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German Pages [239] Year 2017
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Schriften zum deutschen und internationalen Persönlichkeits- und Immaterialgüterrecht
Band 42
Herausgegeben von Professor Dr. Haimo Schack, Kiel, Direktor des Instituts für Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht
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Lukas Mezger
Die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst nach deutschem und europäischem Recht
Mit 10 Abbildungen
V& R unipress
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-6398 ISBN 978-3-7370-0696-5 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Die Arbeit wurde im Sommersemester 2016 von der Rechtswissenschaftlichen FakultÐt der Christian-Albrechts-UniversitÐt zu Kiel als Dissertation angenommen. 2017, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Dieses Werk ist als Open-Access-Publikation im Sinne der Creative-Commons-Lizenz BY International 4.0 (»Namensnennung«) unter dem DOI 10.14220/9783737006965 abzurufen. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/. Jede Verwertung in anderen als den durch diese Lizenz zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
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Inhalt
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1. Teil: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe . . . . . . . . . . . . . I. Das urheberrechtlich geschützte Werk . . . . . . . . . . II. Individualität und Schöpfungshöhe . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationales Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bestimmung der Individualität . . . . . . . . . . 4. Individualität im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Von der Individualität zur Schöpfungshöhe . . . . . . III. Das urheberrechtliche Koordinatensystem . . . . . . . . 1. Schöpfungshöhe als Metapher . . . . . . . . . . . . . 2. Der Begriff der Schutzschwelle . . . . . . . . . . . . . 3. Der Verlauf der Schutzschwelle . . . . . . . . . . . . . 4. Schutzschwelle und Kleine Münze . . . . . . . . . . . 5. Der Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Gestaltungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Rechtsbegriff der angewandten Kunst . . . . . . . . . . . I. Die angewandte Kunst als Werkart des § 2 Abs. 1 UrhG . 1. Rechtsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Internationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kunstwissenschaftliches Verständnis . . . . . . . . . 5. Herkömmliche Definitionen . . . . . . . . . . . . . . 6. Der Gebrauchszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . A. Hinführung . . . . . . . B. Ziele der Arbeit . . . . . C. Gang der Untersuchung
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Inhalt
II.
Erfasste Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkömmliche Aufzählungen . . . . . . . . . . 2. Systematischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . 3. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ökonomische und rechtspraktische Bedeutung der angewandten Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Interessenlage und Schutzfrist . . . . . . . . . . . . . . . I. Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzinteresse der Designer als Urheber . . . . 2. Schutzinteresse der Verwerter . . . . . . . . . . 3. Freihaltebedürfnis der Gesamtheit der Designer 4. Teilhabeinteresse der Allgemeinheit . . . . . . . 5. Innovationsinteresse der Allgemeinheit . . . . . II. Schutzfristen im Urheberrecht . . . . . . . . . . .
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2. Teil: Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Herkunft und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Schutz der angewandten Kunst durch das Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Schutz der angewandten Kunst durch das Geschmacksmusterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzvoraussetzungen nach dem alten Geschmacksmustergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutzumfang des Geschmacksmusterrechts . . . . . III. Abgrenzung von Urheber- und Geschmacksmusterrecht B. Die Entwicklung der Rechtsprechung bis zum »Geburtstagszug«-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bisherige Kritik am Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Argumente für eine Absenkung der Schutzschwelle . . . 1. Schutzinteresse der Designer . . . . . . . . . . . . . . 2. Einheitlichkeit des Werkbegriffs . . . . . . . . . . . . III. Argumente für die Beibehaltung des Erfordernisses einer besonderen Schöpfungshöhe . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung zum Designrecht . . . . . . . . . . . . . 2. Urheberrecht als Kulturrecht . . . . . . . . . . . . . . 3. Freihaltebedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Alternative Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
1. Einzelfallbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Isolierung der Kunst vom Gebrauchszweck . . . . . . 3. Statistische Einmaligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prävalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gehalt des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . V. Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbeziehung des Geschmacksmusterrechts in das Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderbehandlung der angewandten Kunst innerhalb des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgliederung der angewandten Kunst aus dem Urheberrecht in ein Leistungsschutzrecht . . . . . . . D. Vorgaben durch das europäische Urheberrecht . . . . . . . . I. Europäischer Werkbegriff ? . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgaben des Sekundärrechts . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs . . . 3. Für einen einheitlichen unionsrechtlichen Werkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gegen einen einheitlichen unionsrechtlichen Werkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Europäisches Geschmacksmusterrecht . . . . . . . . . . 1. Die Umsetzung der Geschmacksmusterrichtlinie . . . 2. Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster . . . . . . . . . . . 3. Konsequenz für den Schutz der angewandten Kunst im deutschen Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teil: Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs . . . . . . A. Schilderung des Falls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ankündigung im »Seilzirkus«-Urteil . . . . . . . . . . II. Tatbestand und Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . III. Aussagen und Begründung des Urteils . . . . . . . . . 1. Angleichung der Schutzschwelle auf das Niveau der reinen Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine genuin unionsrechtliche Begründung . . . . . 3. Aufgabe der Stufentheorie . . . . . . . . . . . . . . 4. Neue Abgrenzung zum Designrecht . . . . . . . . . 5. Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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4. Teil: Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst . . . A. Übertragung des Maßstabs der reinen Kunst . . . . . . . . . . I. Konsequenz einer einheitlich definierten Schutzschwelle II. Die unterschiedliche Anwendung eines einheitlichen Maßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die »künstlerische Leistung« bei angewandter Kunst . . IV. Zur Praktikabilität des Merkmals der technischen Bedingtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kernprobleme der neuen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Parallelität und Divergenz von Design- und Urheberrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Urheberrecht ohne Schutzschwelle? . . . . . . . . . . . IV. Urheberrecht ohne Schutzumfang? . . . . . . . . . . . . V. Teilhabeinteresse und Freihaltebedürfnis . . . . . . . . . VI. Urheberrechtsverletzungen und intertemporales Recht . VII. Abbildungen geschützter Werke . . . . . . . . . . . . . VIII. Schutzfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Ökonomische Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . X. Steuer-, Gewerbe- und Sozialrecht . . . . . . . . . . . . XI. Urheberpersönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . XII. Missbrauch des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . XIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Intertemporales Recht und Vertrauensschutz . . . . IV. Ausgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rezeption in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Angleichung der Schutzschwelle . . . . . . . . . . . . II. Dogmatische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschmacksmusterrechtsreform 2004 . . . . . . . . 2. Europäisches Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . III. Das neue Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . IV. Schutzumfang von Werken mit geringer Individualität V. Intertemporales Recht und Vertrauensschutz . . . . . VI. Freihaltebedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Schutzfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Praktische Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Aufnahme in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . D. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9
Inhalt
C. Rechtsvergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Länderberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vereinigte Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . 7. Weitere Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Abgrenzung zu verwandten Rechtsgebieten . . . . . . . . . . I. Patent und Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . II. Designrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Vorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abbildungsfreiheit als neue Schranke . . . . . . . . . . II. Ausschluss durch den Gebrauchszweck bedingter Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verkürzung der Schutzfrist für Werke der angewandten Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Teil: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung
A.
Hinführung
Mit dem »Geburtstagszug«-Urteil1 gab der Bundesgerichtshof im November 2013 eine bereits im Jahr 1911 durch das Reichsgericht im »Schulfraktur«-Urteil2 begründete Rechtsprechung auf, wonach Werke der angewandten Kunst verglichen mit solchen der reinen Kunst ein besonderes Maß an künstlerischer Individualität aufweisen mussten, um urheberrechtlichen Schutz zu erlangen. Die ständige Rechtsprechung stellte im Bereich der angewandten Kunst derart große Anforderungen an die urheberrechtliche Schöpfungshöhe, dass ein großer Teil der Gestaltungen insbesondere aus dem Bereich des Grafikdesigns, wie zum Beispiel Firmenlogos, aber auch Produktdesigns vom Schutz durch das Urheberrecht ausgeschlossen war. Grund dafür war die Abgrenzung des Schutzes als urheberrechtliches Werk zur Schutzfähigkeit als Geschmacksmuster nach dem alten Geschmacksmustergesetz. Bei der 2004 erfolgten Umsetzung der EG-Geschmacksmusterrichtlinie rückte der deutsche Gesetzgeber von der Vorstellung des Geschmacksmusterrechts als »kleinem Urheberrecht« ab. Mit dem Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004 (das seit 2014 »Designgesetz« heißt) entfiel damit eine gesetzliche Begründung für das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe gegenüber den anderen Werkarten, insbesondere der reinen Kunst. Doch erst das »Geburtstagszug«-Urteil vom 13. November 2013 löste einen Paradigmenwechsel bezüglich der Frage der Schutzfähigkeit angewandter Kunst aus. Mit ihr stellte der Bundesgerichtshof klar, dass rückwirkend auf die Reform des Designrechts von 2004 für alle Werke der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG eine einheitliche Schutzschwelle gilt. Gegenargumente wie die lange urheberrechtliche Schutzdauer und das besondere Freihaltungsinteresse im Bereich der angewandten Kunst fanden keine Berücksichtigung. 1 BGHZ 199, 52 – Geburtstagszug. 2 RGZ 76, 339 – Schulfraktur.
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12
Einleitung
Diese Rechtsprechungsänderung wurde zwar mittelbar durch die Umsetzung einer EG-Richtlinie ausgelöst, war jedoch unabhängig von der parallelen Entwicklung eines einheitlichen unionsrechtlichen Werkbegriffs in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Das »Geburtstagszug«-Urteil stellt einen Meilenstein in der Entwicklung des Urheberschutzes der angewandten Kunst dar, die spät begann und bis heute nicht abgeschlossen ist.3 Es geht um die Fragen, ob Gestaltungen des Kunstgewerbes vom urheberrechtlichen Schutz voll profitieren sollen4 und wie Urheberrecht und Design voneinander abzugrenzen sind. Eine befriedigende Antwort auf diese Fragen, die zu den komplexesten und umstrittensten Problemen im Recht des geistigen Eigentums gehören, gibt es bislang nicht.5
B.
Ziele der Arbeit
Die Arbeit untersucht, welcher Beurteilungsmaßstab für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst nach dem »Geburtstagszug«Urteil gilt und wie er handhabbar zu konturieren ist. Insbesondere im Hinblick auf Gestaltungen der Gebrauchsgrafik soll die praktische Bedeutung des urheberrechtlichen Schutzes zum Marken- und Designrecht abgegrenzt und Lösungswege für die sich bereits abzeichnenden praktischen Probleme aufgezeigt werden.
C.
Gang der Untersuchung
Der 1. Teil der Arbeit bestimmt die Grundbegriffe der Schöpfungshöhe und der angewandten Kunst und die Interessenlage im Bereich der angewandten Kunst. Der 2. Teil zeichnet die Herleitung und historische Entwicklung des Erfordernisses einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst nach, stellt die bisherige Kritik daran dar und untersucht die Vorgaben des europäischen Urheberrechts. Im 3. Teil folgt eine Analyse des »Geburtstagszug«Urteils des Bundesgerichtshofs. Davon ausgehend sollen im 4. Teil die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst sowie die Kernprobleme der neuen Rechtslage dargestellt werden. Dazu erfolgen eine rechtsvergleichende Analyse und die Abgrenzung des Urheberrechts zu verwandten Rechtsgebieten. Der 5. Teil fasst das Ergebnis der Untersuchung zusammen und enthält die Kernthesen der Arbeit. 3 Vgl. Nirk UFITA 80 (1977), 1, 6. 4 Vgl. Elster GRUR 1926, 493, 499. 5 Levin GRUR Int. 1985, 713, 722; Fehlbaum sic! 2015, 74.
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1. Teil: Grundlagen
Werkbegriff und Schöpfungshöhe spielen eine bedeutende Rolle in der urheberrechtlichen Debatte.6 Die Frage der Schöpfungshöhe bei Werken der angewandten Kunst betrifft damit die Grundlagen des Urheberrechts. Der 1. Teil soll die Begriffe der Schöpfungshöhe (A.) und der angewandten Kunst (B.) zusammen mit den betroffenen Interessen näher untersuchen (C.). Eine ausführlichere Darstellung dieser Grundlagen ist insbesondere erforderlich, da hinsichtlich der Beziehung zwischen Individualität und Schöpfungshöhe und zum Begriff der »Kleinen Münze« in der Literatur deutliche, aber offenbar nur selten innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses wahrgenommene Differenzen bestehen. Eine genauere Untersuchung des Rechtsbegriffs der angewandten Kunst fehlte bislang ganz.
A.
Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
Im Folgenden sollen die in der Diskussion der urheberrechtlichen Anforderungen an ein schutzfähiges Werk (I.) verwendeten Begriffe der Individualität und der Schöpfungshöhe verdeutlicht werden (II.). Dabei zeigt sich, dass sie in ein urheberrechtliches Koordinatensystem eingetragen werden können, in dem der Begriff der Schutzschwelle den der Kleinen Münze ersetzt (III.). Schließlich wird der Zusammenhang von Individualität, Gebrauchszweck und Gestaltungsfreiheit (IV.) aufgezeigt.
6 Haberstumpf ZGE 4 (2012), 284; Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 143; Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 376; vgl. Feist v. Rural Telephone Co., 499 U.S. 340, 347 (1991): »touchstone of copyright protection today«.
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14 I.
Grundlagen
Das urheberrechtlich geschützte Werk
Das Urheberrecht schützt die Beziehung des Urhebers zu seinem Werk, §§ 1, 11 S. 1 UrhG.7 Erst wenn der Werkbegriff als »Tor zum Urheberrecht«8 passiert ist, stellen sich die Fragen nach Inhalt und Schranken und schließlich nach der zeitlichen Begrenzung des Urheberrechts.9 Außerhalb dieser Grenzen herrscht die urheberrechtliche Gemeinfreiheit.10 Was gemeinfrei ist, ist weder durch ausschließliche Verwertungs- noch durch Urheberpersönlichkeitsrechte geschützt, das Urheberrecht findet hier keine Anwendung. Diese Schöpfungen sind Teil der kulturellen Allmende. Als Oberbegriff für geschützte und ungeschützte Schöpfungen wird das Wort »Gestaltung« verwendet. Für das Vorliegen eines Werks stellt § 2 Abs. 2 UrhG vier Voraussetzungen auf:11 Erstens muss eine persönliche Schöpfung vorliegen, das Werk also von einem Menschen als Urheber stammen und aus eigener Vorstellungskraft geschaffen sein12 und zweitens als Ergebnis des Schöpfungsakts eine wahrnehmbare Form erfahren haben.13 Drittens muss die Schöpfung einen geistigen Gehalt aufweisen, also einen Gedanken, eine metaphysischen Aussage transportieren. Diese Voraussetzungen sind im Regelfall leicht zu bejahen.14 Beließe man es bei diesen drei Kriterien, würde jede Krakelei, jeder noch so simple Schriftzug und jede noch so einfache Tonfolge unter das Urheberrecht fallen. Dass das Urheberrecht aber eine Untergrenze haben muss, ist klar : »Punkt, Punkt, Komma, Strich« kann und will niemand urheberrechtlich schützen, denn der urheberrechtliche Schutz verbietet Dritten jegliche Nutzung des Werks selbst und eines ausreichend ähnlichen Werks. Die Schranken des Urheberrechts sind sehr speziell – ganz anders als zum Beispiel im Marken7 BT-Drs. IV/270, S. 37; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 2, 22, 339; Wandtke/Bullinger 4. Aufl., § 1 Rn 1; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 29, § 2 Rn 49; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 8. 8 Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 1; Erdmann FS Loschelder, S. 61; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 9; anders E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 27 (»Filter«). 9 A. A. E. von Gamm aaO, S. 27, 32. 10 Peukert Die Gemeinfreiheit, S. 19, 23, 28f. 11 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 9; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 181; Dreyer/ Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 13; Haberstumpf ZGE 4 (2012), 284, 287f.; anders Möhring/ Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 50ff.; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 41. 12 Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 8; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 67. 13 Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 46ff. 14 A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 896; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 173f.; Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 26ff.; a. A. zur Form Haberstumpf ZGE 4 (2012), 284f.; zur persönlichen Schöpfung Erdmann FS von Gamm, S. 389, 396.
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Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
15
recht.15 Anders ausgedrückt: Das Urheberrecht hat spitze Ellbogen.16 Schließlich erlischt es erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG). Daher bedarf es eines vierten Kriteriums, um nur das urheberrechtlich zu erfassen, was schutzbedürftig und schutzwürdig ist. Dieses Kriterium lässt sich nur indirekt aus dem Wortlaut des Gesetzes herauslesen. Es handelt sich um die Individualität, die ein Werk aufweisen muss, um urheberrechtlichen Schutz zu erlangen.17 Geprüft wird, inwiefern die Persönlichkeit des Autors im Werk ihren Niederschlag gefunden und es dadurch schöpferische Eigentümlichkeit gewonnen hat. Hier geht es weder um Schönheit noch um Neuheit, sondern darum, ob sich die Schöpfung von einer alltäglichen, handwerklichen Leistung unterscheidet.18 Synonyme Umschreibungen für die Individualität sind »schöpferische Eigentümlichkeit«, »schöpferische Eigenart«, »eigenschöpferische Prägung« und »Eigenpersönlichkeit«.19 Damit ein Werk urheberrechtlichen Schutz genießen kann, muss es einen ausreichenden Grad an schöpferischer Eigentümlichkeit aufweisen. Es reicht nicht aus, dass ein Werk überhaupt individuell ist, sondern die Individualität muss ein bestimmtes Maß erreichen. Den Grad an Individualität nennt man Gestaltungs- oder Schöpfungshöhe.20
II.
Individualität und Schöpfungshöhe
Die Individualität ist zugleich wichtigstes Abgrenzungskriterium und Legitimationsquelle des Urheberrechts.21 Einer Darstellung der Herkunft des Begriffs (1.) und seiner internationalen Bezüge (2.) folgen die materielle (3.) und formelle (4.) Bestimmung der Individualität einer Gestaltung. Daran anschließend wird die Beziehung zwischen Individualität und Schöpfungshöhe näher untersucht (5.)
15 Unten S. 191. 16 Vgl. Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 20 (»scharfe Schwerter«); Levin GRUR Int. 1985, 713; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 5. 17 Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 181; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 180; a. A. Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 59ff. (Neuheit und Eigenart). 18 Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 189ff. 19 Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 51, 66; U. Müller FS Pfennig, S. 179, 180; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 175. 20 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 29; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 137; streitig, unten S. 20ff. 21 Peifer Individualität im Zivilrecht, S. 76, 83.
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16 1.
Grundlagen
Rechtsgeschichte
Die genaue Bestimmung des Werkbegriffs und seine Definition anhand des Kriteriums der Individualität als Ausdruck der Persönlichkeit des Urhebers stehen in einer historischen Tradition,22 die im Folgenden kurz skizziert werden soll. Eine erste Erwähnung des Begriffs der Individualität in der deutschen urheberrechtlichen Literatur findet sich 1824 bei Neustetel,23 nach dem die Weiterverbreitung einer persönlichen Äußerung eine Rechtsverletzung darstellt, wenn ein Zusammenhang durch »die Individualität der Äußerung und die Erkennbarkeit ihres Ursprungs« besteht.24 Schon in den Motiven zum Entwurf des Urheberrechtsgesetzes des Norddeutschen Bundes von 187025 findet sich die Formulierung, dass das Gesetz »nur solche Werke, welche sich als Ausfluß einer individuellen geistigen Thätigkeit darstellen«, schützen solle.26 Es könne »indessen nicht die Aufgabe des Gesetzes sein, in dieser Beziehung kasuistische Bestimmungen zu treffen; es muß vielmehr dem richterlichen Urtheil überlassen bleiben, die Grenze nach den konkreten Umständen des Falles zu finden.«27 Der Ausdruck »individuelle geistige Thätigkeit« stammt aus der Sammlung der Gutachten des Preußischen Litterarischen Sachverständigen-Vereins.28 Diese Institution bestand auf der Grundlage des § 17 des preußischen Nachdruckgesetzes29 und erstellte nichtbindende gerichtliche Gutachten zu urheberrechtlichen Fragen. In der Einleitung der Sammlung heißt es: »Objectiv ist der gesetzliche Schutz des Autorrechts allen solchen Geisteswerken ertheilt, welche überhaupt als litterarische Erzeugnisse, als Gegenstände des litterarischen Eigenthums ihres Autors betrachtet werden können.« Dazu seien »keineswegs blos solche Produktionen zu rechnen, welche einen eigentlichen wissenschaftlichen oder poetischen Wert haben […]. Vielmehr muß jedes Erzeugniß einer individuellen geistigen Thätigkeit, soweit dieser Begriff irgend reicht,
22 23 24 25 26 27 28 29
Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 39. Neustetel Der Büchernachdruck, Nachdruck in UFITA 124 (1994), 243, 266. König Der Werkbegriff in Europa, S. 267. Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken vom 11. 6. 1870, BGBl. 1870, Nr. 19, S. 339. Bericht der vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen betreffend die Herbeiführung eines Gesetzes für den Norddeutschen Bund über das Urheberrecht an Schriftwerken etc., BR-Drs. 139/1869, S. 2f. aaO. Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 41f. Gesetz zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung vom 11. 6. 1837, Gesetzsammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1837, S. 165.
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Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
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geschützt werden. Eine solche Thätigkeit kann sich auch in untergeordneten Sphären auf eine vollkommen selbstständige Weise äußern […].«30 Im Kunsturhebergesetz von 1907,31 das erstmals die angewandte Kunst in den Schutz des Urheberrechts aufnahm,32 wollte der Gesetzgeber ausweislich der Motive nur diejenigen Gestaltungen erfassen, die »als individuelle künstlerische Leistung« angesehen werden konnten.33 Eine gesetzliche Definition des Werkbegriffs erfolgte jedoch nicht. Das Reichsgericht entschied 1911 im »Schulfraktur«-Urteil, ein Werk der bildenden Kunst bedürfe eines »ästhetischen Überschusses«. Dazu komme es auf das »durchschnittliche Urteil der für die Kunst empfänglichen und mit Kunstdingen einigermaßen vertrauten Staatsbürger« an.34 Damit definierte das Reichsgericht die im Wesentlichen heute noch gültige Formel zur Definition der Individualität bei Werken der bildenden Kunst.35 Später ersetzte der Bundesgerichtshof den missverständlichen36 Begriff des »ästhetischen Überschusses« durch den »ästhetischen Gehalt«.37 Mit dem Urheberrechtsgesetz von 1965 wurde in § 2 Abs. 2 UrhG erstmals eine Legaldefinition des Werkbegriffs eingeführt.38 Dabei wollte der Gesetzgeber die geltenden Maßstäbe der Individualität nicht antasten: »[Die Schaffung des § 2 Abs. 2 UrhG] bedeutet jedoch keine Änderung des geltenden Rechts, sondern entspricht dem, was zur Zeit schon in Rechtslehre und Rechtsprechung unter dem Begriff ›Werke‹ verstanden wird. Als ›persönliche geistige Schöpfungen‹ sind Erzeugnisse anzusehen, die durch ihren Inhalt oder durch ihre Form oder durch die Verbindung von Inhalt und Form etwas Neues und Eigentümliches darstellen. Dem Vorschlag, die geschützten Werke als Schöpfungen eigentümlicher Prägung zu definieren, folgt der Entwurf nicht. Eine solche Begriffsbestimmung erscheint bedenklich, weil sie das Erfordernis der individuellen Form zu sehr betont und zu dem Schluß verführen könnte, daß im Gegensatz zum geltenden Recht Werke von geringem
30 Heydemann/Dambach Die preußische Nachdrucksgesetzgebung, S. XVI [Hervorhebung im Original]. 31 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. 1. 1907, RGBl. 1907, S. 7. 32 Unten S. 39f. 33 Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, abgedruckt in GRUR 1906, 15, 17; G. Schulze Die kleine Münze, S. 34. 34 RGZ 76, 339, 344 – Schulfraktur. 35 W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906. 36 Wassner Kunst, Geschmack und unlauterer Wettbewerb, S. 6ff.; vgl. von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 48ff.; Schramm Die schöpferische Leistung, S. 95ff. 37 BGHZ 27, 351, 356 – Candida-Schrift; E. Ulmer Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., S. 129. 38 Kritisch Riedel GRUR 1960, 216, 216f.
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Grundlagen
schöpferischen Wert, die sog. ›kleine Münze‹, in Zukunft keinen Schutz mehr genießen sollen. Eine solche Änderung gegenüber dem geltenden Recht ist nicht beabsichtigt.«39
Diese programmatische Festlegung bedeutet freilich nicht, dass diese gesetzgeberische Intention auch ihren Niederschlag im (normativ auszulegenden) Gesetz gefunden hätte.40 2.
Internationales Urheberrecht
Eine Definition oder gar Harmonisierung von Individualität und Schöpfungshöhe durch internationale Verträge gibt es nicht.41 Aus dem Grundsatz der Inländerbehandlung ergibt sich, dass der Schutz eines Werkes nach dem materiellen Urheberrecht des Verbandsstaates zu beurteilen ist. Die revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) überlässt die Bestimmung des Schutzniveaus den Verbandsstaaten,42 auch wenn sie von einer persönlichen geistigen Schöpfung ausgeht, wie die Definition des Sammelwerks in Art. 2 Abs. 5 zeigt.43 3.
Die Bestimmung der Individualität
Die Bestimmung der Individualität eines konkreten Werks ist eine schwere Aufgabe für den Rechtsanwender.44 Ob eine individuelle geistige Tätigkeit vorliegt, muss im Einzelfall, das heißt für jede Gestaltung separat entschieden werden.45 Maßgebend ist der Gesamteindruck, wie er sich aus den einzelnen Formelementen der Gestaltung ergibt, so dass das zu beurteilende Objekt vor der Gesamtwürdigung in seine gestalterischen Einzelbestandteile zerlegt werden muss.46 Für diese Feststellung der Individualität wurde eine »Zusammenschau aus Gesamteindruck und Detailanalyse« vorgeschlagen.47 Nach einer ersten Wertung des »Überraschungseffekts« des Werks seien anhand von Indizien die 39 BT-Drs. IV/270, S. 38. 40 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 231; vgl. B. Samson UFITA 47 (1966-II), 1, 11f. 41 König Der Werkbegriff in Europa, S. 14f.; Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 233; Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 376, 403; Loewenheim/von Lewinski Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 57 Rn 22 (zur RBÜ). 42 Handig IIC 2009, 665, 669. 43 König Der Werkbegriff in Europa, S. 12; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 954. 44 G. Schulze Die kleine Münze, S. 4. 45 RGZ 116, 292, 296 – Adressbuch; BGHZ 18, 175, 178 – Werbeidee; U. Müller FS Pfennig, S. 179, 181. 46 BGH GRUR 1974, 740, 742 – Sessel; G. Schulze Die kleine Münze, S. 58; vgl. BGHZ 29, 62 – Rosenthal-Vase; anders noch BGH GRUR 1952, 516, 517 – Hummel-Figuren I. 47 G. Schulze Die kleine Münze, S. 145ff.; ders. GRUR 1984, 400, 406.
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Einzelelemente des Werks zu untersuchen, um jene dann in einer abschließenden Gesamtschau abzuwägen und zu beurteilen. Verbleiben hiernach Zweifel, so soll nach dieser Ansicht der Grundsatz »in dubio pro auctore« gelten.48 Auf diese Weise soll das eher subjektive Merkmal der Individualität besser handhabbar gemacht werden. Es unterscheidet sich darin von der Neuheit des früheren Geschmacksmusterrechts, die objektiv verstanden wurde.49 Jedoch ist die Individualität nicht unabhängig am einzelnen Werk, sondern in Relation zu anderen, früheren Schöpfungen zu bestimmen: Die Schöpfungshöhe eines Werks ergibt sich »aus dem Gesamtvergleich ihres geistig-ästhetischen Gesamteindrucks im Verhältnis zum geistig-ästhetischen Gesamteindruck vorbestehender Gestaltungen.«50 Denn vorbekannte Elemente sind bei der Beurteilung der Individualität grundsätzlich außer Acht zu lassen, sofern sich nicht gerade in ihrer Zusammenstellung der eigenschöpferische Gehalt der Gestaltung manifestiert.51 Maßgeblich ist immer der Zeitpunkt der Schöpfung, denn wer eine derartige Verbreitung und Beliebtheit seiner Gestaltungen erreicht, dass ihre Eigenart später zum Allgemeingut wird, muss sich nicht vorhalten lassen, seine Gestaltungen entsprächen nur dem Massengeschmack und seien deshalb nicht schutzfähig.52
4.
Individualität im Prozess
Im urheberrechtlichen Prozess ist der Beurteilungsmaßstab für die Schutzfähigkeit und den Schutzumfang eine Rechtsfrage, die von der Tatfrage ihrer Beurteilung im Einzelfall zu trennen ist.53 Letztere beantwortet der Tatrichter nach einer Beweisaufnahme, die bei Werken der angewandten Kunst meist schlicht aus dem Augenschein der streitgegenständlichen und anderer, vorbekannter Gestaltungen besteht. Dabei hat der Richter die schwierige Aufgabe, den eigentlich subjektiven Maßstab der Individualität objektivierend zu prüfen.54 Da der Maßstab des »für 48 G. Schulze Die kleine Münze, S. 179f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst im Urheberrecht, S. 179; a. A. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 234. 49 BGHZ 50, 340, 344ff. – Rüschenhaube. 50 O. von Gamm Urheberrechtsgesetz, § 2 Rn 15; vgl. BGHZ 27, 351 – Candida-Schrift; BGH GRUR 1961, 635, 638 – Stahlrohrstuhl I; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 68. 51 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 509f. 52 G. Schulze Die kleine Münze, S. 57; BGH GRUR 1974, 669, 671 – Tierfiguren; BGH GRUR 1961, 635, 638 – Stahlrohrstuhl I; Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 832. 53 von Ungern-Sternberg GRUR 2014, 209; BGH GRUR 1983, 377, 378 – Brombeer-Muster ; vgl. Senn KUR 2013, 17, 22; EuG GRUR Int. 2013, 1181 Tz 21, 77 – Kastenholz/HABM; ungenau BGHZ 22, 209, 216 – Europapost; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 509f. 54 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 525.
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Grundlagen
Kunst aufgeschlossenen Laien« in der Regel auf den entscheidenden Richter zutrifft,55 darf er dies auch selbst beurteilen.56 In der Literatur wurde kritisiert, dass die Entscheidung dem Richter überlassen wird, stattdessen wurden nachvollziehbarere Kriterien und ein objektivierter Maßstab in Form von Meinungsumfragen gefordert.57 Eines Sachverständigenbeweises bedarf es jedenfalls im Bereich der angewandten Kunst in der Regel nicht.58 Im »Tierfiguren«-Urteil folgte der Bundesgerichtshof dem Sachverständigen erst, als dieser unter Berücksichtigung der Maßstäbe des Gerichts zu einem seinem ursprünglichen Gutachten widersprechenden Ergebnis kam.59 In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass es für solche Fragen ursprünglich einen besonderen, gesetzlich verankerten Sachverständigen-Kreis gab.60 Aber auch der Einsatz eines Sachverständigen wird kritisiert, da dieser sein subjektives Urteil an die Stelle des richtigen, objektivierten Maßstabs setze. Sonst sei der Sachverständige im urheberrechtlichen Verletzungsprozess nämlich nicht »nur mehr Gehilfe des Richters, sondern selbst entscheidende Instanz«.61 Danach sollte er lediglich beim substantiierten Sachvortrag oder bei der gerichtlichen Feststellung der die Schutzfähigkeit begründenden individuellen Gestaltungsmerkmale helfen. Im Übrigen findet eine Prüfung »von Amts wegen« durch das Gericht statt.62 Deshalb kann auf den Sachverständigen häufig ganz verzichtet werden.
5.
Von der Individualität zur Schöpfungshöhe
Der Begriff »Gestaltungshöhe« stammt aus einem Diskussionsbeitrag Meißners und entstand 1958 in Analogie zur patentrechtlichen Erfindungshöhe,63 heute 55 Ebling/M. Schulze/W. Nordemann/Dustmann Kunstrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn 46. 56 BGHZ 27, 351, 356f. – Candida-Schrift; BGHZ 29, 62 – Rosenthal-Vase; BGH GRUR 1983, 377, 378 – Brombeer-Muster. 57 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 170ff.; Bisges GRUR 2015, 540, 542; vgl. Mijatovic Kreativität als Voraussetzung für den urheberrechtlichen Schutz von Geisteserzeugnissen, S. 239; Koschtial GRUR 2004, 555, 556; a. A. Erdmann FS von Gamm, S. 389, 403. 58 BGH GRUR 1983, 377, 378 – Brombeer-Muster ; a. A. BGH GRUR 2015, 1189 Tz 63f. – Goldrapper (Musik); BVerwGE 25, 318, 327 – Dein Sohn lässt grüßen; Zentek GRUR 2012, 42, 45; dies. UFITA 2016-I, 35, 96f.; von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 63f.; vgl. Fallert 2016, 248, 249f. 59 BGH GRUR 1974, 669, 671 – Tierfiguren; G. Schulze Die kleine Münze, S. 58. 60 Oben S. 16. 61 Englert Grundzüge des Rechtsschutzes der industriellen Formgebung, S. 172; vgl. Senn KUR 2013, 171, 174f. 62 Eichmann/Kur/G. Schulze Designrecht, 2. Aufl., § 4 Rn 31. 63 E. Ulmer GRUR Int. 1959, 1, 2; Schricker FS Kreile, S. 715.
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§ 4 S. 1 PatG.64 Verbreitet wurde er von Eugen Ulmer und ursprünglich ausschließlich für Werke der angewandten Kunst verwendet.65 Später wurde er dann auf alle Werke verallgemeinert.66 Die Gestaltungshöhe bezeichnete ursprünglich denjenigen Grad an Individualität eines Werks, ab dem der künstlerische Gehalt für einen urheberrechtlichen Schutz ausreichend ist.67 Dem Wort »Gestaltungshöhe« gleichbedeutend und vorzuziehen ist der Begriff der »Schöpfungshöhe«,68 der näher am Wortlaut des § 2 Abs. 2 UrhG liegt. Daneben finden sich die Umschreibungen »schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad«69, »Werkhöhe«70 und »Leistungshöhe«71. Hinsichtlich des heutigen Verständnisses des Begriffs gibt es bei näherem Hinsehen zwei Auffassungen:72 Die eine versteht die Schöpfungshöhe als »Grad der Individualität«, also die grundsätzliche Quantifizierung dieses abstrakten Merkmals.73 Die andere sieht in der Schöpfungshöhe weiterhin ein bestimmtes Maß an Individualität, nämlich das, ab dem ein urheberrechtlicher Schutz besteht.74 Bei zahlreichen Autoren finden sich hier Verwechslungen oder uneindeutige Formulierungen: Da bezeichnet die Schöpfungshöhe erst »das für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche Mindestmaß« und unmittelbar danach den »quantitative[n] Aspekt der Individualität«, der zur »Bestimmung der Schutzuntergrenze des Urheberrechts« dient.75 In dieser Arbeit wird der Begriff im erstgenannten Sinn verwendet. Die Schöpfungshöhe beschreibt damit das Maß an Individualität, das in einem Werk verkörpert ist. Um hier Klarheit zu schaffen, soll im Folgenden der Begriff der 64 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 32, Fn 83. 65 E. Ulmer Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., S. 131; Schricker FS Kreile, S. 715f.; E. von Gamm aaO, S. 33. 66 Schricker FS Kreile, S. 715, 716. 67 E. Ulmer GRUR Int. 1959, 1, 2. 68 Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 20; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 24. 69 BGH GRUR 1988, 533, 535 – Vorentwurf II. 70 Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 20. 71 Riedel GRUR 1960, 216, 217. 72 Vermittelnd E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 32f. 73 Wandtke/Bullinger 4. Aufl., § 2 Rn 23; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 24f.; Loewenheim GRUR 1987, 761, 766; Loewenheim Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 6 Rn 59; wohl auch Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 60; von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 47, 49; Rehbinder/Peukert 17. Aufl., Rn 221f.; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 17. 74 Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 20; Rehbinder 16. Aufl., Rn 152; Wandtke/Wöhrn Urheberrecht, 4. Aufl., II Rn 7; Zentek WRP 2010, 73; wohl auch Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 182; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 30; vgl. aber A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 896. 75 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 57f.
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Schöpfungshöhe von dem der urheberrechtlichen Schutzschwelle unterschieden werden.76 Zu widersprechen ist in beiden Fällen der Vorstellung, Individualität und Schöpfungshöhe seien zwei voneinander zu unterscheidende Aspekte bei der Prüfung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit eines Werks.77 Mehr als Individualität fordert das Gesetz nicht.78 Die Schöpfungshöhe ist damit keine eigenständige Voraussetzung für den urheberrechtlichen Schutz.79 Richtig ist dagegen das zuerst genannte Verständnis der Schöpfungshöhe als Beschreibung der quantitativen Dimension der Individualität.
III.
Das urheberrechtliche Koordinatensystem
Urheberrechtliche Werke müssen zwar in einer konkreten Form ihren Niederschlag gefunden haben,80 das Werk selbst ist jedoch nicht stofflich.81 Denn der Schutz bezieht sich auf die Beziehung des Autors zu seinem Werk und damit auf etwas Metaphysisches. Die Ideenwelt des Urheberrechts ist damit ausgesprochen abstrakt. So ist es kein Wunder, dass auch die urheberrechtliche Dogmatik eine bilderreiche Sprache verwendet.82 Umso wichtiger ist es, die metaphorisch verwendeten Bestandteile des Werkbegriffs zueinander in Beziehung zu setzen.
1.
Schöpfungshöhe als Metapher
Begrifflich setzt das Wort »Schöpfungshöhe« ein Verständnis des Urheberrechts als zumindest zweidimensionalen Raum zu Grunde:83 Werke können zurückgehend auf Schramm84 in einem Koordinatensystem eingetragen werden. Dessen Hochachse misst, wie sehr das Werk Ausdruck der Persönlichkeit seines Urhe76 Unten S. 23ff. 77 So Schricker FS Kreile, S. 715; Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 29; Wandtke/ Wöhrn Urheberrecht 4. Aufl., II Rn 1; A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 132; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 180 (»Die fünfte Voraussetzung ist die Gestaltungshöhe«); vgl. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 139. 78 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 25; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 182; Schricker FS Kreile, S. 715, 719f. 79 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 25. 80 Oben S. 14. 81 Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 11. 82 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 33. 83 W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 909 (»ästhetisches Thermometer«); Wandtke/ Bullinger 4. Aufl., § 2 Rn 23; Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 19. Für ein anderes urheberrechtliches »Koordinatenkreuz« Schmieder UFITA 73 (1975), 65, 73. 84 Schramm Die schöpferische Leistung, S. 213f.
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Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
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bers ist, also das Maß an Individualität.85 Je größer die Schöpfungshöhe ist, desto weiter oben im Koordinatensystem ist das Werk einzutragen.86 Im oberen Bereich dieses Koordinatensystems finden sich so Werke mit großer Schöpfungshöhe, die umso stärkeren rechtlichen Schutz verdienen.87 Im unteren Bereich, nahe dem Wert null, sind Werke von geringerer Kreativität anzusiedeln.88 Diese Werke sind urheberrechtlich nicht geschützt, da sie nicht in ausreichender Weise Ausdruck der Persönlichkeit ihres Urhebers sind. Der Nullpunkt, die »unterste Grenze«, »liegt da, wo überhaupt Individualität zutage tritt.«89 2.
Der Begriff der Schutzschwelle
An einer bestimmten Stelle auf der Achse der Schöpfungshöhe befindet sich der Wert, ab dem ein Werk genug Individualität aufweist, um urheberrechtlich geschützt zu sein.90 Bei der rechtlichen Betrachtung einer Gestaltung ist also zu entscheiden, ob sie ober- oder unterhalb dieser Schwelle einzuordnen ist. Wenn die Schöpfungshöhe hoch genug ist, ist sie als Werk urheberrechtlich geschützt. Wenn die Schöpfungshöhe nicht ausreicht, dann unterliegt die Gestaltung keinem urheberrechtlichen Schutz.91 Grundsätzlich gibt es keinen graduellen Übergang zum geschützten Werk,92 genauso wie es keinen »halben Urheberrechtsschutz« gibt.93 Abbildung 1 veranschaulicht diese Einteilung im urheberrechtlichen Koordinatensystem.94 Dieser Grenzwert stellt die Schwelle zwischen wegen ihrer Schöpfungshöhe urheberrechtlich geschützten Werken und nicht geschützten Gestaltungen dar.95 Er hat keinen festen Namen. Werke werden meist schlicht dadurch beschrieben, dass sie eine »ausreichende« Schöpfungshöhe aufweisen – oder eben nicht. Dennoch ist diese Trennung von hoher Bedeutung: So ist die Schöpfungshöhe, wie eingangs erwähnt, das Eingangstor zum urheberrechtlichen Schutz. 85 aaO; anders (Querachse) A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 135. 86 Wandtke/Bullinger 4. Aufl., § 2 Rn 23. 87 Vgl. Strömholm GRUR Int. 1989, 15f.; kritisch R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 70f. 88 Wandtke/Bullinger 4. Aufl., § 2 Rn 23. 89 Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 28. 90 W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 909 (»Grad x der ästhetischen Wirkung«); ähnlich Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 19. 91 W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 909 (»Nicht-Kunst«). 92 Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 20; R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 70; vgl. unten S. 30. 93 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 530. 94 Ähnlich Schneidinger Der Leistungsschutz, S. 111; Zentek WRP 2010, 73, 74. 95 W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 909; Peifer Individualität im Zivilrecht, S. 80f.
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Grundlagen
Abbildung 1: Die Schutzschwelle im urheberrechtlichen Koordinatensystem.
An dieser Stelle lohnt ein kurzer Blick auf das Copyright:96 Das Common Law benutzt nämlich im Grunde dieselbe Metapher, um die für den urheberrechtlichen Schutz notwendige Kreativität zu beschreiben.97 Werke werden anhand ihrer Eigenart nach einem Maß an »originality« eingeordnet,98 was ebenso ein räumliches Verständnis voraussetzt. Die eben beschriebene Grenzlinie hat hier einen Namen, sie heißt »threshold of originality«, also »Schwelle zur Originalität«.99 Die Einordnung eines Werks diesseits oder jenseits der Grenzlinie zur ausreichenden Schöpfungshöhe ist ein so häufiges wie schwieriges100 Problem der urheberrechtlichen Praxis.101 Da sich diese Arbeit mit der Bestimmung dieser Grenze beschäftigt und untersucht, ob und wie das »Geburtstagszug«-Urteil sie für den Bereich der angewandten Kunst verschoben hat, empfiehlt sich ein eigener Begriffder »Schutzschwelle«.102 Eine andere gebräuchliche Bezeichnung ist »Schutzuntergrenze«.103 Die Schutzschwelle beschreibt danach das Mindestmaß an Schöpfungshöhe, das ein Werk aufweisen muss, um urheberrechtlichen Schutz zu genießen. Liegt
96 97 98 99 100
Vgl. unten S. 174ff. Rahmatian IIC 2013, 4, 14f. Nimmer § 2.01[B]. Rahmatian IIC 2013, 4, 14f.; vgl. Goldstein GRUR Int. 1991, 767, 770. W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 909; U. Müller FS Pfennig, S. 179, 181; Möhring/ Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., Einl. Rn 22. 101 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 505. 102 Kur GRUR 1990, 1, 5; Schack Urheberrecht, 1. Aufl., Rn 263f.; Schack FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, S. 678, 681; Leistner ZGE 5 (2013), 4, 23. 103 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 32; Dietz FS Beier, S. 355, 356; Zentek WRP 2010, 73; vgl. Peifer Individualität im Zivilrecht, S. 80f. (»untere Gestaltungshöhe«).
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Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
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ein Werk unterhalb der Schutzschwelle, ist es urheberrechtlich gemeinfrei, oberhalb ist es urheberrechtlich geschützt. Der Begriff der Schutzschwelle ist gegenüber anderen Bezeichnungen vorzugswürdig, insbesondere gegenüber den Begriffen der Gestaltungshöhe oder Schöpfungshöhe. Die Schöpfungshöhe bezeichnet nach hiesigem Verständnis das Maß der Individualität, das in einem Werk verkörpert ist, im Sinne einer Dimension (nämlich der Hochachse im urheberrechtlichen Koordinatensystem), und nicht im Sinne eines bestimmten Werts.104 Die Rechtsprechung ist nicht so zu verstehen, dass das Urheberrecht schon dann Schutz gewähre, wenn überhaupt irgendeine Individualität (»einfache Individualität«) vorliegt,105 wenn diese also auf der Skala auf einem Wert über Null liegt. Es sind unendlich viele Werke denkbar, die zwar irgendwie individuell sein mögen, aber keinen urheberrechtlichen Schutz verdienen. 3.
Der Verlauf der Schutzschwelle
Nach der Schöpfungshöhe als Hochachse des urheberrechtlichen Koordinatensystems und dem Begriff der Schutzschwelle liegt das Augenmerk nun auf der Querachse. Im ersten Schritt waren die untersuchten Werke anhand ihrer Schöpfungshöhe zu bewerten. Die urheberrechtliche Bildsprache ist hinsichtlich der »Breite« dagegen nicht festgelegt. Wenn man jedoch den Verlauf der Schutzschwelle näher betrachten möchte, bietet sich die Einteilung der im Koordinatensystem eingetragenen Werke anhand der Werkarten an. Freilich ist eine solche Einteilung nicht durchgehend möglich. Die Werkarten gehen nicht ineinander über, auch wenn sich manchmal Abgrenzungsprobleme oder sogar Überlappungen ergeben.106 Jedenfalls liegen sie nicht in einer bestimmten Abfolge auf einer Skala, die man hier betrachten könnte. Daher sollen die urheberrechtlichen Werkarten schlicht in beliebiger Reihung nebeneinander innerhalb des urheberrechtlichen Koordinatensystems Platz finden. Fraglich ist, ob man bei den verschiedenen Werkarten die Lage der Schutzschwelle überhaupt vergleichen kann. Zur Beantwortung dieser Frage hilft ein beispielhafter Vergleich auf der Mikroebene: Die Rechtsprechung hat bei der Werkart der Gebrauchstexte oder Sachtexte (ein Ausschnitt der Sprachwerke, § 2 Nr. 1 UrhG) Fallgruppen gebildet, die eine höchst uneinheitliche Kasuistik ergeben:107 Für einen Werbeslogan können wenige einfallsreiche Wörter für den 104 105 106 107
Oben S. 22f. So Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 28. Unten S. 41ff.; vgl. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 168. Dreyer/Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 61; Schack FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, S. 678, 682f.; Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 35; Kriesel Einheitlicher europäischer
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Grundlagen
urheberrechtlichen Schutz ausreichen,108 für eine Agenturmeldung ein einziger Absatz.109 Bei »wissenschaftlich-technischen« Gebrauchstexten wie kompletten Anwaltsschriftsätzen soll die ausreichende Individualität dagegen in der Regel selbst bei seitenlangen Ausführungen nicht vorliegen.110 Ein anderes Beispiel ist die unterschiedliche Herangehensweise bei wissenschaftlichen und technischen Darstellungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG): Schon einfachste wissenschaftliche Darstellungen wie simple mathematische Modelle sind urheberrechtlich geschützt,111 technische Zeichnungen aber erst ab einem deutlich höheren Maß an Individualität.112 Diese Fallgruppen sind untereinander im Grundsatz vergleichbar.113 Mit der gebotenen Vorsicht erscheint dann auch ein Vergleich auf Makroebene zulässig.114 Dabei zeigt sich nämlich, dass die Schutzschwelle entlang der unterschiedlichen Werkarten nicht linear verläuft. Es gibt keinen einheitlichen Maßstab für die zum urheberrechtlichen Schutz notwendige Schöpfungshöhe.115 Die Gerichte gehen bei den verschiedenen Werkarten von einer unterschiedlichen Schutzschwelle aus.116 Übereinstimmungen bestehen nur bei der grundsätzlichen Begrifflichkeit, nämlich beim Verständnis der Definition des § 2 Abs. 2 UrhG. Danach teilen sich die gesetzlichen Werkarten in eine Vielzahl von der Rechtsprechung gefundener Fallgruppen auf, für die wiederum höchst unterschiedliche Bewertungsmaß-
108 109 110
111 112 113 114 115
116
Werkbegriff, S. 21ff.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 204f., 294, 296; krit. Bisges GRUR 2015, 540, 542. KG GRUR 1968, 709, 710 – Jede Frau braucht fünf Männer ; KG GRUR 1971, 368, 370 – Buchstabenschütteln; LG Berlin GRUR 1974, 412 – Werbeprospekt; Zentek WRP 2010, 73. BGHZ 134, 250, 254 – CB-infobank I; OLG Karlsruhe ZUM 2012, 49, 49f. BGH NJW 1987, 1332 – Anwaltsschriftsatz; dazu Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 296; BGH NJW 1985, 1631, 1633 – Ausschreibungsunterlagen; BGH GRUR 1987, 704, 706 – Warenzeichenlexika; a. A. unter Verweis auf den europäischen Werkbegriff OLG Nürnberg GRUR-RR 2001, 225, 226f. – Dienstanweisung; dazu A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 903f. Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 213; Wandtke/Bullinger 4. Aufl., § 2 Rn 144; Reimer GRUR 1980, 572, 574; Zentek WRP 2010, 73. Zentek WRP 2010, 73, 74. Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 61. W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 908f. (bildende Kunst und Literatur); Erdmann FS Loschelder, S. 61. Eingehend Erdmann FS Loschelder, S. 61; W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906f.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 296; Literatur und bildende Kunst vergleichend Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 265; a. A. noch deutlich Schramm UFITA 19 (1955), 82, 87f.; ungenau Obergfell GRUR 2014, 621. W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906f.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 296; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 32; Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 24; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 69f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 168, 181; G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 526.
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Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
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stäbe gelten.117 Selbst wenn man die angewandte Kunst mit ihrer Sonderstellung außen vor lässt, lässt sich im Ergebnis bei der Art und Weise, wie bei einem Musikwerk oder bei einer technischen Darstellung die Frage nach der Schöpfungshöhe beantwortet wird, keine einheitliche Herangehensweise feststellen. Daher verläuft die Schutzschwelle im Zickzack,118 wenn man davon ausgeht, dass sich die Schutzschwellen einzelner Werkarten überhaupt vergleichen lassen. Vorweggenommen wurde dieser Gedanke von Wilhelm Nordemann, der die »Grenzziehung« des Urheberrechts als »Mäander« bezeichnete.119 Ebenso wurde die originalit8 des französischen Urheberrechts120 als »notion / g8om8trie variable« beschrieben, die sich nicht asymptotisch an die Banalität annähern dürfe.121
Abbildung 2: Der Verlauf der Schutzschwelle.
Die dargestellte Form der Schutzschwelle ist als »dogmatisch höchst unbefriedigend und auch unsystematisch«122 kritisiert worden. Häufig kristallisiert diese Kritik an der besonderen Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst.123 Dennoch hat die urheberrechtliche Schutzschwelle nach wie vor einen nichtlinearen Verlauf. Rechtsdogmatisch handelt es sich damit bei der »persönlichen geistigen Schöpfung« des § 2 Abs. 2 UrhG um einen relativen Rechtsbegriff.124 U. Müller FS Pfennig, S. 179, 181; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 67ff. Anders (mehrere parallele Schutzschwellen) Schneidinger Der Leistungsschutz, S. 115. W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906f. Unten S. 169ff. JonquHres RDPI 1986, 213, 239 (»Begriff mit veränderlicher Kontur«, Übers. d. A.); a. A. Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 124. 122 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 267. 123 Unten S. 85ff. 124 Erdmann FS Loschelder, S. 61, 69f.
117 118 119 120 121
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28 4.
Grundlagen
Schutzschwelle und Kleine Münze
Damit stößt der Begriff der Schutzschwelle an den der Kleinen Münze. Dieser Begriff war bereits mehrfach Gegenstand monografischer Untersuchungen.125 Wenig herausgearbeitet wurde dabei jedoch, dass sich die Bedeutung der angeblich »nicht erläuterungsbedürftigen«126 Kleinen Münze deutlich gewandelt hat und hierüber heute unterschiedliche Vorstellungen existieren. Historisch wird der Begriff übereinstimmend auf Elster zurückgeführt.127 In seinem 1921 erschienenen Lehrbuch zum gewerblichen Rechtsschutz führt er die Kleine Münze bei der Erläuterung des Schriftwerkbegriffs in § 1 Nr. 1 des LUG von 1901 ein. In einem Abschnitt mit dem Titel »Begriff des U[rheberrechts] und seines Gegenstandes« heißt es: »Daher besteht an einer tatsächlichen brieflichen Mitteilung an sich keinerlei U[rheberrecht], nur Persönlichkeitsrecht, an den Briefen eines bedeutenden Mannes kann jedoch U[rheberrecht] entstehen. Dabei ist es gleichgültig, ob es große oder kleine Münze ist, was da geschaffen ist. Briefe bedeutender Männer werden nicht wegen der Bedeutung ihres Inhaltes eher zu Gegenständen des Urheberrechts als die Briefe kleinerer Geister, sondern nur weil sie eher zu verkehrsfähigen Gütern werden.«128
Diese stark wettbewerbliche Sicht auf das Urheberrecht129 hat sich nicht durchgesetzt,130 wohl aber der Begriff der Kleinen Münze. Dabei muss man zwei Dinge festhalten: Bei Elster war der Ausdruck gar nicht als Rechtsbegriff gedacht, sondern nur als Teil einer Metapher neben der »großen Münze«. Zweitens bezog sich der Vergleich auf den Inhalt eines Briefes als schutzfähiges Werk, und zwar in der Hinsicht, dass ein bedeutender (große Münze) oder unbedeutender (kleine Münze) Briefinhalt für den urheberrechtlichen Schutz gerade nicht von Bedeutung sei.131 Um die Schöpfungshöhe ging es also ursprünglich gar nicht.132 Denn die als »persönlichkeitsrechtliches Element« aufgeführte Individualität war für Elster 125 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 39, 76ff.; G. Schulze Die kleine Münze; Knöbl Die »kleine Münze«; Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, Analyse des ökonomischen Aspekts des Werkbegriffs. 126 Loewenheim GRUR 1987, 761. 127 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 77; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 293. 128 Elster Gewerblicher Rechtsschutz, 1. Aufl., S. 40. 129 Bussmann/Pietzcker/Kleine Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Aufl., (= Folgeaufl. von Elster aaO), S. 326f. 130 Vgl. jedoch Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, Analyse des ökonomischen Aspekts des Werkbegriffs, S. 95ff. 131 RGZ 69, 401, 404f. – Nietzsche-Briefe; a. A. noch RGZ 41, 43, 48f. – Wagner-Briefe. 132 A. A. (ohne Begründung) Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 76f.; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 8.
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Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
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für den urheberrechtlichen Schutz nur nachrangig, im Vordergrund stand ihre Verkehrsfähigkeit und »Wettbewerbsmöglichkeit«.133 Dieser Aussage ist freilich heute nur noch soweit zuzustimmen, als es auf Ästhetik und Gestaltungszweck eines Werks für seine urheberrechtliche Schutzfähigkeit nicht ankommt.134 Sprachlich deutlicher findet sich die Kleine Münze in einem späteren Aufsatz Elsters. Dort beschreibt sie Werke mit einem geringen »Wert«, von der die »Urheberrechtskraft« im Gegensatz zur »geistesräumigen Fülle« gerade nicht abhängen soll.135 Bald darauf findet sich auch die erste Verwendung des Begriffs im Zusammenhang mit der angewandten Kunst.136 Als Elsters Metapher zum Rechtsbegriff wurde, wandelte sie auch ihre Bedeutung. Die ursprüngliche wird nicht mehr vertreten,137 ein einheitliches Verständnis besteht jedoch nicht. Noch weniger sind sich die Autoren dessen bewusst, so dass eine Abgrenzung von Ansichten schwerfällt. Grundsätzlich stehen sich jedoch zwei Gruppen von Definitionen gegenüber : Die erste versteht den Begriff der Kleinen Münze in Abhängigkeit von der urheberrechtlichen Schutzschwelle, die andere unabhängig davon. Nach den erstgenannten Definitionen beschreibt die Kleine Münze Gestaltungen, die sich im urheberrechtlichen Koordinatensystem in einem bestimmten Verhältnis zur Schutzschwelle einordnen lassen. Es handelt sich danach also um ein relatives Verständnis des Begriffs. Demzufolge sind die Werke der Kleinen Münze nach einer von den meisten Autoren vertretenen Ansicht geistige Schöpfungen, »die nur ein soeben noch für ausreichend gehaltenes Minimum an Individualität aufweisen«.138 Der Begriff beschreibt hier diejenigen Werke, die sich knapp oberhalb der Schutzschwelle befinden. Dies veranschaulicht Abbildung 3. Vereinzelt werden mit der Kleinen Münze aber auch die gerade noch nicht
133 134 135 136 137
Elster Gewerblicher Rechtsschutz, 1. Aufl., S. 41. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 186. Elster GRUR 1926, 493, 496. Elster JR 1928, 276, 279. Vgl. jedoch von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 81 (»Werke ohne kulturellen Wert«). 138 Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 293; G. Schulze Die kleine Münze, S. 3; Loewenheim GRUR 1987, 761; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 24, 39; Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., Einl. Rn 21 und § 2 Rn 70; O. von Gamm Urheberrechtsgesetz, § 2 Rn 16; A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 896; Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 19; ders. GRUR 2015, 540; wohl auch Dreyer/Kotthoff/Meckel § 2 Rn 61, 64; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, Fn 83; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 19; Peifer Individualität im Zivilrecht, S. 81; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 9; Zentek WRP 2010, 73.
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Grundlagen
Abbildung 3: Relatives Verständnis der Kleinen Münze als gerade noch geschützte Werke.
schutzfähigen Werke definiert.139 Die Kleine Münze wäre danach also der Bereich genau unterhalb der Schutzschwelle. Eine dritte Ansicht versteht die Kleine Münze als »bildliche Beschreibung« eines »Grenzbereichs«:140 Danach sind »Werke der ›kleinen Münze‹ nicht etwa eine eigene urheberrechtliche Werkkategorie, sondern Werke mit sehr geringem oder minimalem schöpferischen Gehalt, um Werke also, die an der Grenze der gerade noch oder schon fast nicht mehr geschützten Werke liegen.«141 Im Koordinatensystem ist die Kleine Münze dann der Bereich entlang der Schutzschwelle. Dabei darf der Begriff »Grenzbereich« nicht dahingehend missverstanden werden, zwischen urheberrechtlichem Schutz und Gemeinfreiheit existiere eine Grauzone. Eine solche sieht § 2 Abs. 2 UrhG nicht vor: Eine Gestaltung ist entweder ausreichender Ausdruck der Individualität des Urhebers, oder sie ist es nicht, so schwierig die Abgrenzung im Einzelfall auch sein mag. Nach einem anderen Ansatz beschreibt der Begriff der Kleinen Münze ein bestimmtes, von der urheberrechtlichen Schutzschwelle unabhängig definierbares geringes Maß an Individualität. Im Koordinatensystem stellt die Kleine Münze also einen festen Bereich auf der Hochachse dar, der von der Schutzschwelle unabhängig ist. Ein solches Verständnis passt zur verwendeten Metapher, nach der eine Münze eine feste Stückelung hat. Aus urheberrechtlicher 139 Birkenmayer UFITA 83 (1978), 107, 111; wohl auch Kummer Das urheberrechtlich schützbare Werk, S. 166. 140 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 1, 77; Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 4, 17; E. Ulmer Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 136, 149; Schraube UFITA 61 (1971), 127f.; vgl. Strunkmann-Meister FuR 1972, 29; ders. Gegenseitiges Verhältnis von Geschmacksmusterschutz und Urheberschutz, S. 250f. 141 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 2.
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Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
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Sicht beschreibt die Stückelung dann einen bestimmten Wert auf der Schöpfungshöhe-Skala. Der nicht-lineare Verlauf der Schutzschwelle führt dann dazu, dass die Kleine Münze teilweise vom urheberrechtlichen Schutz erfasst ist, teilweise nicht. So findet sich in der Literatur die Angabe, bei der angewandten Kunst sei anders als in der Musik die Kleine Münze nicht geschützt142 oder ihr Schutz werde vom Geschmacksmusterrecht übernommen.143 Dabei ist festzuhalten, dass auch bei absolutem Verständnis die Kleine Münze nicht das im Hinblick auf die Schöpfungshöhe einfachste überhaupt vorstellbare Werk beschreibt. Denn dieses ist, daher gibt es ja das Erfordernis der Individualität, urheberrechtlich nicht geschützt.144 Es sind für jede Werkart unendlich viele Fälle einfacher Werke vorstellbar, die eben keinen urheberrechtlichen Schutz genießen, weil sie die Schutzschwelle nicht erreichen. Es ergibt sich das in Abbildung 4 veranschaulichte Bild.
Abbildung 4: Absolutes Verständnis der Kleinen Münze als Begriff für Werke mit geringer Schöpfungshöhe.
Versucht man, aus dem Schrifttum eine entsprechende Definition des absoluten Verständnisses der Kleinen Münze herauszuarbeiten, stößt man jedoch auf unklare Formulierungen. Ausgangspunkt ist wohl die oben bereits zitierte Darstellung des Gesetzgebers in der Begründung des Urheberrechtsgesetzes
142 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 160. 143 Loewenheim GRUR 1987, 761, 762f. 144 Ungenau (das Urheberrecht erfordere »eben nur irgendeine Individualität«) U. Müller FS Pfennig, S. 179, 181.
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Grundlagen
1965, dass »Werke von geringem schöpferischen Wert, die sog. ›Kleine Münze‹« weiterhin geschützt bleiben sollten.145 In der Literatur findet man zunächst die oben wiedergegebene relative Definition und darauf folgend die Aussage, die Werke der Kleinen Münze seien urheberrechtlich geschützt (»Das Urheberrecht schützt auch die Kleine Münze.«).146 Eine Verbindung von relativem und absoluten Verständnis ist jedoch ein logischer Fehlschluss: Was von seiner Definition her dem Urheberrecht unterliegt, kann man nicht rechtssatzartig ein zweites Mal dem Urheberrecht unterwerfen, es liegt dann argumentativ eine petitio principii vor. Diesen Fehler begeht auch der Bundesgerichtshof mit der folgenden Formulierung: »Das Urheberrecht schützt bei literarischen Schriftwerken auch die sogenannte kleine Münze, bei der bereits ein geringer Grad individuellen Schaffens und eine geringe Schöpfungshöhe als ausreichend angesehen wird«.147 Richtig wäre (bei einem absoluten Verständnis): »… bei der nur ein geringer Grad individuellen Schaffens und eine geringe Schöpfungshöhe vorliegen«.
145 BT-Drs. IV/270, S. 38; oben S. 17f. 146 U. Müller FS Pfennig, S. 179, 182 (»Mit der Kleinen Münze werden die […] Gestaltungen dem Schutz des UrhG unterstellt, die gerade noch urheberrechtsschutzfähig [sind]«); Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 27 (»Bei Sprachwerken [ist] der Schutz der kleinen Münze ebenfalls anerkannt«); Loewenheim GRUR 1987, 761 (»die kleine Münze [ist] urheberrechtlich schutzfähig«); Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., Einl. Rn 21 (Vielmehr schützt das UrhG auch die sog. ›Kleine Münze‹«); Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 30 (»Das Maß der Gestaltungshöhe ist […] niedrig angesetzt worden, sodass auch Dinge, die nur einen sehr geringen Grad an Individualität aufweisen, geschützt sind; diese Schöpfungen bezeichnet man auch als kleine Münze des Urheberrechts«); Erdmann FS Loschelder, S. 61, 69 (»Bei den […] rein künstlerischen […] Werkarten […] gilt die sog. Kleine Münze«); Klawitter GRUR 2014, 30, 31 (»Anwendungsbereich der ›kleinen Münze‹«; »die Rechtsfigur der ›kleinen Münze‹ […] anzuwenden«); Knöbl Die »kleine Münze«, S. 20 (»Obwohl die ›kleine Münze‹ […] Schutz zugesprochen bekam«); Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 185 (»schützt dagegen die kleine Münze umfassend«); Schricker FS Kreile, S. 715, 717 (»dass die kleine Münze Urheberrechtsschutz genießen kann«); Schraube UFITA 61 (1971), 127, 134 (»Die Rechtsprechung, die einen Schutz der ›kleinen Münze‹ auf dem Gebiet der bildenden Künste nicht zuließ«); von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 81 (»[Die Rechtsprechung] schützt [›die kleine Münze‹] im Bereich der angewandten Kunst nicht«); von Schildt-Lutzenburger KUR 2005, 97 (»einfache Produkte menschlichen Geistens, bei denen die aus einem vorhandenen Gestaltungsspielraum hervorgehende Individualität und Eigenständigkeit auf ein Mindestmaß herabgesetzt ist«); E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 52f. (»Es wird auch die sogenannte kleine Münze geschützt«); Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 42 (»Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze ist bislang nicht bei allen Werkarten anerkannt«); Ludwig K& R 2014, 111 (»Bei Werken der ›reinen Kunst‹ […] ist die kleine Münze anerkannt«); Schmid/ Wirth/Seifert/Schmid/Wirth § 2 Rn 7 (»Werke […], die gerade eben noch ein Minimum an Gestaltungshöhe erreichen und deshalb […] als schutzwürdig angesehen werden«). 147 BGH GRUR 2000, 144, 145 – Comic-Übersetzungen II.
