298 f., 331, 333, 340, 370 f., 377 von Unruh, Hans Victor von (Parlamentarier, 1806 – 1886) 59, 331 Usedom, Karl Georg Ludwig Guido Graf von (preußischer Diplomat, 1805 – 1884) 235 Varnbüler, Carl Freiherr von (württembergischer Außenminister, 1809 – 1889) 287 f., 409 Veit, Moritz (Politiker und Schriftsteller, 1808 – 1864) 65, 147, 173, 181, 191, 196, 298, 321 Viktor Emanuel (II.), König von Italien (1820 – 1878) 103, 151, 154, 156 Vincke, Georg Freiherr von (preußischer Parlamentarier, 1811 – 1875) 28, 95, 127, 129, 145, 158, 169, 172 ff., 187, 189, 193, 213, 231, 332, 343 ff. Vincke-Olbendorf, Karl Freiherr von (preußischer Parlamentarier und Oberstleutnant, 1800 – 1869) 65, 137, 215
Vischer, Friedrich Theodor (Literaturwissenschaftler und Philosoph, 1807 – 1887) 61 f. Wagner, Adolph (Nationalökonom, 1835 – 1917) 62, 319 f. Wasserschleben, Ludwig Wilhelm Hermann (Germanist, 1812 – 1893) 62, 80 f. Weech, Friedrich von (Jurist und Staatsmann, 1837 – 1905) 320, 327 Wehrenpfennig, Wilhelm (Publizist und Politiker, Herausgeber der Preußischen Jahrbücher, 1829 – 1900) 13, 22, 66, 74 f., 140, 142, 176 f., 192 ff., 197, 217 ff., 222 ff., 233 f., 250 ff., 256 ff., 275 ff., ab S. 296 praktisch durchgehend. Wenzelburger, Karl Theodor (Historiker, 1839 – 1918) 320 Westphalen, Ferdinand von (preußischer Innenminister (1799 – 1876) 86 ff., 93, 99, 131 Wilhelm I., König von Preußen und deutscher Kaiser (1797 – 1888) 77, 88 ff., 118, 122 ff., 141, 145, 150, 160, 169 ff., 182 ff., 198 ff., 212 ff., 237 ff., 243, 251, 268 ff., 329, 385 ff., 405 ff., 412, 418 f., 426 Wurm, Christian Friedrich (Historiker, Publizist und Politiker, 1803 – 1859) 62 Zachariae, Heinrich Albert (Jurist, 1806 – 1875) 62 Zeller, Eduard (Philosoph, 1814 – 1908) 63 ff., 73, 80 f., 92, 289, 297, 319, 323, 423
Sachverzeichnis Adel 28, 41, 43, 78, 81 f., 122, 125, 134 ff., 182, 184, 192, 197, 228, 232, 337 ff., 349, 429 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch 147, 151, 166 Altliberale 13 f., 20, 23, 30 ff., 54, 82, 84, 97 ff., 118 ff., 127 ff., 137 f., 142 ff., 169 ff., 181 f., 187 ff., 208 ff., 218 f., 222, 253, 263 ff., 279 ff., 291 f., 294 f., 303 ff., 321, 325, 329 ff., 343 ff., 355, 363, 369, 427 Augsburger Allgemeine Zeitung 115 f., 185, 244, 321 Baden 94, 133, 168, 187, 194, 271, 276, 280, 287 f., 336, 352, 356 ff., 388, 391, 399 ff., 408 ff., 417, 437 Bayern 80, 94, 120, 133, 149, 152, 162 f., 166, 187, 236, 240, 248, 269 ff., 278, 287, 352 f., 361 ff., 376, 386, 391, 396, 399 ff., 405 ff., 438 Beamtenverantwortlichkeit 129, 144, 222 Bürger(tum) 14, 39 ff., 50, 76, 82, 94 f., 110, 124, 134 ff., 145, 178, 182, 192, 196, 208, 216 ff., 226 ff., 259, 325 f., 333, 337, 421 ff., 427 Constitutionelle Zeitung 35 