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German Pages 298 Year 2015
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 323
Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Synallagma des Arbeitsvertrags Eine Untersuchung des rechtlichen Verhältnisses von Arbeit und Lohn
Von
Arendt Gast
Duncker & Humblot · Berlin
ARENDT GAST
Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Synallagma des Arbeitsvertrags
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn
Band 323
Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Synallagma des Arbeitsvertrags Eine Untersuchung des rechtlichen Verhältnisses von Arbeit und Lohn
Von
Arendt Gast
Duncker & Humblot · Berlin
Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.
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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-14053-4 (Print) ISBN 978-3-428-54053-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84053-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinen Eltern
Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine aktualisierte Fassung meiner Dissertationsschrift, die von der Bucerius Law School im Dezember 2012 angenommen worden ist. Die mündliche Prüfung erfolgte am 6. Dezember 2012. Die Arbeit wurde im Juli 2012 abgeschlossen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Dezember 2013 berücksichtigt worden. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Matthias Jacobs, für die Betreuung der vorliegenden Arbeit sowie für die interessante, schöne und in vielerlei Hinsicht lehrreiche Zeit an seinem Lehrstuhl. Herrn Prof. Dr. Henner Wolter sei für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens gedankt. Zu danken habe ich auch dem Hamburger Verein für Arbeitsrecht e.V., der die vorliegende Arbeit mit seinem Dissertationspreis ausgezeichnet hat. Ferner danke ich Frau Rechtsanwältin Birgit Odernheimer für ihre tatkräftige Hilfe bei der Korrektur der Arbeit und das stets offene Ohr für die vielen verqueren juristischen und nicht juristischen Gedanken, die im Laufe der Erstellung dieser Arbeit aufkamen. Darüber hinaus danke ich dem Team des Lehrstuhls PR III sowie dem Kreis der ehemaligen und aktiven wissenschaftlichen Mitarbeiter der Bucerius Law School, die die Entstehung dieser Arbeit begleitet haben, für die spannende und schöne gemeinsame Zeit. Ganz besonderer Dank gebührt schließlich meinen Eltern, die mir während meines Studiums und meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter stets unterstützend zur Seite standen. Hamburg, im April 2014
Arendt Gast
Inhaltsübersicht § 1 Das Synallagma des Arbeitsvertrags ein vernachlässigtes Stiefkind der Arbeitsrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Der Arbeitsvertrag als Austauschvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Historische Entwicklung der Dogmatik des Arbeitsvertragsrechts . . . . . . . . B. Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen und das Synallagma des Arbeitsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Begriff Synallagma als Bezeichnung für die Austauschbeziehung in gegenseitigen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sicherung des Leistungsaustauschs durch das genetische, konditionelle und funktionelle Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen als Problem des konditionellen Synallagmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem des konditionellen Synallagmas und seiner Durchbrechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das konditionelle Synallagma als wesentlicher Bestandteil der Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Prinzip des konditionellen Synallagmas und die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gründe für eine Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Lohnminderungsrecht de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 Abgrenzung von teilweiser Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 A. Grundsätzlicher Vorrang der Schlechterfüllung nach §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 B. Lohnminderung bei funktionalen Teilleistungen nach Kerstin Tillmanns . . 98 C. Die Arbeitsleistung als lediglich zeitlich teilbare Leistung . . . . . . . . . . . . . . 118
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Inhaltsübersicht D. Maßgebliche Identifikationsmerkmale für die Unterscheidung von Nichtund Schlechterfüllung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
§ 6 Verschuldensabhängige Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen A. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gründe für eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Pflicht zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Dienste . . . . . . . B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 8 Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 BGB oder Aufwendungsersatz nach § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Haftungserleichterung für Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Beweislastverteilung, § 619a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Aufrechnung und Pfändungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
Inhaltsverzeichnis § 1 Das Synallagma des Arbeitsvertrags ein vernachlässigtes Stiefkind der Arbeitsrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Der Arbeitsvertrag als Austauschvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Historische Entwicklung der Dogmatik des Arbeitsvertragsrechts . . . . . . . . I. Konzeption des Arbeitsverhältnisses um 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis – ein Tropfen sozialistischen Öls? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorübergehende Abkehr vom schuldrechtlichen Austauschverhältnis unter dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit . . . . . . . . . . . . . . IV. Rückkehr zum Gedanken des schuldrechtlichen Austauschverhältnisses nach Aufhebung des AOG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Arbeitsverhältnis als schuldrechtliches Austauschverhältnis – der heutige Stand der Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Arbeitsverhältnis als schuldrechtliches Austauschverhältnis . . 2. Abweichende Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gründe für die Einordnung des Arbeitsvertrags als schuldrechtlichem Austauschvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen und das Synallagma des Arbeitsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Begriff Synallagma als Bezeichnung für die Austauschbeziehung in gegenseitigen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sicherung des Leistungsaustauschs durch das genetische, konditionelle und funktionelle Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Genetisches Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konditionelles Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktionelles Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen als Problem des konditionellen Synallagmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nichtleistung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entfallen der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 2. „Ohne Arbeit kein Lohn“ – Auswirkung der Nichtleistung auf den Anspruch auf Entgeltzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schlechterfüllung der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bisherige Ansätze zur Durchsetzung des Prinzips des konditionellen Synallagmas durch Begründung eines Lohnminderungsrechts bei arbeitnehmerseitigen Schlechtleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lohnminderung gemäß dem Rechtsgedanken der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung im gegenseitigen Vertrag . . . . b) Lohnminderung in entsprechender Anwendung von Vorschriften des Werkvertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 320 BGB als Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers . . . . . . . d) Lohnminderung nach § 614 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) „Schadensersatzrechtliche“ Lohnminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Lohnminderung wegen qualitativer Teilunmöglichkeit nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 323 Abs. 1 BGB a. F. . . . . . . . . aa) Rechtslage unter dem alten Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtslage unter der Geltung des modernisierten Schuldrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Dogma von der leistungsstörungsrechtlichen Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem des konditionellen Synallagmas und seiner Durchbrechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das konditionelle Synallagma als wesentlicher Bestandteil der Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags und verschuldensunabhängige Haftung für Leistungsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Finalität des Schuldens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere Zweckstruktur vertraglicher Schuldverhältnisse . . . . . . . 3. Normative Gestalt des Synallagmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Synallagma als vertragsimmanente Zweckstruktur . . . . . . . . . . 5. Das Synallagma als Zweckbeziehung zwischen wirksam entstandenen wechselseitigen Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Synallagma als Zweckbeziehung zwischen unbeschränkten Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die verschuldensunabhängige Haftung für Leistungsdefizite als zentraler Inhalt des Prinzips des konditionellen Synallagmas . . . . . . . . . . . III. Das konditionelle Synallagma als notwendige Folge der Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausformungen des Leistungsstörungsrechts durch den Gedanken des konditionellen Synallagmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis B. Das Prinzip des konditionellen Synallagmas und die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gründe für eine Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Fehlen von Gewährleistungsvorschriften in den §§ 611 ff. BGB . . II. Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 616 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB als Durchbrechung des konditionellen Synallagmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wortsinn des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB in seinem Bedeutungszusammenhang mit anderen Vorschriften des allgemeinen und besonderen Schuldrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entstehungsgeschichte des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . 4. Normzweck des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit den besonderen Gewährleistungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB vor dem Hintergrund der arbeitsvertraglichen Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konsequenzen des in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Minderungsausschlusses für den Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Lohnminderungsrecht de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 Abgrenzung von teilweiser Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 A. Grundsätzlicher Vorrang der Schlechterfüllung nach §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. §§ 434 Abs. 3 und 633 Abs. 2 Satz 3 BGB als Ausdruck einer gesetzgeberischen Tendenz zur Zurückdrängung des Tatbestands der Nichtleistung zu Gunsten des Tatbestands der Schlechtleistung? . . . . 95 II. Überlegungen zur Reichweite der Gleichstellung von Aliud- und Mankolieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Normzweck von § 434 Abs. 3 und § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB . . . . . . . 97 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 B. Lohnminderung bei funktionalen Teilleistungen nach Kerstin Tillmanns . . 98 I. Gebot der Unterscheidung von Nichtleistung und Schlechtleistung – Eine Frage der Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Identitätsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 III. Die Funktion der geschuldeten Tätigkeit als Abgrenzungskriterium und die „funktionale Nichtleistung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
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Inhaltsverzeichnis IV.
Konkretisierung der Funktion durch die Vereinbarung bestimmter Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Funktionaler Teilleistungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Teilschlechtleistung und Teil-Teilleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Lohnminderung bei nicht vertragsgemäßer Arbeitsleistung auf der Grundlage des funktionalen Nicht- und Teilleistungsbegriffs . . . . . . . . VIII. Lohnminderung durch Teilrücktritt gemäß § 323 Abs. 1 BGB . . . . . . . IX. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Arbeitsleistung als lediglich zeitlich teilbare Leistung . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Konzept von der funktionalen Teilleistung vor dem Hintergrund des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Identität der Leistung als maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anknüpfungspunkt für die Identifizierung der Arbeitsleistung – die Arbeitsleistung und ihre Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teilbarkeit vertraglich versprochener Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kriterien für die Teilbarkeit von Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Technische Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teilbarkeit nach dem Parteiwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausschließliche Maßgeblichkeit objektiver Kriterien? . . . . . . . . aa) Systematische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Berücksichtigung schutzwürdiger Schuldnerinteressen nach dem Grundsatz der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . e) Ausschließliche Maßgeblichkeit des Parteiwillens . . . . . . . . . . . . f) Die Teilbarkeit von Leistungen vor dem Hintergrund der parteiautonom konstituierten Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags und der grundsätzlichen Dispositivität des Schuldrechts . . aa) Besondere Bedeutung des privatautonom gebildeten Parteiwillens bei der Anwendung der Normen des konditionellen Synallagmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsätzliche Dispositivität des Schuldrechts . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Teilbarkeit der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitsvertragliche Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessen des Arbeitnehmers hinsichtlich der Teilbarkeitsfrage aa) Die für den Arbeitnehmer vergleichsweise günstigen Rechtsfolgen der Schlechtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102 104 110 111 117 117 118 118 120 121 123 123 124 125 125 126 126 127 128
129
129 130 131 131 132 132 134 134 134
Inhaltsverzeichnis bb) Fehlende Anwendbarkeit von § 619a BGB bei der Aufrechterhaltung des Lohnanspruchs nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interessen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung gesetzlicher Wertungsentscheidung und ihr Vorrang vor der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis von ergänzender Vertragsauslegung und dispositivem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung der Teilbarkeitsfrage nach § 616 BGB? . . . . . . . . . . c) Bewertung der Teilbarkeitsfrage nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB aa) Zeitgebundenheit der Arbeitsleistung und Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verteilung des Entgeltrisikos in Arbeits- und Werkvertrag cc) Ganzheitliches Interesse des Arbeitgebers an der Verfügbarkeit des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einseitige Bestimmung der Arbeitsaufgaben durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Weisungsrecht – ein Gestaltungsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neutralität der Weisungen des Arbeitgebers hinsichtlich des Synallagmas des Arbeitsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Teilergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Maßgebliche Identifikationsmerkmale für die Unterscheidung von Nichtund Schlechterfüllung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Aliud“-Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung des Zwecks des Arbeitsvertrags für die Bestimmung einer aliud-Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zweck des Arbeitsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zeitlich bestimmte Verfügbarkeit der Dienste des Arbeitnehmers . . 2. Eingliederung des Arbeitnehmers in die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschuldete Art der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Identitätsmerkmale der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung der Identität der Arbeitsleistung qua Ausübung des Weisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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135 138 138 138
139 140 141 143 144 145 146 147 147 150 150 154 155 155 156 156 158 159 160 162 165 167 167 168 169
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Inhaltsverzeichnis a) Betrieb als Leistungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entsendung des Arbeitnehmers an wechselnde Einsatzorte . . . . c) Wahrung der örtlichen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dauer und Lage der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dauer der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lage der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkretisierung der Arbeitszeit durch Weisungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichtung zur Leistung in eigener Person nach § 613 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Weisungsrecht des Arbeitgebers als Identitätsmerkmal der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Problem der so genannten passiven Resistenz . . . . . . . . cc) Andere Fälle weisungswidriger Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Qualität der geleisteten Arbeit und die Art der Tätigkeit . . . . . . aa) Unterscheidung von Arbeitsquantität und Arbeitsqualität . . bb) Qualität der Arbeit und Identität der Arbeitsleistung . . . . . . cc) Arbeitsvertraglich geschuldete Art der Tätigkeit . . . . . . . . . dd) Konkretisierung der Art der Tätigkeit durch die Weisungen des Arbeitgebers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Identität der Arbeitsleistung im Hinblick auf die Art der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 6 Verschuldensabhängige Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen A. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gründe für eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Pflicht zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Dienste . . . . . . . I. Pflicht zur tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . II. Pflicht zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Dienste als Bestandteil der Arbeitspflicht selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170 170 172 173 173 174 175 176 176 177 177 178 178 180 183 183 184 184 186 188 189 191 192 193 193 193 195 196 197 200 201 202 202 203
Inhaltsverzeichnis
17
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Individueller Leistungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Individuell-optimale Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dynamisch-individuelle Normalleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistung im Rahmen des tatsächlichen individuellen Leistungsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Argumente für eine individuelle Bestimmung der Arbeitspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Objektive Normalleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründungsstränge für eine objektive Bestimmung der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektive Bestimmung der Arbeitsleistung aus Gründen der Lohngerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte, § 243 Abs. 1 BGB . . . . 2. Mögliche Referenzpunkte für eine Bestimmung der Normalleistung III. Vermittelnde Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektiv zu bestimmende Leistungsqualität bei individueller Bestimmung der Leistungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemischt subjektiver-objektiver Leistungsbegriff in Übertragung des Rechtsgedankens aus §§ 434 Abs. 1, 536 Abs. 1 Satz 1, 633 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Üblicher Einsatz des objektiv zu erwartenden individuellen Leistungsvermögens nach Tillmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermittlung der ordnungsgemäßen Arbeitsleistung durch Auslegung des Arbeitsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßstab für das geschuldete Leistungsvermögen . . . . . . . . . . . . c) Maßstab für den geschuldeten Einsatz des Leistungsvermögens 4. Individuelles Leistungsvermögen unter Einhaltung objektiver professioneller Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ermittlung des im Arbeitsverhältnis geltenden Leistungsmaßstabs im Wege der Auslegung des Arbeitsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Methodik der Auslegung des Arbeitsvertrags hinsichtlich des Leistungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik der individuellen Leistungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Identität von Leistung und Leistendem und der Gedanke vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . b) Interessenlage zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber . . . . . . aa) Kenntnis vom eigenen Leistungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . bb) Leistungsstörungsrechtliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kündigungsschutzrechtliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verhaltensbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Personenbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
203 203 203 205 209 209 211 212 212 213 216 218 218
219 221 221 222 224 228 229 230 232 232 234 234 235 237 237 238
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Inhaltsverzeichnis (3) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Faktische Geltung objektiver Standards in der Rechtsprechung des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik der objektiven Leistungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lohngerechtigkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gattungshandlungsschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Interessengerechte Auslegung des Arbeitsvertrags . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Objektive Leistungsbestimmung und objektiv individueller Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektiver Leistungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berufsspezifische Leistungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer . . . . . . . . . . c) Unterschreitung von Berufsstandards und Durchschnittsleistung aufgrund von Arbeitgeberweisungen oder betrieblichen Gegebenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektiv individueller Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 8 Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 BGB oder Aufwendungsersatz nach § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 BGB . . . . . . 1. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schadensersatz in Form der Nacharbeit oder Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berechnung des Minderwerts der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . aa) Zeitliche Eingrenzung der Schlechtleistung als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des zu ersetzenden Minderwerts der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestimmung des Arbeitsminderwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufwendungsersatz nach § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Haftungserleichterung für Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Betriebsrisiko des Arbeitgebers als verschuldensunabhängiger Zurechnungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sozialschutz des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
240 241 242 243 243 243 244 246 248 249 250 250 252
253 253 258 259 261 261 261 261 262 262 263
264 265 267 268 269 270 270
Inhaltsverzeichnis
19
Interessenlage bei der Haftung für den Minderwert der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Beweislastverteilung, § 619a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Aufrechnung und Pfändungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271 272 272 273 274
IV.
§ 9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
„Der Arbeitslohn ist also nur ein besonderer Name für den Preis der Arbeitskraft, den man gewöhnlich den Preis der Arbeit nennt, für den Preis dieser eigentümlichen Ware, die keinen andern Behälter hat als menschliches Fleisch und Blut.“ Karl Marx
§ 1 Das Synallagma des Arbeitsvertrags ein vernachlässigtes Stiefkind der Arbeitsrechtswissenschaft A. Problemstellung Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers rückt in jüngerer Zeit mehr und mehr in den Fokus von Personalverantwortlichen und Arbeitsrechtswissenschaft. Ein Grund für diese Entwicklung mag sein, dass die Leistungen der Beschäftigten immer lückenloser überwacht und Arbeitnehmer vermehrt an ihrer Produktivität gemessen werden. Dies hat zur Folge, dass schlechte Arbeitsleistungen schneller auffallen, nicht zuletzt deshalb, weil die zu leistende Arbeit in Zeiten der Globalisierung intensiver wird und Arbeitgeber vermehrt bestrebt sind, auch im Zeitlohn leistungsgerecht zu vergüten.1 Zudem sind einfache Tätigkeiten, welche es einem Arbeitgeber ermöglichen, leistungsschwache Arbeitnehmer ohne schwerer wiegende wirtschaftliche Nachteile „durchzuschleppen“, vermehrt aus dem Geltungsbereich des deutschen Arbeitsrecht ausgelagert worden. Bei den verbliebenen, vergleichsweise anspruchsvollen und zumindest zum Teil auch entsprechend vergüteten Tätigkeiten, scheinen Leistungsdefizite kaum tragbar2, und es stellt sich bei ihrem Auftreten die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen. Bei der Auseinandersetzung mit den rechtlichen Konsequenzen der Schlechtleistung des Arbeitnehmers lag der Schwerpunkt bisher auf der Frage nach den Kündigungsmöglichkeiten.3 Diese Schwerpunktsetzung ist Umständen der arbeitsrechtlichen Praxis geschuldet. Der Arbeitgeber, der sich mit einer Schlechtleistung eines Arbeitnehmers konfrontiert sieht, hat in aller Regel ein erheblich höheres Interesse daran, den Arbeitnehmer abmahnen und gegebenenfalls kündigen zu können, als daran, den Minderwert der Arbeitsleistung, bei dem es sich in
1
Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13. Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13. 3 Siehe insbesondere BAG vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969; vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Hunold, BB 2003, 2345 ff.; Maschmann, NZA Beilage 1/ 2006, 13 ff.; Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen; Tschöpe, BB 2006, 213 ff. 2
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§ 1 Das Synallagma des Arbeitsvertrags
der Regel nur um einen Bruchteil der Vergütung handeln kann, im Rahmen der nächsten Lohnzahlung einzubehalten. Dennoch will sich die vorliegende Untersuchung eben der Thematik des gestörten Austauschs von Arbeit und Lohn zuwenden. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen bietet eine Untersuchung des Synallagmas des Arbeitsvertrags die Gelegenheit, interessante und – wie sich noch zeigen wird – grundlegende dogmatischen Fragestellungen des Arbeitsrechts vor dem Hintergrund des reformierten Schuldrechts zu erörtern. Zum anderen – und dies beklagt schon Kerstin Tillmanns in ihrer Habilitationsschrift „Strukturfragen des Dienstvertrages“ – haben die Grundlagen des Arbeitsvertragsrechts trotz der stetig voranschreitenden Entwicklung des Arbeitsrechts im Allgemeinen bis heute verhältnismäßig wenig Beachtung gefunden.4 Zwar ist vieles zur Abgrenzung des Arbeitsvertrags von den Vertragstypen des Dienst- und Werkvertrags gesagt worden.5 Und auch der Frage, ob die Austauschbeziehung das beherrschende Element des Arbeitsverhältnisses sein kann, ist über lange Jahre zum Teil kontrovers diskutiert worden.6 Doch hat die Frage des Zusammenhangs von Arbeit und Lohn im Arbeitsverhältnis bisher ein erstaunliches Schattendasein geführt. Ein Schattendasein, welches aus akademischer Sicht umso bemerkens- bzw. beklagenswerter ist, als sich Fragen der synallagmatischen Verknüpfung von Arbeit und Lohn spätestens dann aufdrängen, wenn es an die leistungsstörungsrechtliche Behandlung unzureichender Arbeitsleistungen geht. Im Hinblick auf die Nichterfüllung der Arbeitspflicht darf mit Rücksicht auf das Prinzip „Ohne Arbeit kein Lohn“ das Synallagma der arbeitsvertraglichen Pflichten als zumindest im Grundsatz gewährleistet gelten. Für die Schlechtleistung scheint dies bei oberflächlicher Betrachtung nicht der Fall. Die herrschende Meinung hat sich bisher unter Verweis auf das Fehlen gewährleistungsrechtlicher Vorschriften in den §§ 611 ff. BGB damit zufrieden geben, dass die Schlechtleistung des Arbeitnehmers leistungsstörungsrechtlich gar keine Auswirkungen hat, der Lohnanspruch mithin erhalten bleibt.7 Mit Einführung des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB, der zumindest seinem Wortlaut nach eine Minderung der Gegenleistung für alle Fälle der qualitativen Unmöglichkeit, also der nicht behebbaren Schlechtleistung, ausschließt, scheint sich diese Auffassung zu bestätigen.8 Im Hinblick 4
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 1. In der aktuellen Auflage des Münchener Handbuchs werden dem Arbeitnehmerbegriff 5 Paragraphen und ungefähr 70 Seiten gewidmet, MüHdBArbR-Richardi §§ 16–20. 6 Hierzu noch ausführlich unter § 2 A. 7 BAG vom 17.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968; RAG vom 30.4.1930 – RAG 70/36, ARS 9, 230 ff.; Frey, AuR 1959, 177; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 694; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd. S. 236 f.; Kauffmann, AuR 1963, 267, 268; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 302 f.; Schaub, Arbr-Hdb.-Linck, § 52 Rn. 5. 8 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 40. 5
C. Gang der Untersuchung
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auf den Austauschcharakter von Arbeit und Lohn verbleiben aber Zweifel an diesem Ergebnis, welche in jüngerer Zeit neue Nahrung gefunden haben. So wird vermehrt versucht, ein Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers und damit eine konsequente Durchsetzung des Synallagmagedankens dadurch zu erreichen, dass man eine Vielzahl qualitativer Leistungsdefizite, welche bei natürlicher Betrachtung zunächst als Schlechtleistung zu bewerten sind, unter den Leistungsstörungstatbestand der Nichtleistung zieht.9 Dies erweckt den Eindruck, als wolle sich die Arbeitsrechtswissenschaft doch nicht ohne Weiteres mit der Nichtgeltung allgemeiner leistungsstörungsrechtlicher Grundsätze, wie sie für andere Vertragstypen selbstverständlich sind, abfinden.
B. Ziel der Untersuchung Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll daher der Frage der synallagmatischen Leistungsverknüpfung von Arbeit und Lohn für die Fälle der Schlechtleistung des Arbeitnehmers nachgegangen werden. Schlechtleistung meint dabei die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht als Hauptpflicht der Arbeitsleistung, die Schlechtleistung im eigentlichen Sinn. Die Verletzung von Nebenpflichten bleibt außer Betracht, da sich die Untersuchung auf den Bereich der synallagmatischen Leistungsverknüpfung von Arbeit und Lohn im Arbeitsvertrag beschränkt. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es dabei, die Reichweite der synallagmatischen Leistungsverknüpfung im Arbeitsverhältnis zu bestimmen und dogmatisch belastbare Aussagen darüber zu treffen, welche Rechtsfolgen arbeitnehmerseitige Leistungsdefizite im Hinblick auf den Lohnanspruch des Arbeitnehmers auslösen. Es wird sich im Laufe der Arbeit zeigen, dass die Frage des gestörten Leistungsaustauschs unmittelbar in den Kern des Arbeitsverhältnisses führt und nach einer Auseinandersetzung mit dem Wesen der arbeitsvertraglichen Beziehung verlangt, die grundlegende Erkenntnisse über die arbeitsvertragliche Austauschbeziehung verspricht.
C. Gang der Untersuchung Um hinreichend belastbare Aussagen über den Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis und insbesondere den gestörten Leistungsaustausch treffen zu können, ist zunächst sicherzustellen, dass der Arbeitsvertrag überhaupt der Kategorie der synallagmatischen Verträge unterfällt. Darauf aufbauend, sollen verschiedene Ansätze zur Behandlung von defizitären Arbeitsleistungen dargestellt werden. So9 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages und im Anschluss an Tillmanns Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 172 ff. Siehe ausführlich unter § 5 B. Unter dem alten Schuldrecht bereits Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers.
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§ 1 Das Synallagma des Arbeitsvertrags
dann wird es darum gehen, die Rechtsgedanken, auf denen das Konstrukt des synallagmatischen Leistungsaustauschs beruht, offenzulegen. Aufbauend auf den dabei herauszuarbeitenden Rechtsgedanken müssen schließlich unter Berücksichtigung aller relevanter arbeitsrechtlicher Besonderheiten, insbesondere der Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die bei der wechselseitigen Abhängigkeit von Arbeit und Lohn geltenden Regeln aufgezeigt werden. Ist so die Reichweite der arbeitsrechtlichen Austauschbeziehung einmal ermittelt, lässt sich aufzeigen, inwieweit die Schlechtleistung des Arbeitnehmers dem Synallagma des Arbeitsverhältnisses unterfällt. Soweit sich die Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen vor dem Hintergrund der das Synallagma tragenden Rechtsgedanken und der arbeitsrechtlichen Besonderheiten von der Haftung für Nichtleistungen unterscheidet, müssen die beiden Leistungsstörungstatbestände zunächst allgemein und sodann bezogen auf den Arbeitsvertrag trennscharf voneinander abgegrenzt werden. Um schließlich zu klären, inwieweit der Arbeitnehmer für qualitative Leistungsdefizite haftet, ist zu untersuchen, wann eine Arbeitsleistung als nicht mehr vertragsgemäß anzusehen ist. Dabei ist vieles unklar und umstritten. So besteht bereits über die Frage Uneinigkeit, inwieweit individuelle Leistungsmerkmale des Arbeitnehmers auf seine Leistungsverpflichtung durchschlagen. Der vorliegenden Arbeit muss es in diesem Zusammenhang vorrangig darum gehen, die Diskussion um den im Arbeitsverhältnis geltenden Leistungsmaßstab um einige bisher kaum beachtete Aspekte zu erweitern. Dabei soll vor allem aufgezeigt werden, dass sich aus der konkreten Art der synallagmatischen Verknüpfung von Arbeit und Lohn und der für das Arbeitsverhältnis typischen Interessen- und Risikoverteilung wertvolle Erkenntnisse für die Bestimmung der Arbeitspflicht gewinnen lassen. Daneben wird auch die allgemeine Systematik des arbeitsrechtlichen Kündigungsrechts in den Blick genommen. Es wird sich dabei zeigen, dass neben dem Leistungsstörungsrecht des gegenseitigen Vertrags auch das Kündigungsschutzrecht systematische Argumente liefert, die Anhaltspunkte für die Bestimmung der Arbeitspflicht bieten. Zuletzt wird aufzuzeigen sein, ob dem Arbeitnehmer eine Haftungsmilderungen zu Gute kommt, wenn er wegen einer Schlechtleistung leistungsstörungsrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. Gerade im Hinblick auf den Tatbestand der Schlechtleistung wird dabei kritisch zu überprüfen sein, ob Rechtsprechung und Wissenschaft bei der Lösung arbeitsvertraglicher Problemstellungen der zivilrechtlichen Vertragsdogmatik hinreichend Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang gilt es – beispielsweise im Hinblick auf die in Rechtsprechung und Literatur herrschende Auffassung, nach der sich die arbeitsvertraglich geschuldete Qualität der zu erbringenden Tätigkeiten nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers richtet10 – zu 10 Die Rechtsprechung und große Teile des Schrifttums differenzieren zwischen subjektiven und objektiven Kriterien zur Leistungsbestimmung. So heißt es etwa in den
C. Gang der Untersuchung
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hinterfragen, ob die herrschende Meinung der heutigen Vorstellung vom Arbeitsvertrag als schuldrechtlichem Austauschvertrag gerecht wird. Soweit dies zu verneinen ist, sollen im Hinblick auf die Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Synallagma des Arbeitsvertrags Lösungswege aufgezeigt werden, die der Vertragsdogmatik des BGB entsprechen, ohne die besonderen Belange des Arbeitsrechts aus den Augen zu verlieren.
jüngeren Entscheidungen des BAG zur Kündigung wegen Schlechtleistung, der Inhalt des arbeitsvertraglichen Leistungsversprechens richte sich nach dem „persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers“. Ein „objektiver Maßstab“ sei nicht anzusetzen (siehe BAG vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 15; vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 b); vom 21.5.1992 – 2 AZR 551/91, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (II 3 a); ebenso LAG Baden-Württemberg vom 6.9.2006 – 13 Sa 84/05, LAGE Nr. 93a zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung (A III 2). Auch in der Literatur wird überwiegend zwischen einem subjektiven und einem objektiven Leistungsmaßstab differenziert. Siehe MüHdBArbR (2. Auflage, 2000)-Blomeyer, § 48 Rn. 64; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 17; Leßmann, FS für Ernst Wolf 1985, S. 395, 403; Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13, 15; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 118 ff.; MüHdBArbR-Reichold, § 36, Rn. 41 f.; Tschöpe, BB 2006, 213 f.; Wlotzke, RdA 1965, 180, 188. Dies ist terminologisch zumindest ungenau. Das sog. subjektive Leistungsvermögen im Sinne der herrschenden Meinung beschreibt das Leistungsvermögen, welches der einzelne zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich aufweist. Das objektive Leistungsvermögen soll demgegenüber anhand von Kriterien ermittelt werden, die unabhängig von dem einzelnen Arbeitnehmer in einer bestimmten Situation sind. Als objektiver Bestimmungsfaktor gilt hiernach beispielsweise die durchschnittliche Arbeitsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer. Da es sich aber auch bei der Leistungsfähigkeit um einen objektiven, weil nicht der Wahrnehmung des Arbeitnehmers vorbehaltenen Faktor handelt, soll im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zwischen dem individuellen und dem abstrakten Leistungsmaßstab und individuellen und abstrakten Leistungskriterien unterschieden werden. Ausführlich zum Leistungsmaßstab unter § 7 B. Wie hier BAG vom 16.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1969 (III 1); vom 20.3.1969 – 2 AZR 283, 68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO; Kreller, AcP 123 (1925), 263, 286 f.; Rüthers, ZfA 1973, 399, 402 f.; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 151 f. Zwischen einem objektiven und einem individuellen Leistungsmaßstab differenzierend Hunold, BB 2003, 2345, 2346; ähnlich Preis/Hamacher, Jura 1998, 11, 12.
§ 2 Der Arbeitsvertrag als Austauschvertrag Aufgrund des Arbeitsvertrags ist jede der beteiligten Parteien, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, berechtigt, von der jeweils anderen Partei eine Leistung zu verlangen. Aus diesem Grund wird der Arbeitsvertrag heute allgemein zu den schuldrechtlichen Verträgen gezählt.1 Als „Kern“2 des Arbeitsverhältnisses gilt der Austausch von zeitbestimmten Dienstleistungen in der Form von im Voraus nicht abgegrenzten Einzelleistungen gegen Entgelt.3 Folgerichtig wird der Arbeitsvertrag als schuldrechtlicher Austauschvertrag angesehen, dessen Hauptleistungspflichten im Synallagma stehen.4 Diese heute ganz herrschende Meinung spiegelt – so könnte man meinen – eine bloße Selbstverständlichkeit wider. Kaum jemandem kommt es in den Sinn, den Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ ernsthaft in Frage zu stellen. Der Gedanke, dass es im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses vorrangig um etwas anderes geht als den Austausch von Leistungen, wie man ihn auch aus anderen gegenseitigen Verträgen, wie dem Kauf-, Miet- und Werkvertrag kennt, ist zunächst völlig fern liegend. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch schnell deutlich, dass sich der Arbeitsvertrag keineswegs reibungslos in das System der synallagmatischen Verträge einfügt. Vielmehr verhält es sich so, dass mehr oder weniger mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit welcher der Austauschcharakter des Arbeitsvertrags bejaht wird, Auswirkungen einer Schlechterfüllung der Arbeitspflicht auf den Entgeltanspruch im Sinne eines Lohnminderungsrechts des Arbeitgebers verneint werden.5 1 BAG GS vom 17.12.1959 – GS 2/59, AP Nr. 21 zu § 616 BGB (IV); BAG vom 8.10.1959 – 2 AZR 503/56, AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG; Dütz/Thüsing, Arbeitsrecht, Rn. 136; ErfKommArbR-Preis, § 611 BGB Rn. 3 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 11 ff.; MüHdBArbR-Richardi, § 3 Rn. 28; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 9. 2 Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 9. 3 So auch Richardi, ZfA 1988, 221, 252. 4 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 6; ErfKommArbR-Preis, § 611 BGB Rn. 3 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 11 ff.; MüHdBArbR-Richardi, § 3 Rn. 28; ders., ZfA 1988, 221, 252; Söllner, AcP 167 (1967), 132, 137 ff.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 210, 215 f. 5 Vgl. BAG vom 17.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968 (II 2); ebenso im Ergebnis BAG vom 6.6.1972 – 1 AZR 438/71, AP Nr. 71 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; OLG Düsseldorf vom 31.1.1974 – 8 U 123/73, NJW 1975, 595, 596 (zum Dienstvertrag); OLG Köln vom 9.3.1988 – 2 U 67/87, DB 1989, 100, 101 (zum Dienstvertrag); AG Ludwigslust vom 14.10.2003 – 3 C 473/03, NJW 2005,
A. Historische Entwicklung der Dogmatik des Arbeitsvertragsrechts
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Bei der Suche nach Gründen für diese systematischen Reibungspunkte fällt der Blick sehr bald auf die bewegte „Dogmengeschichte“ des Arbeitsrechts.6 Dabei wird schnell erkennbar, dass die dogmatische Einordnung des Arbeitsvertrags als schuldrechtlicher Austauschvertrag und die synallagmatische Verknüpfung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten nur den heutigen Stand einer Diskussion darstellen, die auf eine durchaus wechselhafte Vergangenheit zurückblikken kann. Auch wenn die Diskussion um die dogmatische Charakterisierung des Arbeitsverhältnisses ihren Höhepunkt inzwischen überschritten hat,7 sind dabei noch lange nicht alle Fragen zur dogmatischen Einordnung des Arbeitsverhältnisses abschließend geklärt. Die Kritik, welche die Einordnung des Arbeitsvertrags als schuldrechtlicher Austauschvertrag erfahren hat, ist dabei bis heute nicht in Gänze abgeklungen. Es lohnt deshalb als Hinführung zu der eigentlichen Untersuchung der Schlechtleistung der Arbeit im Synallagma des Arbeitsvertrags, ein Blick auf die historische Entwicklung der arbeitsrechtlichen Vertragsdogmatik und die Überlegungen, aus denen heraus der Arbeitsvertrag heute als Unterfall des Dienstvertrags gemäß § 611 BGB behandelt und der herkömmlichen Vertragsdogmatik des BGB unterstellt wird. Es wird sich im Folgenden zeigen, dass der Wandel in der Vorstellung vom Wesen des Arbeitsverhältnisses maßgeblichen Einfluss auf die Frage der synallagmatischen Verknüpfung von Arbeit und Lohn hatte.
A. Historische Entwicklung der Dogmatik des Arbeitsvertragsrechts Die Frage nach der synallagmatischen Verknüpfung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten steht naturgemäß in engem Zusammenhang mit dem Problem der dogmatischen Einordnung des Arbeitsverhältnisses. So würde sich die Frage nach einem Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers für die Fälle arbeitnehmerseitiger Schlechtleistungen weit weniger aufdrängen, würde man im Arbeitsvertrag einer früher herrschenden Auffassung8 folgend kein auf den bloßen Austausch von Leistungen gerichteten gegenseitigen Vertrag, sondern ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis erblicken. Die Tatsache, dass die dogmatische Einordnung des Arbeitsverhältnisses lange umstritten war und zumindest in Einzelfragen bis heute noch ist, ist dabei unter
610, 611 (zum Dienstvertrag); Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 227; Marschner, AR-Blattei SD 1110 Lohn, Rn. 110, MüHdBArbR-Reichold § 39 Rn. 60. 6 ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 5; ders., Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 12. 7 Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 198. 8 Dazu unten § 2 A. II.
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§ 2 Der Arbeitsvertrag als Austauschvertrag
anderem dem Umstand geschuldet, dass das Arbeitsverhältnis bis heute keine eigene gesetzliche Ausgestaltung gefunden hat.9
I. Konzeption des Arbeitsverhältnisses um 1900 Das BGB enthält keinen besonderen Teil oder eigenen Abschnitt über den Arbeitsvertrag. Auf die Regelung eines einheitlichen Arbeitsrechts ist bei der Schaffung des BGB ausdrücklich verzichtet worden. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen standen die Sondergesetze des Reiches über einzelne Dienstverhältnisse einer einheitlichen Regelung im Weg. Zum anderen fehlte es zu der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts noch an den für eine Vereinheitlichung des Arbeitsrechts erforderlichen Kenntnissen über die tatsächlichen Verhältnisse der verschiedenen Arbeitnehmergruppen.10 Zudem herrschte bei der Beratung und Verabschiedung des BGB die Auffassung vor, dass für eine besondere Regelung des Arbeitsverhältnisses keine Veranlassung bestehe. Vielmehr wurde in dem Bemühen um eine Gleichstellung der „Verträge, durch welche höhere und durch welche niedere Dienste versprochen werden“ 11 im zweiten Buch Recht der Schuldverhältnisse, Siebenten Abschnitt Einzelne Schuldverhältnisse, Sechsten Titel Dienstvertrag des BGB der Dienstvertrag geregelt, der gemäß § 611 Abs. 2 BGB „Dienste jeder Art“ zum Gegenstand haben kann. Dabei wurde gerade in der Zusammenführung der abhängigen und freien Dienstleistungen12 ein „wesentlicher ethischer Fortschritt“ 13 gesehen. Der Dienstvertrag wurde auf diese Weise zu einem Vertragstyp, der sämtliche Dienstleistungen umfasst.14 Dementsprechend wurde der Arbeitsvertrag zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Unterfall des Dienstvertrags im Sinne des § 611 BGB angesehen. Das Arbeitsverhältnis galt folglich zunächst als schuldrechtliches Austauschverhältnis mit im Synallagma stehenden Hauptleistungspflichten, Arbeit und Entgelt.15 Die heute herrschende Auffassung vom Austauschcharakter des Arbeitsvertrags wird daher durch den Willen des historischen Gesetzgebers bestätigt. 9 Siehe hierzu die zahlreichen Entwürfe eines Arbeitsvertragsgesetzes. Zuletzt Henssler/Preis, Beilage zu NZA 23/2006; ferner Ramm, Entwürfe. 10 Potthoff, Probleme des Arbeitsrechtes, S. 17. Das ausgehende 19. Jahrhundert kannte nur Ansätze eines tatsächlichen Arbeitsrechts. Erst im Laufe der Zeit führten diese Ansätze zu dem einheitlichen Arbeitsrecht, wie wir es heute kennen (Richardi, ZfA 1988, 221, 224). Siehe hierzu auch Mugdan II, S. 1284, Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, S. 304. 11 Mugdan II, S. 1284. 12 Nach römischem Recht und auch noch nach gemeinem Recht war der Gebrauch einer Arbeitskraft dem Gebrauch einer Sache gleichgestellt und deshalb den Konsensualkontrakten, den locatio conductio zugeordnet, Richardi, ZfA 1988, 221, 223. 13 Mugdan II, S. 1284. 14 Richardi, ZfA 1988, 221, 223. 15 Jadesohn, Das gesamte Arbeitsrecht Deutschlands, S. 93 ff.; Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II/1 S. 341 ff.; Leonhard, Besonderes Schuldrecht des BGB, Zwei-
A. Historische Entwicklung der Dogmatik des Arbeitsvertragsrechts
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II. Das Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis – ein Tropfen sozialistischen Öls? Dennoch setzte sich die Auffassung vom Arbeitsvertrag als schuldrechtlichem Austauschvertrag zunächst nicht durch. Vielmehr wurde bereits der erste Entwurf des BGB aus dem Jahr 1887,16 der eine Regelung des Dienstvertragsrechts in acht eng an das Mietrecht angelehnten Paragraphen vorsah, eingehend kritisiert. Im Zentrum der Kritik standen insbesondere die unzureichende Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitslebens und der mangelnde Schutz des sozial Schwächeren.17 So sah beispielsweise von Gierke das Schuldrecht des Entwurfs durchzogen von einem kapitalistischen Geist und die Arbeit nicht hinreichend gewürdigt.18 Der „Tropfen sozialistischen Öles“, welcher nach Auffassung von Gierkes das Privatrecht „durchsickern“ müsse,19 zählt heute zum Kanon der juristischen Zitate.20 Der Entwurf lasse die personenrechtlichen Elemente, welche die dienstvertragliche Bindung enthalte, soweit sie auf eine ständige Tätigkeit und einen bestimmten Zweck gerichtet sei, unberücksichtigt.21 Dementsprechend blieb auch das in den Entwürfen zum BGB vorherrschende Verständnis des Arbeitsverhältnisses als den Bestimmungen des BGB unterworfenes schuldrechtliches Austauschverhältnis nicht unwidersprochen. Kritik entzündete sich insbesondere insofern, als dem Gesetzgeber vorgeworfen wurde, den verschiedenen Interessen von Arbeitern und Angestellten durch die knappen Regelungen des Dienstvertragsrechts nicht hinreichend Rechnung getragen zu haben.22 Zudem unterlag ein großer Teil der Arbeitsverhältnisse weiterhin dem Landesrecht, welches entsprechend der Vielzahl an Einzelstaaten kaum einheitliche Reter Band, S. 206; Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, S. 13 ff.; Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 21, 128 ff.; Siber, Schuldrecht, S. 327 ff.; Silberschmidt, Das deutsche Arbeitsrecht, 1. Band, Erster Teil, S. 49 ff. 16 Siehe zur Entstehungsgeschichte des BGB Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, S. 289 ff.; Ramm, Einführung, S. 12 ff.; 193 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 468 ff. 17 Fuld, Gruchot 1891, 635, 650 ff.; von Gierke, Entwurf, S. 104 f.; 192 f.; 246; ders., Soziale Aufgabe, S. 23 ff.; 30 ff. 18 von Gierke, Entwurf, 192. 19 von Gierke, Soziale Aufgabe, S. 10: „Schroff ausgedrückt: in unserem öffentlichen Recht muß ein Hauch des naturrechtlichen Freiheitstraumes wehen und unser Privatrecht muß ein Tropfen sozialistischen Öles durchsickern.“ 20 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 470, vermutet es handele sich bei von Gierkes „Tropfen sozialistischen Öles“ um eine unbewusste Replik des Ausspruchs Ludwig Uhlands in der Paulskirche vom 22.1.1849 – es solle kein Haupt über Deutschland leuchten, das nicht mit einem vollen Tropfen demokratischen Öls gesalbt sei. 21 von Gierke, Entwurf, S. 191; ders., Soziale Aufgabe, S. 25. 22 Potthoff, ArbR 9 (1922), 267 ff.; vgl. auch Mugdan II, S. 1284: „Die Regelung der besonderen Verhältnisse der gewerblichen Arbeiter müssen der Reichsspezialgesetzgebung überlassen bleiben.“
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§ 2 Der Arbeitsvertrag als Austauschvertrag
gelungen gewährleistete. So blieben besondere reichsgesetzliche Bestimmungen, insbesondere die für die Dienstverhältnisse der gewerblichen Arbeiter geltenden §§ 105–139 b, 154 GewO unberührt.23 Ebenfalls unberührt blieben gemäß Art. 95 EGBGB die landesrechtlichen Vorschriften des Gesinderechts, welche nicht nur für das Hauspersonal sondern weitgehend auch für landwirtschaftliche Arbeitsverhältnisse galten.24 Mit dem aufkommenden Bestreben, das derart zersplitterte Arbeitsrecht zu vereinheitlichen,25 stellte sich die Frage nach dem „Grundgedanken“ als gemeinsamem Nenner der verschiedenartigen Arbeitsverhältnisse.26 Sinzheimer erhob zu diesem Grundgedanken eines einheitlichen Arbeitsrechts unter ausdrücklicher Bezugnahme auf von Gierke27 die Abhängigkeit des Arbeitnehmers.28 Wegen dieser dem Arbeitnehmer eigentümlichen sozialen Abhängigkeit im Verhältnis zu seinem Gläubiger sah Sinzheimer, ebenso wie von Gierke,29 den Arbeitsvertrag „nicht im Obligationenrecht, sondern im Personenrecht“ verwurzelt.30 Der Integration eines einheitlichen Arbeitsrechts in das bürgerliche Recht trat Sinzheimer dabei entschieden entgegen. Sinzheimer forderte vielmehr, „das Arbeitsrecht vom allgemeinen bürgerlichen Recht, dessen Geist ihm fremd“ sei, „möglichst zu emanzipieren“.31 Ebenfalls unter Fortführung der Gedanken von Gierkes, der den 23
Vgl. Motive II S. 455. Die landesrechtlichen Gesindeordnungen sind erst durch Nr. 8 des Aufrufs des Rats der Volksbeauftragten an das deutsche Volk vom 12.11.1918 (RGBl. S. 1303) aufgehoben worden; siehe auch § 1 Abs. 2 des Übergangsgesetzes vom 4.3.1919 (RGBl. S. 285). 25 Siehe Baum, Verhandlungen des 31. DJT (1912), Bd. I, S. 138 ff.; Kobatsch, Verhandlungen des 31. DJT (1912), Bd. I, S. 226 ff.; Oertmann, Verhandlungen des 30. DJT (1910), Bd. I, S. 112 ff.; Potthoff, Verhandlungen des 30. DJT (1910), Bd. I, S. 266 ff.; ders., Verhandlungen des 31. DJT (1912), Bd. I, S. 68 ff.; ders., Probleme des Arbeitsrechtes, S. 99 ff. 26 Sinzheimer, Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen Arbeitsrechts für Deutschland (1914); abgedruckt in H. Sinzheimer, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie (1976), Bd. I S. 35 ff. 27 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 11 Fn. 1. 28 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 10 ff.; ders., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen Arbeitsrechts für Deutschland (1914); abgedruckt in H. Sinzheimer, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie (1976), Bd. I S. 35, 47; Richardi, ZfA 1988, 221, 237 ff. kommentiert diese Entwicklung mit den Worten: „Unter die vielen guten Feen an der Wiege des Arbeitsrechts hat sich auch die böse Fee gemischt, die den sozial engagierten Begründern der Arbeitsrechtswissenschaft einredete, es die Abhängigkeit das eherne Gesetz des Arbeitsverhältnisses.“ 29 von Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 3, S. 593 f. 30 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 10 ff., 144. ff.; ders., Otto von Gierkes Bedeutung für das Arbeitsrecht (1922); abgedruckt in H. Sinzheimer, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie (1976), Bd. I S. 402, 404. 31 Sinzheimer, Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen Arbeitsrechts für Deutschland (1914); abgedruckt in H. Sinzheimer, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie (1976), Bd. I S. 35, 49. 24
A. Historische Entwicklung der Dogmatik des Arbeitsvertragsrechts
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Dienstvertrag nicht als schuldrechtlichen, sondern als personenrechtlichen Vertrag in der Tradition des deutschrechtlichen Treudienstvertrags verstanden wissen wollte,32 vertrat Potthoff die Ansicht, dass der Arbeitsvertrag nicht mehr in den §§ 611 ff. BGB geregelt sei, sondern einen eigenen Vertragstypus darstelle, der nicht dem Dienstvertrag unterfiele.33 Gegenstand des Arbeitsvertrags sei nicht die Leistung von Diensten, sondern die Hingabe des Arbeitnehmers. Der Arbeitsvertrag begründe daher ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis34 und kein den Bestimmungen des BGB unterliegendes schuldrechtliches Austauschverhältnis.35
III. Vorübergehende Abkehr vom schuldrechtlichen Austauschverhältnis unter dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit Zur vorübergehenden Durchsetzung verhalf der Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis schließlich die grundlegende Neubewertung der arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unter der Geltung des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 (AOG).36 Das AOG fasste Arbeitnehmer und Unternehmer zu einer Betriebsgemeinschaft zusammen37 und ließ auf diese Weise das „Führerprinzip“ und den „Gemeinschaftsgedanken“ in das Arbeitsrecht einfließen.38 Diese nationalsozialistischen Wertungen und ihre vermeintliche Anknüpfung an germanische Traditionen verhalfen der Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtlichem Gemeinschaftsverhältnis letztlich zum Durchbruch.39 Als Folge dieser Neuausrichtung des Arbeitsrechts setzte sich schließlich auch die Auffassung 32
von Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 3, S. 593 f., 609 f. Potthoff, ArbR 9 (1922), 267, 275 f. 34 von Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1, S. 660, definiert die personenrechtliche Gemeinschaft als eine „Gemeinschaft, zu der mehrere Personen durch ein die Persönlichkeit als solche ergreifendes Rechtsverhältnis verbunden sind.“ Von anderen Gemeinschaftsverhältnissen unterscheidet von Gierke das personenrechtliche Gemeinschaftsverhältnis dadurch, dass es „nicht blos äußere Beziehungen zwischen Rechtssubjekten herstellt, sondern die Rechtssubjektivität selbst in einen besonderen Zustand versetzt.“ 35 Potthoff, ArbR 9 (1922), 267, 273 ff. 36 RGBl. 1934 I, S. 45. 37 Deventer, JuS, 1988, 13, 15; Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG, § 1 Rn. 2 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 381. 38 Siehe hierzu Deventer, JuS, 1988, 13, 15; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 381 f.; Söllner, NS-Recht in historischer Perspektive, S. 135, 137 ff. 39 Vgl. RAG vom 19.1.1938 – RAG 153/37, ARS 33, 172, 175 ff. mit Anm. Hueck; RAG vom 13.9.1939 – RAG 8/39, ARS 37, 230, 236 ff. mit Anm. Hueck; RAG vom 30.10.1940 – RAG 187/39, ARS 40, 282, 286 mit Anm. Hueck; Denecke, DAR 1934, 219 ff.; Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG, § 2 Rn. 16; Kalberlah, DAR 1941, 59; Mansfeld, DAR 1936, 118, 125 ff.; Nikisch, Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 39 ff.; Nipperdey, DAR 1937, 142 f.; Söllner, NS-Recht in historischer Perspektive, S. 135, 139 f. 33
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§ 2 Der Arbeitsvertrag als Austauschvertrag
durch, dass das Arbeitsverhältnis nicht mehr den Regeln des BGB unterstehe. Eine analoge Anwendung der Vorschriften des BGB wurde zwar noch insoweit für zulässig erachtet, als eine solche im Einzelfall mit dem Wesen des Arbeitsverhältnisses vereinbar sei.40 Mit Blick auf die Vorschriften über synallagmatische Verträge lehnte das Reichsarbeitsgericht eine Analogie jedoch mit der Begründung ab, die Anwendung von Regelungen, die auf gegenseitige Austauschverträge zugeschnitten seien, widerspreche dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis.41
IV. Rückkehr zum Gedanken des schuldrechtlichen Austauschverhältnisses nach Aufhebung des AOG Das AOG wurde nach der Befreiung vom Nationalsozialismus mit Wirkung zum 31.12.1946 aufgehoben.42 Ungeachtet der Aufhebung des AOG wurde das Arbeitsverhältnis jedoch zunächst in Rechtsprechung und Lehre weiterhin als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis verstanden.43 Allerdings wurde eine analoge Anwendung der §§ 323 ff. BGB a. F. auf Arbeitsverhältnisse nur noch vereinzelt verneint.44 Auch wenn mit der Treuepflicht des Arbeitnehmers und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Gedanken der personenrechtlichen Gemeinschaft weiterhin Nebenpflichten hergeleitet wurden, die weit über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hinausreichten,45 unterstellte doch die ganz herrschende Meinung den Arbeitsvertrag unter stärkerer Betonung des im Arbeitsverhältnis erfolgenden Austauschs von Arbeit und Lohn wieder den Vorschriften des BGB und ordnete ihn den gegenseitigen Verträgen zu.46 40 RAG vom 13.9.1939 – RAG 8/39, ARS 37, 230, 237 mit Anm. Hueck; Denecke, DAR 1934, 219, 222; Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG § 2 Rn. 16. 41 RAG vom 13.9.1939 – RAG 8/39, ARS 37, 230, 237 ff. mit Anm. Hueck; vom 29.10.1940 – RAG 73/40, ARS 40, 351, 354; mit Anm. Hueck; vom 16.9.1941 – RAG 81/41, ARS 43, 167, 168 f.; ebenso Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG § 2 Rn. 16. 42 Gesetz Nr. 40 des Alliierten Kontrollrats für Deutschland vom 30.11.1946, Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S. 229. 43 BVerfG vom 22.4.1958 – 2 BvL 32, 34, 35/56, BVerfGE 7, 342, 349 f.; BAG vom 10.11.1955 – 2 AZR 591/54, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht (II) mit Anm. Hueck; vom 22.11.1956 – 2 AZR 314/54, AP Nr. 1 zu § 615 BGB Betriebsrisiko (3) mit Anm. Beitzke; BGH vom 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 192 f.; vom 22.6.1956 – VI. ZR 140/55, BGHZ 21, 112, 114. 44 BGH vom 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 193; LAG Stuttgart 17.9. 1954 – II Sa 141/54, SAE 1955, 184, 185; Meissinger, RdA 1949, 45. 45 BGH vom 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 193; Dersch, RdA 1958, 441, 445, der die Treue- und Fürsorgepflichten sogar den Hauptpflichten zuordnet; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 131; Jobs, ZfA 1972, 305, 325 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 169; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 56 ff. 46 BAG GS vom 17.12.1959 – GS 2/59, NJW 1960, 738, 740; BAG vom 8.10.1959 – 2 AZR 501/56, NJW 1960, 67; Dersch, RdA 1958, 441 ff.; Hoyer, Synallagmagedanke,
A. Historische Entwicklung der Dogmatik des Arbeitsvertragsrechts
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Der endgültige Abschied vom Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis und die Rückkehr zur Einordnung des Arbeitsverhältnisses als schuldrechtliches Austauschverhältnis vollzog sich spätestens in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts.47 Auch wenn dem Arbeitsverhältnis weiterhin ein gewisser personaler Charakter mit der Begründung zuerkannt wurde, dass es den Arbeitsvertragsparteien nicht allein um den bloßen Leistungsaustausch gehe, sondern auch um die personenrechtliche Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber,48 wurde doch, insbesondere von Seiten des arbeitsrechtlichen Schrifttums, der Austausch von Arbeit gegen Entgelt immer mehr in den Vordergrund der Diskussion gerückt und als das Arbeitsverhältnis prägender Faktor anerkannt.49
V. Das Arbeitsverhältnis als schuldrechtliches Austauschverhältnis – der heutige Stand der Dogmatik 1. Das Arbeitsverhältnis als schuldrechtliches Austauschverhältnis Die Lehre vom personenrechtlichen Arbeitsverhältnis wird heute im Grunde nicht mehr vertreten.50 Vielmehr ist die Auffassung, dass es sich beim Arbeitsverhältnis um einen Unterfall des Dienstvertrags nach § 611 BGB und um ein schuldrechtliches Austauschverhältnis handelt, auf welches die §§ 320 ff. BGB anwendbar sind, heute beinahe allgemein anerkannt.51 Eine Loslösung des Arbeitsvertrags von den Regeln des BGB wird von der heute herrschenden MeiS. 9 ff.; Hueck, Anm. zu BGH vom 11.7.1953 – II ZR 126/52, RdA 1953, 478, 479; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 133; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 161 f.; Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, S. 162 ff.; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 9 ff. 47 Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 202. 48 BAG vom 24.2.1955 – 2 AZR 10/54, NJW 1954, 77, 78; vom 15.11.1957 – 1 AZR 189/57, NJW 1958, 397, 398; vom 17.7.1958 – 2 AZR 312/57, NJW 1959, 1988, 1989; Farthmann, RdA 1960, 5, 8; Mohnen, RdA 1957, 361, 366; Schwarze, Nachwirkungen, S. 14; Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S. 86 ff. 49 Fabricius, Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis, S. 12 ff.; Farthmann, RdA 1960, 5, 7 f.; Kempff, DB 1979, 790, 794; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 9 ff.; Wolf, Arbeitsverhältnis. 50 Fabricius, Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis, S. 23 ff.; MüHdBArbR-Richardi, § 3 Rn. 20 ff.; Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S. 72 f. 51 BAG vom 8.10.1959, AP BetrVG § 56 Nr. 14; BAG GS vom 17.12.1959 – GS 2/ 59, AP Nr. 21 zu § 616 BGB; Dütz/Thüsing, Arbeitsrecht, Rn. 136; MüHdBArbRReichold, § 39 Rn. 5; Söllner, AcP 167 (1967), 132, 136; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 215 ff.; siehe aber auch Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente des Arbeitsrechts, nach dessen Ausführungen das Arbeitsverhältnis nicht nur aus Elementen des Dienstvertragsrechts, sondern auch solchen des Gesellschaftsrechts besteht, und Reuter, RdA 1991, 193, 197 f., nach dessen Auffassung das Arbeitsverhältnis als Verbandsbeziehung einzustufen ist, wenn die Arbeit im Zusammenwirken mit anderen Arbeitnehmern geleistet werden muss.
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§ 2 Der Arbeitsvertrag als Austauschvertrag
nung nicht mehr für notwendig und als dem geltenden Recht widersprechend erachtet.52 2. Abweichende Tendenzen Nur ganz vereinzelt finden sich im arbeitsrechtlichen Schrifttum noch Stimmen, die das Arbeitsrecht von den Regelungen des BGB loslösen möchten. So darf namentlich nach der Auffassung Gamillschegs die Aussage, dass der Arbeitsvertrag den Regeln des Allgemeinen Teils und des Allgemeinen Schuldrechts unterworfen sei, weil es sich bei ihm um einen Unterfall des Dienstvertrags handele, nicht zum verbindlichen Ausgangspunkt der Rechtsanwendung gemacht werden.53 Die Vorschriften des BGB dürfen nach dem Dafürhalten Gamillschegs nur angewandt werden, „soweit sie die Vorprüfung auf ihre soziale Tauglichkeit erfolgreich bestehen“. Soweit die Normen des BGB dieser „arbeitsrechtlichen Vorprüfung“ standhalten, erkennt Gamillscheg sie als einen „Allgemeinen Teil höherer Ordnung an, der für die gleichgewichtigen wie ungleichgewichtigen Austauschverträge“ und damit auch für den Arbeitsvertrag gilt. Für unanwendbar erklärt Gamillscheg demgegenüber die Normen des BGB, die diese Vorprüfung nicht bestehen.54 Gamillscheg geht dabei soweit, dass er den „Abschied vom BGB“ als bereits vollzogen ansieht. Zur Begründung dieser These verweist Gamillscheg auf die rechtliche Entwicklung der Anfechtung des Arbeitsvertrags.55 Das BGB gestatte aus sich heraus keine den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses entsprechende Lösung für die Abwicklung fehlgeschlagener Arbeitsverträge. Mit der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis werde vielmehr eine von den Regeln des BGB, das auf das Bereicherungsrecht verweist, abweichende Lösung favorisiert. Gamillscheg zieht hieraus den Schluss, dass sich das Arbeitsrecht vom BGB emanzipiert habe. Es sei – so Gamillscheg56 – längst ein eigenes Rechtsgebiet, das eigenen Normen, eigenen Grundsätzen und eigenen Auslegungsregeln folge. Das BGB sei nur soweit anzuwenden, wie es Lösungen biete, die a priori als arbeitsrechtlich tragbar und gerecht empfunden werden.
VI. Gründe für die Einordnung des Arbeitsvertrags als schuldrechtlichem Austauschvertrag Bei der Einordnung des Arbeitsverhältnisses in das geltende Rechtssystem ist zunächst von den bestehenden gesetzlichen Regelungen auszugehen. Dies gebietet schon die Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz nach Art. 20 52 53 54 55 56
MüHdBArbR-Richardi, § 3 Rn. 20 f. Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 220. Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 220. Gamillscheg, FS für Erich Molitor 1962, S. 57, 78 f. Gamillscheg, FS für Erich Molitor 1962, S. 57, 78 f.
A. Historische Entwicklung der Dogmatik des Arbeitsvertragsrechts
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Abs. 3 GG und der Normsetzungsprärogative des Gesetzgebers.57 Aus dem Vorrang des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Rechtsetzung folgt, dass die gesetzgeberische Entscheidung bezügliche der Einordnung des Arbeitsverhältnisses verbindlich ist. Ausgangspunkt der rechtssystematischen Einordnung des Arbeitsverhältnisses kann daher nur § 611 BGB sein. Zum Gegenstand des Dienstvertrags können gemäß § 611 Abs. 2 BGB „Dienste jeder Art“ gemacht werden. Der Begriff der Dienste im Sinne des § 611 BGB ist nicht beschränkt auf selbständige, eigenständige und unabhängige Tätigkeit, so dass der Wortlaut der Vorschrift58 auch unselbständige, fremdbestimmte und abhängige Dienste mit umfasst.59 Dafür, dass dem § 611 BGB auch Arbeitsverhältnisse unterfallen, spricht ferner die Entstehungsgeschichte des BGB.60 Die Vorschriften über den Dienstvertrag sollten wie bereits ausgeführt61 auch der Gleichstellung der „Verträge, durch welche höhere und durch welche niedere Dienste versprochen werden“, dienen.62 Ferner sollten die Vorschriften des Dienstvertragsrechts eine Grundlage für die Beurteilung der „Dienstverhältnisse“ bieten, die anders als das „Dienstverhältnis“ der Handlungsgehilfen, der Schiffsmannschaften und der gewerblichen Arbeitnehmer bisher nicht in besonderen reichsgesetzlichen Vorschriften geregelt waren.63 Entsprechend der Konzeption des Gesetzgebers unterliegt der Arbeitsvertrag mithin den Vorschriften des Dienstvertrags und ist damit ein schuldrechtliches Austauschverhältnis, das sich grundsätzlich nach den Bestimmungen des BGB und den bürgerlichrechtlichen Prinzipien richtet.64 Der heute nur noch von Teilen des Schrifttums vertretenen Auffassung, eine endgültige Regelung des Arbeitsverhältnisses habe der Gesetzgeber im BGB nicht vorgesehen,65 kann nicht gefolgt werden. Soweit zur Begründung dieser Auffassung darauf abgestellt wird, dass der historische Gesetzgeber das Arbeitsrecht in § 611 BGB nur mitgeregelt habe, weil ihm aus zeitlichen Gründen eine Vereinheitlichung des Arbeitsvertragsrechts nicht realisierbar erschienen sei,66 lässt dies Entwicklungen aus der jüngeren Zeit unberücksichtigt.67 57
Siehe hierzu BVerfG vom 19.10.1983 – 2 BvR 859/83, BVerfGE 65, 182, 191. Zur grammatischen Auslegung Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 437 ff. 59 Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 207. 60 Zur historischen Auslegung Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 449 ff. 61 Oben § 2 A. I. 62 Mugdan II, S. 1284. 63 Motive II, S. 455. 64 Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 208. 65 So vor allem Weiß, Die Entwicklung des Arbeitsvertragsrechts und das BGB, S. 90 ff. 66 Weiß, Die Entwicklung des Arbeitsvertragsrechts und das BGB, S. 90 ff. 58
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§ 2 Der Arbeitsvertrag als Austauschvertrag
Spätestens seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geht der Gesetzgeber davon aus, dass das Arbeitsverhältnis den Bestimmungen des BGB unterliegt. Dies kommt insbesondere in der Regelung des Leistungsverweigerungsrechts in § 275 Abs. 3 BGB, welches ausweislich der Gesetzesbegründung vor allem auf das Arbeitsverhältnis abzielt,68 aber auch in dem Verweis auf die Grundsätze der Betriebsrisikolehre in § 615 Satz 3 BGB sowie schließlich in der in § 619a BGB getroffenen Beweislastregelung zum Ausdruck, welche von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zugunsten des Arbeitnehmers abweicht. Hiergegen kann auch nicht angeführt werden, dass das Arbeitsrecht in einer Vielzahl von Spezialgesetzen außerhalb des BGB gesetzlich normiert und weiterentwickelt worden ist,69 denn spezialgesetzliche arbeitsrechtliche Regelungen bauen regelmäßig auf den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen auf. Insbesondere schuldrechtliche Regelungen werden durch arbeitsrechtliche Spezialnormen konkretisiert. Soweit von schuldrechtlichen Normen abgewichen wird, bleiben diese als Ausgangspunkt dennoch anerkannt. So bestätigen beispielsweise die Bestimmungen der Entgeltfortzahlung an Feiertagen oder im Krankheitsfall als Ausnahme die zu Grunde liegende Regel „Ohne Arbeit kein Lohn“, welche ihrerseits ihre Grundlage in der allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmung des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB hat.70
B. Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis Durch den Arbeitsvertrag verpflichten sich beide Parteien, Leistungen zu erbringen. Der Arbeitsvertrag ist daher ein zweiseitig verpflichtender Vertrag. Zu den das Arbeitsverhältnis beherrschenden Grundgedanken zählt zudem, dass es um der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers willen eingegangen wird, und dass sich die Entgeltzahlung des Arbeitgebers auf die Dienstleistung des Arbeitnehmers bezieht.71 Die §§ 615 und 616 BGB durchbrechen das schuldrechtliche Prinzip von Leistung und Gegenleistung für bestimmte Fälle, bestätigen damit aber im Grunde den Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung für das Dienst- und Arbeitsvertragsrecht. Der wirtschaftliche Austausch der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gegen die Vergütung des Arbeitgebers ist der Kern des Arbeitsverhältnisses.72 Der Arbeitnehmer verpflichtet sich des Entgelts we67 Vgl. hierzu auch die Beispiele bei Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 208. 68 BT-Drs. 14/6040 S. 130. 69 Siehe z. B.: BUrlG, BetrAVG, EFZG, ArbNErfG, KSchG, ArbZG, BErzGG, AÜG, HAG, JArbSchG, MuSchG. 70 Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 210. 71 BAG GS vom 17.12.1959 GS 2/59, NJW 1960, 738, 740. 72 BAG GS vom 17.12.1959 GS 2/59, NJW 1960, 738, 740; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 9.
C. Ergebnis
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gen und der Arbeitgeber, um die Arbeitskraft des Arbeitnehmers nutzen zu können. Die Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrags – Arbeitsleistung und Entgelt – stehen damit im Verhältnis der Gegenseitigkeit,73 sodass der Arbeitsvertrag zu den gegenseitigen Verträgen zu zählen ist, auf die die §§ 320 ff. BGB grundsätzlich anzuwenden sind.
C. Ergebnis Mag das deutsche Arbeitsrecht auch auf eine wechselvolle Dogmengeschichte zurückblicken, bleibt doch festzuhalten, dass das Arbeitsverhältnis nach geltendem Recht ein schuldrechtliches Austauschverhältnis ist, dessen Hauptleistungspflichten im Synallagma stehen. Die Vorschriften des allgemeinen Teils und des allgemeinen Schuldrechts, insbesondere die Bestimmungen über synallagmatische Verträge, sind auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Abweichungen von der synallagmatischen Leistungsverknüpfung ergeben sich nur dort, wo diese spezialgesetzlich angeordnet oder richterrechtlich anerkannt sind. Grundsätzlich gilt aber der Regelfall der Austauschbeziehung. Vor dem Hintergrund dieser Feststellung drängt sich nun die Frage auf, warum das Arbeitsverhältnis nach der ganz herrschenden Meinung bei der arbeitnehmerseitigen Schlechtleistung nicht den für Austauschverhältnisse typischen Mechanismen folgt.
73
Vgl. Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 159.
§ 3 Arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen und das Synallagma des Arbeitsvertrags Nur sehr wenige Autoren weisen darauf hin, dass es im Grunde bis heute nicht abschließend geklärt ist, welche Auswirkungen die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht auf den Lohnanspruch des Arbeitnehmers hat.1 Die Minderung des Lohns wird vielfach mit der Begründung abgelehnt, das Gesetz sehe anders als beim Kauf-, Werk- und Mietvertrag kein Minderungsrecht vor.2 Einer Aufrechnung mit einem auf die Liquidierung des Minderwerts der schlecht erbrachten Arbeitsleistung gerichteten Schadensersatzanspruch wird der Einwand entgegengebracht, die menschliche Arbeitskraft sei kein Vermögensgut und die mangelhaft eingesetzte Arbeitskraft stelle für sich keine schadensersatzrechtlich zu berücksichtigende Vermögenseinbuße des Arbeitgebers dar.3 Diese Auffassung reibt sich jedoch an dem Grundsatz, dass die Rechtsordnung die von den Parteien vertraglich vereinbarte Austauschbeziehung gerade im Störungsfall respektieren und bestätigen soll. Die Vorstellung, dass der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung auf die Störung des Austauschs von Arbeitsleistung und Entgelt leistungsstörungsrechtlich nicht reagieren kann, ist mit diesem Grundsatz auch vor dem Hintergrund der Möglichkeit der verhaltens- oder personenbedingten Kündigung nicht ohne weiteres zu vereinbaren. Zumindest bietet der bloße Verweis auf das Fehlen gewährleistungsrechtlicher Vorschriften – dies wird sich im Laufe der Arbeit noch zeigen4 – keine befriedigende Erklärung dafür, dass die arbeitsvertraglichen Austauschbeziehung im Falle der Schlechterfül-
1 Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 220. Der Begriff Schlechterfüllung bezeichnet hier im Anschluss an die Terminologie bei Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 716 die auf die Hauptleistungspflicht bezogene Schlechtleistung oder auch Schlechtleistung im engeren Sinn. Die Frage, die eine Schlechtleistung des Arbeitnehmers aufwirft, die über eine bloße Schlechterfüllung der Arbeitspflicht hinaus zu einer Verletzung von außerhalb des Äquivalenzinteresses liegenden Rechtsgütern führt, wird überwiegend im Zusammenhang mit den Grundsätzen der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer diskutiert. Siehe hierzu Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers. 2 BAG vom 17.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968; RAG vom 30.4.1930 – RAG 76/30, ARS 9, 230 ff.; Frey, AuR 1959, 177; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 694; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd. S. 236 f.; Kauffmann, AuR 1963, 267, 268; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 302 f.; Schaub, Arbr-Hdb.-Linck, § 52 Rn. 5. 3 Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rz. 63; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 382. 4 Unten § 4 C. I.
A. Der Begriff Synallagma in gegenseitigen Verträgen
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lung völlig anderen Regeln folgen soll, als dies bei allen anderen gegenseitigen Verträgen der Fall ist. Die auch von der herrschenden Meinung anerkannte Aufrechnung des Lohnanspruchs mit Schadensersatzansprüchen, die sich aus der schlechtleistungsbedingten Verletzung des Integritätsinteresses – etwa einer Vermögenseinbuße infolge der Schlechtleistung – herleiten,5 hilft insoweit nicht weiter, da Verletzungen des Integritätsinteresses nur ganz am Rande den Austausch von Arbeitsleistung und Entgelt tangieren. Eine Aufrechnung führt demnach auch nicht zu einem Ausgleich des gestörten Austauschverhältnisses. Es gilt daher im Folgenden den Umfang der wechselseitigen Abhängigkeit der Leistungsverpflichtungen im Arbeitsverhältnis zu untersuchen. Für die Frage, ob und inwieweit der Arbeitgeber zur Gegenleistung auch bei Störungen des arbeitsvertraglichen Leistungsaustauschs verpflichtet bleibt, ist eine umfassende Analyse des Synallagmas im Arbeitsverhältnis unabdingbar.
A. Der Begriff Synallagma als Bezeichnung für die Austauschbeziehung in gegenseitigen Verträgen Der Begriff Synallagma, der griechischen Ursprungs ist,6 bezeichnet weder im römischen noch im griechischen Recht das Verhältnis der Gegenseitigkeit von Leistungspflichten im Vertrag oder den gegenseitigen Vertrag selbst.7 Dementsprechend findet sich der Begriff Synallagma auch weder bei Savigny in dessen Obligationenrecht noch im Lehrbuch des Pandektenrechts von Windscheid. Als Bezeichnung für das Gegenseitigkeitsverhältnis von Leistungspflichten im gegenseitigen Vertrag findet der Begriff Synallagma vielmehr erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts unter Geltung des gemeinen Rechts weitere Verbreitung.8 Der Begriff Synallagma ist dabei nicht gänzlich unbedenklich,9 ist er doch dort unpassend, wo die Leistungspflichten zwar wechselseitig voneinander abhängen, ein Austausch von Leistungen aber nur auf Umwegen, wie beim Ringtausch,10 oder gar nicht, wie beim Gesellschaftsvertrag,11 stattfindet.12 Dementsprechend 5
MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 65; § 51 Rn. 1 ff. Siehe zur vielfältigen und wesentlich weiter gehenden Bedeutung des Worts Synallagma in den Quellen des griechischen und vereinzelt auch in den Quellen des römischen Rechts Benöhr, Das sogenannte Synallagma, S. 8 ff.; laut Kaser, Das römische Privatrecht Bd. 1 (1. Auflage, 1955), S. 440, bezeichnet es den formfrei geschlossenen Vertrag schlechthin; siehe auch Partsch, Das Dogma des Synallagma, S. 7 ff. 7 Benöhr, Das sogenannte Synallagma, S. 8 ff. 8 Benöhr, Das sogenannte Synallagma, S. 1 f., 8 ff.; Staudinger-Otto, Vorbem. zu §§ 320–326 Rn. 6. 9 Siehe beispielsweise Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, S. 105; Bruns, AcP 178 (1978), 34. 10 Siehe hierzu Pfister, JZ 1971, 284 ff. 11 Enneccerus/Lehmann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts Bd. 2 (12. Auflage, 1932), S. 125. 6
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§ 3 Arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen
heißt es noch bei Enneccerus/Lehmann13: „Das nicht erklärende, sondern verdunkelnde Fremdwort ,synallagmatische Verträge‘ wird besser vermieden.“ Kann man sich bei der Verwendung des Begriffs Synallagma auch nicht auf die Pandektenwissenschaft berufen, wird dem Begriff doch eine gewisse Berechtigung durch Art. 1102 des Code Civil zugeschrieben,14 in dem es heißt: „Le contrat est synallagmatique ou bilatéral lorsque les contractantes s’obligent réciproquement les uns envers les autres.“ Obwohl die rechtliche Konstruktion des Synallagmas auch heute noch umstritten ist,15 ist der Begriff Synallagma als Bezeichnung für die rechtliche Abhängigkeit der Leistungspflichten im gegenseitigen Vertrag mittlerweile ganz überwiegend anerkannt16 und soll dementsprechend auch im Folgenden zu Grunde gelegt werden.
B. Sicherung des Leistungsaustauschs durch das genetische, konditionelle und funktionelle Synallagma Über den Inhalt des Begriffs Synallagma und dessen Grundlagen ist damit freilich noch nicht viel gesagt. Die synallagmatische Verknüpfung der wechselseitigen Leistungspflichten im gegenseitigen Vertrag dient zunächst dazu, den Entgeltcharakter der wechselseitigen Leistungen sicherzustellen. Als „Schutznorm der Entgeltlichkeit“ dient das Synallagma zum einen dazu, abstrakt zu bestätigen, dass der Abschluss eines Tauschvertrags institutionell ein Handel auf Gegenseitigkeit ist.17 Zum anderen verhindert das Synallagma konkret, dass eine der Vertragsparteien genötigt wird, ihre Leistung zu erbringen, ohne die Gegenleistung zu erhalten.18 Um den Entgeltcharakter der wechselseitigen Leistungspflichten zu sichern, muss sich die Wechselseitigkeit der Verpflichtungen nach überwiegender Ansicht 12 Aus diesem Grund kritisch zum Begriff Synallagma Staudinger-Otto, Vorbem. zu §§ 320–326 Rn. 6. 13 Enneccerus/Lehmann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts Bd. 2 (12. Auflage, 1932), S. 125, Fn. 2. 14 Bruns, AcP 178 (1978), 34, 35. 15 Siehe hierzu MüKo-Emmerich, Vor § 320 Rn. 10 ff.; Ernst, AcP 199 (1999), 485 ff.; Soergel-Gsell, Vor § 320 Rn. 9 ff. 16 Vgl. RG vom 30. Januar 1940 – V 76/38, RGZ 163, 348, 356; Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. I Allgemeiner Teil Tb. 1, § 12 III (S. 217 f.); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 47 I. (Rn. 524); Soergel-Gsell, Vor § 320 Rn. 5 ff.; Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 23 ff.; krit. Staudinger-Otto, Vorbem zu §§ 320– 326 Rn. 6. 17 Dubischar, FS für Ludwig Raiser, 1974, S. 99, 112 f. 18 Dubischar, FS für Ludwig Raiser, 1974, S. 99, 113, Ernst, AcP 199 (1999), 485, 491 ff.; MüKo-Emmerich, Vor § 320 Rn. 15.
B. Sicherung des Leistungsaustauschs durch das Synallagma
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in allen Stadien des Leistungsaustauschs auswirken. Es wird dementsprechend überwiegend davon ausgegangen, dass sich die synallagmatische Austauschbeziehung bei der Begründung der Ansprüche in Form des genetischen Synallagmas, in ihrem Fortbestand in der Form des konditionellen Synallagmas und bei ihrer Durchsetzung in Form des funktionellen Synallagmas niederschlägt.19
I. Genetisches Synallagma Das genetische Synallagma beschreibt den Umstand, dass jede Leistungsverpflichtung nur dann entsteht, wenn die Leistungsverpflichtung des Gegenübers nicht auf ein Wirksamkeitshindernis stößt.20 Die wechselseitige Abhängigkeit der Verpflichtungen bei der Vertragsentstehung ist jedoch kein exklusives Merkmal des gegenseitigen Vertrags. So ordnen beispielsweise §§ 134, 138 BGB unabhängig von der Wechselseitigkeit der Leistungsverpflichtungen die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags an. Überdies kommt bei der Unwirksamkeit einer der vertragsbegründenden Willenserklärungen schon nach den Regeln des Vertragsschlusses kein Vertrag zustande. Das BGB sichert die genetische Abhängigkeit mithin auch bei Pflichten, die nicht im Verhältnis der Gegenseitigkeit stehen.21 Die dem genetischen Synallagma eigenen Probleme sind nach dem deutschen Recht folglich nach den Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre zu lösen. Eines Rückgriffs auf den Gedanken des genetischen Synallagmas bedarf es insoweit nicht. Dem genetischen Synallagma wird dementsprechend auch zum Teil lediglich die Bedeutung eines rechtstheoretischen Prinzips zugeschrieben.22 19 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 314 ff.; ders., FS für Ludwig Raiser, 1974, S. 57; Bamberger/Roth-Grothe, § 320 Rn. 6; Staudinger-Otto, Vorbem zu §§ 320–326 Rn. 10; andere Autoren unterscheiden terminologisch nur zwischen dem genetischen und dem funktionellen Synallagma und ordnen die wechselseitige Abhängigkeit der Leistungsverpflichtungen in ihrem Fortbestand dem funktionellen Synallagma zu (so etwa Blomeyer, Studien zur Bedingungslehre 1. Teil, S. 114 ff.; Bruns, AcP 178 (1978), 34, 35 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. I Allgemeiner Teil Tb. 1, § 12 III 1 (S. 218 f.); ähnlich Erman-Westermann, Vor § 320 Rn. 13. Auch Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 23 ff., nimmt eine andere Einteilung vor. Zwar differenziert er zwischen den drei Ausprägungen des Synallagmas – dem genetischen, dem konditionellen und dem funktionellen Synallagma. Allerdings rechnet er den Rücktritt wegen Verzugs nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. (heute § 323 BGB) anders als hier dem funktionellen Synallagma zu. Gegen die von Van den Daele vorgenommene Einteilung spricht jedoch, dass sie die Rechtsfolge des Rücktritts nicht hinreichend berücksichtigt, der im Ergebnis zur Gesamtliquidation des Vertrags führt und damit das Schuldverhältnis in seinem Bestand und nicht lediglich die Geltendmachung der Leistungen berührt. 20 Bamberger/Roth-Grothe, § 320, Rn. 6 m.w. N.; vertiefend Klinke, Causa und genetisches Synallagma. 21 Kritisch zur Figur des genetischen Synallagmas daher schon Hoeniger, Untersuchungen zum Problem der gemischten Verträge, S. 226; Schmidt-Rimpler, Die Gegenseitigkeit bei einseitig bedingten Verträgen, insbesondere beim Versicherungsvertrag, S. 58. 22 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 315 f.; Bamberger/Roth-Grothe, § 320, Rn. 6.
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§ 3 Arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen
II. Konditionelles Synallagma Das konditionelle Synallagma beschreibt das Prinzip der Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung in ihrem Fortbestand.23 Infolge des konditionellen Synallagmas wirken sich einseitige Leistungsstörungen grundsätzlich auf die andere Seite des Schuldverhältnisses aus. Unmittelbarer Ausdruck dieser Abhängigkeit ist § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB. Indem hier angeordnet wird, dass der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt (Abs. 1 Satz 1) oder die bereits empfangene Gegenleistung zurückgewährt werden muss (Abs. 4), wenn die Leistungspflicht des Schuldners nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, gewährleistet diese Vorschrift den Entgeltcharakter der Leistungsverpflichtung im gegenseitigen Vertrag. Daneben werden auch die Verrechnung eigener Schadensersatzansprüche mit der Leistungsverpflichtung nach der Differenztheorie, das Rücktrittsrecht nach §§ 323, 326 Abs. 5 BGB, die Gesamtliquidation des gegenseitigen Vertrags bei der Forderung von Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 281 Abs. 5 BGB, die für den Rücktritt, den Widerruf und die Nacherfüllung angeordnete Rückabwicklung des Vertrags nach §§ 346 bis 348 BGB sowie die Saldotheorie bei der ungerechtfertigten Bereicherung als Ausdruck des konditionellen Synallagmas verstanden.24
III. Funktionelles Synallagma Das funktionelle Synallagma betrifft schließlich die gegenseitigen Ansprüche in ihrer Durchsetzbarkeit.25 Jede Partei schuldet die eigene Leistung gemäß §§ 320, 322 BGB nur Zug um Zug gegen Erbringung der Gegenleistung. Diese funktionelle Abhängigkeit der gegenseitigen Leistungspflichten ist jedoch kein wesensnotwendiges Merkmal des gegenseitigen Vertrags. Dies zeigt sich zum einen daran, dass die Gegenseitigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht in Frage gestellt ist, wenn eine der Parteien sich verpflichtet, vorzuleisten. Zum anderen muss die Nichterfüllung des Vertrags im Rahmen von §§ 320, 322 BGB einredeweise geltend gemacht werden. Im Übrigen existieren auch zahlreiche gesetzliche Ausnahmen, nach denen der Schuldner zur Vorleistung verpflichtet ist. Zwar kann der vorleistungsverpflichtete Schuldner seine Leistung bei mangelnder Leistungsfähigkeit des Gläubigers und Gefährdung des Anspruchs auf die Gegenleistung gemäß § 321 BGB verweigern bis die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit für sie geleistet wird. Durchsetzbar wird der Gegenanspruch damit jedoch nicht.26
23 24 25 26
Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320–326 Rn. 12 m.w. N. Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320–326 Rn. 12. Bamberger/Roth-Grothe, § 320, Rn. 6. Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320–326 Rn. 13.
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Gem. § 614 BGB ist der Arbeitnehmer verpflichtet vorzuleisten. Dies hat zur Folge, dass das funktionelle Synallagma im Arbeitsverhältnis eine eher untergeordnete Rolle spielt.
C. Arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen als Problem des konditionellen Synallagmas Im Arbeitsverhältnis ist es ganz vorrangig das Prinzip des konditionellen Synallagmas, das den Arbeitgeber davor schützt, leisten zu müssen, ohne die vertragsgemäße Gegenleistung erhalten zu haben. Das konditionelle Synallagma gewährleistet auch im gestörten Austauschverhältnis ein gewisses Gleichgewicht der Lasten.27 Gerade bei Leistungsstörungen auf Arbeitnehmerseite, bei denen zumindest bei fehlender Nachholbarkeit der Arbeitsleistung28 der Fortbestand der Leistungsverpflichtung zumindest für den nicht erbrachten Leistungsteil in Frage gestellt ist,29 besteht ein besonderes Bedürfnis, nach einer gerechten Lastenverteilung. Die Rechtsfolgen, welche arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen zeitigen, sind daher im Regelungsbereich des konditionellen Synallagmas angesiedelt.
I. Nichtleistung des Arbeitnehmers Weitgehend geklärt sind die Auswirkungen des Prinzips des konditionellen Synallagmas für den Bereich der Nichterfüllung der Arbeitspflicht. Dies kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ zumindest als allgemeines Prinzip heute mehr oder weniger als allgemein anerkannt gelten darf. 1. Entfallen der Leistungspflicht Das Recht der Nichtleistung des Arbeitnehmers ist zunächst von der Vorstellung geprägt, dass bei allen zeit- und betriebsgebundenen Arbeiten die Erbringung der Leistung zu einer bestimmten Zeit so wesentlich ist, dass eine Verzögerung die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich werden lässt.30 Dabei wird 27
Greiner, RdA 2007, 22, 26. Dazu sogleich § 3 C. I. 1. 29 Dazu unten § 3 C. I. 2. 30 So die herrschende Meinung: BAG vom 24.11.1960, NJW 1961, 381, 382; BGH vom 11.7.1953 – II ZR 126/52; BGHZ 10, 187, 189; Beuthien, RdA 1972, 20, 22 f.; Fabricius, Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis, S. 98 f.; Erman-Edenfeld, § 611 Rn. 333; MüKo-Müller-Glöge, § 611 Rn. 1040; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 274; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 675; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 705; Richardi, NZA 2002, 1004, 1006 f.; Söllner, AcP 167 (1967), 132, 139; a. A.: Hueck/ Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 223; von Stebut, RdA 1985, 66, 67; Waltermann, Arbeitsrecht, Rn. 217. 28
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angenommen ein solcher absoluter Fixschuldcharakter hafte der Arbeitsleistung nicht nur an, wenn sich aus den Gesamtumständen zwingend ergibt, dass die Arbeit nicht nachgeholt werden kann, sondern auch, wenn die Nachholbarkeit der Arbeitsleistung nach dem Parteiwillen ausgeschlossen ist.31 Da die Verknüpfung von Leistungszeit und Leistungsgegenstand grundsätzlich davon abhängt, was die Parteien vereinbaren, kann von einem absoluten Fixgeschäft auch dann ausgegangen werden, wenn die Verbindung nach den Umständen nicht aus sachlichen Gründen zwingend geboten ist, die Interessenlage der Parteien aber für eine absolute Fixschuld spricht.32 Auch bei Arbeitsverhältnissen mit flexiblen Arbeitszeiten gehen beispielsweise Zöllner/Loritz/Hergenröder33 mit der Begründung, der konkrete Zeitpunkt der Arbeitserbringung würde auch bei diesen Arbeitsverhältnissen im Vorhinein festgelegt und könne nicht ad hoc einseitig verlegt werden, von einer privatautonom vereinbarten Fixschuld aus. Die Nichtleistung der Arbeit führe daher in aller Regel zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung. Die Vorschriften über den Verzug spielten hinsichtlich der Arbeitsleistung nur in Ausnahmefällen eine Rolle.34 In jüngerer Zeit werden vermehrt Zweifel an dem Dogma vom grundsätzlichen absoluten Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung laut.35 Zum Teil wird die Verpflichtung zur Arbeitsleistung zumindest in den Fällen, in denen dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich eine gewisse Souveränität in der Gestaltung seiner Arbeitszeit eingeräumt worden ist, als relative Fixschuld angesehen.36 Zur Begründung dieser Auffassung wird neben dem Wortlaut von § 615 BGB, der von einer Nachleistungsmöglichkeit ausgeht, die Realität der heutigen Arbeitswelt in An31 Beuthien, RdA 1972, 20, 21 f.; Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 29; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 108 ff.; Zöllner/Loritz/ Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 211. 32 Nach Preis/Hamacher, Jura 1998, 11, 13, ist in diesem Zusammenhang insbesondere zu berücksichtigen, dass der Freizeit heute eine gesteigerte Bedeutung zukommt und auch der Arbeitgeber bei betriebsgebundener Arbeit sein Interesse an der Arbeitsleistung verliert, wenn die Arbeit des Arbeitnehmers von Kollegen, der Laufzeit von Maschinen oder anderen betriebsorganisatorischen Umständen abhängt. Soweit angenommen werde, ein Ausschluss der Leistungspflicht aufgrund eines gesteigerten Freizeitinteresses stelle eine unbillige Härte für den Arbeitgeber dar (so von Stebut, RdA 1985, 66, 69), werde verkannt, dass gerade das Freizeitinteresse für eine konkludente Vereinbarung des Fixschuldcharakters sprechen könne (Preis/Hamacher, Jura 1998, 11, 13 [Fn. 38]. 33 Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 211. 34 Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 211. 35 BAG vom 17.3.1988 – 2 AZR 576/87, AP BGB § 626 Nr. 99 (II 4 d); ErmanEdenfeld, § 611 Rn. 333; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 90; HWK-Krause, § 615 Rn. 8; Picker, FS für Otto Rudolf Kissel 1994, S. 813, 821 ff.; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 677; HWK-Thüsing, § 611 Rn. 39; Waltermann, Arbeitsrecht, Rn. 217. 36 Schaub, Arbr-Hdb.-Linck, § 49 Rn. 6; ErfKommArbR-Preis, § 611 BGB Rn. 677; MüHdBArbR-Reichold, § 57 Rz. 11.