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Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
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Diese Unklarheit stellt eine grundlegende Schwäche des Begriffs der Kleinen Münze dar. Die Position der Schutzschwelle unter Einbeziehung der Werke mit niedriger Schöpfungshöhe ist stark kritisiert worden; hierin liege »eine echte Bedrohung [des Urheberrechts], die seine Existenz und Rechtfertigung überhaupt in Frage stellt«.148 Dieses grundsätzliche Problem ist jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit. Geht man von einem absoluten Verständnis aus, dann wird die Formulierung als Kritik am »Schutz der Kleinen Münze«149 nur allzu verständlich. Damit wird nämlich kritisiert, dass die urheberrechtliche Schutzschwelle so niedrig sei, dass sie auch wenig individuelle Werke erfasst. Nach dem relativen Verständnis wenden sich diese Autoren nicht gegen den Schutz der Kleinen Münze an sich, sondern, um in der numismatischen Metapher zu bleiben, gegen ihre Stückelung – die Stilblüte vom Schutz für »kleine, aber keine winzigen Münzen«150 kommt nicht von ungefähr. Danach muss man bei einem relativen Verständnis nicht die Abschaffung des Schutzes der Kleinen Münze fordern, sondern die Anhebung der Schutzschwelle.151 Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, ist die Definition des Begriffs der Kleinen Münze unklar. Geht man von einem relativen Verständnis aus, so beschreibt der Begriff der Schutzschwelle das Gemeinte deutlicher. Ein absolutes Verständnis der Kleinen Münze enthält dagegen keine rechtliche Aussage. Auch Gernot Schulze hat dieses Problem erkannt und sich für das herrschende relative Verständnis entschieden,152 für ihn sind die Unterschiede aber – in einer Monografie zu diesem Thema! – »ohne Auswirkung«.153 In der urheberrechtlichen Diskussion ist der Begriff der Kleinen Münze als solcher daher wenig hilfreich.154 Man sollte daher zu Gunsten des Begriffs der Schutzschwelle auf ihn verzichten. 5.
Der Schutzumfang
Schließlich steht neben dem Begriff der Schöpfungshöhe der des Schutzumfangs.155 Dieser fügt dem urheberrechtlichen Koordinatensystem eine dritte Dimension hinzu, so dass man auch von »Schutztiefe« sprechen könnte.156 Werke stehen nämlich auch aus urheberrechtlicher Sicht nicht isoliert für sich, Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 262. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 298; U. Müller FS Pfennig, S. 179, 182. Szalai ZUM 2014, 231, 233. Schack FS Wandtke, S. 9, 13. G. Schulze Die kleine Münze, S. 3. aaO S. 1. Kritik auch bei U. Müller FS Pfennig, S. 179, 185f.; Peifer Individualität im Zivilrecht, S. 84 (»Scheindebatte«); Szalai ZUM 2014, 231, 232; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 9f. 155 Schack Urheberrecht 7. Aufl., Rn 198; Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 34. 156 Vgl. OLG Nürnberg GRUR 2014, 1199, 1202 – Fußball-Stecktabelle (»Abstand«).
148 149 150 151 152 153 154
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Grundlagen
sondern sind immer im Kontext anderer Werke zu betrachten. Der Schutzumfang eines Werks beschreibt, wie sehr sich ein Werk von einem anderen Werk unterscheiden muss, damit es keine Bearbeitung des ersten Werks ist, die das Bearbeitungsrecht des § 23 UrhG verletzt. Nur hinreichend eigenständige Werke werden als freie Benutzungen freigestellt, § 24 UrhG.157 Der Schutzumfang gibt an, inwieweit das Urheberrecht an einem Werk auch ähnliche Werke erfasst. Bei einem Werk mit großem Schutzumfang muss der Urheber des zweiten Werks einen entsprechend größeren geistigen Abstand halten, um die Rechte des ersten Urhebers nicht zu verletzen.158 Umgekehrt reichen bei einem Werk mit geringem Schutzumfang bereits kleine Unterschiede aus, um einen eigenständigen Schutz zu erlangen.159 Zwischen Schöpfungshöhe und Schutzumfang besteht eine Wechselwirkung.160 Je größer die Schöpfungshöhe des Werkes, desto größer ist auch sein Schutzumfang.161 Von einem Werk, das nur wenig individuell ist und knapp über der Schutzschwelle liegt, muss sich eine neue Gestaltung also nur wenig unterscheiden, um ein eigenständiges Werk zu sein. Bei einem Werk mit großer Schöpfungshöhe ist dagegen auch der Schutzumfang größer, und alle einigermaßen ähnlichen Werke gelten als Bearbeitungen, die vom Schutzumfang des Werks erfasst sind. Dies liegt zum einen am Wesen der Individualität. Diese ist wie beschrieben umso größer, je mehr persönlichen geistigen Gehalt ein Werk aufweist.162 Dadurch entstehen auch leichter vermeidbare Überschneidungen zu anderen Werken. Bei geringer Schöpfungshöhe ist nur eine einfache Idee im Werk verkörpert, hier ist schon eine leicht unterschiedliche Idee eine ganz andere und kann damit in einem eigenen Werk Niederschlag finden. Praktisch rechtfertigen lässt sich die Formel auch mit dem Freihaltebedürfnis an einfachen und naheliegenden Gestaltungen.163 Doch hängt der Schutzumfang auch von anderen Faktoren ab. Wie bei der Schutzschwelle kann man auch hier Unterschiede zwischen den Werkarten feststellen. Ein verhältnismäßig geringer Schutzumfang besteht beispielsweise bei Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art.164 Damit ist die 157 Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 21, 34. 158 aaO § 2 Rn 34. 159 aaO § 2 Rn 34. Das Problem der Doppelschöpfung soll an dieser Stelle ausgeklammert bleiben, vgl. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 189. 160 Dreyer/Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 69f.; G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 529. 161 BGH GRUR 1991, 529, 530 – Explosionszeichnungen; BGH GRUR 1998, 916 – Stadtplanwerk; Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 34; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 71; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 84f. 162 Oben S. 15. 163 Unten S. 71. 164 Erdmann FS Loschelder, S. 61, 70.
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Der Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe
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Feststellung des Schutzumfangs eines Werks neben der Schutzfähigkeit durch Erreichen der Schutzschwelle der zweite Anwendungsbereich der Schöpfungshöhe.165
IV.
Der Gestaltungsspielraum
Ob im Einzelfall ein Werk ausreichend individuell ist, wird insbesondere anhand des dem Urheber zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraums bewertet.166 Der Urheber muss einen Spielraum für die eigenschöpferische Gestaltung seines Werks ausgenutzt haben. Denn je mehr die Eigenschaften des Werks von außen vorgegeben sind, desto weniger Möglichkeiten hat der Urheber, seiner Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen.167 Kein Schutz besteht, wenn die Gestaltungsmöglichkeiten des Urhebers durch logische, zweckmäßige, technische oder in der Natur der Sache liegende Zwänge eingeschränkt sind.168 Damit wird eine urheberrechtliche Monopolisierung des freien Stands der Technik verhindert.169 Gleichzeitig wird damit das Dilemma des Urhebers solcher Werke berücksichtigt: Besteht nur ein geringer Gestaltungsspielraum, dann reicht grundsätzlich auch schon dessen Ausschöpfung für die Schutzfähigkeit des Werks aus. Das Kriterium der technischen Bedingtheit wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich behandelt.170 Teilweise sollten nur solche Gestaltungsmerkmale zur Schutzunfähigkeit führen, die »ausschließlich technisch bedingt« sind, das heißt überhaupt keine Variante zulassen,171 teilweise reicht es aus, dass die fraglichen Merkmale »im Wesentlichen« auf technischen Gegebenheiten beruhen.172 Der Gestaltungsspielraum ist damit ein wichtiges Kriterium, um die urheberrechtliche Schutzfähigkeit festzustellen.173 Gerade für Werke der angewandten Kunst ist er von Bedeutung.174 Hier ist die Gestaltung häufig durch den 165 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 25. 166 Vgl. oben S. 19. 167 BGH GRUR GRUR 1987, 704, 706 – Warenzeichenlexika; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 82ff.; Dreyer/Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 68; vgl. Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 51; Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 55; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 72; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 509f.; a. A. Thouvenin FS Hilty, S. 61. 168 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 54f.; Geier Schutzkumulationen, S. 32. 169 Bullinger GRUR-Prax 2011, 536; Handig UFITA 2010-II 385, 396. 170 Zentek ZUM 2012, 42. 171 OLG Hamburg WRP 1980, 159, 161 – Toilettensitz; OLG Hamburg GRUR 2002, 419, 422 – Move; OLG Hamburg ZUM-RD 2002, 181, 188 – Tripp-Trapp-Stuhl. 172 BGH GRUR 2012, 58, 60 – Seilzirkus; OLG Köln GRUR 1986, 889, 890 – ARD-1. 173 Peifer Individualität im Zivilrecht, S. 83. 174 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 12; Zentek UFITA 2016, 35f.
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Grundlagen
Gebrauchszweck175 und damit zusammenhängende technische Notwendigkeiten vorgegeben, so dass jeder Gestalter praktisch zum gleichen Ergebnis gelangt wäre. Der Gebrauchszweck gibt das Werk also in vielerlei Hinsicht vor. Im Einzelfall kann dies zum Ausschluss des Urheberschutzes führen.176 Der Gebrauchszweck hat folglich eine zweifache Funktion: Einerseits dient er der Bestimmung der Werkart im Katalog des § 2 Abs. 1 UrhG und der dazugehörigen Schutzschwelle, andererseits bestimmt das Gericht auf seiner Grundlage den Spielraum, der dem Urheber zur Verfügung stand, und damit das in der konkreten Gestaltung vorliegende Maß an Individualität.
B.
Der Rechtsbegriff der angewandten Kunst
Im Folgenden ist der Begriff der angewandten Kunst zu untersuchen (I.). Danach geht es um eine Ordnung der von dieser Definition erfassten Werke (II.) und an die ökonomische und rechtspraktische Bedeutung der angewandten Kunst (III.).
I.
Die angewandte Kunst als Werkart des § 2 Abs. 1 UrhG
Da die urheberrechtliche Schutzschwelle von der Werkart abhängt, ist ein genaues Verständnis der Werke der angewandten Kunst in § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG erforderlich. Wie dargestellt, ist die Abgrenzung zur reinen Kunst bei der Bestimmung der Schutzfähigkeit nicht nur hinsichtlich der Individualität, sondern auch bei der Frage nach dem Gestaltungsspielraum von Bedeutung.177 Im Folgenden sollen daher zunächst die Geschichte des urheberrechtlichen Schutzes der angewandten Kunst (1.) und ihre Stellung innerhalb des § 2 Abs. 1 UrhG dargestellt werden (2.). Ausgehend von den Vorgaben des internationalen Rechts (3.) und den Erkenntnissen der Kunstwissenschaft (4.) sollen dann herkömmliche Definitionen der angewandten Kunst untersucht werden (5.). Das mündet auf Grundlage einer näheren Bestimmung des Gebrauchszwecks (6.) in einer eigenen Begriffsbestimmung (7.).
175 Unten S. 51ff. 176 Rudes aaO, S. 12. 177 Oben S. 25ff. und 35f.
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Der Rechtsbegriff der angewandten Kunst
1.
37
Rechtsgeschichte
Die Entwicklung des urheberrechtlichen Schutzes der angewandten Kunst beginnt sehr spät und ist bis heute nicht abgeschlossen.178 Historisch fußt sie im Textilmusterschutz, der jedoch eher als Gewerbemonopol oder Geschmacksmuster verstanden werden muss.179 Die ersten modernen Urheberrechtsgesetze erfassten die bildende Kunst insgesamt zunächst nicht, sondern lediglich Sprachwerke.180 Es gab auch Bestrebungen, die »gewerbliche« Literatur aus dem Schutzbereich des Urheberrechtsgesetzes zu nehmen.181 Danach hätte er nur die schöngeistige und die wissenschaftliche Literatur umfasst. Das Preußische Urheberrechtsgesetz von 1837182 erfasste in § 21 nur Werke der reinen Kunst.183 Eine Kommentierung lautete: »Für industrielle Producte, Geräthschaften und andere Gegenstände eines materiellen Gebrauchs ist ein Verlagsrecht nicht denkbar, weil jene Gegenstände im Wesentlichen nicht als Ausprägung eines individuell geistigen Inhalts, sondern als materielle Sachen in Betracht kommen, mögen sie auch auf noch so künstliche Weise gefertigt sein«.184 Abgrenzungskriterium zur angewandten Kunst war schon damals der Gebrauchszweck.185 § 25 des preußischen UrhG von 1837 stellte ausdrücklich die Benutzung von Werken der Kunst als »Muster für Erzeugnisse der Manufakturen, Fabriken und des Handwerks« frei.186 Das Urheberrechtsgesetz des Norddeutschen Bundes von 1870187 erfasste die bildende Kunst entgegen dem ursprünglichen Entwurf überhaupt nicht.188 Nach der Reichsgründung wurde dieses Gesetz 1871 in ein Reichsgesetz
178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188
Nirk UFITA 80 (1977), 1, 6. Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 12, 14. Schack GS Eckert, S. 725, 727f. Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 278. Königlich Preußisches Gesetz vom 11. Juni 1837 zum Schutze des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung, abgedruckt bei Hitzig Das Königl. Preußische Gesetz vom 11. 6. 1837, Nachdruck in UFITA 107 (1988), 163. G. Schulze Die kleine Münze, S. 9; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 143. Wächter Das Verlagsrecht, S. 135f. aaO S. 136; Mandry Das Urheberrecht, S. 80. Zentek UFITA 2016, 35f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 143; G. Schulze Die kleine Münze, S. 10. Gesetz betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken des Norddeutschen Bundes vom 11. 6. 1870, BGBl. 1870, S. 339. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 144; G. Schulze Die kleine Münze, S. 10f.
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38
Grundlagen
überführt. 1876 wurde dann das erste Kunsturhebergesetz (KUG)189 erlassen. Es schützte nur die »hohe« oder »reine Kunst«,190 die sich durch ihren fehlenden Gebrauchszweck auszeichnete.191 Das Kunstgewerbe war damit aus dem Werkbegriff des Urheberrechts ausgeklammert.192 Erfasst waren nach den Motiven nur die »Werke der bildenden Künste« im engeren Sinn, welche »vorwiegend zum Zwecke der ästhetischen Darstellung – im Gegensatz zu industriellen Zwecken – dienen«.193 Eine Definition des Werkbegriffs unterblieb zu Gunsten des »richterlichen Ermessens nach den konkreten Umständen des einzelnen Falles«,194 die Schutzschwelle war niedrig.195 Die Schutzlosigkeit der angewandten Kunst war Interessen der Industrie geschuldet, die ein hohes Freihaltebedürfnis vorbrachte. Parallel wurde 1876 das Geschmacksmustergesetz geschaffen,196 das ein Anmeldeerfordernis und eine fünfzehnjährige Schutzdauer vorsah.197 Der Musterschutz blieb bis zur Reform 2004 nahezu unverändert.198 Die Unterscheidung zwischen bildender Kunst und Kunstgewerbe im KUG 1876 bildet die Grundlage der heutigen urheberrechtlichen Abgrenzung zwischen reiner und angewandter Kunst.199 Ausgehend von der gesetzgeberischen Intention entwickelte die Literatur200 die Prävalenztheorie.201 Das Reichsgericht rezipierte sie und unterschied in einem Urteil zu bronzenen JardiniHren danach, »ob in dem objektiven Charakter des Werkes die ästhetische Wirkung oder die materielle Gebrauchsbestimmung überwog«.202 Während das Reichsgericht seinen Fall im letzteren Sinne entschied, gewährte das Kammergericht industriellen Nachbildungen von Bronzestatuetten urheberrechtlichen Schutz, da hier der ästhetische Zweck über-
189 Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste vom 9. 1. 1876, RGBl. 1876, S. 4. 190 Nirk UFITA 80 (1977), 1, 3f. 191 Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 35. 192 Schack GS Eckert, S. 725, 728. 193 Osterrieth GRUR 1904, 189, 195. 194 Osterrieth aaO; G. Schulze Die kleine Münze, S. 16f. 195 Zentek UFITA 2016, 35, 39. 196 Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11. 1. 1876, RGBl. 1876, S. 11. 197 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 90; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 145; G. Schulze Die kleine Münze, S. 12. 198 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 145; unten S. 76f. 199 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 170. 200 Mandry Das Urheberrecht, S. 219; Kohler AcP 87 (1897), 1, 6ff.; Osterrieth GRUR 1904, 189, 196. 201 G. Schulze Die kleine Münze, S. 18; Zentek GRUR 2012, 42, 43; dies. UFITA 2016-I, 35, 45. 202 RGZ 71, 145, 147 – JardiniHre; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 147; vgl. RGZ 23, 116, 117f. – Reklameplakat; RGZ 14, 46, 54 – Matrizen.
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Der Rechtsbegriff der angewandten Kunst
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wiege.203 Damit zeigt sich bereits früh die problematische Einordnung von Dekorationsgegenständen.204 In der Folge konnte der Schutz eines Werkes gespalten sein: Ein Gemälde war vor der unerlaubten Nachbildung in anderen Gemälden durch das Urheberrecht geschützt, im Falle einer Nutzung als Dekorationselement auf einem Gebrauchsgegenstand nach § 14 KUG 1876 jedoch nur durch das Geschmacksmuster, sofern eine entsprechende Eintragung vorlag.205 Nach dem Erlass des LUG 1901206, das in § 1 Nr. 3 auch »Abbildungen wissenschaftlicher oder technischer Art« erfasste, wurde teilweise ein Schutz für Illustrationen auf diesem Weg konstruiert.207 Die Novelle des Kunsturhebergesetzes 1907 trug der im Lauf des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland stark gestiegenen wirtschaftlichen und künstlerischen Bedeutung der angewandten Kunst Rechnung:208 »Erzeugnisse des Kunstgewerbes« wurden in § 2 Abs. 1 S. 1 in das Gesetz209 aufgenommen210 und damit erstmals urheberrechtlich geschützt.211 Ziel war die völlige rechtliche Gleichstellung von Werken der angewandten mit denen der bildenden Kunst, um der Gebrauchskunst auch den formlosen Schutz des Urheberrechts zu ermöglichen.212 In den Motiven zum KUG 1907 heißt es dazu: »Seitdem die Kunst in steigendem Maße sich der Aufgabe zugewendet hat, auch die Gegenstände des täglichen Lebens zu veredeln und in ästhetisch wirksamen Formen sinnvoll auszubilden, läßt sich eine verschiedenartige Behandlung der Kunst, je nachdem sie sich dem Dienste der Gewerbe zugewendet hat oder nicht, nach Auffas203 KG Droit d’auteur 1898, 19. 204 Unten S. 52ff. Vgl. aus dem amerikanischen Recht Bleistein v. Donaldson, 188 U.S. 239 (1903), unten S. 179f. 205 Nirk UFITA 80 (1977), 1, 4; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 146; G. Schulze Die kleine Münze, S. 17. 206 Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. 6. 1901, RGBl. 1901, S. 227. 207 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 101 m.w.N. 208 G. Schulze Die kleine Münze, S. 33f.; Zentek UFITA 2016-I, 35, 48. 209 Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. 1. 1907, RGBl. 1907, S. 7: »Erster Abschnitt. Voraussetzungen des Schutzes. § 1. Die Urheber von Werken der bildenden Künste und der Photographie werden nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützt. § 2. (1) Die Erzeugnisse des Kunstgewerbes gehören zu den Werken der bildenden Künste. […] Als Werke der bildenden Künste gelten auch Entwürfe für Erzeugnisse des Kunstgewerbes […].« 210 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 90; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 148; vgl. RGZ 76, 339, 342 – Schulfraktur. 211 Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 29f. 212 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 148; G. Schulze Die kleine Münze, S. 34.
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Grundlagen
sung des Entwurfs nicht länger aufrecht erhalten. Der Grundsatz der Gleichstellung von hoher Kunst und angewandter Kunst beherrscht auch die meisten Gesetze des Auslandes. […] Der Entwurf will daher die angewandte Kunst von den Beschränkungen des gegenwärtigen Rechtes befreien und sie urheberrechtlich der hohen Kunst gleich behandeln.«213
Die Aufnahme der Erzeugnisse des Kunstgewerbes gemeinsam mit den Bauwerken stellt die Grundlage des heutigen § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG dar.214 Die Erweiterung war »verknüpft mit der Jugendstilbewegung und insbesondere mit dem Entstehen des Werkbundes. Dementsprechend zielte sie mehr auf die kunsthandwerkliche als auf die industrielle Seite der Produktgestaltung, ist aber nie als in diesem Sinne begrenzt verstanden worden.«215 Mit der Gleichstellung der angewandten und der reinen Kunst im KUG 1907 war auch die Prävalenztheorie eigentlich überholt,216 sie prägte die Rechtsprechung jedoch weiter217 und wurde vom Reichsgericht erst später aufgegeben.218 Mit der Schaffung des Urheberrechtsgesetzes 1965 wurden das LUG und das KUG durch ein einheitliches Gesetz abgelöst, das für alle Werkarten gilt. Dies ergibt sich aus § 2 UrhG, der bis heute (mit Ausnahme der 1985 eingefügten Computerprogramme) unverändert ist. Die »unterschiedliche Behandlung« verschiedener Werkarten sollte abgeschafft werde, die »Werke von geringem schöpferischen Wert« sollten jedoch unverändert Schutz genießen.219 Lediglich die Bezeichnung änderte sich mit der Schaffung des UrhG: Die »angewandte Kunst«, ein Begriff aus der Berner Übereinkunft,220 löste das »Kunstgewerbe« ab.221 Der neue Begriff war zuvor nicht Teil der Gesetzessprache gewesen und hatte sich im späten 19. Jahrhundert in Abgrenzung zur sonstigen bildenden Kunst herausgebildet.222 Kurze Erwähnung fand er bereits in den Motiven von 1906.223 213 Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, abgedruckt in GRUR 1906, 15, 16f. 214 Nirk UFITA 80 (1977), 1, 3. 215 Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 35. 216 Osterrieth Das Urheberrecht, 1. Aufl., S. 33. 217 RGZ 124, 68, 72 – Besteckmuster ; RGZ 135, 385, 388 – künstliche Blumen; G. Schulze Die kleine Münze, S. 35; Zentek GRUR 2012, 42, 43. 218 RG GRUR 1937, 821, 822 – Webwaren; Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 56. 219 BT-Drs. IV/270, S. 37f.; G. Schulze Die kleine Münze, S. 45. 220 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 158; unten S. 44f. 221 Gerstenberg Die Urheberrechte an Werken der Kunst, der Architektur und der Photographie, S. 54; G. Schulze Die kleine Münze, S. 46; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 508; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 122. 222 Zentek GRUR 2012, 42, 43. 223 Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, abgedruckt in GRUR 1906, 15, 17; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 122, 162f.
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Der Rechtsbegriff der angewandten Kunst
41
In der Literatur hatten sich mehrere Stimmen für den Begriff »angewandte Kunst« ausgesprochen:224 Das Wort »Kunstgewerbe« sei eine »zu Mißverständnissen geradezu herausfordernde Formulierung«225 und werde »heute nur noch im abfälligen Sinn verwendet, während am Anfang [des 20.] Jahrhunderts damit durchaus der Kunstzweig gemeint war, den man heute mit angewandter Kunst bezeichnet.«226 Die Gesetzesbegründung äußerte sich nicht zur neuen Wortwahl.
2.
Systematik
Die »vornehme Familie der geschützten Werke«227 ist in § 2 Abs. 1 UrhG in insgesamt sieben Werkarten aufgeteilt. Diese werden teilweise schon im Gesetz in weitere Kategorien unterteilt. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung zahlreiche weitere Fallgruppen entwickelt, um die umfangreiche Kasuistik handhabbar zu machen und den Besonderheiten einzelner Werke gerecht zu werden.228 Dabei ist die gesetzliche Aufzählung in § 2 Abs. 1 UrhG nicht abschließend, was das Wort »insbesondere« deutlich macht. Bei systematischer Betrachtung wird deutlich, dass das Gesetz nach Werkgattungen eingeteilt ist. Es folgt dabei einem neuzeitlichen Künstekanon: Literatur, Musik und Tanz (Nrn. 1–3) und die bildenden Künste (Nrn. 4–6). Den Kunstwerken folgen in Nr. 7 die wissenschaftlichen Werke mit wissenschaftlichen und technischen Darstellungen. Die Werke der angewandten Kunst in § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG sind dabei eine eigens genannte Untergruppe der bildenden Künste.229 Danach ist zwischen der bildenden Kunst im weiteren Sinne, welche die angewandte Kunst und die Baukunst mit umfasst, und der bildenden Kunst im engeren Sinne zu unterscheiden.230 Letztere wird auch als »hohe« oder »reine Kunst« bezeichnet.231 224 Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 171; ders. GRUR 1961, 397. 225 Pfister Der Gebrauchsgrafiker und das Recht, 2. Aufl., S. 38; Henssler GRUR 1957, 8, 11. 226 Krubeck Gutachten zu BGH NJW 1957, 220 – Europapost, 1955, zit. nach R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 65; Gerstenberg GRUR 1963, 245, 249. 227 Strömholm GRUR Int. 1989, 15, 18. 228 Vgl. Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 75–217. 229 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 5; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 87; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 168; vgl. Rehbinder/Peukert Urheberrecht, 17. Aufl., Rn 274, 284; a. A. von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 73, 96. 230 Ebling/M. Schulze/W. Nordemann/Dustmann Kunstrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn 47; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 87. 231 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 143, 145.
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Grundlagen
Die bildende Kunst im weiteren Sinne wird – wenn überhaupt232 – urheberrechtlich definiert als »die Gestaltung von Flächen und Körpern in Farbe und/ oder Form sowie die Gestaltung von Räumen durch deren Aufteilung sowie durch die Gestaltung und Anordnung der darin befindlichen Gegenstände«233 oder »zwei- oder dreidimensionale Gestaltungen, die ihren ästhetischen Gehalt durch Ausdrucksmittel wie Farbe, Linie, Fläche, Raumkörper und Oberfläche zum Ausdruck bringen«234. Diese Definition ist aus dem »Litophanien«–Urteil des Reichsgerichts von 1886 entwickelt worden, wonach ein Werk der bildenden Kunst »ein mit den Darstellungsmitteln der Kunst hergestelltes, für die Anregung des ästhetischen Gefühles durch Anschauen bestimmtes Werk« ist.235 Diese Formulierung ist durch die Verwendung der Wörter »Kunst« und »Werk« freilich stark tautologisch. Das »Besteckmuster«-Urteil von 1929 krankt an demselben Fehler : »Zu den Werken der bildenden Künste gehört jede in organischem Stoff sichtbar gewordene Gestaltung, in der ein eigenes künstlerisches Schaffen zutage tritt, jede eigenpersönliche geistige Schöpfung, die mit den Darstellungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht und vorzugsweise für die Anregung des ästhetischen Gefühls durch Anschauen bestimmt ist«.236 Auch andere Definitionen sind häufig zirkulär oder mit dem Erfordernis der Individualität vermengt.237 Mit den Werken der angewandten Kunst verwandt sind unter den zweidimensionalen Werken die bildenden Künste im engeren Sinn auf der einen und die wissenschaftlichen und technischen Darstellungen auf der anderen Seite.238 Den dreidimensionalen Werken der angewandten Künste ähnlich sind neben der Plastik im künstlerischen Sinn im Gesetzeskanon nur die Werke der Baukunst. Die Abgrenzung zu den technischen Darstellungen ist insbesondere deshalb bedeutsam, wenn man bedenkt, dass die ebenfalls geschützten Entwürfe von Werken der angewandten Kunst ihnen besonders ähnlich sind. Der Schutz als technische Darstellung wurde zur Umgehung der hohen Schutzschwelle für Entwürfe von Werken der angewandten Kunst auch vorgeschlagen.239 Bei der 232 Schmid/Wirth/Seifert 3. Aufl., § 2 Rn 16 (keine Definition möglich). 233 Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 23; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 5. 234 Wandtke/Bullinger 4. Aufl., § 2 Rn 81. 235 RGZ 18, 102, 107 – Lithophanien; Gerstenberg GRUR 1963, 245, 246; Zentek UFITA 2016, 35, 41ff. 236 RGZ 124, 65, 71f. – Besteckmuster. 237 Dreyer/Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 121 (Kunst als »Schöpfung, die mit Darlegungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht worden ist«). 238 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 168; R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 129; vgl. Reimer GRUR 1980, 572, 574f. 239 R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 129ff.
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Der Rechtsbegriff der angewandten Kunst
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technischen Darstellung liegt die geforderte Schöpfungshöhe nämlich besonders niedrig.240 Die Ansicht, Entwürfe für angewandte Kunst, zum Beispiel ein Textilmuster, könnten auch als technische Darstellung schutzfähig sein,241 verkennt jedoch den unterschiedlichen Schutzgegenstand der beiden Werkarten. Bei § 2 Abs. 1 Nr. 7 Var. 2 UrhG ist nur die konkrete visuelle Darstellung und nicht ihr Inhalt geschützt,242 bei einem Entwurf eines Werks der angewandten Kunst dagegen das abgebildete Werk, also die Form des Gebrauchsgegenstands selbst.243 Ebenso wenig zielführend ist der Vorschlag zur Umgehung der urheberrechtlichen Schutzanforderungen durch die Anfertigung einer Reproduktionsfotografie,244 da diese ebenfalls nur die konkrete Ansicht schützt und nicht das darin verkörperte Werk. In inhaltlicher Hinsicht unterscheidet das Urheberrecht an einigen Stellen zwischen reiner und angewandter Kunst. So ist letztere beim Folgerecht – wohl in Übereinstimmung mit der Folgerechts-Richtlinie245 – in § 26 Abs. 8 UrhG ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen.246 Dies begründet man damit, dass »Wert und Preis dieser Werke sich oft nicht nach künstlerischen Gesichtspunkten, sondern nach anderen Kriterien richteten, wie Gebrauchszweck, Verwertbarkeit, Materialwert, Lage etc., und daher eine Preissteigerung nicht auf die Leistung des Urhebers zurückzuführen sei, weswegen auch eine finanzielle Teilhabe an der Weiterveräußerung nicht gerechtfertigt sei«.247 Dem werden die Urheber von Sammlerfiguren oder Möbelstücken des modernen Designs, die mit zunehmendem Alter zu teilweise beträchtlichen Preisen verkauft werden, sicher widersprechen. Außerdem nimmt § 17 Abs. 3 Nr. 1 UrhG die Werke der angewandten Kunst vom Zustimmungserfordernis des Urhebers zur Vermietung des Werkes aus. Durch die Verweisung in § 27 Abs. 2 S. 2 a.E. auf § 17 Abs. 3 S. 2 UrhG entsteht – unionsrechtlich bedingt248 – auch kein Vergütungsanspruch für das Verleihen
240 Oben S. 26. 241 Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 50f.; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 58f. 242 BGHZ 199, 52 Tz 12 – Geburtstagszug; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 199; Reimer GRUR 1980, 572, 575f., 577f. 243 Schack Urheberrecht 7. Aufl., Rn 197; a. A. R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 140f. 244 R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 127f. 245 Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 9. 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks, ABl. L 272, S. 32. 246 Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 21. 247 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 204f. 248 Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. 11. 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, ABl. L 346 S. 61; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 535.
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Grundlagen
des Werkstücks.249 Praktisch bedeutsam ist dies für Werke der Buchkunst, die von Bibliotheken verliehen werden und für dreidimensionale Werke, die gewerblich vermietet werden können.250 Zu denken ist hier an Möbel oder Mode, Geschirr251 und Autos. Darüber hinaus wurde das Rückrufsrecht für Urheber in Arbeits- und Dienstverhältnissen (§ 43 UrhG) für Werke der angewandten Kunst angezweifelt.252 Nach der überwiegenden Ansicht nicht erfasst ist die angewandte Kunst jedenfalls vom Ausstellungsrecht des § 18 UrhG, da sie »typischerweise anders als durch ihre öffentliche Ausstellung genutzt« wird.253 Entsprechend nehmen manche Stimmen die angewandte Kunst von der Katalogbildfreiheit des § 58 UrhG aus.254
3.
Internationales Recht
Die Berner Übereinkunft von 1886,255 deren Kernaussage das Prinzip der formellen Reziprozität ist,256 erfasste die angewandte Kunst zunächst nicht. Als »art appliqu8« wurde sie erst bei der zweiten Revision in Berlin 1908 (RBÜ)257 als nur fakultativ schutzfähige Werkart aufgenommen.258 Verpflichtend wurde der Schutz mit der Brüsseler Revision von 1948259 durch die Aufnahme in Art. 2 Abs. 1 RBÜ.260 Nach Art. 2 Abs. 7 S. 1 RBÜ bestimmen die Verbandsstaaten eigenständig die Schutzvoraussetzungen für die angewandte Kunst sowohl durch das Urheber- als auch durch das Designrecht. Einen Schutz durch das Designrecht können sie danach kumulativ oder alternativ gewähren.261 Falls ein Verbandsstaat Gestaltungen der angewandten Kunst ausschließlich Musterschutz gewährt, gilt dies 249 von Lewinski ZUM 1995, 442, 444, 448; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 534. 250 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 534f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 197f. 251 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 535. 252 Gerstenberg Die Urheberrechte an Werken der Kunst, der Architektur und der Photographie, S. 55. 253 Schack ZUM 2008, 817, 821; Möhring/Nicolini/Kroitzsch/Götting 3. Aufl., § 18 Rn 6; Schricker/Loewenheim/Vogel 4. Aufl., § 18 Rn 12; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 198f.; a. A. Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 18 Rn 8. 254 Unten S. 155. 255 RGBl. 1887, S. 127. 256 Art. 2 Abs. 1 BÜ, Art. 5 Abs. 1 RBÜ; Schack JZ 1986, 824, 827. 257 RGBl. 1910, S. 965. 258 RGZ 71, 145, 151 – Jardiniere. 259 BGBl. II 1965, S. 1213. 260 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 6. 261 Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 197.
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nach S. 2 auch reziprok.262 Innerhalb der Europäischen Union ist diese Regel wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung freilich nicht anwendbar.263 Als Mindestschutzdauer schreibt Art. 7 Abs. 4 RBÜ statt der sonst geltenden 50 Jahre post mortem auctoris lediglich 25 Jahre nach der Schöpfung, sozusagen post creationem, vor.264 Das Welturheberrechtsabkommen (WUA),265 das sonst keine Regelungen zum Schutz der angewandten Kunst enthält, nimmt bei der Mindestschutzdauer die angewandte Kunst in Art. IV 3 ausdrücklich aus.266 Das Designrecht ist ebenfalls in mehreren internationalen Verträgen geregelt.267 Die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ)268 bestimmt in Art. 5 quinquies, dass alle Verbandsstaaten einen Musterschutz vorsehen müssen. Dessen Anforderungen sind jedoch nicht definiert.269 Das Haager Abkommen über die internationale Eintragung gewerblicher Muster und Modelle (HMA),270 das eine internationale Hinterlegung von Geschmacksmustern ermöglicht, berührt ausdrücklich nicht den vertragsstaatlichen Schutz der Werke der angewandten Kunst durch das Urheberrecht, Art. 2 HMA.271
4.
Kunstwissenschaftliches Verständnis
Eine Definition der angewandten Kunst ist aus mehreren Gründen schwierig: Zunächst ist schon eine allgemeingültige juristische Definition des Begriffs »Kunst« zum Scheitern verurteilt:272 Immer, wenn man meint, alle Erscheinungsformen der Kunst erfasst zu haben, findet die Avantgarde – teils zielgerichtet zu genau diesem Zweck – neue Ausdrucksformen, die die bisherige Definition sprengen.273 Daher muss sich das Verfassungsrecht, das einer solchen 262 Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 17; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 6f.; Levin GRUR Int. 1985, 713, 730. 263 EuGH GRUR 1994, 280, 283 – Phil Collins = JZ 1994, 142 m. abl. Anm. Schack; Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 17f. 264 Kur FS Bornkamm, S. 849, 854; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 7. 265 BGBl. II 1955 S. 103. 266 Levin GRUR Int. 1985, 713, 730. 267 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 8f. 268 RGBl. 1903, S. 147. 269 Levin GRUR Int. 1985, 713, 730; Henssler GRUR 1961, 397, 402. 270 RGBl. 1928 II S. 175. 271 Henssler GRUR 1961, 397, 402. 272 Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 2. 273 BVerfGE 67, 213, 225 – Anachronistischer Zug; C. Fuchs Avantgarde und Erweiterter Kunstbegriff, S. 25; Erdmann FS von Gamm, S. 389, 390; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 169; König Der Werkbegriff in Europa, S. 296; Möhring/Nicolini/ Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 22; Strunkmann-Meister Gegenseitiges Verhältnis von Geschmacksmusterschutz und Urheberschutz, S. 11; Wandtke GRUR 1995, 385, 387f.
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Grundlagen
allgemeingültigen Definition tatsächlich bedarf, mit dem weiten Kunstbegriff zufrieden geben. Dieser stellt auf die »freie schöpferische Gestaltung [ab,] in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.«274 Das Urheberrecht hat es etwas einfacher,275 da zunächst grundsätzlich nur geschützt wird, was eine wahrnehmbare Form hat.276 Darüber hinaus kennt das Gesetz den Begriff der Kunst über die programmatische Aufzählung »Literatur, Wissenschaft und Kunst« in § 1 UrhG hinaus nur im Zusammenhang des Künstekanons als »Tanzkunst«, »Baukunst« und »bildende Kunst«.277 Was darüber hinaus urheberrechtlichen Schutzes bedarf, fällt unter den weniger schillernden Begriff des »sonstigen Werks«.278 Die angewandte Kunst ist auch nur die angewandte bildende Kunst.279 Somit muss eine Annäherung an den hier zu untersuchenden Rechtsbegriff über die »bildende Kunst« erfolgen. Die bildenden Künste sind daher das, was unter die Kategorien von Malerei, Zeichnung und Grafik sowie der Plastik (Bildhauerei) und der Baukunst fällt.280 Manche kunstwissenschaftlichen Quellen beschreiben die angewandte Kunst jedoch auch als eigene Gattung der bildenden Kunst. Bei der folgenden kunstwissenschaftlichen Untersuchung der angewandten Kunst281 ist zu beachten, dass der urheberrechtliche Werkbegriff ein normativer und kein kunstwissenschaftlicher Begriff ist.282 Gleichwohl kann letzterer als Indiz für ein besseres Begriffsverständnis wirken.283 Im Altertum, Mittelalter und in der Renaissance unterschied man die freien und die nützlichen oder auch mechanischen Künste.284 Das Verständnis der nützlichen Künste wandelte sich mit der Zeit. Zu ihnen wurden über die Jahrhunderte unter anderem Textilgewerbe, Schmiedekunst und Architektur, aber
274 BVerfGE 30, 173, 188f. – Mephisto. 275 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 9; vgl. Wandtke UFITA 130 (1996), 57, 69; a. A. B. Samson Urheberrecht, S. 71ff.; C. Fuchs Avantgarde und Erweiterter Kunstbegriff, S. 128ff.; 135f.; Erdmann FS von Gamm, S. 389, 392; Wandtke GRUR 1995, 385, 387f. 276 Oben S. 14. 277 Vgl. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 88f.; a. A. mit Hinweis auf § 1 UrhG B. Samson UFITA 47 (1966-II), 1, 14; Schraube UFITA 61 (1971), 127, 141. 278 Oben S. 41; vgl. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 247. 279 Oben S. 41; anders Pfister Der Gebrauchsgrafiker und das Recht, 2. Aufl., S. 38. 280 Oben S. 42. 281 Vgl. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 3ff. 282 Loewenheim GRUR 1987, 761, 766; vgl. E. Ulmer GRUR 1968, 527, 529. 283 Gerstenberg GRUR 1963, 245, 247f.; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 8. 284 Imprimerie nationale Encyclop8die des Arts D8coratifs et industriels modernes au XXHme siHcle, S. 15f.
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auch Landwirtschaft, Koch- und Heilkunst gezählt.285 In der Neuzeit unterschied Kant zwischen »mechanischer«, »angenehmer« und »schöner« Kunst,286 Hegel die »in ihrem Zwecke wie in ihren Mitteln freie« Kunst von der »dienenden«, die »unsere Umgebung zu verzieren, dem Äußeren der Lebensverhältnisse Gefälligkeit zu geben« vermag.287 Eine echte Unterscheidung zwischen freier und angewandter Kunst lässt sich ab dem Ende des 19. Jahrhunderts ausmachen.288 Kunstströmungen wie der Jugendstil und das Bauhaus wandten sich ausdrücklich dem Gebrauchsgegenstand zu.289 Der Begriff »angewandte Kunst« selbst lässt sich in das Jahr 1898 auf einen Bericht über die Pariser Weltausstellung zurückverfolgen.290 Zuvor sprach man mehr von »Kunsthandwerk«, »Kunstgewerbe« oder »Kunstindustrie«. Als eigentliche Kunst wurde sie nur erfasst, wenn sie besonders dekorativ war291 – man vergleiche den französischen Ausdruck »art d8coratif« für »Kunstgewerbe«. Die Kunstwissenschaft beschäftigt sich vor allem mit der Frage, ob angewandte Kunst, vor allem unter dem Begriff »Kunstgewerbe«, überhaupt auch Kunst ist und weniger damit, wie die Begriffe voneinander abzugrenzen sind.292 Die erste Frage wird grundsätzlich bejaht, denn auch allgemeinsprachlich erfasse der Begriff »Kunst« künstlerisch gestaltete Gebrauchsgegenstände.293 Die zweite Frage, kunstwissenschaftlich dem Teilgebiet der Taxonomie oder auch Kunstklassifizierung zuzuordnen, wird nur zurückhaltend bearbeitet. Eine Zuordnung müsse »kritisch und flexibel gehandhabt werden«.294 Insbesondere bei der Kleinplastik sei die Abgrenzung im Einzelfall schwierig.295 Als Synonyme für das Kunstgewerbe werden neben der angewandten Kunst die Begriffe Kunsthandwerk, niedere Künste, dekorative Künste, technische Künste, Kleinkunst, Nutzkunst, Werkkunst, Handwerkskunst, Gebrauchskunst, Gewerbekunst, Geschmackskunst, Kunst im Handwerk, Gebrauchsgrafik und nicht zuletzt Design und zurückgehend auf Mart Stam296 – Industriedesign ge285 Bacher Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, S. 35ff. 286 Kant Kritik der Urteilskraft, § 44 (S. 305). 287 Hegel Vorlesungen über die Ästhetik, Einl. I. (S. 10f.); vgl. von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 89. 288 Pfister Der Gebrauchsgrafiker und das Recht, 2. Aufl., S. 6; Feist Lexikon der Kunst, S. 81f.; Jahn/Lieb Wörterbuch der Kunst, 13. Aufl., S. 476. 289 von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 92. 290 Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 92. 291 von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 90. 292 Vgl. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 6f. 293 Feist Lexikon der Kunst, S. 82; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 69, 125ff. 294 Turner/Davis, The Dictionary of Art, Bd. 30, S. 381f.; Jahn/Lieb Wörterbuch der Kunst, 13. Aufl., S. 477. 295 Jahn/Lieb Wörterbuch der Kunst, 13. Aufl., S. 477; unten S. 52ff. 296 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, Fn 17.
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Grundlagen
nannt.297 Häufiger findet man eine Unterscheidung nach der verwendeten Technik, zum Beispiel Textil- oder Buchkunst.298 Der Begriff sei kunstwissenschaftlich im Vergleich zum Urheberrecht weit zu verstehen,299 er umfasse »alle Kunstformen, die über die ästhetische Wirkung hinaus einen praktischen Bezug zur menschlichen Lebenswelt haben.«300 Nach einer anderen, dem urheberrechtlichen Verständnis erstaunlich nahen Definition nach ist die angewandte Kunst die »zusammenfassende Bezeichnung für diejenigen Bereiche der Gestaltung, die nicht vorrangig oder nicht nur um ihrer ästhetisch-ideellen Bedeutung oder ihrer ästhetisch-visuellen Wirkung willen da sind (wie die sog. Freie Kunst im Bereich der Bildkünste, Malerei, Plastik und Graphik), sondern die in unterschiedlicher Weise unlösbar an Gegenstände mit einem praktischen Nutzwert gebunden sind.«301
5.
Herkömmliche Definitionen
Vor dem dargestellten historischen, systematischen und kunstwissenschaftlichen Hintergrund hat sich eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs der angewandten Kunst in § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG nicht vollständig durchsetzen können.302 Die herrschende Auffassung definiert die angewandte Kunst als bildende Kunst mit einem Gebrauchszweck.303 Damit erfolgt die Abgrenzung der angewandten von der reinen Kunst durch das Merkmal des Gebrauchszwecks, also durch die Zweckbestimmung, die dem Werk – vom Urheber verliehen – innewohnt.304 Zu diesem Merkmal gelangt man über die Bedeutung des Adjektivs »angewandt«, das einen Anwendungsgegenstand voraussetzt.305 Erfasst werden sollen »Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung«,306 anders ausgedrückt. Werke, die »neben der künstlerischen noch eine praktische 297 Feist Lexikon der Kunst, S. 81f.; Pazaurek, Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe, S. 2. 298 Feist Lexikon der Kunst, S. 82; Jahn/Lieb Wörterbuch der Kunst, 13. Aufl., S. 476f. 299 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 8. 300 aaO S. 6. 301 Feist Lexikon der Kunst, S. 81. 302 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 9. 303 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 100; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 139; Wandtke/Bullinger 4. Aufl., § 2 Rn 96; Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 158; O. von Gamm Urheberrechtsgesetz, § 26 Rn 5; Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 29; E. Ulmer Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 148; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 232; Schricker GRUR 1991, 563, 563f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 171. 304 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 146. 305 aaO S. 171. 306 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 158.
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Zweckbestimmung« haben.307 Der Begriff ist damit neutral gegenüber verschiedenen Herstellungsweisen, insbesondere unterscheidet er nicht zwischen »Kunsthandwerk« und »Industriedesign«.308 Die Gegenauffassung definiert ein Werk der angewandten Kunst über seine Bestimmung zur gewerblichen Verwertung durch Industrie oder Handwerk.309 Der Gebrauchszweck sei vom subjektiven Willen des Urhebers abhängig und daher zur Abgrenzung ungeeignet. Überdies stelle auch das Designrecht auf die gewerbliche Verwertbarkeit des Erzeugnisses ab. Auch die Motive zum Folgerecht ließen nur eine entsprechende Deutung zu.310 Das hat zur Folge, dass »künstlerisch gestaltete Gebrauchsgegenstände, wie Vasen, Schalen, Gläser, Teppiche«, also alle Gegenstände des Kunstgewerbes im heutigen Sinn zur reinen Kunst gehören, wenn sie Unikate sind.311 Die Rechtsprechung war in der Vergangenheit nicht eindeutig.312 Einerseits stellen Teile der Rechtsprechung seit langem auf den Gebrauchszweck ab.313 Dagegen ging der Bundesgerichtshof noch im »Silberdistel«-Urteil davon aus, dass der streitgegenständliche »in Serie hergestellte Silberdistel-Ohrclip als ein Gebrauchszwecken dienendes kunstgewerbliches Erzeugnis der angewandten Kunst » zuzurechnen sei.314 Mittlerweile stellt jedoch auch der Bundesgerichtshof klar auf den Gebrauchszweck ab.315 Für die herrschende Meinung spricht zunächst der Wortlaut.316 In praktischer Hinsicht wird ein Gebrauchszweck bei den fraglichen Gestaltungen häufig vorliegen, die gewerbliche Verwertbarkeit ist dagegen nicht leicht festzustellen. Denn die Bestimmung (nicht: Eignung) zur gewerblichen Verwertung ist ein äußerst subjektives Kriterium. Auch bei den anderen Werkarten ist die gewerbliche Verwertbarkeit kein Unterscheidungskriterium.317 Dem ist entge307 Dietrich/Szalai DZWIR 2014, 158. 308 Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 35f. 309 Heydt GRUR Int. 1960, 197, 198; ders. GRUR 1968, 530, 532f.; Henssler GRUR 1961, 397, 398; Katzenberger, Das Folgerecht im deutschen und ausländischen Urheberrecht, S. 87; Schricker/Katzenberger 4. Aufl., § 26 Rn 24; G. Schulze FS 100 Jahre GRUR, S. 1303 Rn 74; Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 47f.; nicht eindeutig Obergfell GRUR 2014, 621; sympathisierend Loewenheim GRUR 1987, 761, 764. 310 Katzenberger Das Folgerecht im deutschen und ausländischen Urheberrecht, S. 87. 311 Schricker/Katzenberger 4. Aufl., § 26 Rn 24; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 170. 312 Gerstenberg GRUR 1974, 707, 709f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 171. 313 Widersprüchlich OLG Koblenz GRUR 1967, 262, 264 – Barockputten; vgl. von Rauscher auf Weeg GRUR 1967, 572, 574. 314 BGH GRUR 1995, 581, 582 – Silberdistel. 315 BGHZ 199, 52 Tz 16 – Geburtstagszug; BGH GRUR 2012, 58 Tz 17 – Seilzirkus. 316 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 171; oben S. 41. 317 aaO.
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genzuhalten, dass bei den anderen Werkarten auch der Gebrauchszweck keine Rolle spielt. Gleichzeitig ist die gewerbliche Verwertung von Kunstwerken spätestens seit Keith Harings »Pop Shop« selbst ein Thema in der reinen Kunst. Ein Blick in einen Museumsladen zeigt, wie einfach aus Werken der reinen Kunst industrielle Gebrauchsgegenstände entstehen können.318 Jedoch ist festzuhalten, dass der Schutz eines besonders innovativ gestalteten gewerblichen Produkts gerade der Zweck des Designrechts und damit nicht des Urheberrechts ist.319 Daher ist der herrschenden Auffassung grundsätzlich zu folgen. Für den Gebrauchszweck kommt es auf die konkrete Verwendbarkeit der Gestaltung an. Unbeachtlich sind die Vorstellungen des Urhebers und die tatsächliche Nutzung eines Eigentümers des Werkstücks, wenn dieser es zweckentfremdet. Allgemeinsprachlich wird der Begriff »angewandte Kunst«mit dem Begriff »Design« gleichgesetzt,320 wenn man vom Fotodesign absieht, das unter § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG fällt.321 Als Oberbegriff für als angewandte Kunst und als Design schutzfähige Gestaltungen hat Eugen Ulmer »industrielle Formgebung« vorgeschlagen.322 Nach dem Gebrauchszweck lassen sich auch alle urheberrechtlichen Werke im Sinne des § 2 Abs. 1 UrhG einteilen, nämlich in »zu einem bestimmten Gebrauchszweck geschaffen[e] Gestaltungen« und das Gebrauchsschrifttum auf der einen und musikalische und literarische Werke und Werke der »reinen« Kunst auf der anderen Seite.323 Eine solche Aufteilung ist hilfreich, weil sie ergebnisorientiert vom Befund der Gemeinsamkeiten bei den Anforderungen der Rechtsprechung an die Schöpfungshöhe ausgeht. Ausnahmen sind hier jedoch wegen der besonderen unionsrechtlichen Vorgaben bei Computerprogrammen, Datenbank- und Lichtbildwerken zu machen, ebenso bei Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art.324 Der von der ursprünglichen Wortbedeutung »Design« eigentlich gemeinte Entwurf ist in § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG vom Schutz mit erfasst. Diese Regelung ist jedoch eigentlich überflüssig, wenn sie nicht ohnehin auf Werke der Baukunst beschränkt wird.325 Denn bereits in der ersten Skizze liegt eine schutzfähige 318 aaO S. 170; vgl. Schricker FS 100 Jahre GRUR, S. 1095 Rn 29. 319 Obergfell GRUR 2014, 621, 621f.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 73. 320 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 3; Ebling/M. Schulze/W. Nordemann/Dustmann Kunstrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn 61. 321 A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128. 322 E. Ulmer GRUR Int. 1959, 1. 323 Erdmann FS Loschelder, S. 61, 69. 324 aaO S. 70. 325 Ebling/M. Schulze/W. Nordemann/Dustmann Kunstrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn 77.
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Formgebung.326 Schon im Entwurf liegt die eigentliche Leistung des DesignKünstlers,327 wie das »Geburtstagszug«-Urteil zeigt.328 Ursprünglich waren neben den »Erzeugnissen des Kunstgewerbes« in § 2 Abs. 2 KUG die Entwürfe für Erzeugnisse des Kunstgewerbes separat erwähnt.329 Ganz anders lautet ein älterer Definitionsvorschlag de lege ferenda: »Angewandte Kunst (Werkkunst) ist die Form, Werkstoff und Gebrauchszweck in eigenpersönlicher künstlerischer Formgebung harmonisch vereinigende Gestaltung von Gebrauchsgegenständen, sei es als handwerkliches Einzelstück, sei es als handwerkliche oder industrielle Vervielfältigung.«330 Dieser Vorschlag regelt die Schutzschwelle inzident und ist dabei mit dem Begriff »harmonisch« noch einem altmodischen Kunstverständnis verhaftet. Er erfasst ausdrücklich auch Unikate, wirft aber mit dem unbestimmten Rechtsbegriff »Gebrauchsgegenstand« gleich wieder neue Auslegungsfragen auf. 6.
Der Gebrauchszweck
Von der herrschenden Definition der allgemeinen Kunst ausgehend fragt sich anschließend, wie der Gebrauchszweck einer Gestaltung zu bestimmen ist. Grundsätzlich spielt der Zweck eines Werks im Urheberrecht keine Rolle.331 Die Unterscheidung des Gesetzes zwischen der reinen und der angewandten Kunst macht davon eine Ausnahme. Auch die reine Kunst verfolgt einen Zweck,332 auch wenn dieser nach dem Grundsatz »l’art pour l’art« in einem Selbstzweck liegen mag. Ein Reiterstandbild verkörpert jedoch auch den dargestellten Herrscher, ein Portrait erinnert an die abgebildete Person, eine Fassadenmalerei verziert ein Gebäude, ein Andachtsbild ruft zum Gebet.333 Kunstwissenschaftlich unterscheidet man dementsprechend hauptsächlich politische, abbildende, ästhetische und religiöse Zwecke der bildenden Kunst.334 Der Zweck der reinen Kunst ist damit metaphysisch. Werke der angewandten 326 BGHZ 199, 52 Tz 15 – Geburtstagszug; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 38. 327 Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 35. 328 Unten S. 120. 329 Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 49. 330 aaO S. 172. 331 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 44. 332 Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 70; R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 69. 333 R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 69; vgl. Schramm Die schöpferische Leistung, S. 182, 193; a. A. zu religiöser Kunst als angewandte Kunst Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 71. 334 Busch/Schmoock/Busch, Kunst. Die Geschichte ihrer Funktionen, S. 6; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 205.
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Grundlagen
Kunst haben dagegen einen Gebrauchszweck, der in einer praktischen Anwendung ihrer Gestaltung liegt. Diese Anwendung ist von den dargestellten höheren Zwecken der bildenden Kunst im engeren Sinn zu unterscheiden. Auf dieser Grundlage können Werke der angewandten Kunst von der reinen Kunst abgegrenzt werden. Bisweilen wird in der Literatur angenommen, dass der Gebrauchszweck eines Werks messbar sei.335 Auf dieser Idee basiert die Prävalenztheorie Wilhelm Nordemanns.336 Diesem Verständnis ist zu widersprechen: Der Gebrauchszweck eines Werks ist entweder vorhanden, dann handelt es sich um ein Werk der angewandten Kunst, oder er fehlt, dann ist es ein Werk der reinen Kunst. Was sich dagegen unterscheiden lässt ist, ob ein Gegenstand über die durch den Gebrauchszweck vorgegebene Form hinaus mehr oder weniger gestalterische Elemente aufweist. Auf der anderen Seite abzugrenzen sind Werke der reinen Kunst, die nur in der Form eines Gebrauchsgegenstands auftreten. Dazu gehören zum Beispiel Bildteppiche, die niemals zur Verwendung als Bodenbelag gedacht sind,337 oder Keramik, die nur aufgrund der künstlerischen Tradition noch die Form eines Tellers, einer Maske oder einer Vase annimmt. Auch eine Portraitminiatur für ein Medaillon ist für sich genommen reine Kunst.338 Grenzfälle sind zum Beispiel asiatische Wandschirme und die Plakatkunst. Eine Gestaltung, die nur ästhetische Zwecke verfolgt, ist damit der reinen Kunst zuzurechnen. Ein schwieriges Abgrenzungsproblem besteht dabei zwischen Dekorationsgegenständen, so genanntem Nippes, und trivialer Kunst. Zwischen den vom Bundesgerichtshof untersuchten »Tierfiguren«339 und Jeff Koons’ »Balloon Dog« mögen in künstlerischer Hinsicht Welten liegen – oder auch nicht. Ein qualitativer Unterschied in urheberrechtlicher Hinsicht lässt sich jedenfalls nicht ausmachen. Dass ein Dekorationsgegenstand einen Gebrauchszweck haben soll, nicht aber zum Beispiel eine barocke Heiligenfigur, erschließt sich nicht auf den ersten Blick.340 Ein Gebrauchszweck im dargestellten eigentlichen Sinn ist hier nicht auszumachen.341 Eine mögliche Lösung des Problems ist es, »Sammel- und
335 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 13f.; Loewenheim/G. Schulze Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 70 Rn 99. 336 Unten S. 92f. 337 Eichmann/Kur/G. Schulze Designrecht, 1. Aufl., § 4 Rn 17; Kummer FS Vischer, S. 701, 712. 338 A. A. E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 88f. 339 BGH GRUR 1974, 669 – Tierfiguren. 340 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 94; von Rauscher auf Weeg GRUR 1967, 572, 574; vgl. Kummer FS Vischer, S. 701, 711. 341 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 190.
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Der Rechtsbegriff der angewandten Kunst
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Schmuckzwecke« zu den Gebrauchszwecken zu zählen342 oder von einem »gedanklichen« Gebrauchszweck zu sprechen.343 Man müsste also den Begriff des Gebrauchszwecks von einer rein praktischen Anwendbarkeit um den Aspekt bloßer Dekoration erweitern. Wer jedoch Dekorationsgegenstände, wie Tierfiguren für Sammler, zu den Werken der angewandten Kunst zählt, kommt bei einer Tierplastik wie Anton Pucheggers »Missie«, einem »Höhepunkt der Holzskulptur nach 1900«344 (Abb. 5) in Schwierigkeiten.
Abbildung 5: Anton Puchegger (1878–1917): »Missie«, Palisander, 1916/1917, 10V36V35 cm, Alte Nationalgalerie.
Dies gilt um so mehr für FranÅois Pompons »Eisbär« (Abb. 6), der nämlich zudem noch in hoher Auflage erschien. Ein »Sammelzweck« kann nicht ein Werk der angewandten Kunst ausmachen, wenn doch bildende Künstler davon leben, dass so genannte Kunstsammler ihre Werke kaufen. Und die Blumenstillleben 342 OLG Koblenz GRUR 1967, 262 – Barockputten; Schricker GRUR 1991, 563, 564; Runge, Urheber- und Verlagsrecht, S. 289; a. A. Heydt GRUR 1968, 530, 533. 343 Kummer FS Vischer, S. 701, 711. 344 Staatliche Museen zu Berlin Rückkehr des Kriegsverlustes »Porträt der Schimpansin Missie« von Anton Puchegger in die Alte Nationalgalerie, 2. 12. 2014.
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Grundlagen
der flämischen Meister waren mehr zur Dekoration als zur Verkörperung des Vanitasmotivs bestimmt.345 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Rechtsprechung naturalistische Illustrationen sogar dann noch als Werke der reinen Kunst anerkennt, wenn sie zur Ausgestaltung von Werbeanzeigen oder Verpackungen verwendet werden.346
Abbildung 6: FranÅois Pompon (1855–1933): »Ours Blanc«, Marmor, ca. 1923, 28V48V17 cm, Metropolitan Museum of Art.
Insofern entlarvt sich der Bundesgerichtshof in »Hummel-Figuren I« selbst, wenn er die streitgegenständliche Figur zunächst urheberrechtlich als Werk der angewandten Kunst einordnet, aber im markenrechtlichen Teil der Entscheidung sagt, es handle sich um »Kunstwerk[e] – und dazu gehören auch die nach dem Kunstschutzgesetz geschützten Erzeugnisse des Kunstgewerbes –, die keinem Gebrauchszweck dienen und deren Wert der Verkehr ausschließlich nach ihrem ästhetischen Gehalt bemißt«.347 Wenn man dann sieht, dass die Rechtsprechung in der Vergangenheit bei diesen Werken verhältnismäßig niedrige Anforderungen an die Individualität der Gestaltungen stellt,348 hat man ein
345 346 347 348
Ebert-Schifferer Die Geschichte des Stilllebens, S. 154f.; Grimm Stilleben in Europa, S. 372. KG GRUR-RR 2001, 292 – Bachforelle; OLG Hamburg NJOZ 2005, 124 – Weinlaubblatt. BGH GRUR 1952, 516, 518 – Hummel-Figuren I. Unten S. 59.
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weiteres Argument zur Hand, sie gleich zu den Werken der reinen Kunst zu zählen. Denn es kann keinen Unterschied hinsichtlich der Bestimmung der Werkart machen, ob man eine Skulptur in einem Museum ausstellt oder ob man sie als Schlüsselanhänger bei sich führt.349 In dieser Hinsicht leidet die Kunstbetrachtung an einem »Museumskomplex«:350 Einerseits wurde zur hohen Kunst gezählt, was in einem Kunstmuseum zu sehen war, andererseits wurde ein Schutz als Werk der angewandten Kunst nur anerkannt, was in die Sammlung eines Kunstgewerbemuseums, wie das Victoria and Albert Museum, das Museum of Modern Art oder das Wiener Kunstgewerbemuseum, aufgenommen wurde.351 Insbesondere Dekorationsgegenstände werden kunsthistorisch als Kunstgewerbe verstanden und außerhalb volkskundlicher Museen nur selten ausgestellt. Deshalb ist der Gebrauchszweck eng und unter Ausschluss des »Schmuckzwecks« zu verstehen. Dekorationsgegenstände gehören damit zu den Werken der reinen Kunst. Dazu müssen sie freilich hinreichend individuell sein. Die praktische Konsequenz der Zuordnung von Dekorationsgegenständen zu den Werken der reinen Kunst liegt insbesondere in einem Folgerecht für Urheber von Sammlerfiguren.352 7.
Ergebnis
Die Abgrenzung der reinen von der angewandten Kunst ist schwierig und wird in manchen Fällen sogar für unmöglich gehalten.353 Letzterem ist zu widersprechen und folgendes Auslegungsergebnis festzuhalten: Angewandte Kunst ist bildende Kunst, die einen Gebrauchszweck hat. Der Gebrauchszweck bezeichnet die praktische Nutzbarkeit, wobei diese über die Verkörperung einer künstlerischen Botschaft hinausgehen muss. Entgegen der herrschenden Meinung kann der Gebrauchszweck deshalb nicht die bloße Dekoration umfassen.
II.
Erfasste Gestaltungen
Im letzten Abschnitt wurde ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung und Lehre eine genaue Definition der angewandten Kunst herausgearbeitet. Was also kann danach alles angewandte Kunst sein? Die Palette der erfassten Werke ist 349 A. A. Gerstenberg GRUR 1963, 245, 249. 350 Gerstenberg Die Urheberrechte an Werken der Kunst, der Architektur und der Photographie, S. 56. 351 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 140; Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 57. 352 Vgl. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 205. 353 Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 21.
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Grundlagen
enorm. Bei der Eröffnung einer Grafikdesign-Ausstellung sagte der Herzog von Edinburgh 1967: »Alles, was Sie um sich herum sehen, das nicht von Gott geschaffen ist, ist die Arbeit eines menschlichen Designers oder Architekten. Das sollte ausreichen, um jeden von der enormen Bedeutung des Designs zu überzeugen.«354 Den enormen kulturellen Wert dieser Werke355 zeigen die Werbeplakate von Henri Toulouse-Lautrec für das Pariser Nachtleben und die Friedenstaube von Pablo Picasso, entworfen für den Weltfriedenskongress 1949 genauso wie die Produktdesigns von Philippe Starck und die Autos von Luigi Colani bis hin zu Otl Aichers Sportpiktogrammen für die Olympischen Spiele 1972 und die Schriftarten Schweizer Typografen wie Adrian Frutiger – all diese Schöpfungen sind aus urheberrechtlicher Sicht Werke der angewandten Kunst. 1.
Herkömmliche Aufzählungen
Herkömmliche Aufzählungen der Werke der angewandten Kunst beschränken sich meist auf assoziativ oder auf der Grundlage der bekannten Rechtsprechung erstellte Listen von Gestaltungen, die in die Werkart der angewandten Kunst fallen. Entsprechend finden sich an vielen Stellen in der urheberrechtlichen Literatur Aufzählungen, wonach zu den Werken der angewandten Kunst »kunstgewerbliche Gegenstände jeglicher Art, Gegenstände industrieller Formgebung, Gebrauchsgrafik, Modeschöpfungen, Möbel und dergleichen«356 gehören.357 Traditioneller und näher an der Kunstwissenschaft358 ist die Herangehensweise nach Gewerken, zum Beispiel in der folgenden Liste: »Erzeugnisse der Metallschmiedekunst, Schöpfungen der Holz- und Lederverarbeitung, des Juweliergewerbes, der Spitzenklöppelei und der Teppichknüpferei, die Gebilde der keramischen und der Glasindustrie, die Produktion der künstlerisch arbeitenden Papier- und Textilindustrie, die Gestaltung von Schrifttypen, Buchdeckeln und Spielzeuggegenständen, schließlich der ganze Bereich der Gebrauchsgraphik«.359
354 R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 66. 355 Schricker GRUR 1996, 815, 818f.; Kur GRUR Int. 1998, 353; a. A. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 2. 356 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 158. 357 Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 29; Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 32; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 187ff.; Obergfell GRUR 2014, 621. 358 Oben S. 45ff. 359 von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 21; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 6f.
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2.
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Systematischer Ansatz
Die bisherigen Beschreibungen der vom Gesetz erfassten Werke nehmen lediglich eine Kategorisierung der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung vor. Notwendig ist jedoch eine induktive und systematische Aufstellung aller denkbaren schutzfähigen Werke der angewandten Kunst ausgehend von der erarbeiteten Definition. Dabei spricht viel für eine grundsätzliche Kategorisierung nach zweidimensionaler angewandter Kunst, also dem Grafikdesign oder der Gebrauchsgrafik,360 und dreidimensionaler angewandter Kunst, also der Produktgestaltung oder dem Produktdesign. Diese Aufteilung wurde vereinzelt auch schon beiläufig in der Literatur vorgenommen.361 Darüber hinaus lässt sich diese Trennung kunstwissenschaftlich rechtfertigen.362 Auch sind der Grafik- und der Produktdesigner in der Arbeitswelt zwei verschiedene Berufe.363 Dieser Ansatz ist möglich, wenn man die Mode unter das Produktdesign subsumiert; übrig bleibt dann nur noch die Raumgestaltung, die keinem der beiden Bereiche so recht zugeordnet werden kann. Danach lassen sich die Werke der angewandten Kunst gemäß dem Schema in Abbildung 7 einordnen.