Deutsch-Französischer Krieg 394 ff. Deutsche Fortschrittspartei 129 f., 145 ff., 169 ff., 187 ff., 201 ff., 213 ff., 224, 228, 253, 264 ff., 280, 298, 317, 329 ff., 345 ff., 415 ff., 428, 431 Deutsche Jahrbücher 37, 56 Deutsche Vierteljahresschrift 17, 35 Deutsche Zeitung 35, 66 Deutscher Bund 30, 78 ff., 84 ff., 103 ff., 118 f., 149 ff., 159 ff., 234 ff., 242 ff., 266 ff., 284, 291, 375, 428 ff. Deutscher Bund, Bundesheer 103 ff., 355
Deutscher Bund, Bundesreform 78, 104, 118 f., 151 f, 157 ff., 163, 167 f., 174, 229 ff., 269 ff., 277 ff., 282 f., 290, 435 ff. Deutscher Bund, Fürstentag von BadenBaden 149, 160 Deutscher Bund, Fürstentag von Frankfurt 237, 242 ff., 290 Deutscher Kaiser 385 ff., 405 ff., 412, 418 Deutscher Reformverein 152, 229, 231, 248 Deutsches Reich 404 ff. Elsaß-Lothringen 112, 392 ff., 413, 418 f., 425, 433, 437 f. Emser Depesche 387 ff., 413 England 30, 67, 81 ff., 92, 103, 106 ff., 112, 134, 149, 152 f., 157 f., 166 f., 181 f., 229 f., 252, 277, 382 ff., 391 ff., 403, 413, 426 f. Freikonservative Partei 332, 347 ff., 368 f., 415 f., 421, 424, 433 Gewerbeordnung 351, 358, 360, 416 Grundsteuer 98 f., 125 ff., 131, 136, 140 ff. Hannover 119 ff., 152, 166, 229, 236, 246, 271 ff., 281, 286, 321, 335, 356, 368 ff. Indemnitätserklärung 329 ff. Italien 65 f., 83 f., 102 ff., 150 ff., 168, 182, 229 ff., 270 f., 276, 279 ff., 317, 321, 326, 383 f., 392 ff., 403, 413, 428, 434 Judenemanzipation 65, 81, 123, 132, 171, 321, 359 Kamarilla 29, 50, 124 Konservative 28 ff., 76 ff., 86, 103, 105, 123, 126 ff., 136, 169 ff., 189 ff., 213, 215, 246, 269 ff., 284, 329, 332, 344, 355, 367 ff., 415 ff.
534
Sachverzeichnis
Konvention von Alvensleben 230 ff. Kreisreform 126, 368, 372 f. Krimkrieg 30, 50, 378, 393 Kulturkampf 414 ff., 423, 438 Kurhessen 120 ff., 168, 174, 194, 273, 286, 320, 335 Lichtfreunde 46, 64 Londoner Protokoll von 1852 164, 245, 250 ff. Luxemburg 272, 375 ff., 383 ff., 400, 406 Ministerverantwortlichkeit 98 f., 129, 144, 175, 190 Nationalliberale Partei 254, 280, 317, 320 ff., 331 ff., 339 f., 344 ff., 355 ff., 368 ff., 402, 415 ff., 431 ff. Nationalversammlung (von Frankfurt, 1848) 41 f., 47 f., 54, 64, 118, 238, 251, 427 Neue Ära S. 93 – 184, 199, 335 f. Norddeutscher Bund 271 ff., praktisch durchgehend ab S. 329 ff. Norddeutscher Bund, Reichstag 317 ff., 332 f., 344, 347 ff., 362 ff., 379 Norddeutscher Bund, Schutz- und Trutzbündnisse 273, 352, 356, 376, 384, 391, 432 Norddeutscher Bund, Verfassung 332 ff., 341 f., 346 ff. Österreich 19, 25, 30, 35 f., 65 f., 78 ff., 102 ff., 133, 149 ff., 159 ff., 166 ff., 182, 185, 229 ff., 255 f., 265, 268 ff., 290 f., 306 f., 310, 325 f., 335, 353, 357 f., 375 ff., 388 ff., 395, 406, 412 f., 419, 426, 428 ff. Polen 85, 178 ff., 230 ff., 384, 395, 401 Pressefreiheit 33, 133, 148, 199 f., 203 ff., 289 ff. Preußen, Abgeordnetenhaus 28 ff., 64, 77, 87 ff., 93 ff., 104, 112, 123 ff., 137 ff., 146, 148, 151, 169 ff., 181, 187 ff., 213 ff., 225 f., 231, 235, 250, 253, 263, 272, 282 ff., 290, 295, 305, 317 ff., 329 ff., 342 ff., 368 ff., 377, 385, 401, 428, 433