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spruch genommen, in der vermehrt in Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit und vergleichbaren Modellen gearbeitet wird.37 Der Gesetzgeber zeigt sich gleichwohl in seiner Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom Gegenteil überzeugt.38 So ist mit § 326 Abs. 1 BGB eine Vorschrift in das Schulrechtsmodernisierungsgesetz wiederaufgenommen worden, die noch im Diskussionsentwurf durch ein verschuldensunabhängiges Rücktrittsrecht ersetzt worden war. Diese Wiedereinführung des § 326 Abs. 1 BGB erfolgte in Reaktion auf kritische Stimmen aus dem Schrifttum.39 Die Kritik an der Regelung eines verschuldensunabhängigen Rücktrittsrechts stützte sich dabei insbesondere darauf, dass der arbeitsrechtliche Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ – die normative Konkretisierung des konditionellen Synallagmas – ohne eine Minderung ipso iure nicht hinreichend zum Tragen käme.40 Grundlage dieses Grundsatzes ist aber gerade die Vorstellung, dass nicht erbrachte Arbeit infolge Zeitablaufs nicht nachgeleistet werden muss, sondern grundsätzlich zu einem Entfallen des Lohnanspruchs führt. Zuzugeben ist zwar, dass diese Äußerungen des Gesetzgebers vor dem Hintergrund, dass der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Unmöglichkeit stets die privatautonom festgelegte Leistungspflicht ist und Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge Nachleistungsklauseln enthalten können, nicht als eine für alle Fallkonstellationen gültige Festlegung verstanden werden dürfen.41 Auch ist zu berücksichtigen, dass in den Fällen von Gleitzeitarbeit und Arbeitszeitkonten eine Nachleistungspflicht nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.42 Fehlt es aber an besonderen Anhaltspunkten, muss weiterhin von einer absoluten Fixschuld ausgegangen werden. Hierfür spricht nach wie vor, dass der Arbeitnehmer als Schuldner im Dauerschuldverhältnis am nächsten Tag bereits wieder die nächste Teilleistung zu erbringen hat. Überhaupt hinge die Nachholbarkeit regelmäßig von betrieblichen Umständen ab, was zu erheblichen Gleichbehandlungsproblemen führen könnte.43 Schließlich ist in der Regel davon auszugehen, dass der Arbeitgeber durch Ausübung seines Direktionsrechts, die Arbeitszeit soweit konkretisiert, dass ein Nachholen verstrichener Arbeitszeit ausscheidet.44 37
ErfKommArbR-Preis, § 611 BGB Rn. 677; MüHdBArbR-Reichold, § 57 Rz. 11. BT-Drucks. 14/6040 S. 129; vgl. hierzu auch Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 90. 39 BT-Drucks. 14/6040 S. 188. 40 Canaris/Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 43, 54; Huber, ZIP 2000, 2273, 2277. 41 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 90. 42 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 90; a. A. von Stebut, RdA 1985, 66 ff. 43 Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 109. 44 Zu der Frage, ob der Arbeitnehmer ggf. Nachleistung als Naturalrestitution im Rahmen einer Schadensersatzpflicht schuldet siehe unten § 8 A. I. 2. a). 38
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Schließlich ist auch für die Fälle, in denen die Verpflichtung zur Arbeitsleistung ausnahmsweise nicht als Fixschuld anzusehen ist, zumindest denkbar, dass der Arbeitnehmer die Nachleistung nach § 275 Abs. 3 BGB verweigert.45 Hiervon ist zumindest dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft für den vereinbarten Leistungszeitraum am vereinbarten Leistungsort zumindest zur Verfügung gestellt hat, eine Arbeitsleistung aber nicht erfolgt ist. Ein Nachholen der versäumten Arbeit würde dann voraussetzen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft abermals zur Verfügung stellt. Dem Arbeitnehmer würde dabei im Ergebnis abverlangt, eine überobligatorische Leistung zu erbringen. Eine überobligatorische Leistung kann der Arbeitnehmer jedoch unter den Voraussetzungen von § 275 Abs. 3 BGB verweigern.46 Auch wenn die Arbeitsleistung bei den heutigen Verhältnissen des Arbeitslebens nicht mehr generell als absolute Fixschuld qualifiziert werden kann, ist doch zumindest im Regelfall davon auszugehen, dass die versäumte Arbeitsleistung nicht nachgeholt werden kann. Es bleibt folglich festzuhalten, dass zumindest für diesen Regelfall die Arbeitsleistung unmöglich und der Arbeitnehmer von seiner Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB frei wird, wenn die Arbeitszeit verstreicht, ohne dass gearbeitet wird. Für die Fälle der „faktischen oder auch praktischen“ 47 Unmöglichkeit sowie Leistungshindernisse aus dem persönlichen Bereich hat der Gesetzgeber zudem im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung einen als Einrede ausgestalteten Befreiungsgrund geschaffen.48 2. „Ohne Arbeit kein Lohn“ – Auswirkung der Nichtleistung auf den Anspruch auf Entgeltzahlung Die soeben dargestellte Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht wirkt sich, zunächst streng dem Prinzip des konditionellen Synallagmas folgend, unmittelbar auf den Lohnanspruch aus. Das Schicksal der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers in Bezug auf die unterbliebene und unmöglich gewordene Ar45
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 451 f. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 451 f., stellt in diesem Zusammenhang auf § 275 Abs. 2 BGB ab. Nach herrschender Meinung geht Abs. 3 dem Abs. 2 jedoch für persönlich zu erbringende Leistungen vor (Palandt-Grüneberg, § 275 Rn. 26). 47 Begriffe nach BT-Drucks. 14/6040, S. 129. 48 Dafür, dass es sich bei den Absätzen 2 und 3 des § 275 BGB um eine Einrede und nicht etwa um eine Einwendung handelt, spricht der Wortlaut der Vorschriften, die systematische Trennung der einzelnen Absätze und der in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers: ebenso Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 39; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung-Faust, Rn. 2/10 ff.; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 320; a. A.: Teichmann, BB 2001, 1485, 1487. Weiterführend zu die Leistungsverweigerungsrechte nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 im Arbeitsrecht: Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 38 f. 46
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beitsleistung richtet sich in Ermangelung speziellerer Regelungen nach den allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts.49 Ist die Leistungspflicht nach §§ 275 Abs. 1 bis 3 BGB ausgeschlossen, erlischt gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB auch der Anspruch auf die Gegenleistung. Seit der Schuldrechtsreform gilt dies, anders als nach dem Wortlaut des § 323 BGB a. F. auch für den Fall, dass der Schuldner den Leistungsausfall zu vertreten hat.50 In den Fällen von § 275 Abs. 2 oder Abs. 3 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung erst, wenn die Einrede erhoben wird.51 Hat der Schuldner den Leistungsausfall zu vertreten, ist der Gläubiger darauf verwiesen, Sekundärrechte geltend zu machen. Liegt ein Fall der teilweisen Unmöglichkeit vor, was im Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis der Regelfall ist, wird der Gläubiger von der Pflicht, die Gegenleistung zu erbringen, nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB nur teilweise befreit.52 Die Vorschrift ist im Arbeitsverhältnis deshalb von besonderer Bedeutung, weil arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen regelmäßig nur einen Bruchteil des Arbeitsverhältnisses betreffen, während der Großteil ordnungsgemäß abgewickelt wird.53 Der Umfang der Befreiung entspricht der Minderung im Kaufrecht (§ 441 Abs. 3 BGB). Ausdruck hat die Rechtsfolge des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB im Arbeitsrecht in dem Satz „Ohne Arbeit kein Lohn“ gefunden.54 Uneingeschränkt gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ freilich nur, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsausfall zu vertreten, insbesondere fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB gehandelt hat. Hat der Arbeitgeber den Arbeitsausfall zu vertreten, bleibt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung des Entgelts gemäß § 326 Abs. 2 BGB bestehen. Wird die Arbeitsleistung infolge eines Umstands unmöglich, der von keiner der beiden Seiten zu vertreten ist, gilt zwar der Rechtsgrundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Zu diesem Grundsatz bestehen jedoch gerade im Arbeitsrecht zahlreiche Ausnahmen. So ist der Arbeitgeber gemäß § 615 Satz 1 BGB zur Entgeltzahlung verpflichtet, wenn die Arbeitsleistung infolge seines Verzugs unmöglich wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Arbeitgeber seinen Annahmeverzug zu vertreten hat. Auch die heute in § 615 49
Esser/Weyers, Schuldrecht Bd. II Besonderer Teil Tb. 1, S. 243. Wilhelm, JZ 2001, 861, 868. 51 BT-Drucks. 14/6040, Anwaltskommentar Schuldrecht-Dauner-Lieb, § 326 Rn. 5. 52 Ob der nicht unmöglich gewordene Leistungsteil ordnungsgemäß erbracht wird oder nicht, ist unerheblich. Es kommt allein auf den teilweisen Ausschluss der Primärleistungspflicht an (siehe Staudinger-Otto, § 326 Rn. B 48). 53 Zu denken ist etwa an den Fall, dass ein Arbeitnehmer, 6 Monate ohne jegliche Fehlzeit seinen Dienst verrichtet, bevor er erstmalig zu spät zur Arbeit erscheint. 54 Dazu, dass der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ seine Grundlage weder in § 614 BGB noch in tarifvertraglichen Klauseln, sondern in § 323 Abs. 1 BGB a. F. und mithin heute in § 326 Abs. 1 BGB findet: Söllner, AcP 167 (1967), 132, 133 ff. Siehe ferner: Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 325; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd. S. 324; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 162; Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 31 f.; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 9. 50
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Satz 3 BGB verankerte Betriebsrisikolehre beinhaltet eine von § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichende Gefahrverteilung. Ferner besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung unter bestimmten Voraussetzungen selbst dann, wenn der Arbeitsausfall in der Person des Arbeitnehmers begründet ist.55 Aus diesen Ausnahmen darf hingegen nicht geschlossen werden, dass es sich bei dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ um ein Muster ohne Wert handele. Vielmehr muss der Satz „Ohne Arbeit kein Lohn“ dahingehend verstanden werden, dass ein Arbeitnehmer, der ungeachtet des Arbeitsausfalls seine Entgeltzahlung verlangt, einer besonderen Anspruchsgrundlage bedarf.56 Die Auswirkungen der Nichtleistung auf die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung sind damit eindeutig. Leistet der Arbeitnehmer nicht, unterliegt er grundsätzlich den Regeln des konditionellen Synallagmas. Die Abhängigkeit der Entgeltzahlungspflicht von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung in ihrem Fortbestand kommt in dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ klar zum Ausdruck. Dieses auf der Vorschrift des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB beruhende Prinzip führt zum Entfallen des Anspruchs auf Entgeltzahlung für den Fall, dass der Arbeitnehmer nach § 275 BGB von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit ist. Weil die Arbeitsleistung regelmäßig als absolute Fixschuld zu charakterisieren ist, ist § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB immer einschlägig, wenn infolge des Verstreichens der Arbeitszeit die Arbeitsleistung unmöglich wird. Der Entgeltzahlungsanspruch bleibt dem Arbeitnehmer nur erhalten, wenn dies eine besondere Rechtsnorm vorsieht.
II. Schlechterfüllung der Arbeitsleistung Bei konsequenter Berücksichtigung des Prinzips des konditionellen Synallagmas muss sich aber jede Störung einer im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistung auch auf die Gegenleistung auswirken. Der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ müsste ohne weiteres auch als „Ohne (qualitativ) vollständige Arbeit, kein voller Lohn“ verstanden werden dürfen.57 Mit anderen Worten müsste sich aus der arbeitsvertraglichen Austauschbeziehung für den Fall der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht ein Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers ergeben. Gleichwohl steht die herrschende Meinung einem Lohnminderungsrecht bei arbeitnehmerseitigen Schlechtleistungen skeptisch gegenüber. Die Rechtsfolgen, welche die Schlechterfüllung der Arbeitsleistung auf den Lohnanspruch hat, sind 55
Siehe § 616 BGB und § 3 ff. EFZG. Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 34; Söllner, AcP 167 (1967), 132, 144; ähnlich auch BAG vom 05.2.1965 – 3 AZR 497/63, AP FeiertagslohnzahlungsG § 1 Nr. 17. 57 Diesen Ansatz konsequent verfolgend: Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 163. 56
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vielmehr anders als die entsprechenden Rechtsfolgen der Nichtleistung noch weitgehend ungeklärt.58 Anerkanntermaßen kann der Arbeitgeber das Entgelt im Falle der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht mindern, wenn durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden ist. So wird insbesondere bei Akkord- oder Prämienentlohnung regelmäßig festgelegt, dass der Arbeitnehmer nur für ein Arbeitsergebnis entlohnt wird, das bestimmten Mindestanforderungen genügt. Die Vereinbarung einer Akkord- oder Prämienentlohnung hat zur Folge, dass der Arbeitgeber auch im Fall einer vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenden Schlechterfüllung den Lohn mindern kann, sofern ihn nicht selbst ein Verschulden trifft.59 Im Regelarbeitsverhältnis fehlt es hingegen an einer entsprechenden Vereinbarung. Für das Regelarbeitsverhältnis ist der Rechtsanwender daher auf das allgemeine Gesetzesrecht und das Prinzip des konditionellen Synallagmas verwiesen. Dabei hat es in der Vergangenheit nicht an Versuchen gefehlt, das Prinzip des konditionellen Synallagmas im Arbeitsvertragsrecht auch im Sinne eines „Ohne (qualitativ) vollständige Arbeit, kein voller Lohn“ zu verstehen und auch die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht in das do ut des des gegenseitigen Vertrags zu integrieren.60 1. Bisherige Ansätze zur Durchsetzung des Prinzips des konditionellen Synallagmas durch Begründung eines Lohnminderungsrechts bei arbeitnehmerseitigen Schlechtleistungen Die verschiedenen Ansätze zur Integration der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht in das Gegenseitigkeitsverhältnis des Arbeitsvertrags seien daher im Folgenden im Überblick dargestellt. Dabei soll es zunächst bei einer Darstellung dieser Ansätze und der bereits von anderen Autoren vorgebrachten kritischen Be58 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 384; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 220; a. A. offenbar die h. M. Siehe nur ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 683. 59 Below, FS für Heinrich Lehmann 1956, II. Bd., S. 646, 649; Staudinger-Richardi/ Fischinger, § 611 Rn. 794. 60 Below, FS für Heinrich Lehmann 1956, II. Bd., S. 646, 651; Beuthien, ZfA 1972, 73 f.; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119 f.; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen (5. Auflage, 2003), S. 74 f.; Jaerisch, DB 1953. 1091, 1092; Maguhn, Aus der Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 56, 68 ff.; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 130 ff.; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 Rn. 67; Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 54; Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 180 ff., 193 f.; Schalhorn, SozPrax., 14, 1065, 1067; Sigel, Der Gewerbliche Arbeitsvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, S. 122 f.; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 204 ff.; Wölbling, Der Akkordvertrag und der Tarifvertrag, S. 57.
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trachtungen bleiben. Eine abschließende Stellungnahme zu der Frage nach einem Lohnminderungsrecht bei Schlechtleistungen61 soll erst nach einer ausführlichen Auseinandersetzung mit den Grundlagen der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis62 erfolgen. a) Lohnminderung gemäß dem Rechtsgedanken der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung im gegenseitigen Vertrag Vereinzelt wird ein Recht des Arbeitgebers zur Lohnminderung bei der Schlechterfüllung der Arbeitsleistung unmittelbar aus dem Rechtsgedanken des konditionellen Synallagmas oder verwandten Prinzipien abgeleitet.63 Zur Begründung wird angeführt, dass sich aus dem „vereinbarten Normallohn“ nicht unmittelbar der „geschuldete Arbeitslohn“ ergebe, weil sich letzterer nach dem „Maß der gelieferten Arbeit“ bemesse.64 Auch wird betont, der Lohn sei „Entgelt für ordentlich geleistete Dienste“ und könne, da die Pflicht zur ordnungsgemäßen Arbeitsleistung und die Entgeltzahlungspflicht ihre Wurzeln im Austauschverhältnis haben, von vornherein nicht in voller Höhe entstehen, werde nicht ordnungsgemäß erfüllt.65 Problematisch erscheint dieser Ansatz jedoch schon vor dem Hintergrund, dass im Vertragsrecht nicht ohne weiteres unmittelbar aus einem bloßen Rechtsprinzip Rechtsfolgen abgeleitet werden dürfen.66 So obliegt es zunächst dem Parteiwillen durch die Wahl eines Vertragstyps oder durch konkrete Vereinbarung für eine wechselseitige Verknüpfung der vertraglichen Pflichten zu sorgen und damit das Prinzip des konditionellen Synallagmas für die gewählte vertragliche Beziehung in Kraft zu setzen. Eine wechselseitige Austauschbeziehung in der das Prinzip des konditionellen Synallagmas zum Tragen kommt, entsteht nur, wenn die Parteien einen Vertrag schließen, der den gesetzlichen Vorschriften bzw. richterrechtlichen Grundsätzen, unterfällt, welche letztlich die wechselseitige Verknüpfung der Leistungspflichten in Vollzug setzen. Dabei ist sorgfältig zu prüfen, ob die Parteien ihrem Vertrag eine dem konditionellen Synallagma entsprechende Risikoverteilung ausdrücklich oder stillschweigend zugrunde gelegt haben.
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Dazu unten § 4 C. Dazu unten § 4 A. und B. 63 Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119 f., die das Lohnminderungsrecht jedoch auf schuldhafte Schlechtleistungen beschränkt wissen wollen; Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 54. 64 Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 54. 65 Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119. 66 Vgl. Söllner, AcP 167 (1967), 132, 133. 62
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b) Lohnminderung in entsprechender Anwendung von Vorschriften des Werkvertragsrechts Von anderer Seite ist aus der Überlegung heraus, der Arbeitnehmer sei nach § 611 BGB zur Leistung fehlerfreier Arbeit verpflichtet, und habe bei verschuldet unzureichender Arbeit „überhaupt keinen Lohn verdient“, vertreten worden, dem Arbeitgeber stehe zumindest im Akkordarbeitsverhältnis ein Recht zur Lohnminderung analog § 634 BGB a. F. zu.67 Der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers sei dabei dadurch genüge getan, dass er zumindest einen Teil seines Lohns erhalte und ihm der Lohn nicht gänzlich gestrichen würde.68 Unter den Vertretern dieser Ansicht geht wohl Rümelin am weitesten, indem er dafür eintritt, die Anwendbarkeit der Regeln über den Dienstvertrag und der Regeln über den Werkvertrag von vornherein nicht auf die in § 611 BGB bzw. § 631 BGB geregelten Vertragstypen zu begrenzen. Vielmehr sei von einer über den eigenen Vertragstyp hinausgehenden und auf den jeweils anderen Vertragstyp übergreifenden Geltung der einzelnen Vorschriften auszugehen.69 Kritik hat dieser Ansatz bereits durch Lottmar70 erfahren, der zu Recht darauf hingewiesen hat, dass das Gesetz systematisch klar zwischen Dienst- und Werkvertrag differenziere. Es handele sich insoweit um zwei Verträge mit unterschiedlichen Rechtsfolgen. Die Anordnung unterschiedlicher Rechtsfolgen sei vom Gesetzgeber bewusst vorgenommen worden und vom Rechtsanwender und -interpreten demgemäß zu respektieren. c) § 320 BGB als Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers Ein dem Gedanken des konditionellen Synallagmas entsprechendes Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers bei schlecht erbrachter Arbeitsleistung wurde insbesondere in den ersten Jahren nach In-Kraft-Treten des BGB von verschiedener Seite auf § 320 BGB gestützt.71 Soweit ersichtlich wurde dieser Ansatz zuletzt 1956 von Below72 mit der Begründung vertreten, § 320 BGB beinhalte neben dem Recht zur Erhebung der Einrede des nicht erfüllten Vertrags auch ein entsprechendes Recht zur Erhebung der Einrede des nicht ordnungsgemäß erfüllten Vertrags und umfasse daher auch die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht. 67 Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 180 ff.; Schalhorn, SozPrax., 14, 1065, 1067; Wölbling, Der Akkordvertrag und der Tarifvertrag, S. 57. 68 Schalhorn, SozPrax., 14, 1065, 1067. 69 Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 42. 70 Lotmar, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Zweiter Band, S. 825 ff. 71 Maguhn, Aus der Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 56, 68 ff.; Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 193 f.; Sigel, Der Gewerbliche Arbeitsvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, S. 122 f. 72 Below, FS für Heinrich Lehmann 1956, II. Bd., S. 646, 651.
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Zuzugeben ist dieser Auffassung, dass nach allgemeiner Ansicht die nicht ordnungsgemäße Leistung im Rahmen des § 320 BGB unabhängig von dem dem BGB zu Grunde liegenden Leistungs- und Unmöglichkeitsbegriff73 der unvollständigen Leistung gleichzusetzen ist.74 Dennoch vermag § 320 BGB eine Entgeltreduktion im Arbeitsverhältnis nicht zu begründen. Zwar lässt sich gegen ein auf § 320 BGB gestütztes Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers nicht anführen, dass das Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB nur geltend gemacht werden könne, wenn die Vertragsparteien zur Leistung Zug um Zug verpflichtet sind.75 Gegen dieses Argument spricht schon, dass die Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers aus § 614 BGB nur dem zur Vorleistung verpflichteten Arbeitnehmer, nicht aber dem Arbeitgeber die Einrede aus § 320 BGB nimmt.76 Auch das Argument, die Einrede aus § 320 BGB sei lediglich dilatorischer (aufschiebender) Art, während es dem Arbeitgeber darum gehe, dem Arbeitnehmer die Lohnzahlung peremtorisch (endgültig) zu verweigern,77 überzeugt nicht. Dass § 320 BGB lediglich zu einer Retention, nicht aber zu einer Reduktion des Entgeltanspruchs führt, ist unproblematisch, denn die Interessen des Arbeitgebers wären, könnte er sich auf § 320 BGB berufen, solange der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß erbringt, weitgehend durchgesetzt. Eines weitergehenden Schutzes bedarf das Leistungsinteresse des Arbeitgebers nicht. Gegen eine Entgeltreduktion auf Grundlage des § 320 BGB wird aber zu Recht vorgebracht, dass die §§ 320–322 BGB mit Eintritt der Leistungsunmöglichkeit unanwendbar werden und §§ 280, 283, 326 BGB eingreifen.78 Da eine Nachholung der nicht ordnungsgemäß erbrachten Arbeitsleistung zumindest im Regelarbeitsverhältnis wegen ihres absoluten Fixschuldcharakters ausscheidet79 und es auch bei späterer, fehlerfreier Arbeit bei dem ursprünglichen Pflichtverstoß bleibt, tritt im Augenblick der Pflichtverletzung Leistungsunmöglichkeit ein und die §§ 320–322 BGB werden durch §§ 280, 283, 326 BGB verdrängt.80
73
Dazu unten § 3 C. II. 1. f) aa) und § 4 C. IV. So schon RG vom 7.11.1903 – V. 203/03, RGZ 56, 151, 153; vom 10.12.1924 – I 564/24, RGZ 109, 295, 296; BGH vom 22.2.1971 – VII ZR 243/69, BGHZ 55, 354, 356; Bamberger/Roth-Grothe, § 320 Rn. 14; Staudinger-Otto, § 320 Rn. 1, 24. 75 So aber Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 182. 76 Bamberger/Roth-Grothe, § 320 Rn. 15. 77 Lotmar, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Zweiter Band, S. 68, 73; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 182; Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, S. 38 f. 78 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 182; siehe auch Bamberger/Roth-Grothe, § 320 Rn. 11. 79 Oben § 3 C. I. 1. 80 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 182. 74
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d) Lohnminderung nach § 614 BGB Zum Teil ist die synallagmatische Verknüpfung von Arbeitsleistung und Entgelt im Sinne des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“ 81 und vereinzelt auch ein Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers bei Schlechterfüllung der Arbeitspflicht82 auf § 614 BGB gestützt worden. Gegen ein Lohnminderungsrecht nach § 614 BGB wird jedoch richtigerweise vorgebracht, dass die Vorschrift ebenso wie der soeben besprochene § 320 BGB das Fortbestehen der Möglichkeit der Leistungserbringung voraussetzt, denn die in § 614 BGB angeordnete zeitliche Reihenfolge der Leistungserbringung verliert bei der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung jeden Sinn.83 Motzer84 hält diesem Ansatz zudem zu Recht entgegen, dass sich die in § 614 BGB angeordnete Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers in einer gesetzlichen Abweichung von der in § 271 BGB vorgesehenen Regelung der Leistungszeit erschöpft85 und damit lediglich den Zeitpunkt der Fälligkeit des Entgeltzahlungsanspruchs betrifft, dessen zeitlich vorgelagerte Entstehung aber implizit voraussetzt. In Ermangelung anders lautender Vereinbarungen wird der Lohnanspruch mit Abschluss des Arbeitsvertrags begründet und entsteht während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ständig aufs Neue. Ohnehin geht es in § 614 allein darum, den Zeitpunkt der Fälligkeit für die vom Dienstberechtigten geschuldete Vergütung zu regeln.86 Die Vorschrift betrifft die Forderung in ihrer Durchsetzbarkeit und lockert damit lediglich die funktionelle synallagmatische Abhängigkeit von Arbeitsleistung und Entgelt. Das konditionelle Synallagma – die wechselseitige Abhängigkeit der gegenseitigen Leistungsverpflichtungen in ihrem Fortbestand – wird von § 614 BGB nicht berührt.87 Dafür, dass sich die Funktion von § 614 BGB in der einer Zeitbestimmung für den Vollzug aus dem Arbeitsvertrag wechselseitig geschuldeten Leistungen erschöpft, spricht nicht zuletzt die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Den Gesetzesverfassern lag es daran, in § 614 BGB das schon unter dem damals geltenden Recht wichtige Prinzip, dass der Dienstverpflichtete zur Vorleistung verpflichtet ist, zum Ausdruck zu bringen.88 Über diesen Normzweck 81 BAG vom 21.3.1958 – 1 AZR 555/56, BB 1958, 522; Maguhn, Aus der Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 56, 61; MüKo-Müller-Glöge, § 614 Rn. 1: „nicht Grundlage, wohl aber Ausdruck dieses Grundsatzes“. 82 Jaerisch, DB 1953. 1091, 1092. 83 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 183. 84 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 186. 85 Siehe auch Staudinger-Richardi/Fischinger, § 614 Rn. 1. 86 ErfKommArbR-Preis, § 614 BGB Rn. 1; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 614 Rn. 11. 87 Zu den Begriffen funktionelles Synallagma und konditionelles Synallagma bereits oben § 3 B. II. und III. 88 Motive II, S. 461.
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hinausgehende Rechtsfolgen, die den Fortbestand der Entgeltzahlungspflicht und damit das konditionelle Synallagma betreffen, können dem § 614 BGB daher nicht ohne weiteres entnommen werden. e) „Schadensersatzrechtliche“ Lohnminderung Noch unter der Geltung des alten Schuldrechts wurde ein weiterer Weg zur Einfügung der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht in das Prinzip des konditionellen Synallagmas von Beuthien89 gewiesen. Der Arbeitnehmer setze sich, so Beuthien, aufgrund des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung durch seine Schlechtleistung außerstande, noch während der Leistungszeit vertragsgerecht zu leisten.90 Die nicht ordnungsgemäß erfüllte Arbeitspflicht werde teilweise unmöglich mit der Folge des unmittelbaren Eingreifens von § 325 Abs. 1 BGB a. F.91 Unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer die nicht ordnungsgemäße Erbringung der Arbeitsleistung auch zu vertreten hat, könne der Arbeitgeber grundsätzlich alle Rechtsfolgen des § 325 Abs. 1 BGB a. F. geltend machen.92 Nach dieser Auffassung war es dem Arbeitgeber zum einen möglich, gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen und diesen Schadensersatzanspruch gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnzahlung „minderungsähnlich“ aufzurechnen.93 Entgegen der damals wie heute herrschenden Meinung94 sah Beuthien dabei auch im Minderwert der Arbeitsleistung einen im Rahmen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung ersatzfähigen Schaden.95 Zum anderen konnte der Arbeitgeber nach Auffassung 89
Beuthien, ZfA 1972, 73. Beuthien, ZfA 1972, 73, 74. 91 § 325 [Vom Schuldner zu vertretendes Unmöglichwerden] (1) Wird die aus einem gegenseitigen Vertrag dem einen Teil obliegende Leistung infolge eines Umstandes, den er zu vertreten hat, unmöglich, so kann der andere Teil Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder von dem Vertrag zurücktreten. Bei teilweiser Unmöglichkeit ist er, wenn die teilweise Erfüllung des Vertrags für ihn kein Interesse hat, berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit nach Maßgabe des § 280 Abs. 2 zu verlangen oder von dem ganzen Vertrag zurückzutreten. Statt des Anspruchs auf Schadensersatz und des Rücktrittsrechts kann er auch die für den Fall des § 323 bestimmten Rechte geltend machen. (2) Das gleiche gilt in dem Fall des § 283, wenn nicht die Leistung bis zum Ablauf der Frist bewirkt wird oder wenn sie zu dieser Zeit teilweise nicht bewirkt ist. 92 Beuthien, ZfA 1972, 73, 74. Das Rücktrittsrecht nach §§ 325, 326 BGB a. F. scheidet insoweit aus. Dieses wurde und wird durch das Recht zur fristlosen Kündigung nach § 626 BGB verdrängt; hierzu noch ausführlich unter § 5 C. I und IV. 1. a). 93 Beuthien, ZfA 1972, 73, 74 f. 94 Vgl. BAG vom 6.6.1972 – 1 AZR 438/71, AP Nr. 71 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Palandt-Grüneberg, § 281 Rn. 44; MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 63; Römermann/Haase, MDR 2006, 853, 856; Servatius, Jura 2005, 838, 839; ebenso wie Beuthien aber Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 134. 95 Beuthien, ZfA 1972, 73, 75. 90
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Beuthiens über den Verweis in § 325 Abs. 1 Satz 3 BGB nach § 323 Abs. 1 BGB a. F. „schadensersatzrechtlich“ mindern.96 Gerade an dieser Konstruktion einer schadensersatzrechtlichen Minderung übt Motzer Kritik. Er hält es für inkonsequent, dass Beuthien auf der einen Seite aus dem bewussten Verzicht des Gesetzgebers auf gewährleistungsrechtliche Vorschriften in den §§ 611 ff. BGB im Einklang mit der damals herrschenden Meinung den Schluss zieht, eine einseitige Lohnminderung durch den Arbeitgeber sei unzulässig, nur um auf der anderen Seite dem Arbeitgeber ein Lohnminderungsrecht nach §§ 323 Abs. 1 Halbs. 2, 472, 473 BGB a. F. über den Verweis in § 325 Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. zuzusprechen.97 f) Lohnminderung wegen qualitativer Teilunmöglichkeit nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 323 Abs. 1 BGB a. F. aa) Rechtslage unter dem alten Schuldrecht Motzer selbst hielt es unter der Geltung des früheren Schuldrechts für durchaus denkbar, § 323 Abs. 1 BGB a. F. unmittelbar anzuwenden.98 Die Basis für die Überlegungen Motzers bildet dabei der von Mommsen in seiner Schrift über die „Unmöglichkeit der Leistung“ geprägte weite Leistungs- und Unmöglichkeitsbegriff. Nach dem Ansatz Mommsens ist der Begriff Leistung im Sinne des BGB in seiner Fassung vor der Schuldrechtsreform nicht rein gegenständlich aufzufassen. Die Unmöglichkeit könne sich auf die Leistung als Ganzes oder auch nur auf einen Teil derselben beziehen. Zu der teilweisen Unmöglichkeit sei auch die Unmöglichkeit zu rechnen, die sich auf bestimmte Modalitäten der Leistung beziehe.99 Zu den Leistungsmodalitäten, deren endgültiges Fehlen den Leistungsstörungstatbestand der teilweisen Unmöglichkeit erfüllt, gehört nach Ansicht Mommsens neben den Eigenschaften des Leistungsgegenstands, Leistungszeit und Leistungsort auch die Qualität der Leistung.100 Nach Mommsen existiert demnach der Fall der „theilweisen Unmöglichkeit – in Beziehung auf die Qualität der zu leistenden Sache“.101 Mommsen hält diese zunächst für Sachleistung getroffene Feststellung auch für auf solche Leistungen übertragbar, „welche in einem Thun bestehen.“ 102 96
Beuthien, ZfA 1972, 73, 76. Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 185 f. 98 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 130 ff. 99 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Erste Abteilung, Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, S. 8 f., S. 153. 100 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 141. 101 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Erste Abteilung, Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, S. 193. 102 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Erste Abteilung, Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, S. 52 ff. 97
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Unter Rückgriff auf die vorgenannten Überlegungen nimmt Motzer dabei im Einklang mit vereinzelten späteren Stimmen in der Literatur103 eine Gegenposition zu der damals herrschenden Meinung104 ein, welche den Leistungsstörungstatbestand der Unmöglichkeit nur für den Fall der Nichterbringung des Leistungsgegenstands selbst angewendet wissen wollte. Die Vertreter der damals herrschenden Meinung gingen dabei von der Überlegung aus, dem BGB liege ein gegenständlich gemeinter Leistungsbegriff zu Grunde, der die Modalitäten der Leistung ausklammere.105 Nur wenn der Leistungsbegriff des BGB gegenständlich verstanden werde, sei eine sinnvolle Gliederung der Pflichten aus dem Schuldverhältnis möglich.106 Der weite Leistungsbegriff sei gekünstelt und lasse sich nicht mit der Systematik und den Funktionszusammenhängen des BGB vereinbaren.107 Die Modalitäten der Leistung seien wegen der Gefahr einer ausufernden Anwendbarkeit der Leistungsstörungsvorschriften und der damit drohenden Rechtsunsicherheit im Gesetz grundsätzlich nicht mit in den Begriff der Leistung einbezogen worden.108 Konsequenz dieser vorherrschenden Ansicht war, dass anders als nach Mommsen der Leistungsstörungstatbestand der auch die Schlechterfüllung umfassenden qualitativen Teilunmöglichkeit in den Hintergrund geriet und der Anwendungsbereich der Teilunmöglichkeit auf seltene Fälle reduziert wurde. Diese Verengung des Unmöglichkeitsbegriffs führte schließlich unter anderem zu der verbreiteten Ansicht, das BGB halte für die Fälle der Schlechterfüllung keine Lösung parat. Die so entstandene (vermeintliche) Gesetzeslücke sollte in Analogie zu §§ 280, 286 und 326 BGB a. F. durch das Institut der positiven Vertragsverletzung zu füllen sein.109
103 Herauszuheben ist an dieser Stelle Emmerich, der mit großer Vehemenz bis zur Reform des Schuldrechts an der Auffassung festgehalten hat, das BGB knüpfe an den von Mommsen geprägten weiten Leistungsbegriff an und die irreparable Schlechterfüllung sei daher als Fall der teilweisen Unmöglichkeit zu behandeln, sodass insofern von einer durch das Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung zu füllenden Regelungslücke keine Rede sein könne. Siehe MüKo (3. Auflage, 1994)-Emmerich, Vor § 275 Rn. 2 ff.; ders., Das Recht der Leistungsstörungen (4. Auflage, 1997), S. 4 ff.; ebenso Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, Himmelschein, AcP 158 (1959), 273; Wicher, AcP 158 (1959), 297, 301. 104 Köpcke, Typen der positiven Vertragsverletzung, S. 11; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band Allgemeiner Teil, S. 363 ff. (insbesondere Fn. 1). 105 Grundlegend Stoll, AcP 136 (1932), 257, 273. 106 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band Allgemeiner Teil, S. 363 (Fn. 1). 107 Fabricius, Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis, S. 35 ff. 108 Fabricius, Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis, S. 35, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit nicht bei der bloßen Störung von Leistungsmodalitäten rechtfertigen ließen. 109 Staub, Die positiven Vertragsverletzungen; im Anschluss an Staub die ganz herrschende Meinung: BGH vom 13.11.1953 – I ZR 140/52, BGHZ 11, 80, 83 ff.; Staudinger (Dreizehnte Bearbeitung 1995)-Löwisch, Vorbem zu §§ 275 ff. Rn. 23; Köpcke, Typen der positiven Vertragsverletzung, S. 11; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band Allgemeiner Teil, S. 363 ff.; Schünemann, JuS 1987, 1, 5.
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Der von Motzer im Anschluss an Mommsen gewählte Ausgangspunkt, der unmittelbaren Anwendbarkeit des § 323 Abs. 1 BGB a. F. auf die Fälle der Schlechterfüllung war dabei unter der Geltung des alten Schuldrechts keineswegs abwegig und die Position der seinerzeit herrschenden Meinung ebenso wenig zwingend. Hierfür spricht insbesondere die Entstehungsgeschichte des BGB. Die Unmöglichkeit wurde in den Beratungen zum BGB zur zentralen Form der Leistungsstörung. Ihr wurde allein der Verzug zur Seite gestellt. Der Gesetzgeber hat – so viel steht fest – die Schlechterfüllung nicht übersehen. Hiergegen spricht nicht zuletzt der § 339 S. 1 BGB,110 der im Rahmen der Schuldrechtsreform nicht verändert worden ist: „Verspricht der Schuldner dem Gläubiger für den Fall, dass er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, die Zahlung einer Geldsumme als Strafe, so ist die Strafe verwirkt, wenn er in Verzug kommt.“
Vielmehr wollten die Väter des BGB in Anlehnung an die von Windscheid vermittelte Lehre Mommsens die Schlechterfüllung als Fall der (qualitativen) Teilunmöglichkeit den Vorschriften über die Unmöglichkeit (§§ 323 Abs. 1 Halbs. 2, 324 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.) unterstellen. Dies ergibt sich insbesondere aus den Materialien zu § 224 des ersten Entwurfs des BGB,111 welcher lautet: „Der Schuldner ist verpflichtet, die nach dem Schuldverhältnisse ihm obliegende Leistung vollständig zu bewirken. Er haftet nicht blos wegen vorsätzlicher, sondern auch wegen fahrlässiger Nichterfüllung seiner Verbindlichkeit. Die Vorschriften der §§ 708, 709 finden entsprechende Anwendung Der Schuldner haftet in Ansehung der Erfüllung wegen des Verschuldens seines gesetzlichen Vertreters sowie wegen des Verschuldens derjenigen Person, derer er sich zur Bewirkung der Leistung bedient.“
Bis zur Verabschiedung des BGB wurde diese Vorschrift zwar noch stark verändert, insbesondere wurde der für die Schlechterfüllung maßgebliche Abs. 1 Satz 1 gestrichen.112 Die Absicht, die Grundkonzeption des Entwurfs im Hinblick auf die Frage der teilweisen qualitativen Unmöglichkeit zu ändern, bestand hingegen nicht. Vielmehr wurde der Abs. 1 Satz 1 des § 224 des ersten Entwurfs als selbstverständlich angesehen und aus eben diesem Grund gestrichen.113 Die Gesetzesverfasser gingen dabei davon aus, der Regelungsgehalt der Vorschrift finde sich in der heute in § 242 BGB geregelten Generalklausel, der Verpflichtung zur Leistung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte wieder.114 110
Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen (4. Auflage, 1997), S. 224. Motive II, S. 26 f., 49: „Wird die Leistung zufolge eines von dem Schuldner zu vertretenden Umstandes ganz oder (quantitativ oder qualitativ) theilweise unmöglich, so ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger den durch die Nichterfüllung verursachten Schaden zu ersetzen.“; Protokolle I, S. 303 f., 319 f. 112 Vgl. die Synopse bei Mugdan II, S. 9. 113 Protokolle I, S. 303; ebenso Evans-von Krebek, AcP 179 (1979), 85, 116. 114 Protokolle I, S. 303. 111
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Auch in Anbetracht der besonderen Bedeutung der Regelungsabsichten, Zwecke und Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers für die Auslegung gesetzlicher Normen115 steht der Gesetzestext des BGB, wie er sich bis zur Schuldrechtsreform darstellte, einer weiten Interpretation des Leistungs- und Unmöglichkeitsbegriffs Mommsenscher Prägung jedenfalls nicht entgegen. Der „Rückbesinnung“ 116 auf den Leistungs- und Unmöglichkeitsbegriff Mommsens hat sich folgerichtig auch die Rechtsprechung in einzelnen Urteilen angeschlossen.117 Die Auffassung, die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht sei ein Fall der teilweisen Unmöglichkeit und berechtige den Arbeitgeber daher dazu, gemäß §§ 323 Abs. 1, 325 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB a. F. das Entgelt zu mindern, war vor dem aufgezeigten Hintergrund und unter dem Schuldrecht vor der Reform vertretbar. Insbesondere Motzer weist in diesem Zusammenhang aber bereits darauf hin, dass eine Lohnminderung in praktischer Hinsicht nur in Frage kommt, wenn es gelingt, dem Arbeitnehmer eine gewisse Dauer der Arbeitspflichtverletzung nachzuweisen, um den Umfang der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht bezogen auf das für den betroffenen Zeitabschnitt versprochene Entgelt auszugrenzen.118 Die konsequenten Gleichsetzung von Schlechterfüllung und teilweiser Nichtleistung und die damit einhergehende Ausweitung des Geltungsanspruchs des § 323 Abs. 1 BGB a. F. führte dazu, dass das Problem der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht im Ergebnis zu einer Frage der Verteilung des Entgeltrisikos wurde. Dies hat weitreichende Konsequenzen. So ergibt sich a maiore ad minus aus § 616 BGB, dass ein Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers ausgeschlossen ist, soweit der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, unverschuldet seine Arbeitsleistung nicht vertragsgemäß erbringt.119 Ferner ist bei konsequenter Gleichsetzung von Schlechterfüllung und Nichterfüllung auch die in § 326 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BGB (§ 324 Abs. 1 BGB a. F.) geregelte Verlagerung des Entgeltrisikos auf den Gläubiger, welcher das Leistungshindernis weit überwiegend zu vertreten hat,120 auf die Schlechtleistung anzuwenden.121 Dies hat zur Folge, dass in den Fällen, in denen der Arbeitgeber oder eine Person, 115
Larenz, Methodenlehre, S. 328 ff. Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 140. 117 BGH 4.11.1994 – LwZR 11/93, BGHZ 127, 297, 314; OLG Düsseldorf vom 7.11.1977 – 5 U 26/77 JuS 1978, 780, 781. 118 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 164 ff. Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 86 ff., hält eine Lohnminderung aus diesem Grund für praktisch nicht durchführbar. Dazu noch unten § 8 A. I. 2. b) aa). 119 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 190 ff. 120 Palandt-Grüneberg, § 326 Rn. 8. 121 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 193 ff. 116
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dessen Verhalten dem Arbeitgeber nach § 278 BGB zuzurechnen ist, in schuldhafter Weise die vertragsgerechte Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich macht, der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltzahlung erhalten bleibt. Die Fälle der nicht vertragsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung unterfallen zumindest nach dem Dafürhalten Motzers ferner auch den Regeln über die Verteilung des Betriebsrisikos,122 nach denen der Arbeitgeber die Folgen zu tragen hat, die sich daraus ergeben, dass die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und die Entgegennahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber aus Gründen unmöglich wird, die in seinem Einflussbereich liegen.123 Im Hinblick auf den von Motzer verfolgten Gedanken der Gleichstellung von Schlechterfüllung und Nichterfüllung ist dies nur konsequent. Motzer begründet die Anwendbarkeit der Betriebsrisikolehre auf die Fälle der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht dabei wiederum im Wege des Erst-Recht-Schlusses. Wenn der Arbeitnehmer sogar bei vollständigem Unterbleiben der Arbeit seinen Lohn beanspruchen könne, müsse ihm der Lohn erst recht dann zustehen, wenn fehlerhaftes Arbeitsmaterial, unvollständige Arbeitsanweisungen oder andere unzuträgliche betriebliche Umstände ihn nicht an der Arbeit an sich, sondern lediglich an ihrer vertragsgemäßen Ausführung hindern.124 Diese Begründung ist jedoch überflüssig. Ist die Schlechterfüllung entsprechend der Lehre Mommsens als teilweise Unmöglichkeit in Ansehung der Qualität aufzufassen, bedarf es eines Erst-Recht-Schlusses zur Begründung der Anwendbarkeit der Betriebsrisikolehre nicht. Ihre Anwendbarkeit verstünde sich vielmehr von selbst. Unter Anwendung der Betriebsrisikolehre kommt Motzer schließlich zu dem Ergebnis, der Arbeitnehmer behalte auch im Falle einer aus betriebstechnischen Gründen nicht vertragsgemäßen Arbeitsleistung den vollen Lohnanspruch.125 Motzer sieht das Lohnminderungsrecht schließlich auch in Fällen eingeschränkt, in denen die nicht vertragsgemäße Erbringung der Arbeitsleistung nicht auf betriebstechnischen Gründen beruht. Hierzu zieht Motzer die Grundsätze der Haftungserleichterung des Arbeitnehmers heran.126 Zu Recht weist Motzer in diesem Zusammenhang auf die gemeinsame dogmatische Grundlage von Betriebsrisikolehre und Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers hin.127 Die zu 122 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 198 ff.; ebenso jetzt Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 456 f. 123 BAG vom 8.2.1957 – 1 AZR 338/55, NJW 1957, 687 ff.; BAG vom 30.5.1963 – 5 AZR 252/62, AP Nr. 15 zu § 615 Betriebsrisiko (unter 1 b). Grundlegend zu den dogmatischen Hintergründen der Verteilung des Betriebsrisikos: Picker, JZ 1979, 285, 290 ff. 124 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 200 f. 125 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 204. 126 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 204 ff. 127 Ausführlich Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 204 ff. im Anschluss an RAG vom 18.12.1940 – RAG 49/40, ARS 41, 55, 58; ebenso: BAG vom 23.3.1983 – 7 AZR 391/79, AP Nr. 82 zu § 611 BGB Haftung des
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der Zeit des Erscheinens seiner Untersuchung noch herrschende Ansicht, die Haftung des Arbeitnehmers sei lediglich bei „gefahrgeneigter Arbeit“ beschränkt, lehnt Motzer ab.128 Vielmehr sei danach zu differenzieren, ob die nicht vertragsgemäße Arbeitsleistung auf einer für die Tätigkeit des Arbeitnehmers typischen Ursache beruhe und sich in ihr mithin ein „tätigkeitsspezifisches Risiko“ realisiere. Dabei sei zu berücksichtigen, dass keine Tätigkeit von vornherein frei von solchen Risiken sei.129 Motzer gelangt auf diesem Weg zu dem Ergebnis, dass das von ihm aus §§ 323 Abs. 1, 325 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB a. F. hergeleitete Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers nur durchgreift, wenn „die Fehlleistung des Arbeitnehmers auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht oder bei leichter Fahrlässigkeit nicht auf arbeitstypisches Abirren seiner Tätigkeit zurückgeht.“ 130 Schließlich schränkt Motzer dieses Zwischenergebnis noch dahingehend ein, dass dem im Betrieb tätigen Arbeitnehmer auch bei schweren Fehlleistungen entsprechend den den Pfändungsschutzbestimmungen zu Grunde liegenden sozialen Erwägungen nach § 394 BGB analog i.V. m. § 850 ZPO analog ein Mindestlohnanspruch verbleiben müsse.131 Zur Begründung stellt Motzer darauf ab, dass der Arbeitgeber, der bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. und Aufrechnung dieses Schadensersatzanspruchs gegen die Lohnforderung des Arbeitnehmers die Pfändungsgrenze beachten müsse, diese nicht durch ein Vorgehen im Wege der Lohnminderung nach §§ 323 Abs. 1, 325 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB a. F. unterlaufen dürfe.132 Hierfür spreche ferner, dass die Lohnminderung gemäß § 325 Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. im Falle der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit dem Gläubiger das Recht zur Minderung der Gegenleistung nur an Stelle des Schadensersatzanspruchs zustehe.133 Darüber hinaus sei die Anwendbarkeit der Pfändungsschutzbestimmungen selbst im Rahmen von privatautonom vereinbarten Lohnverwirkungsabreden von der herrschenden Meinung anerkannt, sodass dies erst recht für ein Lohnminderungsrecht nach §§ 323 Abs. 1, 325 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB a. F. zu gelten habe.134 Dabei sei der Pfändungsschutz auch bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nicht vollkommen ausgeschlossen.135 Arbeitnehmers (Leitsatz und unter II 3); vom 21.10.1983 – 7 AZR 488/80, AP Nr. 84 zu § 611 (unter II 1 b) Haftung des Arbeitnehmers; ebenso Canaris, RdA 1966, 41, 45 f. 128 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 210 und 214 f. 129 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 216. 130 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 217. 131 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 217 ff. 132 A. A. Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 193. 133 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 218. 134 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 218 f. unter Verweis auf Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 377; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 440 und weitere.
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Motzer gelangt schließlich zu der Auffassung, dass dem Arbeitgeber bei vorsätzlicher und grob fahrlässiger sowie leicht fahrlässiger, nicht arbeitstypischer Schlechterfüllung der Arbeitspflicht ein Recht zur Minderung des Entgelts bis zur Pfändungsgrenze zustehe. In seinen Ergebnissen unterscheidet sich der Ansatz Motzers daher auch nicht maßgeblich von der schadensersatzrechtlichen Lösung Beuthiens136. Dies überrascht vor dem Hintergrund der scharfen Kritik, die Motzer an dem Ansatz Beuthiens übt.137 Überdies ist es zweifelhaft, ob es Motzer gelungen ist, seine Grundthese der Gleichstellung von teilweiser Nichterfüllung und Schlechterfüllung, konsequent einzuhalten. Sowohl die Anwendung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung als auch die Anwendung der Pfändungsgrenzen sind nur schwer mit dem von Motzer aus der Gleichstellung von Schlechterfüllung und teilweiser qualitativer Unmöglichkeit hergeleiteten Minderungsrecht in Einklang zu bringen. Ist die Schlechterfüllung eine teilweise Nichterfüllung in Ansehung der Qualität muss es bei dem in § 323 Abs. 1 BGB a. F. angelegten Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers bleiben. Sie ist dann den Regeln des konditionellen Synallagmas, die in dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ 138 zum Ausdruck kommen, unterworfen – ein Gedanke, der vor dem Hintergrund des damals geltenden Rechts durchaus nachvollziehbar ist. Auch nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre und anderen lohnerhaltenden Normen wie § 616 BGB käme man zu keinem anderen Ergebnis. Wie noch aufzuzeigen sein wird,139 fügt sich die Berücksichtigung der Pfändungsgrenze und der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung wesentlich harmonischer in eine „schadensersatzrechtliche Lösung“ des Problems der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht ein. bb) Rechtslage unter der Geltung des modernisierten Schuldrechts Eine dem § 323 Abs. 1 BGB a. F. entsprechende Vorschrift enthält heute § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der von Motzer unter beachtlichem Aufwand erarbeitete Lösungsansatz wird daher mit Einschränkungen auch heute noch vertreten.140 135
Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 220 f. Oben § 3 C. II. 1. e). 137 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 185 f.; oben § 3 C. II. 1. e). 138 Motzer spricht im Zusammenhang mit der Schlechterfüllung der Arbeitsleistung vom Grundsatz „Ohne vollständige Arbeit kein voller Lohn“, Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 162 ff. 139 Dazu unten § 8 B. und D. 140 Erman-Edenfeld, § 611 Rn. 408 [die Ausführungen P. Hanaus in der 10. Auflage ohne Berücksichtigung der infolge der Einführung des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB im Zuge der Schuldrechtsreform geänderten Rechtslage (dazu unten § 4 C. IV.) übernehmend]; mit Einschränkung zustimmend Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 221. 136
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§ 3 Arbeitnehmerseitige Leistungsstörungen
Namentlich Emmerich ist bis heute der Ansicht, § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB führe für den Dienstvertrag zu einer automatischen Minderung in den Fällen der Schlechtleistung, denn der § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB einschränkende Satz 2 diene allein der Vermeidung von Wertungswidersprüchen zum Recht der Minderung bei Kauf- und Werkverträgen141 und treffe keine Aussage über einen möglichen Ausschluss des konditionellen Synallagmas für die Schlechterfüllung von Leistungspflichten aus Verträgen ohne Gewährleistungsregeln. Emmerich kommt daher zu dem Schluss, dass insbesondere für freie Dienstverträge eine Minderung über § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V. m. § 441 Abs. 3 BGB weiterhin möglich sei.142 Die ganz herrschende Meinung nimmt demgegenüber – freilich ohne dies eingehend zu begründen – an, dass § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zumindest seinem Wortlaut nach ein Minderungsrecht für den Leistungsstörungstatbestand der Schlechtleistung ausdrücklich ausschließt.143 Aus diesem Grund schlagen Oetker/Maultzsch144 für den freien Dienstvertrag vor, bei Schlechtleistungen § 326 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB analog anzuwenden. Sie begründen dies damit, dass auch das Rücktrittsrecht des Gläubigers bei unbehebbaren Schlechtleistungen aus §§ 326 Abs. 5, 323 BGB für Dienstverträge durch ein Kündigungsrecht ersetzt werde. Da aus diesem Grund für den Dienstvertrag nicht geklärt sei, inwieweit die Vergütung bei einer Schlechtleistung noch geschuldet sei, liege eine planwidrige Regelungslücke vor, die nach den Grundsätzen der analogen Anwendung von Gesetzen zu füllen sei.145 g) Zwischenergebnis Es hat sich somit gezeigt, dass es zahlreiche mehr oder weniger erfolgversprechende Ansätze gegeben hat und gibt, das Prinzip des konditionellen Synallagmas auch auf die Schlechtleistung des Arbeitnehmers zur Anwendung zu bringen. Der Blick auf die verschiedenen Ansätze macht dabei deutlich, dass insbesondere das Fehlen dienstvertragsspezifischer Gewährleistungsregeln es enorm erschwert, ein Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers sachgerecht zu begründen. 141
Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen (5. Auflage, 2003), S. 74 f. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 165, wobei Emmerich für Arbeitsverträge mit Rücksicht auf die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer von einer automatischen Lohnminderung absehen will. 143 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 40, 190; Lindemann, AuR 2002, 81, 83; ErfKommArbR-Preis, § 611 BGB Rn. 683; Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 137 f.; HWK-Thüsing, § 611 BGB Rn. 400, 412; Wedde, AiB 2002, 267, 270; im Ergebnis auch Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 Rn. 67; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 392 f.. 144 Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 Rn. 67. 145 Dazu unten § 4 C. IV. 5. 142
D. Ergebnis
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2. Das Dogma von der leistungsstörungsrechtlichen Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht Wie bereits aufgezeigt,146 geht die wohl herrschende Meinung dementsprechend auch davon aus, dass die Schlechtleistung im Gegensatz zur Nichtleistung den Vergütungsanspruch nicht mindere, da sie nicht den Regeln über die Teilleistung unterfalle und eine Minderung wegen Schlechtleistung in den §§ 611 ff. BGB nicht vorgesehen sei.147 So heißt es in der Rechtsprechung des BAG: „Der Arbeitnehmer schuldet die Leistung der versprochenen Dienste, nicht den Erfolg der Leistung. Das Risiko der Schlechtleistung trägt grundsätzlich der Arbeitgeber.“ 148
D. Ergebnis Es bleibt festzuhalten, dass die herrschende Meinung hinsichtlich der Frage der Lohnminderung bei Schlechtleistungen des Arbeitnehmers der Auffassung, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag um einen Austauschvertrag handelt, auf den die Regeln des gegenseitigen Vertrags Anwendung finden, grundsätzlich widerspricht. Dies gilt umso mehr, als wie gesehen für den Leistungsstörungstatbestand der Nichtleistung das konditionelle Synallagma im Grundsatz gewährleistet ist. Dem unvoreingenommenen, mit der Beurteilung der Schlechtleistung der Arbeitspflicht befassten Rechtsanwender stellt sich zwangsläufig die Frage, wie es zu dieser Ausklammerung der Schlechterfüllung der Arbeitsleistung aus dem Synallagma des Arbeitsvertrags kommt, mit anderen Worten, weshalb das Prinzip des „do ut des“ bei der Schlechtleistung des Arbeitnehmers außer Kraft gesetzt sein soll. Geht man dieser Frage nach, wird nach einer Durchsicht des Schrifttums deutlich, dass die Schlechtleistung der Arbeitspflicht von den meisten Autoren gar nicht als ein Problem des Synallagmas verstanden wird. Die wenigen Autoren, welche die Rechtsfolgen der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht im Synallagma des Arbeitsvertrags suchen, kommen auf die eine oder andere Art zu dem Ergebnis, dass sich die Schlechtleistung des Arbeitnehmers auf den Anspruch auf Entgeltzahlung auswirkt.
146
Oben § 1 A. Vgl. BAG vom 17.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968 (II 2); ebenso im Ergebnis BAG vom 6.6.1972 – 1 AZR 438/71, AP Nr. 71 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; OLG Düsseldorf vom 31.1.1974 – 8 U 123/73, NJW 1975, 595, 596 (zum Dienstvertrag); OLG Köln vom 9.3.1988 – 2 U 67/87, DB 1989, 100, 101 (zum Dienstvertrag); AG Ludwigslust vom 14.10.2003 – 3 C 473/03, NJW 2005, 610, 611 (zum Dienstvertrag); Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 227; Marschner, AR-Blattei SD 1110 Lohn, Rn. 110; MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 31. 148 BAG vom 15.3.1960 – 1 AZR 301/57, AP Nr. 13 zu § 611 BGB Akkordlohn; vom 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, AP Nr. 2 zu § 611 Mankohaftung (B I 1); ebenso ErfKommArbR-Preis, § 611 BGB Rn. 394. 147
§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem des konditionellen Synallagmas und seiner Durchbrechungen Es gilt daher im Folgenden, den Rechtsgedanken des konditionellen Synallagmas für sich und in seiner Geltung für den Arbeitsvertrag im Allgemeinen und die arbeitnehmerseitige Schlechtleistung im Besonderen im Folgenden näher zu beleuchten. Anzusetzen ist dabei zunächst bei den Rechtsgedanken, welche dem konditionellen Synallagma zu Grunde liegen. Hierauf aufbauend ist zu untersuchen, welche Durchbrechungen das konditionelle Synallagma im Arbeitsverhältnis erfährt, um auf den so gewonnenen Erkenntnissen aufbauend, die Reichweite des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis zu bestimmen und zu klären, ob die Schlechtleistung des Arbeitnehmers von den Rechtsfolgen des konditionellen Synallagmas erfasst wird. Erfährt das konditionelle Synallagma, wie es das Dogma von der leistungsstörungsrechtlichen Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht nahe legt, eine so weitgehende Durchbrechung, dass seine Rechtsfolgen die Schlechterfüllung nicht mehr erreichen, ist der Frage nachzugehen, ob die Schlechterfüllung andere Rechtsfolgen zeitigt, die nicht unmittelbar von der synallagmatischen Verknüpfung von Arbeit und Lohn abhängen. Bei dem Dogma von der leistungsstörungsrechtlichen Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht kann es im Ergebnis nur bleiben, wenn feststeht, dass auch solche Rechtsfolgen nicht greifen. Das Prinzip des konditionellen Synallagmas kommt bei den Austauschverträgen dort besonders klar zum Ausdruck, wo eine verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners für Leistungsstörungen angeordnet wird. Für den Leistungsstörungstatbestand der Nichtleistung findet sich eine entsprechende Anordnung in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie in § 323 Abs. 1 Fall 1 BGB. Regelungen über eine verschuldensabhängige Haftung für Schlechtleistungen enthalten neben § 323 Abs. 1 Fall 2 BGB insbesondere die gewährleistungsrechtlichen Regelungen des Kauf-, Miet-, Reise- und Werkvertragsrechts. Im Dienstvertragsrecht findet sich keine Anordnung einer verschuldensabhängigen Haftung des Arbeitnehmers für ausbleibende oder nicht vertragsgemäße Arbeitsleistungen. Im Hinblick auf die Nichtleistung ist bereits deutlich geworden, dass das konditionelle Synallagma im Arbeitsrecht über die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts zum Tragen kommt. Um nunmehr zu klären, was für die Fälle arbeitnehmerseitiger Schlechtleistungen zu gelten hat, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, welche Rechtsgedanken dem konditionellen Synallagma zu Grunde liegen
A. Das konditionelle Synallagma als Bestandteil des gegenseitigen Vertrags
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und inwieweit diese Rechtsgedanken auch bezüglich der Schlechtleistung des Arbeitnehmers zum Tragen kommen müssen. Im Hinblick auf das Dogma von der leistungsstörungsrechtlichen Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht wird dabei zu klären sein, ob das Prinzip des konditionellen Synallagmas arbeitsvertragsspezifischen Einschränkungen unterliegt.
A. Das konditionelle Synallagma als wesentlicher Bestandteil der Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags Um eine gesicherte Aussage darüber treffen zu können, ob das Prinzip des konditionellen Synallagmas auch auf die Schlechtleistung des Arbeitnehmers anzuwenden ist, soll im Folgenden zunächst den dogmatischen Grundlagen dieses Prinzips nachgegangen werden, um auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnissen untersuchen zu können, ob sich aus der dem Arbeitsvertrag spezifischen Interessenlage Besonderheiten ergeben, welche die Anwendbarkeit des Prinzips des konditionellen Synallagmas auf das Arbeitsverhältnis betreffen.
I. Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags und verschuldensunabhängige Haftung für Leistungsdefizite Es hat sich heute die Auffassung weitgehend durchgesetzt, dass das Synallagma als die finale Verknüpfung der wechselseitigen Leistungspflichten im gegenseitigen Vertrag zu verstehen ist.1 Das Synallagma bildet die vertragsimmanente Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags. Die finale Verknüpfung der wechselseitigen Leistungspflichten wird hierbei auf der einen Seite von den Parteien mit dem Abschluss des gegenseitigen Vertrags konstituiert, ist auf der anderen Seite aber gesetzlich ausgestaltet.2 Das heutige Verständnis vom Synallagma als finale Verknüpfung wechselseitiger Leistungspflichten ist in entscheidender Weise von van den Daele in dessen wegweisender, 1968 erschienenen Untersuchung „Probleme des gegenseitigen Vertrags“ geprägt worden.3 Eine Untersuchung des Synallagmas des Arbeitsvertrags muss die grundsätzlichen Überlegungen van den Daeles aufgreifen. So lassen sich etwa nur dann 1 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 II (S. 312 ff.); ders., FS für L. Raiser, S. 57; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 116; Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320– 326 Rn. 17. 2 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 II 1 (S. 312); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 218; Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320–326, Rn. 17; Rittner, FS für Heinrich Lange, 1970, S. 213 ff. 3 Auf die von Van den Daele entwickelte Dogmatik des Synallagmas beziehen sich unter anderem Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 II (S. 312 ff.); ders., FS für L. Raiser, 1974, S. 57; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 116 ff.; Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320–326 Rn. 17.
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§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem
gesicherte Aussagen darüber treffen, welchen Einfluss die Arbeitsvertragsparteien auf die Verteilung von Leistungs- und Preisgefahr im Arbeitsverhältnis nehmen, wenn geklärt ist, inwieweit die Ausgestaltung der synallagmatischen Leistungsbeziehung im Allgemeinen den Vertragsparteien anheimgestellt ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, inwieweit die Gesetzesnormen, die der synallagmatischen Leistungsverknüpfung Gestalt verleihen, Ausdruck eines typischen Parteiwillens sind. Soweit in den §§ 320 ff. BGB ein typisierter Parteiwille zum Ausdruck kommt, steht die Anwendung dieser Normen unter dem Vorbehalt, dass die beim Arbeitsvertrag vorherrschende Interessenlage, derjenigen Interessenlage entspricht, die bei gegenseitigen Verträgen typischerweise vorherrscht. Als Ausgangspunkt für weiterführende Untersuchungen des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses seien daher die Überlegungen van den Daeles an dieser Stelle zunächst überblicksartig nachgezeichnet: 1. Finalität des Schuldens Van den Daele macht die Finalität des Schuldverhältnisses zum Ausgangspunkt seiner Überlegung zu den wechselseitigen Leistungsverpflichtungen im gegenseitigen Vertrag. Jedes Schuldverhältnis ist final auf die Befriedigung des Gläubigers gerichtet. Dieser Schuldzweck organisiert das Schuldverhältnis und richtet es aus.4 Befriedigung erlangt der Gläubiger des Schuldverhältnisses durch die Erbringung der geschuldeten Leistung. Es ist daher der Inhalt der Leistungspflicht, welche den Sinn des Schuldverhältnisses ausmacht.5 Die Leistungspflicht bestimmt sich zunächst nach dem Leistungsgegenstand (z. B. Übergabe und Übereignung einer Sache). Allerdings bilden Schuldverhältnisse, deren Leistungspflichten allein durch den Leistungsgegenstand gekennzeichnet sind, die Ausnahme. Regelmäßig bestimmt sich die Leistungspflicht des Schuldners nicht nur aus dem Leistungsgegenstand, sondern auch aus dem Entstehungsgrund des Schuldverhältnisses.6 Van den Daele führt als Beispiele § 812 BGB und § 667 BGB an. Der Beauftragte hafte beim Untergang der zurück zu übertragenden Sache für jede Fahrlässigkeit, während der Bereicherungsschuldner vor dem nach den §§ 819, 820 BGB maßgebenden Zeitpunkt gar nicht hafte. Zu Recht führt van den Daele diesen Unterschied in der Bewertung der Interessenlage auf die Unterschiede in den Entstehungsgründen der beiden Verpflichtungen zurück.7 Ein besonderes Zweckmoment und damit eine spezifische Interessenlage liegt bei vertraglichen Schuldverhältnissen vor. Entstehungsgrund des vertraglichen 4 5 6 7
Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 17. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 18. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 18. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 18.
A. Das konditionelle Synallagma als Bestandteil des gegenseitigen Vertrags
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Schuldverhältnisses ist die Parteivereinbarung. Die Parteivereinbarung bestimmt dabei neben dem Leistungsgegenstand auch den Zweck, aus dem heraus die Schuldverpflichtung eingegangen wird, die causa.8 Die causa ist dabei nach Ansicht van den Daeles zur Bestimmung der vertraglichen Schuld unentbehrlich. Der Schuldner bestimmt nicht nur den Leistungsgegenstand, er setzt auch den Zweck als Grund seines Versprechens. Die Schuld ist jeweils eine andere je nachdem, ob der Schuldner eine Leistung verspricht, um eine Gegenleistung des Empfängers herbeizuführen, um eine Sicherheit zu leisten oder um etwas unentgeltlich zuzuwenden.9 2. Besondere Zweckstruktur vertraglicher Schuldverhältnisse Vertragliche Schuldverhältnisse werden insbesondere durch ihren besonderen Entstehungstatbestand, den Vertragsschluss, geprägt. Der Vertragsschluss, als „Akt der Verpflichtung durch eine Handlung der Parteien“ folgt einem Zweck, der den Grund enthält aus dem heraus sich der Schuldner verpflichtet.10 Jede auf eine Verpflichtung gerichtete Erklärung des Schuldners bezieht sich auch auf den Zweck, der mit der Verpflichtung verfolgt wird.11 Diesen erklärten Zweck bezeichnet van den Daele als die causa der vertraglichen Verpflichtung,12 welche er für die Bestimmung der vertraglichen Verpflichtung für unentbehrlich hält, da sie als wesentlicher Bestandteil des rechtsgeschäftlich erklärten Willens den Schuldinhalt entscheidend mitbestimme.13 Neben dem Leistungsgegenstand sieht van den Daele daher die causa als Zweck des Eingehens der vertraglichen Schuldverpflichtung als notwendiges Moment des Schuldsinns an.14 Van den Daele macht deutlich, dass sich aus der causa-Struktur die grundsätzliche Interessenlage des Schuldvertrags ableiten lässt, welche ihrerseits wiederum die Grundlage bildet für die besonderen Abwicklungs- und Reaktionsnormen, die für ein bestimmtes Schuldverhältnis gelten.15 Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Regelung konkreter Schuldverhältnisse auch den Besonderheiten der Leistungsgegenstände Rechnung trägt.16 So8
Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 19 f. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 19 (Fn. 22). 10 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 18 f. 11 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 19. 12 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 19. 13 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 19. 14 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 20. 15 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 20 f., verweist in diesem Zusammenhang auf die Regeln des Schenkungsrechts. Die abgemilderte Haftung des Schenkers (§§ 521 ff. BGB) oder das Recht zur Rückforderung wegen Verarmung (§ 528 BGB) ließen sich nur aus dem spezifischen Inhalt der Schenkung erklären. 16 Die Verpflichtung des Verkäufers verlangt andere Regelungen als beispielsweise die Verpflichtung des Vermieters. 9
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§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem
weit der Leistungsgegenstand aber nicht näher bestimmt ist wie bei den allgemeinen Regeln über gegenseitige Verträge (§§ 320 ff. BGB), die lediglich von „Leistung“ und „Gegenleistung“ sprechen, ist es allein die causa-Struktur der Verpflichtungen, welche dem einzelnen Vertrag die ihm eigene Struktur vorgibt.17 3. Normative Gestalt des Synallagmas Die Parteien, welche die Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags konstituieren, bringen diese regelmäßig nicht in eine Gestalt, die allen Situationen Rechnung trägt. Insbesondere mögliche Leistungsstörungen bleiben weitgehend unberücksichtigt. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der normativen Gestalt des Synallagmas in den §§ 320 ff. BGB und den in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen zu. Van den Daele zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass der Gesetzgeber bei der Normierung besonderer Schuldverträge nicht nur von bestimmten Leistungsgegenständen, sondern auch von spezifischen Zweckstrukturen der vertraglichen Verpflichtungen und entsprechenden Interessenlagen ausgeht.18 Normiert der Gesetzgeber besondere Schuldverträge, normiert er zugleich die diesen Schuldverträgen zu Grunde liegende Zweckstruktur als einen Zwecksinn, der einem bestimmten Vertragsverhalten rechtlich zugeschrieben wird.19 Der Vertragszweck ist damit nicht nur Parteizweck und dem Parteiwillen untergeordnet, sondern zugleich in den Regeln über die besonderen Schuldverträge objektiviert und ihrer Geltung vom Willen der Parteien losgelöst.20 Den §§ 320 ff. BGB und den in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen zur synallagmatischen Abhängigkeit der Leistungspflichten im gegenseitigen Vertrag liegt die Vorstellung einer Zweckstruktur zu Grunde, die als strukturelltypischer Vertragszweck a priori Inhalt der Willenserklärungen ist.21 Soweit sie positiv normiert oder in allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen verfestigt ist, existiert die Zweckstruktur nicht mehr allein als Moment der Willensbildung der Parteien, sondern auch als normativer Zwecksinn, der einem bestimmten Vertragsverhalten rechtlich zugeschrieben wird und der nicht zur Verfügung der Parteien steht.22 Für den gegenseitigen Vertrag stellt van den Daele zu Recht fest, dass auch den §§ 320 ff. BGB eine „Zweckstruktur der gegenseitigen Verpflichtungen“ als
17 18 19 20 21 22
Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S.
21. 21 f. 22. 22. 22. 22.
A. Das konditionelle Synallagma als Bestandteil des gegenseitigen Vertrags
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Erklärungsprinzip zu Grunde liegt.23 Die zum Teil in den §§ 320 ff. BGB verrechtlichte Abhängigkeit der beiderseitigen Leistungsverpflichtungen im gegenseitigen Vertrag, das Synallagma, wird damit zur objektivierten Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags. Ihr wohnt ein besonderer Gerechtigkeitsgehalt inne, da sie der typischen Interessenlage und der parteiautonomen Zwecksetzung der Parteien eines gegenseitigen Vertrags Rechnung trägt und dem Parteiwillen zur Durchsetzung verhilft.24 Auch Gernhuber versteht das Synallagma auf diese Weise, wenn er schreibt: „Als Synallagma begreifen wir eine vertragsimmanente Zweckstruktur mit genetischer, konditioneller und funktioneller Abhängigkeit (zumindest) zweier final aufeinander bezogener primärer Leistungspflichten. Der Finalnexus wird von den Vertragsparteien in ihren Willenserklärungen konstituiert und vom Gesetz zu normativer Gestalt geformt. So gesehen ist das Synallagma ein (formales, also von den Gegenständen abstrahiertes) Organisationsmodell für Schuldverhältnisse, und zwar dasjenige, dessen praktische Bedeutung größer ist als diejenige aller übrigen Modelle in ihrer Gesamtheit.“ 25 4. Das Synallagma als vertragsimmanente Zweckstruktur Der Überlegung van den Daeles, dass der Schuldzweck neben dem Leistungsinhalt Teil des Schuldinhalts und der Vertragszweck Teil des Vertragsinhalts ist, ist zunächst die Erkenntnis zu verdanken, dass das Synallagma zu den inhaltlichen Bestandteilen des gegenseitigen Vertrags zählt. Die wechselseitige Abhängigkeit der Leistungspflichten ist damit mehr als bloß ein Teil der Grundlage des gegenseitigen Vertrags. Auch insofern haben sich die Überlegungen van den Daeles heute weitgehend durchgesetzt.26 Die von der Gegenauffassung vertretene Verlagerung der Gegenseitigkeitsbeziehung in den Bereich der Geschäftsgrundlage27 entfernt den nach dem Vertrag bezweckten Leistungsaustausch demgegenüber zu stark vom Vertragsinhalt.28 Da die Zweckstruktur des Vertrags unmittelbar in dem Verhältnis zum Ausdruck kommt, in welches die Vertragsparteien die vom Vertrag umfassten Leistungsgegenstände setzten, besteht keine Notwendigkeit dafür, den Vertragszweck dem Vertragsinhalt fern zu halten und einer ande23
Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 23. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 20. 25 Gernhuber, FS Raiser (1974), S. 57. 26 Siehe Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 III 1 (S. 313); ders. in FS Raiser (1974) S. 57; Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320–326, Rn. 17; Wolf, JurA, 1969, 119, 125; im Ergebnis auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band Allgemeiner Teil, § 15 I (S. 203 ff.); a. A. Rittner, FS für Heinrich Lange, 1970, S. 213, 238; Schmidt-Rimpler, Die Gegenseitigkeit bei einseitig bedingten Verträgen, insbesondere beim Versicherungsvertrag, S. 59 ff. 27 Vgl. Rittner, FS für Heinrich Lange, 1970, S. 213, 238; Schmidt-Rimpler, Die Gegenseitigkeit bei einseitig bedingten Verträgen, insbesondere beim Versicherungsvertrag, S. 59 ff. 28 Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320–326, Rn. 17. 24
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§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem
ren Kategorie zuzuordnen.29 Gegen die Gleichstellung von Synallagma und Geschäftsgrundlage spricht schließlich auch, dass die §§ 320 ff. BGB als Vorschriften zur Regelung der gestörten Geschäftsgrundlage angesehen werden müssten. Dem kann aber schon vor dem Hintergrund nicht zugestimmt werden, dass sich die §§ 320 ff. BGB sowohl in der Ausgestaltung ihrer Voraussetzungen als auch in ihren Rechtsfolgen massiv von den heute in §§ 313, 314 BGB gesetzlich normierten Vorschriften über die Störung der Geschäftsgrundlage unterscheiden. 5. Das Synallagma als Zweckbeziehung zwischen wirksam entstandenen wechselseitigen Ansprüchen Das Synallagma lässt sich auch nicht auf eine Konstruktion reduzieren, die auf bloßen Bedingungen im Sinne von § 158 BGB beruht.30 Vielmehr beinhaltet das Synallagma in seinen gesetzlichen und durch Rechtsprechung und Lehre entwickelten Ausprägungen Techniken der wechselseitigen Abhängigkeit von Ansprüchen, die jeweils für sich wirksam entstanden sind. Dies wird unter anderem anhand §§ 320, 322 BGB deutlich. Diese Vorschriften gehen offensichtlich davon aus, dass die wechselseitigen Ansprüche bereits wirksam entstanden sind.31 Darüber hinaus spricht der Umstand, dass der Beklagte im Versäumnisurteil zur Leistung verurteilt werden kann, wenn der Kläger die synallagmatische Verknüpfung der wechselseitig geschuldeten Leistungen offen legt, den Beweis seiner Leistungsbereitschaft – des vermeintlichen Bedingungseintritts – aber nicht mehr erbringt, gegen die Vorstellung, dass der Anspruch auf die Gegenleistung im Sinne einer aufschiebenden Bedingung von der eigenen Leistung abhängt.32 Schließlich kann in Anbetracht der im Gesetz angelegten Unterscheidung der Rechtsfiguren auflösende Bedingung und Rücktritt das nunmehr in §§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB normierte Rücktrittsrecht nicht als Unterfall der auflösenden Bedingung angesehen werden.33 6. Das Synallagma als Zweckbeziehung zwischen unbeschränkten Ansprüchen Zu weit greift demgegenüber die sog. Theorie vom beschränkten Leistungsaustausch. Nach diesem Ansatz führt die wechselseitige Zweckbeziehung im gegenseitigen Vertrag unmittelbar zu einer inhaltlichen Beschränkung der gegenseitigen Ansprüche. An Stelle zweier selbständiger Leistungsansprüche sei jeder Anspruch als durch die Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung beschränkt 29 30 31 32 33
Ähnlich auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 III 1 (S. 313). So aber Blomeyer, Studien zur Bedingungslehre 1. Teil, S. 104 ff. Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320–326, Rn. 15. Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 II 2 (S. 314) Fn. 15. Ebenso Staudinger-Otto, Vorbem. §§ 320–326, Rn. 15.
A. Das konditionelle Synallagma als Bestandteil des gegenseitigen Vertrags
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anzusehen34. Die Beschränkung konkretisiere sich darin, dass der Anspruch aus dem gegenseitigen Vertrag von Anfang an nur auf den Austausch von Leistungen, das heißt Leistung Zug um Zug, und nicht auf die Leistung selbst gerichtet sei.35 Gegen die Vorstellung der wechselseitigen Beschränkung der gegenseitigen Leistungsansprüche im Sinne der Theorie vom beschränkten Leistungsaustausch sprechen im Ergebnis jedoch die gleichen Erwägungen, die auch der Überlegung, das Synallagma fuße auf einer Konstruktion aufschiebender und auflösender Bedingungen im Sinne von § 158 BGB, entgegenstehen.36 Insbesondere lässt sich die Vorstellung, das Synallagma beruhe auf wechselseitig inhaltlich beschränkten Ansprüchen mit der Entscheidung des Gesetzgebers für die Ausgestaltung der Einrede des nicht erfüllten Vertrags als „echte“ Einrede,37 die sich im Wortlaut der in §§ 320 bis 322 BGB getroffenen Regelung eindeutig niederschlägt, nicht in Einklang bringen.38
II. Die verschuldensunabhängige Haftung für Leistungsdefizite als zentraler Inhalt des Prinzips des konditionellen Synallagmas Es lässt sich hiernach festhalten, dass das Synallagma den von den Parteien konstituierten Zweckzusammenhang der Leistungspflichten im gegenseitigen Vertrag beschreibt. Die Verknüpfung der wechselseitigen Leistungspflichten im gegenseitigen Vertrag beruht auf dem Parteiwillen. Da die Parteien hinsichtlich der Rechtsfolgen von Leistungsstörungen regelmäßig keine Regelungen treffen, sind die Folgen der Verknüpfung bei der Durchführung des Vertrags gesetzlich normiert oder der Ausformung durch Wissenschaft und Lehre anheimgestellt. Insoweit ist auf die gesetzlichen Regelungen und hilfsweise auf die in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Rechtsgrundsätze zurückzugreifen. Der Parteiwille bestimmt über das Ob und die Reichweite der Verknüpfung, das Gesetz und in Ermangelung gesetzlicher Regelungen Rechtsprechung und Lehre auch über das Wie der Leistungsverknüpfung. Eine Rückführung der Rechtsfolgen des Synallagmas auf dogmatische Formen außerhalb des Rechts des gegenseitigen Vertrags ist unzulässig. Das Synallagma 34 Palandt-Grüneberg, § 320 Rn. 1; Huber, Leistungsstörungen Band I, S. 308; Jahr, JuS 1964, 293, 297; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band Allgemeiner Teil, § 15 I (S. 204 ff.); Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, S. 123 f. 35 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band Allgemeiner Teil, § 15 I (S. 204 ff.). 36 Vgl. Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 108; Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 46 ff. 37 Vgl. Motive II, S. 204; Protokolle I, S. 632 f. 38 MüKo-Emmerich, Vor § 320 Rn. 10 ff.
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§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem
muss vielmehr als eigene, dem gegenseitigen Vertrag spezifische Form der wechselseitigen Abhängigkeit von Leistungspflichten angesehen werden, deren verschiedene Ausprägungen als genetisches, konditionelles und funktionelles Synallagma auch rechtstechnisch neben andere rechtliche Möglichkeiten der wechselseitigen Abhängigkeit von Leistungspflichten, wie die Bedingung im Sinne des § 158 BGB, treten. Vor diesem Hintergrund muss die in den Grundnormen des gegenseitigen Vertrags, den §§ 320 ff. BGB und insbesondere in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB aber auch in verschiedenen vertragsspezifischen Gewährleistungsvorschriften (etwa §§ 437 Ziff. 2, 441 BGB für den Kaufvertrag, § 536 BGB für den Mietvertrag und §§ 634 Ziff. 3, 638 BGB den Werkvertrag) angeordnete verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners für Leistungsdefizite als zentraler Ausdruck des Prinzips des konditionellen Synallagmas verstanden werden. Sie entspricht dem Prinzip des do-ut-des und ist Kernaussage der grundlegenden, das Prinzip des konditionellen Synallagmas tragenden Normen.
III. Das konditionelle Synallagma als notwendige Folge der Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags Es ist aufgezeigt worden, dass im gegenseitigen Vertrag jede Leistungspflicht rechtlicher Zweck der Leistungspflicht des Vertragspartners ist. Das konditionelle Synallagma schlägt sich nach dem hier vertretenen Verständnis in einem Bündel von Normen nieder, die notwendigerweise aus dieser Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags folgen. Notwendig sind die Normen des konditionellen Synallagmas im Sinne einer gerechten Folgerung der Interessenlage, die dem gegenseitigen Vertrag typischerweise zu Grunde liegt. Der strukturell typische Zweck des gegenseitigen Vertrags wird zwar mit dem wirksamen Zustandekommen des gegenseitigen Vertrags und dem damit verbundenen Zustandekommen der gegenseitigen Leistungsverpflichtungen erreicht. Die Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags muss aber auch aufrechterhalten werden, „solange und indem die Verpflichtungen bestehen und erfüllt werden“.39 Aus der Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags folgt unmittelbar, dass sich keine Partei an dem eigenen Leistungsversprechen festhalten lassen will, wenn die andere Partei von ihrer Leistungsverpflichtung frei wird. Die Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags ist gestört, wenn eine Verpflichtung untergeht, nicht oder schlecht erfüllt wird. Das Fortbestehen der einen Leistungspflicht hieße, den Gläubiger des von der Leistungspflicht befreiten Gegenübers an etwas festzuhalten, was er ausdrücklich nicht gewollt hat und seinem Gläubiger etwas zu gewähren, auf dessen Gewährung er bei Abschluss des gegenseitigen Vertrags nie vertrauen durfte.40 39 40
Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 27. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 26.
B. Prinzip des Synallagmas und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
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Entfällt die Leistungspflicht einer Partei etwa deshalb, weil die Leistungserbringung unmöglich geworden ist, muss deshalb im gegenseitigen Vertrag nach den Regeln des konditionellen Synallagmas wegen der gestörten Zweckstruktur die andere Partei ihrerseits von ihrer Verpflichtung befreit werden. Die wechselseitige Zweckbeziehung der Leistungspflichten hat daher notwendigerweise zur Folge, dass die Befreiung des einen Vertragsteils von der Leistungsverpflichtung zur Befreiung des Vertragsgegners von der Gegenverpflichtung führen muss. Etwas anderes kann grundsätzlich nur dort gelten, wo die andere Partei aus besonderen Gründen das Risiko der Zweckvereitelung zu tragen hat.41
IV. Ausformungen des Leistungsstörungsrechts durch den Gedanken des konditionellen Synallagmas Es wurde bereits aufgezeigt, dass die konditionelle Abhängigkeit der gegenseitigen Leistungspflichten im gegenseitigen Vertrag an verschiedener Stelle im Gesetz oder in nicht positiv normierten Rechtsgrundsätzen zum Ausdruck kommt.42 Neben § 326 BGB, der anordnet, dass der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt (Abs. 1 Satz 1) oder die bereits empfangene Gegenleistung zurück gewährt werden muss (Abs. 4), wenn die Leistungspflicht des Schuldners nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, gewährleisten auch die Verrechnung eigener Schadensersatzansprüche mit der Leistungsverpflichtung nach der Differenztheorie, das Rücktrittsrecht nach §§ 323, 326 Abs. 5 BGB, die Gesamtliquidation des gegenseitigen Vertrags bei der Forderung von Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 281 Abs. 5 BGB, die für den Rücktritt, den Widerruf und die Nacherfüllung angeordnete Rückabwicklung des Vertrags nach §§ 346 bis 348 BGB sowie die Saldotheorie bei der ungerechtfertigten Bereicherung den Entgeltcharakter der Leistungsverpflichtung im gegenseitigen Vertrag. Auch die für den Kauf-, Miet- und Werkvertrag speziell geregelte Minderung (§§ 441, 536 und 638 BGB) sind als unmittelbare Ausprägungen des konditionellen Synallagmas zu verstehen.
B. Das Prinzip des konditionellen Synallagmas und die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht In diesem Bündel synallagmatischer Rechtfolgenormen finden sich, dies ist bereits deutlich geworden,43 verschiedene Ansatzpunkte für eine Behandlung der Schlechterfüllung der Arbeitsleistung. Es erscheint zunächst zumindest denkbar, dass der Arbeitgeber Nacherfüllung verlangen, die Gegenleistung mindern – etwa 41 42 43
Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 26. Oben § 3 B. II. Oben § 3 C. II. 1.
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§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem
in unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB – oder auch die Vergütung zurückbehalten kann. Ferner kommt es grundsätzlich in Betracht, dass sich der Arbeitgeber von Teilen des Vertrags oder vom ganzen Vertrag löst und schließlich Schadensersatz geltend macht und seinen Schadensersatzanspruch mit dem Entgeltzahlungsanspruch des Arbeitnehmers im Wege der Verrechnung nach der Differenztheorie verrechnet oder nach §§ 387 ff. BGB aufrechnet. Angesichts der besonderen Bedeutung des konditionellen Synallagmas als das die Struktur des gegenseitigen Vertrags tragende Prinzip und der Vielzahl an denkbaren Anknüpfungspunkten für eine effektive Durchsetzung des konditionellen Synallagmas für arbeitnehmerseitige Schlechtleistungen überrascht das herrschende Dogma von der leistungsstörungsrechtlichen Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht44 umso mehr. Obwohl der Arbeitgeber im Falle der Nichtleistung nach allgemeiner Ansicht zur Minderung der Vergütung berechtigt ist, wird ihm ein derartiges Minderungsrecht im Falle der Schlechtleistung verweigert. Der allgemein anerkannten grundsätzlichen Gewährleistung der synallagmatischen Verknüpfung der wechselseitigen Pflichten im Arbeitsverhältnis zum Trotz gehen die Vertreter der herrschenden Meinung für den Bereich der Schlechterfüllung der Arbeitsleistung von einer Gefahrverteilung aus, die sich von der Gefahrverteilung, wie sie das Prinzip des konditionellen Synallagmas vorsieht, diametral unterscheidet. Da es sich beim konditionellen Synallagma jedoch – wie soeben dargelegt – um eine notwendiges, aus der Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags unmittelbar abzuleitendes Rechtsprinzip handelt, stellt sich die Frage nach der Grundlage dieser von einem fundamentalen Rechtsprinzip abweichenden Gefahrverteilung.45
C. Gründe für eine Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis Die grundsätzliche Umsetzung des konditionellen Synallagmas für den Bereich der Schlechtleistung lässt sich in mancherlei Hinsicht in Frage stellen. Bis heute beliebt ist beispielsweise der Ansatz, aus dem Fehlen gewährleistungsrechtlicher Vorschriften in den §§ 611 ff. BGB den Schluss zu ziehen, dass eine Minderung der Vergütung bei der Schlechtleistung des Arbeitnehmers dem Willen des Gesetzgebers entgegenstehe.46 Ferner ist eine Lohnminderung der Schlecht44
Oben § 3 C. II. 2. In die gleiche Richtung zielt die von Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 387, gestellte Frage danach, „aus welchem sachlichen Grund bestimmte Leistungsstörungen ohne weiteres zu einer Herabsetzung der Gegenleistung führen sollen, wohingegen dies auf andere Leistungsstörungen nicht zutreffen soll.“ 46 Zuletzt BAG vom 18.7.2007 – 5 AZN 610/07, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Minderleistung (3) unter ausdrücklicher Bestätigung seiner früheren Rspr in seiner Entschei45
C. Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis
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leistung des Arbeitnehmers vereinzelt schlicht aus der sozialen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers heraus abgelehnt worden.47 Schließlich ist im Zuge der Schuldrechtsreform mit § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Vorschrift eingeführt worden, die zumindest ihrem Wortlaut nach das Prinzip des konditionellen Synallagmas einschränkt.48
I. Das Fehlen von Gewährleistungsvorschriften in den §§ 611 ff. BGB Bisher wurde die vermeintliche leistungsstörungsrechtliche Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht vorwiegend damit begründet, dass im Dienst- und Arbeitsvertragsrecht anders als im Kauf-, Miet- und Werkvertragsrecht besondere, den Regeln des allgemeinen Schuldrechts vorgehende Gewährleistungsvorschriften fehlen.49 Zum Teil wird die vermeintliche leistungsstörungsrechtliche Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht auch heute noch auf diese Weise begründet.50 Bereits Motzer hat jedoch darauf hingewiesen, dass das Fehlen spezieller Gewährleistungsvorschriften in den §§ 611 ff. BGB einem Lohnminderungsrecht als argumentum e contrario nur dann entgegensteht, wenn Gewährleistungsrechte bewusst aus den §§ 611 ff. BGB ausgeklammert worden sind und auch der Rückgriff auf allgemeine Vorschriften, insbesondere auf § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB nach dem Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen sein soll.51 Das Schweigen des Gesetzgebers in den §§ 611 ff. BGB kann nur dann als Durchbrechung des konditionellen Synallagmas verstanden werden, wenn die Nichtregelung gewährleistungsrechtlicher Vorschriften als so genanntes beredtes Schweigen52 verstanden werden darf.53 dung vom BAG vom 17.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968; ebenso RAG vom 30.4.1930 – RAG 76/30, ARS 9, 230 ff.; Frey, AuR 1959, 177; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 694; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd. S. 236 f.; Kauffmann, AuR 1963, 267, 268; Schaub, Arbr-Hdb.-Linck, § 52 Rn. 5; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 302 f. 47 Köpcke, Typen der positiven Vertragsverletzung, S. 145; Küchenhoff, AuR 1965, 129, 135; Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, S. 308; ders., FS für Ulrich von Lübtow 1970, S. 667, 699; Schwerdtner, Arbeitsrecht I, Rn. 154. 48 Dazu unten 4. C. IV. 49 BAG vom 17.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968; RAG vom 30.4.1930 – RAG 70/36, ARS 9, 230 ff.; Frey, AuR 1959, 177; Kauffmann, AuR 1963, 267, 268; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 694; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd. S. 236 f.; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 302 f.; Schaub, Arbr-Hdb.-Linck, § 52 Rn. 5. 50 BGH vom 15.7.2004, NJW 2004, 2817 f. AG Ludwigslust vom 14.10.2003, NJW 2005, 610, 611; Brox/Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 238; Staudinger-Otto § 326 Rn. B 42; Staudinger-Richardi/Fischinger § 611 Rn. 718. 51 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 174. 52 Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff. 53 Below, FS für Heinrich Lehmann 1956, II. Bd., S. 646, 650 f.; Hartung, Schlechtleistung und Vergütungsanspruch im Recht des selbständigen Dienstvertrages, S. 103 ff.;
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§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem
Motzer macht auf überzeugende Weise deutlich, dass das Fehlen gewährleistungsrechtlicher Spezialvorschriften im Dienstvertragsrecht ein Abweichen von dem Grundsatz, dass in Ermangelung von Spezialvorschriften auf die allgemeinen Regeln zurückzugreifen ist, nicht rechtfertigt.54 Er zeigt vielmehr auf, dass in den Motiven zu den Gewährleistungsvorschriften der besonderen Vertragstypen die allgemeinen Regeln als Ausgangspunkt dienen.55 Motzer stellt dabei heraus, dass inhaltliche Abweichungen von den allgemeinen Regeln und das Aufstellen von Sonderregeln jeweils gesondert begründet worden sind.56 Aus dem Umstand, dass die Gewährleistungsregeln für Veräußerungsverträge in den Entwürfen zunächst nicht dem Kaufvertragsrecht (§§ 459 ff. BGB E I) zugeordnet, sondern in den §§ 381 ff. BGB E I „vor die Klammer gezogen“ worden seien, werde besonders deutlich, dass nach dem Willen der Verfasser des BGB die allgemeinen Vorschriften auch ohne ausdrückliche Verweisung im Kaufrecht auf den Kaufvertrag anzuwenden seien.57 Übertragen auf das Dienstund Arbeitsvertragsrecht bedeutet dies nach Ansicht Motzers, dass auch für den Dienst- und Arbeitsvertrag die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts zur Anwendung gelangen, soweit nicht anderes bestimmt ist. Gegen die Auffassung, das Fehlen von besonderen Gewährleistungsvorschriften deute auf einen Ausschluss der Lohnminderung bei Schlechterfüllung hin, spricht nach Ansicht Motzers des Weiteren, dass den Motiven dahingehende Ausführungen nicht zu entnehmen seien, obwohl an anderer Stelle Abweichungen des Dienstvertragsrechts von den allgemeinen leistungsstörungsrechtlichen Grundsätzen und insbesondere Durchbrechungen des konditionellen Synallagmas als solche benannt und ausführlich begründet worden sind.58 Dass das Fehlen gewährleistungsrechtlicher Regelungen auch unter dem reformierten Schuldrecht einem Rückgriff auf das allgemeine Schuldrecht nicht entgegensteht, zeigt sich schließlich daran, dass trotz der scheinbar vollständigen Aufzählung der gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfe beim Kaufvertrag in § 437 BGB davon ausgegangen wird, dass trotz der fehlenden Verweise auf § 282 BGB und § 285 BGB diese Vorschriften zur Anwendung gelangen.59 Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 88; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 174 ff.; Peukert, AcP 205 (2005), 430, 457; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 395. 54 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 174 f. 55 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 175. 56 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 175 unter Verweis auf Motive II, S. 379 und S. 480. 57 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 175 unter Verweis auf Motive II, S. 225. 58 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 175 unter Verweis auf Motive II, S. 463 ff.; und Motive II, S. 468 ff. 59 Bamberger/Roth-Faust, § 437 Rn. 2; zu § 285 BGB: Olshausen, ZGS 2002, 194, 197.
C. Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis
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II. Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers Soweit die vermeintliche leistungsstörungsrechtliche Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht darauf zurückgeführt worden ist, dass der soziale Schutzzweck des Arbeitsrechts einer konsequenten Durchführung des arbeitsvertraglichen Synallagmas entgegenstehe,60 ist dem zuzugeben, dass eine konsequente Anwendung des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB, einer Vorschrift, die grundsätzlich dem Schuldner das volle Gegenleistungsrisiko aufbürdet, auf das Arbeitsverhältnis nicht unproblematisch erscheint.61 Dies zeigt schon die große Zahl von so genannten lohnerhaltenden Normen, die das Arbeitsrecht ausgeprägt hat. So wird der Arbeitgeber im Rahmen des Rechts der Gehalts- und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in begrenztem Maße an der Existenzsicherung des Arbeitnehmers beteiligt.62 Auch andere Prinzipien und Regeln des Arbeitsrechts sind darauf zurückzuführen, dass der Ausgangspunkt der Entwicklung des Arbeitsrechts darin zu sehen ist, dass sich im Arbeitsverhältnis zwei wirtschaftlich unterschiedlich starke Partner gegenüberstehen und sich die verfassungsrechtlich geschützte Vertragsfreiheit folglich im Arbeitsverhältnis nicht ohne Weiteres funktionsgerecht verwirklicht.63 Die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ergibt sich dabei aber aus unterschiedlichen Gesichtspunkten. Neben dem bereits angeklungen Existenzschutzgedanken ist die fremdbestimmte Organisation der Arbeitsteilung zu nennen, die den Arbeitnehmer in eine Abhängigkeit vom Arbeitgeber setzt und bei der Erbringung der Arbeitsleistung für die Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beachten ist. Ausfluss dieses Gesichtspunkts der Abhängigkeit des Arbeitnehmers ist die Verteilung von Leistungs- und Gegenleistungsrisiko bei Annahmeverzug und Betriebsstörungen nach § 615 BGB.64 Auch die abgemilderte Haftung des Arbeitnehmers, der bei betrieblichen Tätigkeiten einen Schaden verursacht, geht darauf zurück, dass der Arbeitnehmer in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation tätig wird.65 Ferner sind auch die Vorschriften des Kündigungsschutzes auf die soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen. Der Arbeitnehmer ist regelmäßig auf seinen Arbeitsplatz angewiesen, um für sich und seine Familie den Lebensunterhalt zu bestreiten. Das Kündi60 Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 10 Rn. 34; zum alten Recht: Beuthien, ZfA 1972, 73, 74; Köpcke, Typen der positiven Vertragsverletzung, S. 145; Küchenhoff, AuR 1965, 129 135; Molitor/Hueck/Riezler, Der Arbeitsvertrag, S. 122; Roth, VersR, 1979, 494, 501; Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, S. 308; ders., FS für Ulrich von Lübtow 1970, S. 667, 699; Schwerdtner, Arbeitsrecht I, Rn. 154; ähnlich Leßmann, FS für Ernst Wolf 1985, S. 395, 410. 61 Ebenso Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 178. 62 MüHdBArbR-Richardi, § 3 Rn. 34. 63 Preis, Individualarbeitsrecht, S. 1. 64 Zu § 615 BGB als allgemeine Gefahrtragungsregel: Picker, JZ 1985, 693 ff. 65 MüHdBArbR-Richardi, § 3 Rn. 32.
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§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem
gungsschutzrecht schützt aus diesem Grund das Vertrauen auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.66 Auch die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) und das Betriebsverfassungsrecht sind aus dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers zu erklären. Für die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers sind dabei jeweils verschiedene Gesichtspunkte maßgebend. Ein allgemeines soziales Schutzprinzip als einheitlichen Rechtsgrundsatz kennt das Arbeitsrecht nicht.67 Aus der grundsätzlichen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers heraus lässt sich auch nicht ohne Weiteres eine Durchbrechung des konditionellen Synallagmas herleiten. Dafür, dass die Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung infolge längerer tatsächlicher Übung, die von den beteiligten Rechtsgenossen als rechtsverbindlich anerkannt ist, zu Gewohnheitsrecht geworden ist, bestehen keine Anhaltspunkte. Dass sich eine entsprechende einheitliche Rechtsüberzeugung gebildet hat, ist nicht zu erkennen. Vielmehr hat die vermeintliche leistungsstörungsrechtliche Sanktionslosigkeit der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht zu allen Zeiten auch Widerspruch erfahren.68 Die Notwendigkeit einer Abweichung von Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Leistungsstörungsvorschriften und einer entsprechenden gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung besteht ohnehin nur dann, wenn das Gesetz eine Regelung vermissen lässt, die den im Rahmen der Schlechterfüllung der Arbeitsleistung vermeintlich erforderlichen Arbeitnehmerschutz69 gewährleistet.70 Die Frage, ob eine derartige Gesetzeslücke besteht, kann nur nach einer umfassenden Untersuchung des im Zuge der Schuldrechtsreform in das Gesetz aufgenommen § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB beantwortet werden.
III. § 616 BGB Auch aus § 616 BGB lässt sich keine über den unmittelbaren Wortlaut hinausgehende Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis herleiten. Die Vorschrift erhält dem Dienstverpflichteten den Lohnanspruch, wenn dieser für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund unverschuldet an der Dienstleistung verhindert wird. Für den Regelfall der fehlenden Nachholbarkeit der Arbeitsleistung71 bedeutet dies, dass trotz des endgültigen Ausbleibens der Tätigkeit der Anspruch auf Lohnzah66
MüHdBArbR-Richardi, § 3 Rn. 35. MüHdBArbR-Richardi, § 3 Rn. 39. 68 Vgl. nur Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages. 69 Zu der Frage der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers im Hinblick auf drohende leistungsstörungs- und kündigungsrechtliche Konsequenzen unten § 7 B. IV. 2. b) bb) und cc). 70 Allgemein zu den Voraussetzungen gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung: Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff. 71 Oben § 3 C. I. 1. 67
C. Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis
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lung erhalten bleibt. Dietz/Wiedemann72 argumentieren vor diesem Hintergrund, dass wenn der Arbeitgeber schon für die vollkommene Nichterbringung eines Teils der geschuldeten Arbeitspflicht nach § 616 BGB Lohn zahlen müsse, müsse dies erst recht für die (schuldlose) teilweise Schlechterfüllung zu gelten haben.73 § 616 BGB ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgrundsatzes „minima non curat praetor“.74 Die Vorschrift ist als Ausnahme zu § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgestaltet.75 In systematischer Hinsicht bestätigt die Vorschrift damit das in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommende konditionelle Synallagma in seiner grundsätzlichen Geltung für Dienst- und Arbeitsverträge. § 616 BGB beinhaltet einen eng umgrenzten Tatbestand, dem eine Interessenlage zu Grunde liegt, die auf den Tatbestand der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht nicht übertragbar ist. Die Vorschrift trägt nämlich dem Umstand Rechnung, dass der Dienstverpflichtete auf der einen Seite gem. § 613 BGB seine Dienste im Zweifel in eigener Person zu erbringen hat; es ihm auf der anderen Seite aber unter bestimmten Umständen nicht zuzumuten ist, seine Arbeitskraft zu einer bestimmten Zeit in den Dienst des Dienstberechtigten zu stellen. Bei der Schlechterfüllung stellt der Dienstverpflichtete seine Dienste aber – wenn auch nicht in der geschuldeten Art und Weise – zur Verfügung. Es geht in diesem Fall folglich auch nicht darum, den Dienstverpflichteten von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung ohne Verlust des Entgeltanspruchs freizustellen. § 616 BGB ist mithin ungeachtet der Bedenken, die gegen die mangelnde „Analogiefähigkeit“ von Ausnahmevorschriften vorgebracht werden,76 eng auszulegen.77
IV. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB als Durchbrechung des konditionellen Synallagmas Es kommt daher allein § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB als Vorschrift in Betracht, welche das konditionelle Synallagma für den Bereich der arbeitnehmerseitigen 72
Dietz/Wiedemann, Jus 1961, 116, 119. Ebenso im Ergebnis: Leßmann, FS für Ernst Wolf 1985, S. 395, 409 f.; auch Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 190 ff., zieht eine Anwendung von § 616 BGB auf die Schlechterfüllung der Arbeitsleistung in Betracht. Motzer wendet die Vorschrift dabei aber unmittelbar auf die Schlechterfüllung an und geht anders als Dietz/Wiedemann nicht lediglich von einer entsprechenden bzw. rechtsgedanklichen Anwendbarkeit der Vorschrift aus. Dies erklärt sich durch den Ausgangspunkt Motzers, der die Schlechterfüllung letztlich als Fall der qualitativen Unmöglichkeit behandelt [dazu unten § 3 C. II. 1. f) aa)]. Als absolute Durchbrechung des konditionellen Synallagmas will Motzer § 616 BGB gleichwohl nicht verstanden wissen. 74 Staudinger-Oetker § 616 Rn. 15 f. 75 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 396. 76 Larenz, Methodenlehre, S. 355 f. 77 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 396; ebenso im Ergebnis: Roth, VersR, 1979, 494, 501. 73
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§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem
Schlechtleistung durchbricht. Die im Rahmen der Schuldrechtsreform neu eingeführte Norm ordnet an, dass die in § 326 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene vollständige oder teilweise Befreiung von der Gegenleistung nicht gilt, wenn der Schuldner bei nicht vertragsgemäßer Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu erbringen braucht. Erfasst ist von § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB damit der Fall der qualitativen Unmöglichkeit,78 die immer dann eintritt, wenn eine Leistung nicht wie geschuldet erbracht wird und das Leistungsdefizit nicht behebbar oder reparabel ist. Ebenso wie der nicht leistende Schuldner wird der nicht vertragsgemäß leistende Schuldner bezüglich des Leistungsdefizits gemäß § 275 Abs. 1 bis 3 BGB von seiner Leistungspflicht befreit, wenn die Leistung unmöglich geworden bzw. von Anfang an gewesen ist oder ihm die Leistung nicht mehr zuzumuten bzw. nie zuzumuten gewesen ist. Der nicht vertragsgemäß leistende Schuldner soll demgegenüber offenbar nicht ohne Weiteres den das Leistungsdefizit betreffenden Teil des Anspruchs auf die Gegenleistung verlieren. Es scheint, als solle die in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB angeordnete Rechtsfolge für die Fälle der qualitativen Unmöglichkeit ausgeschlossen werden, damit die Minderung der Gegenleistung bei einer unbehebbaren Schlechterfüllung für alle Verträge, die die Minderung nicht vertraglich vorsehen und für die auch keine entsprechende gesetzliche Regelung existiert, ausscheidet.79 Zusammengefasst könnte die Aussage des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB folgendermaßen lauten: „Wo kein spezielles Minderungsrecht, da auch keine Minderung.“ 80 Insofern liegt es nah, § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB eine weitgehende Einschränkung des konditionellen Synallagmas für die infolge des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung unbehebbaren Schlechtleistungen des Arbeitnehmers zu entnehmen und folglich die herrschende Meinung als bestätigt anzusehen.81 Für eine abschließende Bewertung des Synallagmas bei der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht ist jedoch eine eingehendere Untersuchung der Reichweite des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich. Eine umfassendere Würdigung der Vorschrift erscheint schon deshalb geboten, weil sich ein Teil des Schrifttums bis heute nicht mit einer Durchbrechung des Prinzips des konditionellen Synallagmas für den Fall der qualitativen Unmöglichkeit im Dienst- und Arbeitsvertragsrecht anfreunden mag. So wird – wie gesehen82 – zumindest für den freien Dienstvertrag die Auffassung vertreten, auch bei unbehebbaren Schlechterfüllungen könne über eine analoge Anwendung des auf die Teilunmöglichkeit bezogenen § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB die Gegenleistung doch gemindert wer78 79 80 81 82
Lorenz, JZ 2001, 742, 743. Dahingehend offenbar Kindl, WM 2002, 1313, 1318. Peukert, AcP 205 (2005), 430, 433. In diesem Sinne Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 40. Oben § 3 C. II. 1. f) bb).
C. Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis
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den.83 Zudem ist bereits deutlich geworden, dass unter dem früheren Schuldrecht die Ansicht vertreten worden ist, die unbehebbare Schlechterfüllung sei als Fall der Teilunmöglichkeit der Qualität nach geregelt.84 In diesem Zusammenhang ist bereits ausgeführt worden, dass diese Auffassung damit begründet, dass das BGB an den von Friedrich Mommsen85 geprägten weiten Leistungsbegriff anknüpfe, der auch die Qualität der Leistung als Leistungsteil verstanden wissen wollte, dessen Fehlen unweigerlich zu einer teilweisen Nichtleistung und bei fehlender Behebbarkeit zur teilweisen Unmöglichkeit führen müsse.86 Eine konsequente Umsetzung dieser Ansicht für den Arbeitsvertrag findet sich, wie oben bereits dargestellt,87 bei Motzer88, der für die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht von einer automatischen Lohnminderung nach § 323 Abs. 1 Halbs. 2 BGB a. F. ausging.89 Gestützt auf die Auffassung, § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB verfolge vorrangig den Zweck, Wertungswidersprüche zum Kauf- und Werkvertragsrecht zu vermeiden,90 wird an dieser Ansicht von Teilen des Schrifttums auch heute noch festgehalten.91 Tatsächlich lassen sich Argumente dafür finden, dass § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht grundsätzlich eine Minderung des Anspruchs auf die Gegenleistung bei qualitativer Unmöglichkeit verbietet.92 So legt die Begründung der Vorschrift nahe, dass es dem Gesetzgeber lediglich darum ging, eine ipso-iure-Minderung für die Vertragstypen auszuschließen, bei denen die verschuldensunabhängige Haftung für Schlechtleistungen an die Ausübung eines Gestaltungsrechts, namentlich Rücktritt und Minderung, geknüpft ist.93 Sollte sich der Normzweck der Vorschrift tatsächlich auf eine Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu den Gewährleistungsregeln des besonderen Schuldrechts erschöpfen, ließe sich die Auffassung vertreten, § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB treffe keinerlei Aussage über ein Minderungsrecht bei qualitativer Unmöglichkeit in Rechtsverhältnissen wie
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Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 419. Oben § 3 C. II. 1. f) aa). 85 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Erste Abteilung, Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, S. 8 f. und 153. 86 MüKo (3. Auflage, 1994)-Emmerich, Vor § 275 Rn. 221. 87 Oben § 3 C. II. 1. f) aa). 88 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 20 ff., 130 ff. und 162 f. 89 Im Grundsatz ähnlich: Leßmann, FS für Ernst Wolf 1985, S. 395, 404 ff. 90 Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil Rn. 722. 91 Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 10 Rn. 34 (wobei Emmerich aus Gründen der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers eine Entgeltminderung im Arbeitsverhältnis ablehnt); im Ansatz zustimmend Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 419. 92 Hierauf weist auch Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 177, hin. 93 BT-Drs. 16/6040 S. 189. 84
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dem Arbeitsverhältnis, welche über keine besonderen Gewährleistungsrechte verfügen. Um bezüglich der soeben aufgeworfenen Fragestellung zu gesicherten Erkenntnissen zu gelangen, ist § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB auszulegen. Da wohl keinem der von der juristischen Hermeneutik angebotenen Auslegungskriterien ein absoluter Vorrang einzuräumen ist, sollen im Folgenden die verschiedenen Auslegungskriterien zunächst nebeneinander zur Ermittlung des Bedeutungsgehalts des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB herangezogen werden. 1. Wortsinn des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB Der Wortsinn des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB erlaubt für sich allein keine abschließende Aussage über den Bedeutungsgehalt der Vorschrift.94 Immerhin wird der geregelte Leistungsstörungstatbestand – die qualitative Unmöglichkeit bei gegenseitigen Verträgen – bereits anhand des Wortlauts der Norm deutlich. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Tatbestand mir der „nicht vertragsgemäßen Leistung“ die Schlechtleistung, also qualitative Leistungsdefizite, in Bezug nimmt und zugleich auf die Befreiung von der Leistungspflicht im Falle der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB verweist. Ferner bestätigen die in § 326 Abs. 2 BGB verwendeten Begriffe, dass es sich um eine für alle gegenseitigen Verträge geltende Vorschrift des allgemeinen Schuldrechts handelt. So ist von „Nacherfüllung“ auch in § 281 BGB die Rede, einer Vorschrift, die aufgrund ihrer engen Verknüpfung zu der zentralen Norm des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (§ 280 BGB)95 unzweifelhaft auf alle vertraglichen Schuldverhältnisse anzuwenden ist. Der Terminus findet sich darüber hinaus auch in § 323 BGB, der Geltung für alle gegenseitigen Verträge beansprucht.96 Dass der Begriff „Nacherfüllung“ im Übrigen überwiegend mit dem Kauf- und Werkvertragsrecht in Verbindung gebracht wird,97 rechtfertigt für sich eine andere Auslegung des Wortlauts der Vorschrift nicht.98 Ebenso wie § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB behandeln § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB und § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB unter dem Synonym der „nicht wie geschuldeten Leistung“ die „nicht vertragsgemäße Leistung“. 94 Zur Bedeutung des Wortsinns bei der Auslegung einer Vorschrift Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff. BGB. 95 Erman-Westermann, § 280 Rn. 1. 96 Erman-Westermann, § 323 Rn. 8. 97 In §§ 439, 635 BGB wird der Begriff „Nacherfüllung“ in der amtlichen Überschrift verwendet. Ferner ist in §§ 437 Nr. 1, 440, 634 Nr. 1, 636 f. BGB von Nacherfüllung die Rede. Auch § 309 Nr. 8b BGB ist nur auf Kauf- und Werkverträge anwendbar. Schließlich wird § 359 S. 3 BGB überwiegend mit dem kauf- und werkvertragsrechtlichen Nacherfüllungsanspruch in Verbindung gebracht; siehe Bamberger/Roth-Cosma Müller, § 359 Rn. 5. 98 Peukert, AcP 205 (2005), 430, 435.
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Es ergibt sich somit aus dem Wortlaut selbst wenig mehr, als dass § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB die Schlechterfüllung betrifft, die mit der Schuldrechtsmodernisierung erstmals ausdrücklich als eigene Leistungsstörungskategorie Eingang in das Gesetz gefunden hat. Eine klare Rechtsfolgenanordnung kann dem Wortlaut hingegen nicht entnommen werden. Insbesondere wird nicht deutlich, was statt der in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB angeordneten automatischen Minderung der Gegenleistung gelten soll, wenn vertragliche Gewährleistungsregeln fehlen und ob andere Wege der Herabsetzung der Gegenleistung ebenfalls ausgeschlossen sein sollen.99 2. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB in seinem Bedeutungszusammenhang mit anderen Vorschriften des allgemeinen und besonderen Schuldrechts Weitere Erkenntnisse über die Bedeutung des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB lassen sich gewinnen, betrachtet man die Vorschrift im Rahmen einer systematischen Auslegung in ihrem Bedeutungszusammenhang mit anderen Vorschriften des allgemeinen und besonderen Schuldrechts.100 Dabei lässt sich zunächst auf die in § 275 Abs. 4 BGB enthaltene Aufzählung von Gläubigerrechten für die Fälle der Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB abstellen. Hier wird auf §§ 280, 283 bis 285, 311a bis 326 BGB verwiesen. Da § 275 Abs. 4 BGB nach der Begründung der Vorschrift aber lediglich als klarstellender Hinweis darauf anzusehen ist, dass die Befreiung des Schuldners von der Leistungspflicht zu Sekundärrechten des Gläubigers führt,101 darf die Aufzählung der Rechtsfolgen nicht als abschließend verstanden werden. Ein möglicher Ausschluss einer automatischen Minderung der Gegenleistung bei qualitativer Unmöglichkeit kann deshalb auch nicht auf den systematischen Zusammenhang zwischen § 275 Abs. 4 BGB und § 326 BGB gestützt werden. Zumindest ergibt sich aber aus der Stellung der Norm als Bestandteil des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, dass der in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene Ausschluss automatischer Minderungen bei qualitativer Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung nicht durch (entsprechende) Anwendung anderer Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts ausgehebelt werden kann. Dem Reformgesetzgeber ging es bei der Reform des Schuldrechts nicht zuletzt darum, dass alle Kategorien von Leistungsstörungen einer abschließenden Regelung unterworfen werden.102 Die nach der auf Staub103 zurückgehenden Ansicht bestehende 99
MüKo-Ernst, § 326 Rn. 32; Erman-Westermann, § 326 Rn. 8. Allgemein zur systematischen Auslegung Larenz, Methodenlehre, S. 324 ff. 101 BT-Drs. 16/6040 S. 131; Ausführungen zu § 326 BGB fehlen in der Regierungsbegründung. 102 BT-Drs. 16/6040 S. 83 ff. 103 Staub, Die positiven Vertragsverletzungen. 100
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(vermeintliche)104 Regelungslücke im Bereich der so genannten positiven Forderungsverletzungen sollte im Wege der „Weiterentwicklung und Verallgemeinerung der Grundsätze über die Haftung wegen positiver Forderungsverletzung“ geschlossen werden.105 Unter Berücksichtigung der Systematik des allgemeinen Leistungsstörungsrechts ergibt sich damit, dass § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB in seinem allgemeinen Geltungsanspruch für alle gegenseitigen Verträge nicht durch andere allgemeine Bestimmungen verdrängt wird. Einen erheblich größeren Platz nimmt in der Begründung der Vorschrift ihr Verhältnis zu den Gewährleistungsvorschriften des besonderen Schuldrechts ein.106 Auch und gerade in den Gewährleistungsregeln der typisierten Verträge ist der Fall der qualitativen Unmöglichkeit erfasst. So ist beispielsweise der Käufer für den Fall einer nicht behebbaren Schlechtleistung berechtigt, gemäß §§ 437 Ziff. 2, 441, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB den Kaufpreis zu mindern. Für ein entsprechendes Minderungsrecht bedarf es keines Rückgriffs auf das allgemeine Schuldrecht. Vielmehr verhält es sich so, dass im Verhältnis zu den spezialgesetzlich geregelten Gewährleistungsvorschriften des besonderen Vertragsrechts, § 326 Abs. 1 BGB auf Grund seiner systematischen Stellung im Gesetz entsprechend dem Grundsatz lex specialis derogat lex generalis zurücktritt. Aus dem Wortsinn und dem Bedeutungszusammenhang der Vorschrift ergibt sich somit zunächst, dass es sich bei § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine allgemeine Regelung der Schlechtleistung handelt – einem Leistungsstörungstatbestand, der im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich gesetzlich geregelt worden ist und neben dem Leistungsstörungstatbestand der Teilleistung bzw. teilweisen Nichtleistung einen eigenständigen Geltungsbereich beansprucht. Aus diesem Grund kann der in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete Ausschluss der Minderung bei qualitativer Unmöglichkeit nicht unter Anwendung des § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB überwunden werden. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Minderung bei einigen der normierten Vertragstypen verdrängen das allgemeine Leistungsstörungsrecht und mit ihm auch § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB nach dem Spezialitätsprinzip. Einer entsprechenden Klarstellung dieses Verhältnisses hätte es nicht bedurft. Nicht zu klären vermögen Wortsinn und Bedeutungszusammenhang des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB hingegen, ob sich das konditionelle Synallagma für die Fälle der qualitativen Unmöglichkeit bei den Vertragstypen, welche kein spezialgesetzliches Minderungsrecht kennen, auf andere Weise als im Wege der automatischen Minderung nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB auswirkt. 104 105 106
Oben § 3 C. II. 1. f) aa). BT-Drs. 16/6040 S. 92. BT-Drs. 14/6040, S. 189. Hierzu sogleich unter 3. und 4. a).
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3. Entstehungsgeschichte des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB Zur Aufklärung dieser Fragestellung sei zunächst die wechselvolle Entstehungsgeschichte des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB näher beleuchtet. Bereits die Genese der Vorschrift im Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens als auch die maßgeblichen Auszüge aus den Gesetzesmaterialien verdeutlichen, die zwei Begründungslinien, die der Vorschrift zu Grunde liegen, nämlich die Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit dem besonderen Vertragsrecht auf der einen und die Entscheidung gegen die Minderung als allgemeiner Rechtsbehelf auf der anderen Seite. Ausgangspunkt der Genese von § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Bedeutungsverlust des Leistungsstörungstatbestands der Unmöglichkeit, den der Entwurf der Schuldrechtskommission aus dem Jahr 1992107 und der darauf aufbauende Diskussionsentwurf (DiskE) des Bundesministeriums der Justiz vom 4. August 2000108 zugunsten eines einheitlichen Pflichtverletzungstatbestands festschreiben sollte. Dieser Ansatz wurde von Seiten des Schrifttums zum Teil heftig kritisiert.109 und schließlich verworfen. Bereits in der so genannten Konsolidierten Fassung (KF) wurden der eigenständige Leistungsstörungstatbestand der Unmöglichkeit und insbesondere das automatische Entfallen der Gegenleistung wieder in den Gesetzestext aufgenommen.110 In § 326 Abs. 1 Satz 3 BGB der darauf folgenden gleichlautenden Entwürfe der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen (RE)111 fand schließlich auch die Schlechtleistung Berücksichtigung. § 326 Abs. 1 RE lautet: „Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 oder 2 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung. Bei einer Teilleistung gilt § 441 Abs. 3 entsprechend; der Gläubiger kann in diesem Fall vom ganzen Vertrag zurücktreten, wenn er an der bewirkten Leistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so findet § 323 mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.“
Mit Satz 3 dieser Vorschrift sollte zum einen klargestellt werden, dass der Gläubiger bei einer irreparablen Schlechtleistung nicht kraft Gesetzes von der Leistung frei werde, ihm zum anderen aber ein Rücktrittsrecht nach § 323 RE ohne das Erfordernis der Fristsetzung eingeräumt werde. Hintergrund dieser 107 Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz, 1992, S. 29 f., 120. 108 Siehe insbesondere §§ 275, 324 des Diskussionsentwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes des Bundesministeriums der Justiz vom 4.8.2000 (Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 3 ff.). 109 Siehe etwa Wilhelm/Deek, JZ 2001, 223 ff. 110 Siehe § 326 der Konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes des Bundesministeriums der Justiz vom 6.3.2001 (Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 349 ff.). 111 Regierungsentwurf: BR-Drucks. 338/01; Entwurf der Koalitionsfraktionen: BTDrucks. 14/6040.
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Überlegung war, dass § 326 Abs. 1 BGB nicht die Wirkung eines allgemeinen Minderungsrechts entfalten sollte. Die Verfasser der gemeinsamen Entwürfe befürchteten, es würden sich anderenfalls „Wertungswidersprüche zu den Vertragstypen ergeben, bei denen ein Minderungsrecht ausdrücklich vorgesehen ist“. Insbesondere beim Kauf sei die Minderung ein Gestaltungsrecht und könne daher nur anstelle des Rücktritts ausgeübt werden, trete jedoch nicht kraft Gesetzes neben ein Rücktrittsrecht. Es könne für die Rechte des Käufers keinen Unterschied machen, ob eine Nacherfüllung von vornherein unmöglich ist oder endgültig fehlschlägt. Die Rechtsfolge müsse in beiden Fällen die gleiche sein. § 323 Abs. 1 Satz 3 RE sehe deshalb ein Rücktrittsrecht vor, welches auch für die anfänglich irreparable Schlechtleistung an die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 4 Satz 2 RE (heute § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) geknüpft sei. Die automatische Minderung der Gegenleistung kraft Gesetzes nach § 323 Abs. 1 Satz 1 RE trete bei keiner Schlechtleistung ein.112 Der mit dieser Regelung befasste Bundesrat schlug in seiner Stellungnahme113 vor, § 326 Abs. 1 Satz 3 BGB zu streichen, da die Vorschrift nicht die Gegenleistung betreffe, sondern den Rücktritt regele und dementsprechend systematisch dem § 323 RE zuzuordnen sei. Ferner wurde verlangt, die Vorschrift, welche der Bundesrat für missverständlich hielt, umzuformulieren. Die Bundesregierung machte in ihrer Gegenäußerung deutlich, dass das Rücktrittsrecht bei unbehebbaren Schlechtleistungen aus systematischen Gründen in § 326 RE zu normieren sei, da § 323 RE mit seinem Fristsetzungserfordernis die Nachholbarkeit der Leistung voraussetze. Der Wortlaut des § 326 Abs. 1 wurde dennoch verändert: „Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 oder 2 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht im Fall der nicht vertragsgemäßen Leistung. In den Fällen der Sätze 1 und 2 kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 entsprechend Anwendung.“
Der in diesen Entwurf von § 326 Abs. 1 BGB eingefügte Satz 2 enthält erstmals eine dem heutigen § 326 Abs. 1 Satz 2 im Wesentlichen entsprechende Formulierung. Das in Satz 3 vorgesehene Rücktrittsrecht wurde schließlich auf Empfehlung des Rechtsausschusses114 hin nach § 326 Abs. 5 BGB verschoben. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, lässt zwei Deutungen des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Der Vorschrift lässt sich zunächst vor dem Hintergrund ihrer Entstehungsgeschichte die Funktion zuschreiben, Wertungswidersprüche zwischen dem allgemeinen Schuldrecht und den Vertragstypen zu vermeiden, die ein als Gestaltungsrecht normiertes Minderungsrecht ausdrücklich vorsehen.115 112 113 114 115
BT-Drucks. 14/6040, S. 189. BT-Drucks. 14/6857, S. 21. BT-Drucks. 14/7052, S. 193. Soergel-Gsell, § 326 Rn. 32; Staudinger-Otto, § 326 Rn. B 40.
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Diese Deutungsmöglichkeit stellen insbesondere die Autoren in den Vordergrund, welche die nicht behebbare Schlechtleistung weiterhin als Fall der Teilunmöglichkeit behandelt wissen wollen.116 Des Weiteren lässt sich die Vorschrift aber auch dahingehend verstehen, dass § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB gerade dazu dient, klarzustellen, dass die unbehebbare Schlechtleistung kein Fall der Teilunmöglichkeit ist und folglich auch die ipso-iure-Minderung nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Fälle der qualitativen Unmöglichkeit ausscheidet.117 4. Normzweck des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB a) Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit den besonderen Gewährleistungsrechten Dass § 326 Abs. 1 Satz 2, wie von Teilen des Schrifttums angenommen,118 eine große Bedeutung bei der Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen allgemeinem und besonderem Leistungsstörungsrecht zukommt, ist hingegen bei näherer Betrachtung keineswegs eindeutig. Von anderer Seite wird der Vorschrift sogar ein großes Potential zugeschrieben, Wertungswidersprüche mit dem besonderen Gewährleistungsrecht auszulösen.119 Deutlich wird dies anhand der Frage, ob eine Minderung der Gegenleistung im Kauf- und Werkvertragsrecht auch dann in Betracht kommt, wenn noch das allgemeine Leistungsstörungsrecht anwendbar ist. Sowohl für den Kauf- als auch für den Werkvertrag nimmt die ganz herrschende Meinung an, der Anwendungsbereich des besonderen Gewährleistungsrechts sei erst nach Gefahrübergang – d.h. beim Kaufvertrag ab der Übergabe und beim Werkvertrag ab der Abnahme – eröffnet.120 Haftet dem Kaufgegenstand bzw. dem bestellten Werk aber von Anfang an ein unbehebbarer Mangel an, wird seit jeher erwogen, dem Käufer bzw. dem Werkbesteller das Minderungsrecht auch schon vor Gefahrübergang zuzugestehen.121 116 So insbesondere Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 164; im Ergebnis auch Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 388 f. 117 Bamberger/Roth-Grothe, § 326 Rn. 23; Soergel-Gsell, § 326 Rn. 33; StaudingerOtto, § 326 Rn. B 13; Peukert, AcP 205 (2005), 430, 448. 118 Soergel-Gsell, § 326 Rn. 32; Staudinger-Otto, § 326 Rn. B 40. 119 Peukert, AcP 205 (2005), 430, 448 ff. 120 Für den Kaufvertrag: Erman-Grunewald, vor § 437 Rn. 8; Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland-Haas, Kap. 5 Rn. 266; Staudinger-Matusche-Beckmann, § 437 Rn. 19 ff.; Palandt-Weidenkaff, § 434 Rn. 8a; für den Werkvertrag: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland-Haas, Kap. 6 Rn. 41; Erman-Schwenker, § 634 Rn. 1; PalandtSprau, Vorb v § 633 Rn. 7. 121 Für den Kaufvertrag: BGH vom 14.12.1960 – V ZR 40/60, BGHZ 34, 32, 34 f.; vom 10.3.1995 – V ZR 7/94, NJW 1995, 1737, 1738; Erman-Grunewald, § 434 Rn. 67; Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland-Haas, Kap. 5 Rn. 267; Hofmann/Pammler, ZGS 2004, 91 ff.; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 568; MüKo-
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Dem Käufer oder Werkbesteller das Minderungsrecht und die anderen Rechtsbehelfe des Sachmängelgewährleistungsrechts allein mit dem Hinweis auf den noch nicht eingetretenen Gefahrübergang zu versagen, obwohl feststeht, dass dem Kaufgegenstand bzw. dem Werk ein Fehler anhaftet, der nicht behoben werden kann oder dessen Behebung der Schuldner ernsthaft und endgültig verweigert, ist nicht sachgerecht. Ein weiteres Hinausschieben der Rechtsbehelfe macht in diesen Fällen keinen Sinn.122 Hierfür spricht schließlich auch der in § 323 Abs. 4 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, demzufolge die Mängelrechte bereits dann ausgeübt werden können, wenn vor Gefahrübergang ersichtlich ist, dass die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Ein weiteres Abwarten ist dem Gläubiger dann nicht zuzumuten. Insbesondere sollte dem Schuldner nicht die Gelegenheit gegeben werden, es nicht zum Gefahrübergang kommen zu lassen.123 Verstünde man § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB im Sinne eines generellen Ausschlusses der Minderung für die Fälle der qualitativen Unmöglichkeit, was der Wortlauts der Vorschrift nahe legt, wäre die soeben dargestellte Minderung vor Gefahrübergang ausgeschlossen. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB wird hingegen eine weniger weitgehende Bedeutung beigemessen. Der Vorschrift sei Genüge getan, wenn die Minderung nicht ipso iure eintrete, sondern als Gestaltungsrecht geltend gemacht werden müsse.124 Nach Peukert dient § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht dem Zweck, jegliche ausdehnende Anwendung der speziellen Minderungsvorschriften zu verbieten. Die Vorschrift gewährleiste vielmehr, dass die besondere Konzeption der Gewährleistungsrechte unberührt bleibe. Soweit die Minderung nicht ipso iure eintritt, steht § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB hiernach einer Anwendung der §§ 437 Nr. 2, 441, 634 Nr. 3, 638 BGB auf unbehebbare Mängel vor Gefahrübergang nicht entgegen.125 Für Miet-, Pacht- und Reiseverträge ist § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB in diesem Zusammenhang gar gänzlich bedeutungslos, denn für diese Vertragstypen ist ohnehin eine kraft Gesetzes eintretende Minderung vorgesehen,126 sodass von vornherein keine Wertungswidersprüche zwischen dem allgemeinen Schuldrecht und den für diese Verträge geltenden Minderungsvorschriften zu befürchten sind. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Vorrangs der besonderen Gewährleistungsregeln nach dem Spezialitätsgrundsatz ist festzuhalten, dass der dem § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zugeschriebene Zweck, WertungswiderWestermann, § 434 Rn. 52; eine Minderung vor Gefahrübergang sehen nicht vor: Staudinger-Matusche-Beckmann, § 437 Rn. 20; Palandt-Weidenkaff, § 434 Rn. 8a, § 437 Rn. 50; für den Werkvertrag: BGH vom 19.7.2001 – IX ZR 149/00, NJW 2001, 3329, 3330; Palandt-Sprau, Vorb v § 633 Rn. 7. 122 Erman-Grunewald, § 434 Rn. 67. 123 Hofmann/Pammler, ZGS 2004, 91, 95. 124 Peukert, AcP 205 (2005), 430, 449 unter Verweis auf Hofmann/Pammler, ZGS 2004, 91, 94 f. 125 Peukert, AcP 205 (2005), 430, 449 f. 126 Siehe §§ 536 Abs. 1 Satz 1, 581 Abs. 2, 651d Abs. 1 Satz 1 BGB.
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sprüche mit besonderen gewährleistungsrechtlichen Vorschriften zu vermeiden, bereits unter Rückgriff auf die allgemeine Systematik des BGB erfüllt wird. Des Weiteren gingen von § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB selbst Wertungswidersprüche aus, würde die Vorschrift nicht teleologisch dahingehend reduziert, dass die Norm lediglich eine die normierten Gewährleistungsregeln modifizierende ipso-iureMinderung ausschließt. Es ist mithin zweifelhaft, ob die Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit dem besonderen Gewährleistungsrecht als Zweck den § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB trägt. b) § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB vor dem Hintergrund der arbeitsvertraglichen Interessenlage In den Fokus rückt dementsprechend der andere Bedeutungsstrang des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB, die Klarstellung, dass die unbehebbare Schlechterfüllung nicht als Teilunmöglichkeit zu behandeln ist, und das Verbot einer ipso iure Minderung nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Fälle der qualitativen Unmöglichkeit. In den Gesetzesmaterialien 127 heißt es im Rahmen der Begründung der Mängelrechte des Käufers in § 437 BGB: „Dabei ist zunächst die Frage zu behandeln, ob die Minderung als Rechtsbehelf in das allgemeine Leistungsstörungsrecht neben Rücktritt und Schadensersatz eingestellt werden soll. Entscheidend dagegen spricht, dass die Minderung für einzelne Vertragstypen, insbesondere für den Dienstvertrag, als Rechtsbehelf ausgeschlossen bleiben muss. Für den Kauf- und Werkvertrag bedarf es daher einer besonderen Vorschrift über die Minderung.“
Der unmittelbare Zusammenhang dieser Ausführungen des Gesetzgebers mit § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB und der volle Bedeutungsgehalt dieser Vorschrift erschließen sich erst, führt man sich vor Augen, weshalb der Gesetzgeber (zu Recht) glaubte, dass die Minderung als Rechtsbehelf für den Dienstvertrag ausgeschlossen bleiben musste. Es darf dabei unterstellt werden, dass der Gesetzgeber bei der Entscheidung gegen ein Minderungsrecht insbesondere den Arbeitsvertrag als den weitaus häufigsten Fall des Dienstvertrags vor Augen hatte. Entsprechend den rechtstheoretischen Überlegungen van den Daeles zu den Grundlagen der synallagmatischen Leistungsverknüpfung,128 ist der Grund für den Ausschluss der Minderung als der typischen Rechtsfolge des konditionellen Synallagmas in der Interessenlage zu suchen, die den Abschluss von Dienst- und vor allem von Arbeitsverträgen und insbesondere deren Zweckstruktur nachhaltig bestimmt. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Parteien grundsätzlich frei sind in der Wahl des Vertragstyps. 127 128
BT-Drucks. 14/6040, S. 223. Oben § 4 A.
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In Abgrenzung zum Werkvertrag geht es dem Gläubiger, schließt er einen Arbeitsvertrag ab, um zweierlei: Er will erstens über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers in einem bestimmten zeitlichen Rahmen verfügen und zweitens den Arbeitnehmer in die eigene Arbeitsorganisation eingliedern und ihn entsprechend seinen Vorstellungen von Effektivität einsetzen.129 Gerade für die Eingliederung des Arbeitnehmers stellt ihm das Arbeitsverhältnis mit dem Weisungsrecht (§ 106 GewO) das ideale Instrument zur Verfügung.130 Der Arbeitnehmer verpflichtet sich im Arbeitsvertrag daher auch nicht zu einzelnen Arbeitsleistungen. Es wird vielmehr als geradezu charakterisierend für den Arbeitsvertrag angesehen, dass weder einzeln zu erbringende Arbeitsleistungen noch diese insgesamt im Arbeitsvertrag festgelegt sind.131 Der Arbeitnehmer erbringt dementsprechend seine Dienste, um sich entsprechend dem Vertragszweck dem Arbeitgeber zeitgebunden zur Verfügung zu stellen und seine Arbeitskraft in die vom Arbeitgeber vorgegebene, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vorgaben veränderbare Arbeitsorganisation einzugliedern.132 Der Arbeitnehmer übernimmt dementsprechend – zumindest vom Grundsatz her133 – beim Abschluss eines Arbeitsvertrags zwar das Entgeltrisiko dafür, dass er in der vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation die Tätigkeiten der geschuldeten Art ausführt. Der Arbeitnehmer haftet demgegenüber nicht verschuldensunabhängig dafür, dass seine Tätigkeit frei von Mängeln ist. Bei der Durchführung der geschuldeten Arbeiten muss sich der Arbeitnehmer schließlich nach den Weisungen des Arbeitgebers und dessen allgemeiner Arbeitsorganisation richten. Nur für das „Ob“ der Leistung in zeitlicher Hinsicht will der Arbeitnehmer verschuldensunabhängig im Austausch mit der Vergütung einstehen, soweit es hierfür ausschließlich auf ihn selbst ankommt.134 Erst wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft nicht mehr in die durch den Arbeitgeber bestimmte Arbeitsorganisation einbringt und sich nicht mehr im Rahmen der zeitlichen Vorgaben zur Verfügung stellt, sind die scharfen Rechtsfolgen des konditionellen Synallagmas angemessen. Auch mit einer in qualitativer Hinsicht minderwertigen Arbeitsleistung stellt sich der Arbeitnehmer immer noch in den Dienst des Arbeitgebers. So lange er innerhalb der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers tätig wird, hat der Arbeitgeber weitreichende Einflussmöglichkeiten auf die Qualität der Arbeit seiner Arbeitnehmer. 129 130 131 132
Zur Eingliederung des Arbeitnehmers noch ausführlich unten § 5 D. III. 2. Dazu unten § 5 D. IV. 4. b) aa). Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 71. Staudinger-Richardi/Fischinger, Vorbem. § 611 Rn. 42; Richardi, ZfA 1988, 221,
249. 133 Durchbrechungen dieses Grundsatzes finden sich unter anderem in §§ 615, 616 BGB; § 3 EFZG etc. 134 Peukert, AcP 205 (2005), 430, 460; im Ergebnis zustimmend Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 178 f.
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Es ist bereits deutlich geworden, dass die Kernaussage des Prinzips des konditionellen Synallagmas in der verschuldensunabhängigen Haftung des Schuldners für Leistungsdefizite liegt.135. Ein verschuldensunabhängiges Eintreten des Arbeitnehmers für jedes qualitative Defizit seiner Leistung ist vor dem Hintergrund der soeben dargestellten Interessenlage jedoch unangemessen. Sie widerspricht vielmehr – um die Gedanken van den Daeles aufzugreifen – der dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Zweckstruktur. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine ipso-iure Minderung beim Dienstvertrag, der soeben skizzierten besonderen Interessenlage im Arbeitsverhältnis und der entsprechenden Zweckstruktur des Arbeitsvertrags muss § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB deshalb als gesetzliches Instrument zur Begrenzung des konditionellen Synallagmas begriffen werden. Insofern ist § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB dahingehend zu verstehen, dass für Vertragstypen, denen ein spezialgesetzlich normiertes Minderungsrecht fehlt, auch auf ein allgemein-schuldrechtliches, vom Vertretenmüssen unabhängiges Minderungsrecht bei nicht vertragsgemäßen Leistungen verzichtet werden soll.136 Die unbehebbare Schlechtleistung darf, versteht man die Vorschrift in diesem Sinn, nicht als Teilleistung im Sinne des § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB behandelt werden.137 Zwingend ist diese Deutung zumindest für den hier interessierenden Arbeitsvertrag.138 Damit verbietet § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB eine verschuldensunabhängige Lohnminderung bei Schlechtleistungen von Arbeitnehmern.139 5. Konsequenzen des in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Minderungsausschlusses für den Arbeitsvertrag Eine Anwendung des § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB auf die Schlechterfüllung scheidet damit für den Arbeitsvertrag aus. Die von Emmerich vertretene Gleichsetzung von nicht behebbarer Schlechterfüllung und Teilunmöglichkeit im Sinne des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Folge einer grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Fälle der Schlechtleistung bei Vertragstypen ohne besondere Gewährleistungsregeln ist abzulehnen. Emmerich stützt seine Ansicht auf die Annahme, mit § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB werde ausschließlich der Zweck verfolgt, Wertungswidersprüchen entgegenzuwirken. Hier135
Oben § 4 A. II. und III. Bamberger/Roth-Grothe, § 326 Rn. 23; Soergel-Gsell, § 326 Rn. 33; Kindl, WM 2002, 1313, 1318; Staudinger-Otto, § 326 Rn. B 42; B 52. 137 So ausdrücklich MüKo-Ernst, § 326 Rn. 21. 138 Zu der Frage, ob die Minderung bei Schlechtleistungen bei anderen, insbesondere kaufähnlichen Vertragstypen ohne eigene Gewährleistungsregeln in Betracht kommt siehe Peukert, AcP 205 (2005), 430, 467 ff. 139 Ebenso im Ergebnis Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 190; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 683 f.; HWK-Thüsing, § 611 Rn. 412. 136
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§ 4 Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Problem
aus zieht Emmerich140 den Schluss, dass dort, wo keine Wertungswidersprüche drohten – etwa im Dienstvertragsrecht, dem Gewährleistungsregeln fehlen – die Vorschrift nicht greife. Wie aufgezeigt, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien aber eindeutig, dass der Vorschrift ein erheblich weitergehender Normzweck zukommt. Ferner lässt sich festhalten, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine Regelung der Minderung im allgemeinen Leistungsstörungsrecht verzichtet hat. Es scheidet mithin auch die von Oetker/Maultzsch erwogene analoge Anwendung des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Fälle der Schlechterfüllung aus.141 6. Zusammenfassung Die Auslegung des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt mithin, dass sich die Bedeutung der Vorschrift nicht darin erschöpft, Wertungswidersprüche zwischen dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht und den besonderen Gewährleistungsregeln zu vermeiden. Vielmehr geht es in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB vorrangig darum, klarzustellen, dass die nicht behebbare Schlechterfüllung zumindest im Arbeitsverhältnis nicht als (qualitative) Teilunmöglichkeit im Sinne des § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB zu verstehen ist und dass die Schlechterfüllung – gerade auch im Dienst- und Arbeitsvertragsrecht – nicht zu einer ipso-iure-Minderung führt.
V. Zwischenergebnis Es ist deutlich geworden, dass § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB für den hier interessierenden Bereich des Arbeitsverhältnisses zu einer erheblichen Lockerung des konditionellen Synallagmas führt. Der bei § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verortende Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ kann nach dem heute geltenden Recht nicht ohne Weiteres – wie von Motzer142 zum alten Recht vorgeschlagen – auf die Formel „Ohne vollständige Arbeit kein voller Lohn“ ausgeweitet werden.
D. Lohnminderungsrecht de lege ferenda? Vor dem Hintergrund der dem Arbeitsvertrag zu Grunde liegenden Interessenlage ist es zudem verfehlt, wenn wie namentlich von Tschöpe an den Gesetzgeber appelliert wird, eine gesetzliche Lohnminderungsmöglichkeit einzuführen.143 Eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitnehmers würde zu einer gra140 141 142 143
Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 10 Rn. 34. Oben § 3 C. II. 1. f) bb). Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 162 f. Tschöpe, BB 2006, 213, 216.
E. Ergebnis
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vierenden und nicht sachgerechten Verschiebung der haftungsrechtlichen Grenzen von Werk- und Arbeitsvertrag führen. Auch das von Tschöpe angeführte Argument, eine Lohnminderung sei im Verhältnis zur verhaltens- und personenbedingten Kündigung das mildere Mittel, mit der Folge, dass Kündigungen aufgrund eines Leistungsdefizits vermieden werden könnten, greift nicht durch. Zunächst beträfe die Lohnminderung eine in der Vergangenheit liegende Leistungsstörung, während mit der Kündigung grundsätzlich zukünftig zu erwartenden Störungen des Arbeitsverhältnisses begegnet werden soll. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein Lohnminderungsrecht grundsätzlich hinsichtlich jeder Minderleistung greifen würde, während auf Leistungsdefizite gestützte verhaltens- als auch personenbedingte Kündigungen erst ab einer bestimmten Erheblichkeitsschwelle als sozial gerechtfertigt gelten.144
E. Ergebnis Das konditionelle Synallagma, soviel sei an dieser Stelle festgehalten, ist für den Bereich der Schlechterfüllung für den Arbeitsvertrag, als einem Vertragstyp ohne besondere Minderungsvorschriften durchbrochen. Der Arbeitnehmer haftet nicht verschuldensunabhängig dafür, dass er die Arbeitsleistung mangelfrei erbringt. Vor dem Hintergrund der dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Interessenlage überzeugt es nicht, wenn de lege ferenda die Einführung einer gesetzlichen Lohnminderungsmöglichkeit gefordert wird.
144 Zur Kündigung wegen defizitärer Leistung noch ausführlicher unten § 7 B. IV. 2. b) cc).
§ 5 Abgrenzung von teilweiser Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht Offen geblieben ist bisher, wie weit die in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsvertrag reicht oder – geht man das Problem von der anderen Seite an – wie weit das konditionelle Synallagma im Arbeitsverhältnis gewährleistet ist. Wie bereits aufgezeigt, gilt im Arbeitsrecht zumindest als Grundregel das Prinzip „Ohne Arbeit kein Lohn“.1 Mit Rücksicht auf die in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB normierte Durchbrechung des konditionellen Synallagmas ist dieses Prinzip jedoch beschränkt auf die Fälle der (teilweisen) Nichterfüllung. Die Gewährleistung des Prinzips des konditionellen Synallagmas reicht im Arbeitsrecht daher genauso weit, wie der Leistungsstörungstatbestand der teilweisen Nichtleistung nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB. Für teilweise Nichtleistungen haftet der Arbeitnehmer gemäß dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ vorbehaltlich des Nichteingreifens so genannter lohnerhaltender Normen verschuldensunabhängig. Die Reichweite des arbeitsvertraglichen Synallagmas lässt sich folglich nur dann exakt bestimmen, wenn es gelingt, die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht von der (teilweisen) Nichterfüllung trennscharf abzugrenzen.2
A. Grundsätzlicher Vorrang der Schlechterfüllung nach §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB analog? Die §§ 611 ff. BGB enthalten keine Vorschriften, nach denen sich die Abgrenzung von Schlechterfüllung und teilweiser Nichterfüllung im Arbeitsverhältnis vornehmen ließe. Es bietet sich daher zunächst ein Rückgriff auf werk- und kaufvertragsrechtliche Normen an. Sowohl nach § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB als auch nach § 434 Abs. 3 BGB steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Werkunternehmer bzw. der Verkäufer eine zu geringe Menge oder ein aliud herstellt bzw. liefert.
1
Oben § 3 C. I. 2. Die besondere Bedeutung dieser Abgrenzung hat auch das BAG in einem Nichtzulassungsbeschluss zumindest am Rande erwähnt, im Ergebnis aber dahinstehen lassen. Siehe BAG vom 18.7.2007 – 5 AZN 610/07, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Minderleistung (unter 3). 2
A. Grundsätzlicher Vorrang der Schlechterfüllung
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I. §§ 434 Abs. 3 und 633 Abs. 2 Satz 3 BGB als Ausdruck einer gesetzgeberischen Tendenz zur Zurückdrängung des Tatbestands der Nichtleistung zu Gunsten des Tatbestands der Schlechtleistung? Servatius3 erblickt in dieser Entscheidung des Gesetzgebers eine „Tendenz, den Anwendungsbereich der Nichtleistung zurückzudrängen“. Diese vermeintliche gesetzgeberische Tendenz möchte er im Wege des Analogieschlusses auf das nach seiner Auffassung vergleichbare Abgrenzungsproblem des Arbeitsrechts übertragen wissen. In konsequenter Fortführung dieses Gedankens soll nach der Auffassung Servatius’ 4 auch das von der herrschenden Meinung5 im Anschluss an Erwägungen des Gesetzgebers6 anerkannte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der §§ 433 Abs. 3, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB, nach dem eine Falsch- oder Zuweniglieferung nur dann als Sachmangel zu behandeln ist, wenn der Verkäufer bzw. Werkunternehmer durch eine Tilgungsbestimmung erkennen lässt, die Kaufsache bzw. das Werk in Erfüllung einer bestimmten Verbindlichkeit zu leisten, für das Arbeitsrecht gelten. Für Servatius7 ergibt sich in analoger Anwendung von § 434 Abs. 3 BGB auch im Arbeitsvertragsrecht „ein Vorrang für die Annahme der Schlechterfüllung in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer erkennbar die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit“ leiste. Die erkennbar geschuldete Tätigkeit leiste der Arbeitnehmer dabei im Regelfall dann, wenn er am Ort der Arbeitsleistung erscheine und zumindest einen Teil der geschuldeten Tätigkeit verrichte. Bei Vorliegen dieser Voraussetzung sei, so Servatius weiter, eine Aufteilung in Erfüllung und Nichterfüllung nicht statthaft und es sei von einer Schlechterfüllung auszugehen. Zur Teilunmöglichkeit mit der Rechtsfolge des Eingreifens von § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB komme es nur, wenn der Arbeitnehmer jegliche Mühewaltung als Tilgung seiner Arbeitspflicht vermissen lasse.
3 Servatius, Jura 2005, 838, 840. Servatius beschränkt seine Ausführungen dabei auf eine Analogie zu § 434 Abs. 3 BGB. Die für den Werkvertrag geltende Parallelvorschrift § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB sollte aber, wegen der größeren Sachnähe des Werkvertrags zum Dienst- und Arbeitsvertrag, von dem vorgeschlagenen Analogieschluss mit umfasst sein. 4 Servatius, Jura 2005, 838, 840. 5 Für den Kaufvertrag: Lettl, JuS 2002, 866, 870; Lorenz, JuS 2003, 36, 37; Schulze, NJW 2003, 1022 f.; Thier, AcP 203 (2003), 399, 414 f.; Tiedtke/Schmitt, JZ 2003, 1092, 1093; Palandt-Weidenkaff, § 434 Rn. 52; MüKo-Westermann, § 434 Rn. 45. 6 BT-Drucks. 14/6040, S. 216. 7 Servatius, Jura 2005, 838, 840.
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
II. Überlegungen zur Reichweite der Gleichstellung von Aliud- und Mankolieferung Die Reichweite der in § 434 Abs. 3 BGB vollzogenen Gleichstellung von Aliud- und Mankolieferung mit dem Sachmangel ist jedoch weit weniger klar, als dies von Servatius unterstellt wird. Zunächst ist lebhaft umstritten, ob sich die Gleichstellung von Aliud- und Mankolieferung über den Bereich der in § 437 BGB angeordneten kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte hinaus auch auf die von den in § 437 BGB vorgesehenen Verweisungen erfassten Normen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts erstreckt.8 Gegen eine Erstreckung auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht, die im Ergebnis auf eine Gleichstellung von Mankolieferung und Schlechterfüllung hinausliefe, wird zu Recht geltend gemacht, dass dies die Stabilität des Kaufvertragsgefüges im Fall einer Mankolieferung „hochgradig gefährden“ würde, denn dem Käufer, der eine Teilleistung erhält, an der er für sich ein Interesse hat, könnte entgegen §§ 281 Abs. 1 Satz 2, 3, 323 Abs. 5 BGB, Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen bzw. vom ganzen Vertrag zurücktreten.9 So könnte der Käufer, dem 90 anstatt die vereinbarten 100 Flaschen Wein geliefert werden, nach dem Wortlaut von §§ 437 Nr. 2, 3 281 Abs. 1 Satz 2, 3, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB den gesamten Vertrag liquidieren, falls eine von ihm gesetzte Nachfrist fruchtlos verstreicht, denn eine Mengenabweichung von 10% stellt ohne weiteres eine mehr als unerhebliche Pflichtverletzung dar. In der Tat ist diese Konsequenz, wenn auch ohne nähere Begründung, in der Regierungsbegründung, der dieses Beispiel entlehnt ist, gezogen worden.10 Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens hat sich der Gesetzgeber jedoch von dieser Auslegung des § 434 Abs. 3 BGB distanziert und dabei die Möglichkeit einer engen Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass „dort nur geregelt werden soll, dass die Teillieferung ein Mangel ist, nicht aber auch, welche Bedingungen für den Schadensersatz statt der ganzen Leistung gelten sollen“, ausdrücklich anerkannt. Die abschließende Klärung dieser Frage soll nach dem Willen des Ge8 Für eine Erstreckung der Gleichstellung auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht: Anwaltskommentar Schuldrecht-Büdenbender, § 434 Rn. 83; Anwaltskommentar Schuldrecht-Dauner-Lieb, § 281 Rn. 35; § 323 Rn. 37 ff.; Henssler/Graf von Westphalen-Dedek, § 281 Rn. 57; MüKo-Ernst, § 323 Rn. 215 f.; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung-Faust, Rn. 3/164; Bamberger/Roth-Faust, § 434 Rn. 115; SoergelGsell, § 323 Rn. 203; Erman-Grunewald, § 434 Rn. 62; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung-Huber, Rn. 5/40, 13/75; Henssler/Graf von Westphalen-Muthers, § 323 Rn. 10, 19 f.; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn. 249 (Fn. 477); Rn. 277 (Fn. 525); dagegen: Canaris, ZRP 2001, 329, 334 f.; Griegoleit/Riehm, ZGS 2002, 115 ff.; Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland-Haas, Rn. 5/173, 5/242; Kindl, WM 2002, 1313, 1320 f.; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 219, 496, 519; Thier, AcP 203 (2003), 399, 425 ff.; Windel, Jura 2003, 793, 796 f.; offengelassen: Anwaltskommentar Schuldrecht-Dauner-Lieb, § 281 Rn. 16; § 323 Rn. 25. 9 So Thier, AcP 203 (2003), 399, 425. 10 BT-Drucks. 14/6040, S. 187.
A. Grundsätzlicher Vorrang der Schlechterfüllung
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setzgebers schließlich der Rechtsprechung überlassen werden.11 Schwerer als der wenig eindeutige Wille des Gesetzgebers wiegt daher, dass bei einer Erstreckung der in § 434 Abs. 3 BGB und für den Werkvertrag in § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB vorgesehenen Gleichstellung von Mankolieferung und Sachmangel auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht, die gerade am Leitbild von Kauf- und Werkvertrag orientierten §§ 281 Abs. 1 Satz 2, 323 Abs. 5 Satz 1 BGB weitgehend ihrer Funktion beraubt wären.12 Ferner war es ein erklärtes Anliegen des Gesetzgebers mit der Schuldrechtsmodernisierung den Bestand des Kaufvertrags stärker zu schützen als nach dem alten Recht.13 Die Schwelle für die Auflösung des gesamten Vertrags sollte aus diesem Grund höher gesetzt werden, was einer weiten Auslegung der §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB entgegensteht.
III. Normzweck von § 434 Abs. 3 und § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB Schließlich können § 434 Abs. 3 und § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB vor dem Hintergrund ihres jeweiligen Normzwecks ohnehin nicht über die Grenze von Kaufund Werkvertrag hinaus ausgedehnt werden. § 434 Abs. 3 BGB zielt darauf, insbesondere die kaufrechtlichen Regeln, die an den Sachmangel anknüpfen, so z. B. die Verjährung nach § 438 BGB, die im allgemeinen Leistungsstörungsrecht nicht vorgesehene Möglichkeit der Minderung nach § 441 BGB, den Ausschluss der Gewährleistung bei Kenntnis des Käufers nach § 442 BGB und die Rügeobliegenheit nach § 377 HGB einheitlich auf das aliud und die Mankolieferung anzuwenden.14 Entsprechendes gilt in Bezug auf den Werkvertrag für § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB.
IV. Zusammenfassung Eine über den Kauf- und Werkvertrag hinausgehende allgemeine Aussage kann den §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB folglich nicht entnommen werden. Insbesondere ergibt sich weder aus der Gesetzgebungsgeschichte noch aus dem Normzweck der Vorschriften die von Servatius behauptete „gesetzgeberische Tendenz, den Anwendungsbereich der Nichtleistung zurückzudrängen.“ Eine Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht nach §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB scheidet daher aus.
11 12 13 14
BT-Drucks. 14/7052, S. 185. Thier, AcP 203 (2003), 399, 425 f. BT-Drucks. 14/6040, S. 89. Griegoleit/Riehm, ZGS 2002, 115, 120.
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
B. Lohnminderung bei funktionalen Teilleistungen nach Kerstin Tillmanns Ein völlig anderes Bild ergibt sich nach einem von Kerstin Tillmanns in ihrer Habilitationsschrift „Strukturfragen des Dienstvertrages“ mit großem Aufwand entwickelten Ansatz. Tillmanns folgt der herrschenden Meinung dahingehend, dass § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB einer automatischen Lohnminderung im Falle der Schlechtleistung entgegensteht.15 Aus diesem Grund teilt Tillmanns die Auffassung der herrschenden Meinung, dass eine Lohnminderung nur unter der Voraussetzung in Frage kommt, dass der Arbeitnehmer mindestens eine Teilleistung nicht erbracht hat. Tillmanns sieht dabei die Fälle des Fehlens einer Teilleistung und folglich die Möglichkeit einer Lohnminderung jedoch nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Arbeitnehmer der Arbeit zeitweise fern bleibt. Der Arbeitgeber könne nicht allein das Fehlen einer Teilleistung in Ansehung der Einhaltung der Leistungszeit geltend machen, sondern auch das Fehlen einer inhaltlichen Teilleistung. Tillmanns stützt sich dabei auf die Überlegung, die Tätigkeit, zu welcher sich der Arbeitnehmer verpflichte, diene dazu, eine Vielzahl von zeitlichen und inhaltlichen Teilfunktionen zu erreichen. Sei die geleistete Arbeit nicht geeignet, eine dieser Teilfunktionen zu erreichen, liege insoweit eine teilweise Nichtleistung mit der Folge eines Lohnminderungsrechts des Arbeitgebers nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB vor.16 Dieser von Tillmanns entwickelte Ansatz soll im Folgenden nachvollzogen werden. Unter großem Aufwand in Argumentation und Darstellung entwickelt Tillmanns zunächst beschränkt auf den Dienstvertrag17 ein Konzept zur rechtlichen Behandlung von Leistungsstörungen, um dieses schließlich auf den Arbeitsvertrag zu übertragen.18
I. Gebot der Unterscheidung von Nichtleistung und Schlechtleistung – Eine Frage der Identität Tillmanns19 geht zunächst von der heute herrschenden20 Prämisse aus, dass aufgrund des Dualismus’ von Nichtleistung und Schlechtleistung, der seit der Schuldrechtsreform in §§ 281 Abs. 1 Satz 2 und 3, 323 Abs. 5 und 326 Abs. 1
15
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 392 f. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 439. 17 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 205 ff. 18 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 430 ff. 19 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 205. 20 MüKo-Ernst, § 281 Rn. 123; § 323 Rn. 197; Bamberger/Roth-Grothe, § 326 Rn. 31; Soergel-Gsell, § 326 Rn. 26; a. A. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 164. 16
B. Lohnminderung bei funktionalen Teilleistungen nach Kerstin Tillmanns
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BGB zum Ausdruck kommt,21 eine generelle Gleichbehandlung von teilweiser Nicht- und Schlechtleistung nicht (mehr) zulässig ist. Da nach heutigem Recht nur im Falle einer zumindest teilweisen Nichtleistung eine Lohnminderung in Betracht gezogen werden kann, reduziert sich die Frage, ob der Dienstberechtigte im Falle der nicht ordnungsgemäßen Erbringung der Dienste das Entgelt mindern kann, letztlich dahingehend, ob die nicht ordnungsgemäße Dienstleistung als Schlecht- oder Nichterfüllung zu qualifizieren ist.22
II. Identitätsmerkmale Die hiernach maßgebliche Frage nach der Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung entscheidet sich nach dem Dafürhalten Tillmanns’ danach, ob die nicht ordnungsgemäße Tätigkeit noch als die geschuldete zu identifizieren ist.23 Eine Schlechterfüllung sei nach dem Wortlaut von §§ 323 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2, 326 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Leistung, die „nicht vertragsgemäß“ erbracht werde, bei der es sich aber immer noch um die geschuldete Leistung handele.24 Der Schuldner erbringe die geschuldete Leistung „nur nicht in der geschuldeten Art und Weise“.25 Bei der Nichtleistung erbringe der Schuldner hingegen gar nichts oder zumindest nur noch eine Leistung, die nicht mehr als die geschuldete Leistung, „auch nicht mehr als deren Schlechtleistung“ zu identifizieren sei.26 Für den Dienstvertrag stellt sich damit zwangsläufig die Frage nach den Merkmalen für die Identität einer Tätigkeit. Tillmanns stellt sich in diesem Zusammenhang auf den Standpunkt, in der Parteivereinbarung werde die Art der Tätigkeit festgelegt und die Parteien legten, sei es auch nur konkludent, gewisse Eigenschaften der Tätigkeit fest.27 Einige dieser in der Parteivereinbarung festgelegten Eigenschaften seien so bedeutsam, dass sie als Identitätsmerkmale die Tätigkeit identifizierten, so dass ihr Fehlen zu einer zumindest teilweisen Nicht21
Siehe auch BT-Drs. 14/6040, S. 134 f., 188 f.; 14/7052, S. 185. Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt Servatius, Jura 2005, 838 ff. 23 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 217 ff., spricht in diesem Zusammenhang sprachlich ungenau von der Identifikation der Leistung. Der Begriff Identifikation beschreibt jedoch den Vorgang des Feststellens der Echtheit einer Person oder Sache. Hier soll im Folgenden daher der Begriff der Identität verwendet werden, der die Echtheit einer Person oder Sache selbst bzw. die völlige Übereinstimmung mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird, beschreibt (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache – Band 4). 24 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 217 unter Verweis auf § 281 Abs. 1 und 3 BGB „nicht wie geschuldet“ (Hervorhebung durch Tillmanns). 25 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 217. 26 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 217. Nach dem Dafürhalten Tillmanns’ ist daher auch ein aliud, soweit nicht wie in § 434 Abs. 3 Alt. 1 BGB anders geregelt, als Nichtleistung zu qualifizieren, Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 231. 27 Ähnlich bereits Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Erste Abteilung, Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, S. 193 ff. 22
100
§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
leistung führe.28 Tillmanns weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass seit jeher für die Beschreibung von Leistungen ein gegenständliches, ein örtliches und ein zeitliches Moment herangezogen werden.29 Auf zeitbezogene Dienstverträge übertragen,30 sind es nach dem Ansatz Tillmanns’ der Ort, die Zeit und die Art und Weise, auf die vorrangig abgestellt werden müsse, wenn es um die Identität der geschuldeten Tätigkeit gehe.31
III. Die Funktion der geschuldeten Tätigkeit als Abgrenzungskriterium und die „funktionale Nichtleistung“ Tillmanns ist der Auffassung, die den Leistungsort, die Leistungszeit und die Art und Weise der geschuldeten Tätigkeit betreffenden Eigenschaften würden zunächst im Rahmen der Parteivereinbarung festgelegt. Sowohl bei der Nichtleistung als auch bei der Schlechtleistung bleibe die Ist-Leistung hinter der auf dieser Weise zu bestimmenden Soll-Leistung zurück. Die Abgrenzung zwischen Nicht- und Schlechtleistung lasse sich nun, so Tillmanns, nicht einfach durch eine Saldierung der Eigenschaften der geschuldeten Tätigkeit und der Eigenschaften der erbrachten Tätigkeit nach objektiven Maßstäben erreichen. Die Abgrenzung sei vielmehr normativ auf Grundlage der Parteivereinbarung vorzunehmen.32 Nach Tillmanns spricht für eine am Parteiwillen orientierte Abgrenzung insbesondere, dass, auch wenn das Gesetz keine genaue Definition der Schlechtleistung liefere, zumindest in §§ 434 Abs. 1, 536 Abs. 1 Satz 1, 633 Abs. 2, 651c Abs. 1 BGB an den subjektiven Fehlerbegriff angeknüpft werde.33 Tillmanns schließt hieraus für den Bereich gegenständlicher Leistungen, dass eine Schlechterfüllung solange vorliege, wie eine gelieferte Sache noch einsetzbar sei, wenn auch mit reduziertem Nutzen. Sei eine Sache jedoch vollständig ungeeignet, sei ihre Lieferung so viel wert, als sei gar nicht geliefert worden. Es liege dann einen Nichtleistung vor.34 Anders als der BGH 35 lehnt es Tillmanns36 ab, im Zusam28
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 218. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 218 unter Verweis auf Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Erste Abteilung, Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, S. 8 f.; 153, 193 ff.; Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Bd., S. 295 und weitere. 30 Die Darstellung beschränkt sich hier auf die Schlussfolgerungen, die Tillmanns im Hinblick auf zeitbezogene Dienstverträge zieht, denn auch und insbesondere der Arbeitsvertrag ist als solcher zu qualifizieren (vgl. insoweit MüKo-Müller-Glöge, § 611 Rn. 17 f.), und nur dieser ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. 31 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 218. 32 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 223. 33 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 223 f. 34 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 225. 35 BGH vom 22.5.1990 – IX ZR 208/89, NJW 1990, 2549, 2550. 29
B. Lohnminderung bei funktionalen Teilleistungen nach Kerstin Tillmanns
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menhang mit Dienst- und Arbeitsverträgen mit Termini wie „Verwendbarkeit“ oder „Brauchbarkeit“ für den Vertragszweck zu operieren. Tillmanns verbindet mit diesen Begriffen die Gefahr, dass die Maßstäbe an die Geeignetheit zu hoch angesetzt werden, obwohl der Dienstverpflichtete bzw. Arbeitnehmer im Gegensatz zum Werkunternehmer keinen Erfolg schulde. Nach dem Dafürhalten Tillmanns’ soll das Kriterium für die Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung beim Dienstvertrag, um den Besonderheiten dieser Vertragsformen gerecht zu werden, weniger „erfolgsbezogen“ und „stärker an den Prozess der Erfolgsherbeiführung“, d.h. an der auf den Erfolg gerichtete Tätigkeit selbst orientiert sein. Im Anschluss an Überlegungen Scherners37 knüpft Tillmanns deshalb an die nach dem Vertrag vorausgesetzte „Funktion“ der Tätigkeit an. Die Frage, ob eine Nicht- oder Schlechtleistung vorliege, bestimme sich folglich danach, „ob die erbrachte Tätigkeit noch geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen“. Tillmanns nennt dies den „funktionalen Nichtleistungsbegriff“.38 Den Begriff der Geeignetheit verwendet Tillmanns dabei, um mit Rücksicht auf eine trennscharfe Differenzierung zwischen Dienst- und Werkvertrag klarzustellen, dass es ihrer Ansicht nach nicht darauf ankommen kann, ob die Tätigkeit ihre Funktion tatsächlich erfüllt.39 Die Frage, welche Partei die Leistungsstörung zu vertreten hat, spielt nach der Auffassung Tillmanns’ für die Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung keine Rolle. Die Abgrenzung sei vielmehr allein nach objektiven Kriterien vorzunehmen.40 Als Nichtleistung ist hiernach eine Tätigkeit zu behandeln, die nicht mehr als die geschuldete Leistung identifiziert werden kann, weil sie nicht geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen. Eine Tätigkeit, die nicht ordnungsgemäß aber (noch) geeignet ist, die ihr zugedachte Funktion zu erfüllen, sei dem gegenüber als Schlechtleistung zu qualifizieren.41 In enger Anlehnung an den in §§ 434 Abs. 1, 536 Abs. 1 Satz 1, 633 Abs. 2, 651c Abs. 1 BGB normierten Vorrang des subjektiven Fehlerbegriffs, ist nach der Auffassung Tillmanns’ die Funktion der Tätigkeit durch Auslegung der Parteivereinbarung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Auf die Funktionen, die einer Tätigkeit üblicherweise zugerechnet werden, komme es nur in zweiter Linie an.42 36
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 226; Lieb, Gutachten, 183, 210, 212, spricht in diesem Zusammenhang von der Geeignetheit oder Brauchbarkeit der Dienstleistung für die Erfüllung ihrer „Zwecke im Verwendungsplan des Dienstberechtigten“. 37 Scherner, JZ 1971, 533, 536, 538. 38 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 226. 39 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 227. 40 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 227. 41 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 227; ebenso im Anschluss an Tillmanns Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 157 ff. 42 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 228.
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
Unter Verweis auf die allgemeinen Regeln der Auslegung von Willenserklärungen, hebt Tillmanns hervor, dass die angestrebte Funktion der Tätigkeit nicht bloßes Motiv bleiben dürfe. Vielmehr müsse der Dienstverpflichtete im Rahmen des Vertragsschlusses von der von Seiten des Dienstberechtigten angestrebten Funktion Kenntnis erlangen. Es genüge dabei, dass die Funktion, welche die Tätigkeit haben solle, dem Dienstverpflichteten oder Arbeitnehmer nur ersichtlich werde. Zwar werde der Verwendungszweck einer Leistung nicht aufgrund der bloßen Kenntnis des Schuldners zum Inhalt des Vertrages. Es sei aber zwischen der Erreichung des Vertragszwecks, welche der Dienstverpflichtete bzw. Arbeitnehmer selbstverständlich nicht schuldet, und der Tatsache zu unterscheiden, dass der Vertragszweck bei der Beurteilung einer Leistung berücksichtigt werde.43 Der Verwendungszweck der Tätigkeit wird nach dem Ansatz Tillmanns’ mithin lediglich insofern zu einem Bestandteil des Vertragsinhalts, als er als Maßstab für die Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung dient. Dass die bloße Kenntnisnahme des Vertragszwecks ausreichen soll, begründet Tillmanns damit, dass eine im Rahmen eines Dienstvertrags geschuldete Tätigkeit, aufgrund der für von Menschen ausgeführten Tätigkeiten typischen Komplexität praktisch nicht ohne Bezugnahme auf ihren Zweck beschrieben werden könne.44 Auf die gewöhnliche Funktion der Tätigkeit soll es nach Tillmanns45 nur für den in der Praxis zu vernachlässigenden Fall ankommen, dass der auszuführenden Tätigkeit weder ausdrücklich noch konkludent im Zuge der Parteivereinbarung oder der Ausübung des Weisungsrecht eine bestimmte Funktion zugewiesen worden ist. Auch hier wird die enge Anlehnung ihres Ansatzes an das Konzept der §§ 434 Abs. 1, 536 Abs. 1 Satz 1, 633 Abs. 2, 651c Abs. 1 BGB deutlich.
IV. Konkretisierung der Funktion durch die Vereinbarung bestimmter Eigenschaften Eine konkretere Ausgestaltung erfährt die Funktion einer dienstlich geschuldeten Tätigkeit nach der Auffassung Tillmanns’ dadurch, dass die Parteien bestimmte Eigenschaften vereinbaren, welche die geschuldete Tätigkeit aufweisen soll. Tillmanns differenziert auch an dieser Stelle zwischen der Festlegung des Leistungsorts, der Leistungszeit und Eigenschaften, die den Inhalt der Tätigkeit betreffen.46 Im Hinblick auf die Eigenschaften, die den Inhalt der Tätigkeit be43 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 228 im Anschluss an Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 19 ff. 44 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 228 f., weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es wirtschaftlich völlig unvernünftig sei, dem Dienstverpflichteten oder Arbeitnehmer eine umfangreiche Beschreibung der verlangten Tätigkeit zu liefern, anstatt die Tätigkeit dadurch zu beschreiben, dass ihre Funktion offen gelegt wird. 45 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 228. 46 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 230.
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treffen, soll wiederum zwischen Eigenschaften zu differenzieren sein, die den „Leistungskern“ betreffen,47 Eigenschaften die nicht den Leistungskern betreffen, aber „wesentlicher Art“ 48 sind und solchen Eigenschaften, die nur „nebensächlicher Art“ 49 sind. Mit jeder weiteren Eigenschaftsvereinbarung werde die geschuldete Tätigkeit zunehmend konkretisiert.50 Ist die geschuldete Tätigkeit für den Dienstberechtigten nur von wirtschaftlichem Wert, wenn sie an dem vereinbarten Leistungsort und zu der vereinbarten Leistungszeit erbracht wird,51 sind die Einhaltung des Leistungsorts und die Einhaltung der Leistungszeit so wesentliche Eigenschaften, dass für den Fall, dass die Tätigkeit nicht am richtigen Ort oder nicht zur richtigen Zeit ausgeführt wird, nach dem Ansatz Tillmanns’ von einer Nichtleistung auszugehen ist.52 Größere Schwierigkeiten bereitet demgegenüber die Frage, ob eine Tätigkeit, deren IstBeschaffenheit von ihrer Soll-Beschaffenheit im Hinblick auf den Leistungsinhalt abweicht, noch als die geschuldete Tätigkeit identifiziert werden kann. Tillmanns schlägt vor, dies im Rahmen einer vierstufigen Prüfung zu ermitteln. In einem ersten Schritt sei zu fragen, welche Eigenschaften die Tätigkeit nach der Parteivereinbarung und den Weisungen des Dienstberechtigten haben solle. In einem weiteren Schritt sei zu untersuchen, ob die erbrachte Tätigkeit hinter den so ermittelten Anforderungen zurückbleibe. Ferner sei die Funktion zu ermitteln, welche die Parteien der Tätigkeit zugedacht hätten. Schließlich sei in einem vierten und letzten Schritt die endgültige Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung danach vorzunehmen, ob die erbrachte Tätigkeit inhaltlich noch geeignet gewesen ist, die im dritten Schritt ermittelte Funktion zu erfüllen.53 Als problematisch sieht Tillmanns in diesem Zusammenhang den Umstand an, dass mit einer menschlichen Tätigkeit die unterschiedlichsten Funktionen verfolgt werden können und sie eine Vielzahl von inhaltlichen Eigenschaften haben kann.54 Die den Inhalt betreffenden Eigenschaften ließen sich überdies kaum klassifizieren. Die von Tillmanns vorgenommene Differenzierung von absoluten Eigenschaften, 47 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 230, nennt beispielhaft für die Tätigkeit eines Übersetzers, die Übersetzung in einen bestimmten Dialekt einer Sprache. 48 Z. B. das Mitbringen eines Mikrofons durch den Übersetzer (Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 230). 49 Z. B. die Frage, ob der Übersetzer ein Namensschild trägt. 50 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 231. 51 Im Arbeitsverhältnis ist dies regelmäßig der Fall, da der Arbeitnehmer häufig in eine vorgegebene betriebliche Organisation eingegliedert ist oder arbeitsteilig mit anderen Arbeitnehmern zusammenarbeitet. Der angestellte Bar-Pianist, der in seiner Wohnung anstatt an seinem Arbeitsplatz musiziert, erfüllt den Leistungsstörungstatbestand der Nichterfüllung. Das Gleiche gilt, spielt er außerhalb seiner Arbeitszeit in der geschlossenen Bar anstatt innerhalb seiner Arbeitszeit vor Gästen. 52 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 231 ff. 53 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 237. 54 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 237.
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welche die Tätigkeit entweder aufweise oder nicht aufweise,55 und relativen Eigenschaften, die im Sinne eines Mehr oder Weniger vorlägen,56 bringt dabei nur einen geringen Erkenntnisgewinn, denn unabhängig davon, ob eine absolute Eigenschaft fehlt oder eine relative Eigenschaft in geringerem Maße als geschuldet vorliegt, ist die nicht vertragsgemäße Tätigkeit nach dem Ansatz Tillmanns’ im Hinblick auf die Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung immer dahingehend zu untersuchen, ob sie geeignet ist, die ihr zugedachte Funktion zu erfüllen. Auch das Fehlen absoluter Eigenschaften führt nicht zwingend dazu, dass die Tätigkeit nicht geeignet ist, die ihr zugedachte Funktion zu erfüllen.57
V. Funktionaler Teilleistungsbegriff Festzuhalten ist hiernach zunächst, dass nach dem Ansatz Tillmanns’ beim Dienstvertrag eine Nichtleistung immer dann vorliegt, wenn sich die erbrachte Tätigkeit nicht mehr als die geschuldete identifizieren lässt. Eine Schlechtleistung soll demgegenüber dann vorliegen, wenn die Tätigkeit nicht ordnungsgemäß erbracht worden, aber noch als die geschuldete zu identifizieren sei. Als die geschuldete Leistung sei eine Tätigkeit nur zu identifizieren, wenn sie geeignet ist, die ihr zugedachte Funktion zu erfüllen. Zeitbezogene Dienstverträge – zu diesen zählt der im Rahmen der vorliegenden Untersuchung maßgebliche Arbeitsvertrag – seien gläubigersubstratabhängig, d.h. die geschuldete Tätigkeit könne nur an bzw. mit dem Dienstberechtigten oder einem Substrat des Dienstberechtigten erbracht werden. Der Dienstverpflichtete müsse mit dem Dienstberechtigten oder dessen Substrat in Zeit und Raum zusammentreffen. Eine Tätigkeit außerhalb der vereinbarten Leistungszeit oder an einem anderen als dem vereinbarten Leistungsort ist hier regelmäßig nicht geeignet, die ihr zugedachte Funktion zu erfüllen. Sie sei mithin regelmäßig als Nichtleistung zu qualifizieren. Eine Schlechtleistung komme bei zeitbezogenen Dienstverträgen und damit auch beim Arbeitsvertrag abgesehen von Ausnahmefällen nur in Betracht, wenn die Tätigkeit am richtigen Ort und zur Leistungszeit erbracht werde. Tillmanns’ formuliert vor diesem Hintergrund folgendes Zwischenergebnis, auf das sogleich58 noch zurückzukommen sein wird.59 Die Funktion einer Tätigkeit werde umso stärker konkretisiert, je mehr Eigenschaften für eine Partei vereinbart würden. Entsprechend steigere sich auch die „Störanfälligkeit“. Sowohl der Kreis der noch ordnungsgemäßen Tätigkeiten als auch der Kreis der Tätig55 Beispiel: Der Arbeitnehmer erscheint pünktlich zum Beginn seiner Arbeitszeit oder nicht. Der Arbeitnehmer erscheint an seinem Arbeitsplatz oder nicht. 56 Beispiel: Ein Werkstück wird mehr oder weniger genau zugeschnitten. 57 Beispiel nach Tillmanns: Vertragsentwurf wird auf dem falschen Papier gedruckt. Unterricht findet im falschen Raum statt. 58 Siehe sogleich unten § 5 B. VII. 59 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 231, 241.