3.
Übersicht
Abschließend soll auf Grundlage der erarbeiteten Literatur eine Übersicht über alle denkbaren Gestaltungen erfolgen, gegebenenfalls unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur. Dabei wurden nur Fundstellen aufgenommen, die auch eine Aussage zur Einordnung als angewandte oder reine Kunst treffen und nicht nur die Werkeigenschaft diskutieren. Angewandte Kunst I. Produktdesign (gegenständliches Design) 1. Produktdesign i. e. S. a) Kunsthandwerk Der Begriff des Kunsthandwerks ist nicht im Sinne einer besonderen Fertigungsweise zu verstehen, da auch Unikate einen Gebrauchszweck haben können.364 Die Gegenstände des Kunsthandwerks werden heute häufig auch industriell hergestellt. 360 Pfister Der Gebrauchsgrafiker und das Recht, 2. Aufl., S. 6. 361 Deutlich Walter Österreichisches Urheberrecht, Rn 195; G. Schulze Die kleine Münze, S. 221; Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 54; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 510f.; Loewenheim/G. Schulze Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 70 Rn 99. 362 Oben S. 47f. 363 Unten S. 68. 364 Oben S. 49.
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Grundlagen
Kunsthandwerk Spielzeug, Spiele Werkzeug
Produktdesign
Verpackungen
Nahrungsmittel
Produktdesign i.e.S.
Haushaltwaren
Mode
Stadtmöbel
Layout
Dekorationsgegenstände? Uhren, Schmuck Geräte, Instrumente Bestecke, Geschirr Gefäße
Einrichtungsgegenstände
Möbel, Lampen
Maschinen
Fahrzeuge?
Illustrationen? Muster
Grafikdesign
Sonstiges
digitales Design
Papier, Stoffe Websites Benutzeroberflächen
Werbegrafik
Plakate, Etiketten
Symbolgrafik
Logos, Wappen
Typografie
Schriften, Schriftbilder
Raumgestaltung
Bühnenbilder, Filmkulissen
Innenausstattung?
Geschäftsräume?
Abbildung 7: Versuch einer Systematik der Werke der angewandten Kunst.
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(1) Dekorationsgegenstände? Nach herkömmlicher, aber abzulehnender365 Ansicht werden auch Dekorationsgegenstände zu den Werken der angewandten Kunst gezählt. Eine verfehlt auf die Prävalenztheorie zurückgreifende Definition beeichnet sie als »Produkte, bei denen der Dekorationszweck im Vordergrund steht«.366 Richtigerweise haben Dekorationsgegenstände jedoch keinen anderen Zweck als die Dekoration. Hauptanwendungsfall der dekorativen Kunst sind Figuren, vor allem von Tieren und Fantasiegestalten. Sie haben keinen Gebrauchszweck und sind damit Werke der reinen Kunst.367 (2) Schmuck Zum Schmuck368 zählen auch Uhrengehäuse und Ziffernblätter und andere Kunstschmiedegegenstände und Gravurarbeiten wie Medaillen, Münzen und Plaketten. Der Gebrauchszweck ist beim Schmuck im engeren Sinne schwer auszumachen, er liegt wohl einfach in der Befestigung am Körper. Im Gegensatz zu den Dekorationsgegenständen ist hier jedoch noch von angewandter Kunst auszugehen. (3) Floristik? Gebundene Blumen haben keinen Gebrauchszweck. Sie können jedoch Gestaltungen der bildenden Kunst sein, zum Beispiel in der Form des japanischen Ikebana.369 b) Spielzeug370, Spiele einschließlich Plüschtiere371 c) Haushaltwaren
365 Oben S. 55. 366 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511. 367 BGH GRUR 1988, 690 – Kristallfiguren; OLG Frankfurt am Main GRUR 1984, 520 – Schlümpfe; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 161; a. A. RGZ 135, 385 – künstliche Blumen; BGH GRUR 1974, 669 – Tierfiguren; BGH GRUR 1952, 516 – HummelFiguren I; OLG Schleswig GRUR 1985, 289 – Tonfiguren; OLG Koblenz GRUR 1967, 262 – Barockputten; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 165. 368 BGH GRUR 1995, 581 – Silberdistel; OLG Frankfurt am Main NJW-RR 2005, 1132 – Panther mit Smaragdauge; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 294 – Spannring; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 171; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 181; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 62 (»Broschen«). 369 A. A. Runge, Urheber- und Verlagsrecht, S. 292. 370 RGZ 115, 180 – Puppen; BGH GRUR 2011, 803 – Lernspiele; BGH GRUR 2012, 58 – Seilzirkus; LG Nürnberg-Fürth GRUR 1995, 407 – Playmobil-Figur ; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 136; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 65. 371 BGHZ 118, 394 – Alf.
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Grundlagen
(1) Bestecke372 (2) Geschirr373 (3) Gläser374 (4) Vasen375 Bei Keramik ist zu beachten, dass diese bei künstlerischen Vasen und Tellern unter Umständen bloße Ausdrucksform eines Werks der reinen Kunst sind.376 (1) andere Gefäße: Urnen377, Körbe (2) Kerzenhalter378 d) sonstige Werkzeuge? (1) Geräte, Waffen? (2) Musikinstrumente?379 Die Gestaltung von Musikinstrumenten enthält meist keine künstlerischen Elemente, sondern ist von der Funktion oder der Tradition vorgegeben. Ausnahmen bilden verzierte Instrumente, wie Harfen und Cembali sowie Orgelprospekte und E-Gitarren380. e) Nahrungsmittel? Industrielle Nahrungsmittel, die eine von ihrer Verpackung unabhängige besondere Gestaltung aufweisen, können künstlerischen Charakter annehmen.381 Auch auf einem Teller angerichtete Speisen könnten Gestaltungen der angewandten Kunst sein.382 Gebrauchszweck ist hier schlicht der Verzehr. f) Einrichtungsgegenstände (1) Möbel Die Rechtsprechung gerade zu Designermöbeln ist kaum zu überblicken.383 Denkbar sind auch andere Schreinerarbeiten bis hin zu Särgen. 372 RGZ 124, 68 – Besteckmuster ; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 61f. 373 RGZ 72, 162 – Abziehbilder ; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 165a; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 64. 374 OLG München ZUM 2011, 170 – Eierkocher ; LG Köln ZUM-RD 2009, 613 – Weißbiergläser ; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 165a. 375 BGHZ 29, 62 – Rosenthal-Vase; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 187. 376 Oben S. 52. 377 OLG Köln GRUR-RR 2015, 275, 276 – Airbrush-Urnen. 378 BGHZ 199, 52 – Geburtstagszug; BGH GRUR 1972, 38 – Vasenleuchter. 379 Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 64. 380 BGH GRUR 1998, 830, 832 – Les-Paul-Gitarren. 381 Vgl. aus dem Designrecht OLG Düsseldorf GRUR-RR 2013, 144 – Paula. 382 Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 832, a. A. Kreutzer/Pachali, Wer Essen fotografiert, kann gelassen bleiben, iRights.info, 26. 8. 2015. 383 RG GRUR 1932, 892 – Stahlrohrmöbel; BGH GRUR 1961, 635 – Stahlrohrstuhl I; BGH
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(2) Lampen384 (3) Türen und Fenster g) sonstige Gegenstände der Inneneinrichtung385 h) Stadtmöbel und Ähnliches (1) Tore, Straßenlaternen, Bushaltestellen (2) Grabsteine386 Grabsteine haben durch ihre Markierungsfunktion einen Gebrauchszweck wie Schilder. Denkmale sind dagegen Werke der reinen Kunst. (3) Brunnen? Brunnen sind Gestaltungen der angewandten Kunst, ihr Gebrauchszweck ist es, Wasser und Kühlung zu spenden.387 i) Maschinen Der hier in der Literatur teilweise verwendete Begriff des Industriedesigns388 darf nicht missverstanden werden als Beschreibung des Herstellungsprozesses, auf den es nach der hier vertretenen Definition nicht ankommt.
384
385 386 387 388
GRUR 1981, 820 – Stahlrohrstuhl II; BGH GRUR 1974, 740 – Sessel; BGH GRUR 1987, 903 – Le-Corbusier-Möbel; OLG Frankfurt am Main GRUR 1988, 302 – Le-Corbusier-Sessel; OLG Frankfurt am Main GRUR 1993, 116 – Le-Corbusier-Möbel; OLG Frankfurt am Main GRUR 1981, 739 – Lounge Chair ; OLG Frankfurt am Main GRUR 1990, 121 – USM-Haller ; BGH GRUR 2004, 941 – Metallbett; OLG Hamburg GRUR 2002, 419 – Move; OLG Hamburg ZUM-RD 2002, 181 – Kinder-Hochstuhl; OLG Düsseldorf ZUM-RD 2002, 419 – BreuerHocker ; OLG Düsseldorf GRUR 1971, 415 – Studio 2000; OLG München ZUM 1992, 305 – Le-Corbusier-Möbel; OLG Frankfurt am Main ZUM 1990, 35 – Rollschränke; OLG Stuttgart NJW 1985, 1650 – Le-Corbusier-Möbel; LG Hamburg GRUR-RR 2009, 211 – BauhausKlassiker; BGH GRUR 1982, 305 – Büromöbelprogramm; BGH WRP 2013, 1480 – MarcBreuer-Möbel; BGH GRUR 2009, 856 – Tripp-Trapp-Stuhl; LG Hamburg GRUR-RR 2009, 123, 127 – Gartenstühle; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 164a, 177f.; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 169; Rauer/ Ettig WRP 2014, 135, 136; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 63. BGH GRUR 1979, 332 – Brombeerleuchte; OLG Düsseldorf GRUR 1954, 417 – Knickfaltenlampe; OLG Düsseldorf GRUR 1993, 903 – Bauhaus-Leuchte; OLG Hamburg GRUR 1999, 714 – Bauhaus-Glasleuchte; KG GRUR 2006, 53 – Bauhaus-Glasleuchte II; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 166; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 62. RGZ 139, 214 – Türdrücker ; OLG Hamburg WRP 1980, 159 – Toilettensitz; OLG Köln ZUMRD 2009, 603 – Kaminmodelle. Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 128; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 166; wohl a. A. (reine Kunst) OLG München UFITA 56 (1970), 315, 319f. – Grabdenkmal. A. A. (reine Kunst) OLG Hamm ZUM-RD 2011, 343; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 156b. Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 158 (»Gegenstände industrieller Formgebung«).
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Grundlagen
(1) Haushaltsgeräte389, Haushaltselektronik390 (2) Büromaschinen391 (3) Fahrzeuge?392 Bemerkenswert wenig Rechtsprechung findet sich im Bereich des Fahrzeugbaus. Gerade für die Automobilbranche müsste das Urheberrecht jedoch ein willkommenes Instrument gegen Nachahmungen sein.393 Daneben kommt der Schiffbau in Betracht. Beachtung verdient die These, Fahrzeuge fielen unter die Panoramafreiheit.394 Es ist jedoch fraglich, ob sich die permanente Bewegung mit der Voraussetzung »bleibend« in § 59 UrhG verträgt. 2. Verpackungen Der zweite große Bereich des Produktdesigns sind Verpackungen aller Art.395 3. Modeerzeugnisse396 a) Kleidung397 b) Frisuren? Gebrauchszweck ist hier die Ordnung der Haare. c) Maskenbilder398 II. Grafikdesign399 1. Layout:400 Broschüren, Prospekte, Kataloge401 389 390 391 392 393 394 395
396 397 398 399 400
Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511. Runkel MR-Int. 2013, 82, 83. Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511. OLG Celle GRUR 2001, 125 – Stadtbahnwagen; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 159; Ebling/M. Schulze/W. Nordemann/Dustmann Kunstrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn 66; Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., Einl. A Rn 36. Vgl. Schultes Urheberrecht: Oldtimer nur noch mit Lizenz zu restaurieren?; als Design BGH GRUR 2010, 718 – verlängerte Limousinen; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 25. OLG Köln ZUM-RD 2016, 80, 82 – AIDA-Kussmund (nicht rechtskräftig); G. Schulze FS Ullmann S. 93, 96f.; Riecken Schutzgüter in der Filmkulisse, S. 74; a. A. Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 387. BGHZ 144, 232, 234 – Parfümflakon; KG ZUM 2005, 230 – Natursalz-Produkt; Ebling/M. Schulze/W. Nordemann/Dustmann Kunstrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn 73; Fromm/Nordemann/ A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 188; S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 75. Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 176; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 168; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511. BGHZ 16, 4 – Mantelmodell; LG Leipzig GRUR 2002, 424 – Hirschgewand; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 62 (»Strickmuster«). BGH GRUR 1974, 672 – Celestina; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 173. Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 158. Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 171.
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2. digitales Design a) Computergrafiken? Die selbstständige Einordnung von Computergrafiken innerhalb der angewandten Kunst402 ist teilweise irreführend, wenn sie nur das Medium und nicht den Zweck des Werks beschreibt. Auch sind 3D-Objekte keine angewandte Kunst, wenn sie nur der Betrachtung dienen.403 b) Websites404 c) Benutzeroberflächen405 3. Werbegrafik:406 Plakate,407 Etiketten408 4. Symbolgrafik: Logos,409 Signets410 und Schriftzüge411 sowie Wappen und Embleme412 Bei Logos liegt der Gebrauchszweck in der Repräsentation und Wiedererkennung des Unternehmens.413 5. Illustrationen? Wie bei Dekorationsgegenständen sind von den Illustrationen, die einen Gebrauchszweck wie die Vermittlung einer praktischen Botschaft besitzen, von rein ästhetisch wirkenden Gestaltungen der bildenden Kunst, wie
401 RGZ 117, 230 – Titelbild; KG ZUM-RD 1997, 466 – Zeitschriftenlayout; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 510 (»sonstiges Werbematerial«); S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 71; a. A. BGH GRUR 1961, 85, 87 – Pfiffikus-Dose (Schriftwerk). 402 OLG Köln GRUR-RR 2010, 141–3D-Messestände; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 158a, 189. 403 A. A. LG Köln MMR 2008, 556, 558 – Virtueller Dom. 404 LG Köln CR 2008, 61 – tarifcheck24.de; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 175. 405 LG Köln ZUM 2005, 910 – Multimediapräsentation; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 175. 406 RGZ 127, 206 – Werbeanzeige; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 189; S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 71. 407 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 510; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 176; S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 71; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 64; a. A. (reine Kunst) OLG Jena GRUR-RR 2002, 379 – Rudolstädter Vogelschießen. 408 OLG München GRUR 1956, 231 – Bierflaschenetikett; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 510; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 62; S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 71. 409 BVerfG GRUR 2005, 410 – Laufendes Auge; OLG Köln GRUR 1986, 889 – ARD-1; Fromm/ Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 172; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 510. 410 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 167; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 64. 411 OLG Frankfurt am Main GRUR 1987, 44 – WM-Slogan; LG Oldenburg GRUR 1987, 235 – Preishammer ; S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 74; Schutzfähigkeit als Design BPatG MIR 2014, Dok. 057. 412 LG Hamburg GRUR-RR 2005, 106 – SED-Emblem; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 174. 413 LG Hamburg, Urt. v. 24. 4. 2012 – 310 O 100/11, juris – Ponto-Auge.
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Grundlagen
sie auch in der Werbung auftreten können, zu unterscheiden.414 Keine Gestaltungen der angewandten Kunst sind daher Comicfiguren415 und Buchillustrationen. a) Tätowierungen? Tätowierungen könnte man auf den ersten Blick wie anderen Körperschmuck als Werke der angewandten Kunst ansehen. Bei ihnen ist jedoch die Haut nur Trägermedium für ein ansonsten typisches Werk der bildenden Kunst, das keinen weiteren Gebrauchszweck als die Verschönerung des Trägers bezweckt, so dass es sich um reine Kunst handelt.416 b) Briefmarken, Banknoten417 6. Muster a) Papiermuster,418 Tapeten419 b) Stoffmuster,420 Teppiche421 Wandteppiche haben ihren Gebrauchszweck, die Isolierung, mittlerweile abgelegt.422 7. Typografie a) Schriften423, Schriftzeichen, Symbole Die Gestaltung von Schriftzeichen ist häufig vom Gebrauchszweck
414 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511; angewandte Kunst: OLG Düsseldorf ZUM-RD 1998, 438 – Rinderkopf; LG Berlin CR 1987, 584 – btx-Grafik; reine Kunst: BGH GRUR 1958, 500 – Mecki-Igel I; OLG Hamburg NJOZ 2005, 124 – Weinlaubblatt; KG GRUR-RR 2001, 292 – Bachforelle. 415 So ausdrücklich OLG Karlsruhe ZUM 2000, 327, 329 – Happy Hippo; OLG Hamburg ZUM 1989, 359 – Pillhuhn; a. A. LG Oldenburg GRUR 1987, 636 – EMIL; vgl. OLG München ZUM 1993, 490 – Sonnengrafik. 416 Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 227; Duvigneau ZUM 1998, 535; Ebling/M. Schulze/W. Nordemann/Dustmann Kunstrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn 48; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 184. 417 Häde ZUM 1991, 536; Ebling/M. Schulze/W. Nordemann/Dustmann Kunstrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn 65. 418 Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 165; S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 74; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 65. 419 Henssler aaO S. 65. 420 RGZ 155, 199 – Möbelstoffe; BGH GRUR 1983, 377 – Brombeer-Muster ; BGH GRUR 1967, 315 – skai-cubana; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 173; widersprüchlich Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 66, 63f. 421 OLG Celle GRUR 1958, 405 – Teppichmuster; Henssler aaO S. 64. 422 Oben S. 52; Banham/Fairchild Encyclopedia of Interior Design, S. 1131. 423 RGZ 76, 344 –Schulfraktur ; BGHZ 27, 351 – Candida-Schrift; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 511; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 172; S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 74; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 64f.; zweifelnd Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 182.
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vorgegeben, oder es wurde lediglich eine vorbekannte Form genutzt.424 Der besondere Geschmacksmusterschutz durch das Schriftzeichengesetz425 wurde mit der Designreform 2004 abgeschafft.426 b) Briefköpfe, Schriftbilder427 c) Notensatz? Umstritten ist die Schutzfähigkeit von Notenbildern unabhängig vom Schutz der verkörperten Musikwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG) und vom gesondert geregelten »Kopierverbot« des § 53 Abs. 4 lit. a UrhG. Grundsätzlich ist der westliche Notensatz nämlich durch Konventionen vorgegeben, und ein gutes, also in seinem Aufbau und seiner Verteilung leicht zu lesendes Notenbild ist ähnlich wie der Buchsatz ein Handwerk, dessen Regeln heute Computerprogramme mit großer Perfektion beherrschen. Die Ansicht, es handle sich um Gestaltungen der angewandten Kunst,428 ist daher abzulehnen.429 Auch die Schutzfähigkeit als wissenschaftliche Darstellung430 ist nur im Bereich der Musikwissenschaft denkbar.431 III. Sonstiges 1. Raumgestaltungen? Schwierig ist die Einordnung von Raumgestaltungen, insbesondere in Abgrenzung zur Architektur. a) Bühnenbilder, Filmkulissen, Schaufenster Bühnenbilder und Filmkulissen sind weniger geplante, begehbare Räume als vielmehr Teil der Ausstattung anderer Werke und daher der angewandten Kunst zuzuordnen.432 Ähnliches gilt für Schaufenstergestaltungen.433 424 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 191. 425 Gesetz zum Wiener Abkommen vom 12. 6. 1973 über den Schutz typographischer Schriftzeichen und ihre internationale Hinterlegung vom 8. 7. 1981, BGBl. II S. 382; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 192. 426 Art. 2 Abs. 16 Geschmacksmusterreformgesetz, unten S. 110ff. 427 BGHZ 22, 209 – Europapost; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 62. 428 Hanser-Strecker UFITA 93 (1982), 13, 15f.; ders. FS Kreile, S. 269. 429 Zweifelnd auch Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 170; Fromm/Nordemann/ A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 179 (Schutzfähigkeit nur für ornamentalen Notensatz); vgl. lauterkeitsrechtlich BGH GRUR 1986, 895 – Notenstichbilder ; Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 12 (kein Schriftwerk). 430 Hanser-Strecker UFITA 93 (1982), 13, 16; ders. FS Kreile, S. 269. 431 LG Köln ZUM 2006, 961, 962 – Prim; Dreier/G. Schulze, 5. Aufl., § 2 Rn 222. 432 BGH GRUR 1986, 458 – Oberammergauer Passionsspiele (reine oder angewandte Kunst); LG München ZUM 2002, 71 – Der Zauberberg (Baukunst); Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 158; Loewenheim/G. Schulze Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 9 Rn 110, § 71 Rn 91 (angewandte Kunst oder Baukunst); Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 157 (»als Werke der Innenarchitektur«); Henssler Urheberschutz in der ange-
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b) Gartenkunst? Die klassische Gartenkunst ist Teil der Architektur.434 Einzelne gärtnerische Elemente wie Blumeninseln können dagegen reine Kunst sein.435 c) Innenausstattung, Innenarchitektur? Innenarchitektur ist, wie das Wort schon besagt, der Baukunst zuzuordnen, wenn es um die Ordnung eines Raums geht, jedoch sind die einzelnen Einrichtungsgegenstände Gestaltungen der angewandten Kunst.436 d) Geschäftsraumgestaltung437 2. Feuerwerk? Feuerwerk hat keinen Gebrauchszweck.438
III.
Ökonomische und rechtspraktische Bedeutung der angewandten Kunst
Die ökonomische Bedeutung der angewandten Kunst ist aus mehreren Gründen schwer zu fassen. Erstens gibt es zwar eine »Designbranche«, diese orientiert sich aber nicht an urheberrechtlichen Kriterien. Eine rechtstatsächliche Untersuchung der Bundesregierung über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts aus dem Jahr 1989 setzte sich über dieses Problem schlicht hinweg.439 Zweitens konkurrieren Werke der angewandten Kunst, anders als Werke der
433 434
435 436
437 438 439
wandten Kunst und Architektur, S. 63; a. A. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 227 (reine Kunst oder Baukunst); Runge, Urheber- und Verlagsrecht, S. 292 (kein Schutz); Gerlach GRUR 1976, 613, 614 (Baukunst); Heker, Der urheberrechtliche Schutz von Bühnenbild und Filmkulisse, S. 48 (reine Kunst). Schramm Die schöpferische Leistung, S. 165. Grundlegend Schaefer Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der Gartengestaltung, S. 36, 58 m.w.N., 61f.; KG ZUM 2001, 590; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 155, 164; Gerlach GRUR 1976, 613, 614; a. A. (angewandte Kunst) Runge, Urheber- und Verlagsrecht, S. 292; vgl. Schramm Die schöpferische Leistung, S. 165; K. Schmidt UFITA 77 (1978), 1, 20. Schaefer Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der Gartengestaltung, S. 36. BGH GRUR 1982, 107 – Kircheninnenraumgestaltung; Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 28; vgl. Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 165; Schramm Die schöpferische Leistung, S. 166; Runge, Urheber- und Verlagsrecht, S. 290; a. A. (reine Kunst) Ebling/M. Schulze/W. Nordemann/Dustmann Kunstrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn 51; offen gelassen Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 62f.; Riecken Schutzgüter in der Filmkulisse, S. 40; (kein Schutz) Elster GRUR 1926, 493, 500. RGZ 110, 393 – Gaststätteninnenraum; OLG Köln GRUR-RR 2010, 141–3D-Messestände; LG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 39 – Messestand; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 175; vgl. Sander GRUR Int. 2014, 215, 216f. Vgl. Wassner Kunst, Geschmack und unlauterer Wettbewerb, S. 24. Hummel Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts, S. 30, 163.
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reinen Kunst, bei denen es sich meist um Unikate oder zumindest Originale handelt, mit ihren Nachahmungen.440 Damit sind hier nicht Plagiate gemeint, sondern vergleichbare, wenn auch nicht unbedingt künstlerisch gestaltete Gebrauchsgegenstände. Ein Designermöbel bewegt sich aus ökonomischer Sicht nicht im selben Markt wie ein Alltagsprodukt, aber der Gebrauchszweck kann aus Sicht des Benutzers derselbe sein. Drittens wird angewandte Kunst nicht nur in einem definierbaren Wirtschaftszweig geschaffen, sondern gerade im Bereich des Produktdesigns auch innerhalb des produzierenden Gewerbes.441 Die äußere Gestaltung eines Gebrauchsgegenstands ist für den Absatz nämlich von hoher Bedeutung.442 In jedem Fall handelt es sich um einen relevanten Marktbereich: In Deutschland wurden im Teilmarkt der »Designwirtschaft« 2012 etwa 18,8 Milliarden Euro umgesetzt.443 Die »Designbranche« ist dabei eine sozio-ökonomisch heterogene Gruppe. Die Tätigkeit und das Arbeitsumfeld eines Grafikdesigners unterscheidet sich deutlich von denen eines Indutriedesigners. Außerdem gelten unterschiedliche Bedingungen für den in der Designabteilung eines Industrieunternehmens angestellten Grafiker gegenüber dem selbstständigen.444 Eine Studie aus dem Jahr 1970 schätzt, dass 85 % aller Tätigkeiten der selbstständigen Grafik-Designer im Bereich der Wirtschaftswerbung lagen, für die angestellten Grafik-Designer sei diese Zahl noch höher.445 Bei der Vertragsgestaltung sei insbesondere der selbstständige Designer schutzbedürftig, da er seinen Auftraggebern deutlich unterlegen sei und »trotz formaler Selbstständigkeit eine unter Umständen recht weitgehende wirtschaftliche Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen oder Designbüros« vor-
440 Loewenheim/G. Schulze Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 9 Rn 99; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 4. 441 Hummel Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts, S. 160. 442 Benussi GRUR 1980, 403; A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128. 443 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2012, 2014, S. 100ff.: Angegeben ist der Wert für den Teilmarkt »Designwirtschaft« (mit den Wirtschaftszweigen Industrie-, Produkt- und Mode-Design, Grafik- und Kommunikationsdesign, Interior Design und Raumgestaltung, Büros für Innenarchitektur, Werbegestaltung (zu 50 % einberechnet), Herstellung von Schmuck, Gold- und Silberschmiedewaren, selbstständige Fotografen), wobei die Fotografie freilich nicht zur angewandten Kunst zählt. Hinzu kommen dagegen wohl zumindest anteilig der Kunstmarkt (Wirtschaftszweige Einzelhandel mit Kunstgegenständen etc., Museumsshops etc., Einzelhandel mit Antiquitäten) sowie sonstige Wirtschaftszweige (wie die Herstellung von Münzen und Fantasieschmuck). 444 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 505. 445 Seitz, BDG-Dokumentation 3/1970, zit. nach R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 26.
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liege.446 In jedem Fall besteht die Tätigkeit des angewandten Künstlers in rechtspraktischer Hinsicht aus zwei Schritten: der Schöpfung und der Lizenzerteilung gegen Geld.447 Grundlage ist häufig ein typengemischter Vertrag auf der Basis eines Werkvertrags.448 Organisiert sind Grafik-Designer im Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner (BDG, gegründet 1919 als »Bund der Deutschen Gebrauchsgraphiker«, 1968–2009 »Bund Deutscher Grafik-Designer«), in der Allianz Deutscher Designer (AGD), im Verband »Selbstständige Designstudios« (SDSt), im Verband der Deutschen Industrie-Designer und im Deutschen Designertag.449 Der AGD ist im Urheberrecht als Auftraggeber des Beschwerdeführers in der »Laufendes Auge«-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekannt.450 Der Organisationsgrad im Bereich Grafik-Design lag 2012 bei 6 % (Angestellte) beziehungsweise 30 % (Selbstständige).451 Für den Bereich Bühne existiert der Verband der Berufsgruppen Szenenbild und Kostümbild (VSK). Schließlich sind manche Designer Mitglied der Berufsgruppe II der Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst.452 Ihr Zweck ist die Wahrnehmung und Abrechnung von Rechten und Vergütungsansprüchen an Werken, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 3–7, § 4 sowie § 72 UrhG geschützt werden (Bildende Kunst, Architektur, Film, Fotografie, wissenschaftliche und technische Darstellungen und Sammelwerke). In der VG Bild-Kunst werden angewandte Künstler bei ihrer Aufnahme nur im Einzelfall auf die grundsätzliche Schutzfähigkeit ihrer Schöpfungen geprüft, wobei eher zugunsten der Anmelder entschieden wird. Eine Prüfung der einzelnen gemeldeten Werke erfolgt nach Aussage der Verwertungsgesellschaft in der Regel nicht. Für »arbeitnehmerähnliche« Designer und ihre Auftraggeber regelt der Vergütungstarifvertrag Design (VTV Design) die Vergütung für Designleistungen.453 Er besteht seit 1978,454 2011 wurde die achte Fassung zwischen der 446 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 505f.; vgl. A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128. 447 C. Berger/Wündisch/von Eggelkraut-Gottanka Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., § 30 Rn 5; Eichmann/Kur/G. Schulze Designrecht, 2. Aufl., § 4 Rn 83f.; vgl. R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 47. 448 C. Berger/Wündisch/von Eggelkraut-Gottanka Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., § 30 Rn 6; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 75; Eichmann/Kur/ G. Schulze Designrecht, 2. Aufl., § 4 Rn 84. 449 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 506f. 450 BVerfG GRUR 2005, 410 – Laufendes Auge; unten S. 84. 451 BDG Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner BDG Honorar- & Gehaltsreport 2012, S. 32. 452 Loewenheim/G. Schulze Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 70 Rn 99; C. Berger/ Wündisch/Mercker Urhebervertragsrecht, 1. Aufl., § 32 Rn 25; a. A. Kur FS Schricker (1995), S. 503, 507. 453 AGD Allianz deutscher Designer AGD Vergütungstarifvertrag Design, Fassung vom 26. 4. 2011, S. 14.
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AGD und den SDSt ausgehandelt. Er ist ein Tarifvertrag im Sinne des Tarifvertragsgesetzes und wird auch außerhalb seines unmittelbaren Anwendungsbereichs als Orientierungshilfe herangezogen. Der VTV Design enthält auch »Urheberrechtliche Sonderbestimmungen«, die unter anderem den Erwerb der Nutzungsrechte durch den Auftraggeber und Einwilligungsvorbehalte des Designers regeln. Bemerkenswert ist die Fiktion der Ziff. 5.2, die eine Miturheberschaft des Auftraggebers – auf urheberrechtlicher Ebene freilich unwirksam455 – abbedingt. Zuvor gibt Ziff. 5.1 die Definition und das herrschende Verständnis des Werkbegriffs des § 2 Abs. 1 UrhG wieder.456 »5.1. Werke im Sinne von § 2 Abs. 1 UrhG genießen Urheberschutz, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung sind. Zur Bestimmung dieser Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien anzuwenden, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische.«
Danach wird jedoch das Schöpfungshöheerfordernis des § 2 Abs. 2 UrhG ausgeschlossen: »Dies gilt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt werden, für alle Werkkategorien gleichermaßen.«
Die Formulierung »für alle Werkkategorien gleichermaßen« bezieht sich wohl auf das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst. Obwohl die gesetzliche Regelung wie auch bei der in Ziff. 5.2. geregelten Miturheberschaft nicht disponibel ist,457 beseitigt diese Fiktion das Problem der urheberrechtlichen Schutzunfähigkeit der betroffenen Werke auf (tarif-)vertraglicher Ebene.458 Dies löst das Problem der Nichterfüllung der im Vertrag zwischen Designer und Auftraggeber geregelten Pflicht zur Rechteübertragung (so genannte Leerübertragung459), die sonst zum Erlöschen der Gegenleistungspflicht nach den §§ 326 Abs. 1 S. 1, 275 Abs. 1 BGB führt,460 wenn die ergänzende VertragsausAusführlich R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 189ff. Vgl. Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 8 Rn 25; Wandtke/Bullinger/Thum 4. Aufl., § 8 Rn 3. R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 197. BGH GRUR 1991, 533 – Brown Girl II; Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 250; Loewenheim/ G. Schulze Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 70 Rn 104; Eichmann/Kur/G. Schulze Designrecht, 2. Aufl., § 4 Rn 31; a. A. R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 71f. 458 Loewenheim/G. Schulze Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 70 Rn 104; R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 215; ähnlich Pfister Der Gebrauchsgrafiker und das Recht, 2. Aufl., S. 131f., 136. 459 C. Berger/Wündisch/Ahrens Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., § 3 Rn 5; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 1154. 460 aaO § 3 Rn 15. 454 455 456 457
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legung nichts anderes ergibt.461 Übertragen werden dann so genannte Scheinrechte.462 Dies ist insofern von Bedeutung, als das fingierte Werk die Hauptleistung ist, für die der Designer einen Zahlungsanspruch als Gegenleistung erwerben möchte, dessen Höhe der Tarifvertrag regeln soll. Nach Ziff. 7.2.4. VTV Design ist die Vergütung schließlich ausdrücklich auch dann geschuldet, wenn das Werk urheberrechtlich nicht schutzfähig ist.
C.
Interessenlage und Schutzfrist
Zum Schluss des 1. Teils sollen die Interessenlage und die urheberrechtliche Schutzfrist dargestellt werden, die beide eine bedeutende Rolle in der Diskussion um die Höhe der Schutzschwelle spielen.
I.
Interessenlage
Das Urheberrecht bedarf wie das Recht des geistigen Eigentums insgesamt besonderer Rechtfertigung durch schutzwürdige Interessen seiner Inhaber.463 Denn das Urheberrecht dient auch dem Ausgleich der Interessen anderer Beteiligter.464 Dazu gehören Urheber, Produzenten, Lizenznehmer, Nutzer, Wettbewerber, Verbraucher und andere Personen.465 Um diese Interessenverteilung geht es im Folgenden. 1.
Schutzinteresse der Designer als Urheber
Das Interesse des Urhebers ist zweigeteilt: Einerseits verbinden ihn ideelle, das heißt geistige und persönliche Interessen mit seinem Werk. Über das Urheberrecht kann er Einfluss auf die Art und Weis der Darstellung und Nutzung seines Werks nehmen.466 Andererseits hat der Urheber das materielle Interesse, mit seinen Schöpfungen Geld zu verdienen. Dabei ist zu beachten, dass er das wirtschaftliche Risiko seines Schaffensprozesses trägt, solange er noch zu keinem verwertbaren Werk geführt hat.467 461 462 463 464
Obiter BGH GRUR 889, 892 – ARD-1. Loewenheim/G. Schulze Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 70 Rn 104. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 322. G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 524; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 23; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 9; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 11, 18. 465 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 524. 466 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 21; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 12. 467 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 21f.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 10.
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Interessenlage und Schutzfrist
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Diese beiden Aspekte des Urheberinteresses, das Schutzbedürfnis und das Alimentationsinteresse,468 stehen im Zentrum der urheberrechtlichen Debatte. Grundsatz des kontinentaleuropäischen Urheberrechts soll danach sein, »dem Urheber möglichst den vollen wirtschaftlichen Wert seines Werkes zu sichern und darüber hinaus die Wahrnehmung der ideellen Interessen zu garantieren.«469 Dabei darf der urheberrechtliche Schutz nur so weit gehen, wie die Interessen des Urhebers dies rechtfertigen. 2.
Schutzinteresse der Verwerter
Die Verwerter urheberrechtlich geschützter Werke bestehen aus zwei Gruppen: Da sind zum einen die Werkvermittler, die die Rechte an den Werken möglichst billig ein- und möglichst teuer verkaufen wollen.470 Zu ihnen gehören im Bereich der angewandten Kunst die Designstudios. Daneben steht das Gewinninteresse der Hersteller der entworfenen Gebrauchsgegenstände. Ihnen ist an einer möglichst günstigen und zeitlich wie inhaltlich umfassenden Nutzungsrechteeinräumung durch den Urheber gelegen.471 3.
Freihaltebedürfnis der Gesamtheit der Designer
Die Gesamtheit der Designer hat ein erhebliches Freihaltebedürfnis. Es steht dem Schutzinteresse der einzelnen Designer entgegen und soll ermöglichen, dass nachfolgende Kreative auf dem Erfahrungs- und Ideenschatz des Geschaffenen aufbauen und neue Werke schaffen können.472 Dieses Interesse wird auch als das Freihaltebedürfnis der Industrie beschrieben, die eine hohe »Gestaltungsfreiheit«473 oder »Nachahmungsfreiheit«474 genießen möchte. Die Frage, ob im Bereich der angewandten Kunst ein besonders hohes Freihaltebedürfnis besteht, wird noch gesondert untersucht.475
468 469 470 471 472
G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 524. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 24. aaO S. 22; vgl. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 14. G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 524. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 23; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 72; Koschtial GRUR 2004, 555, 557f. 473 W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906. 914. 474 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 524. 475 Unten S. 90 und 150ff.
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72 4.
Grundlagen
Teilhabeinteresse der Allgemeinheit
Das Teilhabeinteresse der Allgemeinheit beschreibt das gemeinsame Nutzungsinteresse der Gesellschaft. Sie möchte die geschaffenen Werke möglichst kostenlos und zustimmungsfrei genießen.476 Der Grund dafür ist die Nutzung der Werke zum bloßen Konsum oder um sich selbst durch ihre Nutzung mitzuteilen. Dieses Teilhabeinteresse der Allgemeinheit ist rechtlich in der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und in den Schranken des Urheberrechts verankert.477 Ein urheberrechtlicher Schutz steht diesem Interesse am freien Zugang zum Werk freilich diametral entgegen.478 Die Gemeinfreiheit hat so eine kulturelle Funktion, da eine Nutzung von Gestaltungen sowohl in teilhabender als auch in eigenschöpferischer Hinsicht einen gesellschaftlichen Wert darstellt.479 Ein gesellschaftliches Freihaltebedürfnis besteht deshalb gerade bei Gestaltungen der angewandten Kunst, wenn man verhindern will, dass »nützliche und sinnvolle Gestaltungselemente über viele Jahrzehnte urheberrechtlich monopolisiert werden«.480 5.
Innovationsinteresse der Allgemeinheit
Daneben hat die Gemeinfreiheit als urheberrechtliche Allmende eine bedeutende ökonomische Funktion: Werke, die nicht durch Ausschließlichkeitsrechte geschützt sind, können nicht nur leichter konsumiert, sondern auch leichter weiterentwickelt werden.481 Von Jacques-Pmile Ruhlmann, einem französischen Innenarchitekten und Möbelgestalter des Art d8co, stammt der Ausspruch: »Neue Schöpfungen wurden niemals für die Mittelklasse gemacht. Sie sind immer auf Nachfrage einer Elite entstanden, die dem Künstler freigiebig Geld und Zeit gibt für die arbeitsreiche Recherche und die Perfektion in der Ausführung.«482 Auf der anderen Seite bestimmen jedoch seit der Industrialisierung die Konsumenten das »Niveau« der zeitgenössischen angewandten Kunst »ganz entscheidend mit«.483 Das Innovationsinteresse beschreibt damit das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst vielfältigen Produktion von Werken. Diesem Interesse wird entsprochen, wenn ein hoher Anreiz besteht, neue Werke zu schaffen, zum 476 477 478 479 480
Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 16; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 17. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 25. aaO S. 22; vgl. G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 524. Peukert Die Gemeinfreiheit, S. 62. Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 833; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 72; a. A. Koschtial GRUR 2005, 555, 557. 481 Peukert Die Gemeinfreiheit, S. 58. 482 Banham/Blench Encyclopedia of Interior Design, S. 1090. 483 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 7.
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Interessenlage und Schutzfrist
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Beispiel durch einen starken Urheberschutz.484 Das Teilhabe- oder Nutzungsinteresse der Allgemeinheit steht ihrem Innovationsinteresse entgegen, da letzteres ein hohes urheberrechtliches Schutzniveau erfordert, ersteres dagegen nicht. Das Copyright-System vor allem der USA räumt dem Innovationsinteresse der Allgemeinheit einen so hohen Stellenwert ein, dass es die utilitaristische Anreizfunktion des Urheberrechts und nicht den Schutz der Persönlichkeit des Urhebers zur grundsätzlichen Rechtfertigung für die Existenz des Copyright erhebt.485 Jedoch dient wie dargestellt auch das Droit d’auteur dem Schutz wirtschaftlicher Interessen des Urhebers.486
II.
Schutzfristen im Urheberrecht
Bei der Diskussion der Schutzschwelle sind die urheberrechtlichen Schutzfristen ein wesentlicher Orientierungsmaßstab. Je länger die Schutzfrist, umso mehr wird eine niedrige Schutzschwelle kritisiert und umgekehrt. Dabei wurde die urheberrechtliche Schutzfrist schon als Argument für einen engen Werkbegriff und eine hohe Schutzschwelle angeführt, als sie noch dreißig Jahre post mortem auctoris betrug.487 Mit der stetigen Verlängerung der Schutzfrist wurde in der Literatur sogar eine deutliche Einschränkung des Schutzumfangs gerechtfertigt.488 Lange Schutzfristen stellen eine besondere Gefahr für das Freihaltebedürfnis der Gesamtheit der Designer und das Teilhabeinteresse der Allgemeinheit dar.489 Eine weitere Verlängerung der aktuellen Schutzdauer von siebzig Jahren post mortem auctoris in § 64 UrhG ist derzeit undenkbar, profitiert nach der geltenden Regel sogar noch die Generation der Enkel von den Schöpfungen der Großeltern. Eine Abhängigkeit der Schutzdauer von der Schöpfungshöhe in Form einer relativen Abstufung besteht nicht, wurde jedoch in der Vergangenheit gefordert. Die Rechtfertigung für den urheberrechtlichen Schutz sei »wegen der raschen Marktveränderung und der schnell sich wandelnden Käuferbedürfnisse« nur von kurzer Dauer.490 Ein Gegenbeispiel mögen Designermöbel darstellen, die sich zu »Klassikern« 484 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 23; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 19. 485 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 24ff.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 17; Schack FS Wadle, S. 1005, 1006. 486 Oben S. 70; Schack KUR 2006, 157, 158. 487 Goldbaum GRUR 1926, 297, 300. 488 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 265. 489 Oben S. 71 und 72; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 72. 490 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 270.
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Grundlagen
entwickeln und über einen langen Zeitraum hinweg wirtschaftlich erfolgreich sind. Gerade aus diesem Bereich stammt daher auch ein großer Teil der Rechtsprechung zur angewandten Kunst.491 Bei den meisten Gestaltungen der angewandten Kunst, die der Mode und dem Zeitgeist unterworfen sind, ist die urheberrechtliche Schutzfrist von 70 Jahren post mortem auctoris jedoch unangemessen lang.
491 Oben S. 60.
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2. Teil: Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst
Im Folgenden sollen die historische Herkunft (A.) und Entwicklung (B.) des Erfordernisses einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst mitsamt der bisherigen Kritik an dieser Rechtsprechung (C.) dargestellt und die Vorgaben des europäischen Urheberrechts untersucht werden (D.).
A.
Herkunft und Begründung
Für die theoretische Herleitung des »tradierten Verständnisses«492 einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst bedarf es einer Darstellung des urheberrechtlichen (I.) und des geschmacksmusterrechtlichen (II.) Schutzes der angewandten Kunst. Dem folgt die Abgrenzung der Schutzvoraussetzungen beider Gesetze (III.).
I.
Der Schutz der angewandten Kunst durch das Urheberrecht
Bei der Aufnahme der angewandten Kunst in das Urheberrecht im Jahr 1907 hat der Gesetzgeber gefordert, dass »unabhängig von dem Gebrauchszweck der Sache eine individuelle künstlerische Leistung vorliegt«.493 Das allgemeine Erfordernis der Individualität gilt also auch hier. Der Unterschied zwischen reiner und angewandter Kunst besteht grundsätzlich nur darin, dass bei der Prüfung der Schöpfungshöhe von Gestaltungen der angewandten Kunst technisch bedingte, also durch den Gebrauchszweck vorgegebene Gestaltungselemente keine Berücksichtigung finden.494 Eine isolierte Betrachtung der urheberrechtlichen 492 Erdmann FS Loschelder, S. 61, 69. 493 Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, abgedruckt in GRUR 1906, 15, 17; Zentek GRUR 2012, 42, 45. 494 Oben S. 35.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst erfolgte in der frühen Rechtsprechung jedoch nicht.
II.
Der Schutz der angewandten Kunst durch das Geschmacksmusterrecht
Parallel zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit stellte sich die Frage, inwiefern Gestaltungen der angewandten Kunst auch durch das Geschmacksmusterrecht als »kleines Urheberrecht« geschützt werden konnten. Dazu sollen im Folgenden kurz die Geschichte des Geschmacksmusterrechts (1.), die ursprünglichen Voraussetzungen für die Schutzfähigkeit (2.) sowie der Schutzumfang (3). dargestellt werden. 1.
Geschichtliche Entwicklung
Im 19. Jahrhundert war der Schutz einer Form- und Farbgestaltung, wenn überhaupt, nur durch das Urheberrecht möglich.495 Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Textilbranche zu erhalten, wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Ruf nach einem eigenständigen Schutzrecht laut.496 Der Gesetzgeber kam dem zunächst nur wirtschaftsprotektionistischen Wunsch 1876 mit dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen nach.497 Geschützt werden sollten »Formschöpfungen, welche, ohne als Werke der bildenden Künste angesprochen werden zu können, als Vorbilder für die geschmackvolle Darstellung gewerblicher Erzeugnisse dienen sollen. […] Hierunter werden namentlich die Linienmuster der Textilgewerbe und der Tapetenindustrie, die Vorlagen der Konfektion und der Bekleidungsindustrie, ferner einfache Kombinationen, plastische Bildwerke ohne ausgeprägte individuelle Formung, bloße Zierstücke oder ähnliches zu zählen sein.«498
Seitdem blieb das Geschmacksmustergesetz im Wesentlichen unverändert. Es diente vor allem dem Schutz des Industriedesigns.499 Eine Reform im Jahr 1986 zentralisierte das Anmeldeverfahren, klammerte materielle Fragen jedoch aus.500 Die Diskussion ging lange Zeit entweder dahin, die Materie komplett im 495 Eck Neue Wege zum Schutz der Formgebung, S. 21; Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., Einl. A Rn 2; oben S. 37ff. 496 Eck Neue Wege zum Schutz der Formgebung, S. 21. 497 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 136; Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 324. 498 Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, abgedruckt in GRUR 1906, 15, 17. 499 R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 162f. 500 Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 43f.; Gerstenberg GRUR 1978, 26f.
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Herkunft und Begründung
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Urheberrechtsgesetz zu regeln oder dahin, ein neuartiges, am Patent orientiertes Designgesetz zu schaffen.501 Diese Frage wurde 1998 mit der Neuregelung des Geschmacksmusterrechts in Umsetzung der EG-Geschmacksmusterrichtlinie beantwortet.502 2.
Schutzvoraussetzungen nach dem alten Geschmacksmustergesetz
Die Schutzvoraussetzungen des Geschmacksmusterrechts wurden von denen des Urheberrechts geschieden. Grundsätzlich waren nur gewerbliche Erzeugnisse schutzfähig, also Gegenstände, die zum Verkauf hergestellt werden, § 1 Abs. 1 GeschmMG a. F. Zwar reichte hier die bloße Eignung zur gewerblichen Verwertbarkeit aus, doch bestand kein Schutz für Gestaltungen, die rein für den privaten Bereich hergestellt werden. Darin bestand ein großer Unterschied zum Urheberrecht, das nicht auf den Zweck der Gestaltung abstellt.503 Zweitens musste ein Muster neu sein, § 1 Abs. 2 GeschmMG a. F. Die geschmacksmusterrechtliche Neuheit war relativ-objektiv zu verstehen, die Gestaltung musste inländischen Fachkreisen unbekannt oder nur mit übermäßigen Schwierigkeiten zugänglich sein.504 Im Gegensatz zum Urheberrecht, das auf die subjektive Neuheit abstellt, überwog die Eigenschaft des Geschmacksmusterrechts als »technisches Schutzrecht«. Wegen der Seltenheit der Doppelschöpfung war der Unterschied hier jedoch praktisch wenig relevant.505 Außerdem hatten vorbekannte Gestaltungen keine Sperrwirkung: Die Nutzung einer – seltenen und schwer zu beweisenden – unabhängigen Zweitschöpfung war zulässig, aber nicht eintragungsfähig.506 Drittens bestand nach § 1 Abs. 2 GeschmMG a. F. das Erfordernis der Eigentümlichkeit. Danach musste das Muster eine schützenswerte eigenpersön liche Leistung darstellen. Der Eigentümlichkeitsbegriff war mit dem »ästhetischen Gehalt«, also der Individualität des Urheberrechts gleichzusetzen,507 wenn auch praktisch weniger relevant.508 Zu prüfen war, ob die Gestaltung eine über das Können eines Durchschnittsgestalters hinausgehende eigenpersönliche, schöpferische Gestaltungsleistung enthielt.509 Dabei war die auf dem
501 Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 43; Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 324f. 502 Unten S. 110f. 503 Henssler GRUR 1957, 8, 14; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 23. 504 BGHZ 50, 340, 344ff. – Rüschenhaube. 505 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 20f., 24. 506 Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 50f. 507 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 22. 508 Eichmann/von Falckenstein 2. Aufl., § 1 Rn 33. 509 BGH GRUR 1975, 81, 83 – Dreifachkombinationsschalter; BGH GRUR 1980, 235, 236 – Play-
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
Gebiet geleistete Vorarbeit zu berücksichtigen, Eigentümlichkeit und Neuheit waren insofern eng verknüpft.510 Soweit eine Gestaltung ausschließlich technisch bedingt war, entfiel die Geschmacksmusterfähigkeit ebenso wie im Urheberrecht.511 Solche Fälle waren jedoch selten.512 Dieses Erfordernis diente dem Zweck, schutzfähige von schutzunfähigen ästhetischen Gestaltungen zu unterscheiden. Dabei musste lediglich ein minimaler Gestaltungsspielraum bestehen.513 Schließlich musste das Muster nach § 7 GeschmMG a. F. gebührenpflichtig angemeldet worden sein, seit 1988 beim Deutschen Patent- und Markenamt. Rechtsinhaber war der Anmelder, typischerweise also nicht der Schöpfer einer Gestaltung, sondern ihr Verwerter.514 3.
Schutzumfang des Geschmacksmusterrechts
Inhaltlich umfasste das Geschmacksmustergesetz nach den §§ 5f. a. F. nur den Schutz der gewerblichen Verwertung der hinterlegten Form,515 nicht aber der »persönlichen Belange« des Mustergestalters.516 In der musterrechtlichen Literatur wurde gleichwohl »ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitetes droit moral« anerkannt, doch war dies inhaltlich von weit geringerem Umfang als das Urheberpersönlichkeitsrecht.517 Die Gestaltung war in ästhetischer Hinsicht geschützt und nicht in Bezug auf Ideen oder technische Lösungen.518 Der Schutzumfang war wie im Urheberrecht abhängig vom Grad der Eigentümlichkeit der Gestaltung.519 Zeitlich beschränkte sich der Schutz des Geschmacksmusterrechts auf zunächst fünf Jahre und war auf 15 Jahre verlängerbar (ab 1988: 20 Jahre, seit 2004: 25 Jahre).
510 511 512 513 514 515 516 517 518 519
Family ; BGH GRUR 1965, 198, 199 – Küchenmaschine; Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 48; A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 134. RG GRUR 1941, 319, 320 – Bleistiftspitzer ; Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 48. BGH GRUR 1966, 97, 99 – Zündaufsatz; BGH GRUR 1981, 269, 271f. – Haushaltsschneidemaschine II. Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 45. aaO. R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 164. Nirk/Kurtze GeschmMG, 2. Aufl., Einf. Rn 48; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 118. A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 131. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 200, Fn 401; O. von Gamm GeschmMG, 2. Aufl., Einf. Rn 15. Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 45. BGH GRUR 1978, 168, 169 – Haushaltsschneidemaschine; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 114; vgl. oben S. 33f.
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Herkunft und Begründung
III.
79
Abgrenzung von Urheber- und Geschmacksmusterrecht
Mit dem Erlass des Kunsturhebergesetzes im Jahr 1907 stellte sich erstmals die Frage einer Abgrenzung von Urheber- und Geschmackmusterrecht. Denn durch den urheberrechtlichen Schutz der »Erzeugnisse des Kunstgewerbes« hatten beide Rechtsgebiete nun denselben Schutzgegenstand.520 Wie der Name des Geschmacksmustergesetzes von 1876 (»Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen«) zeigt, war die enge inhaltliche Verwandtschaft mit dem Urheberrecht beabsichtigt.521 Grundsätzlich standen beide Gesetze in freier Konkurrenz: Die Anmeldung eines Geschmacksmusters schloss einen urheberrechtlichen Schutz nicht aus, es bestand die Möglichkeit einer Schutzkumulation.522 Die Gesetzesbegründung nahm die Abgrenzung wie folgt vor : »[Als Geschmacksmuster schutzfähig sind] Formschöpfungen, welche, ohne als Werke der bildenden Künste angesprochen werden zu können, als Vorbilder für die geschmackvolle Darstellung gewerblicher Erzeugnisse dienen sollen«.523
Aus dieser Formulierung lässt sich ein Über- und Unterordnungsverhältnis von Urheber- und Geschmacksmusterrecht ableiten, da die Formulierung »ohne als Werke der bildenden Künste angesprochen werden zu können« eine Subsidiarität des Geschmacksmusterrechts andeutet. Der Gesetzgeber wollte mit dem KUG nämlich nur Gestaltungen erfassen, die als »individuelle künstlerische Leistung« angesehen werden konnten.524 Für die übrigen sollte weiterhin nur die Möglichkeit des Musterschutzes bestehen.525 Die Gegenauffassung vertrat die Ansicht, mit dem Inkrafttreten des KUG 1907 könne alles, was bisher Musterschutz genossen habe, auch urheberrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen. Das hätte die völlige Parallelität von Urheber- und Geschmacksmusterrecht bedeutet.526 Das erste obergerichtliche Urteil zu dieser Frage erging 1907 zur urheberrechlichen Schutzfähigkeit von Plauener Spitze.527 Eine strafrechtliche Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1910 ging ebenfalls davon aus, dass Gegenstände des Kunstgewerbes un 520 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 154; Eck Neue Wege zum Schutz der Formgebung, S. 22. 521 Vonau CR 2013, 166, 167. 522 G. Schulze Die kleine Münze, S. 34. 523 Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, abgedruckt in GRUR 1906, 15, 17. 524 aaO. 525 G. Schulze Die kleine Münze, S. 34. 526 Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 44f.; Wassner Kunst, Geschmack und unlauterer Wettbewerb, S. 11, beide m.w. N. 527 Breit GRUR 1908, 128, 129.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
geachtet ihres Gebrauchszwecks als Werke der bildenden Kunst geschützt seien.528 In der ersten zivilrechtlichen Entscheidung zum neuen Recht erteilte das Reichsgericht dieser Ansicht eine Absage. Es billigte 1909 im »Abziehbilder«Urteil die Annahme des Oberlandesgerichts Nürnberg, »dass das Erfordernis einer individuellen schöpferischen Tätigkeit bei den Erzeugnissen des Kunstgewerbes als Werken der bildenden Künste noch strenger zu beurteilen sei, als bei den Geschmacksmustern«.529 Eine grundsätzliche Klärung erfuhr die Frage dann im Jahr 1911. Im »Schulfraktur«-Urteil führte das Reichsgericht aus, dass die Aufrechterhaltung des Musterschutzes keinen Sinn gehabt hätte, wenn jeder Gegenstand, der bisher entgeltlich und unter Erfüllung von Formvorschriften (damals) 15 Jahre lang als Geschmacksmuster geschützt werden konnte, nun ohne weiteres auch den unentgeltlichen, von selbst eintretenden und wesentlich längeren Kunstschutz genießen könne.530 Dabei wies das Gericht darauf hin, dass »eine feste, durch begriffliche Merkmale ein für allemal gesicherte Grenze zwischen Kunst- und Musterschutz überhaupt nicht gezogen werden kann«.531 Der Unterschied sei vielmehr ein gradueller, wobei »der größere oder geringere ästhetische Gehalt« entscheiden solle.532 Es könne nicht allen Mustern und Modellen automatisch auch der Urheberschutz zukommen. Ein Werk der angewandten Kunst lag danach vor, »wenn der zu der Zweckmäßigkeit der Form hinzukommende ästhetische Überschuß, gleichgültig, welches sein künstlerischer Wert ist, einen Grad erreicht, daß nach den im Leben herrschenden Anschauungen von Kunst gesprochen werden kann«.533 Dabei verwendete das Reichsgericht die alte, oben bereits als tautologisch kritisierte534 Definition der bildenden Kunst als »jede individuelle, geistige Schöpfung, die mit den Darstellungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht und vorzugsweise für die Anregung des ästhetischen Gefühls durch Anschauung bestimmt ist«.535 Im nächsten Schritt wurde die danach abzusteckende Grenze zwischen Geschmacksmuster- und Urheberrecht »nicht zu niedrig« angesetzt. Denn im 528 529 530 531 532 533 534 535
RGSt 43, 329, 330 – Naturholzmöbel. RGZ 72, 162, 164f. – Abziehbilder; Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 53. RGZ 76, 339, 343 – Schulfraktur ; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 90. RGZ 76, 339, 344 – Schulfraktur ; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 38. RGZ 76, 339, 344 – Schulfraktur ; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 150. RGZ 76, 339, 344 – Schulfraktur. Oben S. 42. RGZ 76, 339, 344 – Schulfraktur.
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Herkunft und Begründung
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Bereich der angewandten Kunst bestand mit dem Geschmacksmuster ein Auffangtatbestand als »Unterbau«, der bei den anderen Wertarten fehlte, so dass die Schutzanforderungen hier höher sein konnten. Jedoch ist das Bild vom »Unterbau« nicht ganz präzise: Im Ergebnis bestand nach bestrittener,536 jedoch heute herrschender Auffassung eine partielle Schutzkumulierung.537 Die Beurteilung, wann ein ausreichend hoher Grad an ästhetischem Überschuss vorliege, sei in erster Linie der Prüfung durch den Instanzrichter vorbehalten.538 Damit stellte das Reichsgericht den über einhundert Jahre gültigen Grundsatz eines graduellen Unterschieds zwischen Urheber- und Geschmacksmusterrecht fest, wonach bei Werken der angewandten Kunst zwischen urheberrechtlichem Schutz und Gemeinfreiheit anhand der Individualität zu unterscheiden sei.539 Als »gradueller Aufbau« wurde er von der Lehre übernommen540 und später mit der Bezeichnung »Stufentheorie« versehen.541 Die Stufentheorie lässt sich leicht im urheberrechtlichen Koordinatensystem erläutern. Im Bereich der angewandten Kunst ist die Schutzschwelle besonders hoch, so dass unmittelbar unterhalb noch Platz ist für einen separaten Schutzbereich des Geschmacksmusterrechts. Dieser ist wiederum nach unten begrenzt durch die geschmacksmusterrechtliche Schutzschwelle. Unter ihr liegen diejenigen Gestaltungen, die auch nicht die nötige Eigentümlichkeit aufweisen, um wenigstens als Geschmacksmuster geschützt zu werden. Dies ergibt das in Abbildung 8 gezeichnete Bild.542 Ein anderes Verständnis der urheberrechtlichen Stufentheorie vergleicht die Schutzschwellen von Computerprogrammen, Datenbankwerken und Lichtbildwerken als erste, von Werken der Literatur und Musik als zweite und der reinen Kunst als dritte Stufe.543 Dies ist freilich irreführend, weil der Begriff der Stufentheorie im Urheberrecht bereits mit der Unterscheidung der geschmacksmuster- von der urheberrechtlichen Schutzschwelle belegt ist. Die Stufentheorie wurde danach folgendermaßen zusammengefasst: »Die Durchschnittsgestaltung, das rein Handwerksmäßige, Alltägliche, Schablonen hafte, die mechanisch-technische Aneinanderreihung und Zusammenfügung des Materials liegt außerhalb jeder Schutzfähigkeit. Eine darüber hinausgehende 536 W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906. 537 Furler/Bauer/Loschelder, Geschmacksmustergesetz, 4. Aufl., S. 29f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 159. 538 RGZ 76, 339, 344 – Schulfraktur ; RGZ 124, 68, 72 – Besteckmuster. 539 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 169. 540 O. von Gamm Urheberrechtsgesetz, § 2 Rn 16. 541 W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 908; Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 37. 542 Angelehnt an Levin GRUR Int. 1985, 713, 723; Zentek WRP 2010, 73, 74; ähnlich Schneidinger Der Leistungsschutz, S. 115. 543 G. Schulze NJW 2014, 475; Ritscher/Schramm sic! 2015, 303, 304.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
Abbildung 8: Die Stufentheorie im urheberrechtlichen Koordinatensystem.
schöpferische Gestaltung mit einem nicht zu geringen Abstand zum durchschnittlichen Schaffen begründete im Bereich der industriellen Formgebung die Geschmacksmusterschutzfähigkeit. Erst in einem erheblich weiteren Abstand setzt die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein, die ein […] deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung voraussetzt.«544
B.
Die Entwicklung der Rechtsprechung bis zum »Geburtstagszug«-Urteil
Die Bestimmung der urheberrechtlichen Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst wurde nach dem »Schulfraktur«-Urteil von der Rechtsprechung anhand einer Vielzahl von Einzelfällen weiter ausgeformt.545 Auch nach dem Urheberrechtsgesetz von 1965 hat die Rechtsprechung diese Linie beibehalten.546 Die Schutzvoraussetzungen seien durch die Übernahme der von der Rechtsprechung erarbeiteten Definition der Schutzschwelle ins Gesetz nicht verschärft worden. Dies gelte auch für die Werke der angewandten Kunst.547 In Teilen der Lehre war dies zunächst umstritten.548 Bemerkenswert sind hier Stellungnahmen, die darauf hinwiesen, dass die Schutzschwelle im KUG höher 544 Erdmann FS Loschelder, S. 61, 69. 545 G. Schulze Die kleine Münze, S. 36ff.; insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus Zentek UFITA 2016-I, 35, 60ff. 546 aaO S. 48, 55; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 508. 547 E. Ulmer UFITA 45 (1965), 18, 21; B. Samson UFITA 47 (1966-II), 1, 14; G. Schulze Die kleine Münze, S. 47. 548 Schraube UFITA 61 (1971), 127, 136ff.; von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 71.