Preußen, Armee 14, 28, 76, 86, 95, 107, 123 ff., 137 ff., 169 ff., 180, 187, 194, 214, 220 ff., 250 ff., 272, 282 ff., 349 f., 422 ff. Preußen, Budgetloses Regime 181, 187 ff., 199, 214 ff., 221 ff., Preußen, Handelsverträge 152, 157, 166 f., 183, 247, 357 Preußen, Heereskonflikt 123 ff., 169 ff., 180 ff., 220 ff. Preußen, Herrenhaus 28, 50, 81, 126 ff., 144 f., 150, 170 ff., 188 ff., 216, 226 ff., 355, 367 ff. Preußen, Kreisreform 126, 368, 327 f. Preußen, Landwehr 86, 124 f., 129, 137 ff., 148, 172, 181 Preußen, Obertribunalsbeschluss vom 29. Januar 1866 216 f., 224 ff., 290, 340 Preußen, Pressegesetz von 1851 33, 199 f., 212 Preußen, Presseverordnung vom 1. Juni 1863 198 ff., 228 f., 258, 429 Preußen, Stellvertretung und Regentschaft 13, 30, 76 ff., 88 ff., 93 ff., 118 ff., 150, 160, 168, 243 Preußen, „Stieberscher Prozess“ 141 f., 295 Preußen, Verfassung 28 ff., 39 ff., 46 ff., 54, 70, 76 f., 80 ff., 89 ff., 118, 123 ff., 137 f., 147 ff., 156 ff., praktisch durchgehend S. 184 – 234, 242, 249, 263 f., 269 f., 275, 277 ff., 286, 292, 307, 329 ff., 339 ff., 350 f. Religionsfreiheit 80, 98, 148 Restauration/Reaktion 28 ff., 41 f., 46, 51, 61, 76 ff., 96 ff., 120, 123 ff., 136, 141, 149, 160, 169, 177, 185, 190 ff., 222, 231 ff., 280 ff., 427 Russland 30, 83 f., 110 ff., 116, 182, 230 ff., 267, 272, 275, 377, 382 ff., 391 ff., 413, 419, 426 Sachsen 119, 162, 203, 236 f., 240, 246 ff., 271 ff., 286, 335, 361 Schleswig-Holstein 46, 49, 83, 122, 149, 156, 164 ff., 174, 182, 194, 220 ff., 238, 245 ff., 268 ff., 290 f., 304, 327, 337, 341 f., 369, 430, 435 f.
Sachverzeichnis „Selbstkritik des Liberalismus“ 50, 136, 335 ff., 431 ff. Selbstverwaltung 86, 98, 129, 134 f., 227, 279, 341, 356, 368 ff., 380 Todesstrafe 362 ff. Ungarn 150 f., 160 f., 248, 377, 381 Welfenfonds 33, 273, 304, 369, 405 Württemberg 80, 87, 119, 133, 149, 152, 166, 187, 236, 239, 271, 287 ff., 352 f., 357, 361 ff., 376, 391, 400, 404 f., 408, 413
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Zentralstelle für Pressangelegenheiten / Literarisches Büro 22, 33, 73 ff., 114, 140, 314, 394, 428, 436 Zentrum (Fraktion im preußischen Haus der Abgeordneten) 169, 172, 176, 195, 215, 219, 329 ff., 346 ff. Zentrumspartei (katholisch) 415 ff. Zivilehe 99, 123 ff., 136, 144, 148 Zollparlament 353, 357 ff., 432, 434 Zollverein 14, 35, 82 f., 118 f., 152, 166 f., 236, 247, 255, 263, 287, 348 ff., 409, 432