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keiten, die noch geeignet sind, ihre Funktion zu entfalten, seien entsprechend dem Fortschreiten der Konkretisierung immer enger zu ziehen. Je genauer die Parteien die Tätigkeit regelten, desto eher liege eine Schlecht- und desto eher liege auch eine Nichterfüllung vor. Eine möglichst umfassende Beschreibung der Tätigkeitseigenschaften führe letztlich dazu, dass die erbrachte Leistung eher den Leistungsstörungstatbestand der Nichtleistung erfülle.60 Tillmanns belässt es dabei nicht bei der bloßen Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung im Dienstvertrag. Da eine Leistung in mehrere Teile zerfallen kann, kommt selbst eine ausschnittartige Betrachtung des Leistungsstörungsrechts eines einzelnen Vertragstyps nicht ohne die Tatbestände der Teilleistung und der teilweisen Nicht- und Schlechterfüllung aus. Ausgangspunkt der Untersuchung dieser Leistungsstörungstatbestände muss die Teilbarkeit von Leistungen sein. Die Frage der Teilbarkeit stellt sich grundsätzlich für jede nicht ordnungsgemäße Leistung, denn eine Leistung, die auf das Ganze gesehen, nach den von Tillmanns erarbeiteten Grundsätzen als Schlechtleistung zu qualifizieren ist, kann durchaus einen ordnungsgemäß erbrachten Teil in sich tragen. So sind nach der Auffassung Tillmanns’ Kombinationen aus ordnungsgemäß erbrachten Teilleistungen, schlecht erbrachten Teilleistungen und nicht erbrachten Teilleistungen denkbar.61 Für jede nicht ordnungsgemäße Leistung stellt sich dabei die Frage, ob das geschuldete Leistungsprogramm in mehrere Teile zerfällt und wie jeder der einzelnen Leistungsteile leistungsstörungsrechtlich zu beurteilen ist. Eine differenzierte leistungsstörungsrechtliche Behandlung einzelner Teilleistungen setzt freilich zunächst die Teilbarkeit der Gesamtleistung voraus.62 Tillmanns63 stellt in diesem Zusammenhang richtigerweise auf den Teilleistungsbegriff der §§ 281 Abs. 1 Satz 2, 323 Abs. 5 Satz 1, 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB und nicht etwa auf den Begriff der Teilleistung in § 266 BGB ab. Anders als § 266 BGB, nach dem unter Teilleistung „jede – gemessen am Inhalt der Verpflichtung irgendwie – unvollständige Leistung“ zu verstehen ist,64 heben §§ 281 Abs. 1 Satz 2 und 3, 323 Abs. 5 Satz 1, 326 Abs. 1 BGB den Dualismus von Nicht- und Schlechtleistung65 hervor. Eine einheitliche Begriffsbildung wird im Hinblick auf die in verschiedenen Vorschriften des BGB vorkommende Teilleistung ohnehin mit dem Hinweis abgelehnt, jede Vorschrift sei nach ihrer Zweckbestimmung auszulegen.66
60
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 231. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 241. 62 Siehe auch BT-Drs. 14/6040, S. 188. 63 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 242 ff. 64 Palandt-Ellenberger, § 266 Rn. 2. 65 Oben § 4 C. IV. 2. 66 Palandt-Ellenberger, § 266 Rn. 2; siehe auch Bamberger/Roth-Unberath, § 266 Rn. 3. 61
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Tillmanns ist der Ansicht, die Frage, ob der Tatbestand der in §§ 281 Abs. 1 Satz 2, 323 Abs. 5 Satz 1, 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB geregelten Teilleistung eröffnet sei, beurteile sich allein nach dem Zweck oder den Zwecken, welche der Gläubiger mit der Leistung verfolge. Tillmanns67 begründet dies im Anschluss an einen Teil des Schrifttums68 zunächst damit, dass das Gesetz den Schuldner einer teilweisen Nichtleistung dadurch privilegiere, dass es dem Gläubiger im Verhältnis zur Rechtslage bei einer Schlechtleistung erschwere, die Totalrechte auszuüben. Hierin sei eine Honorierung der Tatsache zu sehen, dass es dem Schuldner, der eine Teilleistung erbringe, zumindest gelungen sei, einen Teil seiner Verpflichtung zu erfüllen.69 Problematisch sei jedoch, dass man nicht allgemein davon ausgehen dürfe, dass der Gläubiger, der eine Teilleistung erhalte, besser stehe als der Gläubiger, der die gesamte Leistung erhalte, nur nicht in der vertragsgemäßen Art und Weise. Tillmanns hält die Benachteiligung des Gläubigers, der lediglich eine Teilleistung erhalte, nur für gerechtfertigt, wenn im Einzelfall feststehe, dass dieser „durch die Teilleistung einen wirklichen Vorteil erlangt.“ Dies sei anhand des Zwecks zu beurteilen, der mit der Leistung verfolgt werden soll. Dieser Zweck wiederum könne nicht anders als durch Auslegung der Parteivereinbarung ermittelt werden, wobei es auf den Zweck oder die Zwecke ankomme, welche der Gläubiger mit der Leistung verfolge. Nur ausnahmsweise könne hierauf nicht abgestellt werden, wenn der Vertragszweck bzw. die Vertragszwecke dem Schuldner bei Vertragsschluss nicht ersichtlich gewesen seien. Auf ein Einverständnis des Schuldners mit dem vom Gläubiger mit der Leistung verfolgten Zweck oder den mit der Leistung verfolgten Zwecken komme es – so Tillmanns – hingegen nicht an.70 Eine Teilleistung setzt hiernach voraus, dass der Gläubiger neben dem Gesamtvertragszweck mit dem erbrachten Leistungsteil einen eigenständigen Vertragszweck verfolgt, der durch den erbrachten Teil der Gesamtleistung auch erfüllt werden könnte.71 Eine defizitäre Leistung, mit der weder der ursprüngliche vertragliche Gesamtzweck noch ein eigenständiger Vertragszweck erreicht werden kann, ist nach dem Ansatz Tillmanns’ keine Teilleistung. Tillmanns bezeichnet eine solche Leistung als bloße Restleistung, die den Leistungsstörungstatbestand der vollständigen
67
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 246 f. MüKo-Ernst, § 323 Rn. 243e. 69 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 247. 70 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 247 f. 71 Beispiel nach Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 248: Bestellt ein Käufer 10 Flaschen Wein, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass er auch mit einem Teil dieser 10 bestellten Flaschen einen Teil der mit dem Vertrag verfolgten Zwecke erreichen kann. Anders liegt dies bei dem Veranstalter einer Feier der unter dem Hinweis, er kalkuliere knapp und ihm gehe es um eine einheitliche Bewirtung, 50 Flaschen eines nicht ohne weiteres im Handel erhältlichen Weins bestellt und lediglich 30 geliefert bekommt. 68
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Nichtleistung erfülle.72 Für ganz ausgeschlossen erachtet Tillmanns die Möglichkeit einer Teilleistung, wenn mit der Leistung ein „einheitlicher Leistungszweck“ verfolgt werde. In diesem Fall sei allein eine vollständige Nicht- oder Schlechtleistung denkbar.73 Schon hieran wird deutlich, dass nach dem Ansatz Tillmanns’ die Frage nach der Einheitlichkeit des Leistungszwecks von großer Bedeutung ist. Ist sie zu bejahen, kommt eine Teilleistung nicht in Betracht. Die nicht ordnungsgemäße Leistung ist entweder als Schlecht- oder als Nichterfüllung zu qualifizieren. Ist die Frage zu verneinen ist für jeden Leistungsteil gesondert zu untersuchen, ob im Hinblick auf den eigenständigen Vertragszweck eine ordnungsgemäße Leistung gegeben ist oder eine Leistungsstörung vorliegt. Dafür, dass es bei der Beurteilung der Einheitlichkeit des Leistungszwecks allein auf die Interessen des Gläubigers ankommen soll, spricht nach der Auffassung Tillmanns’74, dass auch in den §§ 281 Abs. 1 Satz 2, 323 Abs. 5 Satz 1 BGB für die Entscheidung über die Ausübung der Totalrechte im Falle einer teilweisen Nichtleistung einseitig auf die Interessen des Gläubigers abgestellt wird und eine Berücksichtigung der Interessen des vertragsbrüchigen Schuldners insoweit nicht vorgesehen ist. Zum anderen meint Tillmanns, dass sich die partielle Durchführung des Vertrags als der nach den genannten Vorschriften favorisierte Regelfall darstelle.75 Die herrschende Meinung stellt demgegenüber jedoch darauf ab, ob beide Parteien die Leistung gemäß dem Maßstab des § 139 BGB als einheitlich verstanden haben.76 Einen für eine Teilleistung hinreichend eigenständigen Vertragszweck hält Tillmanns in unterschiedlichen Konstellationen für denkbar. Augenfällig sei ein eigenständiger Vertragszweck zunächst, wenn zwei unterschiedliche Gegenstände oder Tätigkeiten geschuldet seien, die inhaltlich nicht in Zusammenhang stünden. Einer genauen Auslegung bedürfe demgegenüber eine vertragliche Vereinbarung, nach welcher der erbrachte und der nicht erbrachte „Teil“ einer Leistung in engerem Zusammenhang stehen. Hier sei umfassend zu prüfen, ob der Gläubiger mit beiden Leistungsteilen einen einheitlichen vertraglichen Zweck verfolge oder mit jedem „Teil“ der Leistung einen eigenständigen Zweck erreichen wolle.77 72
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 249. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 249, verweist in diesem Zusammenhang auf den Werkvertrag. Hier sei einzig und allein der Erfolg der Werkherstellung geschuldet. Dieser sei nicht teilbar (siehe auch RG vom 23.6.1911 – 424/10 III, JW 1911, 756). 74 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 251. 75 Ebenso Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 12 Rn. 40. 76 RG vom 6.11.1907 – V 102/70, RGZ 67, 101, 103 ff.; BGH vom 25.3.1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2007; BGH vom 7.3.1990 – VIII ZR 56/89, 3011, 3012; MüKo-Ernst, § 323 Rn. 201; Staudinger-Otto, § 281 Rn. B 162; § 323 Rn. B 123. 77 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 252. 73
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Eine Teilleistung kann hiernach in der Lieferung eines von mehreren unterschiedlichen Gegenständen oder in der Erfüllung einer von mehreren geschuldeten Pflichten bestehen. Die Voraussetzungen können insbesondere aber nicht nur dann erfüllt sein, wenn der Schuldner die Lieferung mehrerer gleicher Gegenstände schuldet und er nicht die geschuldete Anzahl oder Menge liefert. Unter Berücksichtigung der besonderen Charakteristika der Verpflichtung zur Leistung von Diensten, stellt Tillmanns bei der Übertragung dieser Überlegungen auf das Recht des Dienstvertrags wiederum78 auf die Funktion der geschuldeten Tätigkeit ab und kommt so zu weitreichenden Schlussfolgerungen: Im Allgemeinen wird vertreten, die Leistung sei im Dienstvertrag ausschließlich oder zumindest vorrangig in zeitlicher Hinsicht teilbar.79 Diese Auffassung zugrunde gelegt, wäre eine Teilleistung nur dergestalt denkbar, dass die geschuldete Tätigkeit nicht über den gesamten vertraglich vereinbarten Zeitraum erbracht wird. Tillmanns hält demgegenüber die dienstvertraglich geschuldete Tätigkeit auch für „außerhalb der Zeit teilbar“. Dienste ließen sich anders als eine bestimmte Menge von Gegenständen zwar nicht ohne Weiteres quantitativ teilen. Es könne aber auch in diesem Zusammenhang auf den Zweck oder die Zwecke abgestellt werden, welche der Gläubiger mit der Leistung verfolge.80 Entsprechend den Überlegungen, auf die Tillmanns das von ihr zur Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung entwickelte Konzept des funktionalen Nichtleistungsbegriffs stützt,81 sei eine Teilleistung bezüglich einer Verpflichtung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nur anzunehmen, wenn der nicht vertragsgerechten Leistung eine eigenständige Funktion zugeordnet worden sei. Tillmanns spricht in diesem Zusammenhang vom „funktionalen Teilleistungsbegriff“. Voraussetzung für eine Teilleistung von Diensten sei hiernach, dass sich die Gesamtfunktion der geschuldeten Tätigkeit in eigenständige Teilfunktionen untergliedern lasse oder sich Teilfunktionen von der Gesamtfunktion abspalten lassen. Eine ordnungsgemäße Teilleistung setze überdies voraus, dass die unvollständige Leistung – von ihrer Unvollständigkeit abgesehen – ordnungsgemäß erbracht werde. Andernfalls liege eine Teilschlechtleistung vor.82 Da die Funktion oder Funktionen einer Tätigkeit nach der Auffassung Tillmanns’ im Wege der normativen Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln sei bzw. seien, komme es hiernach für die Abgrenzung von teilweiser Nicht- und Schlechtleistung darauf an, ob der nicht ordnungsgemäßen Leistung gemäß der Parteiverein78
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 258 ff. BAG vom 17.3.1988 – 2 AZR 576/84, AP Nr. 99 zu § 626 (II 4 d); Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 126; Staudinger-Otto, § 326 Rn. B 50; Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, S. 37. 80 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 260. 81 Oben § 5 B. III. 82 Dazu sogleich § 5 B. VI. 79
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barung eine eigenständige Funktion zugedacht worden sei.83 Im Rahmen der insoweit erforderlichen Auslegung der Parteivereinbarung sei wiederum darauf abzustellen, ob vor dem Hintergrund der Umstände, die für den Schuldner bei Vertragsschluss ersichtlich gewesen seien, der Gläubiger mit der defizitären Leistung eine eigenständige Funktion hätte verfolgen können.84 Die erforderliche eigenständige Teilfunktion müsse dabei nach der Auffassung Tillmanns’ genau abgegrenzt und beschrieben werden können. Dass die defizitäre Leistung dem Dienstberechtigten irgendwie nützlich ist, genüge nicht. Denkbar sind laut Tillmanns insbesondere inhaltsgleiche zumeist zeitliche Bruchstücke der Gesamtfunktion. Zu beachten sei jedoch, dass die Teilleistung bei isolierter Betrachtung für den Dienstberechtigten noch brauchbar sein müsse.85 Eine Teilleistung liegt nach Tillmanns immer dann besonders nahe, wenn es zwischen dem erbrachten und dem nicht erbrachten „Teil“ an einer inhaltlichen Verbindung fehle. Liege hingegen eine inhaltliche Verbindung vor, sei durch Auslegung zu ermitteln, ob der nicht vertragsgemäß erbrachte „Teil“ der Leistung mit einer eigenständigen Funktion belegt worden sei.86 83
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 261. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 261. 85 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 261 f.; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 259, verneint eine Tauglichkeit zur Erfüllung einer eigenständigen Funktion und folglich eine Teilleistung z. B. für einen Pianisten, der ein Konzert in der Mitte abbricht. 86 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 262. Tillmanns veranschaulicht ihr Modell anhand folgender Beispiele: „Beispiel 1: Hotelbesitzer H verpflichtet den Pianisten P, zwei Stunden im Restaurant des Hotels und anschließend zwei Stunden in der Hotelbar zu spielen. Die Verbindung zwischen beiden Teilen der Verpflichtung ist eher zufällig. Verlässt P nach den ersten zwei Stunden das Hotel, liegt eine Teilleistung vor, denn der unvollständigen Leistung kommt eine eigenständige Funktion zu. Beispiel 2: H verpflichtet den regional bekannten Jazzpianisten P, drei Stunden in der Hotelbar zu spielen. P bricht nach zwei Stunden sein Programm ab. Zwischen dem erbrachten Teil und dem nicht erbrachten Teil der Gesamtverpflichtung besteht ein inhaltlicher Zusammenhang (musikalisches Programm des P). Die unvollständige Leistung des P erfüllt dennoch ein Bruchstück der Gesamtfunktion (Unterhaltung der Gäste durch bestimmten Musikstil), die der vollständigen Leistung zugedacht war. Sie war daher geeignet, eine eigenständige Funktion zu erfüllen. Es liegt eine Teilleistung vor. Beispiel 3: H verpflichtet den berühmten Pianisten P, im großen Saal des Hotels vor geladenem Publikum Brahms’ zweites Klavierkonzert zu spielen. Nach dem zweiten Satz bricht P das Konzert ab. Die nicht ordnungsgemäße Leistung ist nicht geeignet, eine eigenständige Funktion zu erfüllen; sie ist für H „unbrauchbar“. Bei Vertragsschluss gingen beide Parteien davon aus, dass die Funktion der Tätigkeit in der Befriedigung der Erwartungen des Publikums durch die Darbietung des gesamten Konzerts bestehen sollte. Es stand fest, dass ein „halbes“ Konzert nicht zur Befriedigung (auch nicht zur hälftigen Befriedigung) der Erwartungen des Publikums geeignet wäre; man muss vom Gegenteil ausgehen. Die Leistung des P ist nach der hier vertretenen Ansicht als vollständige Nichtleistung aufzufassen, da die erbrachte Tätigkeit nicht geeignet ist, die ihr von den Vertragsparteien zugedachte Funktion zu erfüllen, und die Tätigkeit des P auch nicht geeignet war, eine eigenständige Teilfunktion zu erfüllen. 84
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Für den Bereich der zeitbezogenen Dienstverträge, zu denen auch der Arbeitsvertrag zu zählen ist, stellt Tillmanns weiter fest, dass eine eigenständige Teilfunktion oft ein „zeitliches Bruchstück“ der geschuldeten Dienste sei. Die Fixierung des Leistungszeitraums sei notwendiger Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung. Eine Teilleistung liege daher insbesondere dann vor, wenn die Tätigkeit des Dienstverpflichteten die geschuldete Leistungsdauer unterschreite oder den vereinbarten Leistungszeitraum ganz oder teilweise verfehle.87 Allerdings beschränke sich die Teilleistung nach dem Dafürhalten Tillmanns’ nicht auf die Fälle von „zeitlichen Bruchstücken“ der geschuldeten Dienste. Vielmehr sei auch bei zeitbezogenen Dienstverträgen eine rein funktionale Teilbarkeit möglich. Voraussetzung für eine funktionale Teilbarkeit zeitbezogener Dienstverträge sei, dass mit der geschuldeten Tätigkeit zur gleichen Zeit mehrere Funktionen erfüllt werden sollen. Eine Leistung, die über den gesamten vereinbarten Leistungszeitraum erbracht werde, die im Hinblick auf die Gesamtfunktion nicht ordnungsgemäß sei aber eine ihr vertraglich zugewiesene Teilfunktionen erfülle, sei hiernach als Teilleistung einzuordnen.88
VI. Teilschlechtleistung und Teil-Teilleistung Tillmanns rundet ihr leistungsstörungsrechtliches Konzept des Dienstvertrags schließlich dadurch ab, dass sie zu den bisher ausgeführten Leistungsstörungstatbeständen die Teilschlechtleistung und die Teil-Teilleistung hinzufügt.89 Von einer Teilschlechtleistung, die als Leistungsstörungstatbestand von der ganz herrschenden Meinung anerkannt ist,90 sei immer dann auszugehen, wenn eine Teilleistung schlecht erbracht werde. Auch in diesem Zusammenhang sei wiederum auf die Funktion, welche die Tätigkeit für den Dienstberechtigten nach der Parteivereinbarung haben soll, anzuknüpfen. Eine ordnungsgemäße Teilleistung liegt nach dem Dafürhalten Tillmanns’ nur dann vor, wenn die mit der Teilleistung verfolgte Funktion erreicht worden ist. Werde demgegenüber eine Teilleistung erbracht, die nicht ordnungsgemäß, zumindest aber geeignet ist, die eigenständige Teilfunktion zu erreichen, sei von einer Teilschlechtleistung auszugehen.91 87
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 264 ff. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 272. Als Beispiele führt Tillmanns in diesem Zusammenhang, einen Nachhilfelehrer an, der verpflichtet ist, Nachhilfe zu geben und auf einen Säugling aufzupassen. Tue dieser Nachhilfelehrer nur eines von beidem, liege eine Teilleistung vor. Zu dem gleichen Ergebnis kommt Tillmanns für die Tätigkeit eines Dolmetschers, der einer Gruppe Japaner die Sehenswürdigkeiten einer Stadt zeigen und dolmetschen soll, wenn die Japaner allesamt deutsch sprechen und sich deshalb keine Gelegenheit zum Dolmetschen bietet. Tillmanns folgend Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 157 ff. 89 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 277 ff. 90 MüKo-Ernst, § 281 Rn. 151; § 323 Rn. 256; Griegoleit/Riehm, ZGS 2002, 115 ff.; Soergel-Gsell, § 323 Rn. 219; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 221; Lorenz, NJW 2003, 3097, 3098 f. 88
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Auch eine Teilleistung kann für sich nur teilweise bewirkt werden.92 Es liegt daher bei Tillmanns nicht in allen Fällen, in denen der Schuldner eine Teilleistung unvollständig erbringt, eine Teilschlechtleistung vor. Entsprechend dem funktionalen Teilleistungsbegriff komme es allein darauf an, ob der Gläubiger mit der defizitären Leistung eine eigenständige Funktion erreichen könne. Sei dies für eine unvollständig erbrachte Teilleistung der Fall, liege eine ordnungsgemäße Teil-Teilleistung vor, welche leistungsstörungsrechtlich wie eine Teilleistung zu behandeln sei.93
VII. Lohnminderung bei nicht vertragsgemäßer Arbeitsleistung auf der Grundlage des funktionalen Nicht- und Teilleistungsbegriffs Auf der Grundlage dieser Überlegungen entwickelt Tillmanns eine Lösung für die Fälle der nicht vertragsgemäßen Arbeitsleistung, die den Vorgaben des Prinzips des konditionellen Synallagmas entspricht. Der Arbeitsvertrag ist als zeitbezogener Dienstvertrag94 zunächst in der Zeit teilbar.95 Tillmanns geht nun über diese zeitbezogene Teilbarkeit der Arbeitsleistung hinaus, indem sie die Arbeitsleistung auch in anderer als zeitlicher Hinsicht für teilbar erklärt.96 Tillmanns überträgt den von ihr zum Dienstvertrag entwickelten Gedanken des funktionalen Teilleistungsbegriffs konsequent auf den Arbeitsvertrag und kommt so zu dem Ergebnis, dass es für die Abgrenzung von vollständiger Nichtleistung und Teilleistung darauf ankomme, ob die nicht ordnungsgemäße Leistung des Arbeitnehmers zumindest noch geeignet war, eine eigenständige Teilfunktion zu erfüllen.97 Auch die Funktion, die mit einer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit verfolgt werde, sei im Wege normativer Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln. Zunehmend spezifiziert werde die Funktion durch die Eigenschaften, welche einer Tätigkeit beigelegt würden.98 Da die Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag in aller Regel nur rahmenmäßig umschrieben werde, muss nach Auffassung Tillmanns’ bei der Suche nach der Funktion der Tätigkeit hilfsweise auf die Arbeitgeberweisungen abgestellt werden.99 Jede wirksame Ar-
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Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 282 ff. MüKo-Ernst, § 281 Rn. 143. 93 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 307 ff. 94 MüKo-Müller-Glöge, § 611 Rn. 17 f. 95 BAG vom 17.3.1988 – 2 AZR 576/84, AP Nr. 99 zu § 626 (II 4 d); Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 32 f.; MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 7. 96 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 439 ff. Ebenso im Anschluss an Tillmanns Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 157 ff. 97 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 431 f. 98 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 432 f. 99 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 433. 92
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beitgeberweisung verenge – so Tillmanns – den Kreis an Tätigkeiten, die noch geeignet seien, die vertragliche Funktion zu erfüllen.100 Auch im Hinblick auf den Arbeitsvertrag, stellt Tillmanns der mit der geschuldeten Tätigkeit verfolgten Gesamtfunktion so genannte Teilfunktionen zur Seite. Werde eine solche Teilfunktion erreicht oder sei eine Tätigkeit auch nur geeignet, eine solche Teilfunktion zu erreichen, sei eine vollständige Nichtleistung ausgeschlossen.101 Tillmanns setzt sich in diesem Zusammenhang mit der Frage auseinander, ob bereits mit dem bloßen Zur-Verfügung-Stellen der Arbeitskraft eine Teilfunktion erreicht werde.102 Zur Beantwortung dieser Frage knüpft Tillmanns wiederum an den von ihr entwickelten funktionalen Teilleistungsbegriff an und prüft, ob das bloße Zur-Disposition-Stellen der Arbeitskraft eine eigenständige Teilfunktion erfüllt.103 Für den „typischen Arbeitsvertrag sei dies zu bejahen. Tillmanns begründet dies damit, dass sich der Arbeitgeber als Tätigkeitsgläubiger gerade deshalb für einen Arbeitsvertrag entscheide, weil es ihm insbesondere auf ein weitgehendes Kontroll- und Weisungsrecht ankomme. Der Arbeitgeber wolle den Arbeitnehmer nach eigenem Ermessen einsetzen, mit anderen Worten über ihn verfügen können. Folglich liege auch dann eine Teilleistung vor, wenn der Arbeitnehmer eine andere als die geschuldete oder eine völlig unbrauchbare Tätigkeit ausführe, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft aber noch zur Verfügung stelle. Die Grenze zur – bezogen auf den Tätigkeitszeitraum – vollständigen Nichtleistung sei erst dort überschritten, wo der Arbeitnehmer nicht mehr gewillt oder – z. B. infolge Alkoholkonsums – nicht mehr im Stande ist, die geschuldete Arbeit zu verrichten.104 Auch für andere beschränkte Störungen möchte Tillmanns das für den Dienstvertrag entwickelte leistungsstörungsrechtliche Konzept auf den Arbeitsvertrag übertragen. Tillmanns knüpft dazu zunächst an die allgemeine Ansicht an, dass der Arbeitnehmer, der die geschuldete Leistungsdauer unterschreitet, eine Teilleistung nicht erbringt und sich – das Fehlen der Nachholbarkeit vorausgesetzt – einer Lohnminderung nach §§ 326 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2, 441 Abs. 3 BGB ausgesetzt sieht,105 soweit der Anspruch nicht im Einzelfall gemäß §§ 615, 326 Abs. 2, 616 BGB, 2, 3 EFZG usw. erhalten bleibt. Wie auch für den Dienstvertrag geht Tillmanns auch für den Arbeitsvertrag davon aus, dass sich die Fälle des Fehlens einer Teilleistung und mithin auch die Möglichkeit einer Lohnminderung nicht auf die Fälle beschränken, in denen der Arbeitnehmer die geschuldete Leis100 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 433; hierauf wird noch zurückzukommen sein, siehe unten § 5 C. IV. 3. 101 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 433. 102 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 433 ff. 103 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 433 f. 104 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 435. 105 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 126, 190; ErfKommArbR-Preis § 611 BGB Rn. 697; HWK-Thüsing § 611 Rn. 399.
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tungsdauer unterschreitet.106 Der Arbeitgeber könne vielmehr auch das Fehlen einer nichtzeitlichen Teilleistung geltend machen. Der Arbeitnehmer habe sich zu einer Tätigkeit verpflichtet, mit der eine Vielzahl an zeitlichen und inhaltlichen Teilfunktionen erfüllt werden soll. Ist die „erbrachte Tätigkeit nicht – auch nicht nur schlecht – geeignet“, „eine eigenständige Teilfunktion zu erreichen“ fehlt der erbrachten Tätigkeit nach dem Dafürhalten Tillmanns’ ein inhaltlicher Leistungsteil.107 Begründet werden solche Teilfunktionen nach der Auffassung Tillmanns’ durch die Übertragung konkreter Arbeitsaufgaben.108 Zu Recht weist Tillmanns in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Arbeitnehmer im Gegensatz zum Werkunternehmer keinen Erfolg schuldet und bei der Beurteilung der Geeignetheit einer Tätigkeit zur Erreichung einer Funktion daher nicht unmittelbar auf das Arbeitsergebnis abgestellt werden darf.109 Anhand dieses Konzepts möchte Tillmanns auch die Fälle gelöst wissen, in denen mehrere Arbeitsaufgaben für ein und denselben Leistungszeitraum zugewiesen werden, der Arbeitnehmer aber nicht hinsichtlich aller Aufgaben tätig wird. Schuldet ein Arbeitnehmer eine Tätigkeit, mit welcher der Arbeitgeber gleichzeitig mehrere eigenständige Teilfunktionen verfolgt, kann die erbrachte Tätigkeit hinsichtlich jeder dieser einheitlichen Teilfunktionen „unbrauchbar“ sein. Nach der Auffassung Tillmanns’ kommt daher hinsichtlich jeder dieser Teilfunktionen das Fehlen einer Teilleistung und damit eine Lohnminderung gemäß §§ 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, 441 Abs. 3 BGB in Betracht.110 Das auf dem funktionalen Teilleistungsbegriff fußende leistungsstörungsrechtliche Konzept Tillmanns’ führt im Ergebnis zu einer sehr weitgehenden Möglichkeit der Lohnminderung im Arbeitsverhältnis.111 Am deutlichsten zeigt sich dies anhand einer Auswahl der von Tillmanns in diesem Zusammenhang gewählten Beispiele: „Beispiel: Händler H will seinen gesamten Kundenbestand elektronisch erfassen. Zu diesem Zweck stellt er befristet den Studenten A ein. Auf dem A zur Verfügung stehenden Computer befindet sich das Textverarbeitungsprogramm, mit welchem die Daten gespeichert werden sollen. Außerdem befindet sich dort ein weiteres, veraltetes System. A verwendet dieses alte System. Die gesamte Arbeit ist für H unbrauchbar, weil sich die Daten nicht in das neue System transferieren lassen. 106 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 439, 454, 456; anders die bisher h. M.: Staudinger-Otto, § 326 Rn. B 50. 107 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 439, 454. Ebenso im Anschluss an Tillmanns Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 157 ff. 108 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 439. 109 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 439. 110 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 444; ähnlich bereits Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119 f. 111 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 454; Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 171 ff.
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
Der Irrtum des A beruhte auf a) seiner Schludrigkeit, b) auf der Tatsache, dass die ihn einweisende Sekretärin dieses Programm irrtümlich für das anzuwendende hielt.“ 112
Im Fall b) geht Tillmanns zu Recht von einer den Weisungen entsprechenden und damit ordnungsgemäßen Leistung aus. Im Beispielsfall a) sei hingegen bezüglich der Funktion „Eingabe der Daten in das korrekte Textverarbeitungssystem“ von einer Nichtleistung und der Möglichkeit einer Lohnminderung auszugehen.113 „Beispiel: U beschäftigt den Anstreicher A. Als A morgens zur Arbeit erscheint, erhält er die Weisung, an diesem Tag eine bestimmte Wand gelb zu streichen. 1. A streicht die Wand blau, weil er a) nicht richtig zugehört hat, b) mit U eine „offene Rechnung“ begleichen will. 2. A streicht die Wand gelb, a) trägt aber die Farbe stark unregelmäßig auf, so daß der Besteller – zu Recht – einen Neuanstrich fordert, b) trägt die Farbe leicht unregelmäßig auf, so daß sich U eine Minderung seiner Werklohnforderung durch den Besteller gefallen lassen muß.“ 114
Nach dem von Tillmanns vertretenen Ansatz der funktionalen Teilleistung, ist in den Fällen 1 a), b) und 2 a) jeweils vom Fehlen einer Teilleistung und von einer Lohnminderungsmöglichkeit des Arbeitgebers auszugehen. In den beiden Varianten des Beispielsfalls 1 mache es im Hinblick auf den Entgeltanspruch keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer die Wand abreiße, in einer andern Farbe streiche, eine andere Wand streiche oder mit dem Auftraggeber Kaffee trinke. Ob eine Teilleistung fehle oder nicht, hänge im Übrigen auch nicht davon ab, wer zu welchem Grad das Ausbleiben der Leistung zu vertreten habe.115 Da der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber jedoch zur Verfügung gestanden habe, sei bezogen auf den Leistungszeitraum in den Fällen 1 a) und 2 a) nicht von einer vollständigen Nichtleistung, sondern von einer Teilleistung auszugehen. Der Entgeltanspruch entfalle dementsprechend hier nicht vollständig.116 Anders sei dies für Fall 1 b) zu beurteilen, da der Arbeitnehmer, auch wenn er anwesend und tätig gewesen ist, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft nicht zur Disposition gestellt, eine Arbeitsleistung vielmehr nur vorgetäuscht hat.117 Allein Fall 2 b) will Tillmanns den Regeln der Schlechtleistung unterstellen.118 Hier solle eine automatische Lohnminderung ausscheiden. 112
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 432. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 433. 114 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 440. 115 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 442. 116 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 444. 117 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 444, spricht in diesem Zusammenhang von „Scheinarbeit“. 118 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 443. 113
B. Lohnminderung bei funktionalen Teilleistungen nach Kerstin Tillmanns
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Schon anhand dieser Fallbeispiele zeigt sich, dass die Regeln über die Schlechtleistung in Tillmanns’ leistungsstörungsrechtlichen Konzept zum Dienst- und Arbeitsvertrag eine untergeordnete Rolle spielen. Wesentlich größere Bedeutung kommt dem Leistungsstörungstatbestand der Nichtleistung zu. Dies verdeutlicht auch folgendes Beispiel Tillmanns’: „Beispiel: Der Ladenangestellte A wird angewiesen, an einem bestimmten Arbeitstag die Ladenregale aufzufüllen und – ausnahmsweise – die Kundschaft zu bedienen. Die letztere Arbeitsaufgabe hat A gleich wieder vergessen und verweist daher auf die anwesenden Verkäufer.“ 119
Der Arbeitnehmer soll hier innerhalb eines Leistungszeitraums mehrere Arbeitsaufgaben bewältigen, wird aber nur hinsichtlich einer der ihm übertragenen Aufgaben tätig. Tillmanns ist der Auffassung, auch in diesem Fall erbringe der Arbeitnehmer keine Schlecht-, sondern eine Teilleistung, während er eine andere Teilleistung nicht erfülle, mit der Folge, dass der Lohn entsprechend zu mindern sei.120 Zur Begründung führt Tillmanns an, dass eine Tätigkeit, wenn mit ihr zwei oder mehrere Teilfunktionen verfolgt werden sollen, hinsichtlich jeder ihrer Teilfunktionen unbrauchbar sein könne und folglich hinsichtlich jeder ihrer Teilfunktionen eine Teilleistung fehlen könne.121 Erinnert sei an dieser Stelle an die von Tillmanns im Rahmen ihrer Ausführungen zur Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung beim Dienstvertrag aufgestellte These, dass das auf dem funktionalen Nichtleistungsbegriff fußende leistungsstörungsrechtliche Konzept zum einen dazu führe, dass die geschuldete Leistung infolge der fortschreitenden Konkretisierung der die Funktion ausmachenden Eigenschaften insgesamt störungsanfälliger werde und zum anderen dazu, dass je umfassender die Tätigkeitsbeschreibung ausfalle, die tatsächlich erbrachte Tätigkeit eher den Leistungsstörungstatbestand der Nichterfüllung als den der Schlechterfüllung erfülle.122 Die wirkliche Brisanz, welche der Ansatz von Tillmanns mit sich bringt, wird dabei erst deutlich, wenn man sich anhand des vorgenannten Beispiels die weitreichenden Folgen des funktionalen Teilleistungsbegriffs vor Augen führt. Dem Arbeitgeber ist es hiernach möglich, in den Grenzen seines Direktionsrechts der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit eine Vielzahl von eigenständigen Teilfunktionen zuzuordnen. Je höher aber die Zahl der Teilfunktionen einer Tätigkeit, umso ausdifferenzierter ist jede dieser Teilfunktionen. Einer Ladenangestellten, die allgemein angewiesen ist, die in einem Laden anfallenden Tätigkeiten auszuführen und es unterlässt, auf mögliche Ladendiebstähle zu achten, im Übrigen ihre Arbeit aber ordnungsgemäß verrichtet, wird allenfalls eine Schlechtleistung vorzuwerfen sein, welche zumindest 119 120 121 122
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 444. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 445. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 444. Oben § 5 B. V.
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
nach der herrschenden Deutung von § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB123 nicht zu einer verschuldensunabhängigen Haftung, sondern allenfalls zu einem an die Voraussetzung des Vertretenmüssens geknüpften Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers124 führen kann. Gesteht man hingegen – Tillmanns folgend – dem Arbeitgeber zu, der geschuldeten Tätigkeit durch Ausübung seines Direktionsrechts mehr und mehr bis ins Detail hinein ausdifferenzierte Teilfunktionen zuzuweisen, steigert sich für den Arbeitnehmer in entsprechendem Maße die Gefahr, hinsichtlich einer dieser Teilfunktionen eine Nichtleistung mit der Folge einer verschuldensunabhängigen Lohnminderung nach §§ 326 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2, 441 Abs. 3 BGB zu erbringen. Entsprechend dem hier gewählten Beispiel, würde sich die Ladenangestellte, die es unterlassen hat, auf Ladendiebstähle zu achten, einer Lohnminderung ausgesetzt sehen, wenn ihr Arbeitgeber sie ausdrücklich angewiesen hat, die Kasse zu bedienen, die Regale aufzufüllen, den Ladenbereich sauber zu halten, Waren zu etikettieren und auf Ladendiebstähle zu achten. Im Ergebnis bedeutet dies, dass nach dem Ansatz Tillmanns’ die Reichweite des konditionellen Synallagmas der einseitigen Ausgestaltung durch den Arbeitgeber anheimgestellt wird.125 Ihre Grenzen soll dieses weitreichende Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers nach dem Dafürhalten Tillmanns’ in den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre finden.126 Sei die Nichtgeeignetheit der Tätigkeit zum Erreichen einer Teilfunktion und damit das Fehlen einer Teilfunktion auf Umstände zurückzuführen, die in die Risikosphäre des Arbeitgebers fallen, bestünde der Lohnanspruch gemäß §§ 615, 326 Abs. 2 BGB fort. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitgeber ein fehlerhaftes Arbeitssubstrat zur Verfügung stellt oder fehlerhafte bzw. ungenaue Anweisungen gebe, und dies dazu führe, dass eine Teilfunktion nicht erreicht werde. Von einer Störung aus der Sphäre des Arbeitgebers sei auch dann auszugehen, wenn die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation die Teilleistung unmöglich mache, etwa weil die erforderliche Mitarbeit anderer Arbeitnehmer des Arbeitgebers oder des Arbeitgebers selbst unzureichend war oder ausgefallen ist.127 Tillmanns stellt sich in diesem Zusammenhang auf den Standpunkt, dass die Beweislast für das Fehlen von arbeitgeberseitigen Ursachen für das Fehlen einer Teilleistung nach § 619a BGB analog der Arbeitgeber tragen solle. Eine Begründung für den Analogieschluss bleibt sie hingegen schuldig.128 123
Oben § 4 C. IV. Dazu unten § 8. 125 Siehe hierzu C. IV. 3. 126 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 456 f.; ebenso bereits Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 198 ff. 127 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 456 f. 128 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 457. Im Rahmen des hier vertretenen Ansatzes werden arbeitgeberseitige Leistungshindernisse bei der Frage berücksichtigt, ob eine objektive Schlechtleistung dem Arbeitnehmer im Rahmen einer scha124
B. Lohnminderung bei funktionalen Teilleistungen nach Kerstin Tillmanns
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VIII. Lohnminderung durch Teilrücktritt gemäß § 323 Abs. 1 BGB Die Lohnminderung bei in funktionaler Hinsicht teilweise nicht erbrachter Arbeit wird schließlich bei Tillmanns von einem entsprechenden Recht des Arbeitgebers auf Teilrücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB für die Fälle flankiert, in denen einen Lohnminderung ausscheidet, weil die Arbeitsleistung ausnahmsweise nachholbar ist.129 Dieser Teilrücktritt beschränkt sich nach Tillmanns auf den Teil der Arbeitsleistung, der gemäß dem funktionalen Teilleistungsbegriff nicht erbracht worden ist.130 Tillmanns stellt sich dabei auf den Standpunkt, dass der für den Dienstvertrag typische Beendigungstatbestand der Kündigung lediglich zu einem Ausschluss des Totalrücktritts führt, welcher bekanntlich den gesamten Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis überführt. Der Vorrang der Kündigung betreffe jedoch nicht einen Teilrücktritt, welcher sich auf ein bestimmtes Leistungsdefizit beschränke.131
IX. Zusammenfassung Mithilfe ihrer Überlegungen zur funktionalen Nicht- und Teilleistung errichtet Tillmanns wie gesehen ein leistungsstörungsrechtliches Konzept, nach dem es dem Arbeitgeber möglich ist, durch Ausübung seines Weisungsrechts die vertraglich geschuldete Tätigkeit so auszudifferenzieren, dass ihr verschiedene Teilfunktionen zuzuordnen sind. Die Arbeitsleistung ist im Störungsfall nach dem Dafürhalten Tillmanns’ leistungsstörungsrechtlich bezüglich jeder dieser zugewiesenen Teilfunktionen gesondert zu beurteilen. Ist die Arbeitsleistung im Ganzen nicht ordnungsgemäß geleistet, ist sie nur dann als Schlechtleistung zu behandeln, wenn sie zumindest noch geeignet gewesen ist, alle mit ihr verfolgten Teilfunktionen auch zu erfüllen. Ist die Geeignetheit zur Erfüllung auch nur einer Teilfunktion zu verneinen, liegt bezüglich dieser Teilfunktion eine teilweise Nichtleistung vor mit der Folge, dass vorbehaltlich der Betriebsrisikolehre und anderer lohnerhaltender Normen der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch zum Teil gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB verliert. Ist die Arbeitsleistung ausnahmsweise nachholbar, kann der Arbeitgeber bezüglich eines in funktionaler Hinsicht nicht erbrachten Leistungsteils unter den Voraussetzungen § 323 Abs. 1 BGB mit Minderungswirkung zurücktreten.
densersatzrechtlichen Haftung als schuldhaft verursacht zuzurechnen ist. Siehe dazu unten § 7 B. V. 2. 129 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 397 ff., 454. 130 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 398, 454. 131 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 397 f.
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
C. Die Arbeitsleistung als lediglich zeitlich teilbare Leistung I. Das Konzept von der funktionalen Teilleistung vor dem Hintergrund des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB Das soeben dargestellte Konzept von der funktionalen Teilleistung und die mit diesem Konzept einhergehende Ausweitung des Tatbestands der Nichtleistung lassen sich mit dem hier vertretenen Verständnis des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Einklang bringen. Die von Tillmanns vertrete Auffassung weckt bereits insoweit Zweifel, als der Gedanke der funktionalen Teilleistung im Ergebnis dazu führt, dass die Grenzen zwischen den Leistungsstörungstatbeständen der Nicht- und dem der Schlechtleistung verwischen. Eine solche Entwicklung widerspricht aber tragenden Gedanken des reformierten Schuldrechts. So sehen § 281 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BGB und § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB für teilweise Nichtleistung und Schlechtleistung unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen vor. Schadensersatz statt der ganzen Leistung und Rücktritt vom ganzen Vertrag werden dem Gläubiger, gegenüber dem teilweise nicht geleistet worden ist, nur zugestanden, wenn er an der ordnungsgemäß erbrachten Teilleistung kein Interesse hat. Bei Schlechtleistungen scheidet eine Gesamtliquidation des genannten Vertrags hingegen nach den genannten Vorschriften nur ausnahmsweise aus, namentlich dann, wenn die maßgebliche Pflichtverletzung unerheblich ist. Überdies ist die Beweislast für den Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Gesamtliquidation des Vertrags bei Schlechtleistung und teilweiser Nichtleistung unterschiedlich verteilt.132 Darüber hinaus wird auch in der Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mehrfach betont, dass die Schlechtleistung eine eigene Kategorie der Leistungsstörung sein soll.133 Gerade an § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB wird die Vorstellung des Gesetzgebers deutlich, dass die irreparable Schlechtleistung nicht als Teilleistung verstanden werden darf.134 Soweit doch irreparable Schlechtleistung und (teilweise) Nichtleistung gleichgestellt werden,135 kommt es nur wieder entgegen § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu einer Minderung kraft Gesetzes nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB, welche, dies ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bereits zum Ausdruck gekommen,136 dem leistungsstörungsrechtlichen Konzept
132
Lorenz, NJW 2003, 3097, 3098. BT-Drs. 14/6040, 187, 189; Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 14/6857, 21; Gegenäußerung, BT-Drs. 14/6857, 56 f.; Rechtsausschuss, BT-Drs. 14/7052, 193. 134 BT-Drs. 14/6040, 189; ebenso Staudinger-Otto, § 326 Rn. B 52; Bamberger/ Roth-Grothe, § 326 Rn. 23; Anwaltskommentar Schuldrecht-Dauner-Lieb, § 326 Rn. 11. 135 Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 10 Rn. 34. 136 Oben § 4 C. IV. 133
C. Die Arbeitsleistung als lediglich zeitlich teilbare Leistung
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des BGB diametral zuwider liefe. Nach richtiger Auffassung ist der Anwendungsbereich der Vorschriften über Teilleistungen vielmehr eng zu begrenzen. Auch ein auf das Leistungsdefizit beschränkter Teilrücktritt, bei Schlechtleistungen, wie er von Tillmanns vertreten wird,137 fügt sich nicht ohne weiteres in die Systematik des allgemeinen und besonderen Schuldrechts ein. Diese Form des Teilrücktritts würde sich in seinen Auswirkungen von einer verschuldensunabhängigen Minderung kaum unterscheiden.138 Gegen einen Rücktritt mit Minderungswirkung spricht bereits, dass es sich bei Rücktritt und Minderung um zwei Rechtsbehelfe handelt, die streng voneinander zu unterscheiden sind. Anders als die Minderung führt der Rücktritt grundsätzlich zur Liquidation des Vertrags und damit zum Entfallen noch nicht erfüllter Leistungspflichten und zur Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen nach §§ 346 ff. BGB. Besonders deutlich wird dieser Unterschied bei Dauerschuldverhältnissen. Bei Dauerschuldverhältnissen bewirkt die Minderung regelmäßig nur eine vorübergehende Herabsetzung der Gegenleistung, während die übrigen Vertragspflichten bestehen bleiben. Der Rücktritt demgegenüber hat nicht die Funktion, das Schicksal der Gegenleistung zu bestimmten, ohne den Vertrag zu liquidieren.139 Was insoweit für den Teilrücktritt bei Dauerschuldverhältnissen gilt, gilt erst recht für die Teilkündigung bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen. Eine Kündigung die eine Partei ausspricht, um sich lediglich einzelner Vertragspflichten zu entledigen, ohne dass die übrigen Vertragsbestandteile geändert werden, wird zu Recht mit der Begründung abgelehnt, ein solches einseitiges Gestaltungsrecht zur Änderung des Vertrags widerspreche dem Grundsatz pacta sunt servanda.140 Überhaupt lässt sich ein Recht eines auf das Leistungsdefizit beschränkten Teilrücktritts bzw. einer entsprechenden Teilkündigung für den Fall der Schlechtleistung nur schwer methodengerecht begründen. Soweit argumentiert wird, im Umkehrschluss aus § 323 Abs. 5 BGB, der vom Rücktritt „vom ganzen Vertrag“ spricht, sei der Teilrücktritt grundsätzlich anzuerkennen, wird verkannt, dass vom Rücktritt „vom ganzen Vertrag“ nur im Zusammenhang mit der teilweisen Nichtleistung die Rede ist, und der Umkehrschluss dementsprechend nur für diese Kategorie der Leistungsstörung gelten kann. Dies gilt umso mehr, als das Gesetz, wie bereits aufgezeigt,141 heute die Schlechtleistung als eigene Leistungsstö137
Oben § 5 B. VIII. So ausdrücklich: MüKo-Ernst, § 323 Rn. 240; Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 179. 139 Peukert, AcP 205 (2005), 430, 439. 140 BAG vom 7.10.1982 – 2 AZR 455/80, AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung (III 1 a); BGH vom 5.11.1992 – IX ZR 200/91, NJW 1993, 1320, 1322; a. A. offenbar Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 397 ff.; RG vom 7.7.1926 – III 42/26, RGZ 114, 243, 245 f. (zum Mietvertrag). 141 Siehe oben § 4 C. IV. 2. 138
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
rungskategorie behandelt und strikt zwischen Schlecht- und Nichtleistung differenziert. Zuzugeben ist, dass das Gesetz für den Bereich der teilweisen Nichtleistung in § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB – wie auch in § 281 Abs. 1 Satz 2 BGB – tatsächlich den Teilrücktritt zum Prinzip erhebt. Die in diesen Vorschriften verfolgte Aufspaltung des Vertrags in einen durch Rücktritt liquidierten Teil und einen fortbestehenden Teil, wird für den Bereich der Teilunmöglichkeit in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB bestätigt. Für den Bereich der Schlechtleistung hingegen trifft das Gesetz eine grundlegend andere Regelung. Hier soll der Gläubiger einer Leistung, vom ganzen Vertrag zurücktreten oder gar nicht zum Rücktritt berechtigt sein, je nachdem, ob die Pflichtverletzung erheblich ist oder nicht. Da sich das Prinzip des Teilrücktritts damit auf den Bereich der Nichtleistung beschränkt, muss es für die Schlechtleistung bei der Anordnung des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB bleiben.142 Die Wertung des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB darf jedoch nicht durch eine künstliche Ausweitung des Tatbestands der Nichtleistung umgangen werden.
II. Die Identität der Leistung als maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung Den soeben aufgeworfenen Kritikpunkten soll im Folgenden nachgegangen werden. Dabei ist zunächst an Überlegungen Tillmanns’ anzuknüpfen. Das Konzept Tillmanns’ verdient zumindest insoweit Zustimmung, als es seinen Ausgangspunkt darin findet, dass in Ermangelung unmittelbar oder entsprechend anzuwendender gesetzlicher Spezialvorschriften die Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung anhand der Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts erfolgen muss. Eine Schlechtleistung liegt nach dem Wortlaut von §§ 281 Abs. 1 Satz 1 und 3, 323 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2, 326 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, wenn eine Leistung „nicht wie geschuldet“ bzw. „nicht vertragsgemäß“ erbracht wird. Tillmanns143 zieht aus diesem Wortlaut völlig zu Recht den nahe liegenden Umkehrschluss, dass sich Nicht- und Schlechtleistung auf der einen Seite darin gleichen, dass bei beiden Formen der Leistungsstörung nicht vertragsgemäß geleistet wird, sie sich auf der anderen Seite aber dadurch unterscheiden, dass bei der Schlechtleistung zumindest noch die (vertraglich) geschuldete Leistung erbracht wird, nur eben nicht in der geschuldeten Art und Weise. Bei einer Schlechtleistung erbringt der Schuldner noch die geschuldete Leistung, wenn auch schlecht. Bei der Nichtleistung wird hingegen entweder gar nicht geleistet oder der Schuldner erbringt eine Leistung, die nicht mehr als die Leistung zu qualifizieren ist, die zu erbringen er aufgrund des Schuldverhältnisses verpflichtet ist.144
142 143 144
Ebenso im Ergebnis Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 19 Rn. 19. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 217. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 217.
C. Die Arbeitsleistung als lediglich zeitlich teilbare Leistung
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Soweit überhaupt irgendetwas geleistet wird, wird die Frage der Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung damit zu einer Frage der Identität der Leistung.145 Ist die erbrachte Leistung nicht mehr als die Leistung zu identifizieren, die geschuldet ist, liegt eine Nichtleistung vor. Ist die Leistung noch als die geschuldete zu identifizieren, ist, wenn die Leistung nicht in jeder Hinsicht dem entspricht, was geschuldet ist, der Leistungsstörungstatbestand der Schlechtleistung erfüllt.
III. Anknüpfungspunkt für die Identifizierung der Arbeitsleistung – die Arbeitsleistung und ihre Teilbarkeit Das Vorhaben, die Nichterfüllung von der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht anhand der Identität der Arbeitsleistung zu unterscheiden, gewinnt dadurch an Komplexität, dass als Anknüpfungspunkt für den Vorgang der Identifizierung mehrere Vergleichsmaßstäbe in Betracht kommen. So lässt sich die von einem Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung zunächst im Hinblick auf den gesamten Vertragszeitraum beurteilen. Wegen des besonderen Zeitbezugs der Arbeitsleistung146 kann die von einem Arbeitnehmer erbrachte Tätigkeit aber auch für einen bestimmten Arbeitszeitraum gesondert leistungsstörungsrechtlich behandelt werden. Schließlich ist auch daran zu denken, die Identität der Arbeit eines Arbeitnehmers – ähnlich dem Ansatz Tillmanns’ – hinsichtlich einzelner Arbeitsaufgaben oder anderer inhaltlicher, nichtzeitlicher Teilbereiche zu bewerten. Beim Arbeitsverhältnis handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis. Es werden über die Zeit hinweg immer wieder Arbeitsleistungen geschuldet und vom Arbeitnehmer erbracht. Auf den Gesamtzeitraum des Arbeitsverhältnisses gesehen, wird sich die Leistung des Arbeitnehmers wohl nur in seltenen Ausnahmefällen als Nichterfüllung behandeln lassen. Teilt man die Gesamtarbeitsleistung jedoch in einzelne Zeitabschnitte, lassen sich einzelne Fehlzeiten ohne weiteres als Nichterfüllungen in Ansehung eines bestimmten Zeitabschnitts, mit anderen Worten als teilweise Nichterfüllungen nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB behandeln. Eine teilweise Nichterfüllung in diesem Sinne liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitnehmer an bestimmten Tagen nicht arbeitet oder unberechtigte Arbeitspausen einlegt.147 Auch sind ohne Weiteres Fälle denkbar, in denen ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz erscheint und für einen bestimmten Zeitabschnitt eine Tätigkeit ausführt, die nicht mehr als die Tätigkeit zu identifi145 Tillmanns verwendet in dem gleichen Zusammenhang den Begriff Identifikation (Siehe Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 217). Vorzugswürdig erscheinen aber, da Identifikation einen Prozess des Gleichsetzens, Einfühlens oder Eingliederns beschreibt, es aber um die das Wesen der Leistung kennzeichnenden Eigentümlichkeiten geht, die Begriffe der Identität bzw. Identifizierung. 146 Dazu unten § 5 D. III. 1. und § 5 D. IV. 3. 147 MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 2.
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
zieren ist, die vertraglich geschuldet ist. Als Beispiel kann die Schreibkraft gelten, die zwischen 10:00 Uhr und 11:00 Uhr zu privaten Zwecken im Internet surft, anstatt wie angewiesen in dieser Zeit die Geschäftspost zu bearbeiten. Weitaus schwieriger gestalten sich demgegenüber die Fälle, in denen der Arbeitnehmer, obwohl er die Arbeitszeit einhält, eine zu geringe Arbeitsquantität erbringt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer einer bestimmten Anzahl von mehreren gleichzeitig zu erledigenden Arbeitsaufgaben nicht nachgeht. Es stellt sich ferner auch die Frage, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen der Arbeitnehmer seine Aufgaben so schlecht erledigt, dass sie den vom Arbeitgeber verfolgten betrieblichen Zwecken in keiner Weise mehr nützen. Wie bereits ausgeführt,148 ist das konditionelle Synallagma im Arbeitsverhältnis nur für den Bereich der teilweisen Nichterfüllung – und auch hier nur im Grundsatz – gewährleistet. Für den Bereich der Schlechterfüllung findet sich gerade im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis eine Durchbrechung des konditionellen Synallagmas in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die aufgeführten Zweifelsfälle wirken sich daher auch nur dann unmittelbar auf den Lohnanspruch aus, wenn es gelingt, die vom Arbeitnehmer erbrachte Leistung als teilweise Nichtleistung zu qualifizieren. Wählt man als Maßstab für die Bestimmung der Identität der erbrachten Arbeitsleistung allein die Arbeitszeit, werden die Fälle in denen der Arbeitnehmer die gesamte Arbeitszeit an seinem Arbeitsplatz verbringt nur in besonderen Konstellationen, etwa dann, wenn der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz schläft, anstatt den angewiesenen Aufgaben nachzugehen, als Nichtleistung zu qualifizieren sein. Zu einer wesentlich weitergehenden Gewährleistung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis käme man demgegenüber, legte man, dem funktionalen Teilleistungsbegriff Tillmanns’149 folgend, die Vorschriften über die teilweise Nichtleistung weit aus. Nach dem Ansatz Tillmanns’ lässt sich, wie bereits aufgezeigt, die Arbeitsleistung nicht nur in Ansehung der Zeit in Leistungsteile unterteilen. Als Maßstab für die Bestimmung der Identität der Leistung kommen auch inhaltliche Leistungsteile in Betracht. So ist nach dem funktionalen Teilleistungsbegriff Tillmanns’ von einer teilweisen Nichterfüllung auch dann auszugehen, wenn im Hinblick auf eine einzelne Teilfunktion der Arbeitstätigkeit die Identität der Arbeitsleistung nicht mehr gewahrt ist. Das Lösungskonzept Tillmanns’ läuft, wie auch der Ansatz Motzers150 im Ergebnis darauf hinaus, dass die Voraussetzungen für eine Lohnminderung nach §§ 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, 441 Abs. 3 BGB nicht nur dann gegeben sind, wenn der Arbeitnehmer der Arbeit vereinbarungswidrig zeitweise fern bleibt, sondern auch dann, wenn die vom Ar148 149 150
Oben § 3 C. I. und § 4. C. IV. Oben § 5 B. V. Oben § 3 C. II. 1. f) aa).
C. Die Arbeitsleistung als lediglich zeitlich teilbare Leistung
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beitnehmer geleistete Arbeit nicht, auch nicht lediglich schlecht, geeignet gewesen ist, eine ihr vertraglich oder qua Arbeitgeberweisung zugeschriebene eigenständige Teilfunktion zu erfüllen. Auf diesem Weg ergibt sich ein Lösungsansatz, nach dem ein Großteil inhaltlich defizitärer Arbeitsleistungen als teilweise Nichtleistung zu behandeln sind und das konditionelle Synallagma weitgehend gewahrt bleibt. Ob sich die Arbeitsleistung nicht nur in zeitliche, sondern auch in inhaltliche Leistungsteile unterteilen lässt, für die dann jeweils bestimmt werden kann, ob diese Leistungsteile noch als diejenigen zu identifizieren sind, die vertraglich geschuldet sind, ist jedoch, dies wird sich im Folgenden zeigen, zweifelhaft. 1. Teilbarkeit vertraglich versprochener Leistungen Es ist deutlich geworden, dass sich inhaltlich defizitäre Arbeit nur dann entsprechend dem Prinzip des konditionellen Synallagmas unmittelbar auf den Lohnanspruch auswirkt, wenn es gelingt, die inhaltlich defizitäre Arbeit als teilweise nicht geleistete Arbeit im Sinne von § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB zu behandeln. § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB setzt aber voraus, dass eine Leistung teilweise nicht erbracht wird und nach § 275 BGB nicht nachgeholt zu werden braucht. Die Gesamtleistung zerfällt hierbei in einen Teil, welchen der Schuldner ordnungsgemäß und einen Teil, welchen er nicht – auch nicht nur schlecht (§ 326 Abs. 1 Satz 2 BGB) – erfüllt. Der Unterschied zwischen teilweiser Nichtleistung und Schlechtleistung ist dabei darin zu sehen, dass bei der teilweisen Nichtleistung die Leistung rechtlich teilbar ist und sich das Leistungsdefizit daher nicht zwangsläufig allein auf die Gesamtleistung beziehen muss, sondern sich auf eine abgrenzbare Teilleistung beschränkt, die für sich nicht lediglich schlecht (§ 326 Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern gar nicht erbracht worden ist.151 Die Subsumtion inhaltlich defizitärer Arbeitsleistungen unter § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB setzt hiernach voraus, dass sich die Arbeitsleistung in Teilleistungen zerlegen lässt und zwar nicht allein in zeitlicher Hinsicht, sondern auch, und das ist entscheidend, im Hinblick auf inhaltliche Elemente. Die folgenden Ausführungen sollen sich daher auf die Frage konzentrieren, ob es möglich ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit inhaltlich und nicht bloß zeitlich in Teilleistungen zu zerlegen. 2. Kriterien für die Teilbarkeit von Leistungen Soweit ersichtlich wird bei der Frage nach der Teilbarkeit einer Leistung zwischen objektiven und subjektiven Kriterien differenziert. In objektiver Hinsicht 151 Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 10 Rn. 32; Soergel-Gsell, § 326 Rn. 21; Staudinger-Otto, § 326 Rn. B 39 ff.
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wird gefordert, die Leistung müsse im technischen und rechtlichen Sinn teilbar sein. In subjektiver Hinsicht wird auf die Teilbarkeit von Leistungen nach dem Parteiwillen abgestellt.152 a) Technische Teilbarkeit Eine technisch teilbare Leistung153 liegt immer dann vor, wenn die vertraglich geschuldete Gesamtleistung in Bestandteile zerlegt werden kann.154 Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich der geschuldete Leistungsgegenstand nach Maß, Zahl oder Gewicht bemessen oder in zeitliche Abschnitte aufgliedern lasse.155 Zum Teil wird vorausgesetzt, dass ein Ausschnitt aus dem Leistungsgegenstand seinem Wesen und Wert nach verhältnismäßig oder anteilig der Gesamtleistung entspricht und sich daher nur der Größe nicht aber der Beschaffenheit nach von ihr unterscheidet.156 Aus technischen Gründen unteilbar sei demgegenüber eine Leistung, die unvollständig erbracht und ohne die fehlenden Teile ihrer Funktion beraubt sei.157 Die Funktion des Leistungsgegenstands ist dabei nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Auf subjektive Umstände, wie den vom Gläubiger mit der Leistung verfolgten Verwendungszweck, kommt es erst im Rahmen der Berücksichtigung der Teilbarkeit nach dem Parteiwillen an. Zwischen den objektiven und subjektiven Kriterien für die Teilbarkeit von Leistungen wird streng differenziert.158
152 MüKo-Ernst, § 323 Rn. 201; Bamberger/Roth-Grothe, § 323 Rn. 43, § 326 Rn. 30; Soergel-Gsell, § 326 Rn. 22; Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 414 ff.; Staudinger-Otto, § 326 Rn. B 40. In welchem Umfang die drei Kriterien zu berücksichtigen sind, wird nicht einheitlich beantwortet. So will beispielsweise Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band Allgemeiner Teil, S. 311, allein zwischen physischer und rechtlicher Teilbarkeit im Sinne einer Teilbarkeit nach dem Parteiwillen differenzieren. 153 Siehe hierzu Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 75; MüKo-Ernst, § 323 Rn. 201; Soergel-Gsell, § 323 Rn. 173; Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 414 f. auch Teilbarkeit im Tatsächlichen: Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, 383, 385; Lorenz, NJW 2003, 3097, 3098 oder natürlichen Sinn: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, § 2 Rn. 93; Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 414, spricht sowohl von natürlicher Teilbarkeit als auch von technischer Teilbarkeit, wobei er lediglich für die letztere Voraussetzungen nennt. Huber versteht dabei unter der natürlichen Teilbarkeit soweit ersichtlich, allein die irgendwie geartete Möglichkeit, den Leistungsgegenstand in Leistungsfragmente zu zerlegen, während die technische Teilbarkeit voraussetze, dass der Leistungsgegenstand aus einzelnen Komponenten besteht, die für sich auch ohne die fehlenden Teile noch brauchbar sind. Dies entspricht im Ergebnis auch dem hier vertretenen Verständnis von technischer Teilbarkeit. 154 Soergel-Gsell, § 323 Rn. 173; Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, 383, 385; StaudingerOtto, § 326 Rn. B 46. 155 Soergel-Gsell, § 323 Rn. 173; Huber, Leistungsstörungen Band II, S. 415. 156 Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 66 Rn. 27. 157 Soergel-Gsell, § 323 Rn. 173; Huber, Leistungsstörungen Band II, S. 415. 158 Siehe BGH vom 7.3.1990 – VIII ZR 56/89, NJW 1990, 3011, 3012; anders Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 244 ff.
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b) Rechtliche Teilbarkeit An der rechtlichen Teilbarkeit159 einer Leistung soll es insbesondere dann fehlen, wenn der Schuldner in Bezug auf einen einheitlichen Leistungsgegenstand mehrere (Haupt-)Leistungen schulde.160 In Abgrenzung zur Teilbarkeit nach dem Parteiwillen hängt die rechtliche Teilbarkeit von objektiven rechtlichen Umständen ab.161 Huber162 nennt als Beispiel für objektiv rechtlich nicht teilbare Leistungen, die Pflicht des Verkäufers zur Übergabe und Übereignung. Diese beiden Hauptleistungspflichten bildeten eine untrennbare Einheit. Schon aus Rechtsgründen sei es daher unmöglich, den Kaufvertrag in zwei Teilverträge aufzuspalten: je einen Teilvertrag über die entgeltliche Übergabe und die entgeltliche Übereignung. Der Käufer verspreche vielmehr ein einheitliches Entgelt für die Verschaffung von Eigentum und Besitz an dem Kaufgegenstand durch den Verkäufer.163 c) Teilbarkeit nach dem Parteiwillen Für die Frage, ob die verschiedenen „Teile“ einer vertraglich geschuldeten Leistung nach dem Willen der Parteien eine juristische Einheit bilden, werden dieselben Kriterien herangezogen wie für die Frage, ob mehrere Verträge gemäß § 139 BGB eine Einheit bilden.164 Die Teilbarkeit der Gesamtleistung scheidet hiernach aus, wenn ein innerer Zusammenhang der Teile das Geschäft als einen Gesamtvorgang erscheinen lässt.165 Es ist daher zu ermitteln, ob bei Vertragsschluss eine der Parteien die Einheitlichkeit des Geschäfts gewollt hat und ob dies für die andere Partei hinreichend klar zum Ausdruck gekommen ist.166
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Siehe hierzu Soergel-Gsell, § 323 Rn. 173. Soergel-Gsell, § 323 Rn. 173; Huber, Leistungsstörungen Band II, S. 415; ähnlich RGRK-Ballhaus, § 326 Rn. 22. 161 Huber, Leistungsstörungen Band II, S. 414 (Fn. 16). 162 Huber, Leistungsstörungen Band II, S. 415 f. 163 Ebenso BGH vom 30.10.1998 – V ZR 367–97, NJW-RR 1999, 346, 347; zur Unteilbarkeit von Eigentumsübertragung und Bewirkung der Lastenfreiheit BGH vom 21.1.2000 – V ZR 387/98, NJW 2000, 1256, 1257. 164 BGH vom 7.3.1990 – VIII ZR 56/89, NJW 1990, 3011, 3012; MüKo-Ernst, § 323 Rn. 201; Bamberger/Roth-Grothe, § 323 Rn. 43; Soergel-Gsell, § 323 Rn. 174. 165 RG vom 3.7.1918 – V 111/18, SeuffA 74 (1920) Nr. 26; Soergel-Gsell, § 323 Rn. 174. 166 RG vom 1.5.1912 – I-571/10, RGZ 79, 310, 311 f.; BGH vom 20.5.1966 – V ZR 214/64, MDR 1966, 749; vom 23.2.1968 – V ZR 188/64, BGHZ 50, 8, 13; vom 19.3.1971 – V ZR 143/69, MDR 1971, 468; vom 30.4.1976 – V ZR 143/7, NJW 1976, 1931, 1932 vom 6.12.1979 – VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43, 48 f.; vom 6.11.1980 – VII ZR 12/80, BGHZ 78, 346, 349; vom 23.1.1996 – X ZR 105/93, NJW 1996, 1745, 1747. 160
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d) Ausschließliche Maßgeblichkeit objektiver Kriterien? Nach dem Dafürhalten Hubers167 ist der (hypothetische) Parteiwille bei der Frage nach der Teilbarkeit von Leistungen grundsätzlich unbeachtlich. Vielmehr seien ausschließlich objektive Kriterien zu berücksichtigen. Auf das Teilleistungsinteresse komme es erst im Rahmen der in § 325 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. (heute § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB) vorgeschriebenen Interessenabwägung an. Die Prüfung der Frage, ob der Gläubiger den Vertrag notfalls auch ohne den fehlenden Teil abgeschlossen hätte, dürfe nicht vorweggenommen werden. Werde bei der Entscheidung über die Teilbarkeit einer Leistung auf den Parteiwillen abgestellt, sei aber eben eine solche Vorwegnahme gegeben, denn der Parteiwille lasse sich nur unter Berücksichtigung der Interessen der Vertragspartner bestimmen.168 Im Übrigen berge die Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens bei Vertragsschluss die Gefahr von Fehlbewertungen. § 325 Abs. 1 Satz 3 BGB a. F.169 (heute § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB) knüpfe an die Gläubigerinteressen im Zeitpunkt des Ablaufs der Nachfrist an und eben nicht an den hypothetischen Parteiwillen bei Vertragsschluss.170 aa) Systematische Bedenken Der von Huber aus dem Bedeutungszusammenhang der einschlägigen Vorschriften gezogene Umkehrschluss ist jedoch nicht zwingend. Auch wenn im Rahmen des § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB auf das Teilungsinteresse des Gläubigers abgestellt wird, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Gläubigerinteresse in einem vorgeschalteten Tatbestandsmerkmal nicht berücksichtigt werden darf. Zwar geht Huber zu Recht davon aus, dass der Bedeutungszusammenhang der auszulegenden Vorschriften insoweit zu beachten ist, als unter mehreren dem Wortsinn entsprechenden Auslegungsmöglichkeiten diejenige zu wählen ist, welche die sachliche Übereinstimmung der in einem Bedeutungszusammenhang stehenden Normen gewährleistet.171 Es ist aber zum einen zu bedenken, dass § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB an das Gläubigerinteresse im Zeitpunkt des Ablaufs der Nachfrist anknüpft, während es für die vorgeschaltete Frage der Teilbarkeit der Leistung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt. Die beiden Fragestellungen sind deshalb in systematischer Hinsicht nur mittelbar miteinander verknüpft. Bei der Abgrenzung zwischen der teilweisen Nichterfüllung und der Schlechterfüllung ist eben nicht allein auf die erbrachte Leistung, sondern auch
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Huber, Leistungsstörungen Band II, S. 417 ff. Huber, Leistungsstörungen Band II, S. 417. 169 Huber, Leistungsstörungen Band II, S. 417, verweist auf § 326 BGB. Hierbei handelt es sich aber offensichtlich um eine Verwechslung. 170 Huber, Leistungsstörungen Band II, S. 417 f. 171 Larenz, Methodenlehre, S. 325. 168
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auf die geschuldete Leistung abzustellen.172 Zum anderen steht dem von Huber angeführten systematischen Argument entgegen, dass der Frage der Teilleistung nicht allein beim Rücktritt gemäß § 323 BGB Bedeutung zukommt. Nicht nur bei Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis stellt sich die Frage des Eingreifens des zweiten Halbsatzes von § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB. Für die hier relevanten Fälle der teilweisen Unmöglichkeit sieht die Vorschrift eine Abwicklungsmöglichkeit vor, die § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB gar nicht tangiert. Die Teilbarkeit der Leistung ist jedoch auch hier Tatbestandsvoraussetzung. Der von Huber angeführte Bedeutungszusammenhang ist hier nicht gegeben. Der Teilleistungsbegriff in § 326 Abs. 1 und § 323 Abs. 5 BGB ist aber derselbe.173 bb) Berücksichtigung schutzwürdiger Schuldnerinteressen nach dem Grundsatz der Privatautonomie Das entscheidende Argument dafür, dass der Parteiwille bereits bei der Frage nach der Teilbarkeit der Leistung zu berücksichtigen ist, ist schließlich, dass die gesetzliche Regelung in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB die Interessen des Schuldners unbeachtet lässt. Es kann aber auch und gerade für den Schuldner – und insbesondere für den Arbeitnehmer – von großer Bedeutung sein, sich gerade zu einer einheitlichen und eben nicht zu einer teilbaren Leistung zu verpflichten. Zunächst kann es auch abseits des Arbeitsvertrags dem Schuldner darauf ankommen, dass der Vertrag einheitlich abgewickelt wird. Der Schuldner muss dann die Möglichkeit haben, die Teilung des Vertrags trotz objektiver Teilbarkeit der Leistung zu verhindern.174 Dass dem Schuldner eine solche Möglichkeit zur Verfügung stehen muss, gebietet schon der Grundsatz der Privatautonomie. Bereits im Rahmen der abstrakten Betrachtung des Synallagmagedankens175 ist deutlich geworden, dass die Parteien – und zwar beide Parteien –, die ein Rechtsverhältnis rechtsgeschäftlich begründen, das Gleichgewicht ihrer Interessen selbst determinieren.176 Bei den Regeln des Leistungsstörungsrechts handelt es sich um dispositives Recht. Es wird beiden Parteien zugestanden, die leistungsstörungsrechtlichen Regelungen zu modifizieren. Die Relevanz der Teilbarkeit von Leistungen für die leistungsstörungsrechtlichen Rechtsfolgen ist bereits von Tillmanns aufgezeigt worden.177 Es besteht kein Grund den Parteien im Hinblick auf die Frage der Teilbarkeit bzw. Einheitlichkeit der Leistung ein Mittel aus der
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Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, 383, 385. Soergel-Gsell, § 326 Rn. 22. 174 Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, 383, 386; ebenso Soergel-Gsell, § 323 Rn. 176; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 66. 175 Oben § 4 A. 176 Siehe auch MüKo-Roth, § 242 Rn. 462. 177 Oben § 5 B. V 173
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Hand zu nehmen, dass es ihnen ermöglicht die leistungsstörungsrechtlichen Regeln ihren spezifischen Bedürfnissen anzupassen. Will man, wie es der Grundsatz der Privatautonomie gebietet, die Interessen des Schuldners hinreichend berücksichtigen, muss bei der Frage nach der Teilbarkeit der Leistung, welche eben auch für die Abgrenzung von teilweiser Nichtleistung und Schlechtleistung von maßgeblicher Bedeutung ist, der Parteiwille berücksichtigt werden. Die Teilbarkeit der Leistung, wie von Huber vorgeschlagen, allein nach objektiven Kriterien zu bestimmen, wird dem Grundsatz der Privatautonomie nicht gerecht. e) Ausschließliche Maßgeblichkeit des Parteiwillens Eine Gegenposition zu der von Huber vertretenen ausschließlichen Maßgeblichkeit objektiver Kriterien nimmt Tillmanns178 ein. Tillmanns ist der Ansicht, die Teilbarkeit der Leistung hänge allein von normativen Kriterien, insbesondere vom Willen der Parteien ab, wobei es ihr allerdings im Grunde allein um das Teilungsinteresse des Gläubigers geht. Tillmanns179 bemängelt dabei zunächst, es werde von der herrschenden Meinung kein Grund für das Kriterium der technischen Teilbarkeit genannt. Ferner beruft sich Tillmanns auf den Mommsen zugeschriebenen Begriff des „Teils“. Nach Mommsen sei unter Teil jedes gegenständliche, räumliche und zeitliche Element der Leistung zu verstehen.180 Der gegenständliche Bereich betreffe dabei nicht allein die Quantität, sondern auch die Qualität der Leistung. Überdies sei das Kriterium der Teilbarkeit im technischen Sinn – so Tillmanns181 – ohnehin sinnlos, da der Schuldner, der eine defizitäre Leistung erbringe, sei diese nun in quantitativer oder qualitativer Hinsicht unvollständig, mit seiner defizitären Leistung selbst schon den Beweis erbracht habe, dass die Leistung teilbar sei. Es sei daher davon auszugehen, dass eine nicht ordnungsgemäße Leistung stets eine quantitative oder qualitative Teilleistung sei. Die Frage, ob eine solche defizitäre Leistung als Teilleistung zu behandeln sei, dürfe daher nicht von der faktischen Teilbarkeit der Leistung abhängig gemacht werden. Bei der Teilbarkeitsfrage sei vielmehr an normative Kriterien anzuknüpfen. Dafür dass als maßgebliches Kriterium allein der Parteiwillen und genauer das Gläubigerinteresse in Frage kommen, führt Tillmanns schließlich die Systematik und den Normzweck der §§ 281 Abs. 1 Satz 2, 323 Abs. 5 BGB an.182 Die Aus178
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 243 ff. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 245. 180 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 245 unter Verweis auf Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Erste Abteilung, Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, S. 9 und S. 153 ff. 181 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 245. 182 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 246 ff. 179
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übung der Totalrechte werde dem Gläubiger, der eine Teilleistung erhält, gegenüber dem Gläubiger einer Schlechtleistung erschwert. Diese Benachteiligung lasse sich nur rechtfertigen, wenn der ordnungsgemäß erbrachte Leistungsteil dem Gläubiger einen hinreichenden Vorteil verschaffe. Ob dies der Fall sei, könne allein anhand des Vertragszwecks bemessen werden, welcher sich aus dem im Rahmen der Auslegung der Parteivereinbarung zu berücksichtigenden Gläubigerinteresse ergebe.183 Für den Arbeitsvertrag komme es auf die vom Arbeitgeber der geschuldeten Tätigkeit arbeitsvertraglich oder qua Weisung beigelegte Funktion an.184 Die Teilbarkeit der Leistung hängt nach der Auffassung Tillmanns’ daher nicht von der Abtrennbarkeit einzelner Leistungsteile im technischen Sinn, sondern allein davon ab, ob sich normativ aus der Parteivereinbarung ergibt, dass die Gesamtleistung in Teilleistungen unterteilt werden kann, mit denen der Gläubiger jeweils einen eigenständigen vertraglichen Zweck verfolgt.185 f) Die Teilbarkeit von Leistungen vor dem Hintergrund der parteiautonom konstituierten Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags und der grundsätzlichen Dispositivität des Schuldrechts aa) Besondere Bedeutung des privatautonom gebildeten Parteiwillens bei der Anwendung der Normen des konditionellen Synallagmas §§ 323, 326 BGB sind Normen des konditionellen Synallagmas, denn sie betreffen die Frage der Auswirkung von Leistungsstörungen auf den Bestand des Anspruchs auf die Gegenleistung. Vor dem Hintergrund der hier im Anschluss an van den Daele zu Grunde gelegten rechtstheoretischen Konstruktion der synallagmatischen Leistungsverknüpfung186 muss bei der Anwendung der Vorschrift über gegenseitige Verträge die Zweckstruktur der synallagmatischen Leistungsverknüpfung im gegenseitigen Vertrag zum Ausdruck kommen. Dem Erklärungsmodell vom Synallagma als privatautonom konstituierte vertragsimmanente Zweckstruktur der Abhängigkeit wechselseitig versprochener Leistungen, die vom Gesetz normativ geformt wird, wird dabei nur gerecht, wer bei der Anwendung der Normen des Synallagmas den privatautonom gebildeten Parteiwillen hinreichend berücksichtigt. Bei der Anwendung der dem Bereich des konditionellen Synallagmas zuzurechnenden Vorschriften ist stets die von den Parteien dem Vertrag zugrunde gelegte Zweckbindung der Leistungspflichten durchzusetzen, denn diese beinhaltet stets die vertragsgerechte und damit auch systemgerechte Lösung.187 183 184 185 186 187
Oben § 5 B. V. Oben § 5 B. VII. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 248. Oben § 4 A. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 54.
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Diesem Ansatz entsprechend geht van den Daele188 ebenso wie Tillmanns189 von der Prämisse aus, dass, sofern man den Begriff der Teilbarkeit unter Berücksichtigung des Normzwecks der einschlägigen leistungsstörungsrechtlichen Vorschriften bestimme, es allein darauf ankommen könne, ob das Schuldverhältnis seinem Zweck nach eine Teilverwirklichung zulasse oder nicht. Dabei stellen van den Daele190 und Tillmanns191 einseitig auf das vertragliche Interesse des Gläubigers ab. Eine Leistung sei als unteilbar zu bewerten, „wenn ihre Teile das vertragliche Interesse des Gläubigers nicht einmal teilweise zu befriedigen vermögen.“ Eine Leistung erweise sich dadurch als teilbar, dass auch bloße Teile von ihr den Vertragszweck teilweise erfüllen können. Van den Daele192 spricht in diesem Zusammenhang von einer „Teilleistung mit Erfüllungsfunktion“. bb) Grundsätzliche Dispositivität des Schuldrechts Für die Anknüpfung an den Parteiwillen spricht neben dem rechtstheoretischen Hintergrund der unter anderem in § 326 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden synallagmatischen Verknüpfung der Leistungspflichten auch der Grundsatz der Privatautonomie. Aus diesem eine freiheitliche Rechts- und Wirtschaftsverfassung gewährleistenden193 Prinzip wird für das Recht der Schuldverhältnisse geschlossen, dass aufgrund freier Willensübereinkunft geschlossene rechtsgeschäftliche Bindungen grundsätzlich zu respektieren sind. Das Gesetz geht dementsprechend in §§ 241, 311 BGB davon aus, dass die Parteien ihre Austauschbeziehungen frei regeln können.194 Soweit die Parteien durch die vertraglichen Rechtsfolgen allein in ihren eigenen Rechten und Interessen betroffen sind, muss ihnen die inhaltliche Gestaltungsfreiheit in sehr weitem Umfang zugestanden werden, da die Parteien ihre Rechte und Interessen grundsätzlich eigenverantwortlich regeln können. Dies gilt in besonderem Maße für das Schuldrecht, das durch die relativen Rechte zwischen Gläubiger und Schuldner geprägt ist und Verträge zu Lasten Dritter grundsätzlich ausschließt.195 Das Schuldrecht steht daher grundsätzlich zur Disposition der Parteien. Begrenzt wird es lediglich 188
Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 57. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 247 f. 190 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 57. 191 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 247 f. 192 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 58. 193 Zu der verfassungsrechtlichen Verankerung der Privatautonomie in Art. 2 Abs. 1, 12 und 14 GG siehe BverfG vom 12.11.1958 – 2 BvL 4/56 u. a., BVerfGE 8, 274, 328; vom 16.5.1961 – 2 BvF 1/60, BVerfGE 12, 341, 347; vom 19.10.1983 – 2 BvR 298/81, 65, 196, 210. 194 Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Rn. 99, Staudinger-Feldmann/Löwisch, § 311 Rn. 1 ff.; Erman-Westermann, Einl § 241 Rn. 10; Huber, Leistungsstörungen Band I, S. 25. 195 Larenz/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 10 Rn. 38. 189
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durch das aus besonderen Gründen zwingend ausgestaltete Gesetzesrecht.196 Zwingende, eine objektive Beurteilung der Teilbarkeitsfrage gebietende Vorschriften sind jedoch nicht ersichtlich. cc) Zwischenergebnis Sowohl der rechtstheoretische Hintergrund des Synallagmas und der Vorschriften, welche die Rechtsfolgen des konditionellen Synallagmas anordnen als auch die grundsätzliche Dispositivität des Schuldrechts sprechen dafür, die Teilbarkeit einer Leistung grundsätzlich nach dem Parteiwillen zu bestimmen. g) Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung Probleme ergeben sich bei der Bestimmung der Teilbarkeit einer Leistung nach dem Parteiwillen daraus, dass die Frage der Teilbarkeit der Leistung in den seltensten Fällen ausdrücklich zum Gegenstand des Vertrags gemacht wird. Der die Teilbarkeit der geschuldeten Leistung betreffende Parteiwille ist mithin durch Auslegung zu ermitteln. Neben dem Wortlaut und dem Bedeutungszusammenhang der einzelnen Vertragsnormen sowie den äußeren, für die Parteien erkennbaren Begleitumständen kommt es bei der Auslegung der den Vertrag konstituierenden Willenserklärungen in besonderem Maße auf die für die Parteien spezifische Interessenlage und den Zweck der in Frage stehenden Regelung an.197 Bei der Bestimmung des Parteiwillens ist daher stets der Auslegungsvariante der Vorzug zu geben, die den Parteiinteressen entspricht und zum erstrebten Erfolg führt.198 Die einseitige Berücksichtigung der Interessen nur einer Partei ist dabei unzulässig. Der Rechtsanwender muss sich stets um eine nach allen Seiten hin interessengerechte Beurteilung bemühen. Wesentliche Interessen, jeder der beiden Vertragsparteien, dürfen nicht unberücksichtigt gelassen werden.199 Das Postulat der beiderseitig interessengerechten Auslegung drückt dabei im Grunde Selbstverständliches aus. Bei der Auslegung von vertraglichen Bestimmungen ist stets davon auszugehen, dass sie einen rechtserheblichen Inhalt haben sollen. Es ist ferner stets derjenigen Auslegung der Vorrang einzuräumen, bei der sich statt 196
Staudinger-Feldmann/Löwisch, § 311 Rn. 23. Erman-Armbrüster, § 157 Rn. 6; Staudinger-Singer, § 133 Rn. 52 m.w. N. 198 RG vom 19.2.1931 – VI 389/30, RGZ 131, 343, 350; BGH vom 25.2.1956 – II ZR 207/54, BGHZ 20, 109, 110. 199 BGH vom 31.10.1995 – XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136, 138; vom 28.10.1997 – XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69, 72; vom 29.3.2000 – VIII ZR 297/98, NJW 2000, 2508, 2509 ff.; vom 3.4.2000 – II ZR 194/98, NJW 2000, 2009; vom 9.7.2001 – II ZR 228/9, NJW 2002, 747, 748; vom 15.11.2001 – I ZR 158/99, BGHZ 149, 337, 353, vom 7.2.2002 – I ZR 304/99, 150, 32, 39; vom 26.9.2002 – I ZR 44/00, BGHZ 152, 153, 156; BGH vom 13.10.2004 – I ZR 249/01, NJW-RR 2005, 34, 35 f. 197
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einer rechtlich sinnlosen eine rechtlich sinnvolle Regelung ergibt. Schließlich kann bei der Auslegung von Verträgen zumindest im Regelfall davon ausgegangen werden, dass die Parteien den gemeinsam vereinbarten Vertragszweck auch mit den übrigen vertraglichen Regelungen wirksam durchsetzen wollen.200 Schwierigkeiten ergeben sich aber dort, wo die Interessen der Vertragsparteien hinsichtlich der Teilbarkeitsfrage gegenläufig sind. Bei der Auslegung geht es um das Verstehen des Sinns der Erklärung. Der Sinn eines Geschäfts und damit der es konstituierenden Erklärungen ist es, den mit dem Geschäft verfolgten Zweck, der sich aus den Interessen beider vertragsschließenden Parteien ableiten lässt, zur Durchsetzung zu verhelfen. Die Interessen der Parteien werden jedoch selten in den Vertrag aufgenommen. Ferner sind die Interessen der vertragschließenden Parteien in der Regel zumindest zum Teil gegenläufig. Es kommt bei der Auslegung eines Geschäfts daher in gewissem Maße auch auf das Geschäft selbst an, so wie es getätigt worden ist. Die interessengerechte Auslegung darf nicht so weit führen, dass dem Geschäft ein Inhalt oktroyiert wird, den es selbst nicht hat.201 3. Zusammenfassung Die Teilbarkeit vertraglich geschuldeter Leistungen ist nach dem Parteiwillen zu ermitteln. Dabei sind die Interessen beider Vertragsparteien zu berücksichtigen. Sind die Interessen der vertragschließenden Parteien gegenläufig, ist es unzulässig, die Teilbarkeitsfrage entsprechend einem dem Geschäft oktroyierten Sinn aufzulösen.
IV. Teilbarkeit der Arbeitsleistung Damit ist zumindest ein Rahmen für die Bestimmung der Teilbarkeit einer Arbeitsleistung abgesteckt. Vertraglich geschuldete Leistungen sind insoweit teilbar, als ihre Teilbarkeit sich aus einer nach allen Seiten hin interessengerechten Auslegung des der Leistung zu Grunde liegenden Vertrags ergibt. Bei der Frage der Teilbarkeit der Arbeitsleistung ergeben sich dabei insofern Besonderheiten, als in dem einem Arbeitsverhältnis in aller Regel zu Grunde liegenden Formulararbeitsvertrag die Pflichten des Arbeitnehmers zumeist nur rahmenmäßig umschrieben werden.202 Der wesentliche Maßstab der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit ist dabei nicht der Erfolg, sondern die Zeit der Arbeitsleistung.203
200 BGH vom 08.06.1994 – VIII ZR 103/93, NJW 1994, 2228, 2229; vom 13.03. 2003 – IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235, 2237; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts (9. Auflage 2004), § 28 Rn. 43. 201 Flume, Rechtsgeschäft, S. 317. 202 ErfKommArbR-Preis, § 106 GewO Rn. 2. 203 ErfKommArbR-Preis, § 611 BGB Rn. 641.
C. Die Arbeitsleistung als lediglich zeitlich teilbare Leistung
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Ein Arbeitsvertrag wird nur in den aller seltensten Fällen konkrete Angaben zu einzelnen Tätigkeitsbereichen enthalten. Dies ist angesichts des Weisungsrechts des Arbeitgebers auch nicht notwendig. In der praxisorientierten Kommentarliteratur heißt es gar, es sei „zweckmäßig, die Tätigkeitsbeschreibung nicht zu eng zu fassen.“ 204 Die Arbeitszeit hingegen, zumindest die Zahl der pro Woche zu erbringenden Arbeitsstunden, wird vorbehaltlich gesetzlicher-, tariflicher oder betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen, arbeitsvertraglich bestimmt. Die vereinbarte Arbeitszeit muss, sofern sie nicht tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung geregelt ist, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG in die Niederschrift des Arbeitsvertrags aufgenommen werden. Selbst wenn Arbeit auf Abruf geschuldet sein soll, muss gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festgelegt werden. Die Arbeitsvertragsparteien sind mithin gezwungen, zumindest eine Mindestdauer der wöchentlichen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag zu bestimmen.205 Der zeitliche Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung, kann ebenso wie das Arbeitsentgelt auf einen Tages-, Wochen-, Monats- oder Jahreszeitraum bezogen sein. Nach der Auffassung Reicholds206 schuldet der Arbeitgeber eben für den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung das Arbeitsentgelt.207 Mithin ist es der Begriff der Arbeitszeit, der das Maß der vom Arbeitnehmer geschuldeten Leistung bildet und damit das arbeitsvertragliche Synallagma entscheidend prägt. Aus dieser vertraglichen Ausgangssituation, der Bestimmtheit der geschuldeten Arbeitsleistung im Hinblick auf die Zeit, schließt die ganz herrschende Meinung zu Recht, dass sich die Arbeitsleistung in der Zeit teilen lässt, und eine verminderte Arbeitsdauer mithin als teilweise Nichtleistung zur Anwendung des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“ (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB) führt.208 Ob die Arbeitsleistung darüber hinaus auch in nicht zeitlicher Hinsicht teilbar ist, muss bezweifelt werden. Der ausdrückliche Inhalt gewöhnlicher Arbeitsverträge
204
ErfKommArbR-Preis, § 611 BGB Rn. 649. BAG vom 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP Nr. 4 zu § 12 TzBfG (B III 3 c aa). 206 MüHdBArbR-Reichold, § 59 Rn. 59; im Anschluss an die Vorauflage: MüHdBArbR (2. Auflage, 2000)-Blomeyer, § 48 Rn. 101, 114. 207 Ebenso Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 535. 208 BAG 8.10.1959, AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG; LAG Mannheim vom 22.7.1953, DB 1953, 803; S. 1037 f.; S. 1042; Beuthien, ZfA 1972, 73, 79 f.; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 32 f.; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 126, 192; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 226; Kraft, NZA 1989, 777; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 302; Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 128 f.; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 86; Preis/Hamacher, Jura 1998, 11, 14 f., 18 f., dies., Jura 1998, 116, 117; MüHdBArbR-Reichold § 39 Rn. 21; Schoetzau, Die Anwendbarkeit der §§ 320–327 BGB im Arbeitsvertragsrecht, S. 43 ff.; Söllner, AcP 167 (1967), 132, 144; Tröbst, Arbeitsleistungspflicht, S. 44 f.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 215. 205
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
spricht nicht für eine Teilbarkeit der Arbeitsleistung hinsichtlich anderer Maßstäbe als der Arbeitszeit. 1. Arbeitsvertragliche Interessenlage a) Interessen des Arbeitnehmers hinsichtlich der Teilbarkeitsfrage Auch im Hinblick auf die Interessen der Arbeitsvertragsparteien ergibt sich kein anderes Ergebnis. Wie soeben dargelegt,209 wird ein einseitiges Abstellen auf die Interessen des Arbeitgebers als Gläubiger des Arbeitsvertrags dem Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung nicht gerecht. Der Arbeitnehmer hat als Schuldner des Arbeitsverhältnisses vor dem Hintergrund des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB ein großes Interesse daran, dass seine Leistung soweit wie möglich einheitlich beurteilt wird. Dieses besondere Interesse des Arbeitnehmers an einer einheitlichen Beurteilung seiner Arbeitsleistung ist auf dem Umstand begründet, dass eine rückwirkende Abwicklung des Arbeitsverhältnisses – wenn auch nur teilweise – im Wege des Rücktritts ausscheidet.210 An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt im Arbeitsverhältnis das Recht zur Kündigung, das zum einen nur für die Zukunft wirkt und zum anderen an erheblich strengere Voraussetzungen geknüpft ist. Zumindest für den Regelfall der fehlenden Nachholbarkeit der Arbeitsleistung211 richten sich die Rechtsfolgen einer Leistungsstörung im Arbeitsverhältnis daher zunächst nach § 326 Abs. 1 BGB und §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB. Kann die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung nun nicht in einen nicht und einen ordnungsgemäß erbrachten Teil geteilt werden, ist die erbrachte Tätigkeit vielmehr einheitlich zu bewerten, wird regelmäßig eine Schlechtleistung vorliegen. aa) Die für den Arbeitnehmer vergleichsweise günstigen Rechtsfolgen der Schlechtleistung Die Schlechtleistung zieht nun für den Arbeitnehmer die mildere Rechtsfolge eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB nach sich: milder, weil ein solcher Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers Vertretenmüssen auf Seiten des Arbeitnehmers voraussetzt, das zudem der Arbeitgeber in Abweichung von der in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelten Beweislastverteilung gemäß § 619a BGB dem Arbeitnehmer nachzuweisen hat. Zwar sind die Rechtsfolgen des im Fall der teilweisen Nichtleistung einschlägigen § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB weniger einschneidend als es auf den ersten Blick den Anschein hat, denn der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ 209 210 211
Oben § 5 C. III. 2. g). Siehe allein Preis, Individualarbeitsrecht, S. 588. Oben § 3 C. I. 1.