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Die Entwicklung der Rechtsprechung bis zum »Geburtstagszug«-Urteil
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gewesen sei als im LUG.549 Die Zusammenführung beider Gesetze mittels einer einheitlichen Schutzschwelle würde daher zu einer Absenkung der Schutzanforderungen für Werke der bildenden Kunst führen.550 In der Konsequenz verliere das Geschmacksmustergesetz so seine Berechtigung.551 Alternativ müsse man in historischer Auslegung der neuen Vorschriften »die schöpferische Leistung in § 1 Abs. 2 Ziff. 3 und 4 anders behandeln als in Ziffer 1, 2, 5 und 6. Rechtssystematisch wäre dieses Ergebnis absolut unbefriedigend.«552 Der Bundesgerichtshof übernahm jedoch im »skai cubana«-Urteil die Definition des Reichsgerichts. Danach musste es sich bei schutzfähigen Gestaltungen der angewandten Kunst »um Schöpfungen individueller Prägung handeln, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauung einigermaßen vertrauten Kreise von einer ›künstlerischen‹ Leistung gesprochen werden kann.«553 Im »Tonfiguren«-Urteil legte der Bundesgerichtshof auch die Stufentheorie noch einmal ausführlich dar. Danach sei zu unterscheiden zwischen (1.) dem Können eines durchschnittlichen Gestalters, das außerhalb der Schutzfähigkeit liege, (2.) der Geschmacksmusterfähigkeit, die einen Leistungsgrad mit nicht zu geringem Abstand zu vorangegangenen Stufe erfordere und (3.) der Urheberschutzfähigkeit, die erst in einem »erheblich weiteren Abstand« beginne. Diese erfordere ein schöpferisches Überragen der Durchschnittsgestaltertätigkeit durch eigenartige Prägung, individuelle Geistestätigkeit und einen erheblichen ästhetischen Überschuß über die durch den Gebrauchszweck vorgegebene Form hinaus.554 Wenn die Gerichte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts noch von »Ästhetik«555 und »Schönheit«556 sprachen, ging die Wortwahl mit der Zeit zur »Kunst« über.557 Zuvor war der »ästhetische Überschuss« dem »ästhetischen Gehalt« gewichen.558 Die Linien der Rechtsprechung wurden in der Literatur eingehend rezipiert. 549 Schramm UFITA 19 (1955), 82, 87; W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906f.; vgl. G. Schulze Die kleine Münze, S. 68 m.w.N. 550 Schramm UFITA 19 (1955), 82, 87; a. A. von Rauscher auf Weeg GRUR 1967, 572, 572f. 551 Schramm UFITA 19 (1955), 82, 88; ebenso Riedel GRUR 1960, 216, 217. 552 Schramm UFITA 19 (1955), 82, 88. 553 BGH GRUR 1967, 315, 316 – skai-cubana; BGH GRUR 1972, 38, 39 – Vasenleuchter. 554 BGH GRUR 1985, 289, 290 – Tonfiguren; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 182. 555 BGH GRUR 1952, 516 – Hummel-Figuren I; BGHZ 16, 2, 6 – Mantelmodell; BGHZ 27, 351, 354 – Candida-Schrift. 556 RGZ 142, 341, 346 – Galalithsteine; RGZ 155, 199, 205 – Möbelstoffe. 557 RG GRUR 1940, 59 – Besteck; BGHZ 29, 62 – Rosenthal-Vase; G. Schulze Die kleine Münze, S. 37f. 558 BGHZ 27, 351 – Candida-Schrift; Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 30; Pfister Der Gebrauchsgrafiker und das Recht, 2. Aufl., S. 40.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
Fälle, in denen ein Gebrauchsgegenstand zum Werk der angewandten Kunst erklärt wurde, hätten »Seltenheitswert«.559 1971 wurde analysiert, dass die Rechtsprechung die Schutzfähigkeit als Werke der angewandten Kunst im Verhältnis von 7:1 verneine.560 Teilweise wurde die höhere Schutzschwelle mit demselben Argument gleich auf alle Werke der bildenden Künste bezogen.561 Eine Ausnahme sei bei Schöpfungen festzustellen, die der reinen Kunst nahe stehen. So sei eine Schutzfähigkeit eher anzunehmen, wenn eine Gestaltung »in ihrem Erscheinungsbild den klassischen Erscheinungsformen der bildenden Künste« entspreche, als wenn es sich um »alltagstypische Gebrauchserzeugnisse« handle.562 Schutz gewährt werde fast ausschließlich Gestaltungen aus dem »traditionell eher kunsthandwerklich orientierten Bereich von Möbeln und Ziergegenständen.«563 Bei Figuren sei die Grenzziehung besonders schwierig; es falle auf, dass die Rechtsprechung hier häufiger und mit einem unterschiedlichen »sprachlichen Duktus«564 Schutz gewähre als bei anderen Werkarten.565 Ein besonders strenger Maßstab werde dagegen bei Gestaltungen des Industriedesigns angelegt.566 Besonders bei Gebrauchsgegenständen träten die technischen Anforderungen an die Gestaltung deutlich zu Tage und es gebe eine große Zahl vorbekannter Lösungen.567 Auch bei Mode, Textilmustern und Schmuck werde selten Schutz gewährt mit dem Argument, es lägen Nachahmungen vor oder das Eigenschöpferische in der Gestaltung gehe nicht über das Alltägliche hinaus.568 Diese Rechtsprechung hatte insbesondere für den Bereich des Grafikdesigns die weitgehende Schutzlosigkeit der geschaffenen Gestaltungen zur Folge. Mit dem Argument der Schutzfähigkeit durch das Geschmacksmusterrecht wurde diese Linie 2005 vom Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss betreffend das Signet »Laufendes Auge« ausdrücklich gebilligt.569 Die höhere Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst stelle keine Verletzung der Art. 3 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG dar.570 559 560 561 562 563 564 565 566 567 568 569 570
Gerstenberg GRUR 1974, 707, 710. von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 87. Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., Einl. Rn 22 (auch 2. Aufl.). Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., Einl. A Rn 36; von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 86. Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 38; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 93f.; a. A. (zu Möbeln) Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 187. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 179, 190f. aaO S. 165; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 510f.; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 93f.; vgl. oben S. 59. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 182. aaO S. 187. aaO S. 189. BVerfG GRUR 2005, 410 – Laufendes Auge; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 136. BVerfG GRUR 2005, 410, 410f. – Laufendes Auge; a. A. E. von Gamm Die Problematik der
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Bisherige Kritik am Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
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Eine vergleichbare Diskussion im Bereich der reinen Kunst ist dagegen nicht auszumachen. Gleichwohl ist klar, dass es auch Gestaltungen der reinen Kunst gibt, die mangels Individualität nicht schutzfähig sind.571 Das einfachste Beispiel ist die eingangs bereits genannte Zeichnung »Punkt, Punkt, Komma, Strich«. Abzulehnen ist jedoch die Ansicht, zu den schutzunfähigen Werken der reinen Kunst sogar Kitschgemälde zu zählen.572
C.
Bisherige Kritik am Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe in der Literatur
Die Stufentheorie wurde in der Literatur mehr als ein Jahrhundert lang diskutiert. Dabei griffen einige Stimmen die dogmatischen Grundlagen an (I.), während andere konkret eine Absenkung der urheberrechtlichen Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst forderten (II.). Doch wurde die Rechtsprechung auch verteidigt (III.). Ausgeklammert bleibt hier die grundsätzliche Diskussion über den Schutz von Werken mit geringer Individualität, unabhängig von der Werkart, also das Problem eines »Schutzes der Kleinen Münze« als solcher.573
I.
Dogmatische Kritik
Die Kritik am Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst richtete sich teilweise nicht konkret gegen die Position der Schutzschwelle, sondern gegen die dogmatische Begründung des Erfordernisses einer besonderen Schöpfungshöhe durch die Abgrenzung von Geschmacksmuster- und Urheberrecht. Zum einen wandte sich die Literatur überhaupt gegen das Kriterium des »ästhetischen« oder »künstlerischen Gehalts«, das für Rechtsanwender, insbesondere Richter, wenig handhabbar und dem Urheberrecht fremd sei.574 Die Richterpersönlichkeit verschmelze mit der »für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten« Maßstabsperson.575 Nicht zu-
571 572 573 574 575
Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 215f.; A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 142; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 189. A. A. Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 142, 145. So Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 119. Dazu Thoms Der urheberrechtliche Schutz der Kleinen Münze; Loewenheim GRUR 1987, 761ff.; G. Schulze GRUR 1987, 769ff. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 160; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 512; vgl. oben S. 19f. und 42. W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 910; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 512; Schack
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
letzt wegen des tautologischen Erfordernisses von »künstlerischer Kunst« handle es sich um eine impraktikable »Leerformel«.576 Weiter wurde grundsätzlich kritisiert, dass an verschiedene Werkarten derart unterschiedliche Maßstäbe bei der Anwendung derselben Vorschrift des § 2 Abs. 2 UrhG angelegt werden.577 Das Urheberrecht gehe vielmehr von einem einheitlichen Werkbegriff aus.578 Insbesondere seien alle Werkarten urheberrechtlich nach § 1 UrhG und verfassungsrechtlich nach Art. 14 GG gleich schutzwürdig.579 Die Gegenauffassung wandte ein, die »Abstufung des Maßstabes je nach der Art der Schöpfung« führe bei allen Werkarten zu »angemessenen« Ergebnissen.580 Der Werkbegriff sei daher ein relativer Rechtsbegriff.581 Vereinzelt wurde zur Schaffung eines einheitlichen Maßstabs die Anwendung neuer, »objektiver Kriterien« gefordert.582 Praktikable Vorschläge zur Neubestimmung der »eigenschöpferischen Tätigkeit« wurden jedoch nicht gefunden.583 Auch wurde vorgeschlagen, die Kunsteigenschaft eines Gebrauchsgegenstandes durch Sachverständigengutachten feststellen zu lassen.584 Ein anderer Argumentationsstrang machte das Problem am Begriff der angewandten Kunst fest: Manche Werke könnten umgewidmet, also als reine wie als angewandte Kunst eingesetzt werden.585 Damit handele es sich um Werke mit Doppelfunktion wie zum Beispiel Wandteppiche oder naturalistische Illustrationen für Werbezwecke.586 An diese Mischformen würden dann je nach dem für
576
577 578 579 580 581 582 583
584 585 586
KUR 2008, 141, 147; von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 50. Kur FS Schricker (1995), S. 503, 512; Schricker GRUR 1996, 815, 819; Schack KUR 2008, 141, 147; von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 50, 52ff.; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 31ff.; Wandtke GRUR 1995, 385, 387f.; vgl. Wandtke UFITA 130 (1996), 57, 66f.; K. Schmidt UFITA 77 (1978), 1, 15. Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 31, 36, 38; Gerstenberg Die Urheberrechte an Werken der Kunst, der Architektur und der Photographie, S. 56; StrunkmannMeister Gegenseitiges Verhältnis von Geschmacksmusterschutz und Urheberschutz, S. 251. Dreyer/Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 62; Koschtial GRUR 2004, 555, 558; G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 532. Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 36f. Möhring/Nicolini 1. Aufl., S. 72. I. Engisch FS von Gamm, S. 369ff.; Erdmann FS von Gamm, S. 389, 403; Erdmann FS Loschelder, S. 61f., 71; a. A. Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 50. von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 63, 68, 81. Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 125; vgl. Krubeck Gutachten zu BGH NJW 1957, 220 – Europapost, 1955, zit. nach R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 65f.; Pfister Der Gebrauchsgrafiker und das Recht, 2. Aufl., S. 10. Gerstenberg Die Urheberrechte an Werken der Kunst, der Architektur und der Photographie, S. 50f. Dreier/G. Schulze 5. Aufl., Rn 153; ungenau E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 95. König Der Werkbegriff in Europa, S. 305.
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einschlägig gehaltenem Verwendungszweck unterschiedliche Kriterien für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit angelegt.587 Diese Kritik kann jedoch, wie dargestellt, mit einer genaueren Bestimmung des Gebrauchszwecks entkräftet werden.588 Schließlich richtete sich eine Ansicht ganz gegen die herkömmliche Abgrenzung von Urheber- und Geschmacksmusterrecht. Aufgrund der unterschiedlichen Neuheitsbegriffe, Formerfordernisse und Schutzfristen seien beide Rechtsgebiete gar nicht miteinander vergleichbar, sondern ergänzten einander allenfalls.589 Bei Lichtbild- und Datenbankwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 und § 4 UrhG) würden auch keine erhöhten Anforderungen gestellt, obwohl hier aufgrund des Schutzes von Lichtbildern und dem sui-generis-Recht für Datenbanken (§§ 72, 87a UrhG) ebenfalls ein Schutz auf niedrigerer Stufe existiere.590
II.
Argumente für eine Absenkung der Schutzschwelle
Großen Anhang in der Literatur fand die Position, das Erfordernis einer besonderen Individualität aufzugeben und die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst auf das Niveau der reinen Kunst abzusenken. 1.
Schutzinteresse der Designer
Begründet wurde dies zum einen mit dem hohen Schutzinteresse der betroffenen Designer.591 Die von der Branche erbrachten Investitionen für gestalterische Innovation benötigten rechtlichen Schutz.592 Auch aufgrund der »sozialen Funktion und Ausrichtung des Urheberrechtsgesetzes« solle möglichst vielen Werken ein formfreier Schutz zugänglich sein, nicht zuletzt seien alle Urheber nach Art. 3 Abs. 1 GG gleichermaßen sozial schutzwürdig.593 587 Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 153; Eichmann/Kur/G. Schulze Designrecht, 1. Aufl., § 4 Rn 17. 588 Oben S. 52ff. 589 A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 140. 590 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 95; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 64; Schricker GRUR 1996, 815; Eichmann/Kur/G. Schulze Designrecht, 1. Aufl., § 4 Rn 19; von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 114; G. Schulze Die kleine Münze, S. 139. 591 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 186; S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 71; R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des GrafikDesigners, S. 76. 592 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 534; Zentek WRP 2010, 73. 593 A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 140, 143; R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 70f.; Koschtial GRUR 2004, 555, 558; vgl. Schricker GRUR 1996, 815, 818.
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Weder das Wettbewerbsrecht594 noch das ohnehin nur kurze Geschmacksmusterrecht böten adäquaten Schutz. Bei letzterem sei insbesondere das Anmeldeerfordernis in Branchen wie der Werbung oder Mode impraktikabel.595 Jedenfalls sei die Schutzdauer des Geschmacksmusters zu verlängern.596 2.
Einheitlichkeit des Werkbegriffs
Zum anderen wurde mit der Einheitlichkeit des Werkbegriffs auch für verringerte Anforderungen im Bereich der angewandten Kunst argumentiert.597 Die urheberrechliche Schutzschwelle sei in § 2 Abs. 2 UrhG unabhängig von den ohnehin innerhalb des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gleichrangigen Werkarten definiert.598 Daraus folge das Erfordernis einer einheitlichen Schutzschwelle. Deutlich werde die Uneinheitlichkeit bei Werken, die verschiedene Werkarten verbinden, zum Beispiel die angewandte Kunst mit der wissenschaftlichen Darstellung.599 Verfassungsrechtlich wurden für die Gleichheit der Kunst die Art. 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG ins Feld geführt.600 In praktischer Hinsicht wurde für die Absenkung der Schutzschwelle argumentiert, die angewandte Kunst sei ohnehin nur schwer von der reinen Kunst abzugrenzen.601 Dagegen wurde vorgebracht, dass Abgrenzungsschwierigkeiten insbesondere zur Gemeinfreiheit in jedem Fall bestünden.602
594 Reimer GRUR 1980, 572, 574f.; Loewenheim GRUR 1987, 768. 595 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 117ff.; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 149; Schricker GRUR 1996, 815, 818; Krüger GRUR 1986, 115, 117. 596 Gerstenberg GRUR 1963, 245, 250. 597 A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 140; Gerstenberg GRUR 1974, 707, 710; B. Samson Urheberrecht, S. 82; von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 83ff.; Strunkmann-Meister Gegenseitiges Verhältnis von Geschmacksmusterschutz und Urheberschutz, S. 253f.; G. Schulze GRUR 1984, 400, 405; Koschtial GRUR 2004, 555, 558. 598 A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 138, 140; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 47ff. 599 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 105f. 600 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 185f.; Kosch–tial GRUR 2004, 555, 558f.; A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 142; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 171f., 189f. 601 B. Samson Urheberrecht, S. 82; Schricker GRUR 1996, 815, 819; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 185f.; A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 140. 602 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 532.
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III.
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Argumente für die Beibehaltung des Erfordernisses einer besonderen Schöpfungshöhe
Manche Autoren, teilweise auch in jüngerer Zeit, haben sich für die Beibehaltung des Erfordernisses einer besonderen Schöpfungshöhe bei Werken der angewandten Kunst ausgesprochen. 1.
Abgrenzung zum Designrecht
Zum einen wurde die Argumentation der Rechtsprechung verteidigt, dass die besondere Schutzschwelle zur Abgrenzung des Urheberrechts vom Geschmacksmusterrecht notwendig sei.603 Das Verhältnis ähnele dem zwischen Patent und Gebrauchsmuster.604 Das Designrecht – eventuell in reformierter Form – biete ausreichenden und adäquaten Schutz.605 Bei einer Absenkung der Schutzschwelle werde das Geschmacksmusterrecht überflüssig.606 Jedenfalls werde bei einem urheberrechtlichen Schutz das geschmacksmusterrechtliche Anmeldeerfordernis unterlaufen. Das Urheberrecht dürfe nicht die Funktion eines Auffangbeckens für Werke übernehmen, die an den formellen oder materiellen Voraussetzungen des Geschmacksmusterschutzes scheitern.607 Dagegen wurde vorgebracht, dass bei einer niedrigen Schutzschwelle »das aufwendige und kostenverbundene formale Musterrecht nicht ständig heranzuziehen« sei.608 2.
Urheberrecht als Kulturrecht
Daneben wurde auch mit dem Stellenwert des Urheberrechts als »Kulturrecht« argumentiert.609 Die hohe Schutzschwelle führe zu einer »Entlastung« des Urheberrechts,610 indem sich das Urheberrecht auf »genuin urheberrechtliche Gestaltungen der bildenden und angewandten Kunst konzentrieren kann, ohne 603 G. Schulze GRUR 1987, 769, 773; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 17; Hubmann Urheberrecht, 6. Aufl., S. 68. 604 E. Ulmer GRUR Int. 1959, 1, 2; a. A. Schricker GRUR 1996, 815, 818; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 184. 605 Elster JR 1928, 276, 280; Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 531; Ruhl 2. Aufl., Art. 96 GGV Rn 33. 606 G. Schulze GRUR 1984, 400, 405; G. Schulze GRUR 1987, 769, 773; Heydt GRUR 1968, 530, 535; Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 71; a. A. von Schildt-Lutzenburger KUR 2005, 97, 106. 607 Beil UFITA 79 (1977), 1, 7; Ruhl 2. Aufl., Art. 96 GGV Rn 33. 608 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 184, 186. 609 Rehbinder/Peukert Urheberrecht 17. Aufl., Rn 3; Riedel GRUR 1960, 216, 218; dagegen von Schildt-Lutzenburger KUR 2005, 97, 107. 610 Dietz FS Beier, S. 355, 356; von Schildt-Lutzenburger KUR 2005, 97, 106f.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
den Schutz anderer Gestaltungen mangels theoretischer oder praktischer Schutzalternativen weiterhin ›mitschleppen‹ zu müssen.«611 Gestaltungen müssten nicht allein deshalb geschützt werden, weil das Urheberrecht sie als Werkart grundsätzlich erfasst.612 Auch ohne einen Unterbau werde teilweise eine hohe Schutzschwelle angenommen, zum Beispiel bei wissenschaftlich-technischen Sprachwerken.613 Das Urheberrecht schütze die ästhetische Wirkung und eben nicht die Funktion und Besonderheit einer Gestaltung.614 Davon ausgehend wurde gefordert, besonders bei Gebrauchsgegenständen, aber auch bei manchen grafischen Arbeiten, noch strenger zu sein.615 Entsprechend sei aufgrund der Gleichheit der Werkarten auch die allgemeine urheberrechtliche Schutzschwelle anzuheben.616 Die Begriffe der »persönlichen geistigen Schöpfung« in § 2 Abs. 1 sowie der »Literatur, Wissenschaft und Kunst« in § 1 UrhG, die Bedeutung der Urheberpersönlichkeitsrechte617 sowie die lange Schutzdauer618 sprächen für hohe Schutzanforderungen.619 Subsidiärer Schutz sei durch die verwandten Schutzrechte620 und das Lauterkeitsrecht621 oder das Marken- und Deliktsrecht622 zu gewähren.
3.
Freihaltebedürfnis
Ein häufig angeführtes, aber umstrittenes Argument für eine hohe Schutzschwelle im Bereich der angewandten Kunst ist, dass hier ein besonderes Freihaltebedürfnis, also ein im Vergleich zu anderen Werkarten großes Nutzungsinteresse der Allgemeinheit bestehe.623 Einerseits sei der Gestaltungsspielraum hier bereits eingeschränkt, andererseits bestehe eine große Zahl vorbekannter Formen. Eine Ausweitung des urheberrechtlichen Schutzes schade den betroffenen Branchen daher sehr.624 Die Gegenansicht widerspricht der Prämisse eines 611 612 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622 623 624
Dietz FS Beier, S. 355, 356. G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 533. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 185. G. Schulze Die kleine Münze, S. 221; Lehr GRUR 1999, 403, 406; a. A. Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 56ff. G. Schulze Die kleine Münze, S. 241f. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 136; von Schildt-Lutzenburger KUR 2005, 97, 106f. von Schildt-Lutzenburger KUR 2005, 97, 107f. aaO 108; a. A. Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 55. G. Schulze GRUR 1987, 769, 773; Gerstenberg GRUR 1963, 245, 250. G. Schulze GRUR 1987, 769, 773; a. A. Dreyer/Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 63. Hubmann Urheberrecht, 6. Aufl., S. 68ff., 104; G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 531. G. Schulze Die kleine Münze, S. 283ff. E. Ulmer UFITA 45 (1965), 18, 21f.; Schack GS Eckert, S. 725, 739; Schramm UFITA 19 (1955), 82, 88; Krüger IIC 1984, 168, 180; vgl. Kur FS Bornkamm, S. 849, 858. Ruhl 2. Aufl., Art. 96 GGV Rn 33.
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besonderen Freihaltebedürfnisses im Bereich der angewandten Kunst.625 Außerdem sei ein Freihaltebedürfnis nicht schutzwürdig, wenn es darin bestehe, fremde Leistungen auszunutzen.626 Zu diesem Streit soll im Zusammenhang mit der heutigen Rechtslage Stellung genommen werden.627
IV.
Alternative Ansätze
Alternativ zur herkömmlichen Bestimmung der Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst sind auch andere Ansätze vorgeschlagen worden.
1.
Einzelfallbetrachtung
Zunächst wurde eine Abkehr von unterschiedlichen, an Werkarten orientierten Maßstäben vorgeschlagen, um stattdessen im Einzelfall anhand des Gestaltungsspielraums und des Gebrauchszwecks des Werks sowie anderer Indizien zu entscheiden.628 Ein solcher Paradigmenwechsel widerspricht jedoch dem Interesse und der natürlichen Tendenz der Rechtsprechung, durch die Schaffung von Fallgruppen für Rechtssicherheit zu sorgen. Ein vergleichbarer Vorschlag möchte zwischen Gebrauchsprodukten und Gebrauchsgrafiken zu unterscheiden. Für das Produktdesign solle die Schutzschwelle auf das Maß der reinen Kunst abgesenkt werden. Im Bereich des Grafikdesigns dagegen solle die Schutzschwelle noch weiter, nämlich auf das Maß der Eigentümlichkeit des Geschmackmusterrechts sinken. Denn Marken- und Geschmacksmusterrecht böten hier keinen ausreichenden Schutz.629
2.
Isolierung der Kunst vom Gebrauchszweck
Ein anderer Ansatz wollte den urheberrechtlichen Schutz auf Werke beschränken, bei denen sich die künstlerischen Elemente vom Gebrauchszweck trennen lassen. Der Begriff des Gebrauchszwecks sei verfehlt, weil nicht das Werk einen Gebrauchszweck habe, sondern das einzelne Werkstück.630 Im Ergebnis sei eine solche Trennung vor allem bei zweidimensionalen Werken möglich, deutlich 625 A. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 914; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 53; Koschtial GRUR 2004, 555, 557f. 626 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 534f. 627 Unten S. 150ff. 628 G. Schulze GRUR 1987, 769, 775; oben S. 18f. 629 Zentek WRP 2010, 73, 78. 630 Wassner Kunst, Geschmack und unlauterer Wettbewerb, S. 19.
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weniger bei dreidimensionalen.631 Das ist als Begriffsjurisprudenz kritisiert worden.632 Darüber hinaus verkennt dieser Ansatz, dass die angewandte Kunst eben angewandte bildende Kunst ist und es hier immer auch auf das konkrete Werkstück ankommt: Die physische Form ist gerade Teil des Werks. Darüber hinaus zeichnet sich gutes Design dadurch aus, dass es Funktionalität und Ästhetik gerade in einer Einheit verbindet.633 Dieser Ansatz ist insbesondere deshalb relevant, weil er den deutschen Werkbegriff unbewusst dem früheren italienischen und amerikanischen Recht annähern wollte.634 3.
Statistische Einmaligkeit
Die früher viel diskutierte Lehre von der statistischen Einmaligkeit betrachtete die Schöpfung als quasi aleatorischen Prozess und wollte demnach schützen, was so nicht noch einmal geschaffen wird.635 Eine Übertragung dieses Gedankens auf die angewandte Kunst ermögliche eine bessere Abgrenzung auch zum Geschmacksmuster.636 Dieser Ansatz ist freilich abzulehenen, weil auf diese Weise keine Aussage über das gesetzliche Kriterium der persönlichen geistigen Schöpfung getroffen werden kann.637 Noch einen Schritt weiter ging die Ansicht, wonach Werke mit Gebrauchszweck überhaupt nicht urheberrechtlich geschützt seien, weil das Urheberrecht nur Gegenstände schützen solle, die sich in ihrer Formgebung erschöpfen.638 4.
Prävalenztheorie
Die so genannte Prävalenztheorie fragt zunächst danach, ob bei dem angeblichen Werk überhaupt eine schöpferische Eigenart vorliegt. Wenn die schöpferische Eigenart gegenüber dem Gebrauchszweck in den Hintergrund trete, sei nur Geschmacksmusterrecht anwendbar.639 Bei dieser Prüfung sollen die soziale Funktion des Werks und der bestehende Gestaltungsspielraum als Indizien herangezogen werden.640 Bei weniger eindeutigen Fällen sei »in dubio pro auc631 632 633 634 635 636 637 638 639
aaO S. 33ff. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 162. Ohly GRUR 2007, 731; vgl. Vivant/BruguiHre Droit d’auteur, 3. Aufl., Rn 187. Unten S. 162ff. Kummer Das urheberrechtlich schützbare Werk, S. 30ff. Troller Dir. aut. 1979, 877, 891f.; K. Schmidt UFITA 77 (1978), 1, 38ff. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 190 m.w.N. Kummer FS Vischer, S. 701, 706ff. W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 911; sympathisierend Kur FS Schricker (1995), S. 503, 512; zurückgehend auf Dambach Musterschutz-Gesetz, S. 17f. 640 W. Nordemann UFITA 50 C (1967-III), 906, 912f.
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tore« zu entscheiden.641 Dieser Ansatz ist freilich abzulehnen, weil das Bestehen eines Gebrauchszwecks die Eigenschaft als Kunstwerk gerade nicht verdrängt.642 Die gesetzgeberische Entscheidung, auch Werke der angewandten Kunst als urheberschutzfähig anzuerkennen, darf nicht unterlaufen werden.643 5.
Gehalt des Werkes
Andere definierten die Schutzschwelle neu und stellten darauf ab, ob das fragliche Werk tatsächlich einen »künstlerischen Gehalt« aufweist oder lediglich einen »ästhetischen Ausdruck« darstellt.644 Man mag die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle so deuten,645 doch verbietet es sich, auf eine Empfindung beim Betrachter abzustellen, denn wie bei anderen Werkarten, zum Beispiel Computerprogrammen oder wissenschaftlichen Darstellungen, kommt es nur darauf an, ob und in welchem Maß der Urheber seiner Persönlichkeit in seinem Werk Ausdruck verliehen hat.646 Gleiches gilt für die Ansicht, Werke der reinen Kunst drückten einen ästhetischen Inhalt aus, was bei »reinen Zweckgebilden« nicht der Fall sei.647 Im Schweizer Recht wurde die Abgrenzung danach vorgeschlagen, ob ein Werk einen hohen (dann Urheberrecht) oder niedrigen (dann Designrecht) Informationsgehalt hat.648 Auch dies widerspricht jedoch dem Grundsatz, dass die Individualität der Maßstab für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit ist.649 6.
Wirtschaftliche Bedeutung
Schließlich hält eine jüngst erschienene Untersuchung den bisherigen Ansatz zur Bestimmung der Schutzschwelle für rein hermeneutisch.650 Die Rechtsprechung zur Kleinen Münze bestehe bei allen Werkarten nur aus subjektiven Einzelfallentscheidungen, eine echte Definition existiere nicht.651 Um den Werkbegriff durch eine ökonomischen Analyse des Urheberrechts652 ausgehend 641 aaO 913f.; a. A. (gegenteilige Vermutung!) BGE 105 II 297, 300 (1979). 642 Osterrieth/Marwitz Das Urheberrecht, 2. Aufl., S. 40. 643 Möhring/Nicolini 1. Aufl., S. 62; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 164 m.w.N. 644 Haberstumpf FS 100 Jahre GRUR, S. 1125 Rn 50f., 61, 65. 645 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 164f. 646 E. Ulmer Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 150, 133; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 165. 647 Koschtial GRUR 2004, 555 mit Hinweis auf Lehr GRUR 1999, 403. 648 Heinrich DesG, 1. Aufl., Einl. Rn 0.84ff. 649 Fehlbaum sic! 2015, 74, 75. 650 Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 23f.; ders. GRUR 2015, 540ff. 651 Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 61, 63, 80f., 85. 652 aaO S. 95ff.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
vom (denkbar ungeeigneten) Beispiel des Patentrechts653 neu zu bestimmen, wurden 118 in der Literatur zur Kleinen Münze zitierte Gerichtsentscheidungen daraufhin untersucht, ob die Werkeigenschaft von bestimmten außerrechtlichen Eigenschaften abhängig ist.654 Als mögliche Faktoren wurden der Herstellungsaufwand, der wirtschaftliche Wert des betroffenen Erzeugnisses, die Bekanntheit des Schöpfers, der Gebrauchszweck und die geltend gemachten und gewährten Rechte beleuchtet.655 Damit folgt die Untersuchung dem Vorschlag, die Individualität eines Werks indizienhaft anhand von Kriterien wie Beliebtheit, Erfolg, Aufwand, Berühmtheit des Urhebers und Preis zu bestimmen.656 Die statistische Analyse bestätigte die Hypothese zum Teil: Danach ist die Werkeigenschaft vom Herstellungsaufwand, vom wirtschaftlichen Wert des Erzeugnisses und von der Bekanntheit des Erzeugers abhängig.657 Für eine Bestimmung der Werkeigenschaft auf ökonomischer Basis eignen sich der wirtschaftliche Wert und die Bekanntheit des Erzeugnisses jedoch nicht.658 Ein Problem der Untersuchung ist darüber hinaus die Schwierigkeit, die wirtschaftlichen Faktoren aus den die Datenbasis darstellenden Gerichtsentscheidungen zu bestimmen. Häufig musste eine Messung aufgrund von »Indizien«, also eine Schätzung, vorgenommen werden.659 So lässt sich auch leicht die umgekehrte Hypothese aufstellen, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Werks mit seinem künstlerischen Gehalt korreliert, dass also der Markt die Individualität eines Werks honoriert. Dann liefe die Korrelation zwischen dem wirtschaftlichem Erfolg des Werkes und seinem urheberrechtlichen Schutz der gesetzgeberischen Intention nicht mehr zuwider. Aufgrund der ökonomischen Analyse kommt Bisges zu der These, das Merkmal der Individualität solle nur noch dahin gehend geprüft werden, ob es überhaupt irgendwie im Werk vorliegt. Ergänzend solle der Herstellungsaufwand des Werks berücksichtigt werden.660 Die Argumentation mit den entsprechenden Motiven bei den Leistungsschutzrechten der §§ 70, 87a UrhG661 ist freilich verfehlt, weil der Schutzzweck hier ein anderer ist. Eine gesonderte Betrachtung erfahren 15 Entscheidungen zu Designermöbeln.662 Ihnen wurde lediglich im »Büromöbelprogramm«-Urteil663 kein Schutz 653 654 655 656 657 658 659 660 661 662
aaO S. 102ff. aaO S. 184. aaO S. 161ff. Vgl. G. Schulze Die kleine Münze, S. 167ff. Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 226f., 232f., 234f., 271. aaO S. 167ff. aaO S. 188, 192ff., 258. aaO S. 179; ders. GRUR 2015, 540, 545f. Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 179. aaO S. 261.
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Bisherige Kritik am Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
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gewährt. Bisges konstatiert hier, der Designer sei unbekannt, es handle sich um eine mit mittlerem Aufwand erstellte Gestaltung und das Erzeugnis habe keinen hohen Wert, wodurch er seine Hypothese bestätigt sieht. Bisges’ Modell scheitert damit nach seiner eigenen Einschätzung nur in sechs Fällen,664 von denen zwei aus dem Bereich der angewandten Kunst stammen. Im ersten, (»Rosenthal-Vase«665) habe das Gericht geschmacksmusterrechtlichen Schutz gewährt,666 was jedoch nicht zutrifft – das Urteil weist ausdrücklich darauf hin, dass ein geschmacksmusterrechtlicher Schutz nicht geltend gemacht wurde.667 Den zweiten Fall, des »Türdrücker«-Urteil des Reichgerichts aus dem Jahr 1933668, klammert die Untersuchung mit der unbelegten Argumentation aus, es handle sich um nationalsozialistisches Unrecht gegen die »entartete Kunst« von Walter Gropius.669 Ihren Wert verliert die Untersuchung jedoch vor allem, weil sie ausschließlich auf der Annahme beruht, das Urheberrecht habe »aus ökonomischer Sicht […] das Anliegen, Anreize für die Entwicklung von Immaterialgütern zu schaffen.«670 Hierauf beruht das Copyright-System, nicht aber das kontinentaleuropäische System des Droit d’auteur, das primär den Schutz der Persönlichkeit des Urhebers zum Ziel hat.671 Das Urheberrecht darf deshalb nicht auf rein ökonomische Aspekte verkürzt werden.672
V.
Reformvorschläge
In der Diskussion um das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst wurden auch einige Vorschläge de lege ferenda geäußert. Dazu gehörten die Aufhebung des Geschmacksmustergesetzes und die Einbeziehung des Geschmacksmusterrechts in das Urheberrecht (1.) und die gesonderte Behandlung der angewandten Kunst entweder innerhalb (2.) oder außerhalb des Urheberrechts (3.).
BGH GRUR 1982, 305 – Büromöbelprogramm. Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 262ff. BGHZ 29, 62 – Rosenthal-Vase. Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 263. BGHZ 29, 62 – Rosenthal-Vase. RGZ 139, 214 – Türdrücker. Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 264f.; anders (Verweis auf die Auftraggeberin, die jüdische Gießerfamilie Loevy) Zentek UFITA 2016-I, 35, 58. 670 Bisges Die Kleine Münze im Urheberrecht, S. 127. 671 Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 25f.; vermittelnd Goldstein GRUR Int. 1991, 767ff. 672 Vgl. G. Schulze Die kleine Münze, S. 128ff.
663 664 665 666 667 668 669
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96 1.
Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
Einbeziehung des Geschmacksmusterrechts in das Urheberrecht
Als erster, einschneidender Reformvorschlag wurde diskutiert, das Geschmacksmustergesetz abzuschaffen. Die dort bisher erfassten Gestaltungen sollten vom Schutzbereich des Urheberrechts erfasst werden.673 Dazu müsste die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst deutlich abgesenkt werden. Als Begründung wurde neben der Einheitlichkeit des urheberrechtlichen Werkbegriffs angeführt, dass es dauerhaft keine Möglichkeit gebe, die Schutzgegenstände der beiden Gesetze sauber voneinander abzugrenzen.674 Unter Umständen sei für die neu einbezogenen Werke eine kürzere Schutzdauer vorzusehen.675 Dagegen wurde vorgebracht, dass ein einheitlicher Schutz die Schutzschwelle viel zu niedrig ansetzen würde.676 2.
Sonderbehandlung der angewandten Kunst innerhalb des Urheberrechts
Ein anderer, in das geltende Recht nicht ganz so stark eingreifender Vorschlag betraf die Einführung besonderer Vorschriften für Werke der angewandten Kunst innerhalb des Urheberrechts. Dabei wurden insbesondere eine eigene Werkkategorie677 und eine kürzere Schutzfrist gefordert.678 3.
Ausgliederung der angewandten Kunst aus dem Urheberrecht in ein Leistungsschutzrecht
Vereinzelt wurde aber auch die Idee einer völligen Abschaffung des urheberrechtlichen Schutzes für Werke der angewandten Kunst diskutiert. Erwogen hat man das bei der Schaffung des Urheberrechtsgesetzes 1965 im Rechtsausschuss wegen eines hohen Freihaltebedürfnisses der Industrie679 in diesem Bereich: »[D]ie zunehmende, auch gesellschaftspolitische Bedeutung der Formgestaltung [lasse] es wünschenswert erscheinen […], die Industrie in dem Bestreben nach einer ästhetisch ansprechenden Gestaltung ihrer Erzeugnisse nicht durch einen zu weitgehenden Schutz für Werke der angewandten Kunst zu behin-
673 Rauter MuW 1939, 251, 252; Henssler GRUR 1957, 8, 15; Kleine JZ 1958, 187, 188; Riedel GRUR 1960, 216, 225; Henssler GRUR 1961, 397, 402. 674 Englert Grundzüge des Rechtsschutzes der industriellen Formgebung, S. 32. 675 Riedel GRUR 1960, 216, 225; Henssler GRUR 1957, 8, 15; ders. GRUR 1961, 397, 402. 676 Englert Grundzüge des Rechtsschutzes der industriellen Formgebung, S. 33. 677 A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 905. 678 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 270; vgl. Henssler GRUR 1961, 397, 402; oben S. 73f. 679 E. Ulmer UFITA 45 (1965), 18, 21f.
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Bisherige Kritik am Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
97
dern«.680 Insbesondere die lange Schutzdauer und das Urheberpersönlichkeitsrecht würden dem nicht gerecht.681 Für sich allein fand dieser Vorschlag wenig Anklang,682 doch wurde er in Kombination mit ausgleichenden Maßnahmen durchaus weiter diskutiert, um eine den Bedürfnissen der angewandten Kunst besser angepasste Schutzmöglichkeit zu schaffen. Eine solche wurde in einem Leistungsschutzrecht unterhalb des Urheberrechts in Form eines »sui-generis-Rechts für Werke der Kleinen Münze« erkannt.683 Die »Verbannung« der Werke der Kleinen Münze in ein zu schaffendes Leistungsschutzrecht ist später mehrfach aufgenommen worden.684 So sei für »Grenzprodukte mit zweifelhaftem schöpferischen Gehalt« ein »Sammelbecken« zu schaffen, in dem sie während einer verkürzten Frist als »fiktive Werke« geschützt sein sollten.685 Hier seien kaum ideelle Interessen vorhanden und aufgrund des »vorwiegend gewerblichen Gehaltes und [der] niederen Gestaltungshöhe ein kurzfristiger Schutz erforderlich«.686 Ein Leistungsschutzrecht passe »im Hinblick auf Intention, Schutzvoraussetzungen und Schutzumfang« besser. Auch rechtstatsächlich seien Designer eher mit den Fotografen vergleichbar, sie erbrächten eine »freie Leistung«.687 Leistungsschutzschutzrechte schützten »Leistungen, die ausdrücklich von der Rechtsordnung als schutzberechtigt anerkannt sind und denen ein geringerer Schutz gewährt wird oder werden soll, als ihn die klassischen Sonderrechte genießen«.688 Im Unterschied zum Urheberrecht werde nicht das Werk als von der Persönlichkeit des Urhebers geprägte Schöpfung geschützt, sondern die schutzwürdige Leistung auf der Grundlage von Investitionen, technischem Geschick oder künstlerischen Fertigkeiten.689 Als Vorbild wurden immer wieder die unterschiedlichen Schutzregime für
680 BT-Drs. zu IV/3401, S. 2 = UFITA 46 (1966), 174, 176; Nirk/Kurtze GeschmMG, 2. Aufl., Einf. Rn 24; Gerstenberg GRUR 1966, 471, 473; von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 116ff.; Böttner Kunst- und Werkbegriff, S. 166f. 681 Nirk/Kurtze GeschmMG, 2. Aufl., Einf. Rn 24. 682 Krüger GRUR 1986, 115, 126; Reimer GRUR 1980, 572, 575. 683 G. Schulze Die kleine Münze, S. 299ff.; U. Müller FS Pfennig, S. 179ff.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 298; S. Schmidt Urheberrechtsprobleme in der Werbung, S. 72; StrunkmannMeister Gegenseitiges Verhältnis von Geschmacksmusterschutz und Urheberschutz, S. 255; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 327, 332f.; Gerstenberg GRUR 1963, 245, 250; zweifelnd Henssler GRUR 1961, 397, 403. 684 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 316; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 318; Schulze ZUM 1989, 53, 61; Auteri GRUR Int. 1998, 360, 361. 685 Strunkmann-Meister UFITA 58 (1970), 13, 35. 686 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 318, 331. 687 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 322. 688 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 318. 689 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 313.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
Lichtbilder und Lichtbildwerke angeführt.690 Die Schutzanforderungen sollten »Neuheit und Eigenart« und die Schutzfrist auf zehn Jahre beschränkt sein.691 Parallelen bestünden auch zum Schutz wissenschaftlicher Ausgaben und zur Editio princeps (§§ 70f. UrhG). Hervorgehoben wurde der damals nur zehnjährige Schutz dieser Leistungen. Das einzige genuin urheberrechtliche Beispiel für ein solches Leistungsschutzrecht ist der Katalogschutz der nordischen Länder.692 Er bezieht sich auf die Kleine Münze der Literatur und schützt in national unterschiedlicher Ausgestaltung Werke wie Kataloge, Tabellen, Programme und Formulare vor Vervielfältigung für die Dauer von zehn Jahren. Entsprechend wurde auch in Bezug auf Sprachwerke vorgeschlagen, diese Werke niederer Schöpfungshöhe mit den Begriffen »neu und eigenartig oder neu und mit einem erheblichen und unvermeidlichen Aufwand an Arbeit oder Kosten verbunden« zu definieren und das entsprechende Leistungsschutzrecht dem Verleger zu gewähren.693 Möglicherweise kann auch das Datenbankrecht als Vorbild herangezogen werden, das in den §§ 87a ff. UrhG als Sonderrecht ausgestaltet ist, aber urheberrechtlichen Charakter hat.694 Ein konkreter Formulierungsvorschlag für ein »Leistungsschutzrecht für Design« stammt vom Deutschen Designertag aus dem Jahr 1978: »§ 72 Schutz der Lichtbilder und der Arbeiten des Design (1) Die Vorschriften des ersten Teils sind sinngemäß anzuwenden: 1. auf Lichtbilder und auf Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden; 2. auf bildnerische oder gegenständliche Gestaltungen zum Zwecke der Vervielfältigung (Arbeiten des Design) und Entwürfe solcher Gestaltungen. (2) Die Rechte nach Abs. 1 Ziff. 1 stehen dem Lichtbildner, die Rechte nach Abs. 1 Ziff. 2 dem Designer zu.«695
Der Umweg über das Geschmacksmusterrecht könne wegen der zeit- und kostenintensiven Anmeldung »nur in seltenen Fällen gewählt werden«.696 Hier müsse ein Leistungsschutzrecht gewährt werden, weil »die gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten wie bei der Unterscheidung zwischen Lichtbildwerken und Lichtbildern« bestünden. 690 Strunkmann-Meister Gegenseitiges Verhältnis von Geschmacksmusterschutz und Urheberschutz, S. 125ff.; ders. UFITA 66 (1973), 63, 69; a. A. Englert Grundsätze des Rechtsschutzes der industriellen Formgebung, S. 33. 691 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 327, 332f. 692 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 328; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 328f.; unten S. 182. 693 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 343. 694 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 318. 695 Abgedruckt bei R. Schmidt Urheberrecht und Vertragspraxis des Grafik-Designers, S. 126. 696 aaO S. 126.
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Vorgaben durch das europäische Urheberrecht
99
Dennoch ist ein Leistungsschutzrecht von der grundsätzlichen Zielsetzung her wie dargestellt vom Urheberrecht zu unterscheiden. Deshalb lässt sich auch nur schwer für eine »Verbannung« von Werken der angewandten Kunst, und sei es auch nur von solchen mit geringer Schöpfungshöhe, in ein Leistungsschutzrecht argumentieren.697 Deshalb verfangen die Argumente für die Schaffung eines Leistungsschutzrechts nicht, da es mit dem Geschmacksmusterrecht eben ein solches gewerbliches Schutzrecht bereits gibt. Daher wurde einerseits vorgeschlagen, das Geschmacksmuster in ein solches neues Gesetz mit einzubeziehen.698 Je nach der Möglichkeit einer gewerblichen Verwendung wäre dann für oder gegen ein Anmeldeerfordernis zu entscheiden.699 Andererseits wurde einfach die Ausweitung des Geschmacksmusterschutzes für die Kleine Münze der angewandten Kunst gefordert.700 Ein entsprechend aufgewerteter Schutz könne zum Ausschluss des urheberrechtlichen Schutzes nach einer Musteranmeldung führen.701 Auch der urheberrechtliche Titelschutz und »Werke zweiter Hand« könnten hier aufgenommen werden, um das Wettbewerbsrecht zu entlasten und vor allem das Urheberrecht auf werkbezogene Schöpfungen zu fokussieren.702
D.
Vorgaben durch das europäische Urheberrecht
Ein wesentlicher Teil der Debatte um die besondere Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst betrifft den Einfluss des Unionsrechts auf das deutsche Urheberrecht. Dabei geht es zunächst um die umstrittene Frage, ob es einen europäischen Werkbegriff gibt und welche Auswirkungen dieser auf das deutsche Recht hat (I.). Außerdem sind die Geschmacksmusterrichtlinie von 1998 und ihre Umsetzung im deutschen Designrecht sowie die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung zu untersuchen (II.). Das europäische Urheberrecht besteht aus einer Reihe von Richtlinien, die von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weiter ausgeformt worden sind. Zu den hier relevanten Rechtsakten gehören die Richtlinie 96/6/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken703 (Datenbank-RL), die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und 697 698 699 700 701 702 703
aaO S. 325. Schmieder UFITA 73 (1975), 65, 80. Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 171ff. Strunkmann-Meister FuR 1972, 29, 32. Krüger IIC 1984, 168, 180f. Schmieder UFITA 73 (1975), 65, 80. ABl. L 77 vom 27. 3. 1996, S. 20.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft704 (Infosoc-RL), die Richtlinie 2006/116/EG über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte705 (Schutzdauer-RL), welche die alte Schutzdauerrichtlinie 93/98/EWG706 ersetzt, die Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen707 (Computerprogramm-RL), welche die alte Computerprogramm-Richtlinie 91/250/EWG708 ersetzt, sowie die Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmuster-RL)709 und die Verordnung 6/2002/EG über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster710 (GGV). Der durch diese Rechtsakte gewährleistete Grad der Harmonisierung des europäischen Urheberrechts ist vergleichsweise gering.711 Einen zumindest in Teilen ganzheitlichen Regulierungsansatz verfolgt nur die Infosoc-RL. Dies mag daran liegen, dass es im Urheberrecht kein zu vereinheitlichendes Anmeldeverfahren wie in anderen Materien des gewerblichen Rechtsschutzes, etwa dem Markenrecht, gibt.712 Auch im Bereich der angewandten Kunst als Werkart des Urheberrechts räumt das geschriebene Unionsrecht den Mitgliedstaaten nach wie vor große Autonomie ein. Das niedrige Harmonisierungsniveau wird wenig überzeugend mit einem angeblich vergleichsweise geringen grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr im Bereich der angewandten Kunst begründet.713 Das Urheberrecht ist zwar Kulturrecht,714 bildet aber zugleich den rechtlichen Rahmen für eine bedeutende Wirtschaftsbranche.715 Plausibler erscheint es, den Grund für die Zurückhaltung des Unionsgesetzgebers in der deutlichen Zweiteilung der Union in vier Copyright-716 und 24 Droit d’auteur-Jurisdiktionen zu suchen.
704 705 706 707 708 709 710 711 712 713 714 715 716
ABl. L 167 vom 22. 6. 2001, S. 10. ABl. L 372 vom 27. 12. 2006, S. 12. ABl. L 290 vom 24. 11. 1993, S. 9. ABl. L 111 vom 5. 5. 2009, S. 16. ABl. L 122 vom 17. 5. 1991, S. 42. ABl. L 289 vom 28. 10. 1998, S. 28; vgl. Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 88ff. ABl. L 003 vom 5. 1. 2002, S. 1. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 219; Schricker FS Steindorff, S. 1437. Schricker FS Steindorff, S. 1437, 1442. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 219. Vgl. oben S. 72f. Oben S. 66ff. Irland, Malta, das Vereinigte Königreich und Zypern.
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Vorgaben durch das europäische Urheberrecht
I.
101
Europäischer Werkbegriff ?
Insbesondere hat die Harmonisierung des geschriebenen europäischen Urheberrechts noch nicht den traditionellen Werkbegriff erreicht.717 Heftig umstritten ist jedoch, ob dennoch angesichts einzelner Formulierungen der urheberrechtlichen Richtlinien in der Interpretation durch den Europäischen Gerichtshof von einem »europäischen Werkbegriff« auszugehen ist.
1.
Vorgaben des Sekundärrechts
Die vier urheberrechtlichen Richtlinien weisen die Gemeinsamkeit auf, dass sie ihren Anwendungsbereich sehr ähnlich definieren. Die Datenbank-RL definiert in Art. 3 Abs. 1 S. 1 die schutzfähige Datenbank unionsweit einheitlich als »eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers« (»the author’s own intellectual creation«; »cr8ation intellectuelle propre / leur auteur«) und bezeichnet diese Voraussetzung in Erwägungsgrund 16 als »Originalität«. Nach Art. 6 S. 1 der Schutzdauer-RL müssen geschützte Werke der Fotografie »individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers« (»original in the sense that they are the author’s own intellectual creation«; »originales en ce sens qu’elles sont une cr8ation intellectuelle propre / leur auteur«) sind. In Erwgr. 17 verweist die Schutzdauer-RL auf die Herkunft der Formulierung aus der Berner Übereinkunft, nach der eine eigene geistige Schöpfung vorliege, wenn in ihr die Persönlichkeit des Urhebers zum Ausdruck kommt.718 Dieser Hinweis geht jedoch ins Leere, da die Berner Übereinkunft den Werkbegriff nicht definiert.719 Computerprogramme müssen nach Art. 1 Abs. 3 S. 1 der Computerprogramm-RL wie schon nach der Vorgängerrichtlinie »individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind« (»original in the sense that it is the author’s own intellectual creation«; »original, en ce sens qu’il est la cr8ation intellectuelle propre / son auteur«). Die Infosoc-RL dagegen schweigt zum Werkbegriff. Das europäische Recht trifft diese Aussagen aus zwei Gründen: Einerseits ist die Originaliät im unionsrechtlichen Sinn das einzige Kriterium, das die Mitgliedstaaten bei der Beantwortung der Frage nach der Schutzfähigkeit von Datenbanken, Fotografien und Computerprogrammen anwenden dürfen.720 Dies ist in Art. 3 Abs. 1 S. 2 Datenbank-RL, Art. 6 S. 2 Schutzdauer-RL und Art. 1 717 718 719 720
Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 219. Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 385. Oben S. 18. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
Abs. 3 S. 2 Computerprogramm-RL ausdrücklich normiert. Andererseits schaffen die erwähnten Richtlinien für diese drei Schutzgegenstände tatsächlich eine einheitliche unionsrechtliche Schutzschwelle in Form der »eigenen geistigen Schöpfung«.721 Diese Harmonisierung der Schutzschwelle für einzelne »moderne« Werkarten hat sich bisher im deutschen Recht nur im Hinblick auf Computerprogramme in § 69a Abs. 3 S. 1 UrhG niedergeschlagen.722 Bei Datenbankwerken und Lichtbildwerken kommt sie im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung zur Geltung.723 Für alle anderen Werkarten lässt sich eine solche Aussage den genannten Richtlinien nicht unmittelbar entnehmen.724 Auch unterlässt der europäische Gesetzgeber eine genauere Bestimmung des Begriffs der Originalität im unionsrechtlichen Sinn. Darüber hinaus enthält die Geschmacksmuster-RL in Art. 17 S. 2 eine ausdrückliche Regelung zur urheberrechtlichen Schutzschwelle: »In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen ein [urheberrechtlicher] Schutz [für geschmacksmusterfähige Gestaltungen] gewährt wird, wird einschließlich der erforderlichen Gestaltungshöhe von dem einzelnen Mitgliedstaat festgelegt.« Erwgr. 8 lautet dazu: »Solange das Urheberrecht nicht harmonisiert ist, [bleibt] es den Mitgliedstaaten freigestellt […], den Umfang des urheberrechtlichen Schutzes und die Voraussetzungen festzulegen, unter denen dieser Schutz gewährt wird.« Art. 96 Abs. 2 S. 2 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung enthält eine gleich lautende Vorschrift. Insoweit kann man die Regelungen zur »eigenen geistigen Schöpfung« in zweierlei Hinsicht verstehen:725 Entweder handelt es sich um Sondervorschriften für drei konkrete Werkarten oder aber um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der sich hier bereits im Gesetz niedergeschlagen hat. Die Existenz eines solchen allgemeinen Werkbegriffs und die darauf aufbauende Frage, ob die besondere Schutzvoraussetzung für Werke der angewandten Kunst mit dem Unionsrecht vereinbar ist, sind in der Literatur heftig umstritten. 2.
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
Dreh- und Angelpunkt des Streits ist die Interpretation einer kurzen, aber tragenden Passage im »Infopaq«-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2009, in der er das Kriterium der »eigenen geistigen Schöpfung« auf ein Werk der Lite721 722 723 724 725
aaO; Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 386. Handig UFITA 2010-II, 385, 387f. aaO 388. Ohly Urheberrecht in der digitalen Welt, S. F 27. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 139; Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 385.
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Vorgaben durch das europäische Urheberrecht
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ratur bezog.726 Diese Entscheidung und die darauf aufbauenden Urteile des Gerichtshofs müssen im Folgenden näher dargestellt werden. Im »Infopaq«-Urteil ging es um den Begriff der Vervielfältigung nach Art. 2 der Infosoc-RL im Fall einer Suchmaschine, die jeweils Ausschnitte von elf Wörtern aus Zeitungsmeldungen anzeigte. Nach dem Grundsatz der gemeinschaftsautonomen (heute: unionsautonomen) Auslegung sei dieser mangels einer Öffnungsklausel einheitlich und nicht nach dem Recht der Mitgliedstaaten zu bestimmen.727 Demzufolge sei der der Vervielfältigung zugrunde liegende und in der Richtlinie auch verwendete Begriff des urheberrechtlichen Werks nach Gemeinschaftsrecht zu bestimmen.728 Dieses verweise auf die RBÜ, die in Art. 2 Abs. 5 (Definition des Sammelwerks) und Art. 8 (Recht an der Übersetzung) von der Schutzvoraussetzung der geistigen Schöpfung ausgehe.729 Ebenso seien Computerprogramme, Datenbanken und Fotografien nach dem Gemeinschaftsrecht nur geschützt, »wenn sie Originale in dem Sinne sind, dass es sich bei ihnen um eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers handelt.«730 Die Infosoc-Richtlinie beruhe »auf demselben Grundsatz«, so dass der Werkbegriff hier ebenso zu verstehen sei.731 Mit dem Ziel eines hohen urheberrechtlichen Schutzniveaus sei auch der Werkbegriff weit zu fassen.732 Die Feststellung, ob auf dieser Grundlage im Einzelfall eine eigene Schöpfung des Urhebers vorliege, sei von den mitgliedstaatlichen Gerichten zu treffen.733 Im Urteil »BSA/Kulturministerium«734 entschied der Gerichtshof, die grafische Oberfläche eines Computerprogramms könne nicht als Teil des Computerprogramms schutzfähig sein, wohl aber als sonstiges urheberrechtliches Werk im Sinne der Infosoc-RL.735 Dazu müsse es sich nach »Infopaq« um eine »geistige Schöpfung seines Urhebers« handeln.736 Die Prüfung des Einzelfalls obliege dem mitgliedstaatlichen Gericht.737 Darstellungen, die auf rein technisch bedingten Zwängen gründen, könnten das »Kriterium der Originalität« dabei nicht erfüllen. Diese ermöglichten dem Urheber nämlich nicht, »seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen«.738 726 EuGH EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041 – Infopaq/DDF; von Lewinski GRUR Int. 2014, 1098f.; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 139. 727 aaO Tz 27; König Der Werkbegriff in Europa, S. 35. 728 Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 132. 729 EuGH GRUR 2009, 1041 Tz 34 – Infopaq/DDF. 730 aaO Tz 35. 731 aaO Tz 36f.; König Der Werkbegriff in Europa, S. 28. 732 EuGH GRUR 2009, 1041 Tz 40, 47 – Infopaq/DDF. 733 EuGH GRUR 2009, 1041 Tz 48 – Infopaq/DDF. 734 EuGH EU:C:2010:816 = GRUR 2011, 220 – BSA/Kulturministerium. 735 aaO Tz 42, 45; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 138f. 736 EuGH GRUR 2011, 220 Tz 46 – BSA/Kulturministerium. 737 aaO Tz 47. 738 aaO Tz 48ff.; Barudi UFITA 2014-I, 49, 52.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
In der Sache »Football Association Premier League und Murphy«739 urteilte der Gerichtshof, Fußballspiele seien keine geistigen Werke im Sinne der InfosocRL, weil die Spielregeln keinen Raum für »eine künstlerische Freiheit im Sinne des Urheberrechts« ließen.740 Im Urteil »Painer/Standard«741 ging es um die Schutzfähigkeit einer Porträtfotografie. Der Gerichtshof verwies dazu unter Bezugnahme auf »Infopaq« auf Art. 6 S. 1 der Schutzdauer-RL, nach der eine Fotografie eine eigene geistige Schöpfung sein müsse.742 In ihr müsse nach Erwgr. 17 die Persönlichkeit des Urhebers zum Ausdruck kommen.743 Dies sei im Umkehrschluss zu »Football Association Premier League und Murphy« »dann der Fall, wenn der Urheber bei der Herstellung des Werkes seine schöpferischen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen konnte, indem er freie kreative Entscheidungen trifft.«744 Ein Porträtfotograf könne dies tun und seiner Gestaltung dabei »seine ›persönliche Note‹ verleihen«,745 sein Gestaltungsspielraum sei nicht »auf null reduziert«.746 Der urheberrechtliche Schutz von Porträtfotografien müsse gemäß dem »Infopaq«Urteil weitreichend und »nicht schwächer sein als derjenige, der anderen Werken – andere fotografische Werke eingeschlossen – zukommt«.747 Im Urteil »Football Dataco/Yahoo«748 ging es um die Schutzfähigkeit von Fußballspielplänen als Datenbanken.749 Diese sei am Maßstab der Originalität im Sinne einer eigenen geistigen Schöpfung zu messen.750 Bei einer Datenbank liege unter Hinweis auf »Infopaq«, »BSA/Kulturministerium« und »Painer/Standard« eine eigene geistige Schöpfung dann vor, »wenn ihr Urheber über die Auswahl oder Anordnung der in ihr enthaltenen Daten seine schöpferischen Fähigkeiten in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt, indem er freie und kreative Entscheidungen trifft« »und ihr damit seine ›persönliche Note‹ verleiht«.751 Anders sei es, »wenn die Erstellung der Datenbank durch technische Erwägungen, Regeln oder Zwänge bestimmt wird, die für künstlerische Freiheit
739 EuGH EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156 – Football Association Premier League und Murphy. 740 aaO Tz 98; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 145. 741 EuGH EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166 – Painer/Standard. 742 Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 151. 743 EuGH GRUR 2012, 166 Tz 87f. – Painer/Standard. 744 aaO Tz 89. 745 aaO Tz 90, 92. 746 aaO Tz 93. 747 aaO Tz 96, 98. 748 EuGH EU:C:2012:115 = GRUR 2012, 386 – Football Dataco/Yahoo. 749 Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 158, 160. 750 EuGH GRUR 2012, 386 Tz 37 – Football Dataco/Yahoo. 751 aaO Tz 38; König Der Werkbegriff in Europa, S. 33.
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Vorgaben durch das europäische Urheberrecht
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keinen Raum lassen«.752 Die Prüfung des Einzelfalls sei Sache des mitgliedstaatlichen Gerichts.753 Nach dem Urteil »SAS Institute« können auch Programmiersprachen und Dateiformate unter Hinweis auf »BSA/Kulturministerium« urheberrechtlichen Schutz nach der Infosoc-RL genießen, »wenn es sich bei ihnen um eine geistige Schöpfung ihres Urhebers handelt«.754 Im »Nintendo«-Urteil wiederholte der Gerichtshof noch einmal seine Auffassung aus »Infopaq«, dass Werke wie Computerspiele im Sinne der Infosoc-RL urheberrechtlich geschützt sind, »sofern sie Originale sind, das heißt eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen«.755
3.
Für einen einheitlichen unionsrechtlichen Werkbegriff
Ein großer Teil der Literatur geht danach davon aus, dass sich aus der Interpretation des europäischen Urheberrechts durch den Europäischen Gerichtshof ein einheitlicher unionsrechtlicher Werkbegriff herauslesen lasse.756 Der Grundtenor ist häufig, der Europäische Gerichtshof »verfolge« eine »Rechtsprechungslinie« »im Sinne einer allgemeinen urheberrechtlichen Schutzvoraussetzung horizontal für sämtliche Werkarten«.757 Der Unionsgesetzgeber habe bei der Schaffung der Infosoc-RL nämlich einen europäischen Werkbegriff vorausgesetzt.758 Jedenfalls seien nach dem Grundsatz der Einheit und Kohärenz des Unionsrechts die Rechtsbegriffe der Unionsgesetzgebung und damit auch der Werkbegriff autonom und einheitlich anzuwenden, wenn das Unionsrecht keinen Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten zur Bestimmung ihrer Bedeutung enthalte.759 Die Rechtsprechung des Gerichtshofs sei daher so zu verstehen, dass die in den Richtlinien für Computerprogramme, Datenbanken und Fotografien normierte Schutzschwelle der 752 753 754 755 756
EuGH GRUR 2012, 386 Tz 39 – Football Dataco/Yahoo. aaO Tz 43. EuGH EU:C:2012:259 = GRUR 2012, 814 Tz 45 – SAS Institute/World Programming. EuGH EU:C:2014:25 = GRUR 2014, 255 Tz 21 – Nintendo/PC Box. Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 107, 110, 162f.; Barudi UFITA 2014-I, 49, 53; Handig UFITA 2009-I, 55, 57; ders. UFITA 2010-II, 385, 387; Leistner ZGE 5 (2013), 4, 7; ders. FS Bornkamm, S. 859, 860; Koschtial GRUR 2004, 555, 560; Metzger GRUR 2012, 118, 121; Geier Schutzkumulationen, S. 59; Weischede BLJ 2013, 73, 76. 757 Leistner GRUR 2014, 1145; Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 46; König Der Werkbegriff in Europa, S. 37; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 233; Schricker FS Kreile, S. 715, 719; Kur FS Schricker (1995), S. 503, 512f., C. Berger ZUM 2012, 353, 354f. 758 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137; Leistner ZGE 5 (2013), 4, 8f. 759 Vgl. EuGH Urt. v. 18. 1. 1984, Rs. 327/82 Tz 11 – Ekro; EuGH EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225 Tz 31 – SGAE; Handig IIC 2009, 665, 671; ders. UFITA 2009-I, 55, 56f. und GRUR Int. 2012, 9, 10.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
eigenen geistigen Schöpfung allgemein und abschließend für alle, also auch die nicht harmonisierten Werkarten gleichermaßen gelte.760 Die in den Richtlinien normierten Voraussetzungen seien daher im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung in Form einer Gesamtanalogie »verallgemeinerbar«.761 Damit geschah durch die Definition des Werkbegriffs für bestimmte Werkarten und verwandte Schutzrechte gewissermaßen eine Harmonisierung des allgemeinen Werkbegriffs durch die Hintertür.762 Sie ergebe sich mittelbar aus dem Telos der Infosoc-RL, der Schaffung eines einheitlichen Binnenmarkts auf dem Gebiet des Urheberrechts763 und dem effet utile.764 Der in eine andere Richtung weisende Art. 17 S. 2 der RL stamme aus der Zeit vor der Infosoc-RL, und das »Infopaq«-Urteil habe den dort eingeräumten Spielraum für das nationale Recht eingeschränkt. Darüber hinaus richte sich die Geschmacksmuster-RL an den nationalen Gesetzgeber und nicht an die Rechtsprechung, die die Schutzanforderungen in Deutschland definiert hat.765 Eine einheitliche unionsrechtliche Schutzschwelle sei insbesondere für Werke der angewandten Kunst erforderlich, weil sonst durch Inverkehrbringen eines Werkes in einem Land, das einer Gestaltung keinen Schutz gewährt (zum Beispiel Deutschland oder Italien), die unionsweite Erschöpfung des Verbreitungsrechts eintrete, ohne dass der Urheber dies durch den Schutz des nationalen Urheberrechts kontrollieren könne.766 Unter den Befürwortern eines europäischen Werkbegriffs gehen einige so weit, dass sogar der konkrete Maßstab eines europäischen Werkbegriffs beschrieben wird.767 Er sei »bereits jetzt hinreichend und abschließend geklärt«.768 Andere konstatieren, dass ein einheitlicher Werkbegriff existiere, seine aktuell »lückenhaften« Umrisse aber noch vom Europäischen Gerichtshof festgelegt werden müssten.769 Es sei zumindest der Wille zur Aufzeichnung eines urheberrechtlichen »Koordinatensystems« zu erkennen.770 Bei einem Werk im Sinne des Unionsrechts müsse es sich danach um ein 760 Dreyer/Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 65; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 32; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137; Leistner GRUR 2014, 1145, Fn 5. 761 Leistner GRUR 2014, 1145, Fn 5; ders. ZGE 5 (2013), 4, 8; Metzger GRUR 2012, 118, 121; Geier Schutzkumulationen S. 59; vgl. Rahmatian IIC 2013, 4, 10; ausführlich Leistner FS Bornkamm, S. 859, 861ff. 762 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 220. 763 Erwgr. 6 RL Infosoc-RL; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 5ff.; C. Berger ZUM 2012, 353, 354. 764 Leistner ZGE 5 (2013), 4, 8f.; Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 162f. 765 Barudi UFITA 2014-I, 49, 64f.; vgl. A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 903. 766 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 111ff., 120f. 767 Handig GRUR Int. 2012, 973, 974ff. 768 Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 161. 769 Handig IIC 2009, 665, 684; Leistner ZGE 5 (2013), 4, 25ff.; Metzger GRUR 2012, 118, 121f. 770 Leistner GRUR 2011, 761, 763.
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Vorgaben durch das europäische Urheberrecht
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Original handeln in der Hinsicht, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers ist (Infopaq).771 Bei dieser Formel handele es sich um einen Kompromiss zwischen der kontinentaleuropäischen und der britischen Rechtstradition.772 Originell ist ein Gegenstand dann, wenn seine Erstellung nicht durch seine technische Funktion vorgegeben ist (BSA/Kulturministerium)773 und die schöpferischen Fähigkeiten des Urhebers in eigenständiger Weise zum Ausdruck kommen, indem er freie und kreative Entscheidungen trifft (Football Dataco/Yahoo)774 und dem Gegenstand damit im Rahmen eines Gestaltungsspielraums seine »persönliche Note« verleiht (Painer/Standard und Football Dataco/Yahoo).775 Die mitgliedstaatlichen Gerichte können den Werkbegriff danach nicht autonom auslegen.776 Ein Auslegungsspielraum bestehe für die nationale Rechtsprechung nur auf der Subsumtionsebene.777 Im Ergebnis sei die urheberrechtliche Schutzschwelle niedrig.778 Daher müsse die hohe Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst im deutschen Recht abgesenkt werden.779 Entsprechend sei das deutsche Urheberrecht unionsrechtskonform auszulegen.780 Es wurde auch gefordert, den europäischen Werkbegriff durch eine Urheberrechts-Verordnung zu kodifizieren.781
4.
Gegen einen einheitlichen unionsrechtlichen Werkbegriff
Ein anderer Teil der Literatur ist der Ansicht, dass der Europäische Gerichtshof außerhalb der expliziten Harmonisierung für Computerprogramme, Datenbanken und Lichtbildwerke die Prüfung der Frage, ob es sich bei einem bestimmten Gegenstand um eine eigene geistige Schöpfung handelt, den mitgliedstaatlichen Gerichten überlasse.782 Ein europäischer Werkbegriff sei nicht 771 Leistner ZGE 5 (2013), 4, 14, 23; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 107, 110, 162f. 772 Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 108; 167ff. 773 Leistner ZGE 5 (2013), 4, 19, 23. 774 Barudi UFITA 2014-I, 49, 52f.; Leistner ZGE 5 (2013), 4, 14, 23. 775 Barudi UFITA 2014-I, 49, 52f.; Weischede BLJ 2013, 73, 76. 776 Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 165; Leistner ZGE 5 (2013), 4, 10. 777 Leistner FS Bornkamm, S. 859, 861; Weischede BLJ 2013, 73, 79. 778 Leistner ZGE 5 (2013), 4, 24. 779 Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 166f., 182; Schricker GRUR 1996, 815, 818; a. A. Ohly Urheberrecht in der digitalen Welt, S. F 27. 780 Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 115, 119. 781 aaO S. 189, 191ff.; vgl. Schack FS 50 Jahre UrhG, S. 277, 281. 782 von Ungern-Sternberg GRUR 2010, 273; G. Schulze NJW 2014, 475; Leistner/Schack Europäische Perspektiven des Geistigen Eigentums, S. 173, 177; Schack ZEuP 2000, 799, 808; Rahmatian IIC 2013, 4, 29.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
auszumachen.783 Dabei wird die Prüfung durch das mitgliedstaatliche Gericht betont, das auch die anwendbaren Maßstäbe bestimmen könne.784 Die Schutzschwelle sei daher autonom zu bestimmen. Die Auslegung der nicht auf den Werkbegriff ausgerichteten Infosoc-RL lasse eine Harmonisierung des Werkbegriffs nicht zu.785 Auch die anderen urheberrechtlichen Richtlinien definierten mit dem Erfordernis der »eigenen geistigen Schöpfung« gerade keinen allgemeinen Werkbegriff. Es sei höchstens die »Vorstufe« einer allgemeinen Schutzschwelle für drei bestimmte Werkarten auszumachen.786 Das Unionsrecht weise daher nur die »Tendenz« einer einheitlichen Schutzschwelle auf.787 Kritisiert wurde deshalb insbesondere, dass der Europäische Gerichtshof den Begriff der eigenen geistigen Schöpfung zwar im »Infopaq«-Urteil bei Schriftwerken und in »BSA/Kulturministerium« bei der Benutzeroberfläche eines Computerprogramms angewandt hat. Im Gegensatz dazu betreffe »Painer« jedoch eine Fotografie und »Dataco/Yahoo« eine Datenbank.788 Dazu wird vertreten, der Europäische Gerichtshof nehme hier nur eine Mindestharmonisierung vor.789 Jedenfalls seien die in den Richtlinien und in der Rechtsprechung zu findenden Regelungen fragmentarisch und vor allem kompromisshaft.790 Es bestehe kein schlüssiges Harmonisierungskonzept.791 Das stärkste Argument gegen den einheitlichen europäischen Werkbegriff findet sich im geschriebenen Recht, denn Art. 17 S. 2 der zeitlich nach den urheberrechtlichen Richtlinien792 erlassenen Geschmacksmuster-RL erkennt ausdrücklich die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten an, »in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen – einschließlich der erforderlichen Schöpfungshöhe – sie bei Werken der angewandten Kunst Urheberrechtsschutz gewähren wollen.«793 Diese Lesart werde durch Erwägungsgrund 8 der Richtlinie bestärkt, wonach die Werke der angewandten Kunst von einer Harmonisierung des Werkbegriffs 783 784 785 786 787 788 789 790 791 792 793
Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 101. G. Schulze GRUR 2009, 1019, 1021; G. Schulze NJW 2014, 475; Rahmatian IIC 2013, 4, 30. G. Schulze GRUR 2009, 1019, 1021; König Der Werkbegriff in Europa, S. 36. G. Schulze NJW 2014, 475. Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 150. Peifer GRUR Int. 2014, 1100f. von Ungern-Sternberg GRUR 2010, 273; a. A. Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 172f. König Der Werkbegriff in Europa, S. 24f., 39. aaO S. 25. A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 902. Erdmann FS Loschelder, S. 61, 72; A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 902; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 128, 134; Dreyer/ Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 66; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 227; Götting Gewerblicher Rechtsschutz, 14. Aufl., § 39 Rn 10.
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Vorgaben durch das europäische Urheberrecht
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»ausgenommen« seien.794 Besondere Schutzanforderungen wie im deutschen Recht seien dadurch zumindest als »Ausnahme«795 »gerechtfertigt«.796 Weiter sprechen die deutlichen nationalen Unterschiede insbesondere bei der Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst mit Italien und Deutschland auf der einen und Frankreich und den Benelux-Ländern auf der anderen Seite gegen eine stillschweigende Harmonisierung des Unionsgesetzgebers.797 Die verschiedenen nationalen Urheberrechte spiegelten sich auch in deutlichen Unterschieden in den Übersetzungen wider.798 Erwgr. 32 der Infosoc-RL verweise ausdrücklich auf die unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten,799 Erwgr. 8 auf die »Besonderheit des Inhalts von Produkten und Dienstleistungen«.800 Es bedürfe auch im Urheberrecht einer »aktiven Rezeption, Interpretation und Beeinflussung der europäischen Vorgaben im Lichte der jeweiligen nationalen Tradition«.801 Im Ergebnis enthielten daher weder die urheberrechtlichen Richtlinien noch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine klare Aussage für oder gegen einen einheitlichen Werkbegriff.802
5.
Stellungnahme
Im Ergebnis ist die These eines einheitlichen europäischen Werkbegriffs abzulehnen. Einen solchen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs herauszulesen, ist von vorauseilendem Gehorsam mit dem Ziel der Europarechtskonformität geprägt. Methodisch ist der Schluss von den Spezialvorschriften der einzelnen Urheberrechtsrichtlinien auf eine allgemeine Regel nicht per se unzulässig, aber auch nicht zwingend.803 Denn die Richtlinien, aus denen der Begriff der eigenen geistigen Schöpfung stammt, regeln spezielle Bereiche technischer, den Leistungsschutzrechten sachverwandter Werke. Damit ist die Begründung des »Infopaq«-Urteils ein faktisch starkes, aber inhaltlich schlechtes Argument. 794 Zentek WRP 2010, 73, 77; A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 903; Götting Gewerblicher Rechtsschutz, 14. Aufl., § 39 Rn 10. 795 A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 902. 796 Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 150. 797 Kur FS Schricker (1995), S. 503, 508; vgl. Cimoli EIPR 1993, 425, 426; vgl. Schack ZEuP 2000, 799, 808; unten S. 183ff. 798 König Der Werkbegriff in Europa, S. 38. 799 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 128, 134; Dreyer/Kotthoff/Meckel 3. Aufl., § 2 Rn 66. 800 Zentek WRP 2010, 73, 77. 801 Leistner GRUR 2011, 761, 764; a. A. Cohen Jehoram 12 EIPR (1994), 514, 517. 802 G. Schulze GRUR 2009, 1019, 1021; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 139f. 803 Vgl. Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl., S. 205, 210.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
Angesichts des Pflocks, den der Unionsgesetzgeber mit Art. 17 S. 2 Geschmacksmuster-RL auch in den urheberrechtlichen Boden eingeschlagen hat, verbietet es sich, im Wege der Auslegung einen unionsautonomen Werkbegriff für Werke der angewandten Kunst und damit eine eine einheitliche Schutzschwelle zu postulieren. Dieser hätte nämlich, auch aufgrund der weit auseinander gehenden nationalen Rechtstraditionen besonders auf dem Gebiet der angewandten Kunst, große Auswirkungen auf das gesamte Urheberrecht in der Europäischen Union. Auch die Untätigkeit des Unionsgesetzgebers in so einer zentralen Frage des Urheberrechts wie dem Werkbegriff ist ein beredtes Schweigen, über das nicht der Europäische Gerichtshof ebenso wie über Art. 17 S. 2 Geschmacksmuster-RL nicht so einfach hinwegsehen darf.
II.
Europäisches Geschmacksmusterrecht
Im Folgenden ist der Einfluss des europäischen Geschmacksmusterrechts auf das deutsche Urheberrecht zu untersuchen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Umsetzung der Geschmacksmuster-RL (1.) und die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (2.). Fraglich ist, ob die durch die Richtlinie bedingte Reform des Geschmacksmustergesetzes Konsequenzen für den Schutz der angewandten Kunst durch das Urheberrecht hat (3.). 1.
Die Umsetzung der Geschmacksmusterrichtlinie
Die Reform des Geschmacksmusterrechts war auf nationaler und europäischer Ebene lange diskutiert worden.804 Gefolgt wurde schließlich dem »design approach«, einem Vorschlag des Münchner Max-Planck-Instituts zur Reform des Musterschutzes als eigenständige Rechtsmaterie und nicht im Rahmen des Urheberrechts (»copyright approach«). Geschützt wurde »das Design als Marketinginstrument und Ausdrucksmittel zeitgenössischer Formensprache für gewerbliche Erzeugnisse in seiner Wirkung am Markt«.805 Schutzgegenstand ist danach jede äußerlich wahrnehmbare Formgebung eines Erzeugnisses.806 Auf eine bestimmte schöpferische Leistung oder ein bestimmtes Niveau der Gestaltung kommt es nicht an, sondern auf deren Wert auf dem Absatzmarkt, der unabhängig von subjektiv zu qualifizierenden Merkmalen zu beurteilen ist.807 804 Englert Grundzüge des Rechtsschutzes der industriellen Formgebung, S. 27ff.; vgl. oben S. 96. 805 Grünbuch über den rechtlichen Schutz gewerblicher Muster und Modelle, Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission, III/F/5131/91-DE, S. 60f. 806 Art. 1 lit. a Geschmacksmuster-RL. 807 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 224.
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Die Geschmacksmuster-RL wurde 1998 erlassen.808 Sie sollte die nationalen Vorschriften zum Musterschutz angleichen, um die bislang aufgrund der divergierenden Musterrechte bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen.809 Am 12. März 2004, also deutlich nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 28. Oktober 2001, folgte dann das Geschmacksmusterreformgesetz.810 Es reformierte das deutsche Geschmacksmusterrecht zum ersten Mal seit 1876 umfassend und stellte den Musterschutz »auf eine gänzlich neue Grundlage«.811 Der deutsche Gesetzgeber verfolgte nach Vorgabe der Richtlinie das Ziel, ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht zu schaffen und den bisherigen Bezug zum Urheberrecht zu beseitigen.812 Daher fand sich das Wort »Urheberrecht« jetzt nicht mehr im Titel des Gesetzes (»Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen«), und der Rechtsinhaber heißt im Einklang mit der Richtlinie nicht mehr »Urheber«, sondern »Entwerfer«, § 7 Abs. 1 S. 1 DesignG. Schutzgegenstand ist jedoch weiterhin die gestalterische Leistung beim Design von Flächen- oder Raumformen gewerblicher Erzeugnisse, das heißt zweidimensionaler Muster oder dreidimensionaler Modelle.813 Eine gewisse Nähe besteht nun in den Schutzvoraussetzungen zum Markenrecht und in den Schutzwirkungen zum Patentrecht.814 Eine weitere, von der Geschmacksmuster-RL unabhängige Reform erfolgte durch das Geschmacksmusterreformgesetz 2013.815 Seine terminologische Neuerung, die häufig geforderte816 Umbenennung des Geschmacksmusters in »geschütztes Design«, hat für die hiesige Fragestellung keine Bedeutung.817 In dieser Arbeit werden die Begriffe »Geschmacksmuster« und »Design« daher gleichbedeutend verwendet, wobei ersterem der Vorzug zu gewähren ist, weil er
808 Richtlinie 98/71/EG vom 13. 10. 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen, ABl. L 289, 28. 809 Grünbuch über den rechtlichen Schutz gewerblicher Muster und Modelle, Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission, III/F/5131/91-DE, S. 11, 42f.; Erläuterungen des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates, KOM (93) 342 endg., Ziff. 5. 810 Gesetz zur Reform des Geschmacksmusterrechts vom 12. 3. 2004, BGBl. I S. 390. 811 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 136; a. A. E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 124. 812 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 136f.; Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., Einl. A Rn 32. 813 Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 838. 814 Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., Einl. A Rn 32; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 124, 126. 815 Gesetz zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz vom 10. 10. 2013, BGBl. I S. 3799. 816 Zuletzt Zentek ZUM 2012, 42, 45. 817 Vgl. Kappl GRUR 2014, 326, 327f.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
auch terminologisch unveränderten Regelungen des Unionsrechts mit einschließt. Die Richtlinie definiert das schutzfähige Muster als »jeder industrielle oder handwerkliche Gegenstand«, der »neu ist und Eigenart hat«, wenn sich also für den informierten Benutzer der Gesamteindruck des Musters von anderen Mustern unterscheidet, Art. 1 lit. b, 3 Abs. 2, 4, 5.818 Das Muster muss dabei nicht nur subjektiv neu, sondern auch objektiv unbekannt sein. Nach der Umsetzung in § 5 S. 1 DesignG sind die im normalen Geschäftsverlauf erworbenen Kenntnisse der in der Gemeinschaft tätigen Fachkreise maßgebend. Anders als im Urheberrecht kann eine Doppelschöpfung also keinen Schutz begründen.819 Inhaltlich wurde die Schutzvoraussetzung der Eigentümlichkeit durch das Erfordernis der Eigenart ersetzt. Bei der Eigentümlichkeit hatte die Rechtsprechung darauf abgestellt, ob es sich bei einer Gestaltung um das Ergebnis einer eigenschöpferischen Tätigkeit handelt, welche über das Können eines durchschnittlichen Mustergestalters hinausgeht.820 Dagegen bestimmt sich die Eigenart eines Musters anhand des Unterschieds zu bislang bekannten Gestaltungen.821 Eigenart weist ein Design auf, wenn sich der Gesamteindruck, den es bei einem informierten Benutzer hervorruft, von dem anderer Designs unterscheidet, Art. 5 Abs. 1 Geschmacksmuster-RL, § 2 Abs. 1 DesignG.822 Man spricht auch vom »Abstand vom vorbekannten Formenschatz«, wobei die Qualität einer Gestaltung unerheblich ist.823 Dabei kommt es auf den verfügbaren Gestaltungsspielraum des Entwerfers an, Art. 5 Abs. 2 GeschmMRL, § 2 Abs. 3 S. 2 DesignG.824 Nach Erwgr. 13 der Richtlinie sind auch der jeweilige Industriesektor und die Art des Erzeugnisses zu berücksichtigen.825 Im Prozess muss der Entwerfer nicht die Eigenart selbst, sondern nur die sie begründenden Elemente darlegen.826 Abgeschafft wurde so der Maßstab der ästhetischen Wirkung. Die Vorstellung einer geschmacksmusterrechtlichen Schöpfungshöhe ist also obsolet.827 Die
818 819 820 821 822 823 824 825 826 827
Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 106. Götting Gewerblicher Rechtsschutz, 14. Aufl., § 39 Rn 5. Oben S. 77. Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., § 2 Rn 12. Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 175; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 124, 126. Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 174; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 123f. Szalai ZUM 2014, 231, 233; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 123f. Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 177ff. EuGH EU:C:2014:2013 = GRUR 2014, 774, 775 – KMF/Dunnes. BGH GRUR 2010, 718, 720f. – Verlängerte Limousinen; Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., Einl. A Rn 32; Berlit GRUR 2004, 635, 636f.
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neue Schutzschwelle828 ist nach Erwgr. 13 der Richtlinie, der eine »deutliche Abweichung« fordert, so hoch, dass »nicht jegliche banale Abweichung« ausreicht.829 Tendenziell bedeutet dies für das deutsche Recht eine Absenkung der geschmacksmusterrechtlichen Schutzschwelle.830 Technisch bedingte oder von einer anderen Funktionsnotwendigkeit bestimmte Gestaltungselemente sind ausdrücklich vom Schutz ausgeschlossen, § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 DesignG.831 Der Gestaltungsspielraum ist auch für die Bestimmung des Schutzumfangs von Belang. Wie bei der Feststellung der Eigenart kommt es entscheidend auf den dem Designer zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum an: Je geringer er ist, desto geringer ist auch der Schutzumfang des Geschmacksmusters, § 38 Abs. 2 S. 2 DesignG.832 Nach wie vor entsteht das Recht erst mit der Eintragung, § 27 Abs. 1 DesignG. Die Anmeldung muss innerhalb einer Neuheitsschonfrist von zwölf Monaten erfolgen, § 6 DesignG. Die Schutzdauer beträgt fünf bis maximal 25 Jahre ab Eintragung, § 27 Abs. 2 DesignG. Als Immaterialgüterrecht kann es frei übertragen werden, § 29 Abs. 1 DesignG. Hinsichtlich der Schutzwirkungen des Geschmacksmusters kommt es nicht mehr auf die Feststellung einer Nachbildung, sondern nur auf die objektive Übereinstimmung im Gesamteindruck an.833 Verletzend ist danach ein Muster, das bei einem informierten Betrachter denselben Gesamteindruck hervorruft, wobei vorhandenen Gemeinsamkeiten mehr Gewicht zuzumessen ist als Unterschieden, Art. 9 GeschmMRL, § 38 Abs. 2 S. 1 DesignG. Eine Übereinstimmung nur in einzelnen Elementen ist unbeachtlich.834 Darüber hinaus regelt die Richtlinie das Verhältnis des Musterrechts zu anderen Immaterialgüterrechten, nämlich die grundsätzlich freie Konkurrenz zum Urheberrecht, die von den Mitgliedstaaten auszugestalten ist.835 Art. 17 S. 1 lautet: »Das […] geschützte Muster ist auch nach dem Urheberrecht dieses Staates von dem Zeitpunkt an schutzfähig, an dem das Muster geschaffen […] wurde.« Mit »schutzfähig« ist dabei nicht »geschützt« gemeint. Ein urheberrechtlicher Schutz darf nur nicht allein wegen des Schutzes durch das harmonisierte Geschmacksmusterrecht versagt werden.836 Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 179. aaO 180. aaO S. 221; Zentek WRP 2010, 73, 77, 79. Szalai ZUM 2014, 231, 233. Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 842. Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., Einl. A Rn 32. EuGH GRUR 2014, 774 – KMF/Dunnes. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 106; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 227. 836 Zur GGV Ruhl 2. Aufl., Art. 96 GGV Rn 29.
828 829 830 831 832 833 834 835
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
Dies rief insbesondere in Italien Umsetzungsbedarf hervor.837 Für das deutsche Recht, das die sehr hohe Schutzschwelle mit der Schutzfähigkeit als Geschmacksmuster nach nationalem Recht rechtfertigte, ist diese Vorschrift zunächst ohne Bedeutung.838 Kodifiziert ist diese Regel in § 50 DesignG.839 Etwas anderes gilt freilich für den bereits dargestellten Art. 17 S. 2 der Richtlinie.840 Die in der Konsequenz eigentlich erforderliche weitere Harmonisierung des Urheberrechts im EU-Sekundärrecht ist bislang unterblieben.841
2.
Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster
Noch vor Umsetzung der Geschmacksmuster-RL im deutschen Recht wurde 2002 die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung erlassen.842 Die GGV sieht ähnlich wie die Unionsmarke ein unionsweit einheitliches Geschmacksmuster vor, das neben dem nationalen Designrecht zur Verfügung steht.843 Zu unterscheiden ist das eingetragene vom nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Ziel war, im Wege einer Verordnung ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster zu schaffen, »das die territoriale Beschränkung der nationalen Rechte beiseite schafft und das Schöpfern und den auftraggebenden Unternehmern aller europäischen Mitgliedstaaten ein einheitliches, leicht handzuhabendes Regelungsinstrument zur Seite stellt, welches ihre Schöpfungen wirkungsvoll schützt.«844 Die Voraussetzungen und Wirkungen des Gemeinschaftsgeschmacksmusters sind parallel zur Geschmacksmuster-RL geregelt. Neu ist das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster, es entsteht formlos mit der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit und erlischt nach drei Jahren, Art. 11 GGV.845 Systematisch besteht in den Schutzwirkungen eine große Ähnlichkeit zum Markenrecht, hinsichtlich der Entstehung vergleichbar ist die deutsche Benutzungsmarke (§ 4 Nr. 2 MarkenG). Diese hat jedoch mit der Erlangung von 837 Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 205; streitig, unten S. 137f. 838 Zur GGV Ruhl 2. Aufl., Art. 96 GGV Rn 30; a. A. Handig GRUR Int. 2012, 9, 11. 839 Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., § 50 Rn 1. 840 Oben S. 102. 841 Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 206; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 228. 842 Verordnung 6/2002/EG vom 12. 12. 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, ABl. L 003 vom 5. 1. 2002, S. 1. Zur Entstehungsgeschichte Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 221ff. 843 Ohly GRUR 2007, 731, 732. 844 Grünbuch über den rechtlichen Schutz gewerblicher Muster und Modelle, Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission, III/F/5131/91-DE, S. 31ff. 845 aaO; Ruhl 2. Aufl., Art. 11 GGV Rn 12.
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Verkehrsgeltung deutlich höhere Voraussetzungen als die bloße Niederlegung in einer wahrnehmbaren Form.846
3.
Konsequenz für den Schutz der angewandten Kunst im deutschen Urheberrecht
Die Reform des Geschmacksmustergesetzes kappte insbesondere mit der Abschaffung des Merkmals der Eigentümlichkeit die Verbindung des deutschen Geschmacksmusterrechts zum Urheberrecht. Seitdem fragt sich, ob das Geschmacksmusterrecht weiterhin als »Unterbau« des Urheberrechts im Bereich der angewandten Kunst verstanden werden darf oder ob die Rechtfertigung der Stufentheorie mit der Reform entfallen ist. Mit dem »design approach« hat sich das Geschmacksmuster gegenüber dem Urheberrecht verselbstständigt. Zahlreiche Autoren wiesen daher auf die entstandene dogmatische Unstimmigkeit hin.847 Das Musterrecht sei gegenüber dem Urheberrecht nicht mehr ein Minus, sondern ein Aliud.848 Viele Autoren forderten daher ausdrücklich die Aufgabe der Stufentheorie.849 Ohne weiteres wurde auf dieser Grundlage konstatiert, dass der Abschied von der Stufentheorie automatisch zu einer Absenkung der Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst führen müsse.850 Diese Frage ist noch an anderer Stelle ausführlich zu untersuchen.851 Das Bestreben nach einer unionsrechtskonformen Anpassung des deutschen Rechts ging so weit, dass sogar eine Neufassung des § 2 Abs. 2 UrhG vorgeschlagen wurde: »Werke im Sinne des Absatzes 1 werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung dieser Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien an846 Zur Abgrenzung S. 189ff. 847 Schricker GRUR 1996, 815, 819; Koschtial GRUR 2004, 555, 556; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 34; Wandtke/Bullinger 3. Aufl., § 2 Rn 98; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 232. 848 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 232. 849 Zurückgehend auf Eck Neue Wege zum Schutz der Formgebung, S. 55f., 141: Kur FS Schricker (1995), S. 503, 512; dies. GRUR Int. 1998, 353, 358; Schricker GRUR 1996, 815, 818; Dietz FS Beier, S. 355, 356; A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 144f.; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 92f., 129, 212; Koschtial GRUR 2004, 555, 559; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 61, 63; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 232; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., § 2 Rn 34; Wandtke/Bullinger 3. Aufl., § 2 Rn 98; Zentek, WRP 2010, 73, 75ff.; a. A. Ohly GRUR 2007, 731, 733. 850 Schricker GRUR 1996, 815, 818; Zentek WRP 2010, 73, 77; a. A. Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 829f. 851 Unten S. 139ff. und 149.
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Das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe
zuwenden, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische. Dies gilt für alle Werkkategorien gleichermaßen.«852 Eine andere Ansicht ging davon aus, dass weiterhin kein Wesens-, sondern lediglich ein gradueller Unterschied zwischen Urheber- und Designrecht bestehe.853 Das Designrecht gewähre auch in seiner neuen Form einen »qualifizierten angemessenen und ausreichenden Schutz« für Gestaltungen der angewandten Kunst, so dass das Urheberrecht hier nach wie vor zu entlasten sei und keine Mustergestaltungen »mitschleppen« solle,854 sondern »großen, künstlerischen Designs« vorzubehalten sei.855 Vermittelnd wurde vorgetragen, das Designrecht sei zumindest von seiner Funktion her auch nach der Reform noch »Unterbau« des Urheberrechts im Bereich der angewandten Kunst.856 Dem wurde entgegengehalten, dass das Urheberrecht spätestens jetzt eine andere Funktion als das Designrecht erfülle und nach wie vor keinen ausreichenden Schutz der Gestalter ermögliche.857 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Änderung der Schutzvoraussetzungen offenbar nicht zu einer nennenswerten Veränderung der erfassten Gestaltungen führt. Denn die Frage, was unter dem neuen Gesetz mit den nach altem Recht eingetragenen Geschmacksmustern geschehen solle, wurde nicht diskutiert. Es findet sich lediglich der Hinweis, dass Gestaltungen künftig selbstständig auf ihre urheber- und designrechtliche Schutzfähigkeit zu untersuchen seien.858 Wenn die Schutzanforderungen jetzt jedoch neu ausgerichtet sind, müsste es eigentlich insbesondere bei einem Aufeinandertreffen alter und neuer Geschmacksmuster zu Schwierigkeiten kommen. In der Übergangsvorschrift des § 72 DesignG fehlt eine entsprechende Regelung, das neue Recht gilt rückwirkend.859 Offenbar wurde die Reform als inhaltlich nicht besonders schwerwiegend eingeschätzt. Schließlich wurde die Frage aufgeworfen, ob es eines formfreien Schutzes für Werke der angewandten Kunst durch das Urheberrecht noch bedarf, wo ein solcher Schutz heute auch durch das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster möglich ist.860 Teilweise wurde die Frage verneint und das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster als Argument dafür angeführt, 852 A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 146. 853 Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 174, 177; Eichmann/Kur/G. Schulze Designrecht, § 4 Rn 18; 1. Aufl., Ohly GRUR 2007, 731, 733; vgl. Cohen Jehoram 12 EIPR (1994), 514, 518. 854 Dietz FS Beier, S. 355, 356. 855 Ohly GRUR 2007, 731, 733. 856 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 534; Leistner ZGE 5 (2013), 4, 36. 857 Eck Neue Wege zum Schutz der Formgebung, S. 139f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 232. 858 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 232. 859 Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., § 72 Rn 2. 860 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 531.
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Vorgaben durch das europäische Urheberrecht
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die urheberrechtliche Schutzschwelle unverändert anzusetzen, weil ein doppelter Schutz nicht erforderlich und das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster eine »wesensadäquate Schutzform für Gestaltungen geringer Eigenart« sei.861 Dessen kurze dreijährige Schutzfrist werde ansonsten durch einen parallelen urheberrechtlichen Schutz unterlaufen.862 4.
Zwischenergebnis
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Harmonisierung des Geschmacksmusterrechts auf europäischer Ebene die Ausrichtung des deutschen Geschmacksmusterrechts bewusst grundlegend veränderte. Der dadurch ausgelöste Streit über die Bedeutung dieser Veränderung für den Schutz der angewandten Kunst durch das deutsche Urheberrecht wurde erst Ende 2013 durch den Bundesgerichtshof entschieden.
861 Ohly GRUR 2007, 731, 733; Schack Urheberrecht, 6. Aufl., Rn 232; Ruhl 2. Aufl., Art. 96 GGV Rn 33; Geier Schutzkumulationen S. 74; a. A. Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 70. 862 Ohly GRUR 2007, 731, 733.
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3. Teil: Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
Im »Geburtstagszug«-Urteil863 gab der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst auf und unterwarf sie der allgemeinen urheberrechtlichen Schutzschwelle für Werke der bildenden Kunst aus.
A.
Schilderung des Falls
I.
Ankündigung im »Seilzirkus«-Urteil
Im »Seilzirkus«-Urteil864 hatte der Bundesgerichtshof die Rechtsprechungsänderung bereits angekündigt.865 Nach der Reform des Geschmacksmustergesetzes von 2004 war dies die erste Gelegenheit, über die Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst zu entscheiden.866 Bei dem »Seilzirkus« handelte es sich um ein Kletternetz für Kinderspielplätze des Architekten Conrad Roland, das mit einem zentralen Mast im Boden verankert ist und die Form einer Pyramide hat.867 Diese Gestaltung, die sich auf den ersten Blick vielleicht auch als Sachverhalt eines Patentstreits geeignet hätte,868 wurde grundsätzlich als Gestaltung der angewandten Kunst eingeordnet. Im Ergebnis verneinte der Bundesgerichtshof urheberrechtlichen Schutz jedoch mit der Begründung, dass die Gestaltung lediglich aus technisch bedingten Merkmalen bestehe und keine künstlerische Leistung enthalte.869 863 BGH Urt. v. 13. 11. 2013 – I ZR 143/12 – BGHZ 199, 52 = NJW 2014, 469 = JZ 2014, 201 = GRUR 2014, 175 – Geburtstagszug. 864 BGH GRUR 2012, 58 – Seilzirkus. 865 Szalai ZUM 2014, 231; a. A. Bullinger GRUR-Prax 2011, 536. 866 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137. 867 Bullinger GRUR-Prax 2011, 536. 868 Vgl. Geier Schutzkumulationen, S. 32f. 869 BGH GRUR 2012, 58 Tz 27ff. – Seilzirkus; Verweyen/Richter MMR 2015, 156, 157.
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Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
Die Frage, ob bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen an die Individualität eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst, war somit nicht entscheidungserheblich. Der I. Zivilsenat ließ sie – nicht ohne Hinweis auf die Diskussion zur Reform des Geschmacksmusterrechts und des europäischen Werkbegriffs im Schrifttum870 – ausdrücklich offen.871 Im nur wenige Tage später verkündeten »Lernspiele«-Urteil872 lehnte der Bundesgerichtshof das Vorliegen einer schutzfähigen Gestaltung unter Berufung auf die hergebrachte Rechtsprechung für Werke der angewandten Kunst wieder pauschal ab.873 Beide Entscheidungen führten zu erneuten Forderungen nach Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung.874
II.
Tatbestand und Entscheidung
Im Fall des »Geburtstagszugs« handelte es sich, anders als im »Seilzirkus«Urteil, nicht um eine Verletzungs-, sondern um eine Vergütungssituation: Die Klägerin, die freie Designerin Heike Wiechmann, hatte für die Beklagte, den großen deutschen Holzspielzeughersteller Gollnest & Kiesel, 1998 einen »Geburtstagszug« und ein »Angelspiel« entworfen. Der »Geburtstagszug« besteht aus einer Holzlokomotive und mehreren Waggons, auf die sich Ziffern und Kerzen aufstecken lassen. Vertrieben wird die Gestaltung unter der Marke »Goki« als Tischdekoration für Kindergeburtstage, bei der das Alter durch die Ziffer angegeben wird. Dem Geburtstagszug sind dabei die Zahlen 1 bis 6 beigefügt. 2001 gestaltete die Klägerin für die Beklagte außerdem eine mit dem Geburtstagszug vergleichbare Tierkarawane, bestehend aus mit Rädern versehenen, aufsteckbare Geschenkpakete als Kerzenhalter tragenden und mit einer Schnur verbundenen bunten Tieren (Elefant, Giraffe, Krokodil, Bär, Kamel, Ziege, Nashorn und Zebra). Auf den ersten Blick liegt nach der hiesigen Kategorisierung die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Einordnung der Entwürfe als Spielzeug nahe.875 Bei genauerer Bestimmung des Gebrauchszwecks handelt es sich jedoch um lediglich kindgerecht gestaltete, dekorative Kerzenständer für die Festtafel von 870 871 872 873 874
BGH GRUR 2012, 58 Tz 35. – Seilzirkus. Tz 33ff.; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137. BGH GRUR 2011, 803 – Lernspiele. Tz 31. Leistner GRUR 2011, 761; Zentek ZUM 2012, 42, 45; Bullinger GRUR-Prax 2011, 536; vgl. zuletzt A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 904. 875 BGHZ 199, 52 Tz 16 – Geburtstagszug; Szalai ZUM 2014, 231; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30.
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Schilderung des Falls
121
Abbildung 9: Heike Wiechmann (*1963): »Geburtstagszug«, Tinte auf Papier, 1998, 42V30 cm, Privatsammlung.
Abbildung 10: Heike Wiechmann (*1963): »Geburtstags-Karavane«, Tinte auf Papier, 2001, 42V30 cm, Privatsammlung.
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Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
Kindergeburtstagen und nicht – zumindest in Verbindung mit brennenden Kerzen – um Spielzeug. Anderes gilt selbstverständlich für das ebenfalls streitgegenständliche »Angelspiel«. Die Beklagte meldete die streitgegenständlichen Gestaltungen auch als Geschmacksmuster unter den Bezeichnungen »Kerzenständer« (Geburtstagszug), »Spielwaren« (Angelspiel) und »Kerzenhalter« (Geburtstagskarawane) an.876 Die Klägerin erhielt für die beiden Entwürfe aus dem Jahr 1998 ein Gesamthonorar in Höhe von 400,– DM netto, für die ›Geburtstagskarawane‹ von 2001 ein Honorar von 1.102,– DM. 2002 entwarf sie noch die separat vertriebenen Ziffern 7, 8 und 9. Geburtstagszug und Geburtstagskarawane wurden die erfolgreichsten Produkte der Beklagten und entwickelten sich zu Verkaufsschlagern.877 Die Klägerin geht von mindestens 200.000 verkauften »Geburtstagskarawanen« aus.878 Deshalb hielt sie die vereinbarte Vergütung für zu gering und erhob, unterstützt von der Gewerkschaft ver.di,879 Stufenklage gegen die Beklagte, gerichtet auf Auskunft und Zahlung einer weiteren angemessenen Vergütung nach § 36 a. F. und den §§ 32, 32a n. F. UrhG. Dabei erhoffte sie sich einen Betrag von rund 160.000,– E.880 Die Beklagte wandte ein, die Entwürfe seien als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich nicht schutzfähig. Das Landgericht Lübeck wies die Klage ab, auch die Berufung vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht blieb erfolglos. Beide Instanzgerichte verneinten unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung eine hinreichende Schöpfungshöhe und damit den Urheberrechtsschutz der streitgegenständlichen Entwürfe.881 Auf die erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde und Revision der Klägerin wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.882 Dieses hatte die Schöpfungshöhe der Entwürfe anhand des neuen Beurteilungsmaßstabs dann abermals zu prüfen.883
876 877 878 879 880
Registernummern 49811240-0002, 40000737-0032 und 40108590-0001. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 136; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30. Wille ver.di Publik 6/2012, 16. aaO; H. Müller ver.di Publik 8/2013, 4. Geyer Geburtstagskarawane: Spielzeugdesignerin freut sich über Etappensieg vor Gericht, Lübecker Nachrichten online, 13. 11. 2013. 881 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 136. 882 BGHZ 199, 52 Tz 45 – Geburtstagszug. 883 Unten S. 126ff.
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Schilderung des Falls
III.
123
Aussagen und Begründung des Urteils
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die allgemeine urheberrechtliche Schutzschwelle für Werke der reinen Kunst künftig auch für Werke der angewandten Kunst gelte (unten 1.). Zur Begründung stützte er sich jedoch nicht auf einen europäischen Werkbegriff (2.), sondern stellte fest, dass das Geschmacksmusterrecht kein »Unterbau« des Urheberrechts mehr sei (3.). Auch der neu definierte Schutzbereich des Geschmacksmusterrechts könne eine Fortgeltung der erhöhten Anforderungen nicht rechtfertigen (4.). Der Schutzumfang hänge, wie stets, von der Schöpfungshöhe ab und könne nicht bestehen, soweit eine Gestaltung funktional bedingt sei (5.). Schließlich äußerte sich der Bundesgerichtshof zum intertemporalen Recht und zum Vertrauensschutz bei einer Rechtsprechungsänderung (6.).
1.
Angleichung der Schutzschwelle auf das Niveau der reinen Kunst
Die Hauptaussage des Urteils lässt sich auf zwei verschiedene Arten erfassen.884 Historisch betrachtet gibt der Bundesgerichtshof seine zuletzt im »Silberdistel«Urteil885 ausführlich dargestellte und auf das »Schulfraktur«-Urteil des Reichsgerichts886 zurückgehende Rechtsprechung zum Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst ausdrücklich auf.887 Anders gesehen weitet er den Anwendungsbereich der allgemeinen Schutzschwelle für Werke der reinen Kunst auf die angewandte Kunst aus.888 In den Worten des Gerichts: »Der Senat hält nicht daran fest, dass der Urheberrechtsschutz für Werke der angewandten Kunst, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung voraussetzt. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Schöpfungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer »künstlerischen« Leistung zu sprechen.«889 884 885 886 887 888
Vgl. Klawitter GRUR-Prax 2014, 30. BGH GRUR 1995, 581, 582 – Silberdistel. RGZ 76, 339, 344 – Schulfraktur. Schack JZ 2014, 207; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30. BGHZ 199, 52 Tz 26 – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30; von Ungern-Sternberg GRUR 2014, 209; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 136. 889 BGHZ 199, 52 Tz 26 – Geburtstagszug.
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124 2.
Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
Keine genuin unionsrechtliche Begründung
In seiner Begründung stellte der Bundesgerichtshof zunächst klar, dass seine Entscheidung nicht durch das Unionsrecht determiniert sei.890 Dieses enthalte keine Vorgaben hinsichtlich des von den Mitgliedstaaten anzulegenden Maßstabs für den urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst.891 Im Gegenteil sprächen die speziellen Regelungen für die Schutzfähigkeit von Computerprogrammen, Datenbanken und Lichtbildern dafür, dass es keinen allgemeinen unionsrechtlichen Werkbegriff gebe.892 Insbesondere die Geschmacksmuster-RL überlasse die Bedingungen für einen urheberrechtlichen Schutz von Gestaltungen, die auch dem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, ausdrücklich den Mitgliedstaaten.893 Die Bestimmung der Werkqualität sei auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Sache der nationalen Gerichte.894 Damit widersprach der Bundesgerichtshof in den tragenden Urteilsgründen895 der These von einem einheitlichen europäischen Werkbegriff.896 Gleichzeitig referiert der Bundesgerichtshof den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten unionsrechtlichen Maßstab der »eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers«.897
3.
Aufgabe der Stufentheorie
Die Begründung des Bundesgerichtshofs liegt vielmehr in einer systematischen Betrachtung: Die Reform des Geschmacksmusterrechts von 2004 habe ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen. Das bisher angenommene Stufenverhältnis zwischen Geschmacksmuster- und Urheberrechtsschutz in dem Sinn, dass das Geschmacksmusterrecht den »Unterbau« des wesensgleichen Urheberrechts bildet sei entfallen.898 Damit könne das bisherige Hauptar890 BGHZ 199, 52 Tz 27ff. – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137. 891 BGHZ 199, 52 Tz 27ff. – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137; Hoeren MMR 2014, 337, 338. 892 BGHZ 199, 52 Tz 30f. – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137f.; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30. 893 BGHZ 199, 52 Tz 32 – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137f.; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30. 894 BGHZ 199, 52 Tz 31 – Geburtstagszug; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30. 895 A. A. Barudi KUR 2014, 11, 14. 896 BGHZ 199, 52 Tz 28 – Geburtstagszug; Barudi UFITA 2014-I, 49; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30. 897 BGHZ 199, 52 Tz 29f. – Geburtstagszug; Leistner GRUR 2014, 1145, 1147. 898 BGHZ 199, 52 Tz 33ff. – Geburtstagszug; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138; Klawitter GRURPrax 2014, 30f.
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Schilderung des Falls
125
gument für die Forderung eines deutlichen Überragens der durchschnittlichen Gestaltung bei Werken der angewandten Kunst nicht mehr aufrecht erhalten werden.899 Die Notwendigkeit einer Rechtsprechungsänderung folgt also nach dem Bundesgerichtshof allein aus der Geschmacksmusterrechtsreform von 2004.900 Die neue Eigenständigkeit des Designrechts ergebe sich nicht nur aus der Gesetzesbegründung, sondern insbesondere auch aus der neuen Schutzvoraussetzung der Eigenart in § 2 DesignG.901 Die frühere Eigentümlichkeit knüpfte noch an die Schöpfungshöhe eines Entwurfs an, während für die Eigenart allein die Unterschiedlichkeit des Musters gegenüber bisherigen Gestaltungen entscheidend ist.902 Dass dabei wie früher der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers berücksichtigt wird, sei unbeachtlich.903
4.
Neue Abgrenzung zum Designrecht
Erhöhte Anforderungen an die Schöpfungshöhe ließen sich auch nicht dadurch begründen, dass sonst Design- und Urheberrecht einander zu sehr überschneiden. Das Designrecht sei nicht als »wesensadäquate Schutzform für Gestaltungen geringer Eigenart« vorrangig.904 Das Urheberrecht habe zwar insbesondere durch die lange Schutzdauer einen großen Schutzumfang und müsse besondere Voraussetzungen erfüllen.905 Der europäische Gesetzgeber habe eine Parallelität beider Schutzrechte jedoch in Art. 17 der Geschmacksmuster-RL ausdrücklich gut geheißen.906 Dass eine Gestaltung geschmacksmusterfähig ist, hat daher nicht zur Folge, dass ihr der urheberrechtliche Schutz versagt oder von besonderen, für andere Werkarten nicht geltenden Voraussetzungen abhängig gemacht werden müsste.907 Das Designrecht werde damit auch nicht überflüssig. Die unterschiedlichen Schutzerfordernisse von Individualität und Eigenart führten auch dazu, dass es Gestaltungen gibt, die aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit zum vorbekannten 899 Barudi UFITA 2014-I, 49, 58; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30f. 900 BGHZ 199, 52 Tz 33 – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30f. 901 BGHZ 199, 52 Tz 35 – Geburtstagszug; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138. 902 BGHZ 199, 52 Tz 36 – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30f. 903 BGHZ 199, 52 Tz 37 – Geburtstagszug; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30, 31. 904 BGHZ 199, 52 Tz 38 – Geburtstagszug; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30, 31; vgl. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138. 905 aaO Tz 40. 906 aaO Tz 39. 907 aaO Tz 40; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30, 31.
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126
Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
Formenschatz als Designrecht schutzfähig, zugleich aber nicht ausreichend individuell für den urheberrechtlichen Schutz sind.908 Gerade bei Gebrauchsgegenständen sei der Gestaltungsspielraum regelmäßig eingeschränkt, so dass der Gebrauchszweck die Gestaltung bedingt und so einem urheberrechtlichen Schutz entgegensteht.909 5.
Schutzumfang
Zum Abschluss seiner Begründung betont der Bundesgerichtshof, dass eine geringe Schöpfungshöhe, sofern sie die Schutzschwelle überschreitet, auch nur einen engen Schutzumfang begründet.910 6.
Intertemporales Recht und Vertrauensschutz
Weil der Bundesgerichtshof die Rechtsprechungsänderung mit der Reform des Geschmacksmustergesetzes begründet, begrenzt er die Rechtsfolgen seines Urteils aus Billigkeitsgründen auf den Zeitraum ab dem 1. Juni 2004.911 Das Vertrauen in die bisherige Rechtsprechung wird damit nur begrenzt geschützt.912 Für einen Anspruch auf Fairnessausgleich nach § 32a UrhG913 müsse ein auffälliges Missverhältnis nach dem Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes entstanden sein.914 Im Übrigen seien Gerichte »nicht an eine feststehende Rechtsprechung gebunden, die sich im Licht besserer Erkenntnis als nicht mehr haltbar erweist«.915
IV.
Ausgang des Verfahrens
Die Revisionsentscheidung hob das Berufungsurteil damit hinsichtlich der klägerischen Ansprüche in Bezug auf Verwertungshandlungen nach dem 1. Juni 2004 auf und verwies die Sache an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurück. Dieses hatte zunächst zu klären, ob die streitgegenständlichen 908 BGHZ 199, 52 Tz 39 – Geburtstagszug; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30, 31. 909 BGHZ 199, 52 Tz 41 – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207, 208; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138; Klawitter GRUR-Prax 2014, 30, 31. 910 BGHZ 199, 52 Tz 41 – Geburtstagszug; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138; Schack JZ 2014, 207, 208. 911 BGHZ 199, 52 Tz 42ff. – Geburtstagszug; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137f. 912 G. Schulze NJW 2014, 475; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138. 913 Vgl. Schaub ZUM 2005, 212ff. 914 BGHZ 199, 52 Tz 44 – Geburtstagszug; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138. 915 BGHZ 199, 52 Tz 24 – Geburtstagszug; G. Schulze NJW 2014, 475; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138.
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Schilderung des Falls
127
Entwürfe den neuen Anforderungen des Bundesgerichtshofs gerecht werden.916 Insbesondere war dabei zu prüfen, inwieweit die Gestaltung des Geburtstagszugs technisch bedingt ist.917 In seinem zweiten Urteil918 betonte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die Gestaltungsfreiheit der Klägerin, die bei Werken der angewandten Kunst grundsätzlich geringer sei. Von technischen Erfordernissen ausgehende Gestaltungselemente seien auszublenden und im Übrigen sei die Gestaltung von vorbekannten Formen abzugrenzen.919 Das Berufungsgericht wies die Klage daraufhin auch hinsichtlich der zurückverwiesenen Teile ab. Beim »Angelspiel« habe die Klägerin lediglich ein vorbestehendes Produkt der Beklagten verändert; soweit ihre abweichende Gestaltung nicht schon technisch bedingt sei, könne sie keinen urheberrechtlichen Schutz rechtfertigen.920 Auch der Geburtstagszug knüpfe an den »Bummelzug« der Beklagten an, die vorgenommen Veränderungen stellten jedoch kein eigenständiges Werk dar.921 Die Umgestaltung des Spielzeugzugs in einen Kerzenhalter sei überdies dem neuen Gebrauchszweck geschuldet.922 Einzig die Geburtstagskarawane sei mangels »vergleichbare[m] Vorbild« nach dem durch das Revisionsurteil festgelegten neuen Maßstab schutzfähig.923 Der Auskunftsanspruch der Klägerin sei jedoch verjährt, da sie spätestens seit 2003 von dem den Anspruch begründenden Erfolg ihrer Gestaltung gewusst habe.924 Der Optimismus einer Besprechung, »[s]omit dürfte der Geburtstagszug dank der begrüßenswerten BGH-Entscheidung mit Volldampf dem Urheberrechtsschutz entgegenfahren«,925 erwies sich damit als trügerisch. Ein genauer Blick auf die angesichts der höchstrichterlichen Entscheidung entscheidende Passage des Urteils führt zu keinem zufrieden stellenden Ergebnis: Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht macht im Grunde keine Aussage zur künstlerischen Gestaltung der Geburtstagskarawane. Es findet sich nur ein Hinweis darauf, dass die Gestaltung der Klägerin »neu« und »kindgerecht« sei.926 916 917 918 919 920 921 922 923
BGHZ 199, 52 Tz 45 – Geburtstagszug; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138. G. Schulze NJW 2014, 475. OLG Schleswig GRUR-RR 2015, 1 – Geburtstagszug II. OLG Schleswig GRUR-RR 2015, 1 Tz 8 – Geburtstagszug II; Fehlbaum sic! 2015, 74, 77. aaO Tz 40f. aaO Tz 46ff. aaO Tz 49f.; Verweyen/Richter MMR 2015, 156, 159. OLG Schleswig GRUR-RR 2015, 1 Tz 30 – Geburtstagszug II; Verweyen/Richter MMR 2015, 156, 159f. 924 OLG Schleswig GRUR-RR 2015, 1 Tz 57f., 60ff. – Geburtstagszug II. 925 G. Schulze NJW 2014, 475; a. A. Schack JZ 2014, 207, 208; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 140. 926 OLG Schleswig GRUR-RR 2015, 1 Tz 58 – Geburtstagszug II; Verweyen/Richter MMR 2015, 156, 160.
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Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
Ersteres ist aus urheberrechtlicher Sicht grundsätzlich irrelevant,927 letzteres beschreibt den künstlerischen Gehalt der streitgegenständlichen Gestaltung, wenn überhaupt, nur äußerst rudimentär. Die Beklagte hatte vorgebracht, dass die »kindgerechte Gestaltung« dem Gebrauchszweck geschuldet sei, was die »ansprechende« Form und Farbe völlig von einem urheberrechtlichen Schutz ausgenommen hätte.928 Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht weist dieses Vorbringen mit dem Argument zurück, es betreffe die »Verkäuflichkeit« des Werks und nicht den Gebrauchszweck – dessen Nennung das Urteil schuldig bleibt. Gerade bei einem Dekorationselement wie einem Kerzenständer ist jedoch die Bestimmung des Gebrauchszwecks und die Abgrenzung funktional bedingter Gestaltungselemente besonders schwierig.929 Auf die erneute Nichtzulassungsbeschwerde und Revision der Klägerin entschied der Bundesgerichtshof schließlich, der Anspruch hinsichtlich der Geburtstagskarawane sei nicht wie vom OLG Schleswig angenommen verjährt, so dass dieses ein drittes Mal über den Fall entscheiden musste, nun zur Höhe der geschuldeten Vergütung.930 Parallel hat die Klägerin beim Landgericht Flensburg hinsichtlich anderer Gestaltungen erneut Klage gegen Gollnest & Kiesel erhoben.
B.
Rezeption in der Literatur
Das Urteil des Bundesgerichtshofs wurde im Schrifttum als Grundsatzurteil931 vielfach begrüßt,932 doch fand sich auch Kritik an der Begründung933 oder der Praktikabilität934 der Entscheidung.
927 928 929 930 931 932
Oben S. 15. OLG Schleswig GRUR-RR 2015, 1 Tz 58 – Geburtstagszug II. Unten S. 143f. BGH GRUR 2016, 1291 – Geburtstagskarawane. Ludwig K& R 2014, 111, 112 (»Paradigmenwechsel«). Obergfell GRUR 2014, 621 (»lang erwarteter Befreiungsschlag«); Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137f.; G. Schulze NJW 2014, 475; Szalai ZUM 2014, 231, 232; differenziert von UngernSternberg GRUR 2014, 209f.; Ritscher/Schramm sic! 2015, 303, 305; Vonau CR 2013, 166, 167; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 200; Fehlbaum sic! 2015, 74, 83. 933 Schack JZ 2014, 207; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 140; Götting Gewerblicher Rechtsschutz, 14. Aufl., § 39 Rn 11. 934 Klawitter GRUR 2014, 30, 31f.
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Rezeption in der Literatur
I.
129
Angleichung der Schutzschwelle
Grundsätzlich hoben die Urteilsbesprechungen die »überfällige« Rechtsprechungsänderung als ausdrückliche Abkehr von den bisherigen erhöhten Anforderungen an die Schöpfungshöhe bei Werken der angewandten Kunst hervor.935 Das Urteil führe endlich zur Gleichstellung der angewandten mit der reinen Kunst.936 Dies bedeute nicht, dass nun jede Gestaltung dem Urheberrechtsschutz zugänglich sei. Auch zukünftig müsse bei Werken der angewandten Kunst geprüft werden, ob es sich um eine eigene geistige Schöpfung handelt.937 Da an der niedrigen Schutzschwelle für Werke der reinen Kunst jedoch nicht zu rütteln sei, müsse die Entscheidung als deutliche Absenkung der Schutzvoraussetzung für Werke der angewandten Kunst verstanden werden.938 Alternativ wurde eine implizite Anhebung der allgemeinen Schutzschwelle diskutiert. Die Absenkung der Schutzanforderungen für Werke der angewandten Kunst werde dadurch abgeschwächt, dass der Bundesgerichtshof allgemein für Werke der bildenden Künste das Erfordernis einer »nicht zu geringen« Schöpfungshöhe hervorhebe und eine künstlerische Leistung fordere, durch die der Urheber »seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck« bringt.939
II.
Dogmatische Begründung
1.
Geschmacksmusterrechtsreform 2004
In der Literatur wird die Begründung des Urteils mit der Novelle des Geschmacksmustergesetzes 2004 teils akzeptiert,940 teils sei die Reform »eher Anlass als Grund« gewesen.941 Die Entscheidung reagiere auf die Kritik der Literatur an dieser »dogmatischen Unstimmigkeit«.942 Nicht ganz überzeugt ist Gernot Schulze davon, dass zwischen Geschmacksmuster- und Urheberrecht keine Wesensgleichheit mehr besteht. Nach wie vor sei im Geschmacksmusterschutz »der Grad der Gestaltungsfreiheit und die im 935 936 937 938 939
Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137f. Szalai ZUM 2014, 231, 234. BGHZ 199, 52 Tz 41 – Geburtstagszug; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 140. Barudi UFITA 2014-I, 49, 59. BGHZ 199, 52 Tz 41 – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207, 208; von Ungern-Sternberg GRUR 2014, 209f.; Vonau CR 2013, 166, 168. 940 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137; Hoeren MMR 2014, 337f. 941 Szalai ZUM 2014, 231, 232; Schack JZ 2014, 207f. 942 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138f.
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Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
jeweiligen Muster verkörperte gestalterische Leistung maßgeblich«. Die genaue Bezeichnung sei »im Ergebnis nur eine Frage der Terminologie«.943 Nach einer anderen Auffassung widerspricht die Erweiterung des urheberrechtlichen Schutzes für Werke der angewandten Kunst der gesetzgeberischen Intention, »Designleistungen« dem aufgewerteten Designrecht und nicht dem Urheberrecht zu unterstellen. Die Entscheidung löse damit ein nicht bestehendes Problem und schaffe durch einen »verdoppelten« Schutz neue Probleme.944 2.
Europäisches Urheberrecht
Vielstimmig ist besonders die Kritik an der Argumentation des Bundesgerichtshofs zum europäischen Urheberrecht. Die urheberrechtlichen Richtlinien einschließlich der Geschmacksmuster-RL erlaubten keine besonderen Schutzanforderungen und die Entscheidungsbefugnis der nationalen Gerichte sei keine Verweisung in das mitgliedstaatliche Recht.945 Vermisst wird daher eine tragende unionsrechtliche Begründung der Entscheidung946 oder sogar eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur weiteren Klärung der Frage nach einem einheitlichen europäischen Werkbegriff.947 Nur vereinzelt wurde die »Europatauglichkeit« der Entscheidung begrüßt.948
III.
Das neue Abgrenzungskriterium
Nach der Änderung der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des urheberrechtlichen Schutzes für Werke der angewandten Kunst bedurften die Definition der Schutzschwelle und die Abgrenzung zur Gemeinfreiheit und zum Designrecht genauerer Untersuchung. Inhaltlich herrschte in der Literatur dazu große Einigkeit. Die Frage nach dem urheberrechtlichen Schutz von Werken angewandter Kunst beziehe sich nun darauf, ob die zu beurteilende Form über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet ist und ob diese Ele-
943 G. Schulze NJW 2014, 475. 944 Klawitter GRUR 2014, 30, 31. 945 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138ff.; Ritscher/Schramm sic! 2015, 303, 305; a. A. Geier Schutzkumulationen S. 209. 946 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137, 139f.; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 202. 947 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 139f.; vgl. Leistner FS Bornkamm, S. 859, 870f. 948 Leistner GRUR 2014, 1145, 1147; vgl. A. Nordemann FS Bornkamm S. 895, 905.
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Rezeption in der Literatur
131
mente einen künstlerischen Gehalt aufweisen, der einen urheberrechtlichen Schutz rechtfertigt.949 Daran wurde kritisiert, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs die »Grenze zwischen Design- und Urheberschutz« »verwische« und zu einer »Inflationierung von Urheberrechten« bei Werken niedriger Individualität führe.950 Dem wurde richtigerweise entgegnet, dass diese – keineswegs neue – Formel nicht mehr sei als eine neue Lösung für das alte, nach wie vor schwierige951 Problem der Abgrenzung des Urheberrechts zur Gemeinfreiheit und zum Designrecht.952 Eine Absenkung der urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen führe auch nicht zu einer ungewollten neuen Parallelität zum Designrecht: Zwar sei eine verstärkte Kumulation denkbar und das Designrecht könnte an Bedeutung verlieren.953 Bei Gestaltungen, die vom vorbekannten Formenschatz unterscheidbar, aber nicht »künstlerisch« sind, habe das Designrecht aber nach wie vor einen eigenen Anwendungsbereich.954 Für die Abgrenzung funktional bedingter und damit urheberrechtlich nicht schutzfähiger Gestaltungen sei trotz der einheitlich definierten Schutzschwelle weiterhin zwischen angewandter und reiner Kunst zu unterscheiden. Dies diene dem Ziel, den Urheberschutz für Designleistungen zu begrenzen.955 Darüber hinaus sei bei Gebrauchsgegenständen der »Spielraum für eine künstlerische Gestaltung« in der Regel ohnehin eingeschränkt.956 Alternativ wurde vorgeschlagen, »zwischen reinen Gebrauchsgegenständen und künstlerisch gestalteten Gegenständen mit Gebrauchszweck zu unterscheiden.« Letzteren habe die Rechtsprechung bereits in der Vergangenheit eher Schutz gewährt, so dass man erstere jetzt nicht »durch die Hintertür« benachteiligen dürfe.957 Dies würde eine Rückkehr zur Prävalenztheorie bedeuten. Dagegen ist einzuwenden, dass der Bundesgerichtshof zwar darauf hingewiesen hat, funktional bedingte Gestaltungen seien nicht schutzfähig. Gleichwohl könne jedoch der ästhetische Gehalt auch »in der zweckgemäß gestalteten Gebrauchsform gleichsam aufgegangen« sein.958
949 Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 381; Ludwig K& R 2014, 111, 112; Klawitter GRUR 2014, 30, 32. 950 Klawitter GRUR 2014, 30, 31. 951 Barudi KUR 2014, 11, 15. 952 Fehlbaum sic! 2015, 74, 77. 953 Barudi KUR 2014, 11, 14; Schack JZ 2014, 207, 208; Hoeren MMR 2014, 337, 338. 954 Klawitter GRUR 2014, 30, 32; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 140. 955 Klawitter GRUR 2014, 30, 32. 956 von Ungern-Sternberg GRUR 2014, 209, 210; Klawitter GRUR 2014, 30, 32. 957 G. Schulze NJW 2014, 475. 958 Klawitter GRUR 2014, 30, 32.
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132 IV.
Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
Schutzumfang von Werken mit geringer Individualität
Der geringe Schutzumfang von Werken knapp oberhalb der Schutzschwelle, den der Bundesgerichtshof gleichsam rechtfertigend hervorgehoben hatte, wurde zu Recht ambivalent rezipiert: Auf der einen Seite mag ein aufgrund eines geringen künstlerischen Gehalts gerade noch schutzfähiges Werk einen engen Schutzumfang haben und dadurch ähnlichen Gestaltungen wenig entgegenstehen.959 Dieser Punkt könne auch als Vorteil für den Designschutz herangezogen werden.960 Auf der anderen Seite gilt das nicht für das weitreichende Urheberpersönlichkeitsrecht, das jedem schutzfähigen Werk anhaftet.961 Weniger stark ist das zusätzliche Argument, das europäische Urheberrecht lege grundsätzlich ein »hohes Schutzniveau« fest.962
V.
Intertemporales Recht und Vertrauensschutz
Die zeitliche Grenze für Ansprüche auf angemessene Vergütung aus Gründen des Vertrauensschutzes wurde als praktikabler »Nachvollzug« der Änderung des Geschmacksmuster- und damit indirekt des Urheberrechts durch den Gesetzgeber verstanden.963 Bei einer europarechtlichen Begründung des Urteils hätte auch die Entscheidung zum intertemporalen Recht anders ausfallen müssen.964 Manche Besprechungen befürchteten, die Rückwirkung der Rechtsprechungsänderung könne zu nachträglichen Verletzungsklagen führen, wenn sich ein Künstler zu sehr an eine fremde Gestaltung angelehnt habe in dem Glauben, diese sei nicht schutzfähig.965 Ebenso könnten nachträglich Rechtsverletzungen durch die sonstige Nutzung von Werken der angewandten Kunst eintreten.966
959 960 961 962 963 964 965 966
G. Schulze NJW 2014, 475; Hoeren MMR 2014, 337, 338. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138. Ludwig K& R 2014, 111, 112. Barudi UFITA 2014-I, 49, 60. von Ungern-Sternberg GRUR 2014, 209, 210. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 137. G. Schulze NJW 2014, 475. Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380.
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Rezeption in der Literatur
VI.
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Freihaltebedürfnis
Mehrfach wurde vor einer schädlichen »Überprotektion« durch eine »ausufernde Monopolisierung von Formgestaltungen« gewarnt.967 Diese stehe dem neu gewährten Schutz für die im Bereich der angewandten Kunst kreativen Designer gegenüber und könnte sie sogar mehr bei der »Arbeit mit dem kulturellen Erbe« behindern, als ihnen helfen.968 Dem sei jetzt durch eine »Einzelfallbetrachtung« entgegenzuwirken. Auf Tatbestandsseite müsse die Gestaltung nicht nur über »technische Funktionsnotwendigkeiten«, sondern auch über »thematische Gestaltungsvorgaben« hinausgehen. Der urheberrechtliche Schutz dürfe nicht die verbleibende Gestaltungsfreiheit beeinträchtigen; auch »sehr naheliegende Gestaltungen« müssten gemeinfrei bleiben.969
VII.
Schutzfristen
Die vom Bundesgerichtshof als Argument für eine nicht zu niedrige Schutzschwelle angeführte lange Schutzdauer des Urheberrechts wurde auch in den Besprechungen betont.970 Eine dadurch drohende »Umgehung« der zeitlichen Beschränkung des Geschmacksmusterrechts sei jedoch »eher rechtspolitischer Natur«.971 Die lange Schutzdauer des Urheberrechts wirke sich nur bei »Werken mit einer besonderen Gestaltungshöhe« wie Designermöbeln aus, »weniger originelle Gestaltungen« ließen sich nicht über einen so langen Zeitraum wirtschaftlich vermarkten.972
VIII.
Praktische Auswirkungen
Hinsichtlich der praktischen Auswirkungen des Urteils war die Literatur gespalten.973 Teilweise wurde prognostiziert, das Urteil werde »erhebliche« Auswirkungen auf die Praxis haben.974 Andere äußerten sich abwartend, ob der 967 Szalai ZUM 2014, 231, 232; Barudi KUR 2014, 11, 15; Dietrich/Szalai DZWIR 2014, 158; Hoeren MMR 2014, 337, 338; Götting Gewerblicher Rechtsschutz, 14. Aufl., § 39 Rn 11. 968 Von Ungern-Sternberg GRUR 2014, 209; Hoeren MMR 2014, 337, 338. 969 Dietrich/Szalai DZWIR 2014, 158; zweifelnd Leistner GRUR 2014, 1145, 1148. 970 Schack JZ 2014, 207, 208; Szalai ZUM 2014, 231, 232; vgl. Ohly GRUR 2007, 731, 733; G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 534f. 971 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 139. 972 aaO. 973 Leistner GRUR 2014, 1145, 1147. 974 Ludwig K& R 2014, 111; Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 140; Obergfell GRUR 2014, 621, 626f.;
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Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
dogmatischen auch eine praktische Wende folgen werde: Ob man tatsächlich mit einer deutlichen Absenkung der Schutzschwelle und Schutz für mehr Gestaltungen als bisher rechnen könne, bleibe offen.975 Die Vertreter der zuerst genannten Ansicht heben die neuen Möglichkeiten für Produktdesigner und insbesondere Verwerter hervor, auf der Grundlage des Urheberrechts Nachahmungen leichter zu verfolgen als mit dem Designrecht.976 Darüber hinaus stellten Urheberpersönlichkeits- und Urhebervertragsrecht sicher, dass auch Urheber von Werken der angewandten Kunst über den Anspruch auf eine angemessene Vergütung (§§ 32, 32a UrhG) am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Werke partizipieren können.977 Schließlich habe die urheberrechtliche Schutzfähigkeit steuerliche Auswirkungen.978 Vor diesem Hintergrund seien durch die Rückwirkung der Entscheidung nachträgliche Rechtsstreitigkeiten zu erwarten.979 Produzenten und Designer müssten ihre vertraglichen Grundlagen der Branche neu ordnen.980 Außerhalb eines Registerrechts treffe die Gestalter eine neue Obliegenheit, ihre Entwürfe zu dokumentieren.981 In berufsethischer Hinsicht erfahre die Designbranche auf juristischer Ebene eine »angemessene Wertschätzung«,982 das Urheberrecht erfasse jetzt viele neue Wirtschaftszweige.983 Die Gegenauffassung nennt nur wenige Bereiche, in denen Veränderungen zu erwarten sind, darunter die Schmuckbranche, wo die Form weniger von der Funktion vorgegeben sei. Weiterhin nur designrechtlicher Schutz komme für »bloß handwerkliche Gebrauchsgrafik« in Betracht.984 Fraglich seien die Folgen des Urteils auf Bereiche wie das Webdesign oder Benutzeroberflächen.985
975 976 977 978 979 980 981 982 983 984 985
G. Schulze NJW 2014, 475; Runkel MR-Int. 2013, 82, 83; Hoeren MMR 2014, 337, 338; Hahn/ Glückstein ZUM 2014, 380. Schack JZ 2014, 207, 208; Szalai ZUM 2014, 231, 232f.; Ritscher/Schramm sic! 2015, 303, 306; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 150b; Fehlbaum sic! 2015, 74, 77; Hoeren MMR 2014, 337, 338; Verweyen/Richter MMR 2015, 156, 161. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 140; Vonau CR 2013, 166, 168; Runkel MR-Int. 2013, 82, 83. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 139f.; Vonau CR 2013, 166, 168; Barudi KUR 2014, 11, 14; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 77f.; Runkel MRInt. 2013, 82, 83. Sobiech BGH-Urteil zur Schöpfungshöhe. Ludwig K& R 2014, 111, 112; Sobiech BGH-Urteil zur Schöpfungshöhe. Ludwig K& R 2014, 111, 112. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 140. Sobiech BGH-Urteil zur Schöpfungshöhe; Verweyen/Richter MMR 2015, 156. Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380. Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 150b. Hoeren MMR 2014, 337, 338.