C. Die Arbeitsleistung als lediglich zeitlich teilbare Leistung
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wird insbesondere in den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre durchbrochen.212 Die Voraussetzung dafür, dass ein Fall des vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisikos vorliegt, hat aber nach den allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer, dem eine teilweise Nichtleistung vorgeworfen wird, dürfte, gerade wenn das Leistungsdefizit inhaltlicher Natur ist, große Schwierigkeiten haben, nachzuweisen, dass das inhaltliche Leistungsdefizit auf Umstände zurückzuführen ist, die im betrieblichen Bereich wurzeln und daher dem Arbeitgeber zuzurechnen sind. bb) Fehlende Anwendbarkeit von § 619a BGB bei der Aufrechterhaltung des Lohnanspruchs nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre Auch Tillmanns213 erkennt dieses Problem und schlägt zu seiner Behebung eine analoge Anwendung des § 619a BGB vor. Eine ausführliche Begründung des Analogieschlusses bleibt sie jedoch schuldig. Zuzugeben ist der Auffassung, § 619a BGB könne auf § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB und die Grundsätze der Betriebsrisikolehre analog angewandt werden, dass in § 615 Satz 3 BGB, einer Vorschrift, welche die Betriebsrisikolehre nunmehr ausdrücklich erwähnt wird, die Voraussetzungen der Betriebsrisikolehre nicht genannt werden, so dass sie weiterhin der Konkretisierung durch Rechtsprechung und Lehre anheimgestellt sind. Es liegt daher zumindest nicht vollkommen fern, dass auch hinsichtlich der Beweislastfrage, insbesondere für den Fall einer teilweisen Nichtleistung in qualitativer oder inhaltlicher Hinsicht, von einer eine Analogie rechtfertigenden planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden darf. Zweifelhaft ist aber das Vorliegen der zweiten Voraussetzung der analogen Anwendung gesetzlicher Vorschriften auf nicht gesetzlich kodifizierte Fallkonstellationen, nämlich die Vergleichbarkeit der Interessenlage. Bei § 619a BGB handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift. Dass die Norm eine Gegenausnahme zu § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB darstellt und im Prinzip die grundsätzlich gültige Beweislastregel, dass jeder die ihm rechtlich zu Gute kommenden Umstände zu beweisen hat, wiederherstellt, steht dem nicht entgegen, denn die in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehene Belastung des Schuldners für das Nichtvertretenmüssen von Vertragspflichtverletzungen ist von so grundlegender Natur, dass davon auszugehen ist, dass § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB eine negative Anspruchsvoraussetzung normiert, der grundsätzliche Geltung zukommt und die den Tatbestand des § 280 Abs. 1 BGB erst komplettiert.214 Hiervon normiert § 619a BGB für Ar212 Sowohl Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 198 ff.; als auch Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 456 f. integrieren die Grundsätze der Betriebsrisikolehre in ihre auf der teilweisen Nichtleistung von Arbeit in qualitativer Hinsicht basierenden Leistungsstörungskonzepte. 213 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 457. 214 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 355.
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
beitsverhältnisse215 eine Ausnahme. Zwar gebietet allein der Ausnahmecharakter der Vorschrift noch nicht zwingend eine enge Auslegung216 und verbietet ebenso wenig, die Norm analog anzuwenden.217 Allerdings spricht der Ausnahmecharakter einer Vorschrift zumindest im Regelfall gegen die Vergleichbarkeit der von der Vorschrift erfassten Lebenssachverhalte mit anderen ungeregelten Lebenssachverhalten.218 Endgültig Aufschluss über die Vergleichbarkeit der Interessenlage der beiden Fallkonstellationen gibt ein Blick auf den Normzweck von § 619a BGB. Die Vorschrift soll dazu dienen, ein Durchgreifen der aus der Gesetzessystematik des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB folgenden Beweislastumkehr auf den Bereich der Arbeitnehmerhaftung zu vermeiden.219 Der Rechtsausschuss, auf dessen Initiative hin § 619a BGB in das Gesetz aufgenommen worden ist, war dabei der Auffassung, dass es geboten sei, die Rechtsprechung des BAG220 zur Abweichung von den allgemeinen Beweislastregeln bei Fällen der Arbeitnehmerhaftung aufrecht zu erhalten.221 Diese Aufassung des Rechtsausschusses erklärt sich vor dem Hintergrund der Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung. Einer der maßgeblichen Gesichtspunkte der Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung wird darin gesehen, dass jegliche betrieblich veranlasste Tätigkeit im Interesse des Arbeitgebers ausgeübt wird, der darüber hinaus auch die Arbeit organisiert und die Arbeitsbedingungen gestaltet.222 Eine Gesamtschau von dem BGB inhärenten Wertungen ergibt, dass das besondere Schadensrisiko solcher Leistungen vom Gläubiger zu tragen ist.223 § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ist jedoch mit dieser Überlegung nicht in Einklang zu bringen. Bei konsequenter Durchsetzung der dort angeordneten Beweislastverteilung würde ein Großteil des Schadensrisiko wieder auf den Arbeitnehmer zurückfallen, denn er hätte grundsätzlich für den durch pflichtwidriges Verhalten angerichteten Schaden zu haften, es sei denn, es gelänge ihm, sich vom Verschuldensvorwurf zu entlasten. Durch die Anwendung der Beweislast-
215 Zur Anwendbarkeit von § 619a BGB auf die Haftung arbeitnehmerähnlicher Personen Dedek, ZGS 2002, 320, 321; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 197; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 619a Rn. 7; Oetker, BB 2002, 43 f. 216 A.A. RG vom 14.11.1936 – I 124/36, RGZ 153, 1, 23; BGH vom 29.5.1951 – I ZR 87/50, BGHZ 2, 237, 244; vom 15.12.1951 – II ZR 108/51, BGHZ 4, 219, 222; vom 6.11.1953 – I ZR 97/52, BGHZ 11, 135, 143; BSG vom 23.10.1958 – 8 RV 619/ 57; NJW 1959, 167, 168. 217 Larenz, Methodenlehre, S. 355; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rn. 489a. 218 Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rn. 489a. 219 ErfKommArbR-Preis, § 619a BGB, Rn. 2. 220 BAG vom 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mankohaftung. 221 BT-Drucks. 14/7052, S. 204. 222 Grundlegend: BAG GS vom 27.9.1994 – GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (unter C II 2). 223 MüHdBArbR-Blomeyer, § 51 Rn. 27; ausführlich zum dogmatischen Hintergrund der Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung: Preis, AuR 1986, 360, 364 f.
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regel in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB würde ein Teil dieses Risikos auf den Arbeitnehmer zurückfallen.224 § 619a BGB dient mithin dazu, die der Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung zugrunde liegende Verteilung des Betriebsrisikos aufrecht zu erhalten. Den Nachweis dafür, dass den Arbeitgeber das Betriebsrisiko trifft, was für die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung bedeutet, dass der Schaden im Zuge einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden ist, hat jedoch seit jeher der Arbeitnehmer zu erbringen.225 Da § 619a BGB dazu dient, den vor der Schuldrechtsreform geltenden status quo zu sichern, hat sich hieran auch nichts geändert. § 619a BGB setzt voraus, dass die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung greifen, was nur der Fall ist, wenn den Arbeitgeber infolge der betrieblichen Veranlassung der Tätigkeit das Betriebsrisiko trifft. Nur, wenn dies der Fall ist, begünstigt § 619a BGB den Arbeitnehmer bei der Beweisführung. Das Vorliegen der vorgeschalteten Voraussetzung, nämlich das Eingreifen der Grundsätze der Betriebsrisikolehre, hat nach wie vor der Arbeitnehmer zu beweisen. Dies gilt für die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung bei Schädigung des Arbeitgebers, wie auch für die (klassischen) Fälle der Tragung des Betriebsrisikos, in den Fällen, in denen aufgrund betrieblicher Umstände nicht gearbeitet werden kann. Schließlich ist festzuhalten, dass bei einer analogen Anwendung des § 619a BGB auf Fälle der teilweisen Nichtleistung in qualitativer oder inhaltlicher Hinsicht der Zweck der Vorschrift überdehnt würde. Nach ganz herrschender Meinung ist § 619a BGB eng auszulegen und nur im Hinblick auf den Normzweck des § 619a BGB, die Aufrechterhaltung der Verteilung des Schadensrisikos bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten, anzuwenden. Nimmt man Tillmanns und Motzer nun beim Wort, indem man anerkennt, dass qualitativ defizitäre Leistungen als teilweise Nichtleistungen zu behandeln sind, verstrickt man sich aber in einen absurd klingenden Widerspruch, wollte man in einem nächsten Schritt behaupten, diese vermeintliche Nichtleistung sei betrieblich veranlasst. Für eine analoge Anwendung des § 619a BGB auf ein vermeintliches Lohnminderungsrecht bei inhaltlich defizitären Leistungen nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB fehlt es mithin an einer mit der schadensersatzrechtlichen Haftung des Arbeitnehmers vergleichbaren Interessenlage. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer, der sich mit einer Lohnminderung nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB konfrontiert sieht, beweisen müsste, dass die Gründe für das qualitative Leistungsdefizit betrieblicher Natur sind, um trotz der vermeintlichen teilweisen Nichtleistung den vollen Lohn zu erhalten. Der Arbeitnehmer müsste damit den Nachweis über Umstände erbringen, die im Ein224
Ebenso Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 154. BAG vom 17.10.1991 – 8 AZR 213/91 n. v.; Baumgärtel, FS für Klemens Pleyer 1986, S. 257, 264; MüHdBArbR-Reichold, § 51 Rn. 59. 225
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fluss und Machtbereich des Arbeitgebers liegen, was ihm regelmäßig unmöglich sein dürfte. cc) Zwischenergebnis Aus dieser für den Arbeitnehmer ungünstigen Beweislage lässt sich ein großes Interesse des Arbeitnehmers an einer einheitlichen Beurteilung seiner Arbeitsleistung ableiten. Wird eine defizitäre Leistung nämlich in ihrer Gesamtheit bewertet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Leistungsstörung als Schlechtleistung zu bewerten ist und die in §§ 281 Abs. 1 Satz 3, 323 Abs. 5 Satz 2, 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Rechtsfolgen greifen. Kann die geschuldete Leistung demgegenüber geteilt werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer gestörten Gesamtleistung hinsichtlich eines Leistungsteils von einer teilweisen Nichtleistung und dem Eingreifen von §§ 281 Abs. 1 Satz 2, 323 Abs. 5 Satz 1, 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB auszugehen ist. Die Schlechtleistung führt im Hinblick auf das Entgelt allein zu einem – auch nur in den Grenzen der Pfändungsschutzvorschriften – aufrechenbaren Schadensersatzanspruch. Ein solcher Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass der Arbeitgeber zunächst die Pflichtverletzung und gemäß § 619a BGB auch das Vertretenmüssen des Arbeitnehmers nachweist. b) Interessen des Arbeitgebers Nach diesen Ausführungen wird ferner deutlich, dass der Arbeitgeber anders als der Arbeitnehmer ein besonderes Interesse an einer möglichst weitgehenden Teilbarkeit der Arbeitsleistung hat. Mit der Möglichkeit, die Identität der Arbeitsleistung anhand eines Leistungsteils und nicht mit Blick auf die Gesamtleistung zu bestimmen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Leistungsstörung als teilweise Nichterfüllung und nicht als Schlechterfüllung zu bewerten ist. Aus diesem Grund profitiert der Arbeitgeber von einer weitgehenden Teilbarkeit der Arbeitsleistung, die mittelbar zu einer entsprechend weitgehenden Lohnminderungsmöglichkeit nach §§ 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, 441 Abs. 3 BGB führt. Es kann im Rahmen der interessengerechten Auslegung mithin ein Interesse des Arbeitgebers an einer Teilbarkeit der Arbeitsleistung nach inhaltlichen und nicht bloß zeitlichen Maßstäben unterstellt werden. c) Zwischenergebnis Aufgrund der insofern gegenläufigen Interessenlage zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber muss auch die beiderseits interessengerechte Auslegung scheitern. Eine von einem realen Willen getragene Regelung in Richtung einer Teilbarkeit der geschuldeten Tätigkeit hinsichtlich ihres Inhalts oder ihrer Qualität wird man einem gewöhnlichen Arbeitsvertrag nicht entnehmen können. Jede Deutung des Arbeitsvertrags hinsichtlich der Teilbarkeitsfrage, die über eine
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Teilbarkeit in zeitlicher Hinsicht hinausgeht, wird im Ergebnis auf eine Fiktion hinauslaufen. Die Grenzen der einfachen Auslegung sind mithin erreicht. 2. Berücksichtigung gesetzlicher Wertungsentscheidung und ihr Vorrang vor der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung Ohnehin wird man davon ausgehen müssen, dass sich die vertragschließenden Parteien im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Gedanken darüber gemacht haben, ob die Leistung im Falle einer Leistungsstörung als Ganzes behandelt werden soll oder ob die Gesamtleistung in jeweils für sich leistungsstörungsrechtlich zu beurteilende Teile zerfallen und nach welchen Kriterien die Teilung der Gesamtleistung erfolgen soll. Daher muss auch der Versuch, einen auf die Teilbarkeit der Leistung gerichteten Parteiwillen zu ermitteln, von vornherein scheitern. Erfolgsversprechender ist vielmehr der Versuch, nach den Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung den hypothetischen Parteiwillen hinsichtlich der Teilbarkeitsfrage zu ermitteln. Der Weg der ergänzenden Vertragsauslegung ist immer dann einzuschlagen, wenn ein Vertrag hinsichtlich einer bestimmten Fragestellung eine ausfüllungsbedürftige Lücke enthält.226 Von einer solchen ausfüllungsbedürftigen Lücke ist auszugehen, wenn sich im Zuge der Vertragsdurchführung eine „regelungsbedürftige Situation einstellt, die vom objektiven Regelungsinhalt des Rechtsgeschäfts nicht mehr umfasst wird.“ 227 Ein Vergleich des tatsächlich geschaffenen Erklärungstatbestands, wie er sich nach Ausschöpfung aller Mittel der einfachen Auslegung ergibt, mit einem als vollständig und richtig vorgestellten Rechtsgefüge muss eine Differenz ergeben,228 die bei wertender Betrachtung als planwidrig erscheint. Die den allermeisten Arbeitsverhältnissen zu Grunde liegenden Formulararbeitsverträge geben, abgesehen von der Festlegung der geschuldeten Arbeitszeitdauer,229 zu der Frage, ob im Falle einer Leistungsstörung der einschlägige Leistungsstörungstatbestand in Ansehung der Gesamtleistung oder in Ansehung eines wie auch immer gearteten inhaltlichen Leistungsteils zu bestimmen ist, keine Auskunft.230 Wie aufgezeigt, lässt sich auch aus der Interessenlage, soweit
226 Zu den Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung: MüKo-Busche, § 157 Rn. 38 ff. 227 MüKo-Busche, § 157 Rn. 40; ebenso Henckel, AcP 159 (1960), 106, 115; Rummel, Vertragsauslegung nach der Verkehrssitte, S. 70. 228 Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, S. 165. 229 Dazu unten § 5 D. IV. 3. a). 230 Vgl. beispielsweise Schrader/Klagges, in: Schaub, Arbeitsrechtliches Formularund Verfahrenshandbuch, Rn. 69 ff.
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nicht in dogmatisch zweifelhafter Weise an das Interesse nur eines Vertragspartners angeknüpft wird, keine eindeutige Regelung ableiten. Dies bedeutet hingegen nicht notwendigerweise, dass eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu füllende Vertragslücke besteht. Die Frage der Teilbarkeit der Arbeitsleistung könnte schließlich im dispositiven Gesetzesrecht, insbesondere in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB aber auch in § 616 BGB eine Regelung erfahren haben. Geht man davon aus, dass das dispositive Gesetzesrecht nicht ein Teil dessen ist, was der Richter im Rahmen der Lückenfüllung anzuwenden hat,231 sondern dass es zumindest grundsätzlich bereits im Vorfeld die Existenz einer Lücke ausschließt,232 hängt es vom Regelungsgehalt der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ab, ob überhaupt eine ausfüllungsbedürftige Vertragslücke anzunehmen ist. a) Verhältnis von ergänzender Vertragsauslegung und dispositivem Recht Dafür, dass es sich bei dem Verhältnis von dispositivem Recht zu einer Regelungslücke im Vertrag um eine notwendige Vorfrage handelt, die im Vorfeld der ergänzenden Vertragsauslegung zu beantworten ist und der Anwendung der ergänzenden Vertragsauslegung gegebenenfalls entgegensteht, sprechen folgende Überlegungen: Das dispositive Recht würde weitgehend funktionslos, wollte man vor seiner Anwendung Rechtsgeschäfte zunächst ergänzend auslegen.233 Bevor der Richter beispielsweise die gesetzlichen Gewährleistungsregeln bei Kaufverträgen anwendet, könnte er feststellen, der Vertrag sei lückenhaft, weil er keine Regelungen vorsieht, die den Fall der mangelhaften Lieferung betreffen. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung könnte der Richter diese vermeintliche Lücke durch Fortdenken der vertraglichen Ordnung, durch Entfaltung der immanenten Vertragsgerechtigkeit oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben schließen. Im Ergebnis würde bei einer derartigen Vorgehensweise mit der Anwendung der Generalklauseln das Zivilrecht aufgelöst.234 Es ist zu bedenken, dass das dispositive Gesetzesrecht weitgehend nichts anderes ist, als eine gesetzliche Anordnung dessen, was bei Verträgen eines bestimmten Typs typischerweise durch den Vertragszweck gefordert ist. Darüber hinaus ist für die gesetz231
So aber MüKo-Busche, § 157 Rn. 39, 45; Staudinger-Roth, § 157 Rn. 22. So die ganz herrschende Meinung: BGH vom 10.7.1963 – VIII ZR 204/61, BGHZ 40, 91, 103; vom 25.6.1980 – VIII ZR 260/79, BGHZ 77, 301, 304, vom 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 75; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Rn. 534 Ehricke, RabelsZ 60 (1996), 661, 679 f.; Palandt-Ellenberger, § 157 Rn. 4; nach Typen des dispositiven Rechts differenzierend Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts (9. Auflage 2004), § 28 Rn. 109; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 341 f.; Staudinger-Roth, § 157 Rn. 23 ff. 233 So zu Recht Palandt-Ellenberger, § 157 Rn. 4; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts (9. Auflage 2004), § 28 Rn. 109. 234 So zutreffend Henckel, AcP 159 (1960), 106, 122. 232
C. Die Arbeitsleistung als lediglich zeitlich teilbare Leistung
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lich geregelten Vertragstypen zu bedenken, dass die den jeweiligen Vertragstypus betreffenden gesetzlichen Regelungen exakt das anordnen, was mit Rücksicht auf den typischen Sinn und Zweck eines solchen Vertrags nach den Vorstellungen des Gesetzgebers gelten muss. Schon der Grundsatz der Prozessökonomie verbietet es, dass der Richter hier für jeden einzelnen Fall eine ergänzende Vertragsauslegung vornimmt und im Zuge dieser prüft, was sich aus dem Sinn und Zweck gerade dieses konkreten Vertrags ergibt.235 Die gesetzliche Regelung bezweckt schließlich auch, dass gleichartige Fälle gleichmäßig behandelt werden. Der Richter ist auch aus diesem Grund an die gesetzliche Regelung gebunden.236 Die ergänzende Vertragsauslegung wird daher durch das dispositive Gesetzesrecht soweit verdrängt, wie die Interessenlage, die vom Gesetzgeber der normierten Lösung zu Grunde gelegt worden ist, auch im konkret zu entscheidenden Fall vorliegt.237 Dispositives Gesetzesrecht findet folglich nur dort keine Anwendung, wo die Parteien erkennbar etwas anderes gewollt haben,238 was im Wege der einfachen Auslegung zu ermitteln ist, oder wenn die gesetzlichen Regelungen nicht passen.239 Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die Parteien einen atypischen Vertrag geschlossen oder ihren Vertrag gegenüber dem gesetzlich normierten Modell stark abgewandelt haben. Auch wenn die gesetzliche Regelung veraltet ist, ist die ergänzende Vertragsauslegung vorrangig. b) Bewertung der Teilbarkeitsfrage nach § 616 BGB? Bei der Suche nach Hinweisen darauf, welche gesetzliche Wertung die Frage der Teilbarkeit der Arbeitsleistung berührt, stößt man – zumindest bei Beachtung von Spezialitätsgesichtspunkten – zunächst auf § 616 BGB. Unabhängig davon, ob man § 616 BGB als Ausdruck der allgemeinen Rechtsregel „minima non curat praetor“ versteht240 oder die Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs trotz Nichtleistung in § 616 BGB auf die Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten zurückführt,241 normiert die Vorschrift eine besonders bedeutsame Abweichung von dem in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz 235
Larenz, NJW 1963, 737, 740. Larenz, NJW 1963, 737, 740. 237 Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Rn. 534. 238 BGH vom 19.3.1975 – VIII ZR 262/73, NJW 1975, 1116, 1117; BGH vom 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 75; Ehricke, RabelsZ 60 (1996), 661, 683. 239 BGH vom 28.6.1982 – II ZR 226/81, NJW 1982, 2816, 2817; MüKo-Busche, § 157 Rn. 46. 240 So sehr überzeugend: Staudinger-Oetker, § 616 Rn. 15 ff. 241 So die überlieferte Vorstellung des historischen Gesetzgebers: Mugdan II, S. 258, 901; im Anschluss hieran: BGH vom 22.06.1956 – VI ZR 140/55, BGHZ 21, 114 f.; BAG GS vom 18.12.1959 – GS 8/58, AP Nr. 22 zu § 616 BGB (unter B II); RAG vom 30.10 – RAG 187/39, ARS 40, 282, 286 mit Anm. Hueck; BAG vom 24.2.1955 – 2 AZR 10/54, AP Nr. 2 zu § 616 BGB; Erman-Belling, § 616 Rn. 1a; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 329. 236
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
„Ohne Arbeit kein Lohn“. § 616 BGB durchbricht das konditionelle Synallagma von Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis.242 § 616 BGB überträgt im Ergebnis für einen Teil der Fälle der teilweisen Unmöglichkeit die Gegenleistungsgefahr auf den Arbeitgeber. Es lohnt ein Blick auf den Teil der Fälle der teilweisen Unmöglichkeit, für den § 616 BGB den Arbeitgeber die Gegenleistungsgefahr tragen lässt. Die Vorschrift hält die Vergütungspflicht nur für solche Fälle der Dienstverhinderung aufrecht, die eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ betreffen. Man mag in dem engen Zeitbezug des § 616 BGB ein Indiz dafür sehen, dass der Gesetzgeber von einer lediglich zeitlichen Teilbarkeit der Arbeitsleistung ausging und eine § 616 BGB entsprechende Regelung für inhaltlich nicht erhebliche Leistungsdefizite deshalb nicht für nötig gehalten hat, weil inhaltliche Leistungsdefizite im Arbeitsverhältnis nach seiner Vorstellung nicht dem in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB gewährleisteten konditionellen Synallagma unterfallen. Die Gesetzgebungsmaterialien bestätigen diese Auffassung. Die erste Kommission war ausweislich der Motive der Auffassung, dass „eine unbedeutende Verhinderung oder Unterbrechung der Dienstleistung in Folge eines in der Person des Dienstverpflichteten eingetretenen Zufalles nicht zu einem Abzug berechtige.“ 243 Der Gesetzgeber zielte dabei auf eine zeitweilige vollständige Arbeitsunfähigkeit.244 Eine allein inhaltlich defizitäre Arbeitsleistung von geringem Umfang des Leistungsdefizits hatte der Gesetzgeber bei der Genese der Vorschrift offensichtlich nicht im Blick. Dennoch kann dem § 616 BGB und den zu dieser Vorschrift überlieferten Vorstellungen des Gesetzgebers nicht im Wege des argumentum e contrario eine allgemeine gesetzliche Wertung über die Frage der Teilbarkeit der Arbeitsleistung entnommen werden. Zunächst ist es nicht gesichert, dass der Gesetzgeber mit § 616 BGB abschließend alle Fälle der teilweisen Nichtleistung erfassen wollte. So schließen die Gesetzgebungsmaterialien nicht aus, dass von § 616 BGB auch auf einen bestimmten Zeitraum begrenzte inhaltliche Leistungsdefizite mitumfasst sind. Überdies stellen die Normvorstellung des Gesetzgebers ohnehin keine bindende Richtschnur für die Gesetzesauslegung dar,245 denn die Normvorstellungen des Gesetzgebers bleiben regelmäßig hinter den Anwendungsmöglichkeiten der Norm zurück, auch wenn dies nicht in allen Fällen darauf zurückzuführen ist, dass der Gesetzgeber den zu normierenden Lebenssachverhalt fehlerhaft einschätzt.246 § 616 BGB wäre nur dann eine grundsätzliche Wertung im Hinblick 242 BGH vom 22.06.1956 – VI ZR 140/55, BGHZ 21, 114 f.; BAG GS vom 18.12.1959 – GS 8/58, AP Nr. 22 zu § 616 BGB (unter B II); Erman-Belling, § 616 Rn. 1a; Staudinger-Oetker, § 616 Rn. 18. 243 Mugdan II, S. 258. 244 So auch Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 191. 245 BVerfG vom 11.6.1980 – 1 PbvU 1/79, BVerfGE 54, 298. 246 Larenz, Methodenlehre, S. 329.
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auf die Teilbarkeitsfrage zu entnehmen, wenn man das Schweigen des Gesetzgebers zur Teilbarkeit der Arbeitsleistung in Ansehung ihres Inhalts als beredtes Schweigen auffassen dürfte. Für eine solche Annahme lassen sich den Gesetzgebungsmaterialien und dem Bedeutungszusammenhang der Vorschrift jedoch keine ausreichenden Hinweise entnehmen. c) Bewertung der Teilbarkeitsfrage nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB Mehr Aufschluss über die Frage der Teilbarkeit der Arbeitsleistung verspricht demgegenüber eine eingehende Auseinandersetzung mit der in anderem Zusammenhang bereits ausführlich erörterten247 Vorschrift des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es hat sich bereits gezeigt, dass es in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB insbesondere darum geht, die Minderung bei Schlechterfüllung für einzelne Vertragstypen, insbesondere für den Dienstvertrag auszuschließen248. Diese dem § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu Grunde liegende gesetzgeberische Entscheidung geht auf grundlegende Wertungen des dienstvertraglichen Synallagmas zurück, welche, dies wird sich im Folgenden zeigen, vor allem für den am weitesten verbreiteten Typ des Dienstvertrags, den Arbeitsvertrag gelten. Bei ausreichender Würdigung dieser dem § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu Grunde liegenden Vorstellungen des Gesetzgebers kann der Vorschrift auch eine Aussage über die Frage der Teilbarkeit der Arbeitsleistung entnommen werden, welche der ergänzenden Vertragsauslegung vorgeht. Verständlich wird der gesetzliche Ausschluss der Minderung für den Dienstvertrag, wenn man sich vor Augen führt, was den Dienstvertrag von Kauf-, Werk-, Reise- und Mietverträgen, für die eine Minderung gesetzlich anerkannt ist, im Hinblick auf die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung unterscheidet. Auszugehen ist dabei zunächst von den unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen der Minderung und der Schadensersatzhaftung.249 Im Gegensatz zur Schadensersatzhaftung setzt die Minderung durchweg nicht voraus, dass der Schuldner die Schlechtleistung zu vertreten hat. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB beinhaltet, indem er für die Fälle der Schlechtleistung den Ausschluss der ipso-iure-Minderung anordnet, eine weitreichende Weichenstellung. Im Ergebnis entscheidet § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Arbeitsvertrag, als Vertrag ohne eigene Gewährleistungsvorschriften, darüber, ob der Schuldner im Falle der Schlechtleistung verschuldensunabhängig oder verschuldensabhängig haftet. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB beantwortet diese Frage negativ. Anknüpfend an die Überlegungen van den Daeles zum rechtstheoretischen Hintergrund des 247
Oben § 4 C. IV. Oben § 4 C. IV. 4. b). 249 Auf die besondere Bedeutung der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen von Minderung und Schadensersatz weist in ähnlichem Zusammenhang auch Peukert, AcP 205 (2005), 430, 458 hin. 248
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Synallagmas250 ist hierin eine normative Entscheidung des Gesetzgebers zu sehen, welche die typische Interessenlage der vertragschließenden Parteien nachzeichnet. Dies gilt es zu überprüfen. Sollte sich bewahrheiten, dass § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB mit seinem Ausschluss einer verschuldensunabhängigen Haftung bei Schlechtleistung des Arbeitnehmers gerade die Interessenlage des Arbeitsvertrags nachzeichnet, darf die der Vorschrift zu Grunde liegende Entscheidung des Gesetzgebers nicht durch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des für die Teilleistung geltenden § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB unterlaufen werden. Widerspricht eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen der Arbeitsverträgen typischerweise zu Grunde liegenden Interessenlage, muss dies zwangsläufig auch bei der Frage der Teilbarkeit der Arbeitsleistung zum Ausdruck kommen. Hierfür spricht, dass auch die Teilbarkeitsfrage letztlich darüber entscheidet, ob für ein Leistungsdefizit entweder wegen des Fehlens einer Teilleistung nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB verschuldensunabhängig oder lediglich verschuldensabhängig für im Hinblick auf das Ganze schlecht erbrachten Leistungen nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V. m. §§ 280 I, III, 283 BGB auf Schadensersatz gehaftet wird. aa) Zeitgebundenheit der Arbeitsleistung und Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers Der Inhalt der Leistungspflicht des Arbeitnehmers besteht typischerweise nicht in der Erzielung eines bestimmten quantitativen oder qualitativen Arbeitsergebnisses. Einen durch Arbeit herbeizuführenden Erfolg verspricht der Werkunternehmer, nicht der Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer stellt seine Dienste dem Arbeitgeber für eine bestimmte Zeit zur Disposition.251 Aus diesem Grund ist die Zeit, auch wenn die Vergütung nicht zeit-, sondern leistungsbezogen bemessen wird, das Maß der vom Arbeitnehmer geschuldeten Leistung.252 Ein anderes oder zusätzliches Maß als die Zeit ist dem Arbeitsvertrag, soweit nicht im Rahmen eines Akkordarbeitsvertrags ein Stücklohn vereinbart wird, in der Regel unbekannt. Es ist bereits angeklungen, dass der über die Arbeitszeit hinausgehende Inhalt der „versprochenen Dienste“ – die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers – im Arbeitsvertrag allgemein nur rahmenmäßig festgelegt wird. Mit diesem Rahmen ist das gesamte arbeitsvertragliche Synallagma bereits beschrieben.253 Es ist der 250
Oben § 4 A. Richardi, ZfA 1988, 221, 248 unter Verweis auf Windscheid, HeidelbKritZ, Bd. 2 (1855), S. 106, 138 f. 252 Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 385. 253 MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 59. 251
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zeitliche Umfang der Arbeitsleistung, durch welchen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung festgelegt werden soll.254 bb) Verteilung des Entgeltrisikos in Arbeits- und Werkvertrag Der Arbeitnehmer verpflichtet sich im Arbeitsvertrag keinesfalls zur Erbringung von im Einzelnen benannter Arbeitsleistungen. Es wird vielmehr als geradezu charakterisierend für den Arbeitsvertrag angesehen, dass weder einzeln zu erbringende Arbeitsleistungen noch diese insgesamt im Arbeitsvertrag festgelegt sind.255 Der Arbeitnehmer schuldet das zeitgebundene Zur-Verfügung-Stellen seiner Arbeitskraft unter Eingliederung in die vom Arbeitgeber vorgegebene und im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vorgaben veränderbare Arbeitsorganisation.256 Der Arbeitnehmer übernimmt dementsprechend – zumindest vom Grundsatz her –257 beim Abschluss eines Arbeitsvertrags auch das Entgeltrisiko dafür, dass er in der vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation258 die Tätigkeiten der geschuldeten Art ausführt. Keine Haftung übernimmt der Arbeitnehmer demgegenüber dafür, dass seine Tätigkeit frei von Mängeln ist. Bei der Durchführung der geschuldeten Arbeiten muss sich der Arbeitnehmer schließlich nach den Weisungen des Arbeitgebers und dessen allgemeiner Arbeitsorganisation richten. Nur für das „Ob“ der Leistung in zeitlicher Hinsicht will der Arbeitnehmer verschuldensunabhängig im Austausch mit der Vergütung einstehen, soweit es hierfür ausschließlich auf ihn selbst ankommt.259 Die Vorstellung, dass im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags, die eine Seite nicht für den Eintritt des Leistungserfolgs haftet, mag auf den ersten Blick befremdlich anmuten, schließlich wird mit dem Ausschluss der Erfolgshaftung der Gedanke des Leistungsaustauschs, der ja den gegenseitigen Vertrag trägt, sehr weitgehend in Frage gestellt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die formale Symmetrie der Rechtsgrundbeziehungen, welche die synallagmatische Verknüpfung der wechselseitig geschuldeten Leistungen im gegenseitigen Vertrag zur Folge hat, nicht zwingend darin zum Ausdruck kommen muss, dass die Rechtsfolgen, die für die einzelnen Leistungspflichten im Falle von Leistungsstörungen greifen, identisch sind. Das Verhältnis der vereinbarten Leistungspflichten kann im Wege der privatautonomen Vertragsgestaltung auch im Hinblick auf die wechselseitige Abhängigkeit der Leistungsverpflichtungen in ih254
Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 543. Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 71. 256 Staudinger-Richardi/Fischinger, Vorbem. § 611 Rn. 42; Richardi, ZfA 1988, 221, 249; dazu noch ausführlich unten § 5 D. III. 1. 257 Durchbrechungen dieses Grundsatzes finden sich unter anderem in §§ 615, 616 BGB; § 3 EFZG etc. 258 Zur Eingliederung in die Arbeitsorganisation noch unten § 5 D. III. 2. 259 So auch Peukert, AcP 205 (2005), 430, 460. 255
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rem Bestand ungleich ausgestaltet werden, ohne dass die Gegenseitigkeit der Leistungspflichten damit gänzlich in Frage gestellt wäre.260 Der Charakter des Geschäfts als gegenseitiger Vertrag wird durch eine teilweise Abbedingung des konditionellen Synallagmas nicht in Frage gestellt.261 Das Risiko des Fortbestands einer Forderung kann vielmehr auch auf den Gläubiger der Forderung abgewälzt werden.262 Die Haftung des Schuldners kann bis zur Grenze des Vorsatzes ausgeschlossen werden, §§ 276 Abs. 3, 278 Satz 2 BGB. Der rechtstheoretische Hintergrund des gegenseitigen Vertrags steht einer eingeschränkten Haftung nur eines Vertragspartners nicht entgegen.263 Der Arbeitsvertrag unterscheidet sich vom Werkvertrag gerade dadurch, dass die Vergütung beim Arbeitsvertrag dafür versprochen wird, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber für einen bestimmten Zeitraum durch die Erbringung der Dienstleistung zur Verfügung steht.264 Der Arbeitnehmer steht dem Arbeitgeber aber auch dann noch zur Verfügung, wenn seiner Tätigkeit bestimmte vom Arbeitgeber mit ihr verbundene Funktionen fehlen. Erst wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht mehr zur Verfügung steht, sich nicht mehr in dessen Arbeitsorganisation eingliedert, was, wie noch zu zeigen sein wird, bereits dann der Fall ist, wenn er sich bewusst über die Weisungen des Arbeitgebers hinwegsetzt, ist die Grenze überschritten, hinter der die Rechtsfolgen des konditionellen Synallagmas greifen.265 cc) Ganzheitliches Interesse des Arbeitgebers an der Verfügbarkeit des Arbeitnehmers Dass der Arbeitnehmer allein für die Verfügbarkeit seiner Dienste haftet, zeigt darüber hinaus auch ein Blick auf die Interessen, die den Arbeitgeber dazu bewegen, ein Arbeitsverhältnis einzugehen. Dem Arbeitgeber geht es beim Abschluss eines Arbeitsvertrags gerade darum, über die Arbeitskraft seines Vertragspartners für den vereinbarten Zeitraum verfügen zu können. Ferner geht es ihm darum, seinen Arbeitnehmer in die von ihm vorgegebene Arbeitsorganisation einzugliedern und ihn entsprechend seinen Vorstellungen von Effektivität einsetzen zu können. Der Arbeitgeber ist daher zunächst daran interessiert, den Arbeitnehmer innerhalb des geschuldeten Zeitraums nach seinen Vorstellungen einsetzen zu können. Eine Aufgliederung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Tätigkeit in Teilleistung und eine entsprechende verschuldensunabhängige Haftung für das Ausbleiben inhaltlicher Teilleistungen nach §§ 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, 441 260 261 262 263 264 265
Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 29. Das Gleiche gilt für eine Abbedingung des funktionellen Synallagmas. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 II 5 a (S. 317). Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 29. Staudinger-Richardi/Fischinger, Vorbem. § 611 Rn. 44. Dazu unten § 5 D. IV. 4. b) aa) und bb).
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Abs. 3 BGB sind mit diesem ganzheitlichen Interesse des Arbeitgebers an der Verfügbarkeit des Arbeitnehmers nur schwer in Einklang zu bringen. Im Rahmen der Auslegung des Arbeitsvertrags in Bezug auf die Teilbarkeit der Arbeitsleistung muss zudem berücksichtigt werden, dass sich der Arbeitgeber, der sich für den Abschluss eines Arbeitsvertrags entscheidet, von der Möglichkeit, die Arbeiten von einem Werkunternehmer durchführen zu lassen, der für die Herbeiführung des vereinbarten Erfolgs haftet, gerade keinen Gebrauch macht. dd) Zwischenergebnis Die soeben aufgezeigten Besonderheiten des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses sind es, welche die in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete Durchbrechung des konditionellen Synallagmas rechtfertigt und die Vorschrift damit tragen. Soweit die Arbeitsvertragsparteien nichts Abweichendes vereinbaren, trägt der Arbeitgeber das Entgeltrisiko für nicht vom Arbeitnehmer verschuldete qualitative Minderleistungen. Eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitnehmers für inhaltliche, nicht zeitliche Leistungsdefizite würde diesen Wertungen, die sich der Gesetzgeber, wie aufgezeigt, mit der Schaffung des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu eigen gemacht hat, widersprechen. Die in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltenen Wertungen gehen schließlich auch einer ergänzenden Vertragsauslegung zugunsten einer Teilbarkeit der Arbeitsleistung nach inhaltlichen Maßstäben vor.266 3. Einseitige Bestimmung der Arbeitsaufgaben durch den Arbeitgeber Abschließend ist noch auf einen weiteren Gesichtspunkt hinzuweisen, welcher der Teilbarkeit der Arbeitsleistung nach inhaltlichen Gesichtspunkten entgegensteht. Es ist bereits aufgezeigt worden, dass der Arbeitsvertrag eine ganzheitliche Arbeitsleistung als Leistungsgegenstand vorsieht, die sich nur in zeitlicher Hinsicht in Teilleistung aufgliedern lässt. Möchte man gleichwohl den Tatbestand des Fehlens einer Teilleistung über die Fälle des zeitweisen Nichtarbeitens hinaus auf das Fehlen inhaltlicher Teilleistungen ausweiten, sieht man sich sehr schnell dem Problem gegenüber, dass der Arbeitsvertrag sich zu der Frage der Arbeitszeit konkret äußert, während er zur inhaltlichen Ausgestaltung der Arbeitsleistung weitgehend schweigt. Mehr noch als beim selbständigen Dienstvertrag bleiben beim Arbeitsvertrag inhaltliche Eigenschaften der vereinbarten Tätigkeit weitgehend ungeregelt. Eine genauere inhaltliche Ausgestaltung erfährt die ar266 Im Übrigen wäre im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ebenfalls die soeben erörterte Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien zu berücksichtigen, so dass auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kein abweichendes Ergebnis erzielt werden würde.
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beitsvertraglich geschuldete Tätigkeit erst durch die Weisungen des Arbeitgebers. Erst mit der Zuweisung verschiedener Arbeitsaufgaben kommt überhaupt eine Teilbarkeit der Arbeitsleistung nach inhaltlichen Kriterien in Betracht. So lässt sich beispielsweise die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Lehrstuhl für Arbeitsrecht für sich nicht in inhaltliche Leistungsteile unterteilen. Erst nach der Zuweisung bestimmter Aufgaben beispielsweise das Leiten einer Kleingruppe zum Vertragsrecht, das Ausarbeiten eines Klausursachverhalts, das Leisten von Vorarbeiten zu einer Kommentierung bestimmter Vorschriften etc. ist an eine inhaltliche Ausdifferenzierung der arbeitsvertraglichen Verpflichtung zu denken. Hiervon geht auch Tillmanns aus, wenn sie ihren funktionalen Teilleistungsbegriff 267 auf das Arbeitsverhältnis überträgt und sich dafür ausspricht, dass im Arbeitsvertrag eigenständige Teilfunktionen vorrangig durch Arbeitgeberweisungen entstehen.268 Tillmanns stellt sich dabei auf den Standpunkt, eigenständige Teilfunktionen würden insbesondere durch die Übertragung bestimmter Arbeitsaufgaben entstehen.269 Veranschaulicht werden soll diese Auffassung abermals270 anhand einiger von Tillmanns gewählter Beispiele: „Der Ladenangestellte A wird angewiesen, an einem bestimmten Arbeitstag die Ladenregale aufzufüllen und – ausnahmsweise – die Kundschaft zu bedienen. Die letzte Arbeitsaufgabe hat A gleich wieder vergessen und verweist Kunden daher auf die anwesenden Verkäufer.“
Tillmanns ist hier der Ansicht, der Arbeitnehmer schulde eine Tätigkeit, mit der innerhalb desselben Zeitraums mehrere Teilfunktionen erreicht werden sollen. Hinsichtlich der Teilfunktion des Auffüllens der Ladenregale handele A ordnungsgemäß, hinsichtlich der Teilfunktion Bedienen der Kundschaft erfülle die Tätigkeit des A den Tatbestand der Nichterfüllung, denn hinsichtlich dieser Teilfunktion sei die Tätigkeit des A unbrauchbar. Der Lohn könne daher im Hinblick auf das Bedienen der Kundschaft gemindert werden. Auch wenn Tillmanns einschränkend davon ausgeht, die jeweilige Teilfunktion müsse klar definierbar im Sinn von voneinander abgrenzbar sein, so dass bei einheitlichen Arbeitsaufgaben die Bildung von Teilfunktionen ausscheide, fällt auf, dass die Frage der Teilbarkeit der Arbeitsleistung nach diesem Ansatz in vollem Umfang in die Hände des mit dem Weisungsrecht ausgestatteten Arbeitgebers gelegt ist. Der Arbeitnehmer könnte, folgte man der Auffassung Tillmanns’, durch Erteilung sehr detaillierter Weisungen die dem Arbeitnehmer übertragenen
267 268 269 270
Oben § 5 B. V. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 442 f. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 443. Siehe bereits oben § 5 Fn. 86.
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Aufgaben in immer weitere Unteraufgaben unterteilen, mit der Folge, dass eine auf einen bestimmten Zeitraum bezogene schlecht erbrachte ganzheitliche Leistung in Ansehung der vom Arbeitgeber definierten Teilfunktion als teilweise Nichtleistung anzusehen wäre. Es wäre ferner denkbar – und Tillmanns kommt auch tatsächlich zu diesem Ergebnis – auch dann von einer fehlenden Teilleistung und damit einer Minderungsmöglichkeit auszugehen, wenn der Arbeitnehmer infolge von so genannter Langsamarbeit das abzuarbeitende Maß unterschreitet. So ist nach dem Dafürhalten Tillmanns’ auch im folgenden Beispiel eine Lohnminderung wegen des Fehlens einer Teilleistung statthaft: „U weist den Arbeitnehmer A an, von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr zwei Wände/eine Wandfläche von x qm zu streichen. Nach dem objektiv-individuellen Leistungsvermögen des A wäre die Arbeit selbst bei einem Arbeitseinsatz am „unteren Limit“ des Üblichen zu schaffen.271 A streicht jedoch nur eine Wand/nur die Hälfte der Fläche. Das Nichtstreichen der zweiten Wand/anderen Hälfte stellt eine genau abgrenzbare eigenständige Teilfunktion dar, die der Tätigkeit fehlt.“
Hiernach wäre davon auszugehen, dass eine Arbeitgeberweisung, die dem Arbeitnehmer ein abzuarbeitendes Maß vorgibt, stets zu einer beliebigen Teilbarkeit der Leistung in einzelne Maßeinheiten führt. Dem Arbeitnehmer würde, die Zulässigkeit der Weisung, d.h. insbesondere die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Grenzen, unterstellt, letztlich eine Garantiehaftung für die Einhaltung des vorgegebenen Arbeitsmaßes oktroyiert. Eine derart weitgehende Haftung überschreitet jedoch – wie gesehen – die dem Arbeitsvertrag zu Grunde liegende Interessenlage. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung eben – anders als der Werkunternehmer – nicht für den Erfolg der Tätigkeit, sondern für die Tätigkeit selbst. Es ist der Arbeitgeber der das Risiko der Einstellung eines den Ansprüchen nicht genügenden Arbeitnehmers und damit im Ergebnis auch das Misslingen der Tätigkeit zu tragen hat.272 Es ist zwar denkbar, die Mängelhaftung auch ohne Ansehung des Arbeitsergebnisses, streng an die in Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtung erbrachte Tätigkeit anzuknüpfen. Wegen der lediglich rahmenmäßigen Umschreibung der Art der geschuldeten Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag müsste dann – wie von Tillmanns vorgeschlagen – an die einzelnen Arbeitsaufgaben angeknüpft werden, wie sie sich aus den Weisungen des Arbeitgebers ergeben. Dies setzt jedoch zweierlei voraus. Der Arbeitgeber müsste zum einen mit seinen Weisungen auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses rechtsgestaltend einwirken, denn die zunächst im Arbeitsvertrag mangels Bestimmtheit unteilbar ausgestaltete Ar271 Zum Tatbestand der Schlechtleistung und zur arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungsintensität unten § 7 B. 272 BAG vom 15.3.1960 – 1 AZR 301/57, AP Nr. 13 zu § 611 BGB Akkordlohn; BAG vom 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NJW 1999, 1049, 1051; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; Ullrich, NJW 1984, 585, 586.
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beitsleistung müsste in voneinander klar trennbare Einzelleistungen geteilt werden. Zum anderen müsste ein einseitiges Einwirken des Arbeitgebers auf die Frage der Teilbarkeit der geschuldeten Arbeitsleistung mit der Folge einer Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschriften über die teilweise Nichtleistung und einer entsprechenden Ausweitung der verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitnehmers nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ noch von der Reichweite des Weisungsrechts gedeckt sein. a) Das Weisungsrecht – ein Gestaltungsrecht? Bereits die Frage, ob der Arbeitgeber durch die Erteilung von Weisungen, die den Inhalt der Arbeitspflicht betreffen, rechtsgestaltend auf das Arbeitsverhältnis einwirkt, ist lebhaft umstritten.273 Hinsichtlich des Streitstands sei an dieser Stelle auf die angegebene Literatur verwiesen. Die Fragestellung der Rechtsqualität von Arbeitgeberweisungen ist Gegenstand mehrerer eigener wissenschaftlicher Arbeiten274 und kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht abschließend erörtert werden. Es wird sich ohnehin sogleich zeigen, dass sich ein Streitentscheid erübrigt, da sich, auch wenn man den Weisungen des Arbeitgebers rechtsgestaltende Wirkung einräumt, bereits aus anderen Gründen ergibt, dass sich allein aus den Weisungen hinsichtlich des Inhalts der Arbeitspflicht nicht die Teilbarkeit der Arbeitsleistung ableiten lässt. b) Neutralität der Weisungen des Arbeitgebers hinsichtlich des Synallagmas des Arbeitsvertrags Bevor man vorschnell von einer funktionalen Teilbarkeit der Arbeitsleistung entsprechend den qua Weisung übertragenen Arbeitsaufgaben ausgeht, ist nämlich zunächst die begrenzte Reichweite des Weisungsrechts des Arbeitgebers zu beachten. Nach allgemeiner Ansicht erstreckt sich das Weisungsrecht nicht auf die Bestandteile des Austauschverhältnisses, so dass beispielsweise das Entgelt nicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.275 273 Dafür: Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, S. 108; MüKo-Würdinger, § 315 Rn. 68; Hromadka, RdA 1992, 234, 237; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis, S. 30 ff.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 62; dagegen: Böker, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 55 ff.; Bötticher, AuR 1967, 321, 326; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 448; Richardi RdA 1970, 208 ff. 274 Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht; Böker, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers; Bötticher, AuR 1967, 321 ff.; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis. 275 BAG vom 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969 (unter II 3 b); LAG Düsseldorf vom 30.8.2002 – 9 Sa 409/02, NZA-RR 2003, 407, 408; Birk, FS Hyung-Bae Kim, S. 25, 27; Hromadka, DB 1995, 2601; Lakies, BB 2003, 364; ErfKommArbR-Preis, § 106 GewO Rn. 2.
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Allein vor dem Hintergrund, dass die Parteien über die im Austauschverhältnis stehenden Pflichten und die rechtliche Ausgestaltung ihrer Verknüpfung bestimmen,276 erklärt sich diese Einschränkung des Weisungsrechts jedoch nicht, denn der Arbeitsvertrag stellt anders als andere gegenseitige Verträge gerade einen Vertrag dar, der „ex definitione auf einseitigen Weisungsrechten des Arbeitgebers aufbaut.“ Die Konkretisierung der Arbeitspflicht selbst stellt dementsprechend auch keinen Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma dar.277 Das BAG278 macht das Vorliegen eines unzulässigen Eingriffs in das Synallagma des Arbeitsvertrags davon abhängig, ob in den „Kernbereich des Arbeitsverhältnisses“ etwa durch eine Verlagerung des Bestandsschutz- und Beschäftigungsrisikos, das der Arbeitgeber nach §§ 1, 2 KSchG zu tragen hat, eingegriffen wird. Dementsprechend könnte man sich im Hinblick auf die Frage, ob Weisungen, die zur Teilbarkeit der Arbeitsleistung führen, einen unzulässigen Eingriff in das Synallagma des Arbeitsvertrags darstellen, auf den Standpunkt stellen, dass derartige Weisungen maßgebliche Wertungen des § 326 BGB unterlaufen und daher als unzulässig zu betrachten seien. Diese Überlegung sieht sich jedoch ebenso dem soeben angesprochenen Einwand ausgesetzt, dass dem Arbeitsvertrag von vornherein die einseitige Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber innewohnt. Deutlich werden die Konturen der Reichweite des Weisungsrechts, vergegenwärtigt man sich, dass die Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts – und nichts anderes wird für den Arbeitsvertrag zu Recht angenommen, wenn es heißt, das Weisungsrecht sei von vornherein Bestandteil des Arbeitsvertrags – eine gravierende Strukturveränderung innerhalb eines Schuldverhältnisses bewirkt. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht beinhaltet stets eine Durchbrechung des in § 311 Abs. 1 BGB niedergelegten Vertragsprinzips und entwertet damit zu einem gewissen Grad die gerade für den gegenseitigen Vertrag so bedeutsame Richtigkeitsgewähr des privatautonom geschlossenen Vertrags.279 Das Gesetz sieht als Ausgleich für den Verzicht auf die Richtigkeitsgewähr des Vertragsprinzips eine Ermessenskontrolle vor (§ 315 Abs. 1, Abs. 3 BGB, § 106 GewO). An dem grundsätzlichen Konflikt zwischen dem Weisungsrecht des Arbeitgebers und dem aus dem Prinzip der Privatautonomie herzuleitenden vertragsrechtlichen Bindungsgrundsatz, der die Parteien an die im Vertrag festgelegte Vereinbarung bindet, ändert die in praktischer Hinsicht nur eingeschränkte Möglichkeit der Ermessenskontrolle nach § 315 Abs. 1, Abs. 3 BGB, § 106 GewO jedoch nur wenig.280 Die grundsätzliche Bindung der Vertragsparteien an 276 277 278 279 280
Oben § 4 A. I. 4. Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 334. BAG vom 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, AP Nr. 6 zu § 308 BGB (Rn. 22). Staudinger-Rieble, § 315 Rn. 28. W. Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, S. 357.
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die Vereinbarung (pacta sunt servanda) entzieht die eine Partei der Willkür der jeweils anderen Partei. Dass die einmal durch Konsens festgeschriebenen Leistungsinhalte unverändert bleiben, ist daher wesentlicher Bestandteil jedes Schuldverhältnisses. Grundsätzlich ist für die Abänderung bestehender vertraglicher Rechte und Pflichten wiederum ein Vertrag erforderlich.281 Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht kann daher nur soweit gehen, als der Vertrag zu einem bestimmten Punkt lückenhaft ist. Dies ist durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln. Soweit die synallagmatische Verknüpfung der Leistungspflichten betroffen ist, ist eine Vertragslücke dabei wegen des vertragsrechtlichen Bindungsgrundsatzes nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen. Dies bestätigt nicht zuletzt die Rechtsprechung des BGH zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten. In einer Entscheidung vom 21.12.1983 sprach der BGH 282 einem Automobilhersteller das Recht ab, das einem selbständigen Vertragshändler ohne Gebietsschutz zugewiesene so genannte Marktverantwortungsgebiet aus Gründen der Marktabdeckung einseitig zu verkleinern. Der BGH folgert in der besagten Entscheidung aus dem das Vertragsrecht beherrschenden Rechtsgrundsatz der Bindung beider Vertragspartner an die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung, dass der Inhalt der vertraglichen Vereinbarung grundsätzlich auch nur im beiderseitigen Einvernehmen abgeändert werden kann. Da mit dem Prinzip der Privatautonomie ohne Weiteres vereinbar, sei ein individualvertraglich eingeräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht unbedenklich. Der Bindungsgrundsatz stelle aber eine so wesentliche Grundlage für ein funktionierendes, die Äquivalenz gegenseitiger Leistungen sicherndes Vertragsrechtssystem dar, dass ein formularmäßig eingeräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nur dann anzuerkennen sei, wenn die betreffende Vertragsklausel schwerwiegende Änderungsgründe nenne und in ihren Voraussetzungen und Folgen erkennbar die Interessen des Vertragspartners angemessen berücksichtige. Nach richtiger Auffassung des BGH müssen die Gründe für die Verdrängung des Bindungsgrundsatzes dabei umso gewichtiger sein, je „stärker der Gerechtigkeitsgehalt des verdrängten Rechtssatzes ist“. Darüber hinaus muss bei der Einräumung eines einseitigen Änderungsrechts zusätzlich ein angemessener Ausgleich zugunsten des Vertragspartners vorgesehen sein.283 Der vom BGH in der genannten Entscheidung herangezogene Rechtsgedanke lässt sich ohne weiteres auf die Problematik der Teilbarkeit der Arbeitsleistung übertragen. Wie aufgezeigt schuldet der Arbeitnehmer auf Grund der arbeitsvertraglichen Abrede eine ganzheitlich ausgestaltete Arbeitsleistung. Die Zuweisung von Arbeitsaufgaben qua Weisung wird im Allgemeinen lediglich als Konkretisierung der im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig festgelegten Arbeitspflicht ange281 282 283
W. Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, S. 32. BGH vom 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206. BGH vom 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206, 211 f.
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sehen.284 Dass hierbei nicht davon ausgegangen wird, dass der Arbeitgeber mit seinen Weisungen eine Änderung der Vertragsbedingungen, sondern lediglich eine Auskonkretisierung herbeiführt, zeigt sich daran, dass nach allgemeiner Ansicht das Weisungsrecht den schwächsten Gestaltungsfaktor für Arbeitsbedingungen darstellt, weil es durch alle gesetzlichen, kollektiv- und einzelvertraglichen Regelungen begrenzt wird.285 Darüber hinaus spricht gegen die Teilbarkeit der Arbeitsleistung aufgrund entsprechender Weisungen des Arbeitgebers vor dem Hintergrund des Bindungsgrundsatzes, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers auf das Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst effektiven Eingliederung seiner Arbeitnehmer in die von ihm vorgegebene Arbeitsorganisation zurückzuführen ist.286 Diesem Interesse ist jedoch Genüge getan, wenn der Arbeitgeber berechtigt ist, die Ausführung der Arbeit selbst, das den Arbeitsvollzug begleitende Verhalten sowie das sonstige organisationsbedingte Verhalten des Arbeitnehmers in den Grenzen höherrangigen Rechts und billigen Ermessens zu bestimmen.287 Ein Recht zur einseitigen Aufteilung der ganzheitlichen Arbeitsleistung in einzelne, für sich leistungsstörungsrechtlich zu beurteilende inhaltliche Teilleistungen ist im Arbeitsvertrag schlichtweg nicht vorgesehen. Überdies hätten derart weit reichende Weisungen entsprechend weit reichende Folgen. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass sich mit dem Grad der Teilbarkeit der Arbeitsleistung auch die Zahl der Fälle erhöht, in denen beim Auftreten einer gestörten Arbeitsleistung, diese Leistungsstörung nicht mehr in Ansehung der Gesamtleistung, sondern in Ansehung eines wie auch immer gearteten Leistungsteils zu behandeln sein würde. Dies hätte wiederum zur Folge, dass in einer größeren Zahl von Fällen von einer Nichterbringung einer Teilleistung, also einer nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB zu behandelnden teilweisen Nichtleistung anstatt einer Schlechtleistung in Ansehung der Gesamtleistung auszugehen wäre. Ferner wurde bereits aufgezeigt, dass mit Rücksicht auf § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB die Schlechtleistung im Arbeitsrecht zu einer verschuldensabhängigen Schadensersatzhaftung führt, während der Arbeitnehmer bei einer teilweisen Nichtleistung gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB ohne Rücksicht auf ein Verschulden seinen Anspruch auf Lohnzahlung verliert, soweit nicht lohnerhaltende Normen, wie §§ 615, 616 BGB oder § 3 EFZG eingreifen. Der Arbeitgeber hätte, könnte er, indem er Arbeitsaufgaben qua Weisung auf seinen Arbeitnehmer überträgt, die vertraglich vereinbarte ganzheitliche Arbeitsleistung in inhaltliche Teilleistungen unterteilen, ein Mittel in der Hand, einseitig auf das
284 ErfKommArbR-Preis, § 106 GewO Rn. 2; Schaub, Arbr-Hdb.-Linck, § 45 Rn. 13 ff.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 62 f. 285 Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 62 f. 286 Hromadka, DB 1995, 2601; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 450; MüHdBArbR-Richardi, § 7 Rn. 51 ff. 287 Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 453; MüHdBArbR-Richardi, § 12 Rn. 51 ff.
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arbeitsvertragliche Synallagma einzuwirken, denn die Frage, ob für eine Leistung verschuldensabhängig oder verschuldensunabhängig gehaftet wird, betrifft unmittelbar die Austauschbeziehung. Im Anschluss an die rechtstheoretischen Überlegungen van den Daeles zu den Grundlagen der synallagmatischen Leistungsverknüpfung ist an dieser Stelle auf den besonderen Gerechtigkeitsgehalt der die synallagmatischen Rechtsfolgen betreffenden §§ 320 ff. BGB zurückzukommen. Wie aufgezeigt kommt in diesen Vorschriften die objektive Zweckstruktur des gegenseitigen Vertrags zum Ausdruck. Die Vorschriften tragen der typischen Interessenlage und der parteiautonomen Zwecksetzung eines gegenseitigen Vertrags Rechnung und verhelfen damit dem einem gegenseitigen Vertrag typischerweise zu Grunde liegenden Parteiwillen zur Durchsetzung.288 Dieser besondere, dem Parteiwillen Rechnung tragende Gerechtigkeitsgehalt kommt auch in der in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zumindest für Dienst- und Arbeitsverträge289 angeordneten Durchbrechung des konditionellen Synallagmas zum Ausdruck. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der im Arbeitsverhältnis vorherrschenden Interessenlage, die auf Arbeitnehmerseite durch ein zeitbezogenes, weisungsunterworfenes Tätigwerden und das Fehlen eines verschuldensunabhängigen Einstehens für den Erfolg der Tätigkeit und auf Arbeitgeberseite durch das Interesse an einer ganzheitlichen Verfügbarkeit des Arbeitnehmers geprägt ist.290 Eine Abweichung der in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Durchbrechung des konditionellen Synallagmas kann der Arbeitgeber daher nicht im Wege der einseitigen Leistungsbestimmung herbeiführen. Ein entsprechender arbeitsvertraglicher Änderungsvorbehalt wäre mit Rücksicht auf den Bindungsgrundsatz unzulässig. Weisungen des Arbeitgebers verhalten sich im Hinblick auf die Frage der Teilbarkeit der Leistung mithin neutral. c) Zwischenergebnis Unterstellt, Arbeitsleistungen wären auch in nichtzeitlicher Hinsicht teilbar, ließen sich die Grenzen der einzelnen Arbeitsleistungsteile wegen der Unbestimmtheit der arbeitsvertraglichen Abrede im Hinblick auf den Inhalt der Arbeitspflicht nur anhand der den Inhalt der Arbeitsleistung konkretisierenden Arbeitgeberweisungen bestimmen. Abgrenzbare Teilleistungen ergäben sich aber in inhaltlicher Hinsicht nur dann, wenn die arbeitgeberseitigen Weisungen nicht nur zu einer Konkretisierung der Arbeitspflicht, sondern auch zu einer Einteilung der ganzheitlichen Arbeitsleistung in Teilleistungen führen würde. Unabhängig von 288
Hierzu bereits oben § 4 A. I. und III. Zu den Grenzen der in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Durchbrechung des konditionellen Synallagmas Peukert, AcP 205 (2005), 430 ff. 290 Oben § 5 C. IV. 1. 289
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der Frage, ob Weisungen des Arbeitgebers überhaupt rechtsgestaltende Wirkung zukommt,291 ist dies im Ergebnis wie gesehen zu verneinen. Dem Arbeitgeber ist es mit Rücksicht auf die inhaltlich gerade in Bezug auf die synallagmatische Leistungsverknüpfung begrenzte Reichweite des Weisungsrechts verwehrt, qua Weisung die vertraglich vereinbarte ganzheitliche Arbeitsleistung in Teilleistungen aufzugliedern und so die Grenzen der verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitnehmers zu Lasten des Bereichs der nur verschuldensabhängigen Haftung zu verschieben. 4. Zusammenfassung Die in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Leistungsstörungstatbestand der Schlechtleistung angeordnete Durchbrechung des konditionellen Synallagmas zeichnet gerade für das Arbeitsverhältnis die typische und von den Arbeitsvertragsparteien gewollte Belastung des Arbeitgebers mit dem Entgeltrisiko im Falle der Schlechtleistung nach. Diese gesetzliche Wertung darf nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zugunsten einer inhaltlichen Teilbarkeit der Arbeitsleistung unterlaufen werden. Die in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete Verteilung des Entgeltrisikos geht der ergänzenden Vertragsauslegung vielmehr vor. Da aber eine über die zeitliche Teilbarkeit hinausgehende Teilbarkeit der Arbeitsleistung im Ergebnis zu einer recht weitgehenden verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitnehmers für qualitative Minderleistungen führen würde, ergibt sich bei verständiger Würdigung der dem § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu Grunde liegenden Rechtsgedanken, dass die Arbeitsleistung nicht in inhaltliche Teilleistungen unterteilt werden kann. Daher ist es auch nicht zulässig, eine nicht ordnungsgemäße Arbeitsleistung im Hinblick auf einen inhaltlichen Teilaspekt als teilweise Nichtleistung zu bewerten. Für dieses Ergebnis spricht schließlich auch die Neutralität der Weisungen des Arbeitgebers hinsichtlich des Synallagmas von Arbeitsleistung und Entgelt.
V. Teilergebnis Es ist deutlich geworden, dass das Problem der Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung anhand der Identität der erbrachten Leistung für die Arbeitsleistung dadurch an Komplexität gewinnt, dass als Anknüpfungspunkt für den Vorgang der Identifizierung der Leistung mehrere Vergleichsmaßstäbe in Betracht kommen. Es hat sich herausgestellt, dass die Arbeitsleistung wegen ihres besonderen Zeitbezugs für einen bestimmten Arbeitszeitraum gesondert leistungsstörungsrechtlich behandelt werden kann und muss. Es kommen daher in zeitlicher Hin291 Das BAG setzt dies in seiner Entscheidung vom 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969 stillschweigend voraus.
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sicht teilweise Nichtleistungen, die nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB zu einer Lohnminderung berechtigen, in Betracht. Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass es unzulässig ist, die Identität der Arbeit eines Arbeitnehmers, die – wie gesehen – darüber entscheidet, ob eine nicht ordnungsgemäße Arbeit als Nicht- oder Schlechterfüllung zu qualifizieren ist, hinsichtlich einzelner Arbeitsaufgaben oder anderer inhaltlicher, nichtzeitlicher Teilbereiche zu bewerten. In Bezug auf die Arbeitsleistung kann deshalb nur in zwei Fällen von einer teilweisen Nichtleistung ausgegangen werden. Zunächst liegt eine teilweise Nichtleistung vor, wenn der Arbeitnehmer während eines bestimmten Zeitraums der Arbeit fernbleibt. Daneben liegt eine teilweise Nichtleistung auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer zeitweise eine Tätigkeit erbringt, die nicht als die geschuldete Tätigkeit zu identifizieren ist. Diese beiden Varianten der teilweisen Nichtleistung können sich in Grenzbereichen überschneiden. Zu denken ist zum einen an den Fall, dass der Arbeitnehmer zwar an seinem Arbeitsplatz erscheint, anstatt seine Arbeit zu verrichten, aber schläft, zum anderen daran, dass die vertraglich geschuldete Tätigkeit an einem anderen Ort als dem vertraglich verabredeten Leistungsort erbracht wird.
D. Maßgebliche Identifikationsmerkmale für die Unterscheidung von Nicht- und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht Ausgehend von der Erkenntnis, dass sich die Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistungen des Arbeitnehmers danach bestimmt, ob für den Zeitabschnitt, innerhalb dem nicht vertragsgerecht gearbeitet worden ist, zumindest noch die Identität der geschuldeten Arbeit gewahrt ist, stellt sich die Frage, wie sich die Identität der geschuldeten Arbeit bestimmen lässt. Es sollen daher im Folgenden Kriterien herausgearbeitet werden, anhand derer sich bestimmen lässt, ob die vom Arbeitnehmer erbrachte Tätigkeit im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis als Ganzes oder im Hinblick auf einen zeitlichen Ausschnitt noch als die geschuldete, wenn auch nicht ordnungsgemäß erbrachte, Tätigkeit identifiziert werden kann oder aber sich so maßgeblich von der geschuldeten Tätigkeit unterscheidet, dass sie nicht mehr als solche in der Gestalt einer Schlechtleistung anzusehen ist, sondern bereits den Leistungsstörungstatbestand der Nichtleistung erfüllt.
I. „Aliud“-Arbeitsleistung Bei dieser Fragestellung geht es um die Abgrenzung von aliud und peius,292 die heute wegen §§ 433 Abs. 3, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB im Kauf- und Werkver292 Dies wird bereits bei Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 34 deutlich: „Eine Verletzung im Hinblick auf die Art (oder den Gegen-
D. Unterscheidung von Nicht- und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
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tragsrecht an Bedeutung verloren hat. Wie bereits aufgezeigt,293 lässt sich die aufgrund dieser Vorschriften für das Kauf- und Werkvertragsrecht geltende Gleichstellung von aliud und peius nicht auf das Arbeitsrecht übertragen.294 Für die Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht ist es daher zunächst erforderlich, Merkmale herauszuarbeiten, anhand derer sich die Identität der Arbeitsleistung bestimmen lässt.295 Es bietet sich dabei an, der Vorgehensweise Tillmanns’ folgend, dem Grundsatz nach auf die drei Kriterien zurückzugreifen, nach denen seit jeher Leistungen beschrieben werden, nämlich das örtliche, das zeitliche und das gegenständliche Moment der Leistung.296 Bei der Identitätsbestimmung an diese drei Momente der Arbeitsleistung anzuknüpfen, drängt sich schon deshalb auf, weil in die Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen, die der Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen hat, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NachwG der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit und gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG die vereinbarte Arbeitszeit aufzunehmen sind. Da arbeitsvertraglich eine Tätigkeit und keine greifbare gegenständliche Leistung geschuldet wird, ist es vorzugswürdig, nicht vom gegenständlichen Moment der Arbeitsleistung, sondern schlicht von ihrem Inhalt zu sprechen. In der arbeitsrechtlichen Literatur werden als aliud vor allem solche Arbeitsleistungen bezeichnet, die so weit von der ordnungsgemäßen Tätigkeit abweichen, dass sie nicht mehr als die vertraglich geschuldete Leistung angesehen werden könnten. Beispielhaft zu nennen sind an dieser Stelle der Baggerführer, der weisungswidrig eine Grube auf dem falschen Grundstück aushebt, der Lkw-Fahrer, der den falschen Kunden anfährt, der Maler, der die Wand in der falschen Farbe streicht, die Sekretärin, die das falsche Tonbanddiktat abtippt und der Mon-
stand) der Arbeitsleistung kann sich nur als sogenannte Anders- oder aliud-Leistung kennzeichnen. Die Rechtsfolgen dieser Verletzung sind dieselben wie bei Nichtleistung, die Vorschriften über Verzug und Unmöglichkeit finden Anwendung.“ 293 Oben § 5 A. 294 So auch Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 224. 295 So zu Recht Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 217 ff. für den Dienstvertrag und S. 433 für den Arbeitsvertrag. 296 Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 282 ff.; Lesser, Der Inhalt der Leistungspflicht, S. 1 ff.; Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, Erste Abteilung, Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, S. 8 f.; 153, 193 ff.; Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Bd., S. 295; Titze, Unmöglichkeit, S. 31.
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teur, der auf der falschen Baustelle tätig wird.297 Mit der Qualifizierung der Arbeitsleistung als aliud – es wird sich zeigen, dass es nicht alle in den Beispielen genannten Arbeitsleistungen verdienen, als aliud qualifiziert zu werden – wird es möglich, Leistungen, welche, da der Arbeitnehmer nicht untätig bleibt, vordergründig als Schlechterfüllung anzusehen sind, als Nichterfüllung zu behandeln.298
II. Bedeutung des Zwecks des Arbeitsvertrags für die Bestimmung einer aliud-Arbeitsleistung Die Abgrenzung zwischen aliud und peius erfolgt grundsätzlich danach, welcher Vertragszweck von den Parteien vereinbart worden oder dem Schuldner zumindest bekannt geworden ist und welche Merkmale vor dem Hintergrund des Vertragszwecks unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Identität der geschuldeten Leistung ausmachen.299 Dies muss auch für das Arbeitsvertragsrecht gelten. Es muss dabei auch für den Arbeitsvertrag keine übertriebene Scheu vor der Verwendung des Terminus’ Vertragszweck gezeigt werden,300 soweit bei der Definition des Vertragszwecks den Besonderheiten des Arbeitsvertrags zunächst in Abgrenzung zum Werkvertrag, daneben aber auch zum freien Dienstvertrag nur hinreichend Rechnung getragen wird. Der Umstand, dass gemäß § 611 Abs. 1 BGB die „versprochenen Dienste“ geschuldet sind, während der Werkunternehmer gemäß § 631 Abs. 2 BGB einen Erfolg verspricht, lässt keinesfalls den Schluss zu, dem Dienst- und Arbeitsverhältnis fehle das allen 297 Beispiele nach MüHdBArbR (2. Auflage, 2000)-Blomeyer, § 58 Rn. 8: Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 9, 34; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 210. 298 Gewerbegericht Berlin vom 16.5.1902 – Nr. 632, Schulz/Schalhorn/Schultz, Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 123 Nr. 44; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119; Elster, DJZ 1910, 801, 802 f.; Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 68 f.; 72; Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 34 ff.; Kreller, AcP 123 (1925), 263, 288; Lotmar, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Zweiter Band, S. 70 m. Fn. 2; Mader, Der Lohnanspruch des Akkordarbeiters bei Schlechtleistung, S. 22; Maguhn, Aus der Praxis des Gewerbegerichts Berlin, 1913, S. 56, 61; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 7; 56; MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 29; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 188; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 443; Zemlin, Haftung des Arbeitnehmers, S. 3 f. mit Fn. 13; a. A.: Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 9, 34; Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 219 f.; RGRK-Schliemann, § 611 Rn. 1529. 299 BGH vom 4.12.1968 – VIII ZR 208/66, NJW 1969, 787, 78; vom 29.3.1978 – VIII ZR 245/76, NJW 1978, 2394; vom 18.9.1985 – VIII ZR 244/84, NJW 1986, 659, 660; vom 23.3.1994 – VIII ZR 47/93, NJW 1994, 2230; vom 12.3.1997 – VIII ZR 15/ 96, NJW 1997, 1914, 1915; Staudinger-Matusche-Beckmann, § 434 Rn. 149. 300 Offensichtlich a. A. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 226, die mit Rücksicht auf die Abgrenzung des Arbeitsvertrags vom Werkvertrag vorschlägt, „auf die Begriffe der „Geeignetheit“ der Tätigkeit für die nach dem Vertrag vorausgesetzte „Funktion“ zurückzugreifen.“
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Schuldverhältnissen eigene Element der Finalität.301 Auch die Parteien eines Dienstvertrags verfolgen einen Vertragszweck, der maßgeblich die Identität der gegenseitigen Leistungsverpflichtungen bestimmt. Für die Bestimmung arbeitsvertraglicher aliud-Leistungen ergibt sich hiernach eine dreistufige Vorgehensweise. In einem ersten Schritt ist der Zweck des Arbeitsvertrags zu ermitteln.302 In einem zweiten Schritt sind das örtliche, das zeitliche und das inhaltliche Moment der Arbeitsleistung dahingehend zu untersuchen, welche diesen Bereichen zuzuordnenden Eigenschaften der Arbeitsleistung den Vertragszweck berühren.303 Dazu ist zu prüfen, ob bei einem Fehlen der betreffenden Eigenschaft – etwa dem Arbeiten an einem anderen als dem vereinbarten Ort – bzw. bei einem graduellen Defizit der Eigenschaft – etwa der verminderten Arbeitsqualität – die Arbeit dem Vertragszweck noch gerecht wird. Ist dies zu bejahen, handelt es sich bei der Eigenschaft nicht um ein Identifikationsmerkmal der Arbeitsleistung, das Fehlen der Eigenschaft bzw. ein graduelles Defizit der Eigenschaft begründet dann allenfalls eine Schlechtleistung. Stellt sich jedoch heraus, dass die Arbeitsleistung bei einem Fehlen oder ab einem bestimmten graduellen Defizit der betreffenden Eigenschaft, den Vertragszweck nicht mehr erfüllt, ist die erbrachte Tätigkeit als Nichtleistung zu bewerten. Eine Zusammenstellung der letztgenannten Eigenschaften wird schließlich die Grenze zwischen Nicht- und Schlechtleistung im Arbeitsvertragsrecht aufzeigen und damit die eingangs dieses Abschnitts aufgeworfene Frage nach der Reichweite des (konditionellen) Synallagmas des Arbeitsvertrags beantworten.
III. Zweck des Arbeitsvertrags Bei der Frage nach dem Zweck des Arbeitsvertrags muss man über die zu Beginn der Untersuchung getroffene Feststellung, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag um einen schuldrechtlichen Austauschvertrag handelt,304 hinausgehen. Das 301 Die Frage nach der Geeignetheit der Arbeitsleistung zur Erreichung des nach dem Vertrag vorausgesetzten Zwecks darf nicht mit der Frage, ob die Arbeitsleistung zur Erlangung der mit dem Vertrag erstrebten Ergebnisse geeignet ist, gleichgesetzt werden. Hierauf weist auch Tillmanns ausdrücklich hin (Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 226). Tillmanns greift bei der Anwendung ihres funktionalen Nichtund Teilleistungsbegriffs (oben § 5 B. III. und V.) aus diesem Grund auf den ihrer Ansicht nach weniger problematischen Terminus der Funktion der Tätigkeit zurück. Da sie dem Begriff der Funktion der Tätigkeit aber im Ergebnis eine völlig andere, viel eher am Resultat der Arbeitsleistung orientierte Bedeutung zukommen lässt, gelangt sie im Ergebnis zu einem erheblich weiteren Anwendungsbereich der Vorschriften über die (teilweise) Nichtleistung. Allgemein zum Merkmal der Finalität des Schuldverhältnisses, Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. I Allgemeiner Teil Tb. 1, S. 93 f.; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 17 ff. 302 Dazu sogleich § 5 D. III. 303 Dazu unten § 5 D. IV. 304 Oben § 2.
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Wesen des Arbeitsvertrags erschöpft sich nämlich nicht in dem Austausch von Arbeit und Entgelt. Diese Austauschbeziehung findet sich auch im Dienst- und unter Hinzunahme des besonderen Erfolgsmoments auch im Werkvertrag. Erkenntnisse für den dem Arbeitsvertrag zu Grunde liegenden Vertragszweck lassen sich erst gewinnen, wendet man sich den Merkmalen zu, nach denen der Arbeitsvertrag von den anderen auf menschliche Arbeit gerichteten Vertragstypen unterschieden wird. Darüber hinaus wird der Zweck des konkreten Arbeitsvertrags regelmäßig durch die geschuldete Art der Dienste näher konkretisiert. 1. Zeitlich bestimmte Verfügbarkeit der Dienste des Arbeitnehmers Im Regelfall geht es dem Arbeitgeber beim Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem Arbeitnehmer vorrangig darum, sich die Verfügbarkeit der Dienste des Arbeitnehmers innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens zu sichern. Die besondere Bedeutung der zeitlich bestimmten Verfügbarkeit des Arbeitnehmers für den Zweck des Arbeitsvertrags zeigt sich zunächst daran, dass bei der Abgrenzung des Arbeitsvertrags vom Werkvertrag die zeitliche Verfügbarkeit des Schuldners eine große Rolle spielt. So wird der Dienstvertrag vom Werkvertrag nach zutreffender Auffassung anhand der Verteilung des Entgeltrisikos abgegrenzt.305 Die „Faustformel“, dass der Werkunternehmer ein „Werk“ und der Dienstverpflichtete ein „Wirken“ schuldet, ist demgegenüber in zahlreichen Fällen wenig hilfreich.306 Ein Werkvertrag liegt in Abgrenzung zum Dienstvertrag vor, wenn der Zweck, der mit der versprochenen Arbeitsleistung verfolgt wird, unmittelbar Inhalt des Leistungsversprechens ist und der Erwerb der vereinbarten Vergütung für den Schuldner daher nicht mehr allein voraussetzt, dass er durch die Erbringung der Dienstleistung dem Gläubiger zur Verfügung steht.307 Demgegenüber ist von einem Dienstvertrag auszugehen, wenn der Erwerb der vereinbarten Vergütung allein vom Tätigwerden des Verpflichteten abhängt und nicht davon, dass ein über die Arbeit hinausgehender Erfolg eintritt.308 Die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag anhand der Verteilung des Entgeltrisikos findet sich schon in den einschlägigen Gesetzesmaterialien:
305 MüKo-Busche, § 631 Rn. 9; Esser/Weyers, Schuldrecht Bd. II Besonderer Teil Tb. 1, S. 233; Staudinger-Peters/Jacoby, Vorbem zu §§ 631 ff. Rn. 27; Staudinger-Richardi, Vorbem zu § 611 Rn. 39 ff.; Richardi, ZfA 1988, 221, 248 ff.; Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 21. 306 Siehe Esser/Weyers, Schuldrecht Bd. II Besonderer Teil Tb. 1, S. 232 f. 307 MüKo-Busche, § 631 Rn. 9; Staudinger-Richardi/Fischinger, Vorbem zu § 611 Rn. 44; Richardi, ZfA 1988, 221, 249; Windscheid, HeidelbKritZ, Bd. 2 (1855), S. 106, 138 f. 308 MüKo-Busche, § 631 Rn. 9; Staudinger-Richardi/Fischinger, Vorbem zu § 611 Rn. 44; Richardi, ZfA 1988, 221, 250.
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„Bei dem Dienstvertrage wird für die Arbeit als solche, bei dem Werkvertrage für das Arbeitsprodukt die Vergütung versprochen.“ 309
Zurückzuführen sind die Unterschiede in der Risikoverteilung bei Werk- und Dienstverträgen auf den unterschiedlichen Inhalt des jeweiligen Leistungsversprechens. Während beim Werkvertrag der Zweck der Arbeitsleistung den Inhalt des Leistungsversprechens prägt,310 verspricht der Schuldner eines Dienstvertrags dem Gläubiger typischerweise seine Dienste für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung zu stellen.311 Der Inhalt des typischen dienstvertraglichen Leistungsversprechens wird durch die zeitliche Fixierung der Erbringung der Arbeitsleistung spezifiziert.312 Dass es zudem gerade dem Arbeitgeber beim Abschluss eines Arbeitsvertrags unter anderem um die zeitlich bestimmte Verfügbarkeit des Arbeitnehmers geht, zeigt sich an den Kriterien, auf welche die herrschende Meinung bei der Abgrenzung von Arbeitsverträgen und freien Dienstverträgen zurückgreift. Nach der Legaldefinition in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbständig, „wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.“ Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs (Recht der Handelsvertreter) vom 6.8.1953313 mit dem Ziel eingeführt worden, den selbständigen Handelsvertreter von dem als Handlungsgehilfen angestellten Arbeitnehmer abzugrenzen. Nach der Rechtsprechung des BAG314 lassen sich die in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB aufgeführten Abgrenzungskriterien über den unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift hinaus „auch auf andere Mitarbeiter in vergleichbarer Lage“ anwenden. Hat der Dienstverpflichtete das Recht, sich die Arbeitszeit frei einzuteilen, verneint das BAG dementsprechend regelmäßig die Arbeitnehmereigenschaft. 315 Dass der Arbeitnehmer hinsichtlich der zeitlichen Einteilung seiner Arbeitsleistung den Weisungen des Arbeitgebers unterliegt, ist dabei freilich nur ein Indiz und kein bindendes Kriterium für die Anerkennung 309
Motive II, S. 471. MüKo-Busche, § 631 Rn. 9; Staudinger-Richardi/Fischinger, Vorbem zu § 611 Rn. 44; Richardi, ZfA 1988, 221, 249. 311 MüKo-Busche, § 631 Rn. 9; Staudinger-Richardi/Fischinger, Vorbem zu § 611 Rn. 42; Richardi, ZfA 1988, 221, 249. 312 Picker, JZ 1985, 693, 699 (Fn. 113); Preis/Hamacher, Jura 1998, 11, 12. 313 BGBl. I 1953, S. 771. 314 BAG vom 15.3.1978 – 5 AZR 819/76, AP Nr. 26 zu § 611 Abhängigkeit (unter B II 2 a); ebenso BAG vom 21.9.1977 – 5 AZR 373/76, AP Nr. 24 zu § 611 Abhängigkeit (unter 3 bb); vom 09.9.1981 – 5 AZR 477/79, AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit (unter II 2 a); vom 13.1.1983 – 5 AZR 149/82, AP Nr. 42 zu § 611 Abhängigkeit (unter B II 1); 20.7.1994 – 5 AZR 627/93, AP Nr. 73 zu § 611 Abhängigkeit (unter B I). 315 BAG AP Nr. 7 zu § 5 ArbGG 1953; vom 28.2.1962 – 4 AZR 141/61, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Abhängigkeit; vom 21.9.1977 – 5 AZR 373/76, AP Nr. 24 zu § 611 Abhängigkeit; vom 27.3.1991 – 5 AZR 194/90 AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit; vom 13.11.1991 – 7 AZR 31/91, AP Nr. 60 zu § 611 Abhängigkeit. 310
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der Arbeitnehmereigenschaft.316 Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich die vom BAG praktizierte typologische Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft anhand einer Vielzahl von Merkmalen wie der zeitlichen Verfügbarkeit in der Literatur starkem Widerspruch ausgesetzt sieht.317 Unabhängig von der Frage, welche Bedeutung dem Weisungsrecht des Arbeitgebers für den Einzelfall hinsichtlich der zeitlichen Einteilung der Arbeit für die Abgrenzung des freien Dienstvertrags vom Arbeitsvertrag zukommt, zeigt sich jedoch anhand der Rechtsprechung des BAG und der in der Literatur geführten Diskussion deutlich, dass das Arbeitsverhältnis typischerweise durch einen bestimmten zeitlichen Rahmen gekennzeichnet ist, innerhalb dessen Grenzen der Arbeitgeber kraft des Arbeitsvertrags berechtigt ist, über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zu verfügen. Es ist an dieser Stelle daher festzuhalten, dass ein Aspekt des Zwecks des typischen Arbeitsvertrags darin liegt, dass der Arbeitgeber berechtigt wird, über die Dienste des Arbeitnehmers in einem bestimmten zeitlichen Rahmen zu verfügen. 2. Eingliederung des Arbeitnehmers in die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation Damit ist der von den Arbeitsvertragsparteien verfolgte Vertragszweck allerdings zunächst nur vage umschrieben. Eine klarere Form nimmt der Zweck des typischen Arbeitsvertrags an, führt man sich ein weiteres mit der zeitlichen Verfügbarkeit des Arbeitnehmers eng verzahntes Kriterium für die Unterscheidung des Arbeitsvertrags vom freien Dienstvertrag vor Augen. Die Abgrenzung des Arbeitsvertrags vom freien Dienstvertrag erfolgt gemäß der auf Alfred Hueck318 zurückgehenden Definition des Arbeitnehmers: „Arbeitnehmer sind die auf Grund privatrechtlichen Vertrages im Dienst eines anderen zur Arbeit verpflichteten Personen“ vor allem danach, ob Arbeit im Dienste eines anderen geleistet werden muss.319 Voraussetzung dafür, dass Arbeit im Dienst eines anderen, das heißt unselbständig erbracht wird, ist nach herkömmlicher Auffassung, dass der Dienstverpflichtete in persönlicher Abhängigkeit vom Dienstberechtigten fremdbestimmte Arbeit verrichtet.320 316 HWK-Thüsing, Vor § 611 Rn. 45. Dies zeigt sich vor allem bei Gleitzeitvereinbarungen, die es dem Arbeitnehmer erlauben, zumindest die Lage der Arbeitszeit und für bestimmte Zeiträume auch die Dauer der Arbeitszeit, zum Teil nur außerhalb der Grenzen einer bestimmter Kernzeit, frei zu bestimmen (siehe ErfKommArbR-Preis § 12 TzBfG Rn. 9). 317 Siehe Staudinger-Richardi/Fischinger, Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 244 ff.; MüHdBArbR-Richardi, § 16 Rn. 35 ff.; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 24 ff. 318 Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 34 f. 319 MüHdBArbR-Richardi, § 16 Rn. 16. 320 BAG vom 28.2.1962 – 4 AZR 141/61, BAGE 12, 303, 307; vom 16.12.1965, BAGE 18, 54; vom 9.2.1967 – 5 AZR 320/66, NJW 1967, 1486, 1487; vom 8.6.1967 –
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Zur Bestimmung der persönlichen Abhängigkeit zieht das BAG in seiner Rechtsprechung dabei zunächst die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb oder, um es allgemeiner zu fassen, die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers heran.321 Maßgeblich sei, so das BAG322, „die Notwendigkeit einer ständigen engen Zusammenarbeit mit anderen im Dienst stehenden Personen, die Unterordnung unter solche Personen und die Möglichkeit für den Dienstberechtigten, über die Arbeitszeit des Mitarbeiters zu verfügen“. Dass die Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines anderen als Merkmal bei der Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft eine Rolle spielt, wird dabei schon seit Langem vertreten. Bereits Otto von Gierke323 sah die Funktion des Anstellungsvertrags darin begründet, die Arbeit des Einzelnen in ein herrschaftliches Ganzes einzugliedern. Dieser Gedanke von Gierkes findet sich auch bei Molitor324 wieder, nach dessen Auffassung die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb oder eine andere vom Arbeitgeber geschaffene Organisation der Grund für dessen Abhängigkeit ist. Nikisch325 ging schließlich gar davon aus, dass die Abhängigkeit des Arbeitnehmers erst durch Einordnung des Arbeitnehmers in den Betrieb oder den sonstigen Arbeitsbereich des Arbeitgebers begründet werde und darüber hinaus das Arbeitsverhältnis selbst gemäß der so genannten Eingliederungstheorie erst durch die Einordnung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers zustande komme.326 5 AZR 461/66, BAGE 19, 324, 329; vom 14.2.1974 – 5 AZR 298/73, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Abhängigkeit (II 1); vom 15.3.1978 – 5 AZR 818/76, AP Nr. 25 zu § 611 BGB Abhängigkeit (II 2); vom 17.5.1978 – 5 AZR 580/77, AP Nr. 28 zu § 611 Abhängigkeit (1), vom 7.5.1980 – 5 AZR 293/78, AP Nr. 35 zu § 611 BGB Abhängigkeit (3a); vom 7.5.1980 – 5 AZR 593/78, AP Nr. 36 zu § 611 BGB Abhängigkeit (II 1), vom 13.8.1980 – 4 AZR 592/78, AP Nr. 37 zu § 611 Abhängigkeit; vom 9.9.1981 – 5 AZR 477/79, AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit (II); vom 13.1.1981 – 5 AZR 149/82, Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit ((B II 1); vom 16.10. 1987 – 7 AZR 519/ 86, AP Nr. 69 zu § 613 a BGB (I 2 a); vom 27.3.1991 – 5 AZR 194/90, AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit (I 1); vom 20.7.1994 – 5 AZR 627/93, AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit (B I); vom 12.9.1996 – 5 AZR 104/95, AP Nr. 122 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten (I); vom 16.7.1997 – 5 AZR 312/96, AP zu Nr. 4 zu § 611 Zeitungsausträger (I); Griebeling, RdA 1998, 208 ff.; Hromadka, RdA 1992, 234 ff.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 41. 321 BAG vom 13.8.1980 – 4 AZR 592/78, AP Nr. 37 zu § 611 Abhängigkeit; vom 09.9.1981 – 5 AZR 477/79, AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit; vom 07.2.2007 – 5 AZR 270/06, AP Nr. 118 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 322 BAG vom 13.8.1980 – 4 AZR 592/78, AP Nr. 37 zu § 611 Abhängigkeit. 323 von Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 3, S. 593; ders., Soziale Aufgabe, S. 40. 324 Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, S. 84 f. 325 Vgl. Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 162 f.; 165 ff. 326 Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 158 ff., 165; ders., RdA 1960, 1, 4. Diese Auffassung wird heute allgemein abgelehnt. Das Arbeitsverhältnis kommt entsprechend der auf Alfred Hueck (siehe Hueck, Deutsches Arbeitsrecht, S. 68 ff.) zurückgehenden Vertragstheorie durch den Abschluss des Arbeitsvertrags zustande. Siehe Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 255 ff.; HWK-Thüsing, § 611 Rn. 30 ausführlich zum
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
Ob zur Abgrenzung des Arbeitsvertrags vom freien Dienstvertrag an das Kriterium der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation angeknüpft werden sollte, kann an dieser Stelle dahin stehen. Maßgeblich kommt es im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung darauf an, dass die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers ein wesentlicher Bestandteil des Zwecks des Arbeitsvertrags ist. Dass die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers unabhängig davon, ob sie sich als Abgrenzungskriterium eignet, eng mit dem Zweck des Arbeitsvertrags verknüpft ist, zeigt sich bereits daran, dass sich die Vertreter der Abgrenzung von freiem Dienst- und Arbeitsvertrag anhand der Eingliederung des Arbeitnehmers in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation unmittelbar auf die dem Arbeitsvertrag zu Grunde liegende Interessenlage beziehen. So ist beispielsweise Nikisch der Auffassung, die besondere Bedeutung der Eingliederung in die fremdbestimmte Arbeitsorganisation zeige sich, wenn man sich vor Augen führe, „wie es zur Begründung von Arbeitsverhältnissen kommt, und welche Bedürfnisse damit befriedigt werden.“ Jeder, der sich einer laufend zu erfüllenden Arbeitsaufgabe gegenübergestellt sehe, die seine eigenen Kräfte übersteige, sei auf Hilfskräfte angewiesen, die dauerhaft für ihn tätig werden. Nikisch betont dabei, dass der angestrebte Arbeitserfolg sich häufig nur unter der Voraussetzung erreichen lasse, dass die angesprochenen Hilfskräfte „in den Herrschaftsbereich des anderen eintreten und sich der dort bestehenden Ordnung der Arbeit unterwerfen.“ Eben dieses Motiv leite den Arbeitgeber beim Abschluss eines Arbeitsvertrags. Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags erkläre sich der Arbeitnehmer dementsprechend bereit, unter fremder Leitung und mit den vom Arbeitgeber bereit gestellten Mitteln zu arbeiten.327 Nikisch umschreibt damit nichts anderes als den Arbeitsverträgen typischerweise zu Grunde liegenden Vertragszweck. Aus dem derart definierten Vertragszweck gewinnt Nikisch das für die Abgrenzung von freiem Dienst- und Arbeitsvertrag nach seinem Dafürhalten maßgebliche Kriterium der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation.328 Die Gründe für die von Nikisch beschriebene Notwendigkeit der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers werden deutlich, wenn man sich den Umstand vor Augen führt, dass die geschuldete Arbeitsleistung häufig ein auf Seiten des Arbeitgebers stehendes „Leistungssubstrat“ 329 erreichen muss. Deutlich wird dies insbesondere bei Tätigkeiten, deren Gelingen davon abhängt, dass der Arbeitnehmer Material des Arbeitgebers verarbeitet, Arbeiten an vom Arbeitgeber bereitgestellten Gegenständen oder Personen ausführt, Theorienstreit Bötticher, RdA 1955, 321 ff.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 115 ff.; Hueck, RdA 1955, 323 ff. 327 Nikisch, RdA 1960, 1, 2. 328 Nikisch, RdA 1960, 1, 2; zustimmend Zeuner, RdA 1975, 84, 85. 329 Vgl. zu der Bedeutung des Leistungssubstrats im Dienst- und Arbeitsvertrag Picker, JZ 1985, 693 ff.; ders., FS für Otto Rudolf Kissel 1994, S. 813 ff.
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Kunden des Arbeitgebers bedient oder berät. Die Arbeitsleistung wird dementsprechend auch als „(gläubiger-)substratsabhängig“ bezeichnet.330 Neben der Substratsabhängigkeit ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung häufig nur in Kooperation mit seinen Kollegen sinnvoll erbringen kann. Diesen Umstand ziehen Preis/Hamacher331 heran, um die besondere Bedeutung der Eingliederung des Arbeitnehmers in die fremdbestimmte Arbeitsorganisation zu betonen. Einen weiteren Aspekt der Verknüpfung der Einordnung des Arbeitnehmers in die fremdbestimmte Arbeitsorganisation mit dem Zweck von Arbeitsverträgen zeigt Jacobi332 auf, wenn er das „Herrschafts- und Machtverhältnis“ zwischen den Arbeitsvertragsparteien auf die Notwendigkeit zurückführt, dass die einzelne Arbeitsleistung nicht von vornherein feststehe, sondern erst im Verlaufe des Dauerschuldverhältnisses festgelegt werden müsse. Jacobi beschreibt damit den Umstand, dass es dem Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrags für den Arbeitnehmer ersichtlich unter anderem auch darauf ankommt, die Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses an die Notwendigkeiten seines Betriebs anzupassen. Bereits bei Nikisch wird dabei deutlich, dass „auch andere Personen, die keine Arbeitnehmer sind“ innerhalb der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers, insbesondere innerhalb eines Betriebs tätig werden. Dies nehme aber, so Nikisch zu Recht, der Eingliederung in die fremdbestimmte Arbeitsorganisation „nichts von ihrer grundsätzlichen Bedeutung für das Arbeitsrecht.“ 333 Insbesondere stellt die Feststellung, dass auch andere, nicht als Arbeitnehmer beschäftigte Personen in gewissem Maße in betriebliche Abläufe integriert werden, nicht in Frage, dass die Eingliederung des Arbeitnehmers in die vom Arbeitgeber bestimmte Arbeitsorganisation den Zweck des Arbeitsvertrags entscheidend prägt.334 3. Geschuldete Art der Arbeitsleistung Mit der zeitlich bestimmten Verfügbarkeit des Arbeitnehmers und der Eingliederung des Arbeitnehmers in die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation ist der Zweck des Arbeitsvertrags allerdings noch nicht abschließend bestimmt. Im Regelfall enthält der Arbeitsvertrag mit der Bestimmung der Art der geschuldeten Tätigkeit eine weitere bedeutsame Konkretisierung des Vertragszwecks. 330
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages S. 219. Preis/Hamacher, Jura 1998, 11, 12. 332 Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, S. 48. 333 Nikisch, RdA 1960, 1, 3. 334 Im Ergebnis zustimmend sieht auch W. Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, S. 347 in der „Teilnahme am Produktionsprozess in einer fremden – dem Arbeitgeber zugeordneten – Produktionsveranstaltung“ den maßgeblichen Zweck des Arbeitsvertrags. 331
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
Gemäß § 611 Abs. 2 BGB können Dienste jeder Art zum Gegenstand der Leistungspflicht im Rahmen eines Dienstvertrags gemacht werden. Die konkrete Art der zu leistenden Dienste bestimmt sich dabei nach dem Vertrag. Für Arbeitsverträge bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG, dass der Nachweis, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aushändigen muss, „eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit“ zu enthalten hat. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung hierüber, ist anhand der Umstände bei der Einstellung zu ermitteln, in welchem Arbeitsbereich der Arbeitnehmer arbeiten soll.335 Mit der vertraglich vereinbarten Art der Tätigkeit wird im Ergebnis der Bereich der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers vorgegeben, in den sich der Arbeitnehmer, will er seine arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen, einzuordnen hat. Der Arbeitgeber wird häufig das Bedürfnis haben, eine Vielzahl von Arbeitnehmern arbeitsteilig einzusetzen um die Effizienz der Arbeit des Einzelnen und damit die Effizienz seines Unternehmens zu erhöhen. Um dem Ziel einer arbeitsteiligen Arbeitsorganisation gerecht zu werden, muss der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern einzelne Arbeitsbereiche zuweisen. Dies geschieht zumindest in erster Linie durch die Festlegung der Art der Tätigkeit bei Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Art der Tätigkeit konkretisiert mithin den mit der organisatorischen Eingliederung des Arbeitnehmers abstrakt umschriebenen Zweck des Arbeitsvertrags. Die besondere Bedeutung der Art der Arbeitsleistung findet schließlich eine Entsprechung in der Einschränkung, welche die Leistungsmacht des Arbeitnehmers durch die Festlegung der Art der zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag erfährt. Es ist allgemein anerkannt, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers dort an rechtliche Grenzen stößt, wo der Arbeitsvertrag die Dienste, zu denen sich der Arbeitnehmer verpflichtet, näher konkretisiert. Je enger die Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers sowie die Einzelheiten seiner Beschäftigung, der Einsatzort, Umfang und Lage der Arbeitszeit arbeitsvertraglich festgeschrieben sind, umso weniger Spielraum verbleibt dem Arbeitgeber zur Ausübung des Weisungsrechts.336 Ist die vertragliche Tätigkeit der Art nach bestimmt, darf ein durch einseitige Arbeitgeberweisung neu zugewiesener Aufgabenbereich nicht außerhalb des Berufsbildes liegen, das dem vertraglichen Aufgabenkomplex entspricht.337 Die Zuweisung muss sich dann im Rahmen der Tätigkeitsbeschreibung halten.338
335
Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 522. LAG Köln vom 26.10.1984 – 6 Sa 740/84, NZA 1985, 258; LAG RheinlandPfalz vom 13.10.1987 – 3 Sa 457/87, NZA 1988, 471 f.; ErfKommArbR-Preis, § 106 GewO Rn. 5. 337 LAG Rheinland-Pfalz vom 13.10.1987 – 3 Sa 457/87, NZA 1988, 471 f.; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 524. 338 BAG 9. Senat, Urteil vom 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, AP Nr. 17 zu § 307 BGB Rn. 18 ff.; zur Rollenzuweisung an Schauspielerin BAG 13. 6. 2007 – 5 AZR 564/06 – AP Nr. 11 zu § 611 BGB Film Rn. 20 ff. 336
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Verpflichtet sich der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag, Arbeitsaufgaben wahrzunehmen, die keine besonderen Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordern, kann es mitunter dazu kommen, dass sich eine bestimmte Art der Tätigkeiten weder ausdrücklich aus dem Arbeitsvertrag noch aus den Umständen des Vertragsschlusses ergibt. Der Arbeitgeber ist dann frei, dem Arbeitnehmer Arbeiten jeglicher Art zuzuweisen. In derartigen Fällen beschränkt sich der Zweck des Arbeitsvertrags auf die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers. 4. Zusammenfassung Es kann daher an dieser Stelle festgehalten werden, dass der Zweck des Arbeitsvertrags zunächst darin besteht, den Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, über die zugesagten Dienste des Arbeitnehmers in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen zu verfügen. Der Arbeitgeber verfügt über die Dienste des Arbeitnehmers, indem er den Arbeitnehmer in die eigene Arbeitsorganisation eingliedert, um sich die Arbeitskraft des Arbeitnehmers seinen Vorstellungen von Effektivität entsprechend nutzbar zu machen. Soweit sich aus dem Vertrag oder aus den Umständen ein bestimmter Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers nicht ermitteln lässt, was wegen der in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG angeordneten Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beschreibung des Tätigkeitsbereichs im Arbeitsvertrag nur ausnahmsweise der Fall ist, erschöpft sich der Vertragszweck in der ausschließlich zeitlich bestimmten Eingliederung des Arbeitnehmers. Ist hingegen eine bestimmte Art als arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit bestimmbar, konkretisiert sich der Vertragszweck in der Eingliederung des Arbeitnehmers in den der Art der geschuldeten Tätigkeit entsprechenden Einsatzbereich innerhalb der Arbeitsorganisation.
IV. Identitätsmerkmale der Arbeitsleistung Die Identität der Arbeitsleistung ist anhand der Merkmale zu bestimmen, welche die Arbeitsleistung beschreiben. Zu den Merkmalen der Arbeitsleistung zählen dabei die Umstände ihrer Erbringung, die Einhaltung der Leistungszeit und der Leistungsdauer und die Erbringung der Arbeitsleistung an dem vereinbarten Ort. Daneben zählen zu den Merkmalen der Arbeitsleistung auch ihre inhaltlichen Eigenschaften, etwa die höchstpersönliche Leistungserbringung, die Weisungstreue und die Qualität der Arbeitsleistung. Es wird sich dabei zeigen, dass nicht jedes Merkmal, welches die Arbeitsleistung beschreibt, auch ihre Identität bestimmt. Für jedes ausdrücklich oder konkludent vereinbarte Merkmal der Arbeitsleistung wird erst zu bestimmen sein, ob ihm im Hinblick auf den soeben definierten Vertragszweck ein so hoher Stellenwert zukommt, dass es – gegebenenfalls im Zusammenhang mit anderen Merkmalen – im Rahmen eines Vergleichs der tatsächlich erbrachten „Ist-Arbeitsleistung“ mit der vertraglich ver-
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
sprochenen „Soll-Arbeitsleistung“ die Identität der Arbeitsleistung bestimmt. Dabei soll, wie bereits angesprochen,339 zwischen dem örtlichen, dem zeitlichen und dem inhaltlichen Moment der Arbeitsleistung differenziert werden. Bei den inhaltlichen Eigenschaften der Arbeitsleistung kann ferner danach differenziert werden, ob es sich um eine Eigenschaft handelt, die im Sinne eines Mehr oder Weniger vorliegen kann – Tillmanns340 spricht in diesem Zusammenhang von relativen Eigenschaften – oder eine – nach Tillmanns341 – absolute Eigenschaft, die entweder vorliegt oder nicht vorliegt. Zu der ersten Gruppe von Eigenschaften zählen insbesondere solche Eigenschaften, welche die Qualität der Arbeitsleistung betreffen. Eine Arbeitsleistung kann mehr oder weniger sorgfältig erbracht werden und damit mehr oder weniger der geschuldeten Qualität entsprechen. Dagegen kann als Beispiel für eine absolute Eigenschaft, die höchstpersönliche Leistungserbringung gelten. Die Arbeitsleistung wird entweder vom Arbeitnehmer selbst oder von einem anderen ausgeführt. Soweit eine relative Eigenschaft die Funktion eines Identifikationsmerkmals erfüllt, wird zu bestimmen sein, ab welchem Umfang der Unterschreitung des geschuldeten Maßes der Eigenschaft die Identität der Arbeitsleistung nicht mehr gewahrt ist und eine Nichtleistung angenommen werden muss. Eine Nichtleistung liegt dabei immer nur für den Zeitraum vor, in dem der Arbeitsleistung ein absolutes Identifikationsmerkmal fehlt bzw. eine relatives Identifikationsmerkmal in so großem Umfang das geschuldete Maß unterschreitet, dass die Identität der Arbeitsleistung im Hinblick auf den Vertragszweck nicht mehr gewährleistet ist. 1. Bestimmung der Identität der Arbeitsleistung qua Ausübung des Weisungsrechts Schwierigkeiten ergeben sich in diesem Zusammenhang dadurch, dass einige Merkmale der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend bestimmt, sondern durch den Arbeitgeber durch Ausübung seines Weisungsrechts fortlaufend konkretisiert werden. So ist beispielsweise bei Außendienstmitarbeitern oder Monteuren der Ort an dem die konkrete Arbeitsleistung zu erbringen ist, arbeitsvertraglich regelmäßig nicht bestimmt. Auch die Lage der Arbeitszeit ist anders als die Dauer in der Regel nicht Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Schließlich wird auch die Art der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag typischerweise nur grob umrissen. Diese Merkmale der Arbeitsleistung werden für gewöhnlich durch Weisungen des Arbeitgebers konkretisiert. Für jedes einzelne dieser bei Vertragsschluss nicht abschlie339 340 341
Oben § 5 D. II. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 221, 238. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 221, 237.
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ßend konkretisierten Merkmale wird zu überprüfen sein, ob der Umstand, dass eine Konkretisierung erst durch die Ausübung des Weisungsrechts stattfindet, der Qualifikation des jeweiligen Merkmals als Identifikationsmerkmal entgegensteht. Um dabei die Grenzen zu bestimmen, die einem einseitigen Einwirken des Arbeitgebers auf die Identität der Arbeitsleistung gesetzt sind, ist an die Ausführungen zu der Frage anzuknüpfen, inwieweit der Arbeitgeber berechtigt ist, durch die Ausübung seines Weisungsrechts auf die Austauschbeziehung einzuwirken. Wie aufgezeigt wirken sich die Weisungen des Arbeitgebers grundsätzlich nicht auf das Synallagma des Arbeitsvertrags aus. Es wird daher zu prüfen sein, ob der Arbeitsvertrag selbst alle Identitätsmerkmale der Arbeitsleistung abschließend regelt oder bestimmte Identitätsmerkmale der einseitigen Ausgestaltung durch den Arbeitnehmer vorbehält. Insbesondere im Hinblick auf den Leistungsort und die Lage der Arbeitszeit, aber auch hinsichtlich der Art der Arbeitsleistung wird dabei zu untersuchen sein, ob sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers in bestimmten Konstellationen aus zwingenden, im Arbeitsvertrag selbst angelegten Gründen letztlich doch auf Bestandteile der Austauschbeziehung auswirken muss. Dabei ist zu beachten, dass nicht jedes Recht des Arbeitnehmers zur einseitigen Bestimmung von Leistungen zwingend auch das Synallagma von Lohn und Arbeit betrifft. Eine Auswirkung auf die Austauschbeziehung haben die Weisungen des Arbeitgebers nur dort, wo es nicht allein um die Konkretisierung des Leistungsinhalts geht, sondern eine Vertragslücke besteht, die sich nicht auf den Leistungsinhalt beschränkt sondern die Austauschbeziehung selbst betrifft. Dafür, dass das Weisungsrecht im Hinblick auf den Ort der Arbeitsleistung und ihre zeitliche Lage auch die Austauschbeziehung betrifft, gibt es einen zwingenden Grund, nämlich die Substratsabhängigkeit der Arbeitsleistung. Der Ort der Erbringung der Arbeitsleistung und die Lage der Arbeitszeit sind so wesentlich dafür, dass Arbeitnehmer und Leistungssubstrat zusammentreffen, dass, soweit der Vertrag hier keine abschließende Regelung trifft und die Regelung dieser Leistungsmerkmale der einseitigen Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber überlässt, davon auszugehen ist, dass die Leistungsbestimmung auch die Identität der Arbeitsleistung und damit im Ergebnis die Austauschbeziehung betrifft. Dies gilt freilich nur soweit, wie der Vertrag hierzu eine Lücke enthält. 2. Leistungsort Es ist bereits aufgezeigt worden, dass die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu erbringende Arbeitsleistung in der Regel auf ein auf der Seite des Arbeitgebers stehendes Leistungssubstrat treffen muss.342 Die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung wird dementsprechend als (gläubiger-)substratsabhängig be342
Oben § 5 D. III. 2.
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zeichnet.343 Mit Rücksicht auf die Abhängigkeit des Gelingens der Arbeitsleistung von der Bereitstellung des Leistungssubstrats wird daher im Arbeitsvertrag typischerweise ein Ort vereinbart, regelmäßig der Betrieb, in dem das Leistungssubstrat mit dem Arbeitnehmer zusammentrifft. Ein besonderes Regelungsbedürfnis hinsichtlich des Leistungsorts besteht aus Sicht des Arbeitgebers schon deshalb, weil gemäß § 269 Abs. 1 BGB der Wohnsitz des Arbeitnehmers subsidiär Leistungsort ist, wenn eine Ortsbestimmung im Arbeitsvertrag fehlt und sich auch nicht aus den Umständen ergibt. a) Betrieb als Leistungsort Es wird regelmäßig ein bestimmter Betrieb des Arbeitgebers als Leistungsort vertraglich vereinbart. Die Zuweisung der genauen Stelle innerhalb des Betriebs erfolgt, wenn sie sich nicht schon aus den Umständen des Vertragsschlusses oder der Art der geschuldeten Tätigkeit ergibt, qua Arbeitgeberweisung. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitsvertrag vorsieht, dass der Arbeitnehmer in verschiedenen Betrieben des Arbeitnehmers oder im Außendienst eingesetzt werden kann. Wird der Leistungsort nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag bestimmt, ergibt er sich häufig aus den äußeren Umständen, insbesondere aus der Art der geschuldeten Arbeitsleistung, die regelmäßig Rückschlüsse auf den Leistungsort zulässt.344 Wegen der besonderen Verknüpfung der Arbeitsleistung mit dem vom Arbeitgeber zu stellenden Leistungssubstrat, kommt dem Leistungsort im Hinblick auf den Vertragszweck des Arbeitsvertrags ein hoher Stellenwert zu. Führt der Arbeitnehmer seine Arbeiten nicht an dem dafür vorgesehenen Ort aus, kann der Arbeitgeber unter normalen Umständen nicht über die Tätigkeit verfügen. Er kann im Normalfall nur an dem vereinbarten Leistungsort – regelmäßig dem Betrieb – qua Ausübung seines Weisungsrechts, die Tätigkeit seines Arbeitnehmers in die von ihm gestaltete Arbeitsorganisation einfügen. Ist dem Arbeitsvertrag daher ausdrücklich oder unter Berücksichtigung der begleitenden Umstände ein bestimmter Arbeitsort zu entnehmen, entspricht die an einem anderen Ort erbrachte Tätigkeit des Arbeitnehmers, sei sie auch im Übrigen Vertragsgerecht, nicht der Identität der geschuldeten Arbeitsleistung. b) Entsendung des Arbeitnehmers an wechselnde Einsatzorte Es stellt sich schließlich die Frage, ob die Arbeitsleistung auch dann in örtlicher Hinsicht identifizierbar ist, wenn für den Arbeitnehmer kraft ausdrücklicher Vereinbarung oder entsprechend den äußeren Umständen ein „wechselnder Ein343 Allgemein zum zeitbezogenen Dienstvertrag Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 218 f. 344 MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 48.
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satzort“ – z. B. die Ausführung von Botengängen, Montage- oder Bauarbeiten oder die Tätigkeit als Gebäudereiniger – vorgesehen ist.345 Man könnte geneigt sein, sich auf den Standpunkt stellen, soweit nicht ein konkreter Betrieb als Leistungsort vertraglich vereinbart werde, scheide auch eine Nichterfüllung in Ansehung des Orts aus. Ebenso in Betracht zu ziehen ist jedoch die Auffassung, dass die örtliche Identität der Arbeitsleistung dem Weisungsrecht des Arbeitgebers überantwortet ist, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, den Arbeitnehmer an wechselnde Einsatzorte zu entsenden. Im Hinblick auf den typischen Zweck des Arbeitsvertrags spricht für die letztgenannte Ansicht, dass das Zusammentreffen von Arbeitnehmer und Leistungssubstrat regelmäßig Voraussetzung dafür ist, dass die zu erbringende Arbeit gelingt. Damit ist den Arbeitsvertragsparteien beim Abschluss eines Arbeitsvertrags auch bewusst, dass die Arbeit an dem Ort erbracht werden muss, an dem der Arbeitgeber das Leistungssubstrat bereitstellt. Behält sich der Arbeitgeber nun ausdrücklich vor, den Arbeitnehmer an unterschiedlichen Orten einzusetzen oder ergibt sich dies aus den Umständen oder der Art der geschuldeten Tätigkeit, tritt für den objektiven Erklärungsempfänger hinreichend deutlich zu Tage, dass der Arbeitgeber sich vorbehalten will, zu bestimmen, an welchem Ort er den Arbeitnehmer und das Leistungssubstrat zusammenführen will. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber sich vertraglich vorbehält, den Arbeitnehmer an wechselnde Arbeitsorte außerhalb des Betriebs zu entsenden, kann es daher dazu kommen, dass durch die Weisung des Arbeitgebers die Arbeitsleistung ihre örtliche Identität erhält. Wegen der Grenzen, die der vertragsrechtliche Bindungsgrundsatz einseitigen Leistungsbestimmungsrechten setzt,346 ist ein Bestimmungsrecht hinsichtlich der örtlichen Identität der Arbeitsleistung jedoch nur dann anzuerkennen, wenn bei der Vereinbarung eines „wechselnden Einsatzorts“ vorgesehen ist, dass der Arbeitnehmer selbst dafür Sorge trägt, dass er an den angewiesenen Arbeitsort gelangt. Ist jedoch vertraglich vorgesehen, dass der Arbeitnehmer sich zunächst im Betrieb des Arbeitgebers einfindet und vom Betrieb aus an den jeweiligen Einsatzort verbracht wird, ist, unabhängig davon, wie der Arbeitnehmer an den Arbeitsort tatsächlich verbracht wird, nicht der Einsatzort, sondern der Betrieb maßgeblich für die örtliche Identität der Arbeitsleistung. Ordnet der Arbeitgeber in einer solchen Konstellation an, dass der Arbeitnehmer sich ohne vorher den Betrieb aufzusuchen, am Einsatzort einfinden soll, enthält diese Weisung einen Verzicht des Arbeitgebers auf die Einhaltung der örtlichen Identität der Arbeitsleistung.
345 Zum Begriff der Entsendung in diesem Zusammenhang MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 50. 346 Siehe oben § 5 C. IV. 3. b).
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c) Wahrung der örtlichen Identität Ist der maßgebliche Ort bestimmt, hängt die Wahrung der örtlichen Identität der Arbeitsleistung davon ab, ob der Arbeitnehmer die geschuldete Tätigkeit an diesem Ort ausübt. Die örtliche Identität der Arbeitsleistung ist unter Berücksichtigung des Vertragszwecks gewahrt, wenn der Arbeitnehmer sich in die arbeitgeberbestimmte Arbeitsorganisation in örtlicher Hinsicht eingliedert. Das ist der Fall, wenn an dem Ort gearbeitet wird, an dem der Arbeitgeber entsprechend der vertraglichen Vereinbarung oder entsprechend seiner Anweisung die tatsächliche Möglichkeit hat, das Zusammentreffen von Arbeitnehmer und Leistungssubstrat effektiv zu beeinflussen. Die geschuldete Identität der Arbeitsleistung ist erst dort nicht mehr gewahrt, wo der Bereich endet, innerhalb dessen der Arbeitgeber auf die Arbeitsorganisation effektiv Einfluss nehmen kann. Dies wiederum ist für jeden Einzelfall gesondert zu beurteilen. Es kann der Arbeitsleistung beispielsweise nicht schon dann die Identität abgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer innerhalb des Betriebs des Arbeitgebers am richtigen Fließband, aber an der falschen Stelle des Fließbands tätig wird. Selbst der Tätigkeit an einem anderen Fließband fehlt nicht ohne weiteres die geschuldete Identität. Als Nichtleistung wäre die Tätigkeit an der falschen Stelle innerhalb des Betriebs nur zu werten, wenn sich der Arbeitnehmer dabei bewusst weisungswidrig verhielte.347 Beispiel: 1. Der Malergeselle (M) ist angewiesen, Malerarbeiten am Südflügel des Hauptgebäudes der Bucerius Lawschool auszuführen. Tatsächlich wird er an einer Wand des Nordflügels tätig. 2. M führt die Malerarbeiten an einer Wand eines Gebäudes der Hamburger Universität aus. a) Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass der Arbeitnehmer sich zu Beginn jedes Arbeitstags im Betrieb des Arbeitgebers einfindet. Dort werden Einsatzorte und Arbeitsmaterial zugeteilt. Bei der Zuteilung des Arbeitsorts war der M unaufmerksam. b) Die Einsatzorte werden telefonisch zugeteilt, der Malergeselle sucht nur bei Bedarf den Betrieb auf, um neues Arbeitsmaterial zu beschaffen.
Im Beispielsfall 1 wird der Arbeitnehmer auf dem Gelände des Auftraggebers seines Arbeitgebers tätig. Begibt sich der Arbeitgeber oder ein Vorarbeiter vor Ort, um die Arbeiten zu beaufsichtigen oder auch nur, um neues Arbeitsmaterial bereitzustellen, fiele ohne weiteres auf, dass der Arbeitnehmer die falsche Wand streicht. Der Malergeselle wird in diesem Beispiel innerhalb der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers tätig. Die Identität der Arbeitsleistung ist mithin im Hinblick auf den Arbeitsort gewahrt. Anders liegt dies im Beispielsfall 2. Im Rahmen gewöhnlicher Kontrollmaßnahmen oder einfacher Materiallieferungen ließe sich der Fehler nicht ohne weiteres korrigieren. Würde das Fehlen des Arbeitnehmers bemerkt, müsste dieser erst ausfindig gemacht und an den eigentlichen Einsatzort beordert werden. 347
Dazu unten § 5 D. IV. 4. b).
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Allerdings ist in der Variante a) zu berücksichtigen, dass die örtliche Identität durch den Betrieb bestimmt wird und der Arbeitnehmer diesen aufgesucht hat. Daher ist nur in der Variante b) davon auszugehen, dass die Identität entsprechend dem Vertragszweck durch den jeweiligen Einsatzort bestimmt wird. Auf ein weiteres in der Literatur diskutiertes Beispiel sei an dieser Stelle noch hingewiesen, nämlich den Lkw-Fahrer, der mit seiner Ladung versehentlich den falschen Kunden anfährt. Nach dem Dafürhalten Brunes348 erbringt dieser LkwFahrer eine aliud-Leistung. Im Gegensatz zur ganz herrschenden Meinung knüpft Brune an eine aliud-Leistung die Rechtsfolgen der Schlechtleistung – nach dem hier vertretenen Standpunkt zu Unrecht. Von Interesse ist an dieser Stelle aber vorrangig, dass bereits die Einstufung als aliud-Leistung anzuzweifeln ist. Zumindest in örtlicher Hinsicht ist die Leistung eines Lkw-Fahrers entweder gar nicht oder allein durch den Betrieb der Spedition, der er angehört, identifizierbar. Das Ziel der jeweiligen Fahrt darf, knüpft man an die Tätigkeit selbst und nicht an den Erfolg der Tätigkeit an, nicht die Identität der gesamten Fahrleistung ausmachen. d) Zusammenfassung Es kann daher an dieser Stelle festgehalten werden, dass der Leistungsort für die Gewährleistung des Vertragszwecks grundsätzlich von so großer Bedeutung ist, dass er als ein Identifikationsmerkmal der Arbeitsleistung gelten muss. Eine Arbeitsleistung, die an einem anderen Ort als dem vereinbarten oder zugewiesenen Ort erfolgt, besitzt nicht mehr die geschuldete Identität. Eine solche Arbeitsleistung ist, sei sie auch im Übrigen vertragsgemäß, als Nichterfüllung zu behandeln. Bei Vertragsverhältnissen, bei denen der Betrieb des Arbeitgebers und der Einsatzort des Arbeitnehmers auseinanderfallen, ist jedoch genau zu prüfen, ob die Arbeitsleistung überhaupt eine örtliche Identität besitzt und wenn ja, durch welchen der beiden Orte sie bestimmt wird. 3. Dauer und Lage der Arbeitszeit Ein weiteres Merkmal der Arbeitsleistung, das zu den Umständen der Leistungserbringung zu zählen ist, ist die Arbeitszeit. Die Arbeitszeit ist nicht allein der Maßstab, nach welchem sich die Arbeitsleistung in Teilleistungen unterteilen lässt.349 Zugleich ist die Arbeitszeit auch ein Merkmal, dass die Arbeitsleistung näher beschreibt. Betrachtet man die Arbeitszeit in ihrer Funktion als Merkmal der Arbeitsleistung, bietet es sich an, zwischen der Einhaltung der Dauer der Arbeitsleistung und der Einhaltung der Lage der Arbeitszeit zu differenzieren.
348 349
Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 34. Oben § 5 C.
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a) Dauer der Arbeitszeit Grundsätzlich wird die Dauer der Arbeitszeit für einen bestimmten Bezugszeitraum im Arbeitsvertrag exakt festgelegt. Nach jüngerer Rechtsprechung des BAG verstößt jedoch auch eine variable Dauer der Arbeitszeit in der Form der Abrufarbeit oder einer Bandbreitenregelung nicht gegen § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG.350 Der Begriff „Dauer“ in § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist nach richtiger Auffassung als „Mindestdauer“ zu verstehen.351 Aus § 12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 TzBfG ergibt sich, dass eine Mindestarbeitsdauer arbeitsvertraglich vereinbart werden muss. Sieht der Arbeitsvertrag vor, dass die vom Arbeitgeber abrufbare, über die vereinbarte wöchentliche Mindestarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mehr als 25% beträgt, liegt hierin allerdings eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.352 Es ist offensichtlich, dass der Arbeitnehmer, welcher die geschuldete Arbeitsdauer unterschreitet, dem Arbeitgeber für die Dauer der Arbeitszeitunterschreitung nicht zur Disposition steht. Der Arbeitgeber kann ihn während dieses Zeitraums nicht einsetzen. Der Arbeitnehmer leistet nichts, die Frage der Identitätswahrung stellt sich in diesem Fall gar nicht. Für die Zeit, während welcher der Arbeitnehmer aus diesem Grund nicht zur Disposition des Arbeitgebers steht, ist im Hinblick auf den soeben erarbeiteten Vertragszweck und die zeitliche Teilbarkeit der Arbeitsleistung der Tatbestand der teilweisen Nichterfüllung gegeben. Dies gilt sowohl für ein Unterschreiten der geschuldeten Arbeitszeit durch verspäteten Arbeitsbeginn bzw. ein verfrühtes Niederlegen der Arbeit als auch für unerlaubte Arbeitsunterbrechungen. Entsprechend der hier vertretenen Auffassung bedarf es für diese Feststellung der umständlichen Verbindung des Merkmals Dauer der Arbeitsleistung mit einer wie auch immer gearteten, der Arbeitsleistung zuzuschreibenden zeitlichen Funktion353 nicht. Es verhält sich vielmehr so, dass die Dauer der Arbeitszeit die Arbeit mengenmäßig beschreibt, sodass eine Unterschreitung der geschuldeten Arbeitszeitdauer zu einem Zurückbleiben hinter der geschuldeten Menge an Arbeit führt, was dem Tatbestand der teilweisen Nichtleistung entspricht.
350 BAG vom 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP Nr. 4 zu § 12 TzBfG (B III 3 c); anders noch BAG vom 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969 mit der Begründung, eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die bei arbeitszeitabhängiger Vergütung den Arbeitgeber berechtigen soll, die zunächst festgelegte Arbeitszeit später einseitig nach Bedarf zu reduzieren, stelle eine objektive Umgehung von zwingenden Vorschriften des Kündigungsschutzrechts dar und sei daher nach § 134 BGB nichtig. 351 ErfKommArbR-Preis, § 12 TzBfG Rn. 19. 352 ErfKommArbR-Preis, § 12 TzBfG Rn. 19. 353 Siehe Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 265.
D. Unterscheidung von Nicht- und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
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b) Lage der Arbeitszeit Neben der Dauer der Arbeitszeit muss auch die zeitliche Lage der Arbeitszeit festgelegt werden. Sie ist in der Regel nicht vertraglich geregelt. Die Festlegung von wann bis wann der Arbeitnehmer die in ihrer Dauer festgelegte Arbeitsleistung zu erbringen hat, erfolgt heute in Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, gleichberechtigt durch Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Greift die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht ein, insbesondere dort, wo kein Betriebsrat existiert, ist die Festlegung der Arbeitszeit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterstellt.354 Die Bestimmung der zeitlichen Lage der Arbeitszeit erfolgt, indem der Arbeitgeber, gegebenenfalls mit der erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats, festlegt, zu welchen Zeitpunkten die Arbeitszeit am Tage beginnt und endet und zu welchen Zeitpunkten sie durch Pausen zu unterbrechen ist. Die Leistungspflicht des Arbeitnehmers wird mit dieser Verteilung der Arbeitszeit auf den Tag, die Woche oder den Monat näher konkretisiert. Die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber setzt voraus, dass die geschuldete Dauer der Arbeitsleistung bereits feststeht. Die Lage der Arbeitszeit betrifft daher nicht unmittelbar das Synallagma des Arbeitsverhältnisses, gehört aber als Konkretisierung der Arbeitsdauer zum Leistungsinhalt.355 Betrifft die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit auch nicht unmittelbar das arbeitsvertragliche Synallagma, bleibt doch zu prüfen, ob eine Verfehlung der Lage der Arbeitszeit dennoch Rechtsfolgen, die sich aus dem arbeitsvertraglichen Synallagma ergeben, auslösen kann. So ist anerkannt, dass eine verfrühte oder verspätete Leistung nach allgemeinen schuldrechtlichen Prinzipien je nach Sachlage allein dadurch, dass sie nicht zur rechten Zeit erbracht wird, derart von der geschuldeten Leistung abweichen kann, dass eine Erfüllung ausgeschlossen ist, diese mangels Nachholungsmöglichkeit sogar unmöglich werden kann.356 § 271 Abs. 2 BGB ordnet zwar an, dass der Schuldner die Leistung im Zweifel bereits vor dem Eintritt der Leistungszeit bewirken darf. Diese Zweifelsregelung gilt jedoch nur subsidiär. Aus dem Gesetz, aus Rechtsgeschäft oder aus den Umständen kann sich anderes ergeben. Eine Abweichung von § 271 Abs. 2 BGB ergibt sich für den Arbeitsvertrag in der Regel bereits daraus, dass durch die Konkretisierung der Arbeitszeitlage die Arbeitspflicht zumindest im Regelfall zur Fixschuld konkretisiert wird.357 Für die Frage der identitätsstiftenden Bedeutung der Einhaltung der Lage der Arbeitszeit gilt dabei im Prinzip das Gleiche wie für 354
Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 150.. MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 94; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 543; Richardi, ZfA 1990, 211, 213 f., 216; RGRK-Schliemann, § 611 Rn. 1445. 356 MüKo-Krüger, § 271 Rn. 1. 357 ErfKommArbR-Preis, § 611 BGB Rn. 676; MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 9; RGRK-Schliemann, § 611 Rn. 1445. 355
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
den Leistungsort. Soweit der Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung schuldet, deren Gelingen davon abhängt, dass der Arbeitgeber ein wie auch immer geartetes Leistungssubstrat bereitstellt, muss sich der Arbeitnehmer in die arbeitgeberseitig bestimmte Arbeitsorganisation nicht nur im Hinblick auf den Leistungsort, sondern auch zeitlich eingliedern. Arbeitet der Arbeitnehmer vertrags- oder weisungswidrig außerhalb der Arbeitszeit, hat der Arbeitgeber zumindest im Regelfall keine Möglichkeit, durch die Ausübung seines Weisungsrechts, Einfluss auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers zu nehmen. Fehlt es dem Arbeitgeber an dieser Möglichkeit der Einflussnahme, ist es ihm nicht möglich, den Arbeitnehmer in seine Arbeitsorganisation einzugliedern. Der Zweck des Arbeitsvertrags ist dann verfehlt. Tätigkeiten außerhalb der vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitszeit sind daher im Regelfall zur Erfüllung der Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis nicht, auch nicht nur schlecht geeignet. Soweit eine Tätigkeit die innerhalb der Arbeitszeit als ordnungsgemäße Arbeitsleistung zu bewerten wäre, außerhalb der Arbeitszeit erbracht wird, ist daher der Tatbestand der (teilweisen) Nichtleistung gegeben. c) Konkretisierung der Arbeitszeit durch Weisungen des Arbeitgebers Dass die Arbeitszeit insbesondere hinsichtlich ihrer zeitlichen Lage, aber im Rahmen von Abrufarbeit oder Bandbreitenregelungen auch die Dauer der Arbeitszeit vertraglich nicht abschließend festgelegt und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterstellt ist, steht der identitätsstiftenden Wirkung der Arbeitszeit nicht entgegen. Die Substratsabhängigkeit der Arbeitsleistung und die regelmäßig erforderliche Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers und hier insbesondere eine gegebenenfalls erforderliche Zusammenarbeit mit Kollegen oder dem Arbeitgeber selbst, machen deutlich, dass die Identität der Arbeitsleistung auch dann von der Einhaltung der Arbeitszeit abhängt, wenn diese nicht vertraglich geregelt, sondern, wie bei der Lage der Arbeitszeit der Regelfall, den Weisungen des Arbeitgebers anheimgestellt ist. Gerechtfertigt ist die große Reichweite des Weisungsrechts in Bezug auf die zeitliche Identität dadurch, dass der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt insbesondere für die zeitliche Verfügbarkeit des Arbeitnehmers verspricht.358 d) Zusammenfassung Sowohl die Dauer der Arbeitszeit als auch ihre Lage bestimmen die Identität der Arbeitsleistung. Dies gilt auch, soweit die nähere Regelung der Arbeitszeit, insbesondere die Regelung der Lage der Arbeitszeit, dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers unterstellt ist. Eine Arbeitsleistung, die im 358
Oben § 5 D. III. 1.
D. Unterscheidung von Nicht- und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
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Hinblick auf die Arbeitszeit nicht dem geschuldeten Soll entspricht, ist folglich in aller Regel als Nichterfüllung zu qualifizieren. 4. Inhalt der Tätigkeit Über den Ort der Arbeitsleistung sowie die Lage und die Dauer der Arbeitszeit hinaus bestimmen auch inhaltliche Merkmale der Arbeitsleistung ihre Identität. Der Arbeitnehmer schuldet die Erbringung der Arbeitsleistung im Zweifel in eigener Person (§ 613 BGB). Er hat weisungsgetreu zu arbeiten (§ 106 GewO). Ferner verspricht er arbeitsvertraglich eine bestimmte Art der Tätigkeit, beispielsweise das Tätigwerden als Maurer. Es liegt nahe, dass die soeben genannten inhaltlichen Merkmale die Identität der Arbeitsleistung berühren. Für die Art der Arbeitsleistung verstanden als Wesen(sart) der Arbeitsleistung ergibt sich dies im Prinzip bereits aus dem Begriff selbst. Neben diese Merkmale tritt die Qualität der Arbeitsleistung. Für die Fälle, in denen die Arbeitsqualität nicht dem geschuldeten Maß entspricht, wird zum Teil vertreten, dass bei besonders gravierenden Qualitätsmängeln die geleistete Arbeit als aliud und damit nicht als Schlecht- sondern als Nichtleistung zu behandeln ist.359 Nach dem hier vertretenen Standpunkt ist dieser Ansicht jedoch nur zu folgen, soweit die Identität der Arbeitsleistung durch gravierende Qualitätsmängel verloren gehen kann.360 Es soll im Folgenden für jedes der genannten inhaltlichen Merkmale der Arbeitsleistung untersucht werden, inwieweit sie vor dem Hintergrund des für Arbeitsverträge typischen Zwecks die Identität der Arbeitsleistung bestimmen. Es wird dabei zum Teil auch darauf ankommen, die einzelnen Merkmale in Bezug zueinander zu setzen und voneinander abzugrenzen. a) Verpflichtung zur Leistung in eigener Person nach § 613 BGB Der Arbeitsvertrag ist auf einen wesentlichen Teil der Persönlichkeit des Arbeitnehmers gerichtet, seine Arbeitskraft. Der Arbeitnehmer ist aus diesem
359 Insbesondere Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 34 ff.; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 439 ff. aber auch BGH vom 22.5.1990 – IX ZR 208/89, NJW 1990, 2549, 2550 für die völlig untaugliche Aufklärungsarbeit eines im Rahmen eines freien Dienstvertrags beschäftigten Detektivs; MüHdBArbR (2. Auflage, 2000)-Blomeyer, § 58 Rn. 8, 19; wohl auch Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119 (für verschuldete Qualitätsmängel); Kreller, AcP 123 (1925), 263, 288; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; Rabe, Lohminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 6 f., 56; Zemlin, Haftung des Arbeitnehmers, S. 3 f. (Fn. 13); siehe auch MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 29, der von einer „Grauzone“ zwischen Nicht- und Schlechterfüllung“ spricht, „deren Aufhellung rechtsdogmatisch wenig geklärt“ sei; a. A. Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 9, 34; Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 219 f.; RGRK-Schliemann, § 611 Rn. 1529. 360 Siehe hierzu unten § 5 D. IV. 4. d).
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
Grund verpflichtet, die Arbeitspflicht in eigener Person zu erfüllen. Im Arbeitsverhältnis ist der Inhalt der Leistungspflicht in so großem Maße dadurch geprägt, dass die versprochenen Dienstleistungen nicht von der Person des Arbeitnehmers getrennt werden können,361 dass sich – unabhängig von der in § 613 BGB für alle Dienstverträge vorgesehenen Auslegungsregel – bereits aus den äußeren Umstände der Vertragsbeziehung ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht berechtigt ist, seine Person durch Gehilfen oder Ersatzleute zu substituieren. Von einer Abbedingung der höchstpersönlichen Leistungserbringung ist nur in besonderen Ausnahmefällen auszugehen. Als „Schulbeispiel“ für einen solchen Ausnahmefall gilt die Leistungserbringung durch ein Hausmeisterehepaar.362 Für den Regelfall gilt jedoch, dass die Erbringung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer in eigener Person als Identifikationsmerkmal der Arbeitsleistung anzusehen ist. Im Hinblick auf den Vertragszweck folgt der identitätsbestimmende Charakter der höchstpersönlichen Erbringung der Arbeitsleistung daraus, dass sich der Arbeitgeber mit dem Arbeitsvertrag die Möglichkeit verschaffen will, über die Dienste des Arbeitnehmers und keiner anderen Person disponieren zu können. Dementsprechend berechtigt der Arbeitsvertrag den Arbeitgeber auch nur zur Ausübung seines Weisungsrechts gegenüber dem Arbeitnehmer und keiner anderen Person. Wird der Arbeitnehmer nicht in eigener Person, sondern vertreten durch einen anderen tätig, ist der Arbeitgeber um die ihm arbeitsvertraglich versprochene Möglichkeit, über die Dienste des Arbeitnehmers zu verfügen, gebracht. Der Arbeitsleistung fehlt dann, von den genannten Ausnahmefällen abgesehen, im Hinblick auf die Person des Leistenden die geschuldete Identität. Lässt der Arbeitnehmer die geschuldeten Tätigkeiten von einem anderen ausführen, liegt für den betreffenden Zeitraum eine Leistungsstörung in Form der (teilweisen) Nichterfüllung vor. b) Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers aa) Das Weisungsrecht des Arbeitgebers als Identitätsmerkmal der Arbeitsleistung Es ist bereits angeklungen, dass das Wesen des Arbeitsverhältnisses nicht zuletzt dadurch geprägt wird, dass der Arbeitnehmer bis zu einem gewissen Grad fremdbestimmt tätig wird.363 Es gehört zum Kern des von den Arbeitsvertragsparteien verfolgten Vertragszwecks, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation erbringt. Aufgrund
361
Staudinger-Richardi/Fischinger, § 613 Rn. 7. ErfKommArbR-Preis, § 613, Rn. 3; MüKo-Müller-Glöge, § 613 Rn. 6. 363 Oben § 5 D. III. 2.; ferner Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn.450; MüHdBArbR-Richardi, § 7 Rn. 54. 362
D. Unterscheidung von Nicht- und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
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des Arbeitsvertrags364 besitzt der Arbeitgeber daher eine arbeitsrechtliche Leitungsmacht, die sich auf die Ausführung der Arbeit und das arbeitsbegleitende sowie das sonstige organisationsbedingte Verhalten des Arbeitnehmers bezieht.365 Ihren rechtlichen Ausdruck findet die Leitungsmacht des Arbeitgebers in dem Recht, dem Arbeitnehmer hinsichtlich des Inhalts, der Durchführung, der Zeit, der Dauer und des Orts der Tätigkeit Weisungen zu erteilen.366 Dem Arbeitgeber ist es möglich, durch die Ausübung seines Weisungsrechts, seinen Arbeitnehmer in die eigene Arbeitsorganisation einzugliedern. Unabhängig von der Frage, ob die Weisungen des Arbeitgebers rechtsgestaltend auf das Arbeitsverhältnis einwirken oder nicht,367 verspricht der Arbeitnehmer mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags, seine Arbeitsleistung gemäß den Weisungen des Arbeitgebers – vorbehaltlich ihrer Wirksamkeit – zu erbringen. In der älteren Literatur wird die vertragliche Pflicht des Arbeitnehmers, den Weisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten, als Gehorsamspflicht bezeichnet. Die Gehorsamspflicht stellt nach den Vertretern dieser Auffassung das Gegenstück zum Weisungsrecht des Arbeitgebers dar.368 Mag dies dem Grunde nach auch heute noch gelten, ist doch zu beachten, dass die heute herrschende Lehre in der Gehorsamspflicht keine eigenständige Verpflichtung des Arbeitnehmers mehr sieht. Vielmehr herrscht heute zu Recht die Auffassung vor, dass die Verpflichtung, den zulässigen, zur Erbringung der Arbeit erteilten Weisungen nachzukommen, schon zum Wesen der Arbeitspflicht gehöre.369 Bereits diese Auffassung über die dogmatischen Grundlagen der mit dem Weisungsrecht korrespondierenden Gehorsamspflicht macht deutlich, dass das weisungsgetreue Tätigwerden ebenfalls als identitätsbestimmendes Merkmal der Arbeitsleistung zu werten ist. Hierfür spricht im Hinblick auf den Zweck des Arbeitsvertrags schließlich auch die Überlegung, dass der Arbeitnehmer der sein Tätigwerden nicht der Leitungsmacht des Arbeitgebers unterstellt, sondern ausschließlich eigenen Motiven folgt, nicht mehr zur Disposition des Arbeitgebers steht. Ein solcher Arbeitnehmer unterliegt nicht mehr der Leitungsmacht des Arbeitgebers. Ob er sich zumindest noch mit einem Teil seiner Arbeitskraft in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingliedert, hängt nicht mehr von der Leitungsmacht des Arbeitgebers, sondern allein von den Motiven des Arbeitnehmers ab.
364 365 366
HWK-Lembke, § 106 GewO Rn. 4; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 233. Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 21. BAG vom 23.6.1993 – 5 AZR 337/92, AP Nr. 42 zu § 611 BGB Direktionsrecht
(I 3). 367
Oben § 5 C. IV. 3. a). Siehe nur Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 158, 238 ff. m.w. N. 369 BAG vom 23.9.2004 – 6 AZR 567/03, AP Nr. 64 zu § 611 BGB Direktionsrecht (IV 1); Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 283; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 233; ErfKommArbR-Preis, § 106 GewO Rn. 1. 368
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§ 5 Teilweise Nichterfüllung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht
bb) Das Problem der so genannten passiven Resistenz Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die in Literatur370 und Rechtsprechung371 kontrovers diskutierte und als „schwierig“ 372 bezeichnete Frage der leistungsstörungsrechtlichen Behandlung der so genannten passiven Resistenz beantworten. Die passive Resistenz beschreibt eine besondere Form der mangelhaften Arbeitsintensität, nämlich das bewusste Zurückhalten der Arbeitsleistung.373 Gegenstand der arbeitsrechtlichen Diskussion ist die passive Resistenz seit einer Entscheidung des RG vom 9.6.1925. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war die Belegschaft eines Betriebs zwar zur Arbeit erschienen, die Arbeitnehmer arbeiteten jedoch „trotz wiederholter Ermahnung (. . .) entweder gar nicht oder so wenig, daß eine ordnungsgemäße Aufrechterhaltung des Betriebs unmöglich war.“ 374 In dieser Entscheidung, welche die passive Resistenz als Maßnahme des Arbeitskampfs zum Gegenstand hat, heißt es weiter, die passive Resistenz hänge „der tatsächlichen Arbeitsniederlegung das Mäntelchen der Vertragstreue um, um neben dem Druck auf den Arbeitgeber den Arbeitnehmern den Lohn ohne Gegenleistung von ihrer Seite zu erhalten.“ 375 Auch wenn das RG hierzu nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, ordnete es die passive Resistenz damit stillschweigend dem Leistungsstörungstatbestand der teilweisen Nichtleistung zu.376 Das BAG schloss sich in einer Entscheidung vom 17.7. 1970377 dieser Auffassung des RG an. Die passive Resistenz stehe, so das BAG in der genannten Entscheidung, „der Nichtleistung von Arbeit vielfach näher als der Schlechtleistung“. Der Leistungsstörungstatbestand der teilweisen Nichtleistung sei eröffnet, weil der Arbeitnehmer, der seine Arbeit zurückhalte, sich in
370 Siehe Beuthien, ZfA 1972, 73, 80; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 36; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118; Hessel, AuR 1971, 64; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 227; Knevels, DB 1970, 1388, 1391; Lieb, Arbeitsrecht (7. Auflage), Rn. 198 f.; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 126 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 300 (Fn. 46); Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 59; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 684; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 30. 371 Siehe RG vom 9.6.1925 – III 322/24, RGZ 111, 105; BAG vom 7.7.1970, NJW 1971, 111. 372 Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 36; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 684. 373 Siehe RG vom 9.6.1925 – III 322/24, RGZ 111, 105; BAG 7.7.1970, NJW 1971, 111; Beuthien, ZfA 1972, 73, 80; Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 36; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118; Lieb, Arbeitsrecht (7. Auflage), Rn. 198 f.; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 126; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 300 (Fn. 46); ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 684; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117. 374 RG vom 9.6.1925 – III 322/24, RGZ 111, 105, 111. 375 RG vom 9.6.1925 – III 322/24, RGZ 111, 105, 112. 376 So auch Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 126. 377 BAG vom 17.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968.
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dem Umfang, in dem er sie zurückhalte, nicht anstrenge, während dem Arbeitnehmer, der seine Arbeit im leistungsstörungsrechtlichen Sinn schlecht erfülle, zumindest zu Gute zu halten sei, dass er sich „körperlich oder geistig“ anstrenge. Bereits zuvor wertete das BAG das bewusste Zurückhalten der Arbeitsleistung durch Langsamarbeit als einen Fall der beharrlichen Arbeitsverweigerung.378 Die Meinungen im Schrifttum zur leistungsstörungsrechtlichen Behandlung der passiven Resistenz sind uneinheitlich. Zum Teil wird vertreten, die passive Resistenz sei nur in zwei Fällen als teilweise Nichtleistung zu qualifizieren. Eine teilweise Nichtleistung liege zum einen vor, wenn infolge der Langsamarbeit des Arbeitnehmers „das quantitative Ergebnis seiner „Anstrengungen“ gleich null sei. Zum anderen sei von einer teilweisen Nichtleistung immer dann auszugehen, wenn „eine klare Relation zwischen Arbeitsmenge und der dafür (individuell vom Arbeitnehmer unter normalen Umständen) benötigten Zeit“ bestehe und festgestellt werden könne, dass die Arbeitsquantität infolge der passiven Resistenz während der Arbeitszeit das normale Quantitätsniveau um einen gewissen Prozentsatz unterschreite.379 Andere Vertreter des Schrifttums wollen die passive Resistenz generell als Schlechtleistung behandelt wissen.380 So bezeichnet vor allem Lieb381 die Langsamarbeit als zeitliche Schlechtleistung. Zur Begründung seiner Auffassung stellt Lieb darauf ab, dass der passiv resistente Arbeitnehmer ununterbrochen tätig sei und aus rechtstatsächlichen Gründen folglich daran gezweifelt werden müsse, ob die passive Resistenz eine Nichtleistung darstelle.382 Von dem hier vertretenen Standpunkt aus stellt sich die passive Resistenz eindeutig als Nichtleistung dar. Zunächst ist es im Hinblick auf die Abgrenzung von Werk- und Dienstvertrag und die Vertragstypenfreiheit der Arbeitsvertragsparteien bedenklich, die leistungsstörungsrechtliche Behandlung der passiven Resistenz davon abhängig zu machen, ob das Arbeitsergebnis für den Arbeitgeber brauchbar ist oder nicht. Ferner führt auch der Ansatz, es sei auf die Relation von Arbeitsmenge und der benötigten Zeit abzustellen in die Irre. Wie bereits aufgezeigt383 ist die Arbeitszeit selbst das Merkmal der Arbeitsleistung, welches diese mengenmäßig beschreibt. Der Umfang der Arbeitsleistung ist ein zeitlicher Umfang. Eine zeitliche Schlechtleistung, dies haben die Ausführungen zur Bedeutung der Arbeitszeit bei der Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung bereits gezeigt,384 existiert im Arbeitsverhältnis nicht.385 Eine andere Bezugsgröße 378 BAG vom 20.3.1969 – 2 AZR 283/68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO mit zust. Anm. Canaris. 379 Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 36 f. 380 Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 1. Bd., S. 227; Knevels, DB 1970, 1388, 1391; Lieb, Arbeitsrecht (7. Auflage), Rn. 198 f. 381 Lieb, Arbeitsrecht (7. Auflage), Rn. 188. 382 Lieb, Arbeitsrecht (7. Auflage), Rn. 198 f. 383 Oben § 5 D. IV. 3. a). 384 Oben § 5 D. IV. 3. a) und b).
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für die Quantität der Arbeit zu wählen, etwa die produzierte Stückzahl, und diese in Bezug zu setzen mit der Arbeitszeit, verwischt wiederum die Abgrenzung von Werk- und Dienstvertrag und ist mithin mit der Vertragstypenwahlfreiheit der Vertragsparteien nicht zu vereinbaren. Die Rechtsprechung386 und ein großer Teil der Literatur387 behandeln die passive Resistenz daher auch zu Recht als Nichtleistung. Die Begründung, auf welche diese Auffassung gestützt wird, vermag hingegen nicht zu überzeugen. So wird wie gesehen vertreten, die passive Resistenz stehe der unerlaubten Arbeitsunterbrechung, welche wie oben dargelegt388 als teilweise Nichtleistung zu behandeln ist,389 zu nahe, als dass ein qualitativer Unterschied bestehe, der eine unterschiedliche rechtliche Bewertung rechtfertige.390 Dies trifft jedoch nur bei oberflächlicher Betrachtung zu. Bei dem Vergleich der passiven Resistenz mit dem unerlaubten Pausieren ließe sich ebenso hervorheben, dass der Pausierende die Arbeit in Gänze einstellt, während der passiv Resistente ununterbrochen tätig bleibt.391 Bei näherer Betrachtung fällt demgegenüber auf, dass im Falle des unerlaubten Pausierens ein zeitlich abgrenzbarer Leistungsteil nicht erfüllt und mithin die geschuldete Leistungsquantität unterschritten wird, während bei der passiven Resistenz die geschuldete Leistungsquantität, die sich eben allein in zeitlicher Hinsicht bestimmen lässt,392 anders als vereinzelt angenommen,393 vollständig erbracht wird. Bei der passiven Resistenz mangelt es der Arbeitsleistung an der geschuldeten Qualität. Dennoch ist die Auffassung, die passive Resistenz erfülle den Tatbestand der teilweisen Nichterfüllung, im Ergebnis zutreffend. Entscheidend kommt es jedoch darauf an, dass der Arbeitnehmer vorsätzlich zu langsam arbeitet. Führt man sich dies vor Augen, gelangt die besondere Bedeutung der Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers in den Fokus. Wie bereits dargelegt,394 wird das 385 Auch unter Berücksichtigung allgemeiner zivilrechtlicher Gesichtspunkte verbietet sich der Terminus „zeitliche Schlechtleistung“, da dieser Begriff die Grenze zwischen Verzug und Schlechterfüllung zu verwischen droht. 386 RG vom 9.6.1925 – III 322/24, RGZ 111, 105; BAG 7.7.1970, NJW 1971, 111. 387 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 126 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 300 (Fn. 46); Staudinger-Richardi-Fischinger, § 611 Rn. 707; Beuthien, ZfA 1972, 73, 80f. 388 Oben § 5 D. IV. 3. a). 389 A. A. wohl nur Lieb, Arbeitsrecht (7. Auflage), Rn. 198. 390 Ebenso Beuthien, ZfA 1972, 73, 81; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 128 f.; Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 59. 391 So Lieb, Arbeitsrecht (7. Auflage), Rn. 198. 392 Oben § 5 D. IV. 3. a). 393 Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 36 f.; Hessel, AuR 1971, 64. 394 Oben § 5 D. IV. 4. b) aa).
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Weisungsrecht des Arbeitgebers zu Recht als wesensprägend für das Arbeitsverhältnis angesehen. Die Weisungstreue ist eine identitätsbestimmende Eigenschaft der Arbeitsleistung, welche fehlt, sobald der Arbeitnehmer sich den Weisungen des Arbeitgebers bewusst widersetzt. Eben dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer bewusst langsamer arbeitet als zulässigerweise angewiesen. Entzieht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bewusst auch nur einen Teil seiner Arbeitskraft, unterwirft er sich nicht mehr der Leitungsmacht des Arbeitgebers. Unter Berücksichtigung des Zwecks, den die Parteien mit dem Arbeitsvertrag verfolgen, fehlt der Leistung des Arbeitnehmers in einem solchen Fall die geschuldete Identität. Die so genannte passive Resistenz, so wie sie allgemein verstanden wird, erfüllt damit für die Zeit, in der sie ausgeübt wird, den Tatbestand der Nichtleistung. Der Arbeitgeber ist für die Zeit der passiven Resistenz gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V. m. § 431 Abs. 3 BGB berechtigt, den Lohn zu mindern.395 cc) Andere Fälle weisungswidriger Tätigkeit Neben der passiven Resistenz existieren weitere Fälle, in denen der Arbeitnehmer vorsätzlich vertrags- oder weisungswidrig tätig ist und die Arbeitsleistung (zumindest auch) aus diesem Grund als Nichtleistung zu behandeln ist. So ist die Identität der Arbeitsleistung beispielsweise nicht mehr gewahrt, wenn die Bürokraft, die anstatt für den Arbeitgeber eine Internetrecherche durchzuführen, für private Zwecke Internetseiten aufruft. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass nur ein solches weisungswidriges Verhalten die Identität der Arbeitsleistung entfallen lässt, mit dem sich der Arbeitnehmer bewusst der Leitungsmacht des Arbeitgebers entzieht. Das ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwar weiß, dass er den Weisungen des Arbeitgebers nicht in allen Belangen nachkommt – etwa weil seine Leistungsfähigkeit an einem bestimmten Tag herabgesetzt ist –, er sich aber darum bemüht, die Vorgaben zu erfüllen. dd) Zusammenfassung Es kann an dieser Stelle somit festgehalten werden, dass es sich auch bei der Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers um ein Identitätsmerkmal der Arbeitsleistung handelt. Handelt der Arbeitnehmer bewusst weisungswidrig und entzieht er sich damit willentlich der Leitungsmacht des Arbeitgebers, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Arbeitnehmer passive Resistenz ausübt, verliert die Arbeitsleistung die geschuldete Identität. Für die Zeit eines solchen willentlich weisungswidrigen Handelns ist damit der Tatbestand der Nichterfüllung gegeben.396 395 396
Ebenso im Ergebnis Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, S. 308. Ebenso im Ergebnis Richardi, NZA 2002, 1004, 1011.
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c) Qualität der geleisteten Arbeit und die Art der Tätigkeit Die Arbeitsleistung lässt sich ferner hinsichtlich ihrer Qualität beschreiben. So kann der Arbeitnehmer mehr oder weniger sorgfältig seinen Aufgaben nachgehen und auch mehr oder weniger schnell arbeiten. aa) Unterscheidung von Arbeitsquantität und Arbeitsqualität Der Arbeitsvertrag enthält, wie bereits angesprochen,397 in aller Regel lediglich Umschreibungen der Art der geschuldeten Tätigkeit oder bestimmter Aufgabenbereiche. Ein Maßstab für die Intensität und Güte der Arbeitsleistung wird regelmäßig nicht festgelegt. Soweit sich die Literatur über die Pflicht zur höchstpersönlichen und weisungsgetreuen Leistungserbringung hinaus zum Inhalt der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht äußert, wird häufig die Differenzierung zwischen der Qualität und der Quantität der Arbeit bemüht. Blomeyer unterscheidet gar zwischen der Arbeitsquantität, der Arbeitsqualität, dem Arbeitstempo und weiteren Arbeitsmodalitäten.398 Zu den weiteren Arbeitsmodalitäten zählt Blomeyer das nicht die Arbeitsleistung betreffende Verhalten im Betrieb und die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den übrigen Arbeitnehmern des Betriebs zur Verwirklichung der betrieblichen Zwecke.399 Motzer400 unterscheidet die Arbeitsintensität von der Arbeitsqualität, schränkt diese Differenzierung jedoch insoweit ein, als er meint, die Intensität sei eines von mehreren Qualitätsmerkmalen.401 Rüthers spricht davon, der Arbeitnehmer schulde ein bestimmtes Maß an Arbeitsintensität und -effektivität.402 Auch Lessmann403 unterscheidet die Arbeitsquantität von der Arbeitsqualität, indem er feststellt, die Arbeit könne sowohl in zeitlicher Hinsicht in Form der Langsamarbeit als auch in qualitativer Hinsicht schlecht erbracht werden. Um den Inhalt der arbeitsvertraglichen Leistungsverpflichtung näher zu beschreiben, differenziert Brune404 zwischen der Arbeitsmenge und der Arbeitsgüte.405 Auch das BAG406 unterscheidet in seiner Rechtsprechung zu verhaltensbedingten Kündigungen zwischen qualitativen und quantitativen Minderleistungen. Rechtliche Konsequenzen knüpft das Gericht an diese Differenzierung allerdings 397
Oben § 5 C. IV. 3. MüHdBArbR (2. Auflage, 2000)-Blomeyer, § 48 Rn. 64 ff. 399 MüHdBArbR (2. Auflage, 2000)-Blomeyer, § 48 Rn. 76. 400 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 125 ff. 401 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 126. 402 Rüthers, ZfA 1973, 399, 400 ff. 403 Leßmann, FS für Ernst Wolf 1985, S. 395 396. 404 Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 8 ff. 405 Vergleichbare Differenzierungen finden sich bei Lieb, Arbeitsrecht (7. Auflage), Rn. 186 ff.; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 684; HWK-Thüsing, § 611 Rn. 299. 406 BAG vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 20 ff. 398
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nur dahingehend, dass es dem Arbeitgeber erlaubt, sich bei dem Beweis einer quantitativen Minderleistung an den Werten zu orientieren, die für die Annahme einer grundlegenden Störung des Leistungsgleichgewichts herangezogen werden.407 Demgegenüber sei – so das Gericht – bei qualitativen Minderleistungen eine solche auf die bloße Fehlerhäufigkeit abstellende Grenze, auch wenn sie für eine rechtssichere Handhabung durch die Tatsacheninstanzen wünschenswert wäre, für sich nicht geeignet, die Kündigungsrelevanz der dem Arbeitnehmer konkret vorgeworfenen Pflichtverletzungen hinreichend sicher einzugrenzen.408 Aus leistungsstörungsrechtlicher Sicht bietet die Differenzierung zwischen der Qualität und der Quantität der Arbeitsleistung keinen nennenswerten Erkenntnisgewinn. Ohnehin lässt sich nur schwer differenzieren, welche Leistungsstörung die Qualität und welche Leistungsstörung die Quantität der Arbeitsleistung betreffen soll.409 Veranschaulichen lässt sich dies am Beispiel einer Sekretärin, die weniger als die angewiesene und von ihr unter normalen Umständen ohne weiteres zu erledigende Anzahl an Schreiben anfertigt, weil sie unkonzentriert arbeitet, so dass ihr vermehrt Tippfehler unterlaufen, welche sie unter erhöhtem Zeitaufwand korrigieren muss. Hier ließe sich sowohl vertreten, die Sekretärin habe zu ungenau gearbeitet, zu wenig Arbeit erledigt oder nicht schnell genug gearbeitet. Je nachdem auf welchen Standpunkt man sich stellt, könnte das Vorliegen einer Leistungsstörung damit begründet werden, der Arbeit fehle es an der geschuldeten Qualität, an der geschuldeten Quantität oder an dem geschuldeten Verhältnis von Quantität zu Arbeitszeit. Nach dem hier vertretenen Ansatz ist es ohnehin vorzuziehen, von der Quantität der Arbeitsleistung nur im Zusammenhang mit der Arbeitszeit zu sprechen, denn wie bereits festgestellt worden ist,410 ist es die Arbeitszeit, die das Maß der zu leistenden Arbeit darstellt. Die geschuldete Quantität der Arbeit wird hiernach dann unterschritten, wenn der Arbeitnehmer nicht die geschuldete Dauer an Arbeit erbringt, was nach dem bisher Gesagten nicht nur dann der Fall ist, wenn der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheint, sondern auch, wenn er zur falschen Zeit oder zumindest zeitweise am falschen Ort, bewusst weisungswidrig oder nicht in eigener Person tätig wird. Die Intensität der Tätigkeit ist demgegenüber nach richtiger Auffassung ebenso wie die Sorgfalt der Tätigkeit als Qualitätsmerkmal anzusehen.411 Bei der Bestimmung der Intensität der geleisteten Arbeit kann da407 Das BAG verlangt eine langfristige Unterschreitung der Durchschnittsleistung um deutlich mehr als 1/3. Siehe hierzu BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. 408 Ausführlich zur Darlegungs- und Beweislast bei verhaltensbedingten Kündigungen wegen qualitativer oder quantitativer Minderleistungen noch unten § 7 B. IV. 2. b) cc) (1). 409 HWK-Thüsing, § 611 Rn. 299. 410 Oben § 5 D. IV. 3. a). 411 So schon Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 126.
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bei an die Zahl der abgearbeiteten Arbeitsschritte oder die Anzahl der Wiederholungen der erforderlichen Handgriffe angeknüpft werden. Im Hinblick auf die Abgrenzung des Arbeitsvertrags zum Werkvertrag darf die Intensität der Arbeit jedoch, soweit nicht ein entsprechender Leistungs- oder Akkordlohn vereinbart ist, nicht von der Menge des erarbeiteten Produkts abhängig gemacht werden. bb) Qualität der Arbeit und Identität der Arbeitsleistung Für die eingangs dieses Abschnitts ins Auge gefasste Abgrenzung von arbeitsvertraglicher aliud-Leistung und Schlechtleistung und die damit einhergehende Bestimmung der Reichweite des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis stellt sich nunmehr die Frage, ob die Qualität der Arbeitsleistung unter Berücksichtigung des Vertragszwecks die Identität der Arbeitsleistung bestimmt. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Qualität um eine relative Eigenschaft der Arbeitsleistung handelt, die im Sinne eines Mehr oder Weniger vorliegen kann. Die Arbeit kann mehr oder weniger schnell und mehr oder weniger sorgfältig ausgeführt werden. Es ist daher zu prüfen, ob die Qualität der Arbeitsleistung einen bestimmten Grad unterschreiten kann, der die Grenze von Nicht- und Schlechtleistung markiert. Von Teilen des Schrifttums wird in diesem Zusammenhang vertreten, dass bei besonders gravierenden Qualitätsmängeln die geleistete Arbeit als aliud und damit nicht als Schlecht-, sondern als Nichtleistung zu behandeln ist.412 Von dem hier vertretenen Standpunkt aus setzt diese Auffassung voraus, dass die Arbeitsleistung ein bestimmtes Qualitätsniveau unterschreiten kann, ab dem die Ist-Arbeitsleistung nicht mehr die Identität der Soll-Arbeitsleistung besitzt. Zum Teil wird dabei die Grenze, unter die das Qualitätsniveau der Arbeitsleistung sinken muss, um in den Bereich einer aliud-Leistung zu gelangen, recht hoch angesetzt, so dass der Leistungsstörungstatbestand der Nichterfüllung dann recht weit bemessen und das Prinzip des konditionellen Synallagmas in großem Umfang gewährleistet ist. Namentlich Kappes vertritt die Auffassung, ein Arbeiter, der „anstatt Schrauben von 2 mm Umfang solche von 10 mm“ herstelle, sei so „zu behandeln, als ob er nicht geleistet“ habe.413 Kappes macht dabei jedoch nicht die Qualität der Arbeitsleistung als Identitätsmerkmal der Arbeitsleistung aus. Vielmehr knüpft er 412 Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 34 ff.; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 439 ff.; wohl auch Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119 (für verschuldete Qualitätsmängel); Kreller, AcP 123 (1925), 263, 288; Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 6 f., 56; Zemlin, Haftung des Arbeitnehmers, S. 3 f. (FN 13); a. A. Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 9, 34; Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 219 f.; RGRK-Schliemann, § 611 Rn. 1529. 413 Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 34.
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an die Art der Arbeitsleistung an. Dabei geht er so weit, die Art der Arbeitsleistung mit dem Leistungsgegenstand gleichzusetzen. Die Rechtsfolgen einer Leistungsstörung seien dann die der (teilweisen) Nichtleistung, wenn die Leistungsstörung die Art der Arbeitsleistung betreffe.414 Kappes zieht jedoch den Kreis der Arbeitsleistungen, die nicht mehr der geschuldeten Art der Arbeitsleistung entsprechen, zu weit. Man kommt nicht umhin, anzuerkennen, dass der besagte Arbeitnehmer, der Schrauben herstellt, die nicht die angewiesene Größe aufweisen, nach wie vor entsprechend seiner Arbeitspflicht Schrauben herstellt und damit Tätigkeiten ausführt, die ihrem Wesen oder eben ihrer Art nach den vertraglich vereinbarten Tätigkeitscharakter (hier die Tätigkeit des Drehers oder Feinwerkmechanikers) aufweisen. Die Auffassung Kappes’ wird insbesondere von Blomeyer415 geteilt, der davon ausgeht, dass sich die Art der versprochenen Dienste nicht allein aus dem Arbeitsvertrag ermitteln lasse, sondern sich „häufig“ auch aus den Weisungen des Arbeitgebers ergebe. Von seinem Standpunkt aus meint Blomeyer folgerichtig, der mit dem Ausheben einer Baugrube beauftragte Baggerführer, erbringe eine Nichtleistung, baggere er weisungswidrig das Nachbargrundstück aus. Einen differenzierteren, in seinen Ergebnissen jedoch ähnlichen Ansatz verfolgt Tillmanns.416 Von ihrem funktionalen Nichtleistungs- und Teilleistungsbegriff ausgehend stellt sie sich auf den Standpunkt, der Arbeitgeber verfolge mit der ihm von Seiten des Arbeitnehmers versprochenen Arbeitsleistung bestimmte Funktionen. Sei die tatsächlich erbrachte Tätigkeit nicht geeignet, die ihr zugedachte Funktion zu erfüllen, liege im Hinblick auf die Gesamttätigkeit eine Nichtleistung vor. Sei die Tätigkeit hingegen nicht ordnungsgemäß, aber noch zur Funktionserfüllung geeignet, erfülle sie im Hinblick auf die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit den Tatbestand der Schlechtleistung. Auch Tillmanns geht dabei davon aus, dass sich die Arbeitsleistung in Teilleistungen aufgliedern lässt. Dabei geht Tillmanns jedoch über die hier vertretene zeitliche Teilbarkeit weit hinaus, indem sie sich auf den Standpunkt stellt, mit der Arbeitsleistung verfolge der Arbeitgeber regelmäßig ein ganzes Bündel von Teilfunktionen und im Hinblick auf jede einzelne Teilfunktion lasse sich bestimmen, ob sich eine nicht ordnungsgemäße Arbeitsleistung als Nicht- oder Schlechtleistung darstelle. Wie bereits aufgezeigt417 kommt Tillmanns auf diesem Weg zu einem sehr weiten Anwendungsbereich der Vorschriften über die (teilweise) Nichtleistung. Die für die Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung maßgebliche Identität der (Arbeits-)Leistung bestimmt sich entsprechend den für die Abgrenzung von 414 415 416 417
Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 34. MüHdBArbR (2. Auflage, 2000)-Blomeyer, § 58 Rn. 8. Oben § 5 B. Oben § 5 B. VII.
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aliud und peius bereits aufgezeigten allgemeinen Grundsätzen418 danach, welcher Vertragszweck von den Parteien vereinbart worden oder dem Schuldner zumindest bekannt geworden ist und welche Merkmale vor dem Hintergrund des Vertragszwecks unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Identität der geschuldeten Leistung ausmachen. Wie aufgezeigt419 liegt der Zweck des Arbeitsvertrags darin, dass der Arbeitgeber in die Lage versetzt wird, über die Dienste des Arbeitnehmers innerhalb eines vorgegebenen zeitlichen Rahmens verfügen zu können, indem er den Arbeitnehmer in die eigene Arbeitsorganisation eingliedert, um sich die Arbeitskraft des Arbeitnehmers seinen Vorstellungen von Effektivität entsprechend nutzbar zu machen. Ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag eine bestimmte Art der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit, konkretisiert sich der Vertragszweck in der Eingliederung des Arbeitnehmers in den der Art der Tätigkeit entsprechenden Einsatzbereich innerhalb der Arbeitsorganisation. Hieraus folgt, dass der Arbeitnehmer, so lange er eine der geschuldeten Art entsprechende Tätigkeit innerhalb der Arbeitszeit und am vertraglich vereinbarten oder qua Weisung zugewiesenen Ort ausübt und dabei nicht bewusst von Weisungen des Arbeitgebers abweicht – etwa passive Resistenz übt – die geschuldete Arbeitsleistung erbringt. Ist diese Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß, kommt als Leistungsstörungstatbestand allein die Schlechtleistung in Betracht. Ob der Arbeitnehmer den Leistungsort oder die Leistungszeit verfehlt oder die geschuldete Dauer der Arbeitsleistung unterschreitet ist verhältnismäßig leicht auszumachen. Problematischer sind schon die Fälle, in denen der Arbeitnehmer sich bewusst den Weisungen des Arbeitgebers widersetzt. Gelingt dem Arbeitgeber jedoch der Nachweis, dass der Arbeitnehmer sich weisungswidrig verhalten hat, kann die Tätigkeit eindeutig als Nichterfüllung qualifiziert werden. Bedeutend größere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Prüfung, ob eine nicht ordnungsgemäße Tätigkeit noch ihrer Art nach der geschuldeten Tätigkeit entspricht. cc) Arbeitsvertraglich geschuldete Art der Tätigkeit Stellt man streng auf die zeitbezogene Wahrung der Identität der geschuldeten Arbeitsleistung ab, lassen sich der von Kappes gewählte Beispielsfall des Drehers, der nicht wie angewiesen Schrauben mit einem Durchmesser von 2 mm, sondern solche von 10 mm Durchmesser herstellt, ebenso auflösen, wie der Fall des Baggerführers, der die Baugrube an der falschen Stelle aushebt bzw. des Malers, der die Wand in der falschen Farbe streicht, oder des Kundendienstlers, der die falschen Kunden anfährt. Die Art der zu erbringenden Tätigkeit bestimmt sich zunächst nach dem Arbeitsvertrag. Bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses muss der Nachweis, 418 419
Oben § 5 D. II. Oben § 5 D. III.
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der dem Arbeitnehmer auszuhändigen ist, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG „eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit“ enthalten. Wird der Arbeitsbereich, den der Arbeitnehmer übernehmen soll nicht ausdrücklich vereinbart, ergibt er sich aus den Umständen bei der Einstellung. Eine Eingrenzung des Tätigkeitsbereichs unterbleibt nur dort, wo für die Wahrnehmung der Arbeitsaufgaben keine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind. Der Arbeitnehmer hat dann jede ihm zugewiesene Arbeit auszuführen. Aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich daher die Art der geschuldeten Tätigkeit in aller Regel lediglich als grobe Charakterisierung eines Tätigkeitsbereichs. Der im Arbeitsvertrag enthaltenen Umschreibung des Tätigkeitsbereichs lassen sich in aller Regel keine Einzelaufgaben entnehmen. Für das Beispiel des Malers heißt dies, die Art seiner Tätigkeit ist allein aufgrund des Arbeitsvertrags weder durch die Farbe, in der er die Wand streicht, noch durch die Wand, die gestrichen werden soll, bestimmt. Für den Arbeitsvertrag ist vielmehr typisch und sogar wesensprägend, dass die einzelnen Leistungspflichten immer wieder neu bestimmt werden. Dementsprechend müssen sich die Arbeitsvertragsparteien beim Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der bloßen Umschreibung eines Tätigkeitsbereichs begnügen. Entsprechend der im Arbeitsvertrag enthaltenen Konkretisierung der Art der Tätigkeit wäre mithin die Identität der Arbeitsleistung dann nicht mehr gewahrt, wenn der Arbeitnehmer Tätigkeiten ausführt, die nicht mehr dem festgelegten Berufsbild oder Aufgabenbereich entsprechen. Stellvertretend für alle genannten Beispiele bedeutet dies für den Baggerführer, welcher das Nachbargrundstück ausbaggert, dass er noch die Tätigkeit eines Baggerführers ausübt und damit keine Nichtleistung, sondern eine Schlechtleistung erbringt.420 dd) Konkretisierung der Art der Tätigkeit durch die Weisungen des Arbeitgebers? Dies gilt freilich nur, soweit die Art der Arbeitsleistung nur anhand des Arbeitsvertrags zu bestimmen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Behandlung arbeitsvertraglicher Leistungsstörungen wird aber bestritten, das die geschuldete Art der Tätigkeit allein nach der arbeitsvertraglichen Abrede zu bestimmen. So setzt etwa Kappes421 stillschweigend voraus, dass der Arbeitgeber qua Ausübung seines Weisungsrechts auch die Art der geschuldeten Tätigkeit bestimmt. Anders könnte er in dem angesprochenen Beispiel nicht zu dem Ergebnis gelan420 Voraussetzung dafür, dass eine Schlecht- und keine Nichtleistung vorliegt, ist im Beispiel des Baggerführers freilich, dass er noch innerhalb des Organisationsbereichs des Arbeitgebers tätig wird (siehe oben § 5 D. IV. 2.). Ist dies nicht mehr der Fall, läge, der Verfehlung des Leistungsorts wegen, eine Nichterfüllung vor. 421 Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 34 f.
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gen, dass der Arbeitnehmer, der weisungswidrig Schrauben der falschen Größe produziert, so zu behandeln sei, als habe er nicht geleistet. Wie bereits aufgezeigt422 stellt sich Blomeyer ausdrücklich auf den Standpunkt, dass sich die Art der Arbeitsleistung sowohl aus dem Arbeitsvertrag als auch aus den Weisungen des Arbeitgebers ermitteln lässt. Und auch Tillmanns423 führt die Identität der Arbeitsleistung in dem Gewand der Funktion und Teilfunktion der Arbeitsleistung auf die Weisungen des Arbeitgebers zurück: „Es ist zu fragen, ob der erbrachten Tätigkeit eine eigenständige Teilfunktion, die die geschuldete Tätigkeit hätte haben sollen, fehlte. Im Arbeitsvertrag entstehen derartige eigenständige Teilfunktionen vor allem durch Weisungen. Um eine eigenständige Teilfunktion handelt es sich dabei nur, wenn die Funktion klar definiert werden kann und die diese Funktion erfüllende Tätigkeit bei isolierter Betrachtung einen „wirklichen Vorteil“ für den Dienstberechtigten darstellt, wobei es sich bei einem Arbeitsvertrag in aller Regel um einen wirtschaftlichen Vorteil handeln wird. Eigenständige Teilfunktionen werden insbesondere durch die Übertragung einer bestimmten Arbeitsaufgabe begründet.“ Tillmanns kommt auf diesem Weg beispielsweise für den Maler, der eine Wand in einer anderen als der angewiesenen Farbe streicht wie auch für den Ladenangestellten, der zwar die Regale einräumt, jedoch nicht die Kunden bedient, unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer in diesen Beispielen bewusst oder unbewusst weisungswidrig handeln, jeweils zu dem Ergebnis, dass die Identität der geschuldeten Arbeitsleistung nicht mehr gewahrt und der Arbeitgeber daher zur Minderung der Vergütung nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ berechtigt ist.424 Im Ergebnis sehen die genannten Autoren den Arbeitgeber damit als berechtigt an, durch die Ausübung seines Weisungsrechts die im Arbeitsvertrag mit der dort festgelegten Art der Arbeitsleistung angelegte Grenze zwischen aliud und peius zu Lasten des Arbeitnehmers zu verschieben. Dem kann im Hinblick auf die hier bereits ausführlich dargelegte Neutralität der Weisungen des Arbeitgebers hinsichtlich des Synallagmas des Arbeitsvertrags425 jedoch nicht gefolgt werden. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers erstreckt sich nicht auf die „Bestandteile des Austauschverhältnisses“ zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.426 Eine einseitige Bestimmung der Grenzen von 422
Oben § 5 D. IV. 4. c) bb). Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 442 f. 424 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 440, 443, 444 f. 425 Oben § 5 C. IV. 3. b). 426 BAG vom 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969 (unter II 3 b); LAG Düsseldorf vom 30.8.2002 – 9 Sa 409/02, NZA-RR 2003, 407, 408; Birk, FS Hyung-Bae Kim, S. 25, 27; Hromadka, DB 1995, 2601; Lakies, BB 2003, 364; ErfKommArbR-Preis, § 106 GewO Rn. 2. 423
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Nicht- und Schlechtleistung ist, wie oben ausführlich dargelegt,427 im Arbeitsvertrag nicht angelegt. Es ist zwar zutreffend, dass das Weisungsrecht den Arbeitgeber berechtigt, in den Grenzen billigen Ermessens und im Rahmen des im Arbeitsvertrag festgelegten Tätigkeitsbereichs Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen. Eine Verschiebung der Austauschbeziehung – und eben eine solche setzen die soeben dargestellten Ansätze von Kappes, Blomeyer und Tillmanns voraus – findet bei der Erteilung von Weisungen zum Inhalt der Arbeitsleistung aber nicht statt. Die Austauschbeziehung wird allein durch den Arbeitsvertrag festgelegt. Einer einseitigen Modifizierung der arbeitsvertraglichen Austauschbeziehung durch den Arbeitgeber steht der auf dem Prinzip der Privatautonomie fußende Bindungsgrundsatz entgegen, der die Vertragsparteien an die einmal im Vertrag getroffene Entscheidung bindet.428 Der Arbeitgeber kann mithin anordnen, dass der Dreher Schrauben von einem Durchmesser von 2 mm fertigt. Er konkretisiert mit einer solchen Weisung auch den Inhalt des Leistungsversprechens, denn der Arbeitsvertrag impliziert insoweit ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers. Dementsprechend erfüllt der Dreher, fertigt er Schrauben von 10 mm an, den Leistungsstörungstatbestand der Schlechtleistung. Die Art der geschuldeten Arbeitsleistung konkretisiert der Arbeitgeber jedoch nicht. Die vertraglich festgelegte Charakterisierung der Tätigkeit – in diesem Beispiel, die Tätigkeit des Drehers – bleibt weiterhin der Maßstab, nach dem sich die Identität der Arbeitsleistung bestimmt. Es bleibt mithin dabei, dass der Dreher unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung immer noch Schrauben fertigt und damit Tätigkeiten ausführt, die der vertraglich versprochenen Art entsprechen. ee) Zusammenfassung Es kann an dieser Stelle daher festgehalten werden, dass die geschuldete Art der zu leistenden Dienste allein anhand des Arbeitsvertrags zu bestimmen ist. Durch Weisungen des Arbeitgebers wird die Art der geschuldeten Dienste nicht über die im Arbeitsvertrag enthaltene Charakterisierung der Tätigkeit hinaus konkretisiert. Die Identität der Arbeitsleistung ist folglich dann nicht mehr gewahrt, wenn die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung nicht mehr der vertraglich vereinbarten Art der Tätigkeit entspricht.429 Dies ist regelmäßig nicht allein deshalb der Fall, weil die Arbeitsleistung an Qualitätsmängeln leidet, seien diese auch gravierender Art. 427
Oben § 5 C. IV. 3. b). Oben § 5 C. IV. 3. b). 429 So im Ergebnis bereits Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 69, der von einer Nichterfüllung nur dann ausgeht, wenn die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung in so großem Maße von der geschuldeten Tätigkeit abweicht, dass sie nach der Verkehrsauffassung nicht mehr dem „Wesen“ der geschuldeten Tätigkeit entspricht. 428
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d) Identität der Arbeitsleistung im Hinblick auf die Art der Tätigkeit Es stellt sich hiernach mit den Worten Jaerischs430 die Frage, wann die „Mängel“ einer Tätigkeit „derartig sind“, dass sie nach der „Verkehrsauffassung [. . .] das Wesen der Vertragsleistung beseitigen.“ Von dem hier vertretenen Standpunkt aus ist bei der insofern erforderlichen Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistung im Hinblick auf die Art der Tätigkeit wiederum daran anzuknüpfen, dass dem Abschluss des Arbeitsvertrags insbesondere das Interesse des Arbeitgebers daran zugrunde liegt, über die Dienste des Arbeitnehmers in einem zeitlich bestimmten Umfang zu verfügen und die versprochene Tätigkeit in die eigene Arbeitsorganisation einzugliedern.431 Wie bereits aufgezeigt432 kommt der arbeitsvertraglichen Charakterisierung des Tätigkeitsbereichs dabei die Funktion zu, den Bereich der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers einzugrenzen, in den sich der Arbeitnehmer einordnen muss, um seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Die Zuweisung eines Arbeitsbereichs dient dabei dem Interesse des Arbeitgebers an einer effizienten, arbeitsteiligen Arbeitsorganisation. Gleichzeitig hat der Arbeitgeber jedoch auch ein großes Interesse an einer möglichst flexiblen Einsetzbarkeit des Arbeitnehmers. Eben aus diesem Grund wird der Einsatzbereich des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag regelmäßig nur durch Nennung einer Berufsbezeichnung umschrieben. Dies gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, durch die Ausübung seines Weisungsrechts dem Arbeitnehmer das gesamte Spektrum an Tätigkeiten aus dem vertraglich vereinbarten Berufsbild zuzuweisen. Dass sich der Arbeitgeber aber typischerweise vorbehält, den Arbeitnehmer innerhalb des Spektrums des im Arbeitsvertrag vorgesehenen Tätigkeitsbereichs oder Berufsbilds einzusetzen, muss er sich hieran auch festhalten lassen, wenn es darum geht, eine nicht ordnungsgemäße Tätigkeit einem leistungsstörungsrechtlichen Tatbestand zuzuordnen. Die Identität der Arbeitsleistung ist inhaltlich erst dann nicht mehr gewahrt, wenn die im Arbeitsvertrag mit der Bestimmung eines Tätigkeitsbereichs oder Berufsbilds gezogene Grenze der Art der Tätigkeit überschritten ist. Die Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung muss hiernach eine Einzelfallentscheidung entlang der Grenze des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereichs oder Berufsbilds sein. Überschritten ist die Grenze beispielsweise in dem Fall, wenn der Maurer, anstatt zu mauern, mit den Kollegen Skat spielt. Demgegenüber ist in den zuvor erörterten Beispielen des Baggerführers, Malers etc., jeweils festzustellen, dass die Identität der Arbeitsleistung gewahrt und damit der Tatbestand der Nichtleistung nicht gegeben ist. Ein bloßes qualitatives Defizit stellt nach der hier vertretenen Auffassung die Identität der Arbeitsleistung grundsätzlich nicht in Frage. 430 431 432
Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit, S. 69. Oben § 5 D. III. 1. und 2. Oben § 5 D. IV. 4. c) cc), dd).
E. Ergebnis
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Eine qualitative Minderleistung stellt jedoch dann eine Nichtleistung dar, wenn zwar die Art der zu leistenden Dienste nicht in Frage steht, der Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit aber bewusst von seinen Arbeitsaufgaben bzw. den arbeitgeberseitigen Vorgaben hinsichtlich der Arbeitsqualität abgewichen ist. Der Tatbestand der Nichtleistung ist dann freilich nicht deshalb erfüllt, weil der Arbeitnehmer nicht die geschuldete Arbeitsqualität erbringt, sondern weil er in einer der passiven Resistenz vergleichbaren Weise bewusst weisungswidrig tätig wird und sich damit nicht mehr der Leitungsmacht des Arbeitgebers unterwirft. Hiernach leistet der Maler, der die Wand vorsätzlich in der falschen Farbe streicht oder der Baggerführer, der wissentlich auf dem Nachbargrundstück die Baugrube aushebt, nicht die geschuldete Arbeitsleistung. e) Zusammenfassung Zu den inhaltlichen Merkmalen, welche die Identität der Arbeitsleistung neben dem Leistungsort und dem zeitlichen Rahmen der Tätigkeit ausmachen, zählen hiernach die höchstpersönliche Leistungserbringung, die weisungsgetreue Leistungserbringung und die Art der zu erbringenden Arbeitsleistung, nicht jedoch, wie vielfach angenommen, die Qualität der Tätigkeit.