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Aufnahme in der Rechtsprechung
IX.
135
Reformvorschläge
Vorschläge zur Korrektur der Entscheidung, sei es durch den Gesetzgeber oder durch eine erneute Rechtsprechungsänderung, wurden in der Literatur nicht geäußert. Man kann daher von einer hohen Akzeptanz der Entscheidung sprechen.986
C.
Aufnahme in der Rechtsprechung
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs fand seit Anfang 2014 allmählich Widerhall in der Rechtsprechung. In der Folge nahmen weitere Urteile darauf Bezug, meist jedoch entweder außerhalb der tragenden Entscheidungsgründe, zum Beispiel durch die Feststellung, dass es auf den neuen Maßstab nicht ankomme,987 oder im Rahmen einer lapidaren Feststellung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit ohne eingehende Begründung.988 Als erstes beschäftigte sich das Oberlandesgericht Nürnberg eingehend mit der Problematik.989 Für die Fußball-Stecktabelle des Magazins »Kicker« stellte es den neuen Schutzmaßstab ausführlich dar und hob besonders das Erfordernis hervor, dass der Urheber einen bestehenden Gestaltungsspielraum nutzen muss, innerhalb dessen er seinen schöpferischen Geist »in origineller Weise« zum Ausdruck bringt. Unter Anwendung des Maßstabs der »technischen Bedingtheit« aus dem »Seilzirkus«-Urteil schloss das Gericht eine Reihe von Gestaltungselementen von der Begründung des urheberrechtlichen Schutzes aus. Im Ergebnis ließ es die Schutzfähigkeit offen, da diese allenfalls zu einem geringen, hier nicht verletzten Schutzumfang führen könne.990 Eine Entscheidung des Landgerichts München I zum Logo der Marke »K1X«, einen Graffititag, hob für die Annahme des urheberrechtlichen Schutzes »insbesondere die Neigung der Buchstaben, de[n] ›verlängerte[n]‹ Buchstabe[n] K und die ›Schlaufe‹ am Ende des Logos« hervor. Der Schriftzug sei aufgrund 986 Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 138. 987 OLG Frankfurt am Main WRP 2014, 1103, 1107 – Babymotiv I; LG München I, Teilurteil vom 18. 07. 2014–21 O 12546/13 – Space elephants; OLG Köln ZUM-RD 2016, 80, 81 – AIDAKussmund (nicht rechtskräftig); OLG Düsseldorf GRURRS 2015, 13605 – Funkarmbanduhr ; OLG Köln GRUR-RR 2015, 476 – Von den Erben autorisiert; OLG Frankfurt am Main WRP 2015, 999, 1001 – Stoffmuster. 988 OLG Frankfurt am Main WRP 2015, 1253, 1254 – Tapetenmuster ; OLG Frankfurt am Main NJW-RR 2015, 1134, 1136 – Wasserpfeifen. 989 OLG Nürnberg GRUR 2014, 1199, 1201 – Fußball-Stecktabelle. 990 OLG Nürnberg GRUR 2014, 1199, 1201f. – Fußball-Stecktabelle; Verweyen/Richter MMR 2015, 156, 158f.
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136
Das »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs
seiner »verspielt-schwungvollen Ästhetik« von der bisherigen Rechtsprechung zu Brotschriften zu unterscheiden. Die Tatsache, dass der Urheber das Logo bei der Entwicklung »in 50 verschiedenen Varianten zu Papier gebracht« habe, spreche für eine »Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten«.991 In einem Urteil betreffend eine mit einem Hirschmotiv im Airbrush-Design gestaltete Urne stellte das Oberlandesgericht Köln besonders auf die monochrome, wenig naturalistische Darstellung ab. Durch die Tiefenwirkung unterscheide sie sich von vorbekannten Motiven, von denen das Oberlandesgericht im Rahmen der Beweisaufnahme mehr als 400 untersuchte.992 Auch sei die Verwendung des Motivs gerade auf einer Urne neu. Die Individualität führe im konkreten Fall zu einem Schutzumfang, der auch die Gestaltung eines Wettbewerbers erfasse. Hinsichtlich des Verschuldens habe die Beklagte spätestens seit dem »Seilzirkus«-Urteil die mögliche Rechtsverletzung erkennen können.993 In zwei Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof bereits selbst auf das »Geburtstagszug«-Urteil verwiesen. Hier ging es um Möbel und eine Leuchte, die beide von den Vorinstanzen unproblematisch für schutzfähig erachtet wurden.994 In die finanz- und in die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat das Urteil des Bundesgerichtshofs ebenfalls bereits Einzug gehalten.995 Konkrete praktische Auswirkungen zeigen sich jedoch in der Praxis bislang nicht, auch wenn die Designbranche grundsätzlich von einer verbesserten Po sition ausgeht. Auch die VG Bild-Kunst hat ihre Anmeldepraxis nicht geändert. Die vorhergesagte Klagewelle ist bislang offenbar mangels einschlägiger Fälle ausgeblieben.996
D.
Stellungnahme
Der Argumentation des Bundesgerichtshofs ist zuzustimmen. Zum einen hatte die Reform des Designrechts der Stufentheorie die dogmatische Grundlage entzogen, indem sie mit der Eigenart eine neue Schutzvoraussetzung einführte,997 auch wenn nach wie vor eine große Nähe zwischen Urheber- und DeLG München I ZUM 2015, 423, 428 – K1X; ähnlich OLG München ZUM-RD 2015, 190 – K1X. OLG Köln GRUR-RR 2015, 275, 276 – Airbrush-Urnen. aaO 277. BGH GRUR 2016, 487 – Wagenfeld-Leuchte II; BGH GRUR 2016, 490 – Marcel-BreuerMöbel II. 995 FG Köln EFG 2015, 598 – Online-Angebot (zum Ermäßigungstatbestand § 12 Abs. 2 Nr. 7 lit. c UStG); VG Hamburg GRURRS 2015, 48201 – Kunstinstallation (obiter). 996 Verweyen MMR 2014, 785, 786; Verweyen/Richter MMR 2015, 156. 997 Oben S. 112f.
991 992 993 994
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Stellungnahme
137
signrecht bestehen mag.998 Zum anderen besteht kein europäischer Werkbegriff,999 wie der Bundesgerichtshof zutreffend festgestellt hat. Terminologisch ist hervorzuheben, dass das Urteil den Begriff der Kleinen Münze absolut versteht (»Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Werken der zweckfreien bildenden Kunst – ebenso wie im Bereich des literarischen und musikalischen Schaffens – die sogenannte kleine Münze anerkannt, die einfache Schöpfungen umfasst.«1000) und dabei verkennt, dass die Schutzschwelle auch innerhalb der Werke der Literatur nicht einheitlich verläuft.1001 Eine Stellungnahme zu den wenig überzeugenden Ausführungen des Instanzurteils wäre nur auf der Grundlage der vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts untersuchten vorbekannten Gestaltungen möglich. Zu den dogmatischen und praktischen Auswirkungen des Urteils soll im 4. Teil Stellung genommen werden, insbesondere zur Schutzdauer und zum Freihaltebedürfnis angeht.1002
998 999 1000 1001 1002
Unten S. 146ff. Oben S. 109f. BGHZ 199, 52 Tz 18 – Geburtstagszug. Oben S. 25f. und 28ff. Unten S. 150ff. und 157.
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4. Teil: Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Im Folgenden soll die neue urheberrechtliche Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst näher untersucht werden. Es geht darum, inwiefern sich der Maßstab der reinen Kunst auf die angewandte Kunst übertragen lässt (A.), welche Probleme die neue Rechtslage aufwirft (B.) und wie sie im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen zu bewerten ist (C.). Schließlich ist der urheberrechtliche Schutz von Werken der angewandten Kunst zu verwandten Rechtsgebieten abzugrenzen (D.).
A.
Übertragung des Maßstabs der reinen Kunst
Historisch stellte sich das Problem einer Angleichung zweier unterschiedlicher Schutzschwellen bereits 1965 bei der Zusammenführung von LUG und KUG. Nach einer Ansicht musste die Anwendung des »allgemeinen« Maßstabs der Individualität aus dem LUG auf die Werkarten des KUG zu einer Absenkung der Schutzschwelle führen.1003 Wenn jetzt die Schutzschwelle der reinen Kunst auf die angewandte Kunst übertragen werden soll, stellen sich drei Fragen: Wie genau ist die Schutzschwelle der reinen Kunst definiert und wo liegt sie? Wie verhält sie sich zur bisherigen Schutzschwelle der angewandten Kunst? Und welche Anpassungen sind für die verschiedenen Kategorien vorzunehmen? Ein Schlüssel zum Verständnis der neuen Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst ist das »Seilzirkus«-Urteil, denn hier wendete der BGH den neuen Maßstab in seiner Hilfsargumentation bereits an. Maßgeblich für den fehlenden Schutz der streitgegenständlichen Gestaltung war ihre technische Bedingtheit.1004 Damit kommt es bei den gestalterischen Elementen eines Werks der angewandten Kunst in besonderem Maß darauf an, ob sie über die durch den 1003 Schramm UFITA 19 (1955), 82, 88; oben S. 82ff. 1004 BGH GRUR 2012, 58 Tz 22 – Seilzirkus; oben S. 119.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Gebrauchszweck vorgegebene und damit technisch bedingte Form hinausgehen. Nur solche Elemente, wenn sie in einem ausreichenden Maß vorliegen, können einen urheberrechtlichen Schutz begründen.1005 In dieser Aussage liegt nach der neuen Rechtsprechung ein deutlicher Unterschied in den Schutzanforderungen für Werke der angewandten und der reinen Kunst. Es ist daher zu untersuchen, welche Auswirkungen dieser Unterschied auf die Annahme einer einheitlichen Schutzschwelle hat (I.) und ob diese doch auf verschiedene Weise angewandt werden kann (II.). Daran anschließend können Aussagen über die Begriffe der »künstlerischen Leistung« (III.) und der »technischen Bedingtheit« (IV.) getroffen werden.
I.
Konsequenz einer einheitlich definierten Schutzschwelle
Die Schutzschwelle für Werke der reinen Kunst ist folgendermaßen definiert: Eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG liegt bei einer Gestaltung der bildenden Kunst vor, wenn ihr ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer »künstlerischen« Leistung gesprochen werden kann.1006 Diese Formel wird mit Recht kritisiert.1007 Bei der Bestimmung der Schutzfähigkeit einer Gestaltung muss man nämlich die unmögliche Aufgabe lösen, Kunst zu definieren. Damit wird das hauptsächliche Problem des neuen Maßstabs deutlich: Wenn Werke der angewandten Kunst mit Werken der reinen Kunst gleichzusetzen und am gleichen Kriterium zu messen sind, muss man dann bei ihnen auch eine Kunstwerkeigenschaft in dem Sinne feststellen, dass sie gleichsam Gebrauchsgegenstand und »reines« Kunstwerk sind? Das hieße womöglich, die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst nicht herab-, sondern heraufzusetzen. Einem Gebrauchsgegenstand wird eine für Kunst empfängliche und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertraute Person nicht ohne Weiteres den Status eines Kunstwerks beimessen, da es sich um einen Gebrauchsgegenstand und eben nicht um eine typischerweise im Museum anzutreffende, zweckfreie Gestaltung handelt. Diesem Gedanken folgend ist die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst nach wie vor hoch oder sogar höher als bisher. Gestützt wird dies durch den deutlichen Hinweis des Bundesgerichtshofs, dass alles, was dem Gebrauchszweck dient, nicht für die Annahme einer künstlerischen Gestaltung 1005 BGHZ 199, 52 Tz 41 – Geburtstagszug; Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 381; oben S. 125f. 1006 BGHZ 199, 52 Tz 15 – Geburtstagszug. 1007 Oben S. 42.
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Übertragung des Maßstabs der reinen Kunst
141
herangezogen werden kann. Gerade bei Gebrauchsgegenständen, die als besonders gutes und damit künstlerisches Design empfunden werden, bilden Form und Funktion jedoch eine Einheit. Eine Abstraktion der funktionalen Elemente soll hier gerade nicht möglich sein. Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst rückt damit in weite Ferne.
II.
Die unterschiedliche Anwendung eines einheitlichen Maßstabs
Eine einheitliche Anwendung der neuen gemeinsamen Definition der Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst ist jedoch nicht zwingend. Es ist durchaus möglich, unter Verwendung derselben Formulierung in unterschiedenen Fallgruppen zu unterschiedlichen praktischen Ergebnissen zu kommen. Eingangs wurde dies am Beispiel der Sachtexte dargestellt: Selbst innerhalb einer einzigen Werkart (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) wird, höchstrichterlich legitimiert, mit verschiedenem Maß gemessen.1008 Dies geschieht schlicht durch die Bildung von Unterkategorien und Fallgruppen, um stillschweigend oder ausdrücklich den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden. Ein solches Vorgehen stellt auch dogmatisch kein Problem dar : Die durch das »Geburtstagszug«-Urteil eingeführte einheitliche Definition der Schutzschwelle für Werke der angewandten und reinen Kunst ist kein Grund, die Fallgruppen und Kategorisierungen innerhalb von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG aufzugeben. Die urheberrechtliche Schutzschwelle verlief auch bei einheitlich definierten Werkarten bisher nicht linear. Man kann also auch weiterhin mit guten Gründen für Werke der reinen Kunst zu anderen Ergebnissen kommen als bei der angewandten Kunst, wenn die Interessenlage eine andere ist.1009 Bei der Zusammenführung von LUG und KUG 1965 wurde eine solche Lösung im Wege der historischen Auslegung bereits angedacht, aber als »unbefriedigend« verworfen.1010 So trifft das geltende Urheberrechtsgesetz die Unterscheidung zwischen reiner und angewandter Kunst in § 2 Abs. 1 Nr. 4 auch heute noch.
III.
Die »künstlerische Leistung« bei angewandter Kunst
Der Maßstab der »Kunst« wird nach wie vor kritisiert, weil er aufgrund seiner Unbestimmtheit zur Bestimmung einer persönlichen geistigen Schöpfung nicht 1008 Oben S. 25f. 1009 Unten S. 150ff. 1010 Schramm UFITA 19 (1955), 82, 87; oben S. 82ff.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
geeignet sei.1011 Daher muss man jetzt, so schwer es fällt, neu darüber nachdenken, wann gerade bei angewandter Kunst im Gegensatz zur reinen Kunst ästhetische Gehalt einen solchen Grad erreicht, der es nach Auffassung der fu¨ r Kunst empfa¨ nglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer »ku¨ nstlerischen« Leistung zu sprechen.1012 Den allermeisten Werken der reinen Kunst möchte heute niemand die Eigenschaft als künstlerische Leistung absprechen.1013 Ausnahmen sind unverstandene Kunst und simple Gestaltungen wie Zeichnungen nach Art von »Punkt, Punkt, Komma, Strich«.1014 Wäre diese Strichzeichnung jedoch ein Werk der angewandten Kunst, zum Beispiel ein Unternehmenslogo, sähe die Sache anders aus. Hier geht es um Einfachheit, Klarheit und Wiedererkennbarkeit. Der große Künstler bedient sich im Bereich des Designs gerade der simpelsten Mittel. Kurz gesagt, gilt im Bereich der heutigen angewandten Kunst: je einfacher, desto künstlerischer. Deshalb müssten, wenn man dem beschriebenen Ansatz folgt, bereits einfachste, künstlerisch daher besonders anspruchsvolle Gestaltungen urheberrechtlich geschützt sein. Ein urheberrechtlicher Schutz beispielsweise des Mercedes-Sterns wäre jedoch mit dem Gedanken des Freihaltebedürfnisses unvereinbar. Außerdem hat der Bundesgerichtshof betont, die anwendbare Schöpfungshöhe dürfe nach wie vor »nicht zu gering« sein.1015 Die Gestaltung muss über das Handwerkliche hinaus tatsächlich individuell sein. Eine künstlerische Leistung beginnt also nicht bereits unmittelbar jenseits dessen, was technisch zwingend ist.1016 Daraus folgt, dass auch eine besonders gelungene gestalterische Leistung nicht per se für einen urheberrechtlichen Schutz ausreichen kann.1017 Es spricht viel dafür, dass die »künstlerische Leistung« für Werke der angewandten Kunst nur die neue dogmatische Grundlage für eine Schutzschwelle ist, deren Position sich praktisch nicht verändert hat.
1011 1012 1013 1014 1015 1016 1017
Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 110. Oben S. 140f. Vgl. oben S. 75f. Oben S. 14. BGHZ 199, 52 Tz 40 – Geburtstagszug; Klawitter GRUR 2014, 30, 32. BGH GRUR 2012, 58 Tz 30 – Seilzirkus; Klawitter GRUR 2014, 30, 32. Klawitter GRUR 2014, 30, 32.
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Übertragung des Maßstabs der reinen Kunst
IV.
143
Zur Praktikabilität des Merkmals der technischen Bedingtheit
Wie dargestellt sind alle technisch bedingten, also dem Gebrauchszweck geschuldeten gestalterischen Merkmale nicht geeignet, die Individualität des Werks zu begründen.1018 Diese Bedingung wird auch in der Literatur als wesentliches Korrektiv zur grundsätzlichen Absenkung der Schutzvoraussetzungen verstanden.1019 Dies rechtfertigt einen erneuten Blick auf den Gebrauchszweck von Werken der angewandten Kunst. Bei bestimmten Gruppen von Werken der angewandten Kunst ist dieses Korrektiv nämlich gar nicht anwendbar. Dazu gehören weite Teile des Grafikdesigns,1020 insbesondere Logos und Signets. Hier ist schlicht alles, was über den bloßen Schriftzug eines Textlogos hinausgeht, frei gestaltbar. Die einzige praktische Vorgabe ist die Wiedererkennbarkeit der Gestaltung. Wenn man die Wiedererkennbarkeit aber zum Gebrauchszweck kürt, ist alles an einem Logo technisch bedingt.1021 Folge wäre die völlige Schutzlosigkeit. Dasselbe Problem stellt sich bei Dekorationsartikeln wie den »Tierfiguren« – so man sie denn als Werke der angewandten Kunst ansieht.1022 Diese haben als Gebrauchszweck einzig ihr gefälliges Äußeres. Hier müsste also nach der bisherigen Ansicht jeder Aspekt der Gestaltung von der Bewertung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit ausgeschlossen sein, ein urheberrechtlicher Schutz wäre nicht möglich. Hilfreich für das Verständnis dieser Problematik sind die mit den Dekorationsartikeln verwandten Werkarten wie zum Beispiel Schmuck. Ein Ohrclip wie die »Silberdistel« hat als einzigen Gebrauchszweck die Befestigung am Körper.1023 Urheberrechtlicher Schutz ist hier vergleichsweise leicht zu erreichen, wenn die Gestaltung nicht auf Vorbekanntem aufbaut. Beim Ohrclip sieht auch die bisherige Ansicht in den dekorativen Elementen keine Funktion. Wo dann der Unterschied zu beispielsweise einem Tischschmuck in Form einer Silberdistel liegen soll, ist unklar. Die größte Schwierigkeit der Trennung zwischen künstlerischer Gestaltung und technisch bedingten Elementen besteht darin, dass im modernen Design das Künstlerische gerade in der Abwesenheit von besonderen gestalterischen Elementen liegt. Die elegante Reduktion auf das Wesentliche, nämlich den Gebrauchszweck, macht gerade die hohe Kunst aus. Es wurde daher bezweifelt, ob
1018 1019 1020 1021 1022 1023
Oben S. 35f. Kur FS Bornkamm, S. 849, 858; Klawitter GRUR 2014, 30, 32; oben S. 130f. Oben S. 57. Vgl. OLG Köln GRUR 1986, 889, 890 – ARD-1. Oben S. 52ff. und 59. Oben S. 59; Henssler GRUR 1961, 397, 398; Kummer FS Vischer, S. 701, 712.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
sich funktionale und ästhetische Elemente überhaupt immer trennen lassen, wenn sie sich doch im Idealfall wechselseitig beeinflussen.1024 Grundsätzlich zuzustimmen ist daher der Einschränkung, nur »ausschließlich technisch bedingte« Merkmale auszuschließen. Nur hier gibt es wirklich keinen Gestaltungsspielraum, der dem Urheber erst eine kreative Leistung ermöglicht.1025 Eine Lösung für Gestaltungen, deren künstlerischer Wert in der betont funktionalen Form liegt, bietet dieser Ansatz jedoch noch nicht. In der früheren Literatur und Rechtsprechung finden sich Hinweise darauf, dass der ästhetische Gehalt gerade in der Abwesenheit von schmückendem Beiwerk oder sonst üblicher Gestaltungselemente und in der Konzentration auf die Gebrauchsform liegen kann.1026 Es ist jedoch zweifelhaft, ob man die Werkeigenschaft mit etwas Abwesendem begründen kann, wo doch das Erfordernis der Formgebung besagt, dass die Individualität gerade im Werk verkörpert sein muss.1027 Es wurde vorgeschlagen, Werken der »Funktionsästhetik« dann Schutz zu gewähren, wenn »die ästhetische und nicht ausschließlich technisch wirkende Komponente der zweckbedingten Form in besonderem Maße und in eindeutiger Weise zum Ausdruck« kommt. Insbesondere komme es auf die »Andersartigkeit« und damit die Abweichung vom Vorbekannten an, so dass das »[G]enialeinfache« geschützt sein könne.1028 So sinnvoll dieser Ansatz klingt, so selten werden die genannten Voraussetzungen in der Praxis gegeben sein.
V.
Zwischenergebnis
Zunächst ist der These zu widersprechen, dass die Aufgabe der Stufentheorie automatisch eine Absenkung der Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst zur Folge hat. Im Gegenteil müssen sich Werke der angewandten Kunst nach der neuen Definition nicht mehr an vergleichbaren Gestaltungen, sondern am allgemeinen Maßstab der Kunst messen lassen. Danach könnte die Schutzschwelle sogar höher liegen als bisher. Doch wird die urheberrechtliche Schutzschwelle trotz gleicher Definition nicht einheitlich, sondern unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen in der Praxis unterschiedlich angewandt. Daher ist die Schutzfähigkeit nach wie vor mit Blick auf die Eigenheiten der angewandten Kunst zu prüfen. Schließlich 1024 Levin GRUR Int. 1985, 713, 713f.; Zentek GRUR 2012, 42, 45. 1025 Zentek GRUR 2012, 42, 45. 1026 Deutlich BGHZ 27, 351, 357f. – Candida-Schrift; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 40. 1027 Oben S. 14f. 1028 G. Schulze Die kleine Münze, S. 224.
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Kernprobleme der neuen Rechtslage
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ist die Ausgrenzung von technisch bedingten Gestaltungsmerkmalen in vielen Fällen schwierig, da das »Künstlerische« eines Werks der angewandten Kunst gerade in der Einheit von Form und Funktion liegen kann.
B.
Kernprobleme der neuen Rechtslage
Abhängig davon, ob man von einer Verschiebung der urheberrechtlichen Schutzschwelle für Werke der reinen Kunst nur in dogmatischer oder auch in praktischer Hinsicht ausgeht, ergibt sich eine Reihe neuer oder verstärkt auftretender Probleme in der Rechtsanwendung. Ausgehend von der Rechtssicherheit (I.) und der neuen Parallelität von Design- und Urheberrecht (II.) ist zu untersuchen, wie ein Urheberrecht ohne Schutzschwelle, das heißt ohne das Erfordernis der Individualität (III.) oder ohne Schutzumfang, das heißt ohne Schutz gegen Bearbeitungen (IV.) aussehen kann. Danach sollen Fragen des Freihaltebedürfnisses (V.) und neu auftretender Urheberrechtsverletzungen (VI.) behandelt werden. Reformbedarf besteht bei der Abbildungsfreiheit (VII.) und den Schutzfristen (VIII.). Schließlich sind die Auswirkungen der neuen Rechtslage in wirtschaftlicher (IX.) und in gewerbe- und steuerrechtlicher Hinsicht (X.) zu untersuchen. Abschließend ist auf Urheberpersönlichkeitsrechte (XI.) und Gefahren des Rechtsmissbrauchs einzugehen (XII).
I.
Rechtsunsicherheit
Für eine zuverlässige Bestimmung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit einer Gestaltung aus dem Bereich der angewandten Kunst liegen bisher nur wenige Entscheidungen vor.1029 Urteile in diesem Bereich, insbesondere solche, die sich eingehend mit der Schutzfähigkeit auseinandersetzen, sind selten. Dabei ist die Werkqualität einer Gestaltung die Ausgangsfrage jedes urheberrechtlichen Gedankengangs.1030 Die Bestimmung der urheberrechtlichen Schutzschwelle ist von jeher für den Rechtsanwender eine besonders schwierige Aufgabe. Schon immer bedurfte es großer Sachkunde, um die urheberrechtliche Schutzfähigkeit einer Gestaltung mit geringer Individualität festzustellen.1031 Nahe der Schutzschwelle sind die einzelnen Werke nicht besonders markant und weisen unabhängig von einem
1029 Oben S. 135f. 1030 Oben S. 14. 1031 A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 140; im Ergebnis auch Klawitter GRUR 2014, 30, 31f.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
eventuellen Wiedererkennungswert nicht per se eine große kreative Eigenständigkeit auf. Kritisiert wird, dass dieses Problem durch eine Verlagerung der Schutzschwelle komplizierter wird.1032 Für die ersten Jahre nach dem »Geburtstagszug«-Urteil des Bundesgerichtshofs sei mit besonders großer Rechtsunsicherheit zu rechnen.1033 Dieses Problem wohnt jedoch jeder Rechtssprechungsänderung kraft »besserer Erkenntnis«1034 inne und kann nicht zu ihrer Kritik herangezogen werden. Anders als im Designrecht bietet das Urheberrecht im Bereich der angewandten Kunst auch nicht die Möglichkeit, sich durch vorherige Registerrecherche abzusichern. Diese Möglichkeit fehlt freilich auch für das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster.
II.
Parallelität und Divergenz von Design- und Urheberrechtsschutz
Die bisher untersuchten Aspekte des Designrechts drehten sich um die besondere Position der urheberrechtlichen Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst. Eine andere Frage betrifft die Abgrenzung des Urheberrechts zum neu definierten Designrecht. Die Frage nach dem Nutzen des Designrechts stellt sich nach wie vor : Auch nach seiner lateralen Verschiebung durch die Reform von 2004 bestehen Bezugspunkte zum Urheberrecht, daher ist eine funktionale Abgrenzung notwendig.1035 Die besonderen Schutzanforderungen für Werke der angewandten Kunst hatten das Ziel, dem Geschmacksmusterrecht einen eigenen, vom Urheberrecht getrennten Anwendungsbereich zuzuweisen. Jedoch waren Geschmacksmuster oberhalb der urheberrechtlichen Schutzschwelle nach beiden Gesetzen schutzfähig, so dass es hier auch in der Vergangenheit Überschneidungen gab.1036 Aus unionsrechtlicher Sicht ist daran zu erinnern, dass Art. 17 der Geschmacksmuster-RL die Möglichkeit eines kumulativen Schutzes sogar ausdrücklich anordnet.1037 Senkte man die urheberrechtliche Schutzschwelle ab, so könnte man erwar1032 Klawitter GRUR 2014, 30, 32. 1033 Peifer GRUR Int. 2014, 1100, 1104; Szalai ZUM 2014, 231, 232; Klawitter GRUR 2014, 30, 32; Geier Schutzkumulationen S. 206. 1034 BGHZ 199, 52 Tz 24 – Geburtstagszug. 1035 G. Schulze NJW 2014, 475; Obergfell GRUR 2014, 621; Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 112; Götting Gewerblicher Rechtsschutz, 14. Aufl., § 39 Rn 9. 1036 Oben S. 80ff. 1037 EuGH EU:C:2011:29 = GRUR 2011, 216 Tz 44 – Flos/Semeraro; Zentek WRP 2010, 73, 77; Geier Schutzkumulationen, S. 62; oben S. 102.
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Kernprobleme der neuen Rechtslage
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ten, dass es nun häufiger zu solchen Überschneidungen kommt.1038 Da jedoch der Ausgangspunkt der hier untersuchten Rechtsprechungsänderung eine laterale Verschiebung des Designrechts war, ist das Gegenteil der Fall: Da Designs seit der Reform von 2004 nicht mehr am Maßstab der Individualität gemessen werden, gibt es – von der Schutzrichtung her gesehen – das Phänomen der Parallelität zum urheberrechtlichen Schutz nicht mehr. Gleichwohl ist ein doppelter Schutz derselben Gestaltung möglich.1039 Diese setzt jedoch voraus, dass die unterschiedlichen Anforderungen beider Gesetze erfüllt werden, so wie bereits in der Vergangenheit zum Beispiel eine kurze Komposition sowohl urheberrechtlich als auch – mit vollkommen unterschiedlicher Zielrichtung – als Hörmarke schutzfähig sein konnte.1040 Eine solche Schutzrechtskumulation führt zum Folgeproblem, unterschiedliche Schranken und Anspruchsvoraussetzungen in Einklang bringen zu müssen.1041 Sonst würde das Designrecht durch ein paralleles Urheberrecht faktisch ausgehöhlt.1042 Geht man davon aus, dass die Rechtsprechungsänderung für die Praxis in der Regel keine Ausweitung des urheberrechtlichen Schutzes bedeutet, so könnte sich durch die laterale Verschiebung des Designrechts womöglich eine Schutzlücke aufgetan haben. Es sind nämlich Gestaltungen denkbar, die die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst nicht erreichen und damit nicht urheberrechtlich geschützt sind und gleichzeitig nicht die neuen Anforderungen des Designrechts erfüllen, zum Beispiel, weil die Gestaltung nicht neu ist. Denn die Schutzfähigkeit als Design scheitert häufig an fehlender Neuheit.1043 Dabei hat das heutige eingetragene Design gar keinen so wesentlich anderen Charakter als das bisherige Geschmacksmuster. Das zeigt sich schon daran, dass die bisherigen Eintragungen erhalten bleiben.1044 Es ist also keineswegs so, dass die Urheber angewandter Kunst nach neuer Rechtslage schutzlos bleiben. Das Designrecht steht ihnen weiterhin genauso offen wie das Marken- und Lauterkeitsrecht. Diese Rechtsgebiete haben auch bisher einen weitgehenden Schutz der angewandten Kunst im Hinblick auf ihre gewerbliche Nutzbarkeit ermöglicht und zeichnen sich durch besondere, praktikable Schrankenregelungen aus. Für den Verletzungsprozess gilt unverändert, dass der Kläger das geltend
1038 So Geier Schutzkumulationen S. 64. 1039 Götting Gewerblicher Rechtsschutz, 14. Aufl., § 39 Rn 9; Geier Schutzkumulationen S. 203. 1040 Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 74. 1041 Götting Gewerblicher Rechtsschutz, 14. Aufl., § 39 Rn 9, 11; vgl. Cornels Die Schranken des Designrechts. 1042 Barudi UFITA 2014-I, 49, 68; Geier Schutzkumulationen S. 204. 1043 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 200; Krüger GRUR 1986, 115, 117. 1044 Oben S. 116.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
gemachte Recht im Antrag genau bezeichnen muss.1045 Der früher erteilte Rat, Werke der angewandten Kunst für den Fall der Versagung des Urheberschutzes stets sicherheitshalber als Geschmacksmuster anzumelden,1046 sollte jedoch aufgrund der unterschiedlichen Schutzanforderungen überdacht werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass Designer wegen der möglicherweise geringeren Anforderungen an die urheberrechtliche Individualität die Kosten und Formalien für einen Designschutz scheuen werden. Erstens sind die Schutzrichtung und der Schutzumfang unterschiedlich. Zweitens führt die Rechtssicherheit eines eingetragenen Rechts selbst in Frankreich, wo Urheberund Designrecht ganz parallel laufen,1047 zu steigenden Anmeldezahlen.1048 Doch ist auf die deutlich kürzere Schutzdauer des Designs hinzuweisen.1049 Das Designrecht ist weiterhin stärker an den Interessen des Verwerters ausgerichtet, weil es üblicherweise von ihm und nicht vom Etwerfer angemeldet wird. Eine Eintragung hilft – ungeachtet der Möglichkeit des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters – durch die Prioritätswirkung1050 und die Inhaberschaftsvermutung sowie in rechtstatsächlicher Hinsicht durch die »Abschreckungswirkung« der Eintragung.1051 Das »Geburtstagszug«-Urteil zeigt auch ein Defizit des Designrechts, das anders als das Urheberrecht in § 32a UrhG bisher keinen Bestsellerparagrafen kennt. In rechtspraktischer Hinsicht hat das Designrecht insbesondere in den Branchen Kraftfahrzeug-, Textil-, Möbel- und Schmuckindustrie eine große Bedeutung.1052 Diese nimmt allerdings im Inland spürbar ab: 2015 wurden beim Deutschen Patent- und Markenamt 55.219 Designs angemeldet, was einen Rückgang von 9,1 % bedeutete:1053 Beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum gingen 2015 demgegenüber 97.500 Anmeldungen ein, was in etwa dem Vorjahreswert entspricht.1054
BGHZ 189, 56 Tz 8 – TÜV; unten S. 186f. Gerstenberg/Buddeberg Geschmacksmustergesetz, 3. Aufl., S. 54. Unten S. 171f. Eichmann/von Falckenstein/Kühne 5. Aufl., Einl. A Rn 35. Zentek WRP 2010, 73, 78. E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 91. Englert Grundzüge des Rechtsschutzes der industriellen Formgebung, S. 20; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 57f. 1052 Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 3. 1053 Deutsches Patent- und Markenamt Statistiken – Designs, http://presse.dpma.de/presse service/datenzahlenfakten/statistiken/geschmacksmuster/index.html. 1054 Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum Annual Report 2015, S. 15.
1045 1046 1047 1048 1049 1050 1051
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Kernprobleme der neuen Rechtslage
III.
149
Urheberrecht ohne Schutzschwelle?
Der Bundesgerichtshof betont in der »Geburtstagszug«-Entscheidung, dass das Urheberrecht aufgrund seines weiten Schutzbereichs eine nicht zu niedrige Schutzschwelle als untere Grenze haben muss.1055 Man könnte annehmen, dass mit der Übertragung der Schutzschwelle der Werke der reinen Kunst auch für die angewandte Kunst diese untere Grenze praktisch abgeschafft wird: Außer dem extremen Lehrbuchbeispiel »Punkt, Punkt, Komma, Strich« wird nämlich in der reinen Kunst praktisch alles geschützt.1056 Die Folgen einer Aufgabe der urheberrechtlichen Schutzschwelle wurden als »gefährlich« beschrieben.1057 Die Schutzschwelle sei ein wichtiges Instrument zur Entlastung des Urheberrechts.1058 Sie diene dazu, Schutzunwürdiges auszuschließen.1059 Bei den nicht geschützten Gestaltungen bestehe keine vernünftige Relation zwischen der kreativen Leistung und dem umfassenden Monopol des Urhebers.1060 Schließlich erhöht eine niedrigere Schutzschwelle das Risiko der urheberrechtlichen Anomalie von Doppelschöpfungen,1061 weil deren Wahrscheinlichkeit bei nahe an der Schutzschwelle liegenden Werken größer ist.1062 Mit einer Absenkung der Schutzschwelle steigt diese Wahrscheinlichkeit weiter, weil so noch zahlreichere und noch weniger individuelle Werke vom Urheberrecht erfasst werden. Ein Urheberrecht ohne ernst zu nehmende Schutzschwelle darf es also nicht geben.
IV.
Urheberrecht ohne Schutzumfang?
Der Bundesgerichtshof betont außerdem, dass der Schutzumfang von Werken mit geringer Individualität entsprechend gering ist.1063 Geht man von einer Absenkung der Schutzschwelle aus, müsste bei den dadurch neuerdings vom Urheberrecht erfassten Werken der Schutzumfang auf ein absolutes Minimum reduziert sein. 1055 BGHZ 199, 52 Tz 40 – Geburtstagszug. 1056 Lehr GRUR 1999, 403, 403f.; differenziert zum Schweizer Recht HGer Aargau sic! 2015, 449, 451f. – Totenkopf-Tattoo. 1057 Quaedvlieg GRUR Int. 2014, 1105, 1110; vgl. G. Schulze GRUR 1984, 400, 404f. 1058 Dietz FS Beier, S. 355, 356. 1059 Oben S. 14f. 1060 Quaedvlieg GRUR Int. 2014, 1105, 1110. 1061 aaO; vgl. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 195. 1062 OLG Frankfurt am Main ZUM-RD 2015, 589 – Fasanenfedern; Dreier/G. Schulze 5. Aufl., § 2 Rn 17. 1063 BGHZ 199, 52 Tz 41 – Geburtstagszug.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Dies hätte zur Folge, dass nahe der Schutzschwelle der Anwendungsbereich des Bearbeitungsrechts (§ 23 UrhG) im Bereich der angewandten Kunst weiterhin von der freien Benutzung nach § 24 UrhG verdrängt würde:1064 Gegen bloß ähnlichen Umgestaltungen hätte der Urheber in diesen Fällen keine Handhabe. Freilich kann nicht jede auf diese Weise freie Benutzung ihrerseits nach § 2 UrhG Schutz als Werk erlangen, da vorbekannte Gestaltungselemente nicht zur Individualität beitragen können.1065 Werke nahe der Schutzschwelle haben also insofern einen Schutzumfang, als es zwar ähnliche Gestaltungen geben darf, diese aber nicht vom Urheberrecht geschützt werden. Ungeachtet des verminderten Schutzumfangs gelten auch für Werke geringer Individualiät die Urheberpersönlichkeitsrechte, die Verwertungsrechte und die lange Schutzdauer.1066 Ein Ausgleich einer niedrigen Schutzschwelle durch einen engen Schutzumfang ist daher nur begrenzt möglich.1067 Auf der anderen Seite könnte man argumentieren, dass die Absenkung der Schutzschwelle für bisher bereits geschützte Werke der angewandten Kunst die Folge hat, dass sich ihr Schutzumfang ausdehnt: Sie liegen nun nicht mehr an der unteren Schwelle zur Schutzfähigkeit und können so einen größeren Schutzumfang für sich in Anspruch nehmen. Möglicherweise führt dies auch zu neuen Rechtsverletzungen.1068 In jedem Fall führt die Frage nach dem Schutzumfang infolge der Änderung der Schutzanforderungen zu einer weiteren Verlängerung der Phase der Rechtsunsicherheit.1069 Dabei hat ein Urheberrecht mit einem beachtlich geringeren Schutzumfang, der keine Bearbeitungen und Umgestaltungen erfasst, sondern nur vor identischer Übernahme oder Nachahmung schützt, kaum noch eine Rechtfertigung.
V.
Teilhabeinteresse und Freihaltebedürfnis
Die bereits erwähnten urheberrechtlichen Grundsätze des Teilhabeinteresses der Gesellschaft und des Freihaltebedürfnisses der Gesamtheit der Designer1070 sind an dieser Stelle erneut aufzugreifen. In der Vergangenheit wurde insbesondere das Freihaltebedürfnis gegen eine Herabsetzung der Schutzschwelle 1064 1065 1066 1067 1068 1069 1070
Vgl. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 195. OLG Schleswig GRUR-RR 2015, 1 Tz 12f. – Geburtstagszug II. G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 529. aaO. Vgl. unten S. 152f. Peifer GRUR Int. 2014, 1100, 1104; oben S. 145f. Oben S. 71f.
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Kernprobleme der neuen Rechtslage
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angeführt, und es herrschte Streit darüber, ob dies im Bereich der angewandten Kunst in besonderem Maße gelte.1071 Mit dem »Geburtstagszug«-Urteil ist die Diskussion neu aufgeflammt.1072 Ausgangspunkt ist die Situation des Urheberrechtsprozesses. In der Praxis laufen Rechtsstreitigkeiten über Werke der angewandten Kunst wie in den Entscheidungen »Geburtstagszug II« und »Airbrush-Urne« auf eine Untersuchung des vorbekannten Formenschatzes hinaus: Der Beklagte im Verletzungsprozess wird die klägerische Behauptung, das streitgegenständliche Werk sei urheberrechtlich geschützt, substantiiert bestreiten, indem er Beispiele vorbekannter Werke vorlegt, die eine möglichst geringe gestalterische Abweichung aufweisen. Davon ausgehend ist der Ansicht zuzustimmen, dass im Bereich der angewandten Kunst ein besonders großes Freihaltebedürfnis besteht. Dafür spricht zunächst, dass der Gebrauchszweck gerade im Bereich des Produktdesigns die gestalterischen Möglichkeiten einschränkt.1073 Daher haben Designer gerade in diesem Bereich nur begrenzte Möglichkeiten, eigene Gestaltungen zu schaffen, die erstens ein ansprechendes Äußeres aufweisen, zweitens praktisch nutzbar sind und drittens keine Rechte Dritter an vorbekannten Gestaltungen verletzen. Aus dem Bereich des Grafikdesigns sind hier Unternehmenslogos zu nennen. Eine Absenkung der Schutzschwelle würde hier bedeuten, dass neben die markenrechtliche Recherche auch eine urheberrechtliche Suche nach vorbekannten, möglicherweise verletzten Gestaltungen treten müsste – ohne eine Beschränkung auf verwechselbare Waren oder Dienstleistungen, die dem Urheberrecht fremd ist.1074 Auch aus Sicht des Innovationsinteresses der Gesellschaft ist es wünschenswert, dass die Entwicklung neuer Gestaltungen zur zweckmäßigen und zugleich ästhetischen Ausgestaltung unseres Alltags nicht durch eine Monopolisierung grundlegender Formen behindert wird. Andererseits wird es für Designer ohnehin immer schwieriger, eine neue und ihrerseits schutzfähige Gestaltung zu schaffen. Denn bei der Prüfung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit einer Gestaltung bleiben diejenigen Elemente unberücksichtigt, die auf bekannte Vorbilder zurückgehen – es sei denn, dass in ihrer Kombination eine eigene künstlerische Leistung liegt.1075 Die Anzahl vorbekannter Formen nimmt aber mit der Zeit immer weiter zu.1076 Falsch ist es, das Freihaltebedürfnis dadurch als gewahrt anzusehen, dass das 1071 1072 1073 1074 1075 1076
Oben S. 90f. Oben S. 133. Oben S. 35f. Unten S. 190f. BGHZ 27, 351, 356 – Candida-Schrift. Englert Grundzüge des Rechtsschutzes der industriellen Formgebung, S. 24.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Gericht den dem Urheber zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum prüft.1077 Der Gestaltungsspielraum bestimmt sich nicht aus der Nähe der fraglichen Gestaltung zu vorbekannten Werken, sondern aus den Vorgaben durch den Gebrauchszweck.1078 Wo ein großer Gestaltungsspielraum besteht, zum Beispiel im Bereich der Unternehmenslogos, ist das Freihaltebedürfnis, wie gesehen, nicht zwingend geringer.1079 Schließlich befindet sich das Urheberrecht, was seine gesellschaftliche Akzeptanz angeht, allgemein in einer Legitimationskrise.1080 Daher sollten rechtliche Entwicklungen nicht in die Richtung zielen, den ohnehin schon großen Anwendungsbereich des Urheberrechts noch weiter auszudehnen.1081
VI.
Urheberrechtsverletzungen und intertemporales Recht
Die vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht angenommene Absenkung der Schutzschwelle führte im Fall der »Geburtstagskarawane« dazu, dass ein nach bisheriger Rechtsprechung nicht geschütztes Werk neu vom Urheberrecht erfasst wurde.1082 Das bedeutet, dass ein Künstler, der zuvor von der Schutzlosigkeit dieses Werks ausgegangen war und eine identische oder ausreichend ähnliche Gestaltung geschaffen hatte, sich jetzt dem Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung ausgesetzt sehen kann. Praktisch relevant ist zunächst die Konstellation, dass zwei jetzt urheberrechtlich geschützte Werke einander zu ähnlich sind. Auf einmal ist das später geschaffene dann eine Verletzung des älteren Werkes. Damit entsteht rückwirkend die Möglichkeit von Urheberrechtsverletzungen.1083 Strafrechtlich sind diese freilich schon wegen Art. 103 Abs. 2 GG und des Vorsatzerfordernisses in § 106 Abs. 1 UrhG unbeachtlich. Für den zivilrechtlichen Verletzungsprozess hat das Oberlandesgericht Köln in einem solchen Fall entschieden, dass auf der Ebene des Verschuldens spätestens seit der Ankündigung der Rechtsprechungsänderung im »Seilzirkus«Urteil, also ab dem Jahr 2012, die seit 2004 veränderte Rechtslage erkennbar
1077 1078 1079 1080
So Leistner GRUR 2014, 1145, 1147f. Oben S. 35f. Oben S. 71; a. A. Leistner GRUR 2014, 1145, 1148. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 4; Schack FS Wandtke, S. 9; ders. FS Wadle, S. 1005; vgl. Hoeren MMR 2014, 337, 338. 1081 Schack FS Wandtke, S. 9, 13; Peifer GRUR Int. 2014, 1100, 1103. 1082 OLG Schleswig GRUR-RR 2015, 1 Tz 12f. – Geburtstagszug II. 1083 G. Schulze NJW 2014, 475.
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gewesen sei.1084 Damit stellt das Gericht offenbar auf die Veröffentlichung des Urteils Anfang 2012, zum Beispiel im GRUR-Heft 1/2012, ab. Ein Verschulden ist jedoch nur für den Anspruch auf Schadensersatz erforderlich, § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG. Für den Nutzer eines neuerdings verletzenden Werks ebenso relevant ist aber der verschuldensunabhängige Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch in § 97 Abs. 1 UrhG. Er muss sein Werk nämlich im schlimmsten Fall vernichten (§ 98 Abs. 1 S. 1 UrhG), obwohl er bisher davon ausgehen konnte, dass sein Werk auf gemeinfreiem Material basiere. Bei vor 2004 geschaffenen Werken wird man die Lösung des Problems in einer nachträglich entstandenen Doppelschöpfung finden. Eine leichte Abwandlung der geschilderten Konstellation könnte dazu führen, dass von zwei ursprünglich nicht geschützten Gestaltungen eine von der Absenkung der Schutzschwelle profitiert und die andere nicht, so dass sich auch ein geschütztes Werk und eine gemeinfreie Gestaltung gegenüberstehen können. Schließlich kann es Fälle geben, in denen ein Verwerter von der urheberrechtlichen Schutzlosigkeit einer Gestaltung ausging und sie schlicht im Wege der Vervielfältigung (§ 16 UrhG) genutzt hat. Hier ist die Konstellation nach neuem Recht klar : Unabhängig vom Zeitpunkt der Schöpfung kann der Urheber Beseitigung und Unterlassung verlangen, Schadensersatz jedoch nur für Vervielfältigungshandlungen ab Anfang 2012.
VII.
Abbildungen geschützter Werke
Ein Unterfall der Vervielfältigung ist die Abbildung, bei einer dreidimensionalen Gestaltung mittels eines Fotos, bei einer zweidimensionalen Gestaltung auch durch eine Kopie.1085 Hier zeigt sich eine besondere Schwäche des Arguments, dass die Absenkung der Schutzschwelle durch einen geringen Schutzumfang ausgeglichen werde.1086 Die Ausweitung des urheberrechtlichen Schutzes auf bisher nicht erfasste Werke der angewandten Kunst hätte zur Folge, dass grundsätzlich jede Veröffentlichung einer Abbildung dieser Werke der Zustimmung des Nutzungsrechteinhabers bedürfte.1087 Die Zahl denkbarer Fälle ist schier endlos: In der Werbefotografie1088 wären einerseits Symbolfotos von Alltagssituationen erfasst, zum Beispiel einer Person, die ein Mobiltelefon benutzt. Anderer1084 1085 1086 1087 1088
OLG Köln GRUR-RR 2015, 275 – Airbrush-Urnen. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 417. Geier Schutzkumulationen S. 204. Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 383. Vgl. OLG Koblenz GRUR 1967, 262, 264 – Barockputten; designrechtlich BGH GRUR 2011, 1117 – ICE; dazu Cornels Die Schranken des Designrechts, S. 88ff., 95.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
seits ist denkbar, dass ein Model für ein Modehaus vor einem Auto oder einem Möbelstück posiert. Die Schranke des § 57 UrhG für unwesentliches Beiwerk greift nämlich nicht, wenn das mitabgebildete geschützte Werk die Gesamtwirkung des Bildes prägt. Dies ist insbesondere bei Produktfotos der Fall, wenn das geschützte Werk stil- oder stimmungsbildend wirkt oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreicht.1089 Filmemacher und Theaterausstatter dürften neuerdings geschützte Werke der angewandten Kunst, zum Beispiel einen gedeckten Tisch mit einer Blumenvase, außerhalb von § 57 UrhG nicht mehr ohne Einwilligung des Rechteinhabers in eigenen Gestaltungen nutzen.1090 Insbesondere könnten Kostüme von Protagonisten oder Fahrzeuge in Verfolgungsjagden nie Beiwerk sein.1091 Die aus den Vereinigten Staaten1092 stammenden Fälle einer Handpuppe und eines Mobiles lösen das Problem mit der Rechtsfigur des »Fair use«.1093 Hierzu wird vorgeschlagen, die Schranke des § 57 UrhG für unwesentliches Beiwerk auf Abbildungen auszudehnen, die in einem Kontext erfolgen, »bei dem gerade eine Lebenswirklichkeit dargestellt wird oder werden soll, in der diese angewandte Kunst typischerweise ihren Platz hat.«1094 Mit der bisherigen Auslegung der Schranke des § 57 UrhG lässt sich diese Forderung jedoch nicht vereinbaren. Auch Nachschlagewerke könnten bisher gemeinfreie Werke der angewandten Kunst nicht mehr ohne Lizenz abbilden. Die ehrenamtliche Autorengemeinschaft der deutschsprachigen Wikipedia, die vollständig auf die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte verzichtet, diskutiert in der Folge des »Geburtstagszug«-Urteils über die Löschung von etwa 50.000 Abbildungen von Werken der angewandten Kunst, die meisten von ihnen Unternehmenslogos und Alltagsgegenstände. Im Markenrecht wird dieses Problem durch die Sondervorschrift des § 16 MarkenG gelöst, die dem Inhaber einen verhaltenen, also erst bei Geltendmachung fälligen Anspruch gibt, der Abbildung einer Marke in Nachschlagewerken einen Hinweis auf die Eintragung hinzuzufügen. Schließlich könnten auch Normalbürger betroffen sein, wenn sie Fotos von Straßenszenen machen, auf denen zum Beispiel ein Auto oder ein Kleidungsstück zu sehen ist und diese Fotos in sozialen Medien teilen möchten. Ein an1089 BGH GRUR 2015, 667 – Möbelkatalog. 1090 Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 384ff.; vgl. auch OGH GRUR Int 2016, 842, 845 (Abbildung einer Hotellobby greift in das Urheberrecht des Möbeldesigners ein). 1091 aaO, S. 69, 74. 1092 Unten S. 178ff. 1093 Mura v. Columbia Broadcasting System, 245 F.Supp. 587 (S.D.N.Y. 1965); Amsinck v. Columbia Pictures Industries, 862 F.Supp. 1044 (S.D.N.Y. 1994); Riecken Schutzgüter in der Filmkulisse, S. 27ff. 1094 Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 384ff.
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derer denkbarer Fall ist die Abbildung eines neuerdings geschützten Alltagsgegenstands für den Verkauf über das Internet. Dessen öffentliches Angebot fällt unter das Verbreitungsrecht des § 17 Abs. 1 UrhG.1095 Wenn man auf die OnlineVerbreitung nicht den Erschöpfungsgrundsatz des § 17 Abs. 2 UrhG analog anwenden will,1096 lässt sich das Problem nicht lösen, weil sich grundsätzlich nur das Verbreitungsrecht und nicht das Vervielfältigungsrecht erschöpfen kann.1097 Dabei kennt das Urheberrechtsgesetz bereits zwei Schranken, die ähnlichen Konstellationen begegnen. Zum einen erlaubt die Katalogbildfreiheit des § 58 Abs. 1 UrhG bei öffentlich ausgestellten oder zum öffentlichen Verkauf bestimmten Werken der bildenden Kunst und Lichtbildwerken dem Veranstalter, diese zu Werbezwecken zu vervielfältigen, sofern dies unmittelbar dem Zweck der Ausstellung oder Verkaufsveranstaltung dient.1098 Nicht erfasst sind Produkte der Merchandising-Industrie. Die Vorschrift erfasst auch Werke der angewandten Kunst, ist jedoch eng auszulegen.1099 Zweitens erlaubt die Panoramafreiheit des § 59 UrhG bei bleibend im öffentlichen Raum angebrachten Werken ausdrücklich die Vervielfältigung durch ein Foto. Bei Werken der angewandten Kunst ist sie zum Beispiel bei einer Straßenlaterne oder auch bei der Bemalung eines Kreuzfahrtschiffs1100 einschlägig, erfasst jedoch nur vorübergehend angebrachte Werbegrafiken nicht als »bleibend« im Sinne des Gesetzes.1101 Einer Verallgemeinerung des dahinter stehenden Rechtsgedankens hat die Rechtsprechung bisher eine Absage erteilt.1102 Im Ergebnis besteht ein hohes Interesse daran, auch bei einer Absenkung der Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst ohne die Einwilligung des Urhebers Abbildungen geschützter Werke verbreiten zu können.1103 Die bestehenden Schranken für Zitate und unwesentliches Beiwerk greifen nicht, wenn 1095 Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 426. 1096 So Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 384; Hoeren/Jakopp MMR 2014, 646, 647ff.; vgl. EuGH GRUR 2012, 04 Tz 61 – UsedSoft; dagegen (systemfremd) Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 463a m. w. N.; Jani FS Wandtke, S. 331, 336f.; vgl. OLG Hamm GRUR 2014, 853, 855ff. – Hörbuch-AGB. 1097 Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 384; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 430. 1098 Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 426. 1099 Thönebe Kunstwerke in der Ausstellungs- und Verkaufswerbung und in Museumskatalogen, S. 119ff.; Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 386f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 210; Schricker/Vogel 4. Aufl., § 58 Rn 9; offen gelassen in BGHZ 144, 232, 236 – Parfümflakon; vgl. Eichmann/Kur/G. Schulze Designrecht, 2. Aufl., § 4 Rn 74. 1100 OLG Köln ZUM-RD 2016, 80 – AIDA-Kussmund (nicht rechtskräftig). 1101 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 210; differenzierend Dreier/ G. Schulze 5. Aufl., § 59 Rn 5; vgl. Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 387. 1102 BGHZ 144, 232, 237 – Parfümflakon. 1103 Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 388.
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man die Verwendung als »Nutzung zu Dekorationszwecken« beschreiben kann.1104 Im Designrecht ist diese Problematik bereits bekannt.1105 Daher besteht ein praktisches Bedürfnis an einer »Abbildungsfreiheit« als neuer Urheberrechtsschranke, auch wenn ein solcher Vorschlag den Numerus clausus des Art. 5 Abs. 3 der Infosoc-RL sprengt.1106 In ihrer Struktur könnte sie der Katalogbild- und vor allem der Panoramafreiheit ähneln. Denn die Panoramafreiheit dient dem Zweck, es der Allgemeinheit zu erlauben, ihre Umgebung abzubilden, ohne dafür die Einwilligung einer Vielzahl oft anonymer oder schwer zu ermittelnder Urheber einholen zu müssen. Das gleiche Problem stellt sich hier, betrifft aber einen noch privateren Bereich, nämlich die Ausstattung des täglichen Lebens mit Alltagsgegenständen. Dabei ist zu beachten, dass die hier beschriebenen Nutzungen auch das wirtschaftliche Interesse der Urheber und Inhaber des Vervielfältigungsrechts berühren.1107 Der Eingriff in das Urheberrecht der Schöpfer von Werken der angewandten Kunst ist jedoch als gering zu bewerten, da kaum vorstellbar ist, dass für die oben beschriebenen Nutzungsfälle eine entgeltliche Lizenz eingeholt würde. Anders bei der reinen Kunst ist die Vervielfältigung von Werken der angewandten Kunst im Wege der Abbildung für die betroffenen Designer unwesentlich. Stattdessen droht hier eine neue Form der Urheberrechtsverletzung alltäglich zu werden, die gesetzgeberisch nicht gewollt sein kann. Gleichwohl muss die Ausgestaltung einer solchen Schranke nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die betroffenen Interessen in einen vernünftigen Ausgleich bringen. Dies kann zunächst durch eine Regelung im sechsten Abschnitt des ersten Teils des Urheberrechtsgesetzes geschehen, der zur Anwendung des Änderungsverbots nach § 62 UrhG1108 führt. Weiter ist zu fragen, ob die erfassten Werke eingeschränkt werden können, zum Beispiel durch einen Ausschluss zweidimensionaler Werke der angewandten Kunst. Auf der anderen Seite kann eine solche Schranke sich nicht nur auf »private«, nichtkommerzielle Nutzungen beziehen. Denn eine solche Abgrenzung ist im Einzelfall kaum handhabbar und mit dem Ziel der Regelung nicht vereinbar. Ein Beispiel ist die oben erwähnte Abbildung eines geschützten Werks in der Werbefotografie. Außerdem wäre es bei einer Beschränkung auf nichtkommerzielle Nutzungen unmöglich, private Fotos von Werken der angewandten Kunst in sozialen Medien zu verwenden. Deren kommerzielle Betreiber machen die Fotos nämlich neben den Nutzern öffentlich zugänglich, § 19a UrhG. Daher kann eine
1104 1105 1106 1107 1108
Vgl. Cornels Die Schranken des Designrechts, S. 95; Kur FS Bornkamm, S. 849, 858. BGH GRUR 2011, 1117 – ICE. Vgl. Kur FS Bornkamm, S. 849, 858. Cornels Die Schranken des Designrechts, S. 96. Vgl. Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 387.
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Abbildungsfreiheit de lege ferenda – ebenso wie die Panoramafreiheit – nicht nach dem Zweck der Nutzung unterscheiden. Nach diesen Erwägungen könnte die Normierung einer Abbildungsfreiheit für Werke der angewandten Kunst als neue Schranke im Urheberrechtsgesetz wie folgt lauten: »§ 59a Werke der angewandten Kunst Zulässig ist, dreidimensionale Werke der angewandten Kunst durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.«
VIII.
Schutzfristen
Die lange urheberrechtliche Schutzfrist von 70 Jahren post mortem auctoris in § 64 UrhG ist eines der wichtigsten Argumente gegen eine Ausdehnung des Urheberrechts.1109 Der Bundesgerichtshof führt dieses Argument auch dafür an, dass die Schutzschwelle nach wie vor nicht zu niedrig angesetzt werden darf.1110 Gerade bei Werken, die einem Gebrauchszweck dienen wie solchen der angewandten Kunst, kann die extrem lange Dauer des urheberrechtlichen Schutzes als gesetzgeberische Wertentscheidung verstanden werden, dass nur »ganz außergewöhnliche geistige Schöpfungen« Urheberrechtsschutz genießen sollen.1111 Das Urheberrecht als Ausschließlichkeitsrecht mit seinem weiten Anwendungsbereich führt unter Berücksichtigung der langen Schutzfristen zu einer weitgehenden Monopolisierung kultureller Güter. Gleichzeitig baut der kulturelle Fortschritt, einer Gesellschaft auf einem vom Nutzer vorgefundenden Kulturbestand auf.1112 Das gilt auch in wirtschaftlicher Hinsicht für die Innovationskraft des Wettbewerbs.1113 Die Möglichkeit, fremde Schöpfungen zu nutzen, ist eine Grundbedingung geistigen Schaffens.1114 Gerade bei den Werken der angewandten Kunst zeigen die urheberrechtlichen Schutzfristen also ein schädigendes Potenzial.1115 Daher besteht ein hohes gesellschaftliches und wirtschaftliches Interesse daran, Gestaltungen von Gebrauchsgegenständen mit geringer Individualität den Schutz zu versagen, auch wenn die Systematik des Gesetzes dies erschwert.
1109 1110 1111 1112 1113 1114 1115
Oben S. 73f. BGHZ 199, 52 Tz 40 – Geburtstagszug. Erdmann FS Loschelder, S. 61, 71. RGZ 128, 330, 340 – Graf Zeppelin; Peukert Die Gemeinfreiheit, S. 58. Baumbach/Hefermehl 22. Aufl., (2001), Einl. Rn 163; Ohly GRUR 2007, 731, 735. Ohly GRUR 2007, 731, Fn 85; vgl. Merton On the Shoulders of Giants, S. 37ff. Geier Schutzkumulationen S. 203f.
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158 IX.
Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Ökonomische Auswirkungen
Eine Ausweitung des urheberrechtlichen Schutzes auf Werke der angewandten Kunst mit geringer Individualität hat auch ökonomische Auswirkungen. Aus utilitaristischer Sicht, die dem deutschen Urheberrecht eigentlich fremd ist, setzt eine niedrigere Schutzschwelle potenziell einen erhöhten Schaffensanreiz für Werke von geringer Individualität, soweit für sie ein Markt besteht. Gleichwohl entsteht dadurch ein volkswirtschaftlicher Verlust, weil die Anzahl von Werken sinkt, die von jedermann frei genutzt werden können.1116 Gleichzeitig nimmt auch der Wert individuellerer, bereits vorher schutzfähiger Werke ab, und der Aufwand für die Herstellung neuer Werke aufgrund der erforderlichen Lizenzen für vorbekannte Gestaltungen nimmt zu. Dies führt dazu, dass weniger dieser Werke geschaffen werden, was ebenfalls einen Wohlfahrtsverlust darstellt.1117 Im Verhältnis zwischen Designer und Verwerter geht man davon aus, dass die Rechtsprechungsänderung die Designbranche insgesamt und besonders die Position selbstständiger Designer stärke.1118 Die vertraglichen Grundlagen müssten nun der neuen Rechtslage angepasst werden. Dabei ist wegen der aktuellen Rechtsunsicherheit noch mit einer längeren Übergangsphase zu rechnen. Hervorzuheben ist, dass designintensive Industrien das Urheberrecht nun zur Bekämpfung von Nachahmungen einsetzen können. Zum Beispiel war die Modebranche bisher vom Urheberrecht nahezu unbehelligt, was zur Entwicklung des ergänzenden Leistungsschutzes für Modeerzeugnisse führte.1119 Aber auch andere bisher urheberrechtlich nicht relevante Gestaltungen der angewandten Kunst könnten jetzt vom Urheberrecht erfasst sein.1120 Indes hat sich die Designbranche in der Vergangenheit über das Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst durch vertragliche Regelungen oft hinweggesetzt. Bei gesetzlichen Ansprüchen wie im Verletzungsprozess oder bei einer Nachvergütung wie im »Geburtstagszug«-Fall hilft diese Lösung freilich nicht. Dennoch gab es in der Vergangenheit sogar Branchenverbände, deren Mitglieder sich verpflichteten, fremde Gestaltungen ungeachtet ihrer Schutzfähigkeit für einen gewissen Zeitraum zu respektieren.1121
1116 1117 1118 1119 1120 1121
Bisges Die kleine Münze im Urheberrecht, S. 157f. aaO S. 158f. Sobiech BGH-Urteil zur Schöpfungshöhe. Unten S. 197. Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380; oben S. 55ff. Gerstenberg GRUR 1966, 471, 473.
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Kernprobleme der neuen Rechtslage
X.
159
Steuer-, Gewerbe- und Sozialrecht
Als Objekt wirtschaftlicher Betätigung ist die angewandte Kunst auch Gegenstand des Gewerbe- und Steuerrechts. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG unterliegen die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben, dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent. Es kommt also darauf an, ob die geschaffenen Werke einerseits vom Urheberrecht erfasst werden,1122 andererseits müssen die erzielten Umsätze aus der Nutzungsrechteeinräumung stammen, also nicht etwa aus einem Werkvertrag.1123 Entscheidend ist also die konkrete Vertragsgestaltung. Finanziell ist dieser Punkt für die betroffenen Designer in der Regel unwesentlich, da ihre Auftraggeber vorsteuerabzugsfähig sind. In diesem Bereich sind keine besonderen Auswirkungen der Rechtsprechungsänderung zu erwarten. Urheber von Werken der angewandten Kunst sind jedoch häufig Freiberufler im Sinne von § 18 Abs. 1 EStG und unterfallen damit nicht der Gewerbesteuer. Die Finanzgerichte nehmen hier eine eigene Prüfung der Individualität der geschaffenen Gestaltungen vor,1124 die Finanzbehörden haben eigene Gutachterkommissionen eingerichtet.1125 Eine Absenkung der urheberrechtlichen Schutzschwelle könnte folglich zu einer neuen steuerlichen Einordnung selbstständiger Designer führen. Gewerbe- und sozialversicherungsrechtlich bedeutet eine Einordnung als Künstler die Befreiung von der Kammerpflicht nach § 2 IHKG zugleich aber die Beitragspflicht in der Künstlersozialkasse nach § 1 KSVG.1126
XI.
Urheberpersönlichkeitsrechte
Auch neu dazu gewonnene Urheberpersönlichkeitsrechte für bisher nicht geschützte Gestaltungen könnten den Rechtsanwender vor schwierige Aufgaben stellen.1127 Denn unabhängig von möglicherweise nicht übertragenen Nutzungsrechten1128 geben sie dem Urheber eine starke Rechtsposition, die es im Bereich der angewandten Kunst bisher nicht gab: Die Verwerter gingen bislang
1122 1123 1124 1125 1126
Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 77. Hackenberg Die Anwendung der ermäßigten Mehrwertsteuer, S. 1f. BFHE 121, 410; Hackenberg aaO, S. 1; vgl. BFH NJW 1960, 2359 (zu § 4 Nr. 17 UStG a. F.). Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 78. Maaßen Die Feststellung der Künstlereigenschaft durch die Finanzbehörden; Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 69f. 1127 Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 382; Verweyen/Richter MMR 2015, 156, 158. 1128 Oben S. 152f.