V. Zusammenfassung Für die Identität der Arbeitsleistung sind somit Leistungszeit und Leistungsdauer, der Leistungsort, das Erbringen der Arbeitsleistung in eigener Person, die Weisungstreue und die Erbringung von Arbeitsleistungen der vertraglich geschuldeten Art maßgeblich.
E. Ergebnis Der Tatbestand der teilweisen Nichtleistung ist hiernach nicht nur in den Fällen gegeben, in denen der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheint oder die Arbeit vertrags- und weisungswidrig unterbricht oder vorzeitig abbricht. Den Tatbestand der Nichtleistung erfüllen vielmehr auch alle die Fälle, in denen der Arbeitnehmer eine aliud-Arbeitsleistung erbringt, weil seine Leistung nicht die geschuldete Identität aufweist. Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Arbeitsleistung dabei nicht vorschnell die Identität abgesprochen werden darf. Nur wenn die den Vertragszweck prägende zeitlich bestimmte Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers nicht mehr gewährleistet ist, verliert die Arbeitsleistung die geschuldete Identität. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer nicht am rechten Ort, nicht innerhalb der Arbeitszeit, nicht in eigener Person, vorsätzlich nicht getreu den Weisungen oder nicht in einer der versprochenen Tätigkeit entsprechenden Art und Weise arbeitet. Bloße
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Qualitätsmängel, seien sie auch noch so gravierend, nehmen der Arbeitsleistung hingegen nicht ohne weiteres ihre Identität und begründen damit auch nicht den Tatbestand der Nichtleistung. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie weit die in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsvertrag reicht. Soweit die Arbeitsleistung lediglich an Qualitätsmängeln leidet, ist das Prinzip des konditionellen Synallagmas außer Kraft gesetzt. Erst wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich defizitäre Leistungen erbringt, d.h. sich nicht mehr weisungsgetreu verhält, greift der Leistungsstörungstatbestand der Nichtleistung und damit gemäß dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ auch das Prinzip des konditionellen Synallagmas. Von einer zur Lohnminderung berechtigenden Nichtleistung ist ferner dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer nicht in eigener Person tätig wird, Tätigkeiten ausübt, die nicht mehr der arbeitsvertraglich geschuldeten Art entsprechen, nicht am Leistungsort oder nicht zur richtigen Leistungszeit tätig wird.
§ 6 Verschuldensabhängige Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen Die Untersuchung hat bis hierhin ergeben, dass die Schlechtleistung des Arbeitnehmers nicht den Regeln des konditionellen Synallagmas gehorcht. Gesetzliche Gestalt gewinnt die Durchbrechung des konditionellen Synallagmas im Arbeitsverhältnis durch die Vorschrift des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB, die eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen ausschließt. Es ist zudem deutlich geworden, dass sich diese gesetzliche Weichenstellung auch nicht durch eine extensive Auslegung der Regeln über die teilweise Unmöglichkeit umgehen lässt. Offen geblieben ist dabei jedoch die Frage nach den bei schuldhaften Schlechtleistungen im Arbeitsrecht abseits der verhaltensbedingten Kündigung greifenden Sanktionen. Der Gedanke, dass auch die schuldhaft unzulängliche Vertragserfüllung den Arbeitnehmer nicht schadensersatzpflichtig macht und die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht1 im Arbeitsverhältnis im Hinblick auf den Lohnanspruch damit gänzlich sanktionslos sein soll,2 erscheint befremdlich. Dennoch spricht sich die herrschende Meinung in Schrifttum3 und Rechtsprechung4 gegen eine schadensersatzrechtliche Haftung des Arbeitnehmers bei Schlechterfüllung der Arbeitspflicht aus. Die Interessenlage des Arbeitsverhältnisses verlangt demgegenüber lediglich nach einem Ausschluss der verschuldensunabhängigen Haftung für Schlechtleis1 An dieser Stelle erscheint es missverständlich, mit dem Begriff der Schlechtleistung zu operieren. Eine schadensersatzrechtliche Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen ist insoweit anerkannt, als der Arbeitnehmer in den Grenzen der geltenden Haftungserleichterung zumindest Folgeschäden zu ersetzen hat. Im Zusammenhang mit dem Synallagma des Arbeitsvertrags kommt es aber allein auf die Frage an, ob der Arbeitnehmer für die Minderleistung selbst schadensersatzrechtlich haftet. Daher erscheint es an dieser Stelle vorzugswürdig, sich auf die Haftung des Arbeitnehmers für die Schlechterfüllung, welche hier das bloße Leistungsdefizit beschreiben soll, zu konzentrieren. 2 Die Schlechtleistung berechtigt unter bestimmten Voraussetzungen selbstverständlich zur Kündigung des Arbeitnehmers. Dazu unten § 7 B. IV. 2. b) cc). 3 MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 63; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 380 ff.; offen gelassen bei Preis/Hamacher, Jura 1998, 116, 117; Schlodder, Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht, S. 138; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 150 f. m.w. N. 4 BAG vom 6.6.1971 – 1 AZR 438/71, AP Nr. 71 zu § 611 Haftung des Arbeitnehmers (1 a) mit krit. Anm. Mörschel; ähnlich BAG vom 27.10.1970 – 1 AZR 216/70, AP Nr. 44 zu § 4 TVG Ausschlußfristen mit krit. Anm. Lieb.
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§ 6 Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen
tungen. Zwar tauschen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags Arbeit und Lohn aus. Das grundsätzlich für einen solchen gegenseitigen Vertrag geltende konditionelle Synallagma bedingen die Parteien jedoch schon mit der Wahl des Vertragstyps Arbeitsvertrag und der in dieser Wahl enthaltenden Entscheidung für die Geltung des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB ab. Eine verschuldensabhängige Haftung ließe sich demgegenüber auch mit den Interessen des Arbeitnehmers zumindest im Grundsatz noch vereinbaren. Schließlich bedarf es zu einem Eingreifen eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs nicht allein einer Pflichtverletzung, sondern mit dem Tatbestandsmerkmal des Vertretenmüssens einer Voraussetzung, für deren Vorliegen es allein auf die Sorgfaltswaltung des Arbeitnehmers ankommt.
A. Meinungsstand Gegen eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers für Schlechterfüllungen werden von der herrschenden Meinung5 zwei Argumente vorgebracht. Üblicherweise heißt es, die nicht ordnungsgemäße Arbeit schlage bei der Berechnung des Schadens nach der Differenztheorie nicht zu Buche, da geleistete Dienste keine bleibende Vermögensposition darstellten, deren Mangelhaftigkeit sich bei der Saldierung noch bemerkbar machen könnte.6 Dieser Auffassung liegt die Vorstellung zu Grunde, die menschliche Arbeitskraft sei kein Vermögensgut.7 Ferner wird von Tillmanns angeführt, der schadensrechtlichen Berücksichtigung des Minderwerts der Arbeitsleistung stehe entgegen, dass die Frage der Auswirkung von Schlechtleistungen auf den Anspruch auf die Gegenleistung allein auf der Primärebene zu entscheiden sei. Tillmanns macht zur Begründung ihres Standpunkts – wohl mit Blick auf die Möglichkeit, mit einer Gegenforderung gerichtet auf Schadensersatz für den Minderwert der Arbeitsleistung, gegenüber dem Lohnanspruch aufzurechnen – geltend, dass es sich bei der Frage, „ob und wie Leistung und Gegenleistung miteinander stehen und fallen,“ um „die Frage nach dem Konnex der ursprünglichen vertraglichen Leistungspflichten“ handele. Die Frage nach dem Bestand der Forderungen müsse daher auf der Ebene der Primäransprüche beantwortet werden. Das in § 326 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB ausgestaltete System des konditionellen Synallagmas und seiner Durchbrechungen werde durch eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers in unzulässiger Weise aus den Angeln gehoben. Nach der Auffassung Tillmanns’ muss es bei der in
5 BAG vom 6.6.1971 – 1 AZR 438/71, AP Nr. 71 zu § 611 Haftung des Arbeitnehmers (1 a); MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 63; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 381. 6 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 381. 7 So ausdrücklich MüHdBArbR-Reichold, § 39 Rn. 63 m.w. N.; ebenso MüKo-Oetker, § 249 Rn. 86.
B. Gründe für eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers
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§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB unabhängig vom Vertretenmüssen ausgestalteten Geltung des konditionellen Synallagmas bleiben.8
B. Gründe für eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers Das im Rahmen dieser Untersuchung erarbeitete Verständnis von § 326 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB sowie die Bewertung der das Arbeitsverhältnis bestimmenden Interessenlage, welche der Auslegung der Vorschrift hier zu Grunde gelegt worden ist, lassen demgegenüber durchaus Raum für eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB steht – dies ist deutlich geworden9 – allein der verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitnehmers entgegen. Gleiches gilt für die hier bereits erörterte zwischen den Arbeitsvertragsparteien herrschende Interessenlage, die der Auslegung der das Arbeitsverhältnis prägenden Normen zu Grunde zu legen ist. Wenig überzeugend ist daher die Auffassung Tillmanns’, die Ausgestaltung des konditionellen Synallagmas in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB verbiete eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers. Zunächst ist festzuhalten, dass nach der hier vertretenen Auffassung die Schlechterfüllung des Arbeitnehmers von der ipso-iureMinderung nach § 326 Abs. 1 Satz 1 in Satz 2 BGB der Vorschrift deshalb ausgenommen worden ist, weil der Arbeitnehmer mit Rücksicht auf seine Eingliederung in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers nicht ähnlich einem Werkunternehmer einer Erfolgshaftung unterliegen darf. Mit einer Verschuldenshaftung nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB kollidiert diese Befreiung des Arbeitnehmers vom Mechanismus des konditionellen Synallagmas in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB hingegen nicht, denn nach § 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB haftet der Arbeitnehmer nur für solche Minderleistungen, die ihm unter den Voraussetzungen des § 276 BGB aufgrund einer Sorgfaltswidrigkeit oder eines vorsätzlichen Handelns auch zuzurechnen sind. Aus dem gleichen Grund kollidiert die Annahme einer Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers für die Mangelfreiheit der geleisteten Arbeiten auch nicht – wie von Servatius10 angenommen – mit dem Verzicht des Gesetzgebers auf Gewährleistungsregeln für das Dienstvertragsrecht. Die Haftung nach § 280 Abs. 1 und 3 283 BGB unterscheidet sich auch und gerade vor dem Hintergrund der Regelung des § 619a BGB, die dem Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat, (zurück-)auferlegt, maßgeblich von der verschuldensunab-
8 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 382 f.; ebenso Servatius, Jura 2005, 838, 839. 9 Oben § 4 C. IV. 4. b). 10 Servatius, Jura 2005, 838, 839.
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hängigen Minderung und Nacherfüllungspflicht, welche die Erfolgshaftung des Werkunternehmers maßgeblich prägen. Auch aus den rechtstheoretischen Überlegungen, die dem Synallagma zu Grunde liegen, ergibt sich kein Ausschluss der Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers. Wie bereits aufgezeigt11 sind die Vertragsparteien grundsätzlich frei in der Ausgestaltung des für ihre Vertragszwecke gewählten Austauschverhältnisses. Eine Abbedingung der verschuldensunabhängigen Haftung, eine Entscheidung die der Wahl des Vertragstyps Arbeitsvertrag, wie aufgezeigt, immanent ist, beinhaltet nicht ohne weiteres auch eine Befreiung des Arbeitnehmers von einer Haftung für zurechenbare Pflichtverletzungen. Es ist vielmehr so, dass der Austauschcharakter des Arbeitsvertrags, welcher, dies ist eingangs der vorliegenden Untersuchung deutlich geworden,12 heute kaum mehr bestritten wird, eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers zumindest für den Bereich vorsätzlicher Pflichtverletzungen zwingend voraussetzt. In einem gegenseitigen Vertrag kann keine Partei nachträglich frei werden, ohne für das Leistungshindernis zu haften, wenn sie die Unmöglichkeit der Leistungserbringung vorsätzlich herbeigeführt hat. Haftete der Schuldner nicht einmal für die vorsätzliche Herbeiführung der Unmöglichkeit seiner Leistung, wäre aus dem Vertrag de facto nur der Gläubiger verpflichtet. Es wäre dann im Grunde in das Belieben des Schuldners gestellt, ob seine Leistungsverpflichtung Bestand haben soll oder nicht.13 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dem Arbeitgeber stehe mit der verhaltensbedingten Kündigung ein Mittel zur Verfügung, vorsätzliche Pflichtverletzungen zu sanktionieren, denn die verhaltensbedingte Kündigung kann nur als ultima ratio und nur bei negativer Prognose des Leistungsaustauschs für die Zukunft Leistungsstörungen ausschließen. Der Gedanke des konditionellen Synallagmas spricht daher vielmehr gerade für eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers. Dabei kann im Einzelfall eine Haftung des Arbeitnehmers für fahrlässige Pflichtverletzungen ausgeschlossen werden. Gerade im Hinblick auf die Hauptleistungspflicht dürfte ein solche Haftungsmilderung aber ganz regelmäßig zu verneinen sein. Die Einschränkung des synallagmatischen Zusammenhangs von Arbeit und Lohn ist eine für synallagmatische Verträge untypische Ausnahme und muss auf die Situationen begrenzt bleiben, in welchen den Arbeitnehmer der Regelfall der Tragung des Entgeltrisikos zu stark belastet.14 Die Interessen der Arbeitnehmer lassen sich im Rahmen der Verschuldenshaftung dadurch effektiv berücksichtigen, dass bei der erforder11
Oben § 4 A. I. Oben § 2. 13 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 29 f. Eben diese Überlegungen sind es wohl, welche der Feststellung Beuthiens zu Grunde liegen, dass der Arbeitnehmer, der vorsätzlich eine Schlechtleistung erbringe „nicht lohnwürdig“ sei (Beuthien, ZfA 1972, 73, 76). 14 Leßmann, FS für Ernst Wolf 1985, S. 395, 410. 12
B. Gründe für eine Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers
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lichen Bestimmung des vom Arbeitnehmer einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs verkehrskreistypische und individuelle Merkmale des Arbeitnehmers einfließen.15 Außerdem ist der Arbeitgeber entgegen der Regelung in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB gemäß § 619a BGB aufgerufen, im Streitfall den Beweis dafür zu erbringen, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung, auf welche der Arbeitgeber seinen Schadensersatzanspruch stützt, auch zu vertreten hat. Voraussetzung für eine verschuldensabhängige Haftung in Gestalt eines Schadensersatzanspruchs bleibt freilich, dass der im Rahmen der verschuldensabhängigen Haftung nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB zu ersetzende Schaden auch den bloßen Minderwert der Arbeitsleistung umfasst, mit der Folge, dass über die Aufrechnung letztlich die Lohnzahlung verweigert oder zumindest gemindert werden kann. Entgegen der heute herrschenden Meinung hat bereits Oertmann16 mit Recht den bei der Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers zu ersetzenden Schaden „allermeist in dem Minderwert der schlechten Arbeit gegenüber der pflichtgemäßen guten“ gesehen. Auch Beuthien17 sieht einen Schaden des Arbeitgebers als gegeben an, wenn er „trotz des auch bei schlechter Arbeit in voller Höhe bestehenden Lohnanspruchs des Arbeitnehmers keine vollwertige Arbeitsleistung empfangen“ hat. Dafür, dass der Arbeitsminderwert im Rahmen der Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers als Schadensposten zu berücksichtigen ist, spricht auch die jüngere Rechtsprechung des BGH, der richtigerweise davon ausgeht, dass Arbeitsund Zeitaufwand schadensrechtlich jedenfalls dann als Vermögenswert anzusehen sind, wenn sich nach der Verkehrsauffassung für die getätigte Arbeitsleistung ein objektiver nach dem Maß der Arbeitsleistung geldlicher Wert, d.h. ein Marktwert, ermitteln lässt18. Entscheidend ist aber, dass die Arbeitsvertragsparteien nach heutigem Verständnis ein Austauschverhältnis im Sinne eines gegenseitigen Vertrags gemäß §§ 320 ff. BGB eingehen, wenn sie einen Arbeitsvertrag schließen. Dem Abschluss eines gegenseitigen Vertrags liegt stets die Vorstellung zu Grunde, wirtschaftlich relevante Werte miteinander auszutauschen. Auch wenn diese sich nicht zwingend äquivalent zueinander im Sinne einer wirtschaftlichen Gleichwer15
Unten § 7 B. IV. 2. b) bb). Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 134. 17 Beuthien, ZfA 1972, 73, 75, 78; ebenso Lieb, Anm. zu BAG vom 27.10.1970 – 1 AZR 216/70, AP Nr. 44 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; Lotmar, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Zweiter Band, S. 86 f.; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 233 ff. 18 BGH vom 24.11.1995 – V ZR 88/95 NJW 1996, 921, 922; BGH vom 7.3.2001 – X ZR 160/99, NJW-RR 2001, 887, 888 f. Ein Marktwert der Arbeitsleistung lässt sich ohne weiteres selbst dort ermitteln, wo der Arbeitsvertrag zur Frage der Vergütung schweigt. Dies zeigt § 612 Abs. 2 BGB. Bereits anhand einschlägiger Tarifverträge lässt sich für die allermeisten Tätigkeiten ohne Weiteres ein Marktwert ermitteln. 16
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tigkeit verhalten, sprechen die Vertragsparteien den ausgetauschten Leistungen gerade durch ihren Austausch doch jeweils einen wirtschaftlichen Wert zu. Die Vorstellung, menschliche Arbeitsleistung könne zum Gegenstand eines gegenseitigen Vertrags werden, sei aber andererseits nicht als Vermögenswert anzusehen, widerspricht dieser parteiautonom getroffenen Entscheidung der Arbeitsvertragsparteien. Wenn sich diese dazu entschließen, im Rahmen eines Austauschvertrags Arbeit gegen Lohn auszutauschen, geben sie der Arbeit durch den Vertragsschluss selbst den Charakter eines Vermögensgegenstands. Diese Entscheidung der Vertragsparteien muss schließlich auch dann berücksichtigt werden, wenn eine Leistungsstörung festgestellt ist und es um die Frage der Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers geht. Den Minderwert der Arbeitsleistung bei der Bestimmung des zu ersetzenden Schadens im Falle einer schuldhaften Schlechtleistung des Arbeitnehmers außen vor zu lassen hieße, den Charakter des Arbeitsverhältnisses als Austauschverhältnis und die Entscheidung der Parteien zum wirtschaftlichen Austausch von Leistungen unbeachtet lassen.
C. Ergebnis Auch wenn eine Lohnminderung nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist, ist die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht nicht sanktionslos. Der Arbeitnehmer haftet für Schlechterfüllungen zumindest im Grundsatz19 dann, wenn ihm nachgewiesen werden kann, dass er schuldhaft arbeitsvertragliche Pflichten verletzt hat.
19 Dieser Grundsatz findet wiederum Einschränkungen in den für Arbeitnehmer geltenden Haftungsprivilegierungen. Dazu unten § 8 B.
§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung und Schlechterfüllung der Arbeitspflicht Damit stellt sich die Frage, wann eine Schlechtleistung der Arbeit in Abgrenzung zur ordnungsgemäßen Arbeitsleistung vorliegt. Um die Grenze zwischen ordnungsgemäßer und nicht ordnungsgemäßer Arbeit ziehen zu können, ist es unerlässlich, zunächst zu bestimmen, was der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber als Arbeit schuldet. Schon seit Langem ist die besondere Bedeutung der konkreten Bestimmung der Pflicht zur Arbeitsleistung bekannt.1 Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der großen Regelungsdichte auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ist es umso erstaunlicher, dass sich bis heute nicht ohne weiteres sicher beschreiben lässt, was der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber genau schuldet.2 Zu Recht wurde lange Zeit beklagt, dass die arbeitsrechtliche Literatur der wichtigen Frage der Bestimmung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers zu wenig Aufmerksamkeit schenkt.3 In jüngerer Zeit rückt die Leistungspflicht des Arbeitnehmers jedoch immer weiter ins Zentrum der Aufmerksamkeit des Schrifttums.4 Und auch das BAG hatte sich im Zusammenhang mit der Kündigung so genannter Low-Performer5 in den letzten Jahren vermehrt mit der Leistungspflicht des Arbeitnehmers auseinander zu setzen. Die insoweit wiederbelebte Diskussion um den näheren Inhalt der Arbeitspflicht soll im Folgenden zunächst nachvollzogen und um einige bisher kaum beachtete Aspekte erweitert werden. Es soll vor allem aufgezeigt werden, dass sich aus dem soeben erarbeiten Bild von der synallagmatischen Verknüpfung von 1 Rabe, Lohminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 38 ff. 2 Bayreuter, NZA Beilage 1/2006, 3. 3 So bereits Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 23; Wlotzke, RdA 1965, 180, 188 (Fn. 63); ebenso in jüngerer Zeit Bayreuter, NZA Beilage 1/2006, 3; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 144; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 95. 4 Siehe Fahl, Arbeit ist Leistung; Bayreuther, NZA Beilage 1/2006, 3 ff.; Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13 ff.; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 95 ff.; daneben Hunold, BB 2003, 2345 ff.; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 115 ff.; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 144 ff. 5 Siehe BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969.
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
Arbeit und Leistung und der partiellen Durchbrechung dieser Verknüpfung durch § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie der dahinter verborgenen Interessen- und Risikoverteilung wertvolle Erkenntnisse für die Bestimmung der Arbeitspflicht gewinnen lassen. Daneben soll auch die allgemeine Systematik des arbeitsrechtlichen Kündigungsrechts in den Blick genommen werden. Es wird sich dabei zeigen, dass neben dem Leistungsstörungsrecht des gegenseitigen Vertrags auch das Kündigungsschutzrecht systematische Argumente liefert, die Anhaltspunkte für die Bestimmung der Arbeitspflicht bieten.
A. Pflicht zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Dienste I. Pflicht zur tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung Der Arbeitnehmer ist nach herrschender Meinung verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Arbeit zu erbringen.6 Die von Nikisch7 begründete Auffassung, die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers erschöpfe sich darin, seine Arbeitskraft für die versprochenen Dienste zu bestimmten Zeiten zur Verfügung zu stellen, wird heute nur noch ganz vereinzelt vertreten8 und von der herrschenden Meinung zu Recht abgelehnt. Gegen den Ansatz Nikischs sprechen insbesondere Erwägungen des historischen Gesetzgebers zum Annahmeverzug des Dienstberechtigten. Die Lohnfortzahlung im Falle der Nichtannahme der bereitgestellten Dienste sollte an die Voraussetzungen des Annahmeverzugs geknüpft werden. Zum Annahmeverzug könnte es aber niemals kommen, wäre die Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag bereits erfüllt, sobald der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Bereits der historische Gesetzgeber ging daher davon aus, dass durch das bloße Zur-Verfügung-Stellen der Arbeitsleistung nicht Erfüllung eintreten sollte.9 Kann die Arbeit nicht erbracht werden, obwohl der Arbeitnehmer diese anbietet, stellt sich rechtsdogmatisch die Frage der Gefahrtragung, nicht die Frage der Erfüllung.10 Dass die Zeit das Maß ist, das den Umfang der geschuldeten Arbeit beschreibt, bedeutet nicht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht allein damit erfüllt, dass er dem Arbeitgeber mit einem bestimmten Arbeitszeitvolumen zur Verfügung steht. Er ist vielmehr zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet.11
6 So die heute ganz herrschende Meinung: Picker, JZ 1979, 285, 292; MüHdBArbRReichold, § 36 Rn. 3; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 516 ff. 7 Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 270 ff.; 599. 8 Zuletzt von Stebut, RdA 1985, 66, 69 f. 9 Motive II, S. 461 ff. 10 Siehe Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 907 ff. 11 Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 516.
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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II. Pflicht zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Dienste als Bestandteil der Arbeitspflicht selbst Darüber hinaus folgt unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, dass der Arbeitnehmer zu einer ordnungsgemäßen Arbeitsleistung verpflichtet ist. Die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers erschöpft sich nicht in einer bloßen subjektiven Mühewaltung.12 Vor dem Hintergrund der heute ganz herrschenden Auffassung, dass der Arbeitsvertrag eine schuldrechtliche Austauschbeziehung begründet,13 ist zu berücksichtigen, dass ein intaktes Austauschverhältnis voraussetzt, dass Leistungen ausgetauscht werden, die inhaltlich dem Leistungsversprechen genügen.14 Der Arbeitnehmer ist daher verpflichtet eine mangelfreie, den vertraglich festgelegten Anforderungen entsprechende Arbeitsleistung zu erbringen.15 Dass der Arbeitnehmer nicht verschuldensunabhängig für die Mangelfreiheit der Arbeitsleistung einzustehen hat, rechtfertigt keinesfalls die Annahme, dass er keine mangelfreie Arbeitsleistung erbringen muss.16
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab I. Individueller Leistungsmaßstab Im arbeitsrechtlichen Schrifttum wird die geschuldete Arbeitsleistung bisher ganz überwiegend unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bestimmt.17 1. Individuell-optimale Arbeitsleistung Bereits bei Nikisch heißt es, jeder Arbeitgeber müsse mit der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit seiner Arbeitnehmer rechnen und dürfe deshalb bei der Beurteilung nur einen subjektiven Maßstab anlegen, der es gebiete, von dem einzelnen Arbeitnehmer nicht mehr zu verlangen, als in seinen Kräften stehe.18 Sei 12
Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 215. Oben § 2 A. 14 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 116. 15 Peukert, AcP 205 (2005), 430, 459. 16 Peukert, AcP 205 (2005), 430, 481 f.; dazu noch ausführlich unten § 7 B. 17 Canaris, Anm. zu BAG vom 20.3.1969 – 2 AZR 283/68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 22; Hromadka/ Maschmann, Arbeitsrecht Band 1, § 6 Rn. 82; Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 44; MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 43; Richardi, NZA 2002, 1004, 1011; Rüthers, ZfA 1973, 399, 402 ff.; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 151 f.; zumindest im Ausgangspunkt ErfKommArbRPreis, § 611 Rn. 643 ff.; HWK-Thüsing, § 611 Rn. 299. 18 Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 300; ebenso zumindest im Ausgangspunkt Kaufmann, AuR 1953, 267. 13
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
eine Fehlleistung nicht auf einen Mangel an Sorgfalt zurückzuführen – insoweit belässt es Nikisch bei dem objektiven Fahrlässigkeitsmaßstab des § 276 BGB19 –, sondern darauf, dass der Arbeitnehmer über unzureichende Fähigkeiten verfüge, hafte der Arbeitnehmer auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die verminderte Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers weder kannte noch kennen musste. Der Arbeitnehmer muss nach dem Dafürhalten Nikischs20 seine Arbeit unter vollem Einsatz seiner körperlichen und geistigen Kräfte verrichten.21 Ihre Ursprünge hat diese Auffassung in den Gesetzgebungsentwürfen der NSZeit. Nach diesen Entwürfen sollte der Arbeitnehmer verpflichtet sein, die „Arbeitspflicht im Geiste wahrer Arbeits- und Betriebsgemeinschaft unter Aufwendung aller ihm gegebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu erfüllen.“ 22 Auch aus der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AOG normierten Treuepflicht des Arbeitnehmers wurde hergeleitet, dass „der Arbeitnehmer so sorgfältig und ordentlich arbeiten muß, wie es ihm nur möglich ist.“ 23 Bei konsequenter Umsetzung dieser Auffassung müsste der einzelne Arbeitnehmer stets eine individuell-optimale Arbeitsleistung erbringen, um seine Arbeitspflicht ordnungsgemäß zu erfüllen.24 Verfügt er über überdurchschnittliche Fähigkeiten, erfüllt der Arbeitnehmer mit einer, gemessen an vergleichbaren Arbeitnehmern, durchschnittlichen Leistung seine arbeitsvertragliche Verpflichtung nach dieser Auffassung nicht.25 Der Arbeitnehmer wäre vielmehr verpflichtet, stets am oberen Limit seiner individuellen Leistungsfähigkeit zu arbeiten. Dies ist jedoch zweifelhaft. Gegen eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur individuell-optimalen Leistung wird von Teilen des Schrifttums vorgebracht, niemand könne dauerhaft Höchstleistungen erbringen ohne seine Gesundheit und 19 Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 300 f.; ebenso Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 152; Wlotzke, RdA 1965, 180, 188 (Fn. 62); auch Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191 betont, dass der Maßstab der geschuldeten Leistung nicht mit dem Haftungsmaßstab verwechselt werden darf. 20 Nikisch, Arbeitsrecht I. Band, S. 300. 21 Ebenso Däubler/Hjort/Hummel/Wolmerath-Boemke, § 611 Rn. 437; Arbeitsrecht im BGB-Schliemann, § 611 Rn. 579; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 151. Ähnlich Kaufmann, AuR 1953, 267; Soergel (12. Auflage 1997)-Kraft § 611 Rn. 75. 22 Siehe § 13 des Entwurfs eines Gesetzes über das Arbeitsverhältnis von 1938, Ramm, Entwürfe, S. 243 ff. und § 66 des Entwurfs einer Regelung der Arbeit von 1942, Ramm, Entwürfe, S. 345 ff. 23 Kappes, Die Schlechtleistung des Beschäftigten im Arbeitsverhältnis, S. 32. 24 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang von einer subjektiv-optimalen Arbeitsleistung gesprochen. Da die Leistung nach der hier dargestellten Auffassung aber nicht in der Vorstellung des Arbeitnehmers, sondern gemessen an seinen individuellen Fähigkeiten optimal sein muss, scheint der Terminus individuell-optimale Arbeitsleistung treffender. 25 Siehe Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191.
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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Arbeitsfähigkeit nachhaltig zu gefährden.26 Ferner wäre es dem Arbeitnehmer nur möglich, dauerhaft eine individuell optimale Leistung zu erbringen, würde er in seiner Freizeit alles unterlassen, was seine Leistungsfähigkeit negativ beeinflusst. Eine solche Lebensweise könne aber nur von Arbeitnehmergruppen, beispielsweise Spitzensportlern, verlangt werden, die für eine solchen Lebensführung besonders entlohnt werden.27 Darüber hinaus wäre ein Arbeitnehmer, käme es auf seine individuell-optimale Arbeitsleistung an, schlecht beraten, dem Arbeitgeber jemals zu offenbaren, wie weit seine Fähigkeiten reichen, da er stets zu befürchten hätte, an seinem Leistungsmaximum gemessen und bei geringeren Leistungen mit dem Vorwurf der Schlechtleistung konfrontiert zu werden.28 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch den Arbeitsvertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bewusst sein muss, dass ein zeitweiliges Nachlassen der Leistungen in der Natur des Menschen liegt.29 2. Dynamisch-individuelle Normalleistung Auch das BAG30 geht in seiner Rechtsprechung zumindest im Grundsatz von einem individuellen Leistungsmaßstab aus, der sich nach der Auffassung des Gerichts sowohl auf die Güte der Arbeit als auch auf die Intensität mit der sie ausgeführt wird, erstrecken soll. Der Inhalt des arbeitsvertraglichen Leistungsversprechens richte sich – so das Gericht – insbesondere „nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers.“ Der Arbeitnehmer müsse „tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann.“ Die Leistungspflicht sei „nicht starr, sondern dynamisch“ und orientiere sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. 26
Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 118. Canaris, Anm. zu BAG vom 20.3.1969 – 2 AZR 283/68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO; Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 174; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 118; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 150. 28 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 150. In die gleiche Richtung zielen die Einwände bei Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191, der auf die typischen Leistungsunterschiede zwischen Arbeitnehmern die einen Leistungslohn erhalten und Arbeitnehmern, die einen Zeitlohn erhalten, abstellt. Diese Leistungsunterschiede dürfe es nicht geben, wenn der Arbeitnehmer zu einer individuell-optimalen Arbeitsleistung verpflichtet wäre (ähnlich auch Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 118). 29 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 150. 30 BAG vom 20.3.1969 – 2 AZR 283, 68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO mit zust. Anm. Canaris; vom 16.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1969 (III 1); vom 14.1.1986 – 1 ABR 75/83, AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes (B 2 c); vom 21.5.1992 – 2 AZR 551/91, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (II 3 a); vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 b); vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 15. 27
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
Eine objektive Bestimmung der Arbeitspflicht – etwa anhand einer bestimmten Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer – lehnt das Gericht mit der Begründung ab, dass der Arbeitsvertrag als Dienstvertrag keine „Erfolgshaftung“ des Arbeitnehmers kenne. Der Dienstverpflichtete schulde ein „Wirken“ und kein „Werk“.31 Das BAG ist in seiner Rechtsprechung dabei zunächst Nikisch und anderen Autoren in ihrem individuell-optimalen Leistungsmaßstab gefolgt, indem es den Arbeitnehmer als verpflichtet ansah, „nach besten Kräften bemüht“ zu sein, seine Arbeitspflichten zu erfüllen.32 1969 entwickelte der 2. Senat jedoch in dem so genannten Gitter-Urteil33 unter ausdrücklicher Zurückweisung der Auffassung Nikischs einen weniger strengen Maßstab. Seither vertritt das Gericht in ständiger Rechtsprechung, dass der Arbeitnehmer unter „angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit“ 34 zu arbeiten habe. Seine Leistungspflicht verletze der Arbeitnehmer erst, wenn er „Reserven nicht ausschöpft, die mit zumutbaren Anstrengungen nutzbar wären.“ 35 Das arbeitsrechtliche Schrifttum versteht das BAG vor dem Hintergrund dieser Formulierungen zu Recht dahingehend, dass es dem Arbeitnehmer keine individuell-optimale Leistung, sondern eine individuelle Normalleistung abverlangt.36 Zumindest in seinem Ausgangspunkt führt dieser vom BAG postulierte Leistungsmaßstab dazu, dass der Arbeitnehmer eine dynamische Arbeitspflicht schuldet, die sich entsprechend seiner individuellen Leistungsfähigkeit im Laufe des Arbeitsverhältnisses entwickelt. Schwankt die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers mit der Zeit, schwankt seine Leistungsverpflichtung entsprechend. Darüber hinaus wird aus dem vom BAG vertretenen individuellen Leistungsbegriff zum Teil gefolgert, dass, bei konsequenter Anwendung, überdurchschnittlich leistungsfähige Arbeitnehmer überdurchschnittliche Leistungen schuldeten,
31 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 90; vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 15. 32 BAG vom 8.12.1958 AP Nr. 1 zu § 276 BGB (II 3 b); BAG vom 19.3.1959, AP Nr. 8 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (II 3 a). 33 BAG vom 20.3.1969 – 2 AZR 283, 68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO. 34 BAG vom 20.3.1969 – 2 AZR 283, 68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO; vom 16.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1969 (III 1); vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/ 02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 c); BAG vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 16. 35 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 b); vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 16. 36 Grundsätzlich zustimmend Beuthien, ZfA 1972, 73; MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 43; kritisch Canaris, Anm. zu BAG vom 20.3.1969 – 2 AZR 283/68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO; Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 109 ff.; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 118 f.
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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während ein unterdurchschnittlich befähigter Arbeitnehmer auch nur eine unterdurchschnittliche Arbeitsleistung schulde.37 Schließlich ergeben sich bei konsequenter Durchhaltung des individuellen Leistungsbegriffs für den Arbeitgeber große praktische Probleme, wenn es daran geht, im Prozess dem Arbeitnehmer eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht nachzuweisen. Ob der Arbeitnehmer sein persönliches Leistungsvermögen ausschöpfe, sei – so das BAG zu Recht – anhand objektivierbarer Kriterien nicht ohne weiteres erkennbar. Der individuelle Leistungsbegriff verbietet es bei konsequenter Anwendung – von einer unterdurchschnittlichen Arbeitsleistung darauf zu schließen, dass der betreffende Arbeitnehmer sein Leistungsvermögen nicht ausschöpft. Schließlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Arbeitnehmer per se über eine geringere individuelle Leistungsfähigkeit verfügt als die anderen Arbeitnehmer der Vergleichsgruppe, mag dies nun daran liegen, dass die übrigen Gruppenangehörigen besonders leistungsstark sind, sich überfordern oder der gruppenschwächste Arbeitnehmer besonders leistungsschwach ist.38 Zumindest für den Bereich des Kündigungsrechts sieht das BAG39 deshalb ein Bedürfnis, den Beweisschwierigkeiten des Arbeitgebers abzuhelfen, da ihm andernfalls die Möglichkeit genommen werde, einen vertragswidrigen Zustand mit Rechtsmitteln zu beseitigen. Das BAG glaubt, die Beweisprobleme nach den Regeln der abgestuften Darlegungslast lösen zu können. Nach dem Dafürhalten des Gerichts muss zunächst der Arbeitgeber zu den Leistungsmängeln das vortragen, was er wissen kann. Beschränke sich sein Wissen auf die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, genüge der Arbeitgeber seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vortrage, die dafür sprächen, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter der Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben. Eine Kündigung sei dann gerechtfertigt, wenn – gemessen an der Durchschnittsleistung der Vergleichsgruppe – „das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt“ sei. Hiervon sei – so das BAG – dann auszugehen, wenn die Leistung des Arbeitnehmers die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer langfristig „um deutlich mehr als 1/3“ unterschreite.40 Den Wert von 1/3, der die 37 ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 644; kritisch zu dieser Konsequenz des individuellen Leistungsmaßstabs Wlotzke, RdA 1965, 180, 188. 38 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 c); vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 16. 39 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 c); vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 17 ff. 40 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 d). Lange vor dem BAG ist bereits Kaufmann, AuR 1953,
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
Unterschreitung der Durchschnittsleistung nach Auffassung des BAG für die Kündigungsrelevanz erreichen muss,41 entnimmt das Gericht dabei ausdrücklich seiner eigenen Rechtsprechung zum kündigungsrechtlich geschützten Kernbereich bei Widerrufsvorbehalten42. Für den Fall qualitativer Minderleistung hat BAG die Anforderungen für den Nachweis einer Schlechtleistung in jüngerer Zeit erweitert. Das Gericht hält hier nunmehr über die bloße Betrachtung der Fehlerhäufigkeit hinaus eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsanforderungen und der konkreten Gegebenheiten des Arbeitsplatzes für geboten.43 Kann der Arbeitgeber hiernach darlegen, dass die Leistungen des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum den Durchschnitt im vorgenannten Sinne unterschritten haben, liegt es am Arbeitnehmer, entweder das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, dass er auch mit unterdurchschnittlichen Leistungen seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Das BAG geht davon aus, dass altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch Krankheit, aber auch betriebliche Umstände die persönliche Leistungsfähigkeit herabsetzen. Gelingt es dem Arbeitnehmer derartige Umstände plausibel darzulegen, fällt die Darlegungslast auf den Arbeitgeber zurück. Trägt der Arbeitnehmer hingegen keine Umstände vor, die eine geringe persönliche Leistungsfähigkeit begründen, gilt nach Auffassung des BAG das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers gemäß § 138 Abs. 2 ZPO als zugestanden. Es dürfe dann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft.44
267 diesem „Trick“ verfallen. Kaufmann sieht den Arbeitnehmer zwar im Anschluss an den individuellen Leistungsmaßstab Nikischs als zum vollen Einsatz seiner geistigen und körperlichen Kräfte verpflichtet an. Ob der Arbeitnehmer seine Arbeit vertragsgemäß erbringe sei dann aber, nach einem „objektiven Maßstab“ zu beurteilen. Der Arbeitnehmer müsse die üblicherweise von einem Arbeitnehmer dieser Art in diesem Betrieb zu fordernde Leistung erbringen. 41 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 d). Bedenken gegen diese Rechtsprechung des BAG ergeben sich schon insoweit, als das Gericht, das Widerrufsvorbehalte nunmehr an § 308 Nr. 4 BGB zu messen hat, vor dem Hintergrund der heutigen Rechtslage die Vereinbarung eines auf übertarifliche Leistungen bezogenen Widerrufsvorbehalts in einem Formulararbeitsvertrag nur für wirksam erachtet, wenn der widerrufliche Anteil unter 25 bis 30% der Gesamtvergütung liegt (BAG vom 12.1.2005 AP Nr. 1 zu § 308 BGB). 42 Siehe hierzu BAG vom 13.5.1987 – 5 AZR 125/86, AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle (II 3); vom 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge Lufthansa (II 5). 43 BAG vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 21. 44 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 d).
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3. Leistung im Rahmen des tatsächlichen individuellen Leistungsvermögens Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des BAG und der herrschenden Meinung in der Literatur das tatsächliche individuelle Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Alternativ lässt sich die Leistungspflicht auch an das Leistungsvermögen anknüpfen, welches der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zu haben scheint.45 Zumindest in den jüngeren Entscheidungen des BAG46 heißt es zwar, ob eine Leistung als Schlechtleistung zu beurteilen sei, sei nach der vertraglichen Vereinbarung zu beurteilen. Das Gericht legt den Arbeitsvertrag jedoch offenbar dahingehend aus, dass der Arbeitnehmer verspricht, bei der Arbeit stets seine tatsächliche und nicht etwa die bei Vertragsschluss zu erwartende Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Auf die Möglichkeit, an die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers anzuknüpfen, wie sie sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses darstellt, geht das Gericht in seinen Entscheidungen nicht ein. Dort heißt es vielmehr, der Arbeitnehmer müsse tun, was er solle, und zwar so gut er könne. Die Leistungspflicht sei dynamisch und orientiere sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers.47 Das Gericht geht davon aus, dass der Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer dazu verpflichte, alle seine Leistungsreserven auszuschöpfen, „die mit zumutbaren Anstrengungen nutzbar wären“.48 Diese Formulierung des Gerichts legen es zumindest nahe, dass das BAG an die tatsächliche und nicht an die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers anknüpft, wie sie sich aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses darstellt. 4. Argumente für eine individuelle Bestimmung der Arbeitspflichten Zur Begründung des individuellen Leistungsmaßstabs wird angeführt, dass der Arbeitsvertrag die Person des Arbeitnehmers erfasse. Arbeit sei menschliches Handeln und aus diesem Grund von dem arbeitenden Menschen nicht zu tren-
45
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 160 f. BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 b); vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 15; aus dem Schrifttum: Beuthien, ZfA 1972, 73; MüHdBArbR (2. Auflage, 2000)-Blomeyer § 48 Rn. 64; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 119 f.; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 639 ff.; Rüthers, ZfA 1973, 399, 400 f. 47 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 b); vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 15. 48 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 c). 46
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nen.49 Der Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung könne daher nur entsprechend dem individuellen Leistungsvermögen des Arbeitnehmers bestimmt werden. Schon aus der Pflicht des Arbeitnehmers zur höchstpersönlichen Leistungserbringung folge, dass die Arbeitsleistung nicht austauschbar sei und der Arbeitgeber keine abstrakt vornormierte vom Arbeitnehmer losgelöste Arbeitsmenge kaufe, sondern einen Arbeitnehmer mit Rücksicht auf dessen individuelle Fähigkeiten und Kenntnisse einstelle.50 Teilweise wird in diesem Zusammenhang auf die Pflicht des Arbeitnehmers zur höchstpersönlichen Leistungserbringung Bezug genommen. Aus diesem Umstand ergebe sich, dass die geschuldete Arbeitsleistung nicht austauschbar sei. Der Arbeitgeber kaufe keine „bestimmte abstrakt-vornormierte und in dieser Normung von der Person des Dienstverpflichteten losgelöste Arbeitsmenge.“ Er verpflichte vielmehr einen individuellen Menschen dazu, eine Arbeitsleistung zu erbringen, die sich nur unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten dieses Menschen bestimmen lasse. Die Fähigkeiten des Arbeitnehmers richtig einzuschätzen und ihn seinen Fähigkeiten entsprechend einzusetzen, falle in die Risikosphäre des Arbeitgebers.51 Ein Arbeitnehmer werde stets mit Rücksicht auf seine individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse für eine bestimmte betriebliche Aufgabe eingestellt.52 Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts spricht für die individuelle Leistungsbestimmung neben der partiellen Identität von Leistung und Leistendem, dass der Arbeitnehmer im Gegensatz zum Werkunternehmer nicht auf einen über die geschuldete Tätigkeit hinausgehenden Erfolg hafte.53 Dieser Argumentation liegt die Vorstellung zugrunde, der Verzicht des Gesetzgebers auf eine Regelung gewährleistungsrechtlicher Ansprüche im Dienstvertragsrecht bedeute, dass der Arbeitnehmer vor rechtlichen Sanktionen für die Unterschreitung einer objektiv zu ermittelnden Durchschnittsleistung weitgehend zu schützen sei.54 Grundlage dieser Vorstellung kann nur die Befürchtung sein, dass der Arbeitnehmer, unterläge er einem objektiven Leistungsmaßstab, im Ergebnis doch – ähnlich einem Werkunternehmer – für den Erfolg seiner Tätigkeit haften würde.
49 MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 41; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 532; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 8 ff.; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 149. 50 Beuthien, ZfA 1972, 73; Rüthers, ZfA 1973, 399, 402. 51 Rüthers, ZfA 1973, 399, 402 f. 52 Beuthien, ZfA 1972, 73. 53 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 b); vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 15. 54 Vgl. ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 645; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 532; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 157 f.
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Sehr deutlich wird diese Befürchtung bei Maschmann, der mit Blick auf das Fehlen von Gewährleistungsvorschriften im Dienstvertragsrecht folgendes äußert: „Wenn der Arbeitsvertrag, wie mit Recht allgemein angenommen wird, ein Unterfall des Dienstvertrags ist, der sich vom Werkvertrag nur durch die Erfolgshaftung unterscheidet, kann auch beim Arbeitsvertrag bloß das Wirken, nicht aber das Werk geschuldet sein. Der Arbeitnehmer verspricht keine Gutleistung, sondern nur eine Überhauptleistung.“ 55
II. Objektive Normalleistung Die vom BAG propagierte Beweislastverteilung, die sich wie dargestellt an objektiven Leistungsstandards orientiert, wird in jüngerer Zeit zum Teil als Hinweis darauf verstanden, dass die Arbeitspflicht (auch) anhand objektiver Maßstäbe zu bestimmen ist.56 So ist beispielsweise Preis der Auffassung, es könne kündigungsrechtliche Konsequenzen haben, verletze der Arbeitnehmer den objektiv gebotenen Leistungsstandard. Objektiven Schlechtleistungen könne durch Abmahnung und Kündigung begegnet werden. Die in der jüngeren Rechtsprechung des BAG festzustellende Tendenz57, die Zulässigkeit der Kündigung bei Schlechtleistungen davon abhängig zu machen, ob der Arbeitnehmer nach objektiver Feststellung nur noch zwei Drittel der Normalleistung oder weniger erbringe, verlange – so Preis58 – danach, den in der Literatur weiterhin vorherrschenden Grundsatz des subjektiven Leistungsmaßstabs „differenziert“ zu betrachten. Auch der Alternativvorschlag von § 27 Abs. 3 des Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes von Henssler/Preis59 sieht in Satz 2 vor, dass der Arbeitnehmer im Zweifel mindestens zwei Drittel der von vergleichbaren Arbeitnehmern erbrachten Durchschnittsleistung schulde. Solche Versuche, die Leistungspflicht des Arbeitnehmers anhand objektiver Kriterien zu bestimmen, haben eine lange Tradition. Bereits § 18 des Entwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes des Reichsministeriums von 192360 sah folgende Regelung vor: „Art und Umfang der Arbeitsleistung richten sich, soweit Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen nichts anderes angeben, nach Fach-, Orts- und Betriebsüblichkeit. Wenn solche nicht besteht, ist angemessene Arbeit zu leisten.“ 55 Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13, 15 f.; ähnlich Brune, AR-Blattei SD 1420 Schlechtleistung, Rn. 14 ff. 56 ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 646; Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 835; HWKThüsing, § 611 Rn. 299, 301. 57 Oben § 7 B. 2. 58 ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 646; zustimmend HWK-Thüsing, § 611 Rn. 299, 301. 59 Henssler/Preis, Beilage zu NZA 23/2006. 60 Ramm, Entwürfe, S. 125 ff.
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Der Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs von 197761 sah in § 20 vor, dass sich die Leistungspflicht des Arbeitnehmers soweit es an eindeutigen vertraglichen Bestimmungen über die Arbeitsleistung fehle, nach der „Üblichkeit in Branche, Beruf, Betrieb und Ort“ richten solle. Auch in der arbeitsrechtlichen Literatur wird seit jeher zumindest von einem Teil der Autoren die Ansicht vertreten, der Arbeitnehmer sei zu einer objektiv zu bestimmenden Normalleistung verpflichtet.62 1. Begründungsstränge für eine objektive Bestimmung der Arbeitspflicht Die Autoren, die auch de lege lata die Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers objektiv bestimmen, stützen sich dabei vorrangig auf zwei Begründungsstränge. Zum einen wird ein objektiver Leistungsmaßstab damit begründet, dass zur effektiven Gewährleistung der Lohngerechtigkeit eine individuelle Bestimmung der geschuldeten Leistung ausscheide. Zum anderen wird darauf abgestellt, dass es sich bei der Arbeitsleistung um eine Gattungshandlungsschuld handele, für die der in § 243 Abs. 1 BGB angeordnete Leistungsmaßstab der mittleren Art und Güte gelte. a) Objektive Bestimmung der Arbeitsleistung aus Gründen der Lohngerechtigkeit Soweit die Ansicht, der Arbeitnehmer schulde eine nach objektiven Kriterien zu bestimmende Arbeitsleistung, auf Überlegungen der Austauschgerechtigkeit gestützt wird, wird insbesondere darauf abgestellt, dass sich die Lohnbemessung vor allem in Betrieben in denen eine Vielzahl von Beschäftigten in der gleichen Lohngruppe beschäftigt werde, unweigerlich nach einer objektiv zu bestimmenden Durchschnittsleistung richte. Ein Arbeitnehmer, der über eine überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit verfüge, liege mit seinen Leistungen in der Regel auch dann noch über der Durchschnittsleistung der Arbeitnehmer seiner Lohngruppe, wenn er seine Leistungsfähigkeit nicht voll ausschöpfe, sondern sich auf seine individuelle Normalleistung beschränke. Ferner habe die typische Lohnbemessung anhand einer objektiven Durchschnittsleistung bei einem individuellen Leistungsmaßstab zur Folge, dass gleich entlohnte Arbeitnehmer unterschiedlichen Leistungen schuldeten. Außerdem bleibe, soweit sich der Lohn an der zu erwartenden Durchschnittsleistung orientiere, bei überdurchschnittlich leistungs61
Ramm, Entwürfe, S. 401 ff. Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191; MüHdBArbR-Berkowsky, § 114 Rn. 74; Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 118 f.; Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 249 f.; Hartung, Schlechtleistung und Vergütungsanspruch im Recht des selbständigen Dienstvertrages, S. 88 ff.; von Hoyningen-Huene/Krause, § 1 Rn. 454, 684; Hunold, BB 2003, 2345, 2346; Kreller, AcP 123 (1925), 263, 286 f.; Rehhahn, AuR 1956, 37, 39; Wlotzke, RdA 1965, 180, 188. 62
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fähigen Arbeitnehmern ein Teil der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung unvergütet.63 Die Funktion des Lohns, die Leistung des Arbeitnehmers als bewertbaren Gegenstand abzugelten, erfordere daher einen objektiven Maßstab für die Leistung des Arbeitnehmers.64 Motzer65 weist in diesem Zusammenhang darüber hinaus darauf hin, dass es der Bedeutung der Bemessung von Lohngruppen und Eingangsleistungen bei Akkordlohnvereinbarungen nicht gerecht werde, negiere man den Zusammenhang der Lohnbemessung mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Die besondere Bedeutung der leistungsorientierten Lohnbemessung werde schon anhand der Mitbestimmungspflicht in § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG deutlich. b) Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte, § 243 Abs. 1 BGB Neben dem Gedanken der Lohngerechtigkeit wird die Auffassung, der Arbeitnehmer verspreche arbeitsvertraglich eine anhand objektiver Kriterien zu bestimmende Normalleistung, vielfach auf den in § 243 Abs. 1 BGB normierten Leistungsmaßstab der mittleren Art und Güte gestützt.66 Schließt man aus dem Umstand, dass die tatsächliche individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Normalfall nicht bekannt ist, darauf, dass es dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers auch nicht ankommen kann, und berücksichtigt man ferner, dass die Art der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nur grob umschrieben wird, drängt sich der Vergleich der Arbeitsleistung mit der Gattungsschuld tatsächlich auf.67 § 243 Abs. 1 BGB scheint seinem Wortlaut nach zwar nur solche Verpflichtungen zu erfassen, 63 Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 312; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 119 f.; Wlotzke, RdA 1965, 180, 188; ähnlich auch Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191. 64 Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 312. 65 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 120. 66 Kreller, AcP 122 (1924), 1, 34; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 120 ff.; Rehhahn, AuR 1956, 37, 39; aus dem jüngeren Schrifttum MüHdBArbR-Berkowsky, § 114 Rn. 74; von Hoyningen-Huene/Krause, § 1 Rn. 454, 684; zuletzt Hunold, BB 2003, 2345, 2346; ähnlich Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 324 ff., der die Leistungspflicht des Arbeitnehmers anhand der Verkehrsanschauung bestimmen möchte, ohne aber einen wirklichen Referenzpunkt im Sinne einer Vergleichsgruppe zu benennen [kritisch hierzu Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, (S. 143 Fn. 276)]; siehe auch MüKo-Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 273, der den Arbeitnehmer gemäß § 243 Abs. 1 BGB als verpflichtet ansieht, eine Leistung mittlerer Art und Güte zu erbringen, gleichzeitig aber einen individuellen Leistungsmaßstab anlegen möchte. Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 836, erblicken in der in § 243 Abs. 1 BGB angeordneten Verpflichtung zur Leistung von Sachen mittlerer Art und Güte einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken. 67 Siehe Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 120.
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welche die Leistung einer körperlichen Sache (§ 90 BGB) zum Gegenstand haben. Zumindest eine entsprechende Anwendbarkeit der Vorschrift auf andere Leistungsgegenstände,68 namentlich auf Dienst- und Werkleistungen, wird aber allgemein für möglich gehalten.69 Vor diesem Hintergrund wurde aus dem Umstand, dass die Arbeitsleistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur ihrer Art nach bestimmt wird, schon früh von Hoeniger70 gefolgert, dass der Arbeitnehmer nur der Gattung nach bestimmte Dienste verspreche, die zwar der Art nach festgelegt seien, aber noch der Konkretisierung durch den Arbeitgeber bedürften, bevor die Arbeit schließlich ausgeführt werden könne.71 Hoeniger sah in der nur gattungsmäßigen Bestimmtheit der geschuldeten Tätigkeit einen Ansatzpunkt für die Abgrenzung von Dienst- und Werkverträgen. Beim Werkvertrag werde – so Hoeniger72 – stets eine Individualschuld, beim Dienstvertrag hingegen eine Gattungsschuld vereinbart. Die Qualifizierung der Arbeitspflicht als Gattungsschuld wurde im Anschluss an die Überlegungen Hoenigers, da die Konkretisierungsbefugnis bei Gattungsschulden auch dem Gläubiger zustehen kann,73 zum Teil auch als Grundlage des Direktionsrechts des Arbeitgebers aufgefasst.74 Wenig beachtet wird hingegen, dass sich mit der Subsumtion der Arbeitspflicht unter die Gattungsschuld auch ein Maßstab für die Bestimmung der Arbeitsleistung ergibt. Erste Überlegungen Rehahns75 dahingehend, die Pflicht des Arbeitnehmers anhand des Maßstabs von § 243 Abs. 1 BGB zu bestimmen, wurden von Literatur und Rechtsprechung soweit ersichtlich nicht aufgenommen.76 Erst Motzer77 greift auf eine entsprechende Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB zurück, um den Leistungsmaßstab für die Arbeitspflicht zu bestimmen.78 Die dem Ar68
MüKo-Emmerich, § 243 Rn. 2. Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 76 ff.; Palandt-Grüneberg, § 243 Rn. 1; Staudinger-Schiemann, § 243 Rn. 46; Bamberger/Roth-Sutschet, § 243 Rn. 3; a. A.: Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 139 ff. 70 Hoeniger/Wehrle, Arbeitsrecht, S. XIV f. 71 Die Qualifizierung der Arbeitspflicht als Gattungsschuld wurde, da die Konkretisierungsbefugnis bei Gattungsschulden auch dem Gläubiger zustehen kann (MüKo-Emmerich, § 243 Rn. 4 m.w. N.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 230; Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 309 f.), zum Teil auch als Grundlage des Direktionsrechts des Arbeitgebers aufgefasst (so beispielsweise Söllner, AuR 1967, 353, 358 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ergebnisse Hoenigers). 72 Hoeniger/Wehrle, Arbeitsrecht, S. XVII. 73 MüKo-Emmerich, § 243 Rn. 4 m.w. N. 74 Söllner, AuR 1967, 353, 358 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ergebnisse Hoenigers; ferner Böttner, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, S. 26 ff.; Nassauer, Sphärentheorien, S. 120 f.; Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 97. 75 Rehhahn, AuR 1956, 37, 39. 76 Der Aufsatz Rehhahns wird soweit ersichtlich erst in der Dissertation Fahls aus dem Jahr 2005, „Arbeit ist Leistung“ erwähnt, S. 139 (Fn. 375). 77 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 120 ff. 78 Zwar erwähnt bereits Wlotzke, RdA 1965, 180, 188, § 243 Abs. 1 BGB im Zusammenhang mit der Bestimmung der Arbeitspflicht. In seiner Argumentation stützt er sei69
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beitsverhältnis zu Grunde liegende Interessenlage entspreche – so Motzer79 –, da der Arbeitgeber beim Vertragsschluss die individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers vielfach kaum bewerten könne, dem Normzweck der Vorschrift. § 243 Abs. 1 BGB diene dem Schutz der Handels- und Geschäftsbeziehungen, bei denen der Gläubiger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Qualität des späteren Erfüllungsguts nicht überprüfen könne, sodass ein Erfüllungsgut mittlerer Art und Güte interessengerecht erscheine. Eben in diesem Punkt sei die Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit der in Handels- und Geschäftsbeziehungen typischen Interessenlage vergleichbar. Insbesondere in Großbetrieben mit hoher Personalfluktuation sei eine stärkere Beachtung der Individualität des einzelnen Arbeitnehmers im Vorfeld des Arbeitsvertragsabschlusses gar nicht möglich.80 Der Arbeitgeber lege seinen Kalkulationen vielmehr eine durchschnittliche Arbeitsleistung jedes einzelnen Arbeitnehmers zu Grunde.81 Die umfassendste Begründung für eine entsprechende Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB auf die Arbeitsleistung liefert Hammen in seiner Habilitationsschrift „Die Gattungshandlungsschulden“. Hammen82 sieht sich mit seinem Verständnis von der Arbeitspflicht als Gattungshandlungsschuld dabei in der Tradition des römischen Rechts (Digesten 45, 1, 54, 1) und eines Teils des Schrifttums des 19. Jahrhunderts83. Ebenso wie Hoeniger stellt sich Hammen84 auf den Standpunkt, dass die Unbestimmtheit des Arbeitsvertrags dafür spricht, das Arbeitsverhältnis als Gattungshandlungsschuldverhältnis zu behandeln. Dabei sei das Arbeitsverhältnis nicht begriffsnotwendig ein Gattungsschuldverhältnis.85 Es komme vielmehr auf den dem Arbeitsverhältnis zu Grunde liegenden Arbeitsvertrag.86 Der Arbeitsvertrag sehe zwar vor, dass der Arbeitnehmer in Person zu leisten habe, daraus folge jedoch nicht, dass es sich bei der Arbeitspflicht zwingend um eine Individualschuld handele. Die Person des Leistungspflichtigen sei nur eines von mehreren Merkmalen zur Bestimmung der Leistung.87 Schwerer
ner Auffassung nach vorzugswürdige objektive Bestimmung der Arbeitspflicht jedoch auf Gründe der Lohngerechtigkeit und den schuldrechtlichen Austauschcharakter des Arbeitsvertrags. 79 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 121. 80 Ebenso bereits Kreller, AcP 123 (1925), 263, 286. 81 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 121; hierauf weist bereits Rüthers, ZfA 1973, 399, 402 hin. 82 Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 178. 83 Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Bd. I § 39, S. 402; Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts Bd. 2, § 255, S. 40 (Fn. 16). 84 Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 181 f. 85 Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 180. 86 Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 178. 87 Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 181. Zu den verschiedenen Merkmalen der Arbeitsleistung oben, § 5 D. IV.
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
wiege bei der Auslegung des Arbeitsvertrags demgegenüber der Umstand, dass die Arbeitspflicht lediglich nach allgemeinen Merkmalen – nach Hammens Auffassung der Gattung nach – beschrieben werde. Beim Vertragsschluss stehe noch gar nicht fest, welche Leistung der Arbeitnehmer während der Vertragslaufzeit erbringen müsse.88 Der Auffassung, eine entsprechende Anwendung des Leistungsmaßstabs der mittleren Art und Güte aus § 243 Abs. 1 BGB scheide im Arbeitsverhältnis aus, weil aus der gesetzlichen Vermutung, dass der Dienstverpflichtete den Dienst in Person leisten müsse (§ 613 BGB), folge, dass der Arbeitnehmer lediglich die angemessene Anspannung seiner geistigen und körperlichen Kräfte und die ihm mögliche Sorgfaltswaltung schulde,89 entgegnet Hammen, dass eine dahingehende Festlegung der Arbeitspflicht dem Arbeitsvertrag nicht zu entnehmen sei. Hammen ist vielmehr der Auffassung, dass vor allem in großen Betrieben eher die Art der Tätigkeit als die Person des Dienstleistenden und dessen Leistungsvermögen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Vordergrund stünden. § 613 BGB stehe einer objektiven Bestimmung der Arbeitspflicht schon deshalb nicht entgegen, weil die Vorschrift nicht der Eingrenzung der gattungsmäßig zu bestimmenden Arbeitsleistung diene, sondern lediglich sicherstelle, dass der Dienstverpflichtete dem Dienstberechtigten keinen anderen Dienstleistenden aufdrängen könne. Die Funktion des § 613a BGB erschöpfe sich darin, die Rechtsfolge von § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verdrängen.90 2. Mögliche Referenzpunkte für eine Bestimmung der Normalleistung Folgt man der Auffassung, dass die Arbeitsleistung anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen ist – sei es in entsprechender Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB, sei es nach Auslegung des konkreten Arbeitsvertrags – ist ein Referenzmaßstab zu bestimmen, mit dem die zu bewertende Arbeitsleistung verglichen werden kann. Vielfach wird vertreten, die Leistung eines Arbeitnehmers müsse sich an der Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer messen lassen. So sieht etwa die erste Alternative zu § 27 Abs. 3 des jüngsten Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes91 – offensichtlich in Anknüpfung an die Rechtsprechung des BAG –92 folgende Regelung vor: „Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragenen Aufgaben unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit zu verrichten. Im Zweifel schuldet er jedoch mindestens zwei Drittel der von vergleichbaren Arbeitnehmern erbrachten Durchschnittsleistung.“ 88 89 90 91 92
Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 182. Oben § 7 B. I. Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 312. Henssler/Preis, Beilage zu NZA 23/2006. Oben § 7 B. I. 2.
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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Auch wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass auf das Arbeitsverhältnis als Gattungshandlungsschuldverhältnis § 243 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden ist und der Arbeitnehmer dementsprechend eine Leistung mittlerer Art und Güte schuldet, sieht man sich mit der Frage konfrontiert, auf welche Weise die Sollarbeitsleistung der mittleren Art und Güte zu bestimmen ist. Der Begriff der mittleren Art und Güte legt es nahe, eine Durchschnittsleistung als Referenzpunkt heranzuziehen.93 Schwierigkeiten ergeben sich dabei daraus, dass der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsleistung es bei der Bestimmung des objektiven Leistungsmaßstabs ankommen soll, unterschiedlich weit gezogen werden kann. So kann die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers zunächst mit der Leistung seiner Kollegen seiner Arbeitsgruppe oder Abteilung verglichen werden, die mit der gleichen Arbeitsaufgabe befasst sind. Es kann aber auch auf vergleichbare Arbeitnehmer des gesamten Betriebs abgestellt werden. Ebenfalls denkbar ist es, an vergleichbare Arbeitnehmer desselben Unternehmens oder auf dem gesamten Arbeitsmarkt anzuknüpfen.94 Ein arbeitsmarktbezogener Ansatzpunkt ist bereits 1925 von Kreller95 angedacht worden. Seiner Auffassung nach ist bei der Bestimmung der Leistungspflicht auf die Anforderungen der Arbeitsstelle abzustellen, für die es auf dem Arbeitsmarkt ebenso Qualitätsgruppen gebe, wie für Waren auf dem Warenmarkt. Nach einem anderen namentlich von Kaufmann vertretenen Ansatz ist auf die Durchschnittsleistung der im Betrieb tätigen vergleichbaren Arbeitnehmer abzustellen.96 Die meisten Autoren lassen die Frage nach dem anzuwendenden Referenzmaßstab hingegen unbeantwortet.97 Beispielsweise heißt es bei Motzer, der Arbeitnehmer schulde „eine Tätigkeit, die hinsichtlich ihrer Sorgfalt und Anwendung von Fachkenntnissen den Tätigkeiten anderer Arbeitnehmer in vergleichbarer Position“ entspreche. Eine solche Leistung sei von mittlerer Art und Güte.98 Ob die „anderen Arbeitnehmer in vergleichbarer Position“ dabei in der gleichen Arbeitsgruppe, in dem gleichen Betrieb oder auf dem gesamten Arbeitsmarkt zu 93
Siehe MüHdBArbR-Berkowsky, § 114 Rn. 76. Siehe Mauer, Anm. zu BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 835; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 151. 95 Kreller, AcP 123 (1925), 263, 287. 96 Kaufmann, AuR 1953, 267. 97 Siehe Rehhahn, AuR 1956, 37, 39, der zwar von der Verpflichtung zu einer durchschnittlichen Leistung spricht, jedoch verschweigt aus welcher Gruppe von Arbeitnehmern er den Leistungsdurchschnitt ermitteln möchte. Auch Wlotzke, RdA 1965, 180 spricht sich für eine objektive Bestimmung der Arbeitspflicht aus, schweigt aber zu der Frage, anhand welchen Referenzmaßstabs die Soll-Leistung ermittelt werden soll. Ferner Hammen, Die Gattungshandlungsschulden. 98 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 122. 94
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
suchen sind, bleibt hingegen im Dunkeln. Wlotzke99 ist der Auffassung, der Arbeitnehmer schulde eine quantitativ und qualitativ typische Arbeitsleistung. Als Maßstab zieht er dabei die Leistung „funktions- und lohnmäßig entsprechender“ Arbeitnehmer heran. Ob es dabei auf funktions- und lohnmäßig vergleichbare Arbeitnehmer der gleichen Arbeitsgruppe oder Abteilung, des gleichen Betrieb, des gleichen Unternehmen oder gar des gesamten Arbeitsmarkts ankommt, bleibt im Ergebnis offen. Auch die bereits angesprochenen Gesetzesentwürfe von 1923 und 1977, die ausdrücklich eine objektive Bestimmung der Leistungspflicht vorsehen,100 lassen eine solche Festlegung hinsichtlich des Referenzmaßstabs zur Bestimmung der Soll-Arbeitsleistung vermissen. Immerhin findet sich bei Singer/Schiffer101 die Feststellung, dass es mehr als fraglich sei, ob sich der Maßstab an vergleichsweise kleinen Einheiten, wie der Betriebsabteilung orientieren dürfe. Bei kleineren Vergleichsgruppen könne es schließlich durchaus vorkommen, dass alle Arbeitnehmer im Vergleich zu denen des Gesamtbetriebs überdurchschnittliche Leistungen erbrächten. Es bestünde die Gefahr, dass ein unter betrieblichen Gesichtspunkten durchschnittlich arbeitender Arbeitnehmer wegen einer auf seine Abteilung gerechneten unterdurchschnittlichen Leistung kündigungs- oder leistungsstörungsrechtliche Konsequenzen zu befürchten habe. Ein fairer Beurteilungsmaßstab sei daher umso eher gewahrt, je größer die Organisationseinheit sei, die als Vergleichsmaßstab herangezogen werde.102 In den Vergleichsmaßstab seien daher jedenfalls alle vergleichbaren Arbeitnehmer eines Betriebs einzubeziehen.103
III. Vermittelnde Ansichten In jüngerer Zeit sind vermehrt vermittelnde Ansätze entwickelt worden, die zur Bestimmung des geschuldeten Leistungsmaßstabs sowohl auf individuelle als auch auf objektive Kriterien zurückgreifen.104 1. Objektiv zu bestimmende Leistungsqualität bei individueller Bestimmung der Leistungsintensität Ein erster Ansatz in Richtung einer Vereinigung von objektiven und individuellen Elementen bei der Bestimmung des Leistungsmaßstabs findet sich in der 99
Wlotzke, RdA 1965, 180, 188. Oben § 7 B. II. 101 Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 835. 102 Ebenso Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 261. 103 Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 835. 104 Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 217 ff.; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 157 ff.; im Ergebnis auch schon Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 115 ff. 100
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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Arbeit Motzers.105 Dass Motzer auf eine entsprechende Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB zurückgreift, um den Leistungsmaßstab für die Arbeitspflicht zu bestimmen, ist bereits erörtert worden.106 Auf diesem Weg gelangt Motzer zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer mit der Übernahme einer gattungsmäßig bestimmten Arbeitsaufgabe eine Tätigkeit verspreche, die hinsichtlich ihrer sorgfältigen und fachgerechten Ausführung der Arbeitsleistungen vergleichbarer Arbeitnehmer, mit anderen Worten einer Durchschnittsleistung, entspreche.107 In Bezug auf die Intensität der Arbeitsleistung, die sich aus seiner Sicht in erster Linie im Arbeitstempo äußert, lehnt Motzer108 hingegen die Anwendung objektiver Leistungskriterien ab. Motzer befürchtet, es werde einem „Antreibersystem“ das Wort geredet, würde man den Arbeitnehmer dazu verpflichten, eine anhand einer Normal- oder Durchschnittsleistung objektiv zu bestimmende Arbeitsintensität einzuhalten.109 Eine solche Verpflichtung sei dem Arbeitsvertrag nicht zu entnehmen. Motzer führt dies darauf zurück, dass die arbeitsvertraglich übernommene Arbeitsaufgabe regelmäßig auch mit einer „weniger intensiven Arbeit“ bewältigt werden kann. Es könne daher – so Motzer110 – bei der Bestimmung der geschuldeten Arbeitsintensität in größerem Maße als bei der geschuldeten Sorgfalt berücksichtigt werden, dass der Arbeitnehmer „persönliche Arbeit“ verspreche.111 Eine objektiv zu bestimmende Arbeitsintensität sei nur ausnahmsweise geschuldet, wenn sich dies aus der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsaufgabe ergebe. Motzer112 nennt in diesem Zusammenhang die Fließbandarbeit als Beispiel. 2. Gemischt subjektiver-objektiver Leistungsbegriff in Übertragung des Rechtsgedankens aus §§ 434 Abs. 1, 536 Abs. 1 Satz 1, 633 Abs. 2 BGB In die Richtung eines vermittelnden Ansatzes weist auch der Versuch Fahls113, die Leistungspflicht des Arbeitnehmers unter Rückgriff auf den §§ 434 Abs. 1, 536 Abs. 1 Satz 1, 633 Abs. 2 BGB zu Grunde liegenden Rechtgedanken zu bestimmen. Fahls sieht den Normzweck der §§ 434 Abs. 1, 536 Abs. 1 Satz 1, 633 Abs. 2 BGB dabei nicht allein in der Festlegung des Mangelbegriffs. Vielmehr umschrieben diese Vorschriften – wenn auch in negativer Weise – den Inhalt der Leistungsverpflichtung. Die gesetzliche Mangeldefinition dürfe daher, soweit 105 106 107 108 109 110 111 112 113
Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ Oben § 7 B. II. 1. b). Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 217 ff.
des Arbeitnehmers, S. 120 ff. des Arbeitnehmers, S. 122. des Arbeitnehmers, S. 122 ff. des Arbeitnehmers, S. 122. des Arbeitnehmers, S. 123. des Arbeitnehmers, S. 123. des Arbeitnehmers, S. 123.
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
vertragliche Vereinbarungen fehlten – zur Ermittlung des Inhalts der geschuldeten Leistung herangezogen werden.114 Fahl geht es dabei darum nachzuweisen, dass in §§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 536 Abs. 1 Satz 1, 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB sowohl für den Kauf-, den Miet- und den Werkvertrag angeordnet ist, dass die geschuldete Qualität des Leistungsgegenstands, in Ermangelung vertraglicher Abreden, hilfsweise nach objektiven Kriterien zu ermitteln ist.115 Den Rechtsgedanken der hilfsweisen Ermittlung des Leistungsinhalts nach objektiven Kriterien überträgt Fahls auf das Arbeitsverhältnis. Auch hier sei, soweit es an einer arbeitsvertraglichen Regelung über die Leistungsqualität fehle, an objektive Kriterien anzuknüpfen.116 Eine Einschränkung macht Fahls im Hinblick auf die Intensität der Arbeitsleistung. Im Hinblick auf die Leistungsintensität dürfe der Leistungsmaßstab nicht rein objektiv ermittelt werden. Die geschuldete Leistungsintensität sei vielmehr unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu bestimmen.117 Zur Begründung knüpft Fahl an dieser Stelle ebenso wie das BAG118 an die Pflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung in eigener Person an.119 In Anknüpfung an die für Akkordlohnverträge typischen Verdienstsicherungsklauseln seien dem Arbeitnehmer Leistungsschwankungen von bis zu 10% zuzugestehen.120 Der Arbeitnehmer schulde bei Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus §§ 434 Abs. 1, 536 Abs. 1 Satz 1, 633 Abs. 2 BGB die Arbeitsleistung, die im Hinblick auf die geschuldete Art der Arbeitsleistung üblich und vom Arbeitgeber unter Berücksichtigung des Vertragszwecks zu erwarten sei.121 Ein Arbeitnehmer, der sich auf eine bestimmte Stelle bewerbe, verspreche konkludent, dass er die Anforderungen, welche der ins Auge gefasste Arbeitsplatz an ihn stelle, in qualitativer und quantitativer Hinsicht erfüllen könne. Darüber hinaus verspreche der Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung, die dem Wert der Vergütung entspreche. Dem Wert der Vergütung entspricht nach der Auffassung Fahls nur eine Arbeitsleistung, die hinsichtlich ihrer Qualität und Intensität für die Berufsgruppe üblich ist.122 Zu ermitteln sei diese objektiv übliche Arbeitsleistung anhand der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb sowie anhand seiner Vergütung.123 Fahl schlägt vor, eine Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer zu ermitteln. Hierzu 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123
Fahl, Arbeit ist Leistung, S. Fahl, Arbeit ist Leistung, S. Fahl, Arbeit ist Leistung, S. Fahl, Arbeit ist Leistung, S. Oben § 7 B. I. 2. Fahl, Arbeit ist Leistung, S. Fahl, Arbeit ist Leistung, S. Fahl, Arbeit ist Leistung, S. Fahl, Arbeit ist Leistung, S. Fahl, Arbeit ist Leistung, S.
223 223 232 241
f. ff. ff. f.
241 f. 242. 257. 255. 258.
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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seien Arbeitnehmer gleicher Berufsausbildung zusammenzufassen und vorhandene Hierarchiestufen zu berücksichtigen.124 Der Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer sei so groß wie möglich zu ziehen, um eine Über- oder Unterforderung des Arbeitnehmers zu vermeiden.125 Im Ergebnis gelangt Fahl zu einem vorrangig objektiven Leistungsmaßstab. Einschränkend und die Individualität des Arbeitnehmers berücksichtigend wirkt allein das Zugeständnis von Schwankungen der Leistungsintensität in einem Bereich von 10%. Die Wirkung dieses Schwankungsbereichs verdeutlicht Fahl anhand des Beispiels eines Fließbandarbeiters. Fahl sieht den Arbeitgeber im Hinblick auf den Ihrer Auffassung nach grundsätzlich objektiv zu bestimmenden Leistungsmaßstab als berechtigt an, die Geschwindigkeit eines Fließbands nicht an dem leistungsschwächsten Arbeitnehmer, sondern an einer arbeitswissenschaftlichen Normleistung auszurichten. Ein Arbeitnehmer der diese Fließbandgeschwindigkeit nicht um mehr als 10% unterschreite, erbringe jedoch – so Fahl – noch keine Schlechtleistung.126 3. Üblicher Einsatz des objektiv zu erwartenden individuellen Leistungsvermögens nach Tillmanns Ein ähnlicher, zwischen individuellen und objektiven Elementen vermittelnder Ansatz findet sich bei Tillmanns.127 Tillmanns differenziert jedoch nicht zwischen der Leistungsqualität und der Leistungsintensität, sondern zwischen dem Leistungsvermögen des Dienstverpflichteten und dem Einsatz seines Leistungsvermögens. Der Dienstverpflichtete schulde dem Dienstberechtigten den üblichen Einsatz des beim Vertragsschluss objektiv vermittelten individuellen Leistungsvermögens, wobei das objektiv vermittelte Leistungsvermögen einer gewissen, der partiellen Identität von Arbeitsleistung und Leistendem geschuldeten Dynamik unterliege.128 a) Ermittlung der ordnungsgemäßen Arbeitsleistung durch Auslegung des Arbeitsvertrags Auch nach der Auffassung Tillmanns’ ist der Schuldinhalt in Ermangelung abschließender gesetzlicher Regelungen der Parteivereinbarung zu entnehmen. We124
Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 258 f. Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 261. 126 Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 260. 127 Tillmanns’ Ausführungen beziehen sich allgemein auf Dienstverpflichtete, schließen den Arbeitnehmer jedoch mit ein. 128 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 157 ff.; ebenso im Anschluss an Tillmanns Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 74 ff., 115 f. 125
222
§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
gen der Unbestimmtheit der arbeitsvertraglichen Abrede sei der Arbeitsvertrag normativ und gegebenenfalls ergänzend auszulegen. Tillmanns knüpft dabei im Rahmen der Auslegung des Arbeitsvertrags zu Recht in erster Linie an die dem Vertrag zu Grunde liegende Interessenlage an.129 b) Maßstab für das geschuldete Leistungsvermögen Zunächst sei das Leistungsvermögen zu bestimmen, welches nach dem Dafürhalten Tillmanns’130 Teil des Schuldinhalts ist. Der Arbeitnehmer erkläre mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags konkludent, dass er über ein bestimmtes Leistungsvermögen verfüge. Dieses Leistungsvermögen sei individuell unter Berücksichtigung der Person des Arbeitnehmers zu bestimmen. Dies folge daraus, dass sich der Arbeitnehmer im Vorfeld des Abschlusses des Arbeitsvertrags als Individuum präsentiere. Der Arbeitnehmer „verkauft“ nach der Auffassung Tillmanns’ seine eigene individuelle Leistung. Die Ausführungen Tillmanns’ liegen insoweit weitgehend auf der Linie der Rechtsprechung des BAG131. Ebenso wie das Gericht tritt Tillmanns der Auffassung entgegen, der Arbeitnehmer verspreche vertraglich eine objektiv zu bestimmende Durchschnittsleistung. Gegen einen rein objektiven Leistungsmaßstab spreche bereits, dass der Arbeitnehmer die Durchschnittsleistung anderer Arbeitnehmer im Regelfall nicht kenne und eine solche Leistung daher auch nicht versprechen wolle.132 Der Arbeitnehmer verspreche vielmehr eine Leistung, die an seinem eigenen Leistungsvermögen orientiere. Dabei sei – so Tillmanns133 – zu beachten, dass es sich bei dem versprochenen Leistungsvermögen nicht um das tatsächlich vorhandene individuelle Leistungsvermögen handele, sondern um das Leistungsvermögen, das der Arbeitnehmer mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags verspreche.134 In diesem Punkt weicht Tillmanns’ Lösung von der herrschenden Literaturmeinung135 und der Rechtsprechung des BAG136 ab. Kommt es nach dem konventionellen individuellen Leistungsbegriff des BAG auf das tatsächliche individuelle Leistungsvermögen des Arbeitnehmers an, ist nach Tillmanns das Leistungsvermögen maßgeblich, welches sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus der 129 130 131 132 133 134
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 159. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 166 ff. Oben § 7 B. I. 2. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 161. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 160 f. Ebenso Rüthers, ZfA 1973, 399, 402 ff.; im Ansatz ähnlich Beuthien, ZfA 1972,
73. 135 Canaris, Anm. zu BAG vom 20.3.1969 – 2 AZR 283/68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO; Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 44; MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 41 ff.; Rüthers, ZfA 1973, 399, 402 ff.; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 151 f. 136 Oben § 7 B. I. 2.
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers aus den äußeren Umständen ergibt. Sichtbar wird der Unterschied dieser beiden Ansätze, wenn man sich der Dynamik des Leistungsmaßstabs zuwendet. Nach dem Ansatz Tillmanns’ verändert sich die geschuldete Arbeitsleistung allein entsprechend dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erwartenden normalen Leistungsabfall und Hinzugewinn an Erfahrung und Fähigkeiten, und damit im Ergebnis nur innerhalb der Grenzen dessen, was im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv vorhersehbar gewesen ist.137 Das BAG knüpft in seiner Rechtsprechung hingegen an das tatsächliche Leistungsvermögen des Arbeitnehmers im Zeitpunkt der Arbeitsleistung an, der Arbeitnehmer müsse „tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann“.138 Aus der vertraglich vorgegebenen Orientierung des Leistungsmaßstabs an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit folgt unmittelbar, ohne dass es hierfür – wie bei Tillmanns – einer eigenen Anknüpfung an die vertragliche Abrede bedarf, dass der Leistungsmaßstab ein dynamischer sein muss. Maßgeblich ist dabei jedoch – anders als bei Tillmanns – nicht die bei Vertragsschluss vorhersehbare Dynamik der Leistungsfähigkeit, sondern ihre tatsächliche Entwicklung. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass das Gericht darauf abstellt, ob der Arbeitnehmer die Leistungsreserven ausschöpft, die er mit zumutbaren Anstrengungen nutzbar machen könnte.139 Nach beiden Ansätzen verspricht der Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung, die einer gewissen Schwankungsbreite unterliegt. Nach Tillmanns’ Auffassung ergibt sich die Schwankungsbreite, innerhalb derer die Arbeitsleistung noch als ordnungsgemäß anzusehen ist, aus den die Vertragsauslegung bestimmenden Umständen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die Faktoren, welche zur Ermittlung des individuellen Leistungsvermögens bei der Auslegung des Arbeitsvertrags zu berücksichtigen sind, unterteilt Tillmanns in interne, das heißt dem Arbeitnehmer unmittelbar anhaftende und externe Faktoren, die an den Arbeitnehmer von Seiten des Arbeitgebers etwa durch Fragen im Rahmen des Einstellungsgesprächs herangetragen werden.140 Zu den internen Faktoren, die einen Rückschluss auf die zu erwartende individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zulassen sollen, zählt Tillmanns die Qualifikation des Arbeitnehmers, sein Erscheinungsbild, sein Alter, seine körperliche Verfassung, soweit diese für den Arbeitgeber erkennbar ist, die eigene Darstellung seiner Leistungsfähigkeit im Bewerbungsgespräch und im Einzelfall auch die Höhe der verlangten Vergütung.141 Als bedeutsamsten externen Faktor weist Tillmanns die Fragen des Arbeitgebers nach bestimmten Eigenschaften und damit dem Vor137 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 165; ebenso Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 116. 138 Oben § 7 B. I. 2. 139 Oben § 7 B. I. 2. 140 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 162. 141 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 162.
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
liegen eines bestimmten Leistungsvermögens aus. So erkläre der Arbeitnehmer, wenn er mit den von ihm zu bewältigenden Arbeitsaufgaben konfrontiert sei und dem Abschluss des Arbeitsvertrags zustimme, zumindest konkludent, er sei in der Lage, die für die Erledigung der genannten Aufgaben erforderlichen Tätigkeiten auszuführen. Die Anhand dieser Faktoren zu ermittelnde objektiv-individuelle Leistungsfähigkeit ist nach der Auffassung Tillmanns’ die negative Grenze für die zu leistende Arbeit. Der Arbeitnehmer schulde nicht mehr, als er nach der normativen Auslegung des Arbeitsvertrags zu leisten im Stande sei.142 Aus dem Gedanken der partiellen Identität von Leistendem und Leistung im Recht des Dienstvertrags schließt Tillmanns, dass die objektiv-individuelle Leistungsfähigkeit nicht nur Hilfsmittel zur Ermittlung des Leistungsinhalts, sondern Teil des Leistungsinhalts selbst ist. Das Innehaben des Leistungsvermögens ist bei Tillmanns nicht mehr nur Teil des vorvertraglichen Schuldverhältnisses, sondern Teil der geschuldeten Leistung selbst. Tillmanns verweist in diesem Zusammenhang zunächst auf das besondere Interesse des Dienstberechtigten (für den Arbeitgeber gilt dies in besonderem Maße) daran, dass der Dienstverpflichtete die ausdrücklich oder konkludent zugesagten Fähigkeiten auch tatsächlich innehat. Dem Dienstberechtigten komme es nicht allein auf die „Leistung an sich“ an.143 Er erwerbe vielmehr einen Anspruch auf die Tätigkeit einer bestimmten Person, so dass die Tätigkeit untrennbar mit dieser Person und ihren Eigenschaften verbunden sei. Fehle der Person eine versprochene Eigenschaft, sei auch die Tätigkeit und damit die Leistung insgesamt nicht mehr die versprochene und damit nicht mehr ordnungsgemäß.144 c) Maßstab für den geschuldeten Einsatz des Leistungsvermögens Der Arbeitnehmer schuldet somit nach der Auffassung Tillmanns’ zum einen, im Besitz des Leistungsvermögens zu sein, das er aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu haben scheint, und zum anderen, eine Arbeitsleistung zu erbringen, die diesem Leistungsvermögen entspricht. Mit Blick auf die Frage, welche Arbeitsleistung dem objektiv-individuellen Leistungsvermögen des Arbeitnehmer entspricht, wendet sich Tillmanns dem ge142 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 164, unter Verweis auf RG vom 14.1.1928 – 119/27 I, RGZ 119, 397 ff. Das RG hielt in dieser Entscheidung den Kapitän eines havarierten Segelschiffs nicht für schadensersatzpflichtig, da der Reeder wusste, dass dieser Kapitän über keine Erfahrung mit Segelschiffen verfügte. 143 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 166 mit Verweis auf Oetker/ Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 7 Rn. 41 ff. 144 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 167.
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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schuldeten Einsatz des Leistungsvermögens zu. Der Einsatz des Leistungsvermögens ist für Tillmanns das Bindeglied zwischen dem Leistungsvermögen des Arbeitnehmers und der tatsächlich erbrachten Leistung.145 In dem Leistungsvermögen erblickt Tillmanns „die Summe aller Fähigkeiten, die für die zu erbringende Tätigkeit von Bedeutung sind.“ Diese Fähigkeiten können – so Tillmanns – in unterschiedlichem Maße zum Einsatz kommen.146 Tillmanns lehnt es dabei zunächst ab, voluntative Elemente heranzuziehen, um den Leistungsinhalt zu bestimmen.147 Auf die Anspannung der individuellen Kräfte und Fähigkeiten, auf die das BAG in seiner Rechtsprechung abstellt,148 könne es nicht ankommen, denn die Arbeitsleistung sei nur im Sinne eines äußeren Tatbestands geschuldet. Der innere Tatbestand des Willens sei nur für die Frage der Verantwortlichkeit im Falle einer Pflichtverletzung relevant. Dass der Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet sei, einen bestimmten Willen inne zu haben, ergibt sich für Tillmanns bereits daraus, dass die Arbeitsleistung auch einem ausreichenden Leistungswillen zum Trotz misslingen könne.149 Ferner sei die Feststellung eines nicht ausreichenden Leistungswillens nicht hinreichend, um nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß geleistet habe, denn für diesen Nachweis sei stets ein Vergleich der tatsächlich erbrachten Ist-Leistung mit der vertraglich vereinbarten Soll-Leistung erforderlich.150 Auch auf die Sorgfalt der Leistungserbringung151 könne es vor diesem Hintergrund nicht ankommen.152 Tillmanns schlägt vielmehr vor, auch das Maß des geschuldeten Einsatzes des objektiv-individuellen Leistungsvermögens durch normative oder ergänzende 145
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 169 ff. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 169 f. 147 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 172 f.; ebenso im Anschluss an Tillmanns Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 121. 148 BAG vom 20.3.1969 – 2 AZR 283, 68, AP Nr. 27 zu § 123 GewO mit zust. Anm. Canaris; vom 16.7.1970 – 3 AZR 423/69, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1969 (III 2); in seinen Entscheidungen vom 14.1.1986 – 1 ABR 75/83, AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes (B 2 c) und vom 21.5.1992 – 2 AZR 551/91, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (II 3 a) spricht das BAG von der „Anspannung der dem Arbeitnehmer möglichen Fähigkeiten“; in seinen Entscheidungen vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 c) und vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 16 heißt es der Arbeitnehmer müsse „unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten“. 149 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 172 f. 150 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 173. 151 Auf die sorgfältige Leistung stellen beispielsweise ab Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13, 16; Richardi, NZA 2002, 1004, 1011; HWK-Thüsing, § 611 BGB Rn. 299; ebenso BAG vom 14.1.1986 – 1 ABR 75/83, AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes (B 2 c). 152 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 171 ff. 146
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
Auslegung des Arbeitsvertrags unter Berücksichtigung der Parteiinteressen, der Verkehrssitte und des Grundsatzes von Treu und Glauben zu ermitteln.153 Besondere Berücksichtigung finden dabei die entgegengesetzten Interessen der vertragschließenden Parteien. So stellt Tillmanns allgemein für alle Typen von Dienstverträgen fest, dass der Dienstberechtigte grundsätzlich an einer Leistungserbringung interessiert sei, die seinen eigenen Zwecken diene, während es dem Dienstverpflichteten grundsätzlich darum gehe, über eine möglichst weitgehende Konkretisierungsbefugnis im Hinblick auf die geschuldete Tätigkeit zu verfügen.154 Je weiter die Konkretisierungsbefugnis des Dienstverpflichteten sei, umso weniger könne der Dienstberechtigte die Zweckerreichung beeinflussen.155 Bezogen auf den Arbeitsvertrag trifft Tillmanns die Feststellung, dass der Arbeitgeber mit dem Weisungsrecht über eine vergleichsweise weitgehende Konkretisierungsbefugnis verfüge. Die Konkretisierungsbefugnis des Arbeitnehmers sei dementsprechend in großem Maße eingeschränkt. Tillmanns zieht aus diesem Umstand den Schluss, dass der Arbeitnehmer über die durch das Weisungsrecht bedingte Einschränkung seiner Konkretisierungsbefugnis hinaus nicht auch noch mit einem hohen Einsatz seines objektiv-individuellen Leistungsvermögens belastet werden dürfe.156 Tillmanns zieht das Kriterium der „Üblichkeit“ heran, um die Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu einem gerechten Ausgleich zu bringen.157 Außerhalb des Dienstvertragsrechts bezieht sich auch das BGB in §§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 651 c Abs. 1 auf die Üblichkeit oder vergleichbare Kriterien. Ohne eine analoge Anwendung dieser Vorschriften in Betracht zu ziehen, legt Tillmanns ausführlich dar, weshalb aus ihrer Sicht das Kriterium der „Üblichkeit“ das Interessengleichgewicht zwischen Dienst- und Arbeitsvertragsparteien besonders treffend abbildet. So ist Tillmanns der Auffassung, soweit man vom Arbeitnehmer nicht mehr verlange als den üblichen Einsatz seiner objektiv-individuellen Leistungsfähigkeit, werde in angemessener Weise der dem Arbeitsverhältnis immanente weitreichende Umfang der Konkretisierungsbefugnis des Arbeitgebers berücksichtigt.158 Dies gelte für das hier bereits erörterte159 Kriterium der Normal- oder Durchschnittsleistung nicht. Tillmanns will dem Dienstverpflichteten vor dem Hintergrund der weitreichenden Konkretisierungsbefugnis des Dienstberechtigten auch unterdurchschnittliche Leistungen zugestehen. Unterdurchschnittliche Leistungen können nach Tillmanns jedoch nur dann 153 154 155 156 157 158 159
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 173 ff. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 174 ff. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 174. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 180 f. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 186 ff. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 189. Oben § 7 B.