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160
Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
davon aus, die vollkommene Hoheit über die erworbenen Gestaltungen innezuhaben. Unternehmen, die ihr Firmenlogo modernisieren wollen, könnten daran durch das Urheberrecht gehindert werden.1129 Ein solcher Fall ist nach Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank 2009 aufgetreten, als letztere das 1972 von Hans-Jürgen Hampel für erstere gestaltete »Ponto-Auge« in abgewandelter Form als neues Logo einführte. Die grüne Form wurde ohne Einwilligung Hampels gelb eingefärbt und mit einer dreidimensional anmutenden Schattierung versehen.1130 Die Klage des Designers vor dem Landgericht Hamburg scheiterte jedoch bereits 2012,1131 die Berufung endete ohne Urteil. Anders als der Designer, der nach § 10 DesignG nur in der Anmeldung des Entwurfs zu nennen ist, hat der Urheber nach § 13 UrhG ein Recht auf Nennung seines Namens an jedem Werkstück.1132 Hier muss der Verwerter entweder einen ausdrücklichen Verzicht nachweisen oder sich mit einer entsprechenden stillschweigenden Einigung auf der Grundlage der fehlenden Branchenüblichkeit der Namensnennung behelfen.1133
XII.
Missbrauch des Urheberrechts
Ein ausgedehnter Schutz angewandter Kunst bietet den Urhebern die Möglichkeit, andere Interessen mit den Mitteln des Urheberrechts durchzusetzen. Dies liegt daran, dass der Anwendungsbereich des Urheberrechts sachlich nicht beschränkt ist. Anders als etwa im Markenrecht (§ 14 Abs. 2 MarkenG) kommt es bei Verletzungshandlungen nicht auf deren privaten oder geschäftlichen Zweck an.1134 Mit anderen Interessen sind Ziele gemeint, die außerhab des eigentlichen Zwecks des Urheberrechts liegen, die Beziehung des Urhebers zu seinem Werk zu schützen (§ 11 UrhG). Paradebeispiel ist die »Depublikation« eines nicht geheimen, von einer staatlichen Stelle außerhalb des Anwendungsbereichs von § 5 UrhG verfassten Werks aus politischen Gründen mittels des urheberrechtlichen Unterlassungsanspruches.1135 1129 Handig IIC 2009, 665, 678 (zum fiktiven Beispiel von Raymond Loewys Jakobsmuschel für die Royal Dutch Shell). 1130 BDG Berufsverband der Kommunikationsdesigner Ähnlichkeiten mit lebenden Logos sind rein zufällig. 1131 LG Hamburg, Urt. v. 24. 4. 2012 – 310 O 100/11 – Ponto-Auge. 1132 Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 382. 1133 aaO 382f.; vgl. BGHZ 126, 245, 249f. – Namensnennungsrecht des Architekten. 1134 Unten S. 191. 1135 Raue JZ 2013, 280, 282.
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Kernprobleme der neuen Rechtslage
161
Auch für den Bereich der angewandten Kunst und außerhalb des öffentlichen Sektors sind solche Fälle denkbar. Wenn das Urheberrecht durch eine Absenkung der Schutzschwelle künftig zum Beispiel auch Firmenlogos erfassen sollte, könnten Unternehmen womöglich bei einer unliebsamen Berichterstattung eine Verwendung des Logos mit negativer Konnotation unterbinden. Wegen ihrer besonderen Voraussetzungen kann die Schranke des § 50 UrhG dieses Problem nur zum Teil beheben. Ein anderes Beispiel ist das Geheimhaltungsinteresse von Autoherstellern, die neue Modelle vor der offiziellen Präsentation unbeachtet in der Öffentlichkeit testen möchten, ohne ihre Gestaltung dem Fachpublikum und insbesondere der Konkurrenz preiszugeben. Bislang werden diese »Erlkönige« durch eine besonders Beklebung der Karosserie getarnt, um verfrühte Presseberichte und Industriespionage zu erschweren. Im Fall eines urheberrechtlichen Schutzes bedürfte es solcher Bemühungen zumindest theoretisch nicht mehr, da eine Erschöpfung des Urheberrechts vor der Markteinführung nicht in Betracht kommt. Man mag dies einerseits als legitime Rechtsausübung ansehen, zumal das Urheberrecht auch zu Zwecken der Geheimhaltung und des Reputationsschutzes allein in seiner negativen Ausschließungsfunktion genutzt werden kann.1136 Andererseits entfernen sich diese Fälle dermaßen vom Kernbereich des Urheberrechts, dass eine Ausweitung des urheberrechtlichen Schutzes als Zweckentfremdung erscheint. Hier wird sogar vom »Virus Gestaltungshöhe« gesprochen.1137 Ein krasses Beispiel eines Missbrauchs des Urheberrechts ist das Phänomen der Urheberrechts-Trolle in den Vereinigten Staaten. Dort ist eine Reihe von Fällen bekannt, in denen Unternehmen, unter anderem professionelle Sportmannschaften, eine neue Version ihrer Logos einführten. Dem folgten Verletzungsklagen von Designern, die zuvor – unaufgefordert! – reihenweise Entwürfe für solche Neugestaltungen an die Unternehmen gesandt hatten. Die Übereinstimmung mag zufällig gewesen sein, doch mit dem Beweis des Zugangs der Entwürfe war dem Vortrag der Beklagten der Boden entzogen, es handele sich um Doppelschöpfungen.1138
1136 Vgl. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 6, 364, 380. 1137 Peifer Individualität im Zivilrecht, S. 84; vgl. Kur FS Schricker (1995), S. 503, 538. 1138 Vgl. Bouchat v. Baltimore Ravens, 241 F.3d 350 (4th Cir. 2013); Grubb v. KMS Patriots, 901 F. Supp. 36 (D. Mass. 1995); Fleurimond v. N.Y. Univ., 876 F.Supp.2d 190 (E.D.N.Y. 2012).
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162 XIII.
Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Zusammenfassung
Die Kernprobleme der neuen Rechtslage liegen besonders in drei Punkten: Erstens führen eine Absenkung der urheberrechtlichen Schutzschwelle für die angewandte Kunst und der damit verbundene Schutz von Werken mit geringer Individualität zu einer sehr weitgehenden und langfristigen Monopolisierung von Gestaltungen, an denen die Designwirtschaft ein besonders hohes Freihaltebedürfnis hat. Es besteht eine große Gefahr eines Missbrauchs des Urheberrechts. Da auch ein geringer Schutzumfang und der Erschöpfungsgrundsatz keine Vervielfältigung ohne Einwilligung des Urhebers ermöglichen, ist zweitens eine Abbildungsfreiheit als neue urheberrechtliche Schranke für diese Werke zu fordern. Vorbild könnte die Panoramafreiheit sein. Drittens ist die Abgrenzung der künstlerischen Anteile einer Gestaltung vom Gebrauchszweck vor Allem bei Werken mit einem hohen Abstraktionsgrad und in der Gebrauchsgrafik äußerst schwierig. Es ist davon auszugehen, dass bei einer Absenkung der urheberrechtlichen Schutzschwelle und der hohen Zahl von Altfällen nachträglich ein rechtsverletzender Zustand eingetreten ist, der nur selten durch die Figur der Doppelschöpfung aufgelöst werden kann.
C.
Rechtsvergleichende Analyse
Angesichts der internationalen Entwicklung und der völkerrechtlichen Einbindung des deutschen Urheberrechts ist eine rechtsvergleichende Analyse unabdingbar. Aber auch grundsätzlich können die Erkenntnisse der Rechtsvergleichung über die Wirkungsweise von Rechtsnormen und -instituten aus dem weltweiten »Vorrat an Lösungen« wichtige Anhaltspunkte zur Bewertung des eigenen Rechts geben.1139 Werkbegriff und Schöpfungshöhe sind im Urheberrecht aller Staaten zentrale Elemente der urheberrechtlichen Debatte.1140 Doch hat ist der Schutz eines Werks der angewandten Kunst im Ausland keine unmittelbare Auswirkung auf die Beurteilung nach deutschem Recht.1141 Methodisch ist eine funktionale Analyse vorzunehmen, um eine vergleichbare Ausgangssituation zu bestimmen, denn nur »diese Parallelität der Problemstellung erlaubt es, für die Frage nach der funktionellen Adäquanz einer rechtlichen Regelung die in anderen Ländern getroffenen Regelungen unmit1139 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 6. 1140 Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 143. 1141 BGH GRUR 1998, 830, 832 – Les-Paul-Gitarren.
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Rechtsvergleichende Analyse
163
telbar heranzuziehen«.1142 Rechtshistorische Darstellungen sollen in diesem Abschnitt auf das notwendige Maß beschränkt werden ebenso wie Ausführungen zum allgemeinen Werkbegriff.1143
I.
Länderberichte
Die Länderberichte sollen schlaglichtartig die beiden folgenden Fragen beantworten:1144 Inwieweit sind Werke der angewandten Kunst vom Urheberrecht der verschiedenen Rechtsordnungen erfasst? Und welche inhaltlichen Voraussetzungen müssen solche Werke erfüllen, um urheberrechtlichen Schutz zu erlangen? Der Begriff der angewandten Kunst ist dabei entsprechend der Definition im deutschen Recht funktional zu verstehen als künstlerische Gestaltung mit einem Gebrauchszweck. Ausgewählt wurden Vertreter der beiden urheberrechtlichen Rechtskreise des Droit d’auteur und des Copyright.1145 Deren Heimatländer sind Frankreich beziehungsweise das Vereinigte Königreich, weitere wesentliche Vertreter sind Deutschland beziehungsweise die Vereinigten Staaten. Damit sind gleichzeitig zwei Vertreter der beiden Strömungen innerhalb des Droit d’auteur aufgenommen, nämlich die monistische Konzeption in Deutschland und die dualistische in Frankreich.1146 Das Schweizer Urheberrecht hat sowohl das deutsche als auch das französische Recht kritisch rezipiert. Das italienische Recht wurde aufgenommen, weil es wie Deutschland in der Vergangenheit beim Schutz der angewandten Kunst einen Sonderweg beschritten hat. Ausgangspunkt soll, wegen seiner besonders großen Nähe zum deutschen, das österreichische Recht sein. 1.
Österreich
In Österreich schützt das Urheberrechtsgesetz von 1936 (UrhG)1147 nach § 1 Abs. 1 »Werke der bildenden Künste« als »eigentümliche geistige Schöpfungen«, zu denen nach § 3 Abs. 1 die »Werke des Kunstgewerbes« zählen, die seit 1996 als »Werke der angewandten Kunst (des Kunstgewerbes)« bezeichnet werden. Werke der angewandten Kunst zeichnen sich im österreichischen Recht da1142 1143 1144 1145 1146 1147
Rheinstein Einführung in die Rechtsvergleichung, 2. Aufl., S. 26. Weiter Levin GRUR Int. 1985, 713. Vgl. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 1f. Vgl. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 25ff. Vgl. aaO Rn 343ff. Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte, BGBl. Nr. 111/1936.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
durch aus, dass sie neben ihrem ästhetischen Wert auch einen Gebrauchswert haben,1148 der neben dem ästhetischen Gehalt »stark in den Vordergrund tritt«.1149 Der Gebrauchszweck Bestimmung des Werks ist für die Frage des urheberrechtlichen Schutzes »bedeutungslos«1150, das heißt, er schließt einen urheberrechtlichen Schutz nicht aus.1151 Urheberrecht und Geschmacksmusterschutz können in Österreich parallel erworben werden.1152 Werke der angewandten Kunst entstammen dem »Gesamtgebiet des Graphic Design und der Produktgestaltung«.1153 Dies umfasst Möbel und andere Einrichtungsgegenstände (»Glasfenster, Lampen, Sitzgelegenheiten«1154), Gebrauchsgrafiken, »aber auch Werke der Schmiedekunst, Juwelen, Porzellan«1155, Textilgestaltungen und Modeschöpfungen, Werbegrafik (»Prospekte, Anzeigen, Logos, Corporate Identity«1156), Schriftzeichen, Banknoten und Briefmarken. Zur Gebrauchsgrafik kann auch das Layout einer Website gehören.1157 Relevant für den österreichischen Werkbegriff ist besonders das Tatbestandsmerkmal der Eigentümlichkeit aus § 1 Abs. 1 UrhG.1158 Danach muss die Schöpfung den Stempel der Persönlichkeit des Urhebers tragen.1159 Die Schutzfähigkeit eines Werks ist eine Rechtsfrage, zu deren Entscheidung kein persönliches Kunstverständnis erforderlich ist.1160 Die Rechtsprechung hat den Begriff der Eigentümlichkeit dahin gehend erläutert, dass nur eine individuell eigenartige Leistung geschützt ist, »die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt« und zu einem individuellen und originellen Ergebnis geführt hat.1161 Der österreichische Maßstab der Eigentümlichkeit ist damit mit dem der Individualität im deutschen Recht vergleichbar.1162 Deutlicher jedoch als in der 1148 Kucsko/Tonninger urheber.recht, S. 137. 1149 Möhring/Schulze/E. Ulmer/Zweigert/Aicher/Dellinger/Kadlec Quellen des Urheberrechts, Österreich, S. 17. 1150 OGH ÖBl 1985, 24 = GRUR Int. 1985, 684 – Mart Stam-Stuhl I; Kucsko/Tonninger urheber.recht, S. 137. 1151 Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 194. 1152 OGH ÖBl 1985, 24 = GRUR Int. 1985, 684 – Mart Stam-Stuhl I; OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt; Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 198 (umstritten). 1153 Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 195. 1154 aaO. 1155 Kucsko/Tonninger urheber.recht, S. 137. 1156 Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 195; vgl. Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 172. 1157 OGH ÖBl 2001, 276, 277 – Telering; Kucsko/Tonninger urheber.recht, S. 138. 1158 Kucsko urheber.recht, S. 89. 1159 Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 120. 1160 OGH ÖBl 1954, 18 – Kindercreme. 1161 OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt; Kucsko urheber.recht, S. 89f.; Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 121; OGH ÖBl 1954, 18 – Kindercreme. 1162 OGH MR 2003, 162 – Felsritzbild; Kucsko urheber.recht, S. 90.
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Rechtsvergleichende Analyse
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zweistufigen Prüfung des deutschen Urheberrechts wird die Eigentümlichkeit, in deren Zusammenhang auch die Begriffe Originalität1163 und Individualität1164 verwendet werden, durch das Abweichen von üblichen Gestaltungen bestimmt. Man spricht insofern von der Unterscheidbarkeit:1165 Eine Darstellung ist dann als Werk schutzfähig, wenn sie entweder einen neuen Gedanken enthält oder sich durch eine originelle Ausgestaltung auszeichnet.1166 In Österreich spricht man von einem einheitlichen, von Werkkategorien unabhängigen Werkbegriff.1167 Eine besondere »Werkhöhe«, die unter Hinweis auf das deutsche Recht1168 bis Ende der 1980er Jahre für alle Werke der bildenden Kunst nach § 3 öUrhG gefordert wurde,1169 hat der Oberste Gerichtshof aufgegeben.1170 Früher wurde auch im Hinblick auf die Möglichkeit des Geschmacksmusterschutzes ein strengerer Maßstab angelegt,1171 obwohl ein Musterschutz für Gebrauchsgrafiken bis zur Reform des österreichischen Geschmacksmustergesetzes 1990 nicht möglich war.1172 Im Vergleich wurde so in Österreich sogar »eine höhere Gestaltungshöhe als in Deutschland vertreten«.1173 Seit 2001 begründet der Oberste Gerichtshof die niedrigere Schutzschwelle mit dem Bestehen eines europäischen Werkbegriffs, wobei er vom Erfordernis der eigenen geistigen Schöpfung bei Lichtbildwerken aus der SchutzdauerRichtlinie ausging1174 und dies unter ausdrücklichem Bezug auf die deutsche Lehre auf alle Werkarten ausweitete.1175 Leitentscheidungen für die Werkhöhe auf dem Gebiet der angewandten Kunst
1163 1164 1165 1166 1167 1168 1169 1170
1171 1172 1173 1174 1175
OGH ÖBl 1954, 18 – Kindercreme; Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 109. OGH ÖBl 1996, 56 – Pfeilgraphik. Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 121. OGH ÖBl 1996, 56 – Pfeilgraphik; Kucsko/Tonninger urheber.recht, S. 138. OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt; Kucsko urheber.recht, S. 91; Dittrich § 1 Rn E 30. Vgl. OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt, mit Hinweis auf RGZ 76, 344 – Schulfraktur. OGH ÖBl 1954, 18 – Kindercreme; OGH ÖBl 1962, 77 = GRUR Int. 1963, 215, 216 – PeterIgelpuppen; Dittrich § 1 Rn E 31, E 49. OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt; Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 114, 119, 121; Kucsko urheber.recht, S. 91; Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 188; Möhring/Schulze/E. Ulmer/Zweigert/Aicher/Dellinger/Kadlec Quellen des Urheberrechts, Österreich, S. 54. OGH ÖBl 1985, 24 = GRUR Int. 1985, 684 – Mart Stam-Stuhl I; Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 114. Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 115; vgl. OGH ÖBl. 1992, 81 – BundesheerFormblatt. Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 177, 186f. OGH ZUM-RD 2002, 281 – Eurobike. OGH MR 2003, 162 – Felsritzbild; OGH MR 2007, 263 – Securo.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
betrafen einen Limonadenkrug,1176 eine Hautcreme-Verpackung1177 und ein Kunstplakat. Letzteres zeigte eine surrealistische Fotomontage, die den Anforderungen an eine Gestalt gewordene Idee, »die den Stempel der persönlichen Eigenart des Schöpfers trägt oder sich zumindest durch eine persönliche Note von anderen Erzeugnissen ähnlicher Art abhebt«, nicht genügte.1178 Aufgegeben hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsprechung in einem Urteil über einen Verwaltungsvordruck.1179 Die Folgen der Abkehr vom Erfordernis einer besonderen Werkhöhe illustrieren zwei aus deutscher Sicht bemerkenswerte Urteile des Obersten Gerichtshofs zu Firmenlogos. Einem »Firmenlogogramm« für eine Spedition, bestehend aus dem Schriftzug »Bauer« in einer roten Versalschrift auf einem grauen Pfeil mit einer »einem Kometenschweif ähnlichen Gestaltung des Pfeilschaftes« und »Striche[n] an der Rückseite der Pfeilspitze« wurde urheberrechtlicher Schutz zugesprochen.1180 Ebenso wurde ein denkbar einfaches, aus zwei Schriftarten bestehendes Logo für eine Fitnessstudiokette (»Zimmermann« in einer blauen Handschrift, darunter »Fitness« in einer schwarzen serifenlosen Versalschrift zwischen zwei Mittelpunkten) ohne weitere Begründung für schutzfähig erachtet.1181 Wenige Jahre zuvor war dem »Unternehmenskennzeichen« einer Taxizentrale aus zwei stilisierten, mit einer waagerechten Linie verbundenen Flügeln der urheberrechtliche Schutz noch abgesprochen worden, weil es keinen neuen Gedanken verkörpere, sondern eine alltägliche Darstellung des Hermes-Symbols sei.1182 Ebenso erging es dem Schriftzug »Zaunbau Securo« aus Blockbuchstaben mit einem großen geschwungenen S.1183 Gleichwohl besteht weiterhin eine Schutzuntergrenze hinsichtlich eines Mindestmaßes an Eigentümlichkeit.1184 Dieser wird Gestaltungshöhe genannt.1185 Wie im deutschen Recht richtet sich der Schutzumfang des Urheberrechts nach dem Grad der Eigentümlichkeit.1186 Werke an der unteren Grenze der Schutzfähigkeit werden auch in Österreich als »kleine Münze« bezeichnet.1187 Für den Bereich der angewandten Kunst wird das Erfordernis einer bestimmten 1176 1177 1178 1179 1180 1181 1182 1183 1184 1185 1186 1187
OGH Urt. v. 24. 11. 1954–3 Ob 753/54 – Limonadenkrug. OGH ÖBl 1954, 18 – Kindercreme. OGH ÖBl 1967, 117 = UFITA 52 (1969), 336 – Leherb-Emblem. OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt. OGH ÖBl 1996, 56 – Pfeilgraphik. OGH ÖBl 2000, 130 – Zimmermann Fitness; OGH ÖBl 1990, 136 – Happy Skiing. OGH ÖBl 1993, 132 – Hermes-Symbol. OGH MR 2007, 263 – Securo. Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 109; Kucsko urheber.recht, S. 91. Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 196. Kucsko urheber.recht, S. 91f. aaO S. 92.
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Gestaltungshöhe weiterhin an der Notwendigkeit der Abgrenzung vom Geschmacksmusterrecht festgemacht.1188 Mit dem Problem, dass insbesondere die moderne angewandte Kunst »bewußt auf alle nicht funktionell bedingten Gestaltungselemente verzichtet« und ihr damit »im ästhetischen Bereich zwangsläufig nur geringere Gestaltungsmöglichkeiten als anderen Kunstrichtungen offen« stehen, geht die österreichische Rechtsprechung bemerkenswert pragmatisch um: »Je weniger Gestaltungsmöglichkeiten […] zur Verfügung stehen, desto weniger geht von der Individualität des Schöpfers in das Werk ein; desto schwächer ist sein Schutz.«1189 2.
Schweiz
Das Schweizer Urheberrechtgesetz von 1992 (URG)1190 kennt die angewandte Kunst als von der bildenden Kunst getrennte, eigene Werkart, Art. 2 S. 2 lit. f. Geschützt sind nach Art. 2 S. 1 »geistige Schöpfungen«»mit individuellem Charakter«, »unabhängig von ihrem Wert oder Zweck«. Die Novelle ersetzte das Urheberrechtsgesetz von 1922, dem sich eine nähere Bestimmung des Werkbegriffs nur indirekt entnehmen ließ.1191 Nach der Botschaft des Bundesrates schreibt die neue Legaldefinition des Werkbegriffs hinsichtlich der Individualität die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Kriterien fest. Das Werk müsse »nicht die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegeln. Der individuelle Charakter, diejenigen Merkmale also, die eine Schöpfung von anderen bestehenden oder möglichen Schöpfungen abheben, sind ausschließlich im Werk selbst zu suchen«.1192 Daher wird von einem objektiven Verständnis der Individualität ausgegangen.1193 Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit am Maßstab der Individualität oder Originalität sind »technisch und ökonomisch« vorgegebene Gestaltungselemente auszuschließen.1194 Damit ist immer noch schutzlos, was ein anderer Gestalter mit durchschnittlichen Fähigkeiten ebenso gelöst hätte.1195 Auch vorbekannte Formen schaden der Originalität.1196 Das Maß an Individualität hängt daher vom gestalterischen Spielraum ab.1197 1188 Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 196. 1189 OGH ÖBl 1985, 24 = GRUR Int. 1985, 684 – Mart Stam-Stuhl I. 1190 Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9. 10. 1992, BBl. 1992 VI, S. 74. 1191 Schneidinger Der Leistungsschutz, S. 7ff.; vgl. Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 145. 1192 BBl. 1989 III, S. 477, 521. 1193 K. Müller/Oertli/Cherpillod 2. Aufl., Art. 2 Rn 18, 21. 1194 Fehlbaum sic! 2015, 74, 81f. 1195 K. Müller/Oertli/Cherpillod 2. Aufl., Art. 2 Rn 20. 1196 Fehlbaum sic! 2015, 74, 79.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Das neue Designgesetz von 20011198 schützt nach Art. 2 neue und eigenartige Gestaltungen. Maßstab ist hier nicht der Durchschnittsgestalter, sondern der aufmerksame Marktteilnehmer.1199 Kumulativer Schutz durch Urheber- und Designrecht ist möglich.1200 Bei der Abgrenzung der angewandten Kunst vom Design stellt die Rechtsprechung bewusst auf urheberrechtliche Kriterien ab: Maßstab sei »nicht die vielleicht neuartige und ästhetisch ansprechende, aber lediglich auf manueller Geschicklichkeit beruhende Gestaltung eines Gegenstandes, sondern die Offenbarung eines schöpferischen Gedankens in der Formgebung«.1201 Damit bestimmt sich die Schutzfähigkeit eines Werks der angewandten Kunst über die Originalität.1202 Dazu muss die Gestaltung den »Stempel« einer eigenen »persönlichen Idee« tragen.1203 Werke der angewandten Kunst werden ebenfalls über ihren »materiellen Gebrauchswert« definiert.1204 Sie müssen dabei einen höheren Grad an Individualität oder Originalität und eigenpersönlicher Prägung aufweisen, als zum Erreichen des unterhalb des URG angesiedelten Designschutzes notwendig ist. Das steht in gewisser Weise im Widerspruch zur Vorgabe des Gesetzes und der Rechtsprechung, dass ästhetische Kriterien grundsätzlich unbeachtlich sind, Art. 2 S. 1 URG.1205 Die neuere Rechtsprechung stellt daher besonders deutlich auf den Gestaltungsspielraum ab.1206 Während die frühe Rechtsprechung noch nicht nach der Werkart unterschied,1207 stellt das Schweizer Recht heute hohe Anforderungen an den Urheberrechtsschutz für Produktgestaltungen.1208 In seinem Grundsatzurteil von 1949 verwies das Bundesgericht ausdrücklich auf die Nähe zum deutschen Recht und das »Schulfraktur«-Urteil.1209 Die Schutzschwelle liegt damit höher als bei Werken der reinen Kunst.1210 Unternehmenslogos1211 und Piktogramme werden zum Beispiel als gerade noch schutzfähig angesehen, der Schutz von Schriften ist
1197 1198 1199 1200 1201 1202 1203 1204 1205 1206 1207 1208 1209 1210 1211
K. Müller/Oertli/Cherpillod 2. Aufl., Art. 2 Rn 19; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 180. Bundesgesetz über den Schutz von Design vom 5. 10. 2001, BBl. 2001, S. 5745. Fehlbaum sic! 2015, 74, 80; Eichmann/Kur Designrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 31. Heinrich DesG, 1. Aufl., Einl. Rn 0.58; zum alten Recht BGE 68 II 53 (1942); BGE 75 II 355 (1949). BGE 75 II 355, 360 (1949). BGE 68 II 53, 61 (1942). BGE 76 II 97, 100 (1950); vgl. Hilty Urheberrecht, Rn 91. Barrelet/Egloff 3. Aufl., Art. 2 Rn 18; vgl. Hilty Urheberrecht, Rn 108. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 182. K. Müller/Oertli/Cherpillod 2. Aufl., Art. 2 Rn 56. BGE 57 I 62 (1931). Ritscher/Schramm sic! 2015, 303, 306; Hilty Urheberrecht, Rn 109. BGE 75 II 355, 362 (1949). Fehlbaum sic! 2015, 74, 81; Hilty Urheberrecht, Rn 109. BGer sic! 1999, 403.
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umstritten.1212 Einem Uhrenmodell wurde der Schutz unter Hinweis auf vorbekannte Formen vom Bundesgericht verweigert,1213 ebenso dem Kopf einer Kasperle-Figur1214 und einer Harlekin-Puppe.1215 Schutz gewährt wurde dagegen, unter besonderem Hinweis auf ihre Zeitlosigkeit, einer Gruppe von Le CorbusierMöbeln.1216 Im Ergebnis ist die Rechtslage in der Schweiz mit der deutschen fast identisch,1217 obwohl die Begrifflichkeit näher am französischen Recht liegt.1218 Die Tendenz geht jedoch dahin, die Schutzanforderungen etwas abzusenken.1219 In der Literatur findet sich zum hier untersuchten Fall die Aussage, weder Angelspiel noch Geburtstagszug oder Geburtstagskarawane wären in der Schweiz urheberrechtlich schutzfähig, jedoch käme für die beiden letztgenannten ein Schutz nach dem Schweizer Designrecht in Betracht.1220 Die Lehre in der Romandie kritisiert daher auch die Uneinheitlichkeit der Schutzschwelle am Beispiel der hohen Anforderungen bei Werken der angewandten Kunst und der Fotografie.1221 Es gebe keine unterschiedlichen Begriffe, kein »unterschiedliches Maß« an Originalität.1222 3.
Frankreich
Das französische Urheberrechtsgesetz von 1957,1223 1992 im Gesetzbuch über das geistige Eigentum (CPI)1224 kodifiziert,1225 schützt »Geisteswerke« (»œuvres de l’esprit«). Sein Aufbau gleicht den bisher besprochenen Gesetzen des deutschen Rechtskreises. Es fällt jedoch durch seine sehr viel ausführlicheren allgemeinen Bestimmungen auf.1226 Dies entspricht der französischen Tradition, sich um eine verständliche Gesetzgebung zu bemühen.1227 Bemerkenswert ist besonders der 1212 1213 1214 1215 1216 1217 1218 1219 1220 1221 1222 1223 1224 1225 1226 1227
K. Müller/Oertli/Cherpillod 2. Aufl., Art. 2 Rn 57. BGE 105 II 297 (1979). BGE 106 II 71 (1980). BGE 110 IV 102 (1984). BGE 113 II 190, 200 (1987). Knöbl Die »kleine Münze«, S. 304. Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 381. K. Müller/Oertli/Cherpillod 2. Aufl., Art. 2 Rn 57; Hilty Urheberrecht, Rn 109. Fehlbaum sic! 2015, 74, 82f. Dessemontet La propri8t8 intellectuelle, 2. Aufl., Rn 33; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 180. Dessemontet La propri8t8 intellectuelle, 2. Aufl., Rn 34. Gesetz Nr. 57–298 vom 11. 3. 1957 über das literarische und künstlerische Eigentum, JO 1957, S. 2723. Gesetz Nr. 92–597 vom 1. 7. 1992 über das Gesetzbuch über das geistige Eigentum, JO 1992, S. 8801. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 189ff.; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 42; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 25. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 24. Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 11.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
lange, jedoch nicht abschließende Werkkatalog in Art. L. 112–2 CPI.1228 Wie im Schweizer Recht bilden die Werke der angewandten Kunst (»œuvres des arts appliqu8s«)eine eigene Werkart und keine Unterkategorie der bildenden Kunst,1229 werden aber gleichwohl in Abgrenzung zu dieser (»art pur«) verstanden.1230 Die Werke der angewandten Kunst im Sinne des deutschen Rechts finden sich aber auch in den Kategorien der grafischen und typografischen Werke und der Illustrationen wieder. Daneben erfasst seit 1952 der heutige Art. L. 112–2 Nr. 14 CPI in einer langen Aufzählung gesondert »Schöpfungen der Bekleidungs- und Putzwarensaisonindustrie«. Beispielhaft werden dort alte Gewerke, wie die Kürschnerei, die Hutmacherei und die Handschuhmacherei, genannt. Ihre Gestaltungen gelten ebenfalls als Werke der angewandten Kunst und waren früher spezialgesetzlich geschützt.1231 Begründet wird dies mit dem hohen Aufwand für die Eintragung eines Geschmacksmusters für Saisonwaren. Eine nähere gesetzliche Bestimmung des Werkbegriffs selbst fehlt jedoch.1232 Einzig die Voraussetzung einer originalen Formgebung kann aus dem Gesetz abgeleitet werden, da sie im Zusammenhang mit dem Titelschutz erwähnt wird, Art. L. 112–4 CPI.1233 Deshalb stellen Rechtsprechung und Lehre das ungeschriebene und nicht genau bestimmte Merkmal der Originalität auf,1234 Einen weiteren Hinweis gibt Art. L. 113–7 CPI, wonach Urheber ist, wer die geistige Schöpfung ausführt.1235 Desbois, auf dessen Lehrbuch von 19501236 der Begriff der Originalität in der französischen Doktrin zurückgeht,1237 begrüßte die enumerative Lösung und das 1228 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 75; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 43f. 1229 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 44. 1230 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 75; Vivant/BruguiHre Droit d’auteur, 3. Aufl., Rn 121; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 51. 1231 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 45; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 23f., 44ff. 1232 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 104; Vivant/BruguiHre Droit d’auteur, 3. Aufl., Rn 257; König Der Werkbegriff in Europa, S. 178; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 191, 195; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 45; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 46. 1233 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 104; König Der Werkbegriff in Europa, S. 182; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 47f. 1234 König Der Werkbegriff in Europa, S. 182; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 45. 1235 König Der Werkbegriff in Europa, S. 178. 1236 Desbois Le droit d’auteur en France, 1. Aufl., S. 16, 23. 1237 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 105; Vivant/BruguiHre Droit d’auteur, 3. Aufl., Rn 260; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 196.
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Fehlen einer Definition der Originalität.1238 Diese wird als der Ausdruck der Persönlichkeit des Urhebers verstanden.1239 Schutzwürdig ist ein Werk, wenn es originell, also geistig eigenständig und Ausdruck der Persönlichkeit des Autors ist.1240 Ein Maß der Originalität ist in Frankreich unbekannt, weil subjektive Werturteile des Richters über das Werk nach Art. L. 112–1 CPI verboten sind.1241 Andererseits bestimmt die Originalität den Schutzumfang.1242 Häufig wird die Originalität im Prozess vermutet.1243 Die Werke der angewandten Kunst werden in der erwähnten Aufzählung gesetzlich nicht näher definiert. Die Lehre versteht sie als »Geisteswerke mit Gebrauchszweck oder kommerziellem Zweck«.1244 Zu ihnen zählen kunstgewerbliche Gegenstände jeder Art, Gegenstände der industriellen Formgebung, Gebrauchsgrafik, Möbel, Schmuck und dergleichen.1245 Für den Schutz von Werken der angewandten Kunst ist der Grundsatz der Einheit der Kunst (»unit8 de l’art«) aus Art. L. 112–1 CPI maßgeblich: Im französischen Recht besteht in rechtlicher Hinsicht kein Unterschied zwischen »reiner« und angewandter Kunst.1246 Die Ästhetik und das künstlerische Niveau sind für die Schutzfähigkeit danach ohne Belang.1247 Es kommt nur darauf an, ob das Werk Ausdruck der Persönlichkeit des Schöpfers ist.1248 Vor diesem Hintergrund ist die ausdrückliche Nennung der angewandten Kunst im Werkkatalog des Art. L. 112–2 CPI eigentlich redundant, da das französische Recht nur einen einheitlichen Kunstbegriff kennt.1249 Selbst Urheber- und Geschmacksmusterschutz weisen deshalb einen identischen Schutzbereich auf und sind parallel anwendbar, vgl. Art. L. 511–1 CPI a. F.1250 Dieses 1238 Desbois UFITA 20 (1955), 1, 7; vgl. Vivant/BruguiHre Droit d’auteur, 3. Aufl., Rn 261. 1239 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 109; Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 378; König Der Werkbegriff in Europa, S. 184. 1240 Vivant/BruguiHre Droit d’auteur, 3. Aufl., Rn 264; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 195; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 48. 1241 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 68f.; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 47; a. A. Cour de Paris GRUR Ausl. 1959, 213. 1242 König Der Werkbegriff in Europa, S. 190. 1243 aaO S. 189. 1244 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 51; Vivant/BruguiHre Droit d’auteur, 3. Aufl., Rn 187. 1245 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 52. 1246 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 90f.; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 192. 1247 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 192; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 45; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 46. 1248 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 43, 46. 1249 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 75; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 43. 1250 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 26, 29ff.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
vollständige Nebeneinander wird als absolute Schutzkumulierung (»cumul absolu«) bezeichnet. Was durch das Geschmacksmusterrecht geschützt ist, wird auch vom Urheberrecht erfasst und umgekehrt.1251 In der Folge stellt sich die Frage, ob der urheberrechtliche Begriff der Originalität mit dem der geschmacksmusterrechtlichen Neuheit gleichzusetzen ist.1252 Insbesondere die Rechtsprechung hat die beiden Konzepte verschmolzen und schlägt bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität bisweilen die Abkürzung über die geschmacksmusterrechtliche Neuheit ein.1253 Die 2001 neu geschaffene Legaldefinition der Neuheit hat diese Entwicklung möglicherweise aufgehalten.1254 Das Geschmacksmuster wird dadurch praktisch nahezu obsolet.1255 Im Ergebnis ist die Schutzschwelle bei Werken der angewandten Kunst niedrig.1256 Die Rechtsprechung verweigert urheberrechtlichen Schutz nur, wenn aufgrund der funktionellen Notwendigkeiten kein gestalterische Spielraum für eine originelle Formgebung besteht. Es reicht jedoch aus, wenn bereits bekannte Elemente in einer persönlichen Form neu kombiniert werden. Dieser äußerst weitgehende urheberrechtliche Schutz der angewandten Kunst im französischen Recht ist nicht ohne Kritik geblieben.1257 Für funktionale Werke wird die klassische Definition der Originalität in Frage gestellt und eine andere Auslegung hin zu einer eigenständigen schöpferischen Leistung mit nur einem Minimum an Kreativität vorgeschlagen.1258 Gleichwohl wird eine Ausweitung des Schutzes für Werke der »petite monnaie« durch ein sui-generis-Recht diskutiert.1259 Eine Ausnahme stellte bis zur Umsetzung der Geschmacksmuster-RL1260 der Bereich des Industriedesigns dar, weil hier die Patentfähigkeit den urheberrechtlichen Schutz ausschloss, Art. L. 511–3(2) CPI a. F.,1261 wenn keine Trennbarkeit (»s8parabilit8«) der technischen und künstlerischen Gestaltung be-
1251 aaO S. 31. 1252 aaO S. 32f., 49, 53ff.; Vivant/BruguiHre Droit d’auteur, 3. Aufl., Rn 261. 1253 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 115; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 203; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 46; König Der Werkbegriff in Europa, S. 213. 1254 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 115. 1255 Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 828. 1256 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 53ff., 70f.; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 202f. 1257 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 35ff. 1258 König Der Werkbegriff in Europa, S. 187. 1259 Vgl. Knöbl UFITA 2002-I, 49ff. m. w. N. 1260 Lucas/Lucas/Lucas-Schloetter Trait8 de la propri8t8 litt8raire et artistique, 4. Aufl., Rn 101. 1261 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 47f.; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 39ff., 63f.
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stand.1262 Schutzunfähig ist heute nur noch, was ausschließlich von der technischen Funktion bestimmt ist, Art. L. 511–8 Nr. 1 CPI n. F.1263
4.
Italien
Das italienische Urheberrecht ist in Art. 2575ff. des Zivilgesetzbuchs von 1942 und im Urheberrechtsgesetz (LDA)1264 geregelt. Auch Italien kennt beim Werkbegriff ausgehend von der gesetzlichen Bestimmung der »Geisteswerke schöpferischen Charakters« in Art. 1 LDA die ungeschriebene Voraussetzung der Originalität, die beschreibt, inwiefern das Werk Ausdruck der Persönlichkeit des Urhebers ist.1265 Originalität verlangt, dass das Werk von der Persönlichkeit des Urhebers geprägt ist.1266 Daneben kennt das italienische Urheberrecht noch die Voraussetzung der objektiven Neuheit, die sich mit der Originalität vermischt.1267 Die Schutzfähigkeit bestimmt sich nach dem Ausmaß an Kreativität (»misura della creativit/«).1268 Urheberrechtlich geschützt werden gemäß Art. 2 Nr. 4 LDA »Werke der Bildhauerei, Malerei, Zeichenkunst, Stiche und andere bildende Künste einschließlich der Bühnenbildnerei« und nach Nr. 10 »Werke des Industriedesigns, die für sich genommen kreativen Charakter und künstlerischen Wert aufweisen ». Die Schutzschwelle hängt von der betroffenen Werkart ab.1269 Besondere Anforderungen werden grundsätzlich nicht gestellt.1270 Im Bereich der angewandten Kunst wird davon jedoch wegen des Erfordernisses des »künstlerischen Werts« eine Ausnahme gemacht.1271 Das Gesetz von 2001, das die Nr. 10 einfügte,1272 entfernte in Umsetzung der Geschmacksmuster-RL1273 auch das besondere Erfordernis der Trennbarkeit (»scindibilit/«).1274 Davor hatte die Nr. 4 mit dem Zusatz »auch wenn sie gewerblich angewandt werden, sofern ihr künstlerischer Wert vom gewerblichen 1262 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 41f. 1263 König Der Werkbegriff in Europa, S. 213. 1264 Gesetz zum Schutz des Urheberrechts und anderer mit seiner Ausübung verbundener Rechte Nr. 633 vom 22. 4. 1941, GU Nr. 166 vom 16. 7. 1941. 1265 U. Fuchs Der Werkbegriff im italienischen und deutschen Urheberrecht, S. 15, 25; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 87f. 1266 U. Fuchs Der Werkbegriff im italienischen und deutschen Urheberrecht, S. 32, 35. 1267 aaO S. 25, 36; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 88. 1268 U. Fuchs Der Werkbegriff im italienischen und deutschen Urheberrecht, S. 25. 1269 aaO S. 43f. 1270 aaO S. 47f.; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 87. 1271 Vgl. U. Fuchs Der Werkbegriff im italienischen und deutschen Urheberrecht, S. 49f. 1272 Art. 22 Nr. 1 lit. a Gesetzliche Verordnung Nr. 95 vom 2. 2. 2001, GU Nr. 79 vom 4. 4. 2001. 1273 Auteri GRUR Int. 1998, 360, 361f.; Cohen Jehoram 12 EIPR (1994), 514, 518; a. A. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 135ff. 1274 aaO lit. b.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Charakter des Erzeugnisses trennbar ist, mit dem sie verbunden sind«, einen urheberrechtlichen Schutz der Gestaltung eines Gebrauchsgegenstands selbst versagt.1275 Schutzfähig war danach früher nur eine zumindest gedanklich abstrahierbare künstlerische Gestaltung.1276 Im Ergebnis waren damit Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich praktisch nie schutzfähig.1277 Eine Ausnahme waren zweidimensionale Werke des Grafikdesigns.1278 Nach dem früheren, stark patentrechtlich geprägten1279 Geschmacksmustergesetz ließ eine Eintragung als Geschmacksmuster den urheberrechtlichen Schutz erlöschen, es bestand daher Exklusivität1280 oder Alternativität.1281 Seit der Reform von 2001 macht das Gesetz bei Werken der bildenden Kunst keine Unterscheidung zwischen angewandter und reiner Kunst (»arte pura«) mehr. Die Neuregelung im Gesetzbuch über das gewerbliche Eigentum (CPI)1282 von 2005 setzte auch hinsichtlich der Schutzvoraussetzungen in den Art. 31ff. CPI streng die Geschmacksmuster-RL um.
5.
Vereinigtes Königreich
Das Urheberrecht ist im Vereinigten Königreich im Urheber-, Muster- und Patentgesetz (CDPA)1283 kodifiziert.1284 Der Werkbegriff hier ist nur durch die Voraussetzung »eigene Werke« (»original works«) bestimmt, sec. 1(1)a CDPA. Eine Legaldefinition hierzu existiert nicht. Auch die Rechtsprechung kennt keine einheitlichen Anforderungen.1285 Die Tatbestandsvoraussetzung bezieht sich nicht auf den Schöpfungsgrad wie im kontinentalen Urheberrecht, sondern auf die Herkunft als eigene Schöpfung des Autors im Unterschied zu einer fremden Übernahme. Original meint hier also, dass das Werk vom Autor selbst herrührt 1275 Cohen Jehoram 12 EIPR (1994), 514, 518. 1276 Benussi GRUR Int. 1980, 403, 404ff.; Cimoli EIPR 1993, 425, 426; Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 199; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 81ff. 1277 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 86; Auteri GRUR Int. 1998, 360, 361; Kur FS Bornkamm S. 849, 851. 1278 Benussi GRUR Int. 1980, 403, 404; U. Fuchs Der Werkbegriff im italienischen und deutschen Urheberrecht, S. 167ff. 1279 Cimoli EIPR 1993, 425, 426. 1280 U. Fuchs Der Werkbegriff im italienischen und deutschen Urheberrecht, S. 184; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 89, 91. 1281 Cimoli EIPR 1993, 425, 426; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 235. 1282 Gesetzlicher Erlass Nr. 30 vom 10. 2. 2005, GU Nr. 52 vom 4. 3. 2005. 1283 Copyright Designs and Patents Act 1988, 1988 c. 48. 1284 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 66f. 1285 Ausgehend von Walter v Lane [1900] A.C. 539; König Der Werkbegriff in Europa, S. 45, 166f.
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und nicht die Kopie eines anderen ist.1286 Der Autor muss geistige Fertigkeiten bei der Herstellung angewendet und einen Aufwand dafür erbracht haben.1287 Man spricht traditionell von aufgewandten »Mühen, Fertigkeit und Urteilsvermögen« (»labour, skill and judgment«)1288 oder auch von »Mühen, Fertigkeit und Kosten« (»labour, skill and capital«).1289 Damit wird für die Bestimmung der Werkeigenschaft maßgeblich auf den Schöpfungsprozess abgestellt. Im Ergebnis ist geschützt, was schützenswert ist; schützenswert ist, was der Nachahmung ausgesetzt ist.1290 Dementsprechend bestimmt sich der Schutzumfang danach, ab welchem Grad der Ähnlichkeit von der Übernahme eines wesentlichen Teils eines Werks auszugehen ist.1291 Das Gesetz zählt die geschützten Werkarten abschließend auf.1292 Sec. 1(1) CDPA schützt Werke der Kunst (»artistic works«). Für die reine Kunst gilt eine niedrige Schutzschwelle: Es muss lediglich ein Mindestmaß an geistiger Leistung vorliegen.1293 Die Werke der Kunst beinhalten auch das Kunsthandwerk (»works of artistic craftsmanship«), sec. 4(1)(c) CDPA. Dieser Begriff löste die alte Formulierung »corresponding design« ab.1294 Er beschreibt handwerkliche Produkte, bei denen es aber auch auf Kunstfertigkeit und künstlerische Qualität ankommt.1295 Dabei bezieht sich das Gesetz auf den handwerklichen Herstellungsprozess und nicht auf einen etwaigen Gebrauchszweck des Werks.1296 Die angewandte Kunst im Sinne des deutschen Rechts ist darüber hinaus noch von den in sec. 4(2) CDPA genannten grafischen Werken und den Skulpturen erfasst. Geschützt werden zum Beispiel auch Symbole und Benutzeroberflächen.1297 Dreidimensionale Werke der angewandten Kunst, die weder Kunsthandwerk noch
1286 Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 113. 1287 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 70; König Der Werkbegriff in Europa, S. 46. 1288 Ladbroke v William Hill [1964] 1 All ER 465, 469; Rahmatian IIC 2013, 4, 5. 1289 Macmillan v Cooper [1924] 40 TLR 186; Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 11–04; Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 394. 1290 Univ. of London Press, Ltd. v Univ. Tutorial Press, Ltd. [1916] 2 Ch 601; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 71. 1291 König Der Werkbegriff in Europa, S. 118. 1292 Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 11–04; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 67; König Der Werkbegriff in Europa, S. 41. 1293 Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 11–14; König Der Werkbegriff in Europa, S. 115. 1294 Levin GRUR Int. 1985, 713. 1295 König Der Werkbegriff in Europa, S. 111, 117. 1296 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 68. 1297 König Der Werkbegriff in Europa, S. 109.
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Skulptur sind, fehlen jedoch.1298 Weiter kennen die sec. 8, 15 CDPA ein 25 Jahre währendes Schutzrecht für typografische Gestaltungen. Die Grenze des ästhetischen Anspruchs und der künstlerischen Qualität ist für das Kunsthandwerk nicht näher definiert. Dadurch lässt sich die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst nur schwer mit dem für Werke der reinen Kunst erforderlichen Maß an Originalität vergleichen.1299Auch die Perspektive der Betrachtung ist nicht eindeutig:1300 Neben dem oben erwähnten Schöpfungsprozess, der den Schutz mühelos hergestellter Werke ausschließt, ist bei Werken der Kunst die eigene künstlerische Intention relevant, zudem möglicherweise auch die Sichtweise der Öffentlichkeit.1301 Es kommt also darauf an, ob der Schöpfer die Vorstellung hatte, ein Kunstwerk zu schaffen und dass sich dies auch im Ergebnis widerspiegelt.1302 Bei der Nutzung besonderer Fertigkeiten oder besonderen Wissens dürfen aber auch Maschinen zum Einsatz kommen.1303 Dennoch ist damit insbesondere das Industriedesign vom britischen Urheberrecht nicht erfasst. Diesem Mangel wird in der Praxis teilweise dadurch abgeholfen, dass ein Schutz als Skulptur ermöglicht wird.1304 Bei Designentwürfen kann ein Schutz als Werk der reinen Kunst (als Zeichnung oder Stich) erfolgen.1305 Bis 2013 war die Schutzdauer bei industriell, das heißt in mindestens 50 Exemplaren hergestellten Werken der angewandten Kunst auf 25 Jahre nach dem Inverkehrbringen begrenzt.1306 Die Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit der Schutzdauer-RL war angezweifelt worden.1307 Mit diesen Einschränkungen wird das Urheberrecht im Vereinigten Königreich auch dafür verwendet, Schutzlücken im Bereich des Wettbewerbsrechts zu schließen.1308 Im Vereinigten Königreich existieren im Musterrecht nach dem Gesetz über 1298 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 69. 1299 Vgl. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 71; Möhring/Schulze/ E. Ulmer/Zweigert/Cornish Quellen des Urheberrechts, Großbritannien, S. 4. 1300 Colston/Middleton Modern Intellectual Property Law Rights, 2. Aufl., S. 275; König Der Werkbegriff in Europa, S. 112. 1301 aaO S. 112f.; Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 11–17ff. 1302 Merlet v Mothercare [1986] RPC 115; Guild v Eskander [2001] FSR 645; Cornish/Llewellyn/ Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 11–17ff.; Colston/Middleton Modern Intellectual Property Law Rights, 2. Aufl., S. 276f.; Handig IIC 2009, 665, 676f. 1303 König Der Werkbegriff in Europa, S. 111. 1304 Bently/Sherman Intellectual Property Law, 4. Aufl., S. 76ff.; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 73; a. A. König Der Werkbegriff in Europa, S. 109f. 1305 König Der Werkbegriff in Europa, S. 109f. 1306 Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 11–04, 15–37; Kur FS Bornkamm, S. 849, 850; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 72f. 1307 Kur FS Bornkamm, S. 849, 850; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 73; a. A. Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 15–37. 1308 Handig IIC 2009, 665, 682.
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eingetragene Designs (RDA) registrierte, aber seit der Reform des gewerblichen Rechtsschutzes von 1988 erstmals in der Europäischen Union1309 in sec. 213 CDPA auch nicht eingetragene Muster (»design right«).1310 Erforderlich für die Schutzfähigkeit als nicht eingetragenes Design ist die Neuheit (»novelty«), sec. 1 Abs. 2 RDA, deren Verständnis mit Originalität gleichgesetzt wird.1311 Zwischen Urheberrecht und Muster besteht Exklusivität.1312 Einerseits verdrängt das Urheberrecht nach sec. 238 CDPA das nicht registrierte Muster.1313 Andererseits kann lediglich das Musterdokument selbst und nicht der auf seiner Grundlage gefertigte Gebrauchsgegenstand vom Urheberrecht erfasst sein; der Schutz ist auf die zweidimensionale Gestaltung begrenzt, die durch die Herstellung eines dreidimensionalen Werkstücks nicht verletzt werden kann, sec. 51(1) CDPA.1314 Das Gesetz schließt so – in unionsrechtlich ebenfalls bedenklicher Weise1315 – bei bestimmten Werken des Industriedesigns den urheberrechtlichen Schutz ausdrücklich aus, indem sich der Schutz von Entwürfen nicht auf die darin verkörperte Gestaltung bezieht.1316 Damit soll ein Copyright im Bereich der gewerblichen Herstellung zu Gunsten der Schutzfähigkeit als Design ausgeschlossen werden.1317 Das nicht registrierte Muster wird als Hybrid zwischen Copyright und Design verstanden.1318 Schutzvoraussetzung ist die Originalität, sec. 213 (4) CDPA, der Entwurf darf nicht »innerhalb des betreffenden Gestaltungsfelds im Zeitpunkt der Schöpfung allgemein bekannt« sein darf.1319 Ein Einfluss der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf den Werkbegriff zeichnet sich im Vereinigten Königreich noch nicht ab.1320
1309 1310 1311 1312 1313 1314 1315 1316 1317
1318 1319 1320
Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 67, 74. Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 117. aaO S. 118f.; Bently/Sherman Intellectual Property Law, 4. Aufl., S. 791. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 237. Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 15–38. aaO Rn 15–32; Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 207; Durie GRUR Int. 1990, 832, 838. Kur FS Bornkamm, S. 849, 857. Bently/Sherman Intellectual Property Law, 4. Aufl., S. 774f.; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 69, 73; Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 199. Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 15–32; Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 207; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 73; Möhring/Schulze/E. Ulmer/Zweigert/Cornish Quellen des Urheberrechts, Großbritannien, S. 24. Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 15–38; Durie GRUR Int. 1990, 832, 838. Cornish/Llewellyn/Aplin Intellectual Property, 8. Aufl., Rn 15–39. Vgl. aaO Rn 15–39.
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178 6.
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Vereinigte Staaten von Amerika
Das Urheberrecht ist in den USA im Copyright Act von 1976 in Titel 17 U.S.C. geregelt1321 und schützt nach § 102(a) »eigene Werke des Urhebers« (»original works of authorship«).1322 Damit ist das Schutzerfordernis der Originalität im Gesetz verankert.1323 Die im Katalog des § 102(a) in Nr. 5 enthaltene Werkart der »Werke der Malerei, Graphik und Bildhauerei« (»pictorial, graphic, and sculptural works;«) erfasst nach § 101 auch Werke der angewandten Kunst.1324 Dem folgt eine ausführliche Definition: »Diese Werke umfassen Werke des Kunsthandwerks, soweit ihre Formgebung, nicht dagegen ihre mechanischen oder nützlichen Aspekte, betroffen sind; die Formgestaltung eines Gebrauchsgegenstands im Sinne dieser Vorschrift ist nur dann und nur in dem Umfang als Werk der Malerei, Graphik oder Bildhauerei anzusehen, als diese Formgestaltung bildliche, graphische und bildhauerische Gestaltungselemente verkörpert, die losgelöst von den nützlichen Aspekten festgestellt werden können und fähig sind, unabhängig von diesen zu existieren.«1325 Der Begriff des Gebrauchsgegenstands ist dann weiter definiert: »Ein ›Gebrauchsgegenstand‹ ist ein Gegenstand, der eine innere Gebrauchsfunktion hat, die nicht nur darin besteht, die äußere Erscheinung des Gegenstands abzubilden oder Informationen zu vermitteln. Ein Gegenstand, der üblicherweise Teil eines Gebrauchsgegenstands ist, gilt als ›Gebrauchsgegenstand‹.«1326 Die gewerbliche Verwertbarkeit ist demnach unerheblich.1327 Gestaltungen des Industriedesigns sollen durch diese Legaldefinition ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich keinen Schutz erlangen.1328 Anders ist dies bei Schmuck, Spielzeug und Ziergegenständen, die nicht zu den Gebrauchsgegenständen zählen und damit geschützt sein können.1329 Das angelsächsische Verständnis des Copyright als Anreizinstrument für die kreative Tätigkeit1330 zeigt sich unter anderem in der – seit der Reform von 1989 immerhin fakultativen und nur noch Beweiszwecken dienenden – Anmeldung 1321 Pub. L. 94–553 vom 19. 10. 1976. 1322 Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 124f.; 130f. 1323 aaO S. 133f. 1324 aaO S. 137. 1325 Übersetzung aaO S. 137. 1326 Übersetzung aaO S. 145. 1327 aaO S. 160f. 1328 House Report No. 94–1476. 1329 Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 164ff. 1330 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 17f., 26ff.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 26; Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 124f.
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beim Patent- und Markenamt, im Fehlen eines Urheberpersönlichkeitsrechts und im Entstehen des Urheberrechts beim Auftraggeber, § 201(b).1331 Die urheberrechtlichen Schutzschwelle wird unter dem Stichwort »Werke geringer Urheberschaft« (»low authorship works«) diskutiert.1332 Der Begriff bezeichnet Werke, die zwar in höchstem Maße nützlich sind, aber keine Kreativität oder Originalität besitzen.1333 Auch der Schutzumfang ist vom Grad der persönlichen Gestaltung abhängig.1334 Nach der früheren Rechtsprechung liegt Originalität dann vor, wenn ein Werk das Ergebnis eigenständigen Urheberschaffens ist. Das ist nicht der Fall, wenn lediglich fremde Gestaltungsformen übernommen und neu kombiniert werden.1335 Die Originalität konnte damit früher mit subjektiver Neuheit gleichgesetzt werden.1336 Seit dem »Feist«-Urteil aus dem Jahr 19911337 ist diese Rechtsprechung überholt. Bemerkenswert spät fällte der Oberste Gerichtshof die Leitentscheidung zur urheberrechtlichen Schutzschwelle am Beispiel der im deutschen Recht lange geklärten Schutzunfähigkeit eines Telefonbuchs: Originalität setzt nun eine eigene Schöpfung und ein Mindestmaß an Kreativität (»modicum of creativity«) voraus.1338 Der Supreme Court stützte seine Erwägung auf den Begriff »authors« in der Copyright-Klausel in Art. 1 Abschnitt 8, Abs. 8 der Bundesverfassung.1339 Die Diskussion um die Schutzschwelle ist von der durch das »Feist«-Urteil ausgelösten Debatte um »functional and factual works« – also Karten, Verzeichnisse, Tabelle, Kataloge, Telefonbücher und Datenbanken – noch nicht bei den Werken der angewandten Kunst angelangt.1340 Für den Bereich der angewandten Kunst,1341 aber auch darüber hinaus hatte die Entscheidung »Bleistein v. Donaldson«,1342 bei der es um Buchillustrationen ging, zuvor außerordentlich niedrige Anforderungen an die Höhe der gestalterischen Leistungen statuiert. 1331 1332 1333 1334 1335 1336 1337 1338 1339 1340 1341 1342
Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 96. Rahmatian IIC 2013, 4, 14; Ginsburg Colum. L. Rev. 90 (1990), 1865, 1866. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 233. Home Legend v. Mannington Mills, 784 F.3d 1404 (11th Cir. 2015) = GRUR Int. 2015, 738, 742; Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 223. Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 134. Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 117. Feist v. Rural Telephone Co., 499 U.S. 340, 347 (1991). Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 389. aaO. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 241. Thomas Wilson & Co. v. Irving J. Dorfman Co., 433 F2d 409 (2d Cir. 1970); PPS v. Jewelry Sales Representatives 392 FSupp 375 (S.D.N.Y. 1975). Bleistein v. Donaldson, 188 U.S. 239 (1903).
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Grund war, dass man die Probleme einer Beurteilung des ästhetischen Wertes einer Illustration durch Juristen umgehen wollte.1343 Die heutige Rechtsprechung zur Schutzfähigkeit der angewandten Kunst und damit auch die Zielrichtung der Definitionsnormen im Copyright Act1344 gehen zurück auf die Entscheidung »Mazer v. Stein«.1345 Hier hatte der Kläger ein Copyright für kleine Statuetten balinesischer Tänzer registrieren lassen.1346 Diese verkaufte er jedoch als Sockel von Tischlampen, und in dieser Form wurden sie vom Beklagten auch kopiert. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass die Verwendung als Teil eines Gebrauchsgegenstands für die Schutzfähigkeit wie für den Schutzbereich ohne Belang sei.1347 Die Entscheidung wurde jedoch so verstanden, dass es auf die Trennbarkeit (»separability«) der künstlerischen Gestaltung von der Gebrauchsfunktion ankomme.1348 Danach sind Gestaltungen in Form funktionslosen Schmucks und Ornamenten schutzfähig, insbesondere wenn sie Werken der klassischen bildenden Kunst ähnlich sind oder sogar aus ihnen bestehen. Kein Schutz besteht dagegen bei sachlich-strengen Formen.1349 Die heutige Rechtsprechung erkennt neben der physischen auch die begriffliche Trennbarkeit an.1350 In einer jüngeren Entscheidung wurden die ästhetischen Merkmale eines Ballkleids jedoch als in jeder Hinsicht untrennbar angesehen.1351 Im Übrigen wird der Begriff der Originalität nicht allzu streng ausgelegt, die Schutzanforderungen sind gering.1352 Originalität kann sich bei Werken der angewandten Kunst in Proportionen, der Form- und Farbgebung, Konturen oder sonstigen Gestaltungselementen manifestieren. Geometrische Grundmuster sind grundsätzlich gemeinfrei, jedoch kann ihre besondere Kombination
1343 Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 117; Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 64ff. 1344 House Report No. 94–1476. 1345 Mazer v. Stein, 347 U.S. 201 (1954). 1346 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 238; Eichmann/Kur Designrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 39. 1347 Mazer v. Stein, 347 U.S. 201, 217 (1954); Nimmer § 2.01[B][3]; Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 116; Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 97ff. 1348 Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 145, 173ff.; Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 115. 1349 Kuhmann aaO, S. 209ff.; vgl. Eichmann/Kur Designrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 40. 1350 Kieselstein-Cord v. Accessories by Pearl, 632 F.2d 989 (2d Cir. 1980); Nimmer § 2.01[B][3]; Eichmann/Kur Designrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 40. 1351 Jovani Fashion v. Fiesta Fashion, 104 U.S.P.Q.2d 1390 (2d Circ. 2012) = GRUR Int. 2013, 172. 1352 Home Legend v. Mannington Mills, 784 F.3d 1404 (11th Cir. 2015) = GRUR Int. 2015, 738, 740; Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 152, 154.
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oder Anordnung Originalität begründen.1353 Insgesamt werden Gestaltungen vom urheberrechtlichen Schutz ausgeschlossen, wenn sie lediglich fremde Formen übernehmen oder auf bekannte Stilmittel zurückgreifen.1354 Bei der Feststellung des Grades der Originalität betrachten die Gerichte die einzelnen Elemente einer Gestaltung und untersuchen, ob ihre Summe dem Werk einen von anderen Werken unterscheidbaren Ausdruck verleiht. Die Originalität im Gesamtkonzept und -eindruck fehlt nur äußerst wenigen Gestaltungen.1355 Unter anderem wird Textildesign und Werbeprodukten großzügig Schutz gewährt, sobald besondere Motive ungewöhnlich angeordnet sind, eine detailreiche Darstellung eine große Menge an handwerklichen Fähigkeiten erfordert oder die verwendeten Farben, Formen oder Perspektiven einen speziellen Effekt erzielen.1356 Spielsachen, Puppen und Schmuck werden geschützt, sobald die verwandten Gestaltungen, Konturen, Formen, Details und Farben einen originalen Ausdruck enthalten.1357 Nicht schutzfähig sind dagegen Schriften.1358 Schließlich existiert in den Vereinigten Staaten ein sui-generis-Recht, das Bootsrümpfe schützt.1359 Nach 17 U.S.C. § 130(2) entfällt für diese Designs das Ausschlusskriterium des § 1302(4), wonach eine Form nicht geschützt ist, wenn sie »ausschließlich durch den Gebrauchszweck des Gegenstands bestimmt ist, den sie verkörpert«. Grund für die gesonderte Behandlung ist der große finanzielle Aufwand für die Entwicklung eines Rumpfs. Die Vereinigten Staaten kennen nach wie vor kein Musterrecht.1360 Stattdessen enthält das Patentgesetz neben Regelungen zu technischen Patenten seit 1842 auch die Normierung eines »design patents«.1361 Es hat im deutschen Recht keine direkte Parallele, kann aber mit dem Designrecht verglichen werden.1362 Geschützt wird der ästhetische Aspekt einer Gestaltung.1363 Nach § 171 geschützt wird »jede neue, eigene und ornamentale Gestaltung eines Gebrauchsgegenstands«. Die Schutzdauer beträgt nach § 173 nur 14 Jahre. Ansonsten ist es analog zum Patentrecht konstruiert.1364 Materielle Voraussetzungen sind »Or1353 1354 1355 1356 1357 1358 1359 1360 1361
Kuhmann aaO, S. 154f. aaO S. 157. Knöbl Die »kleine Münze«, S. 252. aaO S. 252. aaO S. 252. Eltra Co. v. Ringer, 579 F.2d 294 (4th Cir. 1978); Nimmer § 2.15. Eichmann/Kur Designrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 37. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 237. 35 U.S.C. §§ 171ff.; Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 94; Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 60f. 1362 Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 95. 1363 aaO S. 108; Eichmann/Kur Designrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 36. 1364 Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 95.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
namentalität«, Neuheit und Erfindungshöhe.1365 Die ebenfalls geforderte Originalität führt dagegen ein Schattendasein, weil sie in der Erfindungshöhe aufgegangen ist.1366 Das Erfordernis der Ornamentalität schließt funktionsbezogene Gestaltungen vom Schutz aus und verlangt eine gewisse ästhetische Wirkung im Sinne einer »Verschönerung«.1367 Die Neuheit wird rein objektiv verstanden und verbietet Anmeldungen, die »grundsätzlich ähnlich« sind.1368 Die Erfindungshöhe fordert schließlich einen »erfinderischen Schritt« gegenüber Vorbekanntem, ist aber trotz der geforderten strengen Anforderungen schwer von ihrem rein patentrechtlichen Verständnis zu lösen.1369 Design patent und Copyright standen ursprünglich nur alternativ zur Verfügung,1370 seit einer Entscheidung des früheren Court of Customs and Patent Appeals von 1974 wird, zumindest aus patentrechtlicher Sicht, ein kumulativer Schutz als vom Gesetzgeber gewollt angesehen.1371
7.
Weitere Länder
Das schwedische Urheberrechtsgesetz,1372 das auf einem gemeinsamen Entwurf mit Dänemark, Norwegen und Finnland von 1949 basiert,1373 enthält eine eigene Regelung zur »Kleinen Münze der Literatur«, also für Kataloge, Tabellen und ähnliche Schriftwerke von geringer persönlicher Prägung.1374 Ihre Aufgabe ist es, »eine Verwässerung des Urheberrechts aus Billigkeitsgründen zu vermeiden«.1375 Das ähnlich vereinheitlichte1376 Geschmacksmusterrecht ist jedoch kumulativ neben einem Schutz der angewandten Kunst anwendbar.1377 Die Rechtslage in weiteren punktuell untersuchten Ländern, darunter Belgi1365 1366 1367 1368 1369 1370 1371 1372 1373 1374 1375 1376 1377
aaO S. 109; Eichmann/Kur Designrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 36. aaO S. 109f. aaO S. 110. aaO S. 111f.; Eichmann/Kur Designrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 36. Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 112f.; Eichmann/Kur Designrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 36. Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 120f. In re Yardley 493 F.2d 1398 (C.C.P.A. 1974); Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 238; Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 151. Gesetz 729/1960 über das Urheberrecht an literarischen und künstlerischen Werken (URL). Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 213. § 49 URL; Lögdberg GRUR Int. 1977, 255, 257f. Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 213. Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 128. Art. 10 URL; anders Lögdberg GRUR Int. 1977, 255, 258.
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en, die Niederlande, Spanien,1378 Russland1379, Kanada1380 und Japan1381 deckt sich mit der hier beschriebenen Bandbreite. Dem britischen Recht vergleichbar ist das Urheberrecht in Irland, Australien, Neuseeland, Singapur und Südafrika.1382 Auch das irische Recht kannte jedoch vor der Harmonisierung durch die Geschmacksmuster-RL eine Vorschrift, wonach ein Werk nur dann urheberrechtlichen Schutz erlangen konnte, wenn es in höchstens 50 Werkstücken verkörpert war.1383 Nach wie vor im Widerspruch zum europäischen Recht schließt Art. 116 des polnischen Gesetzes über das gewerbliche Eigentum aus dem Jahr 2000 die Geltendmachung von Verwertungsrechten des Urhebers bei Produktgestaltungen, die nach Ablauf des Geschmacksmusters auf den Markt gebracht werden.1384 Als weiteres Kuriosum neben den französischen Handschuhen und den amerikanischen Bootsrümpfen zu erwähnen ist die Definition der angewandten Kunst im norwegischen Recht,1385 das »Wandteppiche und Gegenstände des Kunsthandwerks und der Kunstindustrie« schützt.
II.
Vergleich
Unschwer ist zu erkennen, dass die genaue Ausgestaltung des urheberrechtlichen Schutzes von Gestaltungen der angewandten Kunst in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen stark differiert.1386 Eine gesetzliche Definition der urheberrechtlichen Schutzschwelle fehlt in allen untersuchten Ländern.1387 Stattdessen wird mit unbestimmten Rechtsbegriffen gearbeitet, deren Auslegung die Rechtsprechung übernommen hat.1388 Grundsätzlich steht hier die kontinentaleuropäische Vorstellung der Individualität als »eigener geistiger Schöpfung« der Originalität, also der »Fertigkeit und Mühen«- oder »Schweiß an der Braue«-Standard des Copyright, gegen1378 1379 1380 1381 1382 1383 1384 1385 1386
Vgl. Bettinger Der Werkbegriff im spanischen und deutschen Urheberrecht, S. 111ff. Vgl. Kashanin/Dubovitskaya GRUR Int. 2013, 113, 120. Vgl. Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 390, 392. Obergericht für Geistiges Eigentum GRUR Int 2016, 474f. aaO 394. Cohen Jehoram 12 EIPR (1994), 514, 517f. Tischner IIC 2012, 202, 203f.; Kur FS Bornkamm, S. 849, 850. Gesetz über das Urheberrecht an Geisteswerken vom 5. 12. 1961. Levin GRUR 1985, 713, 728; Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 1, 235; König Der Werkbegriff in Europa, S. 354f., 368; Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 403; a. A. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 96. 1387 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 303; Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 376; Levin GRUR Int. 1985, 713; Rahmatian IIC 2013, 4, 11. 1388 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 303.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
über.1389 Im Allgemeinen sind die Schutzanforderungen im kontinentaleuropäischen Urheberrecht strenger als im Copyright.1390 Innerhalb der ersten Rechtsfamilie nimmt das deutsche Urheberrecht mit den hohen Anforderungen der »persönlichen geistigen Schöpfung« – vielleicht gemeinsam mit der Schweiz – eine Sonderstellung ein.1391 Das französische Recht hingegen weist gerade im Bereich der angewandten Kunst eine äußerst niedrige Schutzschwelle auf. Die Harmonisierung des Geschmacksmusterrechts in der Europäischen Union hat die Unterschiede im weiterhin autonomen Urheberrecht nicht beseitigt,1392 aber auf verschiedene Weise indirekt beeinflusst. In den Rechtsordnungen des Copyright muss man das Extrem des Vereinigten Königreichs mit seinen sehr technischen Anforderungen vom »Mindestmaß an Kreativität« der Vereinigten Staaten nach dem Feist-Urteil abgrenzen,1393 während das kanadische Recht mit der Definition »nicht-mechanische und nichttriviale Ausübung von Fertigkeit und Urteilsvermögen« einen Mittelweg zwischen diesen beiden Rechtsordnungen einschlägt.1394 Doch sind im Ergebnis zwischen den beiden großen Rechtssystemen weniger scharfe Unterschiede auszumachen, als zunächst hätte vermutet werden können.1395 Die Betrachtung der verschiedenen nationalen Maßstäbe gerade bei Gestaltungen der angewandten Kunst zeigt, wie gering die Bedeutung der gesetzlichen Formulierung der Schutzschwelle ist und wie sehr es auf die konkrete Ausformung durch die Rechtsprechung ankommt. Denn die Gerichte gehen im internationalen Vergleich unterschiedlich mit den gesetzlichen Anforderungen um.1396 Insbesondere in den kontinentaleuropäischen Schutzsystemen lassen sich Brüche in der Auslegung der urheberrechtlichen Schutzanforderungen ausmachen. In keinem untersuchten Land besteht eine einheitliche Schutzschwelle, sondern je nach Werkart werden höhere oder niedrigere Standards angewandt.1397 Dabei werden außerdem Elemente aus gewerblichen Schutzrechten herangezogen.1398 Einige Stimmen gehen davon aus, dass die urheberrechtlichen Schutz1389 Peifer Individualität im Zivilrecht, S. 78; a. A. Rahmatian IIC 2013, 4, 12. 1390 Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 376; Walter Österreichisches Urheberrecht Rn 112. 1391 Levin GRUR Int. 1985, 713; Schricker FS Kreile, S. 715, 717. 1392 Lorenzen Designschutz im europäischen und internationalen Recht, S. 208. 1393 Rahmatian IIC 2013, 4, 14; vgl. Handig UFITA 2010-II, 385, 394f. 1394 Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 377f. und die Kritik 403f. 1395 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 305; Peifer GRUR Int. 2014, 1100f. 1396 Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 403; König Der Werkbegriff in Europa, S. 354f. 1397 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 305. 1398 aaO S. 305.
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schwellen im internationalen Vergleich konvergieren.1399 Die Anforderungen der verschiedenen Rechtsordnungen pendeln sich danach auf dem »Mindestmaß an Kreativität«-Standard der USA ein.1400 Dies liege daran, dass eine höhere Schutzschwelle zu subjektiv sei.1401 Der Anreizgedanke des Copyright fehle dem Droit d’auteur zwar nach wie vor,1402 der auf Persönlichkeitsschutz angelegte Ansatz sei jedoch längst einer »pragmatischen Praxis gewichen«.1403 Die Absenkung der Schutzschwelle in Kontinentaleuropa werde im zweiten Schritt durch einen engen Schutzbereich ausgeglichen.1404 Die Absenkung der Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst im deutschen Recht durch das Geburtstagszug-Urteil ist ein Beispiel für diese Entwicklung.1405 Bei der Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst ist hervorzuheben, dass insbesondere in Frankreich und in einigen französisch inspirierten, aber auch in weiteren Rechtsordnungen der künstlerische Wert einer Gestaltung ausdrücklich nicht zur Bestimmung der Schutzfähigkeit herangezogen werden darf. Das italienische Recht stellt dagegen bei der Bestimmung der Schutzschwelle der angewandten Kunst in Art. 2 Nr. 10 LDA gerade darauf ab. Das Verhältnis zwischen Urheberrecht und Designrecht wird sehr unterschiedlich gehandhabt.1406 Eine Kumulation von Urheber- und Musterrecht erlauben manche Staaten vollumfänglich, einige teilweise und manche überhaupt nicht.1407 Das französische Beispiel zeigt auf, welche Folgen es haben kann, die urheberrechtliche Schutzschwelle auf das Niveau des Designrechts abzusenken. Hier sind deutlich mehr Werke der angewandten Kunst erfasst.1408 Sowohl die »vollständige Kumulation« des französischen Rechts als auch die Stufentheorie des deutschen siRechts erlauben im Grundsatz eine zufriedenstellende Abgrenzung von Urheber- und Designrecht.1409 In den Vereinigten Staaten bleibt die angewandte Kunst durch das Urheberrecht dagegen vergleichsweise ungeschützt, während die Nachbildungsfreiheit hochgehalten wird.1410 Das design patent vermag diese Lücke nicht zu schließen.1411 1399 aaO S. 306; Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 376; Peifer Individualität im Zivilrecht, S. 78. 1400 Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 376, 404. 1401 aaO 378. 1402 aaO 384. 1403 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 305f. 1404 Judge/Gervais Cardozo Arts & Entertainment L.J. 27 (2009), 375, 404. 1405 Fehlbaum sic! 2015, 74, 78. 1406 E. Ulmer GRUR Int. 1959, 1. 1407 Levin GRUR Int. 1985, 713, 721. 1408 Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 240. 1409 Fehlbaum sic! 2015, 74, 75. 1410 Kuhmann Der Schutz der angewandten Kunst im deutschen und amerikanischen Urheberrecht, S. 248ff. 1411 aaO S. 247.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Die Abkehr des österreichischen Rechts vom Erfordernis einer besonderen Werkhöhe für Werke der bildenden Kunst weist verblüffende Ähnlichkeit mit der Aufgabe des Erfordernisses einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst im deutschen Recht in der Folge des GeburtstagszugUrteils auf. Dort sind die Auswirkungen gering geblieben.
D.
Abgrenzung zu verwandten Rechtsgebieten
Der rein horizontale Vergleich erweckt den Eindruck größerer Unterschiede, als es ein Systemvergleich unter Einbeziehung des gewerblichen Rechtsschutzes ergäbe. Ein fehlender urheberrechtlicher oder anderer immaterialgüterrechtlicher Schutz kann beispielsweise durch lauterkeitsrechtliche Vorschriften ausgeglichen werden, die vor unlauteren Nachbildungen schützen können.1412 Einen solchen Vergleich kann man anhand von Fällen illustrieren, die in mehreren Ländern gerichtlich entschieden wurden, wie zum Beispiel an Möbeln wie Mart Stams Stahlrohrstuhl oder Charles Eames’ Lounge Chair oder an Spielzeug wie Ole Kirk und Godtfred Christiansens Lego-Baustein oder Erno˝ Rubiks Zauberwürfel.1413 Deshalb soll die Untersuchung noch um eine ebenfalls funktionale Betrachtung der verwandten Rechtsgebiete des Geistigen Eigentums ergänzt werden. Der Schutz der angewandten Kunst ist nämlich »kein genuin urheberrechtliches Thema«.1414 Er erfolgt sowohl durch das Urheberrecht als auch durch den gewerblichen Rechtsschutz.1415 Das macht eine Abgrenzung zu den verwandten Rechtsgebieten des Urheberrechts erforderlich,1416 also zum Patent- und Gebrauchsmusterrecht, Designrecht, Markenrecht und Lauterkeitsrecht.1417 Wenn die urheberrechtliche Schutzschwelle in der Folge des »Geburtstagszug«-Urteils abgesenkt werden sollte, dringtdas Urheberrecht nämlich weiter in den Anwendungsbereich des gewerblichen Rechtsschutzes vor und stellt ihn in Frage.1418 Dabei ist seit der Reform des Designrechts vom Grundsatz der Selbstständigkeit und freien Konkurrenz aller untersuchten gewerblichen Schutzrechte auszugehen.1419 Alle Materien des Geistigen Eigentums weisen eine jeweils ei1412 1413 1414 1415 1416 1417 1418 1419
Levin GRUR Int. 1985, 713, 728; Krüger GRUR 1986, 115, 117. Vgl. Levin GRUR Int. 1985, 713, 729; Krüger GRUR 1986, 115, 117. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 1. Levin GRUR 1985, 713; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 38. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 20. Ohly GRUR 2007, 731, 735; Benussi GRUR Int. 1980, 403, 404; Levin GRUR 1985, 713. Handig IIC 2009, 665, 684. Vgl. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 38; Zech Der Schutz von
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Abgrenzung zu verwandten Rechtsgebieten
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gene Schutzrichtung und auch separate Schutzvoraussetzungen auf. Von der materiellen Konkurrenz ist die prozessuale Konkurrenz unterschiedlicher Rechtsgebiete zu unterscheiden, die nach der »TÜV«-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur als Hilfsantrag oder Klagehäufung möglich ist.1420 Unter diesen Umständen sollte der Schutz für Gestaltungen der angewandten Kunst durch diejenige Rechtsmaterie erfolgen, die den Anforderungen dieser Rechtsobjekte und ihrer Designer am besten gerecht wird.1421 Neben dem Urheberrecht bietet sich zunächst das Designrecht mit seinen geringeren Schutzanforderungen an, insbesondere seit der Abschaffung des formalen Akts der Anmeldung und Eintragung im Fall des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters.1422 Alternativ bliebe der wettbewerbsrechtliche Schutz von Designleistungen gegen Nachahmung gemäß § 3 UWG, allerdings ohne die abstrakte Rechtsposition eines echten Immaterialgüterrechts. Schließlich kommt auch ein Schutz als Gebrauchsmuster oder als Formmarke in Betracht.
I.
Patent und Gebrauchsmuster
Eine Abgrenzung des Urheberrechts zu den technischen Schutzrechten Patent und Gebrauchsmuster scheint sich auf den ersten Blick zu erübrigen, da § 1 Abs. 3 Nr. 2 PatG und § 1 Abs. 2 Nr. 2 GebrMG »ästhetische Formschöpfungen« ausdrücklich aus dem Schutzbereich ausschließen.1423 Jedoch können technische und ästhetische Schutzrechte beim Produktdesign in praktischer Hinsicht in einer Gestaltung zusammenfallen.1424 Das Gebrauchsmuster wird heute als »kleines Patent« verstanden. Ursprünglich sollte es jedoch eine Lücke zwischen dem Geschmacksmuster und dem Patent schließen. Diskutiert wurde nämlich die Frage, ob so genannte Nützlichkeitsmuster unter das Geschmacksmustergesetz fallen können,1425 was die Rechtsprechung abgelehnt hatte.1426 Vor seiner Entwicklung zum heutigen
1420 1421 1422 1423 1424 1425 1426
Werken der angewandten Kunst, S. 154; Boehringer, Das Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen im Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1927. BGHZ 189, 56 Tz 8 – TÜV. Kur FS Schricker (1995), S. 503, 504. aaO 504. Rauter MuW 1939, 251; Geier Schutzkumulationen, S. 31; a. A. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 25. OLG Frankfurt am Main GRUR 1957, 619, 621 – Schuhschnalle; Zentek GRUR 2012, 42, 43; Geier Schutzkumulationen, S. 30. aaO 44. ROHG 24, 109, 113 – Peitschenkreisel; Zentek UFITA 2016-I, 35, 45.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
technischen Schutzrecht wies das Gebrauchsmuster insofern eine stärkere Nähe zum Musterschutz auf.1427 Eine mögliche Parallelität von Patent- und Urheberschutz wird bisweilen im Bereich des »modernen Industriedesigns« gesehen, wie zum Beispiel beim Stahlrohrstuhl Mart Stams,1428 der in technischer Hinsicht als patentrechtliche Erfindung, in gestalterischer Hinsicht als urheberrechtliches Werk geschützt werden könnte.1429 Im heutigen Recht der technischen Schutzrechte kann der erfinderische Erfolg im Sinne der Lehre zum technischen Handeln insofern auch in einem ästhetischen Erfolg liegen.1430 Das Patent erfasst jedoch nur den technischen Weg, der diesen ästhetischen Erfolg herbeiführt.1431 Insbesondere bezieht sich auch die Neuheit in § 3 PatG nur auf die technischen und nicht auf die ästhetischen Aspekte.
II.
Designrecht
Die nach der Rechtsprechungsänderung erforderliche neue Abgrenzung von Urheber- und Designrecht wurde bereits dargestellt.1432 Danach besteht in funktionaler Hinsicht nach wie vor Parallelität beider Rechtsgebiete in Bezug auf Gestaltungen der angewandten Kunst. Die divergenten Schutzrichtungen sind nämlich weiterhin vergleichbar. Während das eingetragene Design dem Anmelder die Vorzüge eines Registerrechts und den Schutz seines Entwurfs gewährt, schützt das Urheberrecht zwar nur vor Nachbildungen, dafür aber formlos aufgrund seiner Entstehung mit dem Schöpfungsakt, und mit einem weiten Schutzbereich, langer Schutzdauer und den Möglichkeiten des Urheberpersönlichkeitsrechts. Praktische Bedeutung behält das Geschmacksmuster bei Gestaltungen, die zwar neu, aber nicht individuell im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG sind. Gleichzeitig besteht eine – vom gesetz gewollte – Schutzlücke, wenn der Designschutz an der Neuheit oder an der Eigenart scheitert.
1427 Zentek GRUR 2012, 42, 43; dies. UFITA 2016-I, 35, 45ff. 1428 RG GRUR 1932, 892 – Stahlrohrmöbel; BGH GRUR 1961, 635 – Stahlrohrstuhl I; BGH GRUR 1981, 820 – Stahlrohrstuhl II. 1429 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 28; zweifelnd Fromm/ Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., Einl. § 78 Rn 80. 1430 BGHZ 102, 118, 127f. – Kehlrinne; BGH GRUR 1967, 590, 591 – Garagentor. 1431 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 26. 1432 Oben S. 146ff.
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Abgrenzung zu verwandten Rechtsgebieten
III.
189
Markenrecht
Auf den ersten Blick weniger naheliegend als beim Designrecht, aber dennoch möglich und nach § 2 MarkenG auch rechtlich zulässig sind Überschneidungen des Urheberrechts mit dem Markenrecht.1433 In Betracht kommen hier Bild- und Formmarken, nicht dagegen die Wort-, Farb- oder Hörmarke. Die Abgrenzung ist aus zwei Gründen interessant: Markenfähige Gestaltungen im Bereich der Bildmarke sind häufig solche der angewandten Kunst,1434 ebenso bei der Formmarke. Darüber hinaus besteht bei Gebrauchsgrafiken, aber auch bei Produktgestaltungen wegen des im Folgenden darzustellenden unterschiedlichen Schutzumfangs und -inhalts ein hohes Interesse des Anmelders an einem parallelen urheberrechtlichen Schutz.1435 Als Bildmarke markenfähig sind zweidimensionale Gestaltungen, wie Logos, auch in Form der Wort-Bild-Marke, und andere Gebrauchsgrafiken,1436 sowie dreidimensionale Gestaltungen, wie Warenformen, Verpackungen oder sonstige Aufmachungen bis hin zu einzelnen Farben, wenn sie zur Unterscheidung einer Ware oder Dienstleistung geeignet sind.1437 Beim Schutz dreidimensionaler Marken kann zwischen der produktunabhängigen, der Waren- und der Warenverpackungs-Formmarke unterschieden werden.1438 Nicht schutzfähig ist eine Form, die durch die Ware selbst bedingt ist, § 3 Abs. 2 Nr. 1, 2 MarkenG.1439 Eine Formmarke darf also kein funktionell notwendiger Bestandteil der Ware sein. Damit wird das Freihaltebedürfnis an ästhetischen Gestaltungsformen geschützt.1440 Dieses Kriterium ist mit der urheberrechtlichen Regel vergleichbar, wonach bei der Bestimmung der Individualität einer Gestaltung die durch den Gebrauchszweck vorgegebenen Aspekte nicht herangezogen werden dürfen.1441 Ob das auch für die Benutzungsmarke gilt, ist umstritten.1442 Problematisch ist auch § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, wonach die zu schützende Gestaltung der Ware nicht ihren wesentlichen Wert verleihen darf, wie dies bei Gestaltungen der angewandten Kunst wie einer Vase durchaus der Fall sein kann – 1433 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 201f.; Schack FS Rehbinder, S. 345; offen gelassen in EuGH EU:C:1997:517 = GRUR Int. 1998, 140 Tz 58 – Dior/Evora. 1434 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 34; differenzierend Schack FS Rehbinder, S. 345, 346. 1435 A. A. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 38. 1436 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 31. 1437 aaO S. 31f. 1438 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 166. 1439 Ohly GRUR 2007, 731, 733f.; Szalai ZUM 2014, 231, 233. 1440 Schack FS Rehbinder, S. 345, 347. 1441 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 35, oben S. 35f. 1442 Vgl. E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 169f.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
oder sogar soll.1443 Nicht gemeint ist hier die Anziehungskraft durch die bloße Bekanntheit der Ware, die die Marke ja gerade unterstützen soll. Vor 1995 waren nach § 1 WZG nur zweidimensionale Gestaltungen schutzfähig. Daneben war gemäß § 25 WZG die Ausstattung geschützt. Dieses nicht eingetragene Recht führte aber nur in wenigen Fällen zum Schutz von Gestaltungen der angewandten Kunst, weil die verwendeten Gestaltungselemente keine Verkehrsgeltung besaßen oder weil sie das Wesen der Ware oder Dienstleistung selbst ausmachten oder technisch bedingt waren.1444 Auch im Markenrecht gibt es Zeichen, die an der Grenze zwischen Schutzfähigkeit und freihaltebedürftigem Bereich liegen, sie haben eine schwächere Kennzeichnungskraft gegenüber ähnlichen, also nicht identischen Marken.1445 Vergleichbar mit dem modernen Designrecht kennt das Markenrecht neben der eingetragenen Marke auch die Benutzungs- und die Notorietätsmarke, für die in § 4 Nr. 2 und 3 aber höhere Anforderungen gelten. Die Abgrenzung zu vorbekannten Gestaltungen erfolgt im Markenrecht über das Merkmal der Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.1446 Die Eintragung als ermöglicht vielen Formen unter der Voraussetzung der Benutzung und Verlängerung nach § 47 Abs. 2 MarkenG einen unbefristeten Nachahmungsschutz, den das Design- und Urheberrecht nicht erreichen können.1447 Darin liegt einer Hauptgründe für das Spannungsverhältnis zwischen Markenund Urheberrecht.1448 Allerdings haben dreidimensionale Marken eine geringere Kennzeichnungskraft,1449 denn der Verkehr versteht die Form einer Ware üblicherweise nicht als Herkunftshinweis ,und es besteht bei üblichen Produktformen ein großes Freihaltungsinteresse.1450 Daher ist eine Eintragung von Formmarken im Ergebnis schwierig.1451 Der Schutzbereich einer Marke wird (abgesehen von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) durch die Verwechslungsgefahr bestimmt. Diese liegt vor, wenn zu befürchten ist, dass ein nicht unerheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise die fremde Ware oder Dienstleistung aufgrund der Zeichenähnlichkeit dem 1443 aaO S. 172f. 1444 G. Schulze Die kleine Münze, S. 291; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 161ff.; differenzierend Wassner Kunst, Geschmack und unlauterer Wettbewerb, S. 72ff. 1445 A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 139f. 1446 Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 34. 1447 Zentek GRUR 2012, 42, 45; Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 31; Ingerl/Rohnke 3. Aufl., § 47 Rn 5. 1448 Schack FS Rehbinder, S. 345, 349; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 159. 1449 aaO S. 183. 1450 BGHZ 166, 65 Tz 21 – Porsche Boxster ; vgl. EuGH EU:C:2003:206 = GRUR 2003, 514 Tz 73 – Linde, Winward und Rado. 1451 Ohly GRUR 2007, 731, 733.
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Abgrenzung zu verwandten Rechtsgebieten
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Betrieb des Zeicheninhabers zuordnet oder zumindest die organisatorische Verbundenheit der Hersteller annimmt. Damit ist der Schutzbereich deutlich kleiner als im Urheberrecht.1452 Ähnlich wie im Urheberrecht besteht auch im Markenrecht eine Wechselwirkung zwischen Kennzeichnungskraft der Marke und ihrem Schutzbereich.1453 Zuvor muss jedoch der Anwendungsbereich des Markenrechts eröffnet sein. Das ist nur dann der Fall, wenn ein Zeichen markenmäßig verwendet wird, also im geschäftlichen Verkehr der Zuordnung von Waren oder Dienstleistungen zu einem Anbieter dient, § 14 Abs. 2 MarkenG. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Urheberrecht, das mit Ausnahme sehr spezieller Schranken jegliche, auch private Nutzungen des Werks dem Urheber zuordnet und damit die vollständige Monopolisierung eines Zeichens für einen langen Zeitraum ermöglicht.1454 Das Markenrecht ist von vornherein auf die markenmäßige Nutzung eines Zeichens beschränkt.1455 Geschützt wird nicht die ideelle Beziehung des Urhebers zu seinem Werk, sondern die Unterscheidungskraft einer Marke in Bezug auf eine Ware oder Dienstleistung.1456 Unter Umständen können Schranken des Markenrechts jedoch auf das Urheberrecht übertragen werden:1457 Der Europäische Gerichtshof hat zu einem nach französischem Recht sowohl marken- als auch urheberrechtlich geschützten Parfümflakon entschieden, dass das Urheberrecht an einer Warenformmarke unter Umständen nicht weiter gehen kann als ihr markenrechtlicher Schutz.1458 Im deutschen Recht wurde hierfür der allgemeine Erschöpfungsgrundsatz herangezogen.1459 Besonders deutlich wird die Überschneidung von Urheber- und Markenrecht im Fall von Logos. Eine urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Unternehmenslogos hätte weit reichende Auswirkungen.1460 Erstens ist das Interesse neuer Marktteilnehmer an der Nutzung klarer, leicht wiederzuerkennender Formen groß. Viele dieser Formen werden jedoch irgendwo im Markt und irgendwo auf der Welt bereits genutzt, was im Markenrecht nur in bestimmten Fällen, nämlich bei einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Marke von Belang ist, während das formlose Urheberrecht universell gilt. Zweitens erlaubt das Markenrecht jedermann die Nutzung der geschützten 1452 1453 1454 1455 1456 1457 1458 1459 1460
aaO S. 199; Zentek WRP 2010, 73, 78. G. Schulze FS Schricker (2005), S. 523, 53. Handig IIC 2009, 665, 682. aaO 682. Rudes Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst, S. 37. E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 202f. EuGH GRUR Int. 1998, 140, 144 – Dior/Evora. BGHZ 144, 232, 237ff. – Parfümflakon; kritisch Schack FS Rehbinder, S. 345, 354f. Handig IIC 2009, 665, 677f.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
Zeichen außerhalb des geschäftlichen Verkehrs, § 14 Abs. 2 MarkenG. Wenn das Urheberrecht greift, könnte ein Unternehmen die Nutzung seines Logos viel leichter untersagen, zum Beispiel in der vergleichenden Werbung oder in der Berichterstattung außerhalb der engen Grenzen des § 50 UrhG.
IV.
Lauterkeitsrecht
Die Abgrenzung des urheberrechtlichen Schutzes der angewandten Kunst vom Lauterkeitsrecht betrifft die Frage des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes.1461 Danach sind Gestaltungen unterhalb der urheberrechtlichen Schutzschwelle unter bestimmten Voraussetzungen flexibel lauterkeitsrechtlich geschützt. Das Lauterkeitsrecht schützt auf diesem Wege identische Interessen mit ähnlichen Mitteln wie das Urheberrecht.1462 Der Gedanke des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Schutzes für Gestaltungen mit einem geringen Maß an Individualität hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Er ist auf Goldbaum zurückzuführen,1463 der »Telephonbücher und Rennberichte« auf den Schutz durch das Wettbewerbsrecht verwies.1464 2004 wurde die entsprechende Rechtsprechung zur Generalklausel des § 1 UWG 1909 erstmals normiert. Seit 2015 findet sie sich in § 4 Nr. 3 UWG.1465 Der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz wird auch als lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz bezeichnet.1466 Zunächst darf nach dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit1467 jenseits eines besonderen Unlauterkeitsvorwurfs aus § 4 Nr. 3 UWG alles nachgeahmt werden, was keinen besonderen immaterialgüterrechtlichen Schutz genießt.1468 Es ist also grundsätzlich erlaubt, fremde Produkte bis in kleinste Einzelheiten nachzuahmen. Denn das Lauterkeitsrecht schützt nicht ein Leistungs- oder Schöpfungsergebnis, sondern einen von von Innovation und Imitation geprägten Leistungswettbewerb.1469 1461 1462 1463 1464 1465 1466
Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 79; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 54ff. Ohly GRUR 2007, 731, 734. Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 78f. Goldbaum GRUR 1926, 297, 300. Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.1. BGH GRUR 2013, 951, Tz 20 – Regalsystem; Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.2, 3.3, 3.4. 1467 RGZ 120, 94, 97ff. – Huthaken; RG MuW 1927/28, 217 – Blumenvasen; RGZ 135, 385, 394 – künstliche Blumen; Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.3; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 57. 1468 BGH GRUR 1955, 516, 520 – Hummel-Figuren I; BGH GRUR 1976, 434, 436 – Merkmalklötze; Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 153; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 135. 1469 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 338f.
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Abgrenzung zu verwandten Rechtsgebieten
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Nach § 4 Nr. 3 UWG unlauter handelt, wer »Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind« und dabei eine von drei zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt, nämlich »a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat«. Systematisch ist die Vorschrift ein Beispielstatbestand der unlauteren Handlung und Teil des so genannten Mitbewerberschutzes.1470 Sie begründet kein subjektives Recht im Sinne eines Ausschließlichkeitsrecht wie das Urheberoder Markenrecht.1471 Von der Norm nicht erfasste Sachverhalte können unter die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG fallen.1472 Früher war eine Nachahmung erst dann unlauter im Sinne des § 1 UWG 1909 und damit rechtswidrig, »wenn besondere […] Gesichtspunkte die Ausnutzung der fremden Arbeitsleistung als sittenwidrig erscheinen lassen.«1473 Nur die durch besondere Umstände begründete Art und Weise der Benutzung einer fremden Leistung konnte also rechtswidrig sein.1474 Heute bedarf es bei Vorliegen der gesetzlichen Beispielstatbestände keiner zusätzlichen besonderen unlauteren Begleitumstände mehr.1475 Deren Kodifikation ist gerade das Ziel der Vorschrift.1476 Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Nr. 3 UWG ist der Anwendungsbereich des gesamten Lauterkeitsrechts zunächst auf Handlungen im geschäftlichen Verkehr beschränkt, vgl. §§ 3 Abs.1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.1477 Dieser Begriff ist weit zu verstehen, auch eine künstlerische oder wissenschaftliche Tätigkeit fällt darunter.1478 Weiter muss zwischen den Beteiligten ein mindestens mittelbares Wettbewerbsverhältnis bestehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG), woran der Anspruch häufig scheitert.1479 Dann muss sich die Nachahmung auf eine Ware oder Dienstleistung im weiteren Sinn beziehen1480 und am Markt angeboten werden. Bloße Ideen sind 1470 1471 1472 1473 1474 1475 1476 1477 1478 1479 1480
Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 0.1, 3.1. aaO § 4 Rn 3.4. aaO § 4 Rn 0.4. RGZ 135, 385, 395 – künstliche Blumen; RGZ 144, 41, 45 – Hosenträger. Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 57; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 137. Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.6, 3.7. aaO § 4 Rn 3.7. aaO § 4 Rn 3.18f.; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 148. Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 2 UWG Rn 29. G. Schulze Die kleine Münze, S. 284; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 148. Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.21.
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Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst
dabei nicht geschützt.1481 Vorsatz als im Rahmen des anspruchsbegründenden Tatbestands nicht erforderlich, jedoch Kenntnis in Bezug auf die Nachahmungshandlung.1482 Ausgehend vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit schützt das Lauterkeitsrecht nur Leistungen, die wettbewerbliche Eigenart aufweisen. Dazu muss ihre konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale die angesprochenen Verkehrskreise auf eine betriebliche Herkunft oder andere Besonderheiten hinzuweisen.1483 Gemeint sind Merkmale des nachgeahmten Erzeugnisses, die konkrete Güte- und Herkunftsvorstellungen hervorrufen.1484 In urheberrechtlicher Diktion ist die Eigenart als eine wettbewerbliche Schöpfungshöhe zu verstehen, deren Gesamteindruck durch »individuelle ästhetische Gestaltungsmerkmale« geprägt sein kann.1485 Technisch notwendige Gestaltungen bleiben hierbei außer Betracht.1486 Die wettbewerbliche Eigenart soll bei wirtschaftlich bedeutungsvollen Gestaltungen der Kleinen Münze in der Regel gegeben sein.1487 Dann muss ein besonderer, die Unlauterkeit begründender Umstand vorliegen. In der Fallgruppe der Herkunftstäuschung (lit. a) liegt dieser vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder von einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen.1488 Dies setzt eine gewisse Bekanntheit des Originals voraus.1489 Ein Ausnutzen der Wertschätzung einer fremden Leistung (lit. b) liegt vor, wenn die Nachahmung zu einer Rufausbeutung oder Rufbeeinträchtigung führt.1490 Das unredliche Erlangen der Kenntnisse oder Unterlagen (lit. c) ist schließlich für die hiesige Betrachtung nicht relevant. Zwischen den Tatbestandsmerkmale der Eigenart, der Nachahmung und der besonders unlauteren Umstände besteht eine Wechselwirkung, so dass die Schwäche des einen durch die Stärke des anderen ausgeglichen werden kann.1491 Ebenso sind von der wettbewerblichen Eigenart auch die Reichweite des Schutzes
1481 aaO § 4 Rn 3.23. 1482 aaO § 4 Rn 3.68; vgl. von Pilgrim Der urheberrechtliche Schutz der angewandten Formgestaltung, S. 36; G. Schulze Die kleine Münze, S. 284; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 349f. 1483 BGH WRP 1976, 370, 372 – Ovalpuderdose; BGH GRUR 2011, 83 Tz 52 – Lernspiele; BGH GRUR 2013, 951, Tz 19 – Regalsystem; BGH GRUR 2010, 80 Tz 23 – LIKEaBIKE; Köhler/ Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.24. 1484 BGH GRUR 2011, 83, Rz. 52 – Lernspiele; Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 154ff. 1485 BGHZ 60, 168, 170 – Modeneuheit; Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.27. 1486 Möhring/Nicolini/Ahlberg 3. Aufl., § 2 Rn 154ff.; Szalai ZUM 2014, 231, 233. 1487 G. Schulze Die kleine Münze, S. 284. 1488 Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.41, 3.42. 1489 aaO § 4 Rn 3.41a. 1490 aaO § 4 Rn 3.51. 1491 Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.69.
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Abgrenzung zu verwandten Rechtsgebieten
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gegen unlautere Handlungen1492 und die Schutzdauer1493 abhängig, was mit der Korrelation zwischen Individualität und Schutzumfang vergleichbar ist.1494 Abschließend ist die Zumutbarkeit abweichender Lösungen zu prüfen, die insbesondere bei ästhetisch-gestalterischen Erzeugnissen bestehen kann, wenn technische Notwendigkeiten keine derart ähnliche Gestaltung verlangen.1495 Hinsichtlich der Rechtsfolge sieht das Wettbewerbsrecht eine Verfolgung der Herstellung verletzender Produkte nicht vor, es besteht kein Anspruch auf Vernichtung.1496 Insgesamt ist der Schutzumfang deutlich geringer als beim Urheberrecht.1497 Die Dauer des Schutzes ist grundsätzlich unbegrenzt und hat ungenaue zeitliche Konturen.1498 Je länger eine Leistung schon am Markt angeboten wird, desto eher kann ein Marktteilnehmer sie übernehmen.1499 Jedenfalls ist die Schutzdauer der entsprechenden Sonderrechte zu beachten.1500 In der Vergangenheit gewährte die Rechtsprechung wettbewerbsrechtlichen Schutzdagagen sogar für Geschmacksmuster nach Ablauf von deren Schutzfrist.1501 Es gilt eine mit sechs Monaten sehr kurze Verjährungsfrist.1502 Das Verhältnis des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes zum Urheberrecht wird heute überwiegend als gleichrangig angesehen.1503 Danach besteht Anspruchskonkurrenz urheber- und wettbewerbsrechtlicher Ansprüche.1504 Als Argument wird angeführt, dass die beiden Rechtsgebiete unterschiedliche Schutzzwecke, Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen aufweisen.1505 Entsprechendes gelte für das Verhältnis zum Designrecht.1506 Wertungswidersprüche seien im Wege der Auslegung zu vermeiden.1507 Nach einer 1492 1493 1494 1495 1496 1497 1498 1499 1500 1501 1502 1503 1504 1505 1506 1507
BGH GRUR 1986, 673, 675 – Beschlagprogramm. BGH GRUR 1986, 895, 896 – Notenstichbilder. G. Schulze FS Schricker (2005), S. 520, 530; vgl. oben S. 33ff. G. Schulze aaO, S. 284; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 348f. BGH GRUR 1999, 751, 754 – Güllepumpen; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 148f. aaO S. 150. aaO S. 149. BGHZ 161, 204, 213 – Klemmbausteine III; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 58; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 349. Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.70. RGZ 120, 94, 98f. – Huthaken; Henssler Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur, S. 55. E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 150. BGH GRUR 2010, 80 Tz 18 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2012, 58 Tz 41 – Seilzirkus; BGH GRUR 2013, 951, Tz 20 – Regalsystem; Schricker/Loewenheim 4. Aufl., Einl. Rn 53; Köhler/ Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.6f.; Geier Schutzkumulationen, S. 74f. aaO § 4 Rn 3.6a. BGH GRUR 2013, 951, Tz 20 – Regalsystem; Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.6a. BGH GRUR 2006, 79 Tz 18 – Jeans I; Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.6f. aaO § 4 Rn 3.6a.
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anderen ist der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz zu Ansprüchen aus Immaterialgüterrechten aufgrund ihrer Spezialität subsidiär.1508 Da der so genannte ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz im Ergebnis nur selten zugesprochen wird, wird er nicht als ausreichendes Schutzregime für Gestaltungen unterhalb der urheberrechtlichen Schutzschwelle angesehen.1509 Meist fehlt es wie dargestellt an den besonderen die Unlauterkeit begründenden Umständen.1510 Außerdem schränkt das Erfordernis der geschäftlichen Handlung den Anwendungsbereich gegenüber dem Urheberrecht deutlich ein,1511 dasselbe gilt für die Voraussetzung der Wettbewerbsbezogenheit. Problematisch sei wegen der weichen Kriterien und des wandelbaren Richterrechts auch die ungenügende Rechtssicherheit eines solchen Schutzes.1512 Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden Schutzregime, nämlich dem Schutz persönlicher Schöpfungen als Arbeitsergebnisse auf der einen und dem Schutz des lauteren Wettbewerbs, also die Art und Weise ihrer Nutzung auf der anderen Seite1513 verwundert dieses Ergebnis freilich nicht. Doch ist es grundsätzlich sinnvoll, Fälle im Grenzbereich bestehender Schutzrechte des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts über das Lauterkeitsrecht zu erfassen, solange bis erkannte Schutzlücken spezialgesetzlich geschlossen werden.1514 Zum Beispiel waren die heute durch besondere Leistungsschutzrechte im Urheberrechtsgesetz geschützten Leistungen mit rein gewerblichem Charakter von der Editio princeps bis zum Tonträger bis 1966 vom Lauterkeitsrecht (§ 1 UWG a. F.) erfasst.1515 Schutzsubjekt des ergänzenden Leistungsschutzes ist der gewerbliche Nutzer von Werken der angewandten Kunst und nicht deren Urheber. Seine Leistung wird hier nur reflexartig geschützt.1516 Deshalb besteht hier auch nur ein Abwehrrecht
1508 BGHZ 118, 394, 400 – ALF; Ohly GRUR 2007, 731, 736; Wandtke/Bullinger 4. Aufl., § 2 Rn 160. 1509 G. Schulze Die kleine Münze, S. 285; Loewenheim GRUR 1987, 761, 768. 1510 G. Schulze Die kleine Münze, S. 285. 1511 A. A. mit Verweis auf die Privatkopie Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 299. 1512 G. Schulze FS Schricker (2005), S. 520, 530; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 373; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 151. 1513 BGH GRUR 1962, 299, 303 – form-strip; Loewenheim GRUR 1987, 761, 768; A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 131; Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 295. 1514 Kur GRUR 1990, 1, 15; Knöbl Die »kleine Münze«, S. 355f., 371ff., 426ff.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 298; vgl. Thoms Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 294; a. A. Krüger GRUR 1986, 115, 121ff. 1515 Knöbl Die »kleine Münze«, S. 316f.; Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 80. 1516 Loewenheim GRUR 1987, 761, 768.
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gegen Konkurrenten; positive Nutzungsrechte, die der Urheber durch Lizenzierung wirtschaftlich verwerten könnte, gibt ihm das Wettbewerbsrecht nicht.1517 Ein Sonderfall ist der ergänzende wettbewerbsrechtliche Schutz für Modeerzeugnisse. Im Bereich der Mode scheitert ein urheberrechtlicher Schutz von Entwürfen aufgrund der in dieser Branche häufigen Kombination und Neuinterpretation vorbekannter Gestaltungen häufig am Erfordernis der Individualität.1518 Auch die Anmeldung eines Geschmacksmusters ist in dieser schnelllebigen Branche zu zeitaufwändig und schwierig1519 und scheitert oft an fehlender objektiver Neuheit.1520 Der Bundesgerichtshof1521 hat über das Lauterkeitsrecht Modeerzeugnisse für eine Saison vor Nachahmung geschützt. Gerechtfertigt wird dies mit dem Schutz des Kosten- und Arbeitsaufwands, der sich in dieser Branche innerhalb einer Saison rentieren müsse.1522 Die Gestaltungen dürfen dabei auf Vorbekanntes zurückgreifen, soweit dies in der Saison erstmalig geschieht und als eine eigenartige Modeneuheit empfunden wird. Seitdem es das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gibt, ist der ergänzende wettbewerbsrechtliche Schutz für Modeerzeugnisse jedoch wohl überholt.1523 Schon vor dem »Geburtstagszug«-Urteil wurde festgestellt, dass bei einer Absenkung der urheberrechtlichen Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst der ergänzende Leistungsschutz insgesamt obsolet werde.1524 Bereits das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster verdränge den ergänzenden Leistungsschutz fast völlig und biete adäquaten Schutz für wenig individuelle Gestaltungen der angewandten Kunst.1525 Es ist daher zu fragen, ob es eines ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes weiterhin bedarf. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Konstruktion überhaupt erst geschaffen wurde, weil die Rechtsprechung die besonderen Schutzanforderungen des Geschmacksmusterrechts als unpassend empfand. Wenn das Urheberrecht nun mit der Absenkung der Schutzschwelle zumindest teilweise an seine Stelle rückt, sind hier auch keine Anmelde- und Neuheitserfordernisse mehr zu überbrücken. Davon ausgehend mag man argumentieren: Ebenso wie das Erfordernis einer 1517 1518 1519 1520 1521 1522 1523
A. Nordemann/Heise ZUM 2001, 128, 131. Ohly GRUR 2007, 731, 732. Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 826. Krüger GRUR 1986, 115, 118. BGHZ 60, 168, 172 – Modeneuheit. Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 77. Schack Kunst und Recht, 2. Aufl., Rn 826; Fromm/Nordemann/A. Nordemann 11. Aufl., § 2 Rn 176; Gottschalk/ Gottschalk GRUR Int. 2006, 461, 466; vgl. Zentek WRP 2010, 73, 77; a. A. wegen der häufig fehlenden Neuheit Köhler/Bornkamm 34. Aufl., § 4 Rn 3.8. 1524 E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 157. 1525 Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 83; E. von Gamm Die Problematik der Gestaltungshöhe im deutschen Urheberrecht, S. 157.
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besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst entfallen musste, weil sich der Schutzbereich des Designrechts verschob, muss auch der ergänzende Leistungsschutz im Wettbewerbsrecht entfallen, wenn er sich nicht mehr mit den besonderen Erfordernissen des Design- und Urheberrechts begründen lässt. Beispielhaft erwähnt sei die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einer Billiguhr der Firma Tchibo, die angesichts des großen Preisunterschieds zu zwei ähnlichen Rolex-Uhren zwar nicht über ihre Herkunft täuschte, aber dennoch wegen Ausnutzens des Sozialprestiges typischer Luxusartikel für unlauter gehalten wurde.1526 Ein solcher Fall könnte künftig anders zu entscheiden sein, sollte der neue Maßstab der urheberrechtlichen Schöpfungshöhe auch RolexUhren erfassen. Im zweiten Schritt müsste dann ausgelotet werden, wie weit der vom Bundesgerichtshof ausdrücklich als gering bezeichnete Schutzbereich reicht, insbesondere, wenn ein nachahmendes Produkt möglichst nah am Original zu bleiben versucht, ohne die Grenzen des Wettbewerbs- und eventuell des Markenrechts zu überschreiten. Parallel müsste man fragen, ob der Fall über ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster lösbar wäre. Dessen dreijährige Schutzfrist dürfte dann nicht durch einen ergänzenden Leistungsschutz umgangen werden.
V.
Zwischenergebnis
Der Schutz von Gestaltungen der angewandten Kunst erfolgt hauptsächlich durch das Urheberrecht, sie werden jedoch auch von anderen Immaterialgüterrechten erfasst. Der urheberrechtliche Schutz geht am weitesten, weil er das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt, nicht auf die gewerbliche Nutzung beschränkt ist, abgesehen vom Markenrecht die längste Schutzdauer aufweist, es keiner Anmeldung bedarf und weil er das Werk als solches und nicht nur in Bezug auf eine technische Komponente oder bestimte Waren oder Dienstleistungen schützt. Eine Absenkung der Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst führt zu einer vermehrten Parallelität von urheber- und markenrechtlichem Schutz besonders im Bereich des Grafikdesigns. Dagegen wird das Lauterkeitsrecht zurückgedrängt, da der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz seine Rechtfertigung verloren hat. Große Überschneidungen bestehen trotz der neu definierten Schutzrichtung mit dem Designrecht, vor allem mit dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster. 1526 BGH GRUR 1985, 876, 878 – Tchibo/Rolex; Meineke Nachahmungsschutz für Industriedesign, S. 77.
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Vorschläge
E.
Vorschläge
Abschließend sollen Vorschläge unterbreitet werden, wie mit der neu definierten urheberrechtlichen Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst sinnvoll umzugehen ist. Die betroffenen Gestaltungen sollten wie bisher vom allgemeinen Werkbegriff des § 2 UrhG erfasst werden. Fraglich ist jedoch, ob das Problem des urheberrechtlichen Schutzes der angewandten Kunst durch einen anderen Schutzinhalt oder -umfang gelöst werden kann.1527 Dies kann durch die Schaffung einer besonderen Schranke für Abbildungen (I.), den Ausschluss durch den Gebrauchszweck bedingter Gestaltungen (II.) und die Verkürzung der urheberrechtlichen Schutzfrist für Werke der angewandten Kunst (III.) erfolgen. Schließlich ist die Position der Schutzschwelle interessengerecht zu fixieren (IV.).
I.
Abbildungsfreiheit als neue Schranke
Zunächst ist die Einführung einer neuen urheberrechtlichen Schranke für Abbildungen zu fordern. Eine Ausweitung des Schutzes für Werke der angewandten Kunst bedeutet nämlich die Monopolisierung des Aussehens einer Vielzahl von Alltagsgegenständen. Hier muss es der Allgemeinheit möglich sein, ihre Umgebung abzubilden, ohne permanent dem Vorwurf von Urheberrechtsverletzungen ausgesetzt zu sein.1528 Da die Rechtsprechung einer analogen Anwendung der Panoramafreiheit bereits eine Absage erteilt hat,1529 ist eine gesetzliche Regelung erforderlich.
II.
Ausschluss durch den Gebrauchszweck bedingter Gestaltungen
Ohne einen Gestaltungsspielraum kann kein Urheberrecht entstehen Bei Werken der angewandten Kunst kann er jedoch sehr klein sein oder sogar ganz fehlen. Doch kann man insbesondere modernem Design nicht den urheberrechtlichen Schutz nur deshalb versagen wollen, weil die Gestaltung sich durch eine besondere Reduktion gestalterischer Elemente auszeichnet. Gerade darin kann nämlich die besondere künstlerische Leistung liegen.1530 Eine Gestaltung, die nur eine technische Lösung verkörpert und dabei ästhetisch wirkt, reicht dafür freilich nicht aus. Die Monopolisierung technischer 1527 1528 1529 1530
Vgl. Zech Der Schutz von Werken der angewandten Kunst, S. 2. Oben S. 153ff. BGHZ 144, 232, 237 – Parfümflakon. Oben S. 143f.; RGZ 139, 214, 218f. – Türdrücker.
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Lösungen ist dem Urheberrecht nämlich fremd. Wenn sich aber die besondere Individualität gerade in Elementen niederschlägt, die zufällig auch dem Gebrauchszweck dienen, kann dies kein Argument sein, den urheberrechtlichen Schutz zu versagen. Besonders funktionale und damit dem modernen Kunstverständnis in besonderem Maße entsprechende Gestaltungen dürfen vom Urheberrecht nicht ausgeschlossen sein. Daher ist hier eine besonders behutsame Abgrenzung erforderlich.
III.
Verkürzung der Schutzfrist für Werke der angewandten Kunst
Es ist beinahe schon zum Ceterum censeo der Urheberrechtler geworden, die Verkürzung der Schutzfrist zu fordern oder zumindest vor den Gefahren einer weiteren Verlängerung zu warnen.1531 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, und zwar unabhängig von der betroffenen Werkart. Doch gerade im Bereich der angewandten Kunst sind die Amortisationszeiträume typischerweise kurz und das Teilhabeinteresse der Allgemeinheit besonders groß.1532 Deshalb ist, wie auch früher schon,1533 eine deutliche Verkürzung der urheberrechtlichen Schutzfrist gerade für Werke der angewandten Kunst zu fordern, am besten nach vormals britischem Vorbild1534 auf lediglich 25 Jahre. Dabei ist daran zu erinnern, dass sich die Schutzdauer-RL für den Werkbegriff ausdrücklich auf die Berner Übereinkunft bezieht,1535 die in Art. 7 Abs. 4 RBÜ für die angewandte Kunst nur eine Schutzfrist von 25 Jahren post creationem vorschreibt.1536
1531 Z. B. Schack Urheberrecht, 7. Aufl., Rn 515, 518; ders. FS Wadle, S. 1005, 1023; ders. FS Wandtke, S. 9, 16f.; Rehbinder/Peukert Urheberrecht, 17. Aufl., Rn 751; Seidel Die zeitliche Begrenzung des Urheberrechts, S. 145, 161. 1532 Oben S. 150ff. und 157. 1533 Gerstenberg GRUR 1974, 707, 710; oben S. 73f. 1534 Kur FS Bornkamm, S. 849, 858; oben S. 176. 1535 Art. 1 Nr. 1 RL 2006/116/EG. 1536 Kur FS Bornkamm, S. 849, 854, 858; oben S. 45.
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5. Teil: Zusammenfassung
Die neue Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst ist gesetzlich als »persönliche geistige Schöpfung« in § 2 Abs. 2 UrhG und zugleich durch die Formel der Rechtsprechung als »nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise ›künstlerische‹ Leistung« wie bei der reinen Kunst definiert.1537 Doch bleibt es dabei, dass die Schutzschwelle weder zwischen den Werkarten des § 2 Abs. 1 UrhG noch innerhalb der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Fallgruppen linear verläuft.1538 Eine einheitlich definierte Schutzschwelle bedeutet also nicht deren einheitliche Anwendung in der Praxis. Bei der Fixierung der urheberrechtlichen Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst ist zu beachten, dass das Geschmacksmuster heute kein »Unterbau« des Urheberrechts mehr ist. Doch ist das Designrecht trotz seiner lateralen Verschiebung funktional nach wie vor eng mit dem Urheberrecht verwandt, insbesondere das nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster als ebenfalls formloses Schutzrecht.1539 Das bedeutet, dass das Schutzbedürfnis der Designer nicht ausschließlich vom Urheberrecht erfüllt werden muss. Die nähere Untersuchung der Schutzschwelle hat ergeben, dass sich an ihrer Definition nur ein Detail geändert hat, nämlich der Wegfall des Erfordernisses eines deutlichen Überragens der Durchschnittsgestaltung. Stattdessen stellt sich jetzt unmittelbar die Frage nach dem künstlerischen Charakter des Werks. Viele Gestaltungen der angewandten Kunst lassen sich allerdings nur schwer am Maßstab der reinen Kunst messen.1540 Bei eher technischen Gestaltungen, insbesondere bei Werken des Produktdesigns, hat der Ausschluss durch den Gebrauchszweck, also technisch be1537 1538 1539 1540
Oben S. 123. Oben S. 25ff. Oben S. 146ff.; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 72. Oben S. 140f.
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Zusammenfassung
dingter Elemente an Bedeutung gewonnen. Auch bei eher künstlerischen Gestaltungen wie Werken des Grafikdesigns kommt es entscheidend auf den Gestaltungsspielraum an. Auch diese beiden Aspekte sprechen dafür, die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst in der Praxis nach wie vor nicht zu niedrig anzusetzen. Darüber hinaus bestehen bei Gestaltungen der angewandten Kunst ein großes Teilhabeinteresse der Allgemeinheit und ein besonderes Freihaltebedürfnis der Gesamtheit aller Designer.1541 Bei einfachen Gestaltungen der angewandten Kunst würde ein urheberrechtlicher Schutz dazu führen, dass die Gesellschaft insgesamt und die Designer im Besonderen für sehr lange Zeit von der Nutzung und Weiterentwicklung von Gebrauchsgegenständen und Gebrauchsgrafiken ausgeschlossen würden. Um eine unverhältnismäßige Monopolisierung zum Nachteil der Allgemeinheit1542 zu verhindern, sind die Schutzanforderungen im Bereich der angewandten Kunst weiterhin dieser besonderen Interessenlage anzupassen.1543 Wenn man mit der Voraussetzung des Bundesgerichtshofs ernst macht, dass die Gestaltung »über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch« sein und »eine Gestaltungshöhe erreich[en muss], die Urheberrechtsschutz rechtfertigt«,1544 wird sich die urheberrechtliche Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst praktisch nicht verschieben – es ändert sich allein die Terminologie.
Thesen 1. Ein urheberrechtlich geschütztes Werk liegt nach § 2 Abs. 2 UrhG vor, wenn eine Gestaltung eine persönliche geistige Schöpfung ist. Dazu muss sie eine persönliche Schöpfung sein, eine wahrnehmbare Form haben, einen geistigen Gehalt sowie Individualität aufweisen.1545 2. Der Grad der in einer Gestaltung verkörperten Individualität des Urhebers ist die Schöpfungshöhe.1546 Das für den urheberrechtlichen Schutz einer Gestaltung erforderliche Maß an Individualität ist die urheberrechtliche Schutzschwelle.1547 1541 1542 1543 1544 1545 1546 1547
Oben S. 150ff. Erdmann FS Loschelder, S. 61, 72. aaO S. 70; Geier Schutzkumulationen S. 205f.; vgl. Hahn/Glückstein ZUM 2014, 380, 381f. BGHZ 199, 52 Tz 41 – Geburtstagszug; Schack JZ 2014, 207, 208. S. 14f. S. 20ff. S. 23ff.
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Thesen
3. Technisch bedingte Elemente bleiben bei der Bestimmung der Schöpfungshöhe einer Gestaltung außer Betracht.1548 4. Der Schutzumfang eines Werks ist proportional zur Schöpfungshöhe.1549 5. Die urheberrechtliche Schutzschwelle verläuft nicht linear. Sie ist sowohl zwischen den Werkarten des § 2 Abs. 1 UrhG als auch innerhalb der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen unterschiedlich hoch.1550 6. Der Begriff der Kleinen Münze bezeichnet Gestaltungen, die ein gerade ausreichendes Maß an Individualität aufweisen. Er ist jedoch als zu unbestimmt abzulehnen und sollte durch den der Schutzschwelle ersetzt werden.1551 7. Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG sind Werke der bildenden Kunst mit einem Gebrauchszweck.1552 8. Dekorationsgegenstände haben keinen Gebrauchszweck. Sie sind der reinen Kunst zuzuordnen.1553 9. Gestaltungen der angewandten Kunst können in das Grafikdesign und das Produktdesign eingeteilt werden.1554 Eine systematische Betrachtung offenbart eine Vielzahl erfasster Gestaltungen.1555 10. Im Bereich der angewandten Kunst bestehen ein besonders hohes Freihaltebedürfnis der Gesamtheit der Designer und ein großes Teilhabeinteresse der Allgemeinheit.1556 11. Das Erfordernis der Eigentümlichkeit in § 1 Abs. 2 GeschmMG a. F. fand seine Entsprechung in der urheberrechtlichen Individualität.1557 Dies führte zu einer Überschneidung der Schutzbereiche von Urheber- und Geschmacksmusterrecht.1558 12. Das vom Reichsgericht im »Schulfraktur«-Urteil aufgestellte Erfordernis einer besonderen Schöpfungshöhe für Werke der angewandten Kunst zur Abgrenzung von Urheber- und Geschmacksmusterrecht (»Stufentheorie«)1559 galt mehr als ein Jahrhundert lang.1560 Es war durchgängig Gegenstand einer intensiven urheberrechtlichen Debatte.1561 1548 1549 1550 1551 1552 1553 1554 1555 1556 1557 1558 1559 1560 1561
S. 35f. S. 33ff. S. 25ff. S. 28ff. S. 48ff. S. 52ff. S. 57. S. 57ff. S. 150ff. S. 77f. S. 79ff. S. 79ff. S. 82ff. S. 85ff.
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Zusammenfassung
13. Werke der reinen Kunst sind danach schutzfähig, wenn sie eine Schöpfungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer »künstlerischen« Leistung zu sprechen.1562 14. Für die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst wurde, verglichen mit der reinen Kunst, ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung gefordert.1563 15. Die Designbranche umgeht das Erfordernis der Schöpfungshöhe teilweise mit unwirksamen vertraglichen Fiktionen.1564 16. Mit der Umsetzung der Geschmacksmusterrichtlinie und der Abschaffung des Kriteriums der Eigentümlichkeit in der Geschmacksmusterrechtsreform 2004 war der Stufentheorie die dogmatische Grundlage entzogen.1565 17. Ein einheitlicher europäischer Werkbegriff besteht nicht.1566 Dass das europäische Urheberrecht keine Vorgaben zur Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst macht, zeigt insbesondere Art. 17 S. 2 Geschmacksmuster-RL.1567 18. Angesichts der Reform des Geschmacksmusterrechts hat der Bundesgerichtshof die Stufentheorie im »Geburtstagszug«-Urteil aufgegeben.1568 Seiner Argumentation ist zuzustimmmen.1569 19. Seit dem »Geburtstagszug«-Urteil gilt für Werke der angewandten Kunst die allgemeine Schutzschwelle für Werke der reinen Kunst.1570 20. Eine einheitliche, am Maßstab der reinen Kunst definierte Schutzschwelle führt grundsätzlich zur Anhebung der Schutzanforderungen für die angewandte Kunst.1571 21. In der Praxis führt die einheitliche Definition jedoch nicht zu einer einheitlichen Schutzschwelle, da die Rechtsprechung die unterschiedlichen Anforderungen und Interessen weiterhin berücksichtigen muss.1572 22. Bei angewandter Kunst sind künstlerische Elemente oft durch den Gebrauchszweck bedingt oder es fehlt an einem ausreichenden Gestaltungsspielraum, so dass diese Gestaltungen keinen Schutz genießen.1573 1562 1563 1564 1565 1566 1567 1568 1569 1570 1571 1572 1573
S. 41f. und 75f. S. 79. S. 68ff. S. 115ff. S. 109f. aaO. S. 124f. S. 136f. S. 123. S. 140f. S. 141. S. 141f.
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Thesen
23. Die Rechtsprechungsänderung führt zunächst zu erhöhter Rechtsunsicherheit bei der Bestimmung der urheberrechtlichen Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst.1574 24. Gestaltungen, die die urheberrechtliche Schutzschwelle nicht erreichen und auch die Schutzanforderungen des Designrechts nicht erfüllen, können allenfalls über den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz des § 4 Nr. 3 UWG geschützt werden.1575 25. Auch nach der Reform ist die Funktion des Designrechts mit dem urheberrechtlichen Schutz der angewandten Kunst vergleichbar.1576 26. Infolge der Rückwirkung der Rechtsprechungsänderung besteht die Gefahr nachträglich eingetretener Urheberrechtsverletzungen, jedoch nur wenn man (entgegen Nr. 30) von einer Absenkung der Schutzschwelle ausgeht.1577 27. Eine rechtsvergleichende Analyse zeigt international deutliche Unterschiede beim urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst.1578 28. De lege ferenda ist für Werke der angewandten Kunst eine Abbildungsfreiheit als neue urheberrechtliche Schranke zu fordern1579 und 29. die Schutzfrist für Werke der angewandten Kunst sollte deutlich verkürzt werden.1580 30. In praktischer Hinsicht ist die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst unverändert hoch anzusetzen.1581 Grund hierfür sind das hohe Freihaltebedürfnis und das Teilhabeinteresse der Allgemeinheit an diesen Gestaltungen.
1574 1575 1576 1577 1578 1579 1580 1581
S. 145f. S. 146ff. S. 146ff. S. 152f. S. 183ff. S. 153ff. und 199. S. 157 und 200. S. 202.
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10:
Die Schutzschwelle im urheberrechtlichen Koordinatensystem. Der Verlauf der Schutzschwelle. Relatives Verständnis der Kleinen Münze als gerade noch geschützte Werke. Absolutes Verständnis der Kleinen Münze als Begriff für Werke mit geringer Schöpfungshöhe. Anton Puchegger (1878–1917): »Missie«, Palisander, 1916/1917, 10V36V35 cm, Alte Nationalgalerie. FranÅois Pompon (1855–1933): »Ours Blanc«, Marmor, ca. 1923, 28V48V17 cm, Metropolitan Museum of Art. Versuch einer Systematik der Werke der angewandten Kunst. Die Stufentheorie im urheberrechtlichen Koordinatensystem. Heike Wiechmann (*1963): »Geburtstagszug«, Tinte auf Papier, 1998, 42V30 cm, Privatsammlung. Heike Wiechmann (*1963): »Geburtstags-Karavane«, Tinte auf Papier, 1998, 42V30 cm, Privatsammlung.
24 27 30 31 53 54 58 82 121 121
Abbildungsnachweise – Zeichnung »Geburtstagszug«: BGHZ 199, 52 Tz 1 – Geburtstagszug. – Zeichnung »Geburtstags-Karavane«: BGH GRUR 2016, 1291 Tz 1 – Geburtstagskarawane. – Foto »Ours Blanc«: Metropolitan Museum of Art, www.metmuseum.org. – Foto »Missie«: ATGF12, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3. 0/legalcode.
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Dank
Zu großem Dank verpflichtet bin ich meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. iur. Haimo Schack, LL.M. (Berkeley), für die Betreuung dieser Arbeit. Herrn Professor Dr. iur. Joachim Jickeli danke ich für das Zweitgutachten. Für wertvolle Gespräche und Impulse danken möchte ich Frau Rechtsanwältin Dr. iur. Johanna Büstgens, Herrn Dr. phil. Helge David, Frau Rechtsanwältin Dr. Franziska Greiner, Herrn Rechtsanwalt Christlieb Klages, MBA, Herrn Rechtsanwalt Dr. iur. Ansgar Koreng, Herrn Dipl.-Des. Martin Kraft, Herrn Diplom-Jurist Tobias Lutzi, LL.M., M.Jur., Ma%tre en droit, Herrn Rechtsanwalt Alexander Noß, Frau Ref. iur. Elena Patschkowski, Herrn Rechtsanwalt Bertold Schmidt-Thom8, M.A., Herrn Rechtsanwalt Marc Robin Wiemert und Herrn Patrik Zill, B.Sc. Große Unterstützung bei der Erstellung der Arbeit habe ich durch Herrn Dipl.-ing.oec. Björn Gissa und durch meine Familie, besonders Frau Dr. med. Karin Mezger und Herrn Professor Dr. med. Jörg Mezger erfahren. Finanziell ermöglicht wurde die Arbeit schließlich durch ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Arbeit wurde im November 2016 abgeschlossen. Sie ist Wenzel Goldbaum (1881–1960, weiland bis zur Emigration Rechtsanwalt in Berlin) und Manfred Boehringer (1904–1974, weiland Senatspräsident in Stuttgart) gewidmet. Hamburg, im November 2016 Lukas Mezger
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Weitere Bände dieser Reihe Band 41: Dominik König Das einfache, unentgeltliche Nutzungsrecht für jedermann 2016. 333 Seiten, gebunden € 50,– D ISBN 978-3-8471-0610-4
Band 40: Antonia Kutscher Der digitale Nachlass 2015. 193 Seiten, gebunden € 35,– D ISBN 978-3-8471-0436-0
Band 39: Jann Hendrik Cornels Die Schranken des Designrechts 2015. 162 Seiten, gebunden € 35,– D ISBN 978-3-8471-0435-3
Band 38: Bastian Selck Entschädigungsansprüche und andere Sanktionen vor Vollrechtserwerb im Gewerblichen Rechtsschutz 2014. 146 Seiten, gebunden € 30,– D ISBN 978-3-8471-0318-9
Band 37: Constanze Thönebe Kunstwerke in der Ausstellungsund Verkaufswerbung und in Museumskatalogen 2014. 458 Seiten, gebunden € 65,– D ISBN 978-3-8471-0225-0
Band 36: Dominik Sebastian Stier Die Unterbrechung urheberrechtlicher Lizenzketten 2014. 219 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0195-6
Band 35: Lena Vitols Der Zwangslizenzeinwand gegen Unterlassungsansprüche des Immaterialgüterrechts 2013. 145 Seiten, gebunden € 35,–D ISBN 978-3-8471-0103-1
Band 34: Henrik Hanßen Schutz der Wettbewerber vor unzutreffenden Äußerungen über den Stand der Technik in Patentund Gebrauchsmusterschriften 2012. 160 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0033-1
Band 33: Justus Gaden Die Wiederholungsmarke 2012. 124 Seiten, gebunden € 28,– D ISBN 978-3-8471-0012-6
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