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als ordnungsgemäß anerkannt werden, wenn davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer nicht mehr schulde als den üblichen Einsatz seines Leistungsvermögens und im Einzelfall auch unterdurchschnittliche Leistungen als noch üblich anerkennt.160 Tillmanns161 nennt in diesem Zusammenhang ein Beispiel, um ihre Auffassung zu veranschaulichen: „Eine Schreibkraft legt bei Vertragsschluß ein Zeugnis vor, das bescheinigt, sie könne eine bestimmte Anzahl von Anschlägen in der Minute auf der Schreibmaschine erreichen. Der Leistungszeitraum beträgt drei Monate. Während des gesamten Leistungszeitraums erbringt die Schreibkraft eine Leistung, die im Bereich zwischen 60–70% der im Zeugnis genannten Anschlagzahl liegt. Die normative Auslegung ergibt zunächst, dass die Schreibkraft bei Vertragsschluss nicht die im Zeugnis ausgewiesene Leistungsfähigkeit zugesagt hat, da ein objektiver Beobachter weiß, dass die normale Leistungsfähigkeit unter der in Prüfungssituationen erbrachten Optimalleistung einer Person liegt. Er weiß zudem, dass die Leistungsfähigkeit der Person gewissen Schwankungen unterworfen ist. Die geschuldete objektiv individuelle Leistungsfähigkeit mag daher bei etwa 70 bis 90% liegen. Da keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die auf eine Verschiebung des Interessengleichgewichts hindeuten, schuldet die Schreibkraft den üblichen Einsatz dieser Leistungsfähigkeit. Der Begriff umreißt eine Schwankungsbreite. Alle innerhalb dieser Schwankungsbreite erbrachten Leistungen sind ordnungsgemäß, also z. B. 60% bis 90% der durch das Zeugnis ausgewiesenen Leistung. Die untere Grenze wird durch den Einsatz markiert, der „gerade noch üblich“ ist, also 60%.“
Dieses Beispiel veranschaulicht die Auffassung Tillmanns’, dass derjenige, der sich eine menschliche Leistung versprechen lässt, um die Leistungsschwankungen seines Leistungssubjekts weiß. Dem Dienstverpflichteten, der, um seine Leistung ordnungsgemäß zu erbringen, seine Leistungssouveränität teil- und zeitweise aufzugeben habe, müsse ein Absinken seiner Leistung bis zu einem gewissen Grad zugestanden werden. Nach dem Dafürhalten Tillmanns’ gewährleistet das Kriterium der Üblichkeit ferner, dass auch die Interessen des Arbeitgebers hinreichend berücksichtigt sind. Da sich die Üblichkeit allein auf den Einsatz des Leistungsvermögens beziehe, schulde ein Arbeitnehmer, der sich bei der Einstellung als besonders leistungsfähig darstelle, den üblichen Einsatz dieser besonders hohen Leistungsfähigkeit und damit im Einzelfall eine überdurchschnittliche Leistung. Bezug nehmend auf das Beispiel der Schreibkraft vertritt Tillmanns die Auffassung, dass eine andere Schreibkraft, deren Zeugnis eine niedrigere Anschlagzahl ausweist, eine geringere objektiv-individuelle Leistungsfähigkeit schulde und folglich bei üblichem Einsatz ihrer Leistungsfähigkeit auch eine entsprechend geringere Leistung erbringen müsse.
160 161
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 189. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 189 f.
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Neben der Interessengerechtigkeit führt Tillmanns als weiteres Argument für die Anwendung des Kriteriums der Üblichkeit dessen bisherige Verwendung im BGB ins Feld. Neben der subsidiären Bestimmung des Leistungsinhalts nach dem Kriterium der Üblichkeit oder vergleichbarer Kriterien sei zu beachten, dass das Gesetz in § 612 Abs. 2 BGB auch dann auf den Maßstab der Üblichkeit zurückgreife, wenn über das Maß der Gegenleistung bei einem Dienstvertrag keine Absprache getroffen werde. Aus dem synallagmatischen Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung schließt Tillmanns, dass auch für das Maß der Leistung dieser Maßstab gelten müsse.162 Schließlich tritt Tillmanns dem aus ihrer Sicht denkbaren Einwand entgegen, die nach ihrem Konzept im Einzelfall als noch ordnungsgemäß zu behandelnden dauerhaft unterdurchschnittlichen Leistungen seien für den Arbeitgeber nicht hinnehmbar. Tillmanns führt, um diesen Einwand zu entkräften, aus, dass gerade das Arbeitsverhältnis sich nicht in einem schlichten Austauschverhältnis erschöpfe. Vielmehr steuere der Arbeitnehmer den Einsatz seines objektiv-individuellen Leistungsvermögens aufgrund einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Faktoren.163 Neben dem Bemühen, rechtliche Sanktionen (Lohnminderung, Kündigung) zu vermeiden, seien der ökonomischen Analyse des Rechts zahlreiche weitere Faktoren bekannt, die als nonlegal sanctions das Verhalten von Vertragspartnern bei relationalen Verträgen steuerten. Tillmanns weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass vor allem die Aussicht auf die Zahlung freiwilliger Gratifikationen, auf eine Beförderung, die Aussicht auf eine Gehaltserhöhung, ein größeres Büro oder die Zuteilung eines Dienstwagens auf den Arbeitnehmer eine starke verhaltenssteuernde Wirkung haben. Ferner sei die Arbeit für den Arbeitnehmer regelmäßig ein großer Bestandteil seiner Selbstverwirklichung. Dem Arbeitnehmer gehe es auch um die Anerkennung seitens des Arbeitgebers und seiner Kollegen.164 4. Individuelles Leistungsvermögen unter Einhaltung objektiver professioneller Standards Auch Maschmann vertritt schließlich einen zwischen objektiven und individuellen Kriterien vermittelnden Ansatz. Ausgehend von der individuellen Leistungsbestimmung des BAG, welche er im Grundsatz billigt, ist Maschmann der Auffassung, dass der Arbeitnehmer nicht nur zur Ausschöpfung seines individuellen Leistungsvermögens, sondern auch zur Einhaltung der verkehrsüblichen Sorgfalt verpflichtet ist. Zu den Sorgfaltspflichten, welche der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeit zu beachten habe, gehörten dabei die professionellen Stan162
Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 193 f. Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 194 f. 164 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 196; hierauf weist bereits Wlotzke, RdA 1965, 180, 187 f. hin. 163
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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dards, welche üblicherweise an die Arbeit im Einsatzbereich des Arbeitnehmers angelegt werden.165 Maschmann begründet die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Einhaltung professioneller Standards mit einem Vergleich mit dem Pflichtenprogramm, dem Dienstverpflichtete im Rahmen eines freien Dienstvertrags unterliegen. Zwar erkennt Maschmann an, dass auch der freie Dienstverpflichtete im Gegensatz zu einem Werkunternehmer keinen Erfolg schulde, Da aber für Dienstverpflichtete wie Rechtsanwälte, Steuerberater und Ärzte bestimmte Leistungsstandards gelten, bei deren Unterschreitung der Dienstverpflichtete wegen einer Schlechtleistung hafte, dürfe davon ausgegangen werden, dass ein Dienstverpflichteter im Allgemeinen, wenn auch nicht für den Erfolg seiner Dienste, so doch für deren Qualität insoweit eine Garantie übernehme, als für seine Dienste professionelle Standards gelten.166 Diese Einstandspflicht für die Einhaltung professioneller Standards trifft nach dem Dafürhalten Maschmanns auch den Arbeitnehmer. Mit Rücksicht auf die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers dürfe die Einstandspflicht für professionelle Standards zwar nur behutsam auf das Arbeitsverhältnis übertragen werden. Dennoch sei auch der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, dass zu „tun, was von einer gewissenhaften, aufmerksamen Person aus berufsfachlicher Sicht erwartet werden“ dürfe. Die Leistungspflicht des Arbeitnehmers erstreckt sich damit nach Maschmann auf Tätigkeiten, die den anerkannten Regeln des jeweiligen Berufs entsprechen und damit als de lege artis anzusehen sind.
IV. Ermittlung des im Arbeitsverhältnis geltenden Leistungsmaßstabs im Wege der Auslegung des Arbeitsvertrags Zusammenfassend stellt sich das Meinungsbild wie folgt dar: Es ist zunächst umstritten, ob die Leistungspflicht des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung seiner individuellen Leistungspflicht oder nach objektiven Kriterien oder gar unter Berücksichtigung sowohl objektiver als auch individueller Kriterien zu ermitteln ist. Innerhalb dieser beiden Ansätze sind wiederum verschiedene Einzelfragen zu klären. Soweit individuelle Leistungskriterien herangezogen werden, ist fraglich, ob es bei der Bestimmung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers auf dessen Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder auf dessen tatsächliche Leistungsfähigkeit zu dem Zeitpunkt ankommt, in dem die Arbeitsleistung erfolgt. Ferner ist umstritten, ob der Arbeitnehmer seine individuelle Leistungsfähigkeit in vollem Umfang oder nur in angemessener Weise auszuschöpfen hat. Einigkeit besteht zumindest dahingehend, dass die Bestimmung der Leistungspflicht unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers eine gewisse Dynamik der Leistungsverpflichtung zur Folge ha165 166
Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13, 16. Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13, 16.
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
ben muss. So kann ein altersbedingtes Nachlassen der Leistungsfähigkeit, aber auch ein Zugewinn an Fähigkeiten und Erfahrung im Rahmen eines individuellen Leistungsmaßstabs berücksichtigt werden. Soweit die Arbeitsleistung nach objektiven Kriterien bestimmt wird, ist stets ein Referenzmaßstab zu benennen, an dem sich die Leistung des Arbeitnehmers zu messen hat. Zu diesem diffusen Meinungsbild kann in sachgerechter Weise nur Stellung nehmen, wer sich zunächst auf die Frage konzentriert, ob die Leistungspflicht des Arbeitnehmers an objektiven oder individuellen Kriterien zu messen ist. Es wird sich zeigen, dass sich im Zuge der Auflösung dieser Fragestellung auch die Frage nach dem Bedürfnis einer dynamischen Leistungsverpflichtung klären lässt. Dabei ist es zu begrüßen, dass sowohl das Schrifttum167 als auch das BAG in seinen jüngeren Entscheidungen zur Minderleistung von Arbeitnehmern168 zumindest im Grundsatz die Lösung der Frage nach dem im Arbeitsverhältnis gültigen Leistungsmaßstab im Wege der Auslegung des Arbeitsvertrags zu ermitteln suchen. Aus dem Gesetz lässt sich zu den Modalitäten der Leistungserbringung im Arbeitsverhältnis wenig entnehmen. Abgesehen von §§ 269 und 271 BGB, die im Arbeitsverhältnis regelmäßig verdrängt sind und von § 613 BGB, der zumindest für das Arbeitsrecht eine lediglich klarstellende Funktion hat,169 fehlen gesetzliche Normierungen. Das Gesetz verweist vielmehr für den Dienstvertrag in § 611 Abs. 1 BGB auf die „versprochenen Dienste“, welche der Dienstverpflichtete zu leisten habe. Die Leistungsverpflichtung näher erörternde Regelungen, wie sie das BGB für andere Vertragstypen in §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 434 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 und 3, 435, 535 Abs. 1 Satz 2, 633 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3, 651 c Abs. 1 vorsieht, kennt das Dienstvertragsrecht nicht. Der Arbeitnehmer hat daher den Leistungsstandard einzuhalten, welchen er mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags einzuhalten versprochen hat.170 Tillmanns171 sieht wegen des Fehlens gesetzlicher Regelungen zu Recht den Rechtsanwender auf die Auslegung des Arbeitsvertrags verwiesen. 1. Zur Methodik der Auslegung des Arbeitsvertrags hinsichtlich des Leistungsmaßstabs Um den im Arbeitsverhältnis gültigen Leistungsmaßstab zu bestimmen, ist dabei zunächst im Wege der normativen Auslegung zu ermitteln, wie sich das Leis167 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 157; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 149. 168 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 b); vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 15. 169 Hierzu bereits oben § 5 D. IV. 4. a). 170 Lieb, Gutachten, 183, 209. 171 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 157 f.
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tungsversprechen des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Vertragsschlusses aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers darstellt.172 Es ist an dieser Stelle bereits angesprochen worden, dass sich dem Arbeitsvertrag in der Regel nicht mehr als die Leistungszeit, der Leistungsort und eine grobe Umschreibung der Art der Arbeitsleistung entnehmen lässt.173 Tillmanns verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass der Dienstvertrag – für den Arbeitsvertrag gilt dies im besonderen Maße – zur Bestimmung des Leistungsmaßstabs der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB bedarf. Sie begründet dies damit, dass es bei Dienstverträgen wegen ihrer regelmäßig auf längere Zeit angelegten Dauer vermehrt zu Entwicklungen kommen kann, welche die vertragsschließenden Parteien nicht vorhergesehen haben.174 Auch könne man vielfach annehmen, dass sich die Arbeitsvertragsparteien über den Leistungsinhalt im Einzelnen keine klaren Vorstellungen machen. Soweit die vertragsschließenden Parteien den Leistungsinhalt bewusst nur grob umschrieben, verzichteten diese auf eine weitere Konkretisierung des Leistungsinhalts nur deshalb, weil ihnen eine nähere Konkretisierung nicht möglich sei und nicht etwa deshalb, weil die getroffene Regelung abschließend gelten solle. Der Dienstverpflichtete wisse und akzeptiere, dass der Dienstberechtigte sein Leistungsversprechen davon abhängig mache, dass der Leistungsinhalt bestimmten Anforderungen genüge, welche jedoch nicht ausdrücklich benannt werden.175 Im Mittelpunkt der ergänzenden Vertragsauslegung steht der hypothetische Parteiwille.176 Es ist bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall berücksichtigt hätten.177 Bei Austauschverträgen – zu denen der Arbeitsvertrag wie aufgezeigt nach heutigem Verständnis zu zählen ist178 – wird angenommen, dass nach dem Geschäftswillen der Parteien Leistung und Gegenleistung in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.179 Entsprechend dem Wortlaut von § 157 BGB ist daneben die Verkehrssitte zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung des Leistungsmaßstabs ist folglich auf den Vertragszweck, die im Vertrag abgebildeten Parteiinteressen und das nach der Verkehrssitte Übliche180 abzustellen. Soweit das Auslegungsergebnis aus dem Vertragszweck ermit172 Ebenso Lieb, Gutachten, 183, 209; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 158. 173 Oben § 5 D. IV. 1. 174 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 158 f. 175 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 159. 176 Staudinger-Roth, § 157 Rn. 30. 177 Staudinger-Roth, § 157 Rn. 30 m.w. N. 178 Oben § 2. 179 BGH vom 17. 4. 2002 – VIII ZR 297/01, NJW 2002, 2310, 2311 (II 2 c). 180 Staudinger-Roth, § 157 Rn. 31, 33.
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telt wird, ist die durch den Vertrag selbst geschaffene objektive Ordnung zu berücksichtigen und dementsprechend darauf abzustellen, was beide Parteien als einen gerechten Interessenausgleich gewollt hätten.181 2. Kritik der individuellen Leistungsbestimmung Eine Kritik der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Leistungsmaßstäbe zur Bestimmung der geschuldeten Arbeitsleistung hat sich daran zu orientieren, was nach ergänzender Vertragsauslegung dem hypothetischen Willen der Arbeitsvertragsparteien entspricht. Dieser Fragestellung soll im Folgenden nachgegangen werden. Es erscheint bei oberflächlicher Betrachtung zunächst naheliegend, dass die Leistungspflicht des Arbeitnehmers, der als Leistungsgegenstand Arbeit und damit ein menschliches Handeln verspricht, das unmittelbar von seinen individuellen Fähigkeiten abhängt, unter Berücksichtigung seiner individuellen Leistungsfähigkeit bestimmt werden muss. Auch Wlotzke182, der eine objektive Bestimmung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers befürwortet, gesteht zu, dass der individuelle Leistungsmaßstab an sich dem personalen Gehalt der Arbeitsleistung entspricht, da es dem Personalen grundsätzlich konträr sei, schematisiert und typisiert zu werden. Bei genauerer Betrachtung der Argumente, die für einen individuellen Leistungsmaßstab vorgebracht werden, ergeben sich jedoch erhebliche Zweifel an einer individuellen Bestimmung der Leistungspflicht. a) Die Identität von Leistung und Leistendem und der Gedanke vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis Ein individueller Leistungsmaßstab berücksichtigt die Pflicht des Arbeitnehmers zur persönlichen Leistungserbringung. Tatsächlich erscheinen der Arbeitnehmer und seine Arbeitsleistung auf den ersten Blick zu einem guten Teil identisch zu sein. Dem Argument der partiellen Identität von Leistung und Leistendem liegt die nahe liegende Vorstellung zu Grunde, dass Arbeitsleistung und Lohn nicht in dem gleichen Maße dem wirtschaftlichen Tauschverkehr zugänglich sind wie (andere) Vermögensobjekte.183 Sehr deutlich wird diese Vorstellung bei Söllner: „Anders als ein Vertrag, der auf den Austausch von Vermögensobjekten gerichtet ist, erfaßt der Arbeitsvertrag die Person des Arbeitnehmers; Arbeit ist menschliches Handeln und vom arbeitenden Menschen nicht zu trennen.“ 184 181
Staudinger-Roth, § 157 Rn. 33. Wlotzke, RdA 1965, 180, 188. 183 Van der Ven, FS für Hans Carl Nipperdey Band 2 1965, S. 681, 685. 184 Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 149; ebenso Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 532. 182
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Die Vorstellung der partiellen Identität von Arbeitsleistung und Arbeitnehmer ist vor dem Hintergrund der eingangs dieser Untersuchung festgestellten Entwicklung, der arbeitsrechtlichen Dogmatik in Richtung einer schuldrechtlichen Austauschbeziehung jedoch zweifelhaft.185 Die Argumentation erinnert an die nach dem heutigen Verständnis vom Arbeitsverhältnis überholte Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis.186 In einer Entscheidungen des BAG, die noch unter dem Eindruck dieses Verständnisses des Arbeitsverhältnisses ergangen ist, heißt es beispielsweise: „Denn das Arbeitsverhältnis ist ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis, das nicht nur wie beim Dienstvertrag der selbständig Tätigen oder sonstigen Schuldverhältnissen lediglich einzelne bestimmte Leistungen betrifft, sondern für seinen Geltungsbereich die ganze Person des Arbeitnehmers erfasst, deshalb wesentlich sein Leben gestaltet und seine Persönlichkeit bestimmt.“ 187
Gegenstand des Arbeitsvertrags war nach der Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis nicht die Leistung von Diensten, sondern die Hingabe des Arbeitnehmers.188 Obwohl die Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis heute nach beinahe einhelliger Auffassung als überholt gilt,189 knüpft die herrschende Meinung bei der individuellen Bestimmung der Leistungspflicht an den „personalen Charakter des Arbeitsverhältnisses“ 190 an. Auch das in diesem Zusammenhang häufig ergänzend angeführte Argument, der Arbeitnehmer sei zur Leistung in eigener Person verpflichtet,191 was eine individuelle Leistungsbestimmung nahe legen soll, überzeugt nicht.192 Die Person des Leistungsverpflichteten ist nur eines von mehreren Merkmalen, anhand derer sich der nähere Inhalt der Leistungspflicht bestimmen lässt. Der Normzweck des § 613 S. 1 BGB erschöpft sich darin, sicherzustellen, dass der Dienstverpflichtete dem Dienstberechtigten keinen anderen Dienstleistenden aufdrängen kann.193 § 613 Satz 1 BGB verdrängt damit lediglich die Rechtsfolge aus § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB.194 Ein darüber hinaus gehender Bedeutungsgehalt kann der Ver185 Kritisch auch Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, 48 f. 186 Hierzu bereits oben § 2 A. 187 BAG 10.11.1955 – 2 AZR 591/54, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht (II) mit Anm. A. Hueck. 188 Oben § 2 A. II. 189 Oben § 2 A. V. 190 MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 41; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 531 f. 191 Oben § 7 B. I. 4. 192 Ebenso im Ergebnis Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 49 f. 193 Mugdan, II. Band, S. 898; MüKo-Müller-Glöge, § 613 Rn. 2; ErfKommArbRPreis, § 613 Rn. 2. 194 Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 312.
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pflichtung des Arbeitnehmers zur höchstpersönlichen Leistungserbringung nicht ohne Weiteres entnommen werden. Insbesondere enthält § 613 Satz 1 BGB keine Wertung in Bezug auf die Qualität der Arbeitsleistung.195 Auch im Werkvertragsrecht ist es nicht unüblich, dass der Werkunternehmer, insbesondere bei Verträgen mit hohem gestalterischen Anteil, in eigener Person zu leisten hat,196 ohne dass daraus der Schluss gezogen würde, der zur Leistung in persona verpflichtete Werkunternehmer schulde eine Leistung, die sich allein nach seinen individuellen Fähigkeiten bestimme. b) Interessenlage zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Auch soweit die Auffassung, der Arbeitnehmer verspreche eine Leistung nach seinen individuelle Fähigkeiten, auf die Interessenlage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gestützt wird, vermag dies nicht zu überzeugen. aa) Kenntnis vom eigenen Leistungsvermögen Zunächst wird zu Gunsten einer individuellen Leistungsbestimmung darauf verwiesen, dass der Arbeitnehmer schon deshalb keine objektive Normal- oder Durchschnittsleistung versprechen und sich darauf beschränken müsse, eine Leistung im Rahmen seiner Fähigkeiten anzubieten, weil er die betriebliche oder berufsspezifische Durchschnittsleistung gar nicht kenne und der Arbeitgeber um diese Unkenntnis wisse.197 Diese Feststellung. dass der Arbeitnehmer vor seiner Einstellung die Durchschnittsleistung anderer Arbeitnehmer nicht kenne, ist zunächst in aller Regel zutreffend. Im Normalfall hat ein Stellenbewerber weder eine exakte Vorstellung von dem Leistungspensum seiner zukünftigen Kollegen. Noch viel weniger wird ein Stellenbewerber wissen, was vergleichbare Arbeitnehmer im arbeitsmarktweiten Durchschnitt leisten. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass der Arbeitnehmer auch sein eigenes Leistungsvermögen unter Umständen nicht abschließend zu bewerten vermag. Augenfällig ist dies zunächst bei Berufsanfängern oder so genannten Umsteigern. Aber auch ein berufserfahrener Arbeitnehmer kann sein individuelles Leistungsvermögen im Hinblick auf eine neue Arbeitsstelle nicht zwingend abschließend bewerten. Zu sehr wird die eigene Leistungsfähigkeit auch von Faktoren beeinflusst die aus der Sphäre des Arbeitgebers stammen, der den organisatorischen Rahmen für die Arbeitsleistung bereitstellt. Im Gegensatz zu den individuellen Fähigkeiten eines Arbeitnehmers lässt sich
195 196 197
Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 836. MüKo-Busche, § 631 Rn. 34, 71. So Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 161.
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zumindest bei bestimmten Tätigkeiten – etwa der Arbeit am Fließband – eine Durchschnittsleistung mit überschaubarem Aufwand empirisch ermitteln.198 Aus der vermeintlichen Unkenntnis des Arbeitnehmers von der durchschnittlichen Leistung anderer Arbeitnehmer auf vergleichbaren Stellen lässt sich daher nicht schließen, dass der Arbeitsvertrag dahingehend auszulegen ist, dass die vom Arbeitnehmer versprochene Arbeitsleistung individuell zu bestimmen ist. bb) Leistungsstörungsrechtliche Erwägungen Soweit aus der Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien heraus ein individueller Leistungsmaßstab begründet wird, wird deshalb auch überwiegend darauf abgestellt, dass das Dienstvertragsrecht kein Gewährleistungsrecht kenne und der Arbeitnehmer daher auch nicht durch einen objektiven Leistungsmaßstab in eine dem Werkvertragsrecht ähnelnde Erfolgshaftung gezwungen werden dürfe.199 Dass ein objektiver Leistungsmaßstab im Arbeitsrecht zu einer derart weiten Haftung des Arbeitnehmers führt, wird dabei stets ungeprüft unterstellt.200 Schon deshalb lohnt sich ein Blick auf eben diese Problemstellung. Die Frage, ob ein objektiver Leistungsmaßstab zu einer weit reichenden Haftung des Arbeitnehmers führt, ist unter dem neuen Schuldrecht erstaunlich einfach zu beantworten. Mit Blick auf die Vorschrift des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB, die einschließlich der ihr zu Grunde liegenden Wertungen des Gesetzgebers hier bereits umfassend gewürdigt worden ist,201 lässt sich feststellen, dass einer verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen der Weg versperrt ist. Wie aufgezeigt dient § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB dazu, der dem Arbeitsvertrag zu Grunde liegende Interessenlage zur Durchsetzung zu verhelfen. Tatsächlich ist die Interessenlage des Arbeitsverhältnisses dadurch geprägt, dass sich der Arbeitnehmer bei der Durchführung der geschuldeten Arbeiten nach den Weisungen des Arbeitgebers und dessen Arbeitsorganisation, in die er sich eingliedern muss, zu richten hat. Aufgrund dieses Umstands ist der Arbeitnehmer daran interessiert nur für das „Ob“ der Leistung in zeitlicher Hinsicht verschuldensunabhängig einzustehen, da es hierfür allein auf ihn selbst ankommt. Der Arbeitnehmer übernimmt hingegen keine verschuldensunabhängige Haftung dafür, dass seine Tätigkeit frei von Mängeln ist.202 Um dieser Interessenlage gerecht zu werden, schließt § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Anwendung von § 326 Abs. 1 Satz 1 198
So auch Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 836. Oben § 7 B. I. 4. 200 Siehe BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B I 2 b); vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 15; Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13, 15 f.; ErfKommArbR-Preis, § 611 Rn. 645; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 611 Rn. 532. 201 Oben § 4 C. IV. 202 Oben § 4 C. IV. 4. b). 199
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Halbs. 2 BGB auf die Schlechtleistung aus, was, wie ausgeführt, zur Folge hat, dass der Arbeitnehmer nur im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs für solche Schlechtleistungen haftet, die er nach §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 619 BGB zu vertreten hat. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage stellt sich die Frage, welches Interesse auf Seiten des Arbeitnehmers an einer individuellen Bestimmung der von ihm geschuldeten Leistung noch bestehen soll. Wegen § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet der Arbeitnehmer für eine Schlechtleistung nicht bereits dann, wenn ein SollIst-Vergleich zu der Feststellung einer Schlechtleistung führt, sondern erst, wenn der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung auch nach § 280 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 619 a BGB zu vertreten hat. Die Interesse des Arbeitnehmers sind damit auch bei einer objektiven Bestimmung der Leistungspflicht hinreichend gewahrt. Er haftet schließlich nicht bereits, wenn er die objektive Normal- oder Durchschnittsleistung unterschreitet, sondern erst, wenn ihm diese Unterschreitung auch zugerechnet werden kann. Als Zurechnungsgrund für Pflichtverletzungen sieht § 276 Abs. 1 BGB das Verschulden vor. Der Schuldner muss damit für Pflichtverletzungen nur eintreten, wenn ihm vorgeworfen werden kann, dass er den Anforderungen, welche verkehrsüblicherweise an ihn gestellt werden dürfen, nicht gerecht geworden ist.203 Das Verschulden wird dabei verstanden als eine Verfehlung rechtlicher Pflichten infolge unzulänglicher Steuerung des Willens oder des nach dem Willen Handelns.204 Im Mittelpunkt der Zurechnungsfrage steht dabei die Frage, ob sich das Gesamtverhalten des Schuldners so darstellt, dass die Verletzung der Gläubigerinteressen als zufällig anzusehen ist und der Schuldner deshalb nicht zur Rechenschaft gezogen werden darf, oder der Vorwurf angebracht ist, dass der schadensbegründende Kausalverlauf vorhersehbar war und bei zumutbarem Einsatz aller verfügbaren Mittel hätte vermieden werden können.205 Das Gesetz geht dabei in § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB offensichtlich davon aus, dass sich der Schuldner trotz einer vorliegenden objektiven Vertragsverletzung damit entlasten kann, dass er bei seiner Leistungsanstrengung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten hat.206 Gemäß dem in § 276 Abs. 2 BGB verankerten objektiven Fahrlässigkeitsbegriff ist dem Schuldner eine Pflichtverletzung zuzurechnen, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außeracht lässt. Damit kommt es auch bei der Frage der Zurechnung der Pflichtverletzung zunächst nicht auf die individuellen Fähigkeiten des Schuldners, sondern darauf an, welche Fähigkeiten der Rechtsverkehr vom Schuldner verlangt.207 Vor 203
Staudinger-Löwisch, § 276 Rn. 3. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 644. 205 Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. I Allgemeiner Teil Tb. 2, S. 58. 206 Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. I Allgemeiner Teil Tb. 2, S. 63. 207 RG vom 15.2.1919 – I 207/18, RGZ 95, 16, 17; vom 4.3.1930 – VII 397/29, RGZ 127, 313, 315; vom 26.6.1936 – II 23/36, RGZ 152, 129, 140; BGH GS vom 4.3.1957 – GSZ 1/56, BGHZ 24, 21, 27; BGH vom 31.5.1994 – VI ZR 233/93, NJW 204
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diesem Hintergrund verliert das von den Vertretern des individuellen Leistungsmaßstabs vielfach bemühte Argument, das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an einer Beachtung seiner Individualität und der damit verbundenen Leistungsschwankungen verlange nach einer Leistungsbestimmung anhand der individuellen Fähigkeiten des Arbeitnehmers, erheblich an Überzeugungskraft. Das Arbeitnehmerinteresse an einer sachgerechten Berücksichtigung der der menschlichen Individualität geschuldeten Leistungsschwankungen lässt sich auf dogmatisch schlüssige Weise erheblich besser im Rahmen der Bestimmung der vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geschuldeten Sorgfalt und damit im Rahmen der Frage nach dem bei arbeitnehmerseitigen Schlechtleistungen zu berücksichtigenden Verschuldensmaßstab behandeln. Auch der Gefahr einer werkvertragsähnlichen Erfolgshaftung für die Mangelfreiheit der erbrachten Tätigkeit lässt sich auf diese Weise begegnen.208 cc) Kündigungsschutzrechtliche Erwägungen Auch aus kündigungsrechtlichen Aspekten ergibt sich für den Arbeitnehmer kein besonderes Interesse an einer individuellen Bestimmung der geschuldeten Leistung. (1) Verhaltensbedingte Kündigung Aus verhaltensbedingten Gründen kann dem Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des KSchG nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitnehmer ein kündigungsrelevantes Verhalten vorzuwerfen ist, welches zumindest steuerbar sein muss.209 In der Rechtsprechung des BAG heißt es, eine verhaltensbedingte Kündigung setze regelmäßig eine schuldhafte Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten voraus.210 Das Kriterium des steuerbaren Verhaltens bzw. der schuldhaften Verletzung von Vertragspflichten dient dabei insbesondere dazu, die verhaltensbedingte von der personenbedingten Kündigung abzugrenzen. Mit einer verhaltensbedingten Kündigung kann der Arbeitgeber nur dann auf eine Schlechtleistung reagieren, wenn der Arbeitnehmer bei der Schlechtleistung in der Lage gewesen ist, eine ordnungsgemäße Leistung zu erbringen. 1994, 2232, 2233; vom 13.2.2001 – VI ZR 34/00, NJW 2001, 1786, 1787; Deutsch, AcP 202 (2002), 889, 903 f.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 651; MüKoGrundmann, § 276 Rn. 55; Staudinger-Löwisch, § 276 Rn. 28. 208 Dazu unten § 7 B. V. 2. 209 von Hoyningen-Huene/Krause, § 1 Rn. 495; ErfKommArbR-Oetker, § 1 KSchG Rn. 188; HWK-Quecke, § 1 KSchG Rn. 181; weitergehend MüKo-Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 193; SPV-Preis, Rn. 1168a, die bereits auf der Ebene der Vertragsverletzung nur schuldhafte Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten berücksichtigen. 210 BAG vom 21.5.1992 – 2 AZR 10/92, AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (II 2 b); vom 21.11.1996 – 2 AZR 357/95, AP Nr. 130 zu § 626 BGB (II 3 b); vom 17.1.2008 – 2 AZR 752/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969, Rn. 13.
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
(2) Personenbedingte Kündigung In Abgrenzung zur verhaltensbedingten Kündigung erfasst die personenbedingte Kündigung nur die Fälle, bei denen den Arbeitnehmer kein Verschulden trifft. Eine Schlechtleistung führt daher nur dann zu einer personenbedingten Kündigung, wenn der Arbeitnehmer nicht (mehr) geeignet ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Dabei sind im Rahmen der personenbedingten Kündigung nur solche Eignungsmängel zu berücksichtigen, die nicht auf vertragswidrigen Verhaltensweisen beruhen und vom Arbeitnehmer nicht steuerbar sind.211 Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung ist, dass der Arbeitnehmer auf Grund persönlicher Fähigkeiten, Eigenschaften oder nicht vorwerfbarer Einstellungen nicht mehr in der Lage ist, eine vertragsgerechte Leistung zu erbringen.212 Im Zusammenhang mit Schlechtleistungen ist bei der personenbedingten Kündigung bei der Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber neben den persönlichen Umständen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass dem Arbeitnehmer kein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann. Eine personenbedingte Kündigung ist nach § 1 Abs. 2 KSchG nur gerechtfertigt, wenn die auf Grund des personenbedingten Kündigungsgrunds eingetretene Störung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss und die Kündigung daher bei verständiger Würdigung der Interessen der Arbeitsvertragsparteien und des Betriebs als billigenswert und angemessen erscheint.213 Für die Fälle eines Mangels in der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ergeben sich auf Grund des Gebots der Interessenabwägung bei einer personenbedingten Kündigung weitreichende Konsequenzen. So erlaubt die abschließende Interessenabwägung etwa, dem Schutz älterer, langjährig beschäftigter und unverschuldet – womöglich durch betriebliche Veranlassung – erkrankter Arbeitnehmer hinreichend Rechnung zu tragen.214 Beruht die Schlechtleistung des Arbeitnehmers auf einer altersbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit, kann dies zwar eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage ist, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erbringen,215 den normalen
211
SPV-Preis, Rn. 1211. BAG vom 18.1.2007 – 2 AZR 731/05, AP Nr. 26 zu § 1 KSchG 1969 (Rn. 15); ErfKommArbR-Oetker, § 1 KSchG Rn. 99. 213 BAG vom 20.10.1954 – 1 AZR 193/54, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG; vom 25.11.1982 – 2 AZR 140/81, AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; KR-Etzel, § 1 Rn. 273; SPVPreis, Rn. 1200. 214 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B III 2 d); LAG Köln vom 26.2.1999 – 11 Sa 1216/98, NZARR 2000, 25, 26; von Hoyningen-Huene/Krause, § 1 Rn. 306 ff.. 215 Siehe LAG Düsseldorf vom 27.10.1953 – 2a Sa 298/53, BB 1954, 62. 212
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altersbedingten Leistungsabfall hat der Arbeitgeber jedoch hinzunehmen.216 Eine Kündigung aus personenbedingten Gründen kommt nur in Betracht, wenn der Leistungsabfall im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern erheblich stärker in Erscheinung tritt. Auch das BAG vertritt in seiner jüngeren Rechtsprechung217 ausdrücklich die Auffassung, dass der Schutz älterer Arbeitnehmer bei personenbedingten Kündigungen innerhalb der abschließenden Interessenabwägung realisiert werden müssen. Im Rahmen der Kündigung aus personenbedingten Gründen ist die altersbedingte Dynamik der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers somit ein fester Bestandteil der Interessenabwägung. Auch bei einer krankheitsbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers scheidet eine personenbedingte Kündigung bei nur geringfügiger Minderung der Leistungsfähigkeit aus.218 Es bedarf vielmehr einer erheblichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit. In der Rechtsprechung des BAG hat sich eine Grenze von zwei Dritteln der Normalleistung durchgesetzt. Nach der Auffassung des Gerichts, ist es dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten, an einem (unveränderten) Arbeitsvertrag festzuhalten, wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt die objektiv zu bestimmende Normalleistung dauerhaft um ein Drittel unterschreitet.219 Es ist daher auch in den Fällen der krankheitsbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit möglich, bei der erforderlichen Abwägung des Leistungsinteresses des Arbeitgebers mit dem Bestandsinteresse des Arbeitnehmers, dem Arbeitnehmer in erheblichem Umfang Schwankungen der Leistungsfähigkeit, die der Individualität des Leistungssubjekts Mensch geschuldet sind, zuzugestehen. Auch bei der fachlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit kommt, zumindest soweit sie als behebbar anzusehen ist, eine verhaltensbedingten Kündigung in Betracht.220 So ist von einem vom Arbeitnehmer steuerbaren Verhalten auszugehen, wenn der Arbeitnehmer sich etwa weigert, an erforderlichen Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, und es ihm allein deshalb an einer für seinen Tätigkeitsbereich erforderlichen fachlichen Qualifikation fehlt. Er kann verhaltensbedingt gekündigt werden. In anderen Fällen kann die mangelnde fachliche Qualifikation auch eine Kündigung aus personenbedingten Gründen sozial rechtfertigen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die fehlende Eignung durch den Ar216 BAG vom 16.3.1961 – 2 AZR 539/59, AP Nr. 2 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung mit Anm. Hueck. 217 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B III 2 d). 218 SPV-Preis, Rn. 1239. 219 BAG vom 26.9.1991 – 2 AZR 132/91, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit (A III 3 d bb); vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B III 2 d). 220 BAG vom 29.7.1976 – 3 AZR 50/75, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung (4 c); SPV-Preis, Rn. 1212.
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beitnehmer nicht mehr steuerbar ist. In diesen Fällen ist jedoch wiederum im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen, ob die Leistungsminderung vom Arbeitgeber billigerweise hinzunehmen ist, so dass auch bei fachlichen Eignungsmängeln dem Arbeitnehmer eine gewisse Schwankungsbreite zuzugestehen ist.
(3) Konsequenzen Ist der Arbeitgeber somit mit einer Schlechtleistung seines Arbeitnehmers konfrontiert und dazu entschlossen, den Arbeitnehmer zu kündigen, stellt sich ihm zunächst die Frage, ob es sich bei dem Verhalten des betreffenden Arbeitnehmers um ein solches handelt, das dieser zu steuern in der Lage ist, oder ob die Minderleistung auf Eignungsmängeln des Arbeitnehmers beruht, die nicht auf vertragswidrige Verhaltensweisen zurückführbar und vom Arbeitnehmer nicht steuerbar sind. Im ersteren Fall, kann der Arbeitnehmer nicht bereits dann verhaltensbedingt gekündigt werden, wenn seine Arbeitsleistung die objektiv zu bestimmende Normalleistung unterschreitet, sondern erst, wenn er hierbei sein individuelles Leistungsvermögen nicht ausschöpft. Dabei liegt die für eine verhaltensbedingte Kündigung erforderliche Vertragsverletzung nicht, wie von der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung im Schrifttum angenommen, in der Unterschreitung des individuellen Leistungsvermögens, sondern darin, dass der Arbeitnehmer die geschuldete objektiv zu bestimmende Normalleistung unterschreitet. Die Prüfung, ob der Arbeitnehmer sein individuelles Leistungsvermögen ausschöpft oder nicht, ist lediglich erforderlich, um die zulässige Kündigungsart und die damit verbundenen Kündigungsvoraussetzungen zu bestimmen. Schöpft der Arbeitnehmer seine individuelle Leistungsfähigkeit voll aus und unterschreitet er dennoch die vertraglich geschuldete Leistung, kommt allein eine personenbedingte Kündigung in Betracht, denn dem Arbeitnehmer ist weder ein Verschuldensvorwurf zu machen, noch kann ihm eine steuerbare Vertragsverletzung vorgeworfen werden. Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung ist im Fall der Schlechtleistung, dass die Differenz zwischen dem individuellen Leistungsvermögen und der objektiv zu bestimmenden Normalleistung – der Eignungsmangel – so groß ist, dass eine Weiterbeschäftigung nach umfassender Abwägung von Bestandsinteresse auf Arbeitnehmer- und Auflösungsinteresse auf Arbeitgeberseite dem Arbeitgeber nicht mehr zugemutet werden kann. Ob im Rahmen dieser Fragestellung die vom BAG vertretene ZweiDrittel-Grenze heranzuziehen ist, kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung dahinstehen. Dass das BAG eine personenbedingte Kündigung erst zulässt, wenn die Leistungsfähigkeit auf zwei Drittel der Normalleistung gesunken ist, ist, soviel lässt sich an dieser Stelle festhalten, ein deutliches Indiz dafür, dass die Individualität des Arbeitnehmers und die damit verbundenen Leistungsschwankungen nicht zwingend bereits auf der Ebene des Tatbestands der geschuldeten Leistung berücksichtigt werden müssen.
B. Leistungsmaßstab und Sorgfaltsmaßstab
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Es zeigt sich vielmehr, dass die Individualität des Arbeitnehmers sowohl bei der verhaltensbedingten Kündigung als auch bei der personenbedingten Kündigung unabhängig davon zu berücksichtigen ist, ob der an die Arbeitsleistung angelegte Leistungsmaßstab objektiv oder individuell bestimmt wird. Eine verhaltensbedingte Kündigung scheidet mangels steuerbaren oder schuldhaften Verhaltens von vornherein aus, wenn die in der Unterschreitung der Normalleistung liegende Arbeitsvertragsverletzung darauf beruht, dass der Arbeitnehmer auf Grund seiner individuellen Leistungsfähigkeit zu einer besseren Leistung nicht in der Lage ist. Im Rahmen der personenbedingten Kündigung bietet die abschließend durchzuführende Interessenabwägung ausreichend Raum, um Schwankungen der Leistungsfähigkeit, die auf der Individualität des Arbeitnehmers beruhen, zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Da damit sowohl bei der verhaltensbedingten als auch bei der personenbedingten Kündigung außerhalb des Tatbestands der Schlechtleistung ausreichend Raum für eine Berücksichtigung der Individualität des Arbeitnehmers bleibt, ergeben sich auch aus dem Kündigungsschutzrecht keine Interessen des Arbeitnehmers an einer individuellen Bestimmung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung, die bei der Auslegung des Arbeitsvertrags den Ausschlag in Richtung einer individuellen Leistungsbestimmung geben könnten.
dd) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle somit festhalten, dass sich aus der das Arbeitsverhältnis beherrschenden Interessenlage nicht ableiten lässt, dass die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bestimmt werden muss. Das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an einer sachgerechten Berücksichtigung der menschlichen Individualität geschuldeten Leistungsschwankungen ist vielmehr im Rahmen der Bestimmung der vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geschuldeten Sorgfalt und damit im Rahmen der Frage nach dem bei arbeitnehmerseitigen Schlechtleistungen zu berücksichtigenden Verschuldensmaßstab zu beachten. Damit ist dem Interesse des Arbeitnehmers an einer nur eingeschränkten Haftung für den Erfolg seiner Leistung hinreichend Genüge getan. Auch im Hinblick auf die Gefahr, wegen Minderleistungen gekündigt zu werden, verbleiben bei objektiver Bestimmung des Leistungsmaßstabs sowohl bei der verhaltensbedingten als auch bei der personenbedingten Kündigung außerhalb des Tatbestands der Schlechtleistung ausreichend Möglichkeiten für eine Berücksichtigung der Individualität des Arbeitnehmers. Es ergeben sich daher auch aus dem Kündigungsschutzrecht keine maßgeblichen Interessen des Arbeitnehmers an einer individuellen Bestimmung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung.
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Die Untersuchung der dem Arbeitsverhältnis zu Grunde liegenden Interessenlage hat mithin keine Arbeitnehmerinteressen hervorgebracht, die bei der Auslegung des Arbeitsvertrags den Ausschlag zugunsten einer individuellen Bestimmung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung geben. c) Faktische Geltung objektiver Standards in der Rechtsprechung des BAG Ohnehin ist Singer/Schiffer221 in ihrer Kritik der Rechtsprechung zuzustimmen, dass das BAG in seiner Rechtsprechung an der individuellen Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis nur noch „pro forma“ festhält. Die vom BAG aufgestellte widerlegliche Vermutung, dass der Arbeitnehmer, welcher die objektive Durchschnittsleistung um ein Drittel unterschreite, seine individuelle Leistungsfähigkeit nicht voll ausschöpfe führt im Ergebnis zu einer erheblichen Annäherung an die von der Mindermeinung propagierte objektive Bestimmung der Leistungspflicht. Gelingt dem Arbeitgeber der Nachweis, dass der Arbeitnehmer nicht mehr als zwei Drittel der objektiven Durchschnittsleistung erbringt, kann er vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BAG entweder verhaltensbedingt oder, sollte dem Arbeitnehmer der Nachweis gelingen, dass seine Leistungsfähigkeit alters- oder krankheitsbedingt entsprechend seiner tatsächlichen Leistungsminderung herabgesetzt ist, personenbedingt kündigen. Der Arbeitnehmer ist mithin faktisch dazu verpflichtet, mehr als zwei Drittel der objektiv zu bestimmenden Durchschnittsleistung zu erbringen. Überdies führt das Festhalten an einem individuellen Leistungsmaßstab zu weiteren dogmatischen Verrenkungen. Bei genauerer Betrachtung wäre nämlich, legt man den vom BAG propagierten individuellen Leistungsmaßstab zu Grunde, der personenbedingten Kündigung wegen mangelnder Leistungsfähigkeit der Boden entzogen. Der Arbeitnehmer, der die objektive Normalleistung unterschreitet, weil seine individuelle Leistungsfähigkeit nicht mehr hergibt, würde bei Geltung eines individuellen Leistungsmaßstabs sein Leistungsversprechen immer noch erfüllen. Mehr als die Erfüllung der Leistungsverpflichtung kann der Arbeitgeber aber berechtigterweise nicht verlangen.222 Das BAG behilft sich in diesem Zusammenhang mit der Feststellung, eine personenbedingte Kündigung setze nicht voraus, „dass der Arbeitnehmer gegen die subjektiv zu bestimmende Leistungspflicht“ verstoße.223 Es komme vielmehr darauf an, „ob die Arbeitsleistung die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße“ unterschreite, „dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar“ werde. Das Gericht übersieht jedoch, dass die personenbedingte Kündi221
Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 835. So zu Recht von Hoyningen-Huene/Linck (14. Auflage 2007)-Linck, § 1 Rn. 425. 223 BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (B III 2 d). 222
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gung von Ausnahmefällen, wie der Verdachts- und der Druckkündigung abgesehen, gerade bezweckt, einer in der Person des Arbeitnehmers begründete Leistungsstörung angemessen begegnen zu können.224 Der Arbeitgeber soll mit der personenbedingten Kündigung „die Möglichkeit haben, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung und Fähigkeiten nicht (mehr) besitzt, um die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.“ 225 Dieser Funktion der personenbedingten Kündigung läuft jedoch die Vorstellung, dass der Arbeitnehmer stets nur eine Leistung im Rahmen seiner individuellen Fähigkeiten schuldet, entgegen, denn mit dem individuellen Leistungsmaßstab werden die Fähigkeiten des Arbeitnehmers selbst zu einem dynamischen Faktor zur Bestimmung der vertraglich geschuldeten Leistung.226 Ein Fähigkeitsmangel und eine Leistungspflichtverletzung schlössen sich im Prinzip aus. Wie aufgezeigt widerspricht diese Vorstellung jedoch der Funktion der personenbedingten Kündigung, drohenden Leistungsstörungen für die Zukunft entgegen zu wirken.227 d) Zwischenergebnis Bei genauer Betrachtung rechtfertigen weder die dem Arbeitsverhältnis zu Grunde liegende Interessenlage, noch die Vorstellung von der Identität von Leistung und Leistendem eine individuelle Bestimmung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers. Vielmehr deutet die faktische Geltung objektiver Standards in der Rechtsprechung des BAG darauf hin, dass bei verständiger Würdigung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Arbeitsvertrag dahingehend auszulegen ist, dass der Arbeitnehmer eine nach objektiven Kriterien zu bestimmende Arbeitsleistung schuldet. 3. Kritik der objektiven Leistungsbestimmung a) Lohngerechtigkeitserwägungen Vielfach wird auf den Gedanken der Lohngerechtigkeit abgestellt, um eine objektive Bestimmung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers zu begründen.228 Grundlage dieser Überlegung ist, dass in einer Austauschbeziehung, wie dem 224
Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 4 Rn. 1. BAG vom 20.5.1988 – 2 AZR 682/87, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung (C III 2 b aa); ebenso von KR-Griebeling, § 1 KSchG Rn. 266; Hoyningen-Huene/Linck-Krause, § 1 Rn. 295; Rüthers/Henssler, ZfA 1988, 31, 44. 226 Siehe Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 165 f. 227 Ebenso im Ergebnis Sedlmeier, Unzureichende Arbeitsleistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 58 ff. 228 Oben § 7 B. II. 1. a). Wlotzke, RdA 1965, 180, 188; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 119 f.; Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 312; ähnlich auch Ballerstedt, JZ 1963, 190, 191. 225
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Arbeitsverhältnis nicht ein objektiv gleicher Lohn für individuelle zu bestimmende und damit im Ergebnis häufig objektiv ungleiche Arbeit gezahlt werden dürfe. Deutlich wird diese Vorstellung auch bei Tillmanns, die zwar eine vermittelnde Auffassung vertritt, das objektive Element des üblichen Einsatzes der Leistungsfähigkeit aber damit begründet, dass das Gesetz in § 612 Abs. 2 BGB auf ein objektives Kriterium bei der Bemessung der Vergütung zurückgreife, wenn über das Maß der Gegenleistung bei einem Dienstvertrag keine Absprache getroffen werde und sich aus dem synallagmatischen Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung ergebe, dass auch für das Maß der Leistung der gleiche objektive Maßstab gelten müsse.229 Der Austauschgedanke, welcher der synallagmatischen Leistungsverknüpfung zu Grunde liegt, greift jedoch weit weniger weit, als der Verweis auf den Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit glauben machen will. Die Gleichwertigkeit der im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags sich gegenüberstehenden Leistungen realisiert sich lediglich in einer rechtlichen und nicht zwingend in einer wirtschaftlichen Symmetrie der gegenseitigen Leistungspflichten. Jede Leistung hat im gegenseitigen Vertrag lediglich als Rechtsgrund der Gegenverpflichtung das gleiche Gewicht wie die Leistung des Gegenübers.230 Das Synallagma begründet zwar eine dem gegenseitigen Vertrag immanente besondere Gerechtigkeit.231 Insbesondere dadurch, dass der gegenseitige Vertrag den Regeln des konditionellen Synallagmas unterstellt wird, werden die verschiedenen Werte von Leistung und Gegenleistung als rechtlich äquivalent gegenüber gestellt.232 Selbst diese rechtliche Äquivalenz ist im Arbeitsverhältnis aber gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB in großem Maße durchbrochen.233 Ohnehin verlangen die Regeln des gegenseitigen Vertrags keineswegs eine wirtschaftliche Äquivalenz der ausgetauschten Leistungen. Mit der Eingruppierung eines Arbeitnehmers in eine bestimmte Lohngruppe, kommt vor diesem Hintergrund nicht zwingend zum Ausdruck, dass von dem Arbeitnehmer die gleiche Leistung verlangt wird, wie von allen anderen Arbeitnehmern, die dieser Lohngruppe angehören. b) Die Gattungshandlungsschuld Soweit auf den Leistungsmaßstab des § 243 Abs. 1 BGB abgestellt wird, um eine objektive Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis zu begründen, ist dem im Anschluss an Hammen234 zuzugeben, dass die Arbeitspflicht im Arbeitsver229 230 231 232 233 234
Oben § 7 B. III. 3. c). Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 28. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 30. Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrags, S. 31. Oben § 4 C. IV. 4. b) und 5. Oben § 7 B. II. 1. b).
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trag tatsächlich nur nach allgemeinen Merkmalen beschrieben und dem Arbeitgeber mit dem Weisungsrecht eine weitreichende Befugnis zur Leistungskonkretisierung zugestanden wird. Bei den Argumenten, die von den Vertretern eines individuellen Leistungsmaßstabs gegen den Leistungsmaßstab der mittleren Art und Güte angeführt werden, handelt es sich bei genauerer Betrachtung um dieselben Argumente, die auch für die Begründung des individuellen Leistungsmaßstabs selbst ins Feld geführt werden. So wird zum einen darauf abgestellt, die Identität von Leistung und Leistendem führe zu einer so weitreichenden Konkretisierung, dass für den Gedanken der Gattungshandlungsschuld kein Raum mehr bliebe.235 Zum anderen wird angeführt, dass die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers, der nicht für den Erfolg seiner Tätigkeit haften wolle und dessen Leistungen Schwankungen unterworfen seien, die auf die Individualität eines jeden Menschen zurückzuführen seien, einer Verpflichtung des Arbeitnehmers zu Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte entgegenstünden.236 Ferner wird auch das Argument aufgegriffen, der Arbeitnehmer kenne die durchschnittliche Arbeitsleistung anderer Arbeitnehmer und damit auch das Maß an Leistung nicht, welches dem der mittleren Art und Güte entspreche.237 Schließlich wird kritisiert, dass die in § 279 BGB a. F. angeordnete Garantiehaftung des Gattungsschuldners, welche heute in § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB verortet wird, dem Arbeitsrecht fremd sei.238 Diesen Argumenten gegen eine zumindest rechtsgedankliche Anwendung des § 243 Abs. 1 BGB und im Zuge dessen eine objektive Bestimmung der Leistungspflicht im Arbeitsverhältnis fehlt es jedoch an der nötigen Überzeugungskraft. Auf die fehlende Kenntnis des Arbeitnehmers von der Normalleistung anderer Arbeitnehmer239 braucht an dieser Stelle ebenso wenig ausführlich eingegangen zu werden, wie auf das Argument der Identität von Leistung und Leistendem240 im Arbeitsverhältnis. Beide Argumente sind im Rahmen der Diskussion des individuellen Leistungsmaßstabs bereits erörtert und entkräftet worden.241 Es sei an dieser Stelle nur kurz darauf hingewiesen, dass die höchstpersönliche Leistungserbringung nicht per se der Qualifikation eines Schuldverhältnisses als Gattungsschuldverhältnis entgegensteht. Niemand würde ernstlich an dem Vorliegen einer Vorratsgattungsschuld zweifeln, wenn ein Winzer dazu verpflichtet wird, in eigener Person eine bestimmte Anzahl an Kisten einer bestimmten Sorte 235 MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 41; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 150. 236 So insbesondere Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 147. 237 Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 146. 238 Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 146; Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13, 15; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 150. 239 Oben § 7 B. IV. 2. b) aa). 240 Oben § 7 B. IV. 2. a). 241 Oben § 7 B. IV. 2. a) und b) aa).
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des eigenen Weins zu liefern. Was die Garantiehaftung angeht, bleibt anzumerken, dass es sich insoweit um ein abdingbares Element der Gattungsschuld handelt, dem im Arbeitsrecht neben der bereits umfassend dargestellten skizzierten Interessenlage, die eine Garantiehaftung verbietet,242 überdies der Fixschuldcharakter und die in § 615 Satz 2 BGB angeordnete Befreiung von der Verpflichtung zur Nacherfüllung entgegensteht. c) Interessengerechte Auslegung des Arbeitsvertrags Ob es sich bei der Arbeitsleistung um eine Gattungshandlungsschuld handelt oder nicht, bleibt gemäß dem Grundsatz der Parteiautonomie eine Frage der Auslegung des Arbeitsvertrags und der diesem zu Grunde liegenden Interessenlage. Auch wenn man im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 243 Abs. 1 BGB, der nach dem Wortlaut der Vorschrift auf Sachleistungen beschränkt ist, die Qualifikation der Arbeitsleistung als Gattungsschuld ablehnt, ist nicht ausgeschlossen, dass sich aus dem Arbeitsvertrag ein objektiver Leistungsmaßstab ergibt. Der Rechtsanwender ist in jedem Fall auf die Auslegung des Arbeitsvertrags verwiesen. Die Frage, ob die Arbeitsleistung als Gattungshandlungsschuld zu qualifizieren ist, ist schon für sich bei genauerer Betrachtung von der Beantwortung der Frage abhängig, welcher Leistungsmaßstab sich bei verständiger Auslegung des Arbeitsvertrags ergibt und daher von eher nachrangiger Bedeutung für die Behandlung der Schlechtleistung. Bei der Auslegung des Arbeitsvertrags kommt es entscheidend auf die Interessen der vertragschließenden Parteien und die Verkehrsanschauung an. Zu den Interessen des Arbeitgebers, welche die Auslegung des Arbeitsvertrags im Hinblick auf den Leistungsmaßstab maßgeblich beeinflussen, zählt insbesondere das Bedürfnis des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in die Kalkulationen einbeziehen zu können, auf denen seine betriebliche Organisation beruht. Hierfür sprechen zwei das Arbeitsverhältnis entscheidend prägende Merkmale. zum einen wird der einzelne Arbeitnehmer regelmäßig in eine gerade in der heutigen hochtechnisierten Wirtschaftswelt sehr komplexe betriebliche Organisation eingegliedert. Die betriebliche Organisation, innerhalb derer der Arbeitnehmer seine Leistung erbringt, ist dabei ein Ergebnis umfangreicher Planungen und Kalkulationen. Das ungestörte Ablaufen betrieblicher Prozesse bedarf – augenfällig wird dies im Fall der Fließbandarbeit, aber auch bei anderen Formen der Zusammenarbeit einer Mehrzahl von Arbeitnehmern – einer reibungslosen Integration des Arbeitnehmers in die vorgegebenen Arbeitsabläufe. Um die betrieblichen Arbeitsprozesse sinnvoll zu gestalten,243 ist der Arbeitgeber gezwungen, für jeden 242
Oben § 4 C. IV. 4. b). Man denke an die Beschaffung von Material und Rohstoffen, die Heranziehung von Fremdarbeitskräften, die Gestaltung von Kundenbeziehungen etc. 243
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Arbeitsplatz mit einer bestimmten Arbeitsleistung zu kalkulieren. Auch Maschmann244 deutet an, dass sich der Arbeitgeber darauf verlassen können muss, dass der Arbeitnehmer eine gewisse Mindestleistung erbringt, da es dem Arbeitgeber andernfalls kaum möglich ist, seine Geschäftsabläufe sinnvoll zu planen. Maschmann weist darüber hinaus darauf hin, dass auch die Kollegen, deren Arbeitseinsatz Minderleistungen häufig kompensieren muss, eine gewisse Mindestleistung erwarten. Als Anhaltspunkte für seine Kalkulation drängen sich dem Arbeitgeber zwei Faktoren auf. Dies sind zum einen die berufsspezifischen Leistungsstandards und zum anderen die Durchschnittsleistungen die andere Arbeitnehmer auf vergleichbaren Arbeitsplätzen erbringen. Hat der Arbeitnehmer einen bestimmten Beruf erlernt oder wird er aufgrund seiner Berufserfahrung auf einem Arbeitsplatz eingesetzt, der ein bestimmtes Berufsfeld repräsentiert, darf der Arbeitgeber, soweit sich aus den Umständen des Vertragsschlusses, insbesondere dem Auftreten der Arbeitnehmers, seiner Arbeitszeugnisse und der eigenen Darstellung seiner Leistungsfähigkeit, nichts anderes ergibt, erwarten, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit entsprechend den berufsspezifischen Leistungsstandards erbringt, deren Einhaltung von einem gewissenhaften, aufmerksamen Angehörigen der betreffenden Berufsgruppe im Allgemeinen erwartet werden darf. Zwar geht es zu weit, berufsfachliche Regeln rechtsnormähnlichen Charakter zuzusprechen.245 Berufsfachliche Regeln sind aber geeignet, den Inhalt schuldrechtlicher Pflichten zu regeln.246 Die Einhaltung berufsfachlicher Regeln gehört zu dem, was der Verkehr vom Schuldner berechtigterweise erwarten darf. Im Regelfall spielt bei der Einstellung eines Arbeitnehmers seine berufsspezifische Ausbildung oder innerhalb eines Berufsfelds gesammelte Berufserfahrung ein wesentliche Rolle. Der Arbeitgeber darf zumindest damit rechnen, dass der Arbeitnehmer den berufstypischen Anforderungen gewachsen ist. Dies spricht dafür, seine Arbeitsleistung nur dann als ordnungsgemäß anzusehen, wenn die berufsfachlichen Mindeststandards entspricht. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber gezwungen, der Planung seiner betrieblichen Abläufe, eine objektiv zu bestimmende Durchschnittsleistung zu Grunde zu legen. Die tatsächliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeitnehmers vor jeder
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Maschmann, NZA Beilage 1/2006, 13, 15. Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 320; a. A. Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 298 f. 246 Vgl. BGH vom 5.11.1987 – IX ZR 86/86, NJW 1988, 486, 487; vom 17.12.1987 – IX ZR 41/86, NJW 1988, 1088, 1079, 1080; vom 20.12.1988 – IX ZR 88/88, NJW 1989, 1148 zu den Pflichten eines Rechtsanwalts zur ordnungsgemäßen Rechtsprüfung, zur umfassenden Beratung und Belehrung des Mandanten und zur Pflicht zur Schadensverhütung, die der BGH jeweils aus der Kardinalpflicht des Rechtsanwalts, die Interessen des Mandanten in jede Richtung umfassend wahrzunehmen, ableitet. Ferner BGH vom 20.11.1997 – IX ZR 62–97, NJW 1998, 1221 zu den Pflichten eines Steuerberaters und BGH vom 16.3.1999 – VI ZR 34/98, NJW 1999, 1778, 1779. 245
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Einstellung zu bestimmen, ist mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht möglich. Dem Interesse des Arbeitgebers daran, dass der Arbeitnehmer berufsfachlich ordnungsgemäße Arbeit verrichtet und dem Interesse, eine seinen betriebswirtschaftlichen Kalkulationen zu Grunde liegende durchschnittliche Arbeitsleistung im Sinne einer durchschnittlichen Arbeitsqualität und einem durchschnittlichen Arbeitstempo auf jedem Arbeitsplatz innerhalb seiner betrieblichen Organisation zu Grunde legen zu können, stehen im Rahmen der interessengerechten Auslegung des Arbeitsvertrags keine maßgeblichen Arbeitnehmerinteressen gegenüber. Die Diskussion des von der herrschenden Meinung vertretenen individuellen Leistungsmaßstabs hat gezeigt, dass das Interesse des Arbeitnehmers an einer Berücksichtigung der auf seine Individualität zurückzuführenden Leistungsschwankungen sich bei der Frage der Haftung für objektiv nachgewiesene Schlechtleistungen hinreichend berücksichtigen lässt und daher bei der Bestimmung des Leistungsstandards vernachlässigt werden darf. 4. Zusammenfassung Zusammengefasst kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass, unabhängig davon, ob der Auffassung zu folgen ist, dass es sich bei der Arbeitspflicht um eine Gattungshandlungsschuld handelt, die besseren Argumente für eine objektive Bestimmung der Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers sprechen. Der Arbeitnehmer hat den Leistungsstandard einzuhalten, den er mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags einzuhalten versprochen hat. Gesetzliche Regeln, aus denen sich ein im Arbeitsverhältnis gültiger Leistungsmaßstab ableiten ließe, existieren nicht. Das Gesetz sieht den Arbeitnehmer in § 611 Abs. 1 BGB als zur „Leistung der versprochenen Dienste“ verpflichtet an. Der Leistungsmaßstab, den der Arbeitnehmer bei der Erbringung der Arbeitsleistung zu erbringen hat, ist daher im Wege der Auslegung des Arbeitsvertrags zu ermitteln. Zur Bestimmung des Leistungsmaßstabs ist dabei auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB zurückzugreifen, da es bei Dienstverträgen wegen ihrer regelmäßig auf längere Zeit angelegten Dauer vermehrt zu Entwicklungen kommen kann, welche die vertragsschließenden Parteien nicht vorhergesehen haben und sich die Arbeitsvertragsparteien über den genauen Leistungsinhalt im Einzelnen im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags noch keine abschließenden Vorstellungen machen können. Im Mittelpunkt der ergänzenden Vertragsauslegung steht der hypothetische Parteiwille. Bei der Ermittlung des Leistungsmaßstabs ist daher entsprechend den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung auf den Vertragszweck, die im Vertrag abgebildeten Parteiinteressen und das nach der Verkehrssitte Übliche abzustellen. Maßgeblich ist dabei insbesondere, was die Parteien, die die recht-
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liche Ordnung ihres Vertragsverhältnisses privatautonom gestalten, als einen gerechten Interessenausgleich gewollt hätten. Die dem Arbeitsvertrag zu Grunde liegende Interessenlage ist dabei keineswegs, wie von den Vertretern des individuellen Leistungsmaßstabs vielfach angenommen, von der Vorstellung der partiellen Identität von Arbeitsleistung und Arbeitnehmer geprägt. Vor dem Hintergrund, dass das Arbeitsverhältnis heute allgemein als Austauschbeziehung verstanden wird und deshalb den Regeln des gegenseitigen Vertrags unterworfen ist, wird der Gedanke eines personenrechtlichen Einschlags des Arbeitsverhältnisses, der mit der Vorstellung von Identität von Leistung und Leistendem unweigerlich verknüpft ist, heute nahezu einhellig abgelehnt. Auch aus der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur höchstpersönlichen Leistungserbringung lässt sich nicht ableiten, dass im Arbeitsverhältnis ein individueller Leistungsmaßstab gelten muss. Insbesondere lässt sich § 613 BGB bei verständiger Auslegung keine entsprechende Aussage über die Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers entnehmen. Schließlich hat sich gezeigt, dass sich die Individualität des Arbeitnehmers und seiner Arbeit an anderer Stelle als dem Tatbestand der vertragsgemäß geschuldeten Leistung hinreichend berücksichtigen lässt. Dem Arbeitnehmer drohen bei einem objektiven Leistungsmaßstab weder besonders weitreichende haftungsrechtliche Konsequenzen noch ein Ausufern der Kündigungsmöglichkeiten zugunsten des Arbeitgebers. Einer zu weit reichenden Haftung steht der Ausschluss einer verschuldensunabhängigen Minderung des Entgelts in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB und die verkehrskreistypische und gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB privatautonom modifizierbare Bestimmung des vom Arbeitnehmer einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs entgegen. Auch kündigungsrechtlich lässt sich – wie aufgezeigt – die Individualität des Arbeitnehmers mit der Folge berücksichtigen, dass bei einem Absinken der individuellen Leistungsfähigkeit, eine Kündigung erst möglich wird, wenn eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten ist. Es besteht daher auch aus der Sicht des Arbeitnehmers kein bei der ergänzenden Auslegung des Arbeitsvertrags zu berücksichtigendes Interesse daran, dass sich die geschuldete Arbeitsleistung nach seinen individuellen Fähigkeiten richtet. Die Arbeitsleistung unterliegt vielmehr einem objektiven Leistungsmaßstab.
V. Objektive Leistungsbestimmung und objektiv individueller Sorgfaltsmaßstab Nachdem somit die objektive Leistungsbestimmung im Arbeitsvertragsrecht ihren Schrecken verloren hat, sollen nunmehr die objektiven Kriterien zur Bestimmung des Leistungsmaßstabs konkretisiert werden. Im Rahmen des vorlie-
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genden Konzepts einer bloß verschuldensabhängigen Haftung des Arbeitnehmers für qualitative Leistungsdefizite ist dabei zu beachten, dass der Arbeitnehmer nicht allein eine objektiv zu bestimmende Leistung247 schuldet. Vielmehr schuldet der Arbeitnehmer auch eine bestimmte Sorgfaltswaltung248, bei deren Einhaltung eine schadensersatzrechtliche Haftung auch bei objektiv nicht pflichtgemäßer Leistung mangels Verschuldens ausscheidet. 1. Objektiver Leistungsmaßstab Bei verständiger Würdigung der Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien ergeben sich im Wesentlichen zwei Faktoren, die den Maßstab konkretisieren, an dem sich die Leistung des Arbeitnehmers messen lassen muss. Zunächst darf der Arbeitgeber erwarten, dass der Arbeitnehmer bei seiner Arbeit anerkannte berufsspezifische Leistungsstandards einhält, die sich insbesondere aus vorgelegten Ausbildungszeugnissen und Prüfungs- oder berufsständischen Ordnungen ergeben. Darüber hinaus ist das Interesse des Arbeitgebers an einer Arbeitsleistung zu berücksichtigen, die sich in die betrieblichen Prozesse eingliedern lässt. Der Arbeitgeber organisiert seinen Betrieb aufgrund von betriebswirtschaftlichen Kalkulationen, bei denen auch die Arbeitskraft der Arbeitnehmer als ein maßgeblicher Faktor berücksichtigt wird. Der Arbeitgeber legt dabei seinen Kalkulationen berechtigterweise eine Arbeitsleistung zu Grunde, die der Leistung entspricht, welche ein vergleichbarer Arbeitnehmer auf einem vergleichbaren Arbeitsplatz erbringt. a) Berufsspezifische Leistungsstandards Zunächst stellen berufsspezifische Leistungsstandards einen Mindeststandard dar, dem die Arbeitsleistung genügen muss, um vertragsgemäß zu sein.249 Der Arbeitnehmer verspricht arbeitsvertraglich, seine Arbeit so zu verrichten, wie es aus berufsfachlicher Sicht von einem Arbeitnehmer, welcher der einschlägigen Berufsgruppe angehört, erwartet werden darf. Die Berufsgruppe und die entsprechenden berufsspezifischen Leistungsstandards sind dabei anhand der arbeitsvertraglich vereinbarten Art der Tätigkeit sowie der bei der Einstellung vorgelegten Zeugnisse und der eigenen Angaben des Arbeitnehmers zu ermitteln. Bereits in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellte Kreller250 zutreffend fest, dass ein Arbeitnehmer, der sich auf eine bestimmte Stelle bewerbe, verspreche, den Anforderungen, die dieser Arbeitsplatz an ihn stellt, 247 248 249 250
Dazu sogleich § 7 B. V. 1. Dazu unten § 7 B. V. 2. MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 42. Kreller, AcP 123 (1925), 263, 286 f.
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auch gewachsen zu sein. Über die Anforderung, die ein bestimmter Beruf, an den Arbeitnehmer stelle, der diesen Beruf ausübe, bilde sich, so Kreller251 zu Recht, ebenso eine Verkehrsauffassung, wie über die Qualität einer Ware. Damals wie heute sind mit den am Arbeitsmarkt verfügbaren Stellen bestimmte Leistungsanforderungen verbunden, die bei der Auslegung des Arbeitsvertrags nicht allein mit dem Verweis auf die Individualität der Arbeitsleistung außer Acht gelassen werden dürfen. Ein Arbeitnehmer, der als Maler eingestellt wird und im Vorfeld seiner Einstellung seine Qualifikation anhand von Zeugnissen über das erfolgreiche Bestehen der Gesellenprüfung nachgewiesen hat, schuldet das fachgerechte Auftragen der Farbe. Unabhängig von möglichen Leistungsschwankungen darf er diesen Standard nicht unterschreiten, will er seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht ordnungsgemäß erfüllen. Hat der Arbeitnehmer seine Arbeit nicht fachgerecht entsprechend den berufsspezifischen Leistungsstandards ausgeführt, ist der Tatbestand der Schlechtleistung erfüllt. Um die spezifischen Leistungsstandards eines Berufs festzustellen, lässt sich beispielsweise auf die Ausbildungsordnungen zurückgreifen, die nach §§ 4, 5 BBiG und § 25 Handwerksordnung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie oder von dem sonst zuständigen Fachministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Bildung und Forschung durch Rechtsverordnung erlassen werden.252 So heißt es beispielsweise in § 13 Abs. 3 der Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackierergewerbe vom 3. Juli 2003253, der die Gesellenprüfung für den Ausbildungsberuf des Malers/Lackierers und der Malerin und Lackiererin in der Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung zum Gegenstand hat, unter anderem: „[. . .] 1. Für den Prüfungsbereich Gestaltung kommt insbesondere in Betracht: Beschreiben der Vorgehensweise bei der Durchführung von Fassaden-, Raum- oder Objektgestaltungen; Umsetzen von dekorativen und kommunikativen Gestaltungen; Anwenden von Übertragungstechniken. Dabei soll der Prüfling zeigen, dass er die Ausführung des Kundenauftrages planen, Farbentwürfe und Materialpläne erstellen, dabei Oberflächen- und Materialstrukturen, Oberflächeneffekte und Kontraste einbeziehen, Farbordnungssysteme auswählen sowie Produktinformationen nutzen, Stilepochen und -merkmale erkennen sowie Präsentationstechniken einsetzen kann. 2. Für den Prüfungsbereich Instandhaltung und Bautenschutz kommt insbesondere in Betracht: Beschreiben der Vorgehensweise bei der Instandsetzung, Instandhaltung und dem Schutz von Bauten, Bauteilen, Räumen und Objekten einschließlich der Er251
Kreller, AcP 123 (1925), 263, 287. Ähnlich auch Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 258, die bei Berufen, für die sich nur schwer eine Durchschnittsleistung ermitteln lässt, was nach der Auffassung Fahls, insbesondere bei kreativen und geistigen Tätigkeiten der Fall ist, an nachgewiesene Prüfungsleistungen anknüpfen will. 253 BGBl. I S. 1064, S. 1546 252
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mittlung und Eingrenzung von Schäden und Fehlern und deren Beseitigung. Dabei soll der Prüfling zeigen, dass er die Ausführung des Kundenauftrages unter Beachtung von Merkblättern, technischen Richtlinien und Normen planen sowie Flächen, Kosten und Mengen berechnen kann. [. . .]“
Stellt der Arbeitgeber einen Angehörigen dieser Berufsgruppe ein, um ihn auf einem entsprechenden Arbeitsplatz einzusetzen, und weist der Arbeitnehmer durch das Vorlegen eines Zeugnisses nach, dass er eine berufsqualifizierende Prüfung nach der einschlägigen Ausbildungsordnung erfolgreich abgelegt hat, darf der Arbeitgeber berechtigterweise erwarten, dass der Arbeitnehmer, den in der Prüfung gestellten Aufgaben zumindest grundsätzlich gewachsen ist. In dem Beispiel des Malers in der Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung darf der Arbeitgeber unter Berücksichtigung von § 13 der Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackierergewerbe erwarten, dass der Arbeitnehmer unter anderem dazu in der Lage ist, die Ausführung eines Kundenauftrages zu planen, Farbentwürfe und Materialpläne zu erstellen, dabei Oberflächen- und Materialstrukturen, Oberflächeneffekte und Kontraste einzubeziehen, Farbordnungssysteme auszuwählen sowie Produktinformationen zu nutzen, Stilepochen und -merkmale zu erkennen sowie Präsentationstechniken einzusetzen. Ist der Malergeselle nun mit der Ausführung eines Kundenauftrags zur Gestaltung einer Hausfassade betraut und ist es zur Vorbereitung der erforderlichen Malerarbeiten erforderlich, die Farbe gemäß den auf dem Farbeimer aufgedruckten Mischverhältnis mit Wasser zu verdünnen, gehört es mit Rücksicht auf den oben dargestellten Auszug aus der Ausbildungsordnung zu den berufsspezifischen Leistungsstandards, dass der Malergeselle bei der Ausführung des Kundenauftrags die einschlägigen Produktinformationen nutzt. Um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen ist der Malergeselle folglich verpflichtet, sich mit dem Mischverhältnis, welches auf dem Farbeimer aufgedruckt ist, vertraut zu machen. Unterlässt er dies, ohne dass er bereits über das korrekte Mischverhältnis ausreichend informiert ist, leistet er nicht vertragsgemäß und erfüllt den Tatbestand der Schlechtleistung. b) Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer Die berufsspezifischen Leistungsstandards bilden jedoch lediglich einen Mindeststandard der Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer verspricht darüber hinaus, die Leistung zu erbringen, die vergleichbare Arbeitnehmer auf vergleichbaren Arbeitsplätzen erbringen. Dies zeigt sich deutlich, wenn man sich die Umstände des Arbeitsvertragsschlusses und insbesondere die beteiligten Parteiinteressen vergegenwärtigt, welche die Auslegung des Arbeitsvertrags gemäß §§ 133, 157 BGB maßgeblich bestimmen. Bereits der Umstand, dass die Leistungsfähigkeit, die der einzelne Arbeitnehmer besitzt, für den Arbeitgeber weitaus schwieriger zu ermitteln ist als die Ar-
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beitsleistung, die auf vergleichbaren Arbeitsplätzen durchschnittlich erbracht wird, spricht dafür, die durchschnittliche Arbeitsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer auf vergleichbaren Arbeitsplätzen bei der Vertragsauslegung zur Bestimmung des geschuldeten Leistungsumfangs zu berücksichtigen.254 Fahl 255 schlägt in diesem Zusammenhang vor, sich bei der Leistungsbestimmung an der arbeitswissenschaftlichen Normalleistung zu orientieren, wie sie insbesondere der REFA-Verband256 im Rahmen seiner Tätigkeit ermittelt. Dies liefe im Ergebnis auf eine arbeitsmarktweite Durchschnittsleistung hinauslaufen, was zu begrüßen ist, um eine möglichst große Organisationseinheit als Vergleichsmaßstab ansetzen zu können. Mit der arbeitsmarktweiten Durchschnittsleistung ergibt sich ein Referenzmaßstab, der eine große Gewähr bietet, dass eine faire Beurteilungsgrundlage für die Bewertung der Leistung des Arbeitnehmers besteht. Die Frage, ob der Leistungsstörungstatbestand der Schlechtleistung erfüllt ist oder nicht ließe sich dann anhand objektiver und breit angelegter Vergleichsmaßstäbe für den jeweiligen Einzelfall beantworten.257 c) Unterschreitung von Berufsstandards und Durchschnittsleistung aufgrund von Arbeitgeberweisungen oder betrieblichen Gegebenheiten Bei der Prüfung der Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass dem Arbeitnehmer eine Unterschreitung des objektiven Leistungsmaßstabs auch dann nicht als Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, wenn sie auf Arbeitgeberweisungen zurückzuführen ist, welche die geschuldete Leistung konkretisieren. Verlangt der Arbeitgeber eine geringere Stückzahl, als es seiner vertraglichen Verpflichtung entspräche, kann ihm ein entsprechend langsames Tätigwerden unterhalb der Schwelle der Durchschnittsleistung nicht vorgeworfen werden. 2. Objektiv individueller Sorgfaltsmaßstab Individuelle Leistungsschwankungen berücksichtigt der hier vertretene objektiv individuelle Leistungsmaßstab nicht. Dies ist freilich auch unschädlich, da sich gezeigt hat, dass der Arbeitnehmer für qualitative Leistungsdefizite ohnehin
254 So auch Singer/Schiffer, JA 2006, 833, 836; a. A. offenbar Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 161. 255 Fahl, Arbeit ist Leistung, S. 260. 256 Der REFA-Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e.V. (1924 gegründet als Reichsausschuß für Arbeitszeitermittlung) gilt als Deutschlands älteste und bedeutendste Organisation für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung sowie betriebliche Weiterbildung (http://www.refa.de/). 257 Zu den Konsequenzen sogleich unter § 7 B. V. 3.
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nur verschuldensabhängig haftet.258 Da vorsätzliche Schlechtleistungen nach dem hier vertretenen Konzept im Arbeitsverhältnis als teilweise Nichtleistungen zu behandeln sind,259 interessiert in diesem Zusammenhang allein die schadensersatzrechtliche Haftung für fahrlässig verursachte qualitative Leistungsdefizite. Gemäß § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Verkehrswidrig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB ist ein Verhalten nach Esser/Schmidt260, wenn „ein normal veranlagter und tüchtiger Mensch, ein hinlänglich ausgebildeter und erfahrener Angehöriger eines Berufsstands, ein durchschnittlich qualifizierter und mit entsprechenden Mitteln versehener Geschäftspartner bei Anspannung der gebotenen und ihm in dieser Situation auch möglichen Aufmerksamkeit, Voraussicht, Nervenkraft, Willensstärke und sozialen Rücksichtnahme sowie bei Einsatz des bei ihm zu erwartenden Leistungs- und Abwehrpotentials anders gehandelt und den schädlichen Erfolg (Mißerfolg) vermieden hätte.“ Bereits in dieser besonders anschaulichen Definition der Verkehrswidrigkeit tauchen Elemente des individuellen Leistungsbegriffs auf, insbesondere die Anspannung der Fähigkeiten des Schuldners. Durch die Anknüpfung des Sorgfaltsmaßstabs an den Verkehrskreis ergibt sich eine erste wenn auch begrenzte Individualisierung. Es bleibt aber dabei, dass die Fähigkeiten, welche der Schuldner, um nicht fahrlässig zu handeln in gehörigem Maße anspannen muss, objektiv bestimmt werden. Über die Verkehrskreisbezogenheit hinaus, erfährt der zivilrechtliche Sorgfaltsmaßstab aber im Rahmen der Vertragshaftung eine weitere Individualisierung. Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Sorgfaltsmaßstab vertraglich verschärft oder abgemildert werden. Eine solche Verschärfung oder Abmilderung des Sorgfaltsmaßstabs kann auch konkludent und sogar aufgrund von Verkehrssitte erfolgen,261 was sich aus der sprachlich erweiterten Fassung des Satzeinschubs seit 2002 deutlicher als zuvor ergibt: Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit nur soweit zu vertreten, als nicht eine strengere oder mildere Haftung vertraglich bestimmt oder aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Sowohl die Verkehrskreisbezogenheit als auch die Möglichkeit der vertraglichen Modifizierung des Sorgfaltsmaßstabs führen zu einer Individualisierung des Sorgfaltsmaßstabs, den ein Arbeitnehmer einzuhalten hat, wenn er seine Arbeitsleistung erbringt. So ist im Rahmen der Typisierung nach Verkehrskreisen zu berücksichtigen, dass es keine verkehrserforderliche Sorgfalt schlechthin gibt. Für das jeweilige Geschehen ist stets danach zu fragen, welche Anforderungen 258 259 260 261
Oben § 3 C. II. 1. f) bb); § 4 C. IV. 4. b) und § 5. C. IV. Oben § 5 D. IV. 4. b). Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. I Allgemeiner Teil Tb. 2, S. 84. MüKo-Grundmann, § 276 Rn. 57.
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der beteiligte Verkehrskreis an das Verhalten eines Schuldners typischerweise stellt.262 In diesem Zusammenhang ist insbesondere im Arbeitsrecht zu berücksichtigen, welcher Sorgfaltsstandard in einer bestimmten Berufsgruppe als üblich anzusehen ist.263 Der Vorwurf der Fahrlässigkeit ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer bei der Erbringung seiner Leistung die Vorschriften und Erfahrungssätze einhält, deren Kenntnis von den Angehörigen der Berufsgruppe, welcher er angehört, erwartet werden muss.264 Darüber hinaus müssen im Hinblick auf die Typisierung des Sorgfaltsmaßstabs nach den beteiligten Verkehrskreisen die typische Dauer von Arbeitsverhältnissen und die üblichen Schwankungen, denen menschliche Tätigkeiten unterliegen, berücksichtigt werden. Tillmanns265 und anderen Autoren ist im Ergebnis darin zuzustimmen, dass derjenige, der sich eine menschliche Leistung versprechen lässt, um die Leistungsschwankungen des Leistungssubjekts Mensch weiß. Völlig zu Recht stellt sich Rabe266 in diesem Zusammenhang auf den Standpunkt, dass der Arbeitnehmer eine Leistung schulde, die auch ein gewisses Maß an Nachlässigkeit und unsteter Arbeitsweise umfasse, ohne dass damit bereits die Grenze der noch entschuldbaren Fehlleistung überschritten werde. Diese der Arbeitsleistung immanenten Schwankungen sind jedoch nicht bereits bei der Frage des Leistungsmaßstabs, sondern erst im Rahmen der Bestimmung der vom Arbeitnehmer einzuhaltenden Sorgfalt zu berücksichtigen. Verletzt der Arbeitnehmer die rein objektiv zu bestimmende Leistungspflicht, ist zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer diese objektive Vertragsverletzung auch zuzurechnen ist. Das ist solange nicht der Fall, wie sich die Leistungsminderung im Rahmen der üblichen Schwankungsbreite menschlicher Arbeit bewegt. Deutlich wird dies beispielsweise auch in Anbetracht der Formulierung, die Blomeyer verwendet, um im Hinblick auf die Arbeitsqualität den individuellen Leistungsmaßstab, dem die Arbeitsleistung vermeintlich unterliegt zu konkretisieren. Bei ihm heißt es, der Arbeitnehmer müsse „die übertragene Arbeit unter Anspannung der ihm möglichen Fähigkeiten ordnungsgemäß verrichten, d. h. sorgfältig und konzentriert arbeiten.“ 267 Blomeyer greift mit dieser Formulierung in methodisch zweifelhafter Weise auf den Terminus der Sorgfalt zurück, um den Leistungsmaßstab zu konkretisieren. Auch das BAG verwendet in einer Entscheidung aus 262 BGH vom 29.1.1991 – VI ZR 206/90, BGHZ 113, 297, 301 ff.; vom 31.5.1994 – VI ZR 233/93, NJW 1994, 2232, 2233; MüKo-Grundmann, § 276 Rn. 57 ff.; Staudinger-Löwisch, § 276 Rn. 34. 263 Staudinger-Löwisch, § 276 Rn. 34. 264 Soergel (12. Auflage 1990)-Wolf, § 276 Rn. 84. 265 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 191. 266 Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 47. 267 MüHdBArbR (2. Auflage, 2000)-Blomeyer, § 48 Rn. 70 (Hervorhebung durch den Verfasser). Ähnlich Reichold in der Neuauflage: MüHdBArbR-Reichold, § 36 Rn. 42.
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
dem Jahr 1984 zur Bestimmung der geschuldeten Arbeitsleistung dieselbe Formulierung.268 Eine Vermischung von Leistungs- und Sorgfaltsmaßstab ist jedoch auch im Arbeitsvertragsrecht nicht angezeigt. Da der Arbeitnehmer nur dann für Leistungsmängel haftet, wenn er diese nach §§ 280 I 2, 619a, 276 BGB zu vertreten hat, erscheint es methodisch richtig, zwischen der Leistungs- und der Zurechnungsebene strikt zu trennen. Für diesen Ansatz spricht zudem, dass über die übliche Schwankungsbreite menschlicher Arbeit hinaus, bei der Zurechnung einer Schlechtleistung auch individuelle Sorgfaltsdefizite des Arbeitnehmers berücksichtigt werden können, soweit sie für den Arbeitgeber bei Vertragsschluss bereits erkennbar gewesen sind. Auf der Ebene der Zurechnung einer Pflichtverletzung richtet sich das Ausmaß der Sorgfaltsanforderungen vorrangig nach dem Inhalt des jeweiligen Vertrags.269 Das bedeutet für den Arbeitsvertrag, dass der konkrete Arbeitnehmer nur für die Sorgfalt einzustehen hat, die er vertraglich einzuhalten verspricht. Anschaulich verdeutlicht wird dies durch eine Entscheidung des RG aus dem Jahr 1928. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall schickte ein Reeder einen Kapitän mit einem Segelschiff in dem Wissen auf die Reise, dass dieser über keinerlei Erfahrung mit Segelschiffen verfügte. Der Fähigkeitsmangel des Kapitäns war dem Reeder bei der Anstellung bekannt. Das RG verneinte eine Haftung des Kapitäns mit folgender Begründung: „[. . .] Dieser dem Kläger wohlbekannte Befähigungsmangel des Beklagten ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Ursache des Unfalls gewesen. Aus dieser Sachlage konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum folgern, daß der Beklagte dem Kläger nicht für den Schaden hafte. Die vom Berufungsgericht festgestellten Umstände ergeben, daß beim Abschluss des Anstellungsvertrags die dem Kläger bekannte Eigenart des Beklagten berücksichtigt worden ist. Dies weist auf eine stillschweigende Parteivereinbarung hin, wonach bei Bemessung der dem Beklagten im Parteiverhältnis obliegenden Sorgfalt seine Eigenpersönlichkeit wesentliche Bedeutung hat [. . .]. Im Parteiverhältnis ging der Anspruch des Klägers nur auf solche seemännischen Leistungen des Beklagten, welche das dem Kläger bekannte Maß der nautischen Fähigkeiten und Erfahrungen des Beklagten nicht überstiegen. Schadensstiftende Umstände, die außerhalb dieses Rahmens liegen, hat der Beklagte kraft der Besonderheiten des Parteiverhältnisses dem Kläger gegenüber nicht zu vertreten.“
Aus diesem Auszug der Entscheidungsgründe wird deutlich, dass sich der an den Schuldner anzulegende Sorgfaltsmaßstab an dessen individuellen Fähigkeiten orientiert, soweit diese beim Vertragsschluss deutlich zu Tage getreten und damit Inhalt der vertraglichen Vereinbarung geworden sind. Es wird ferner deut268 BAG vom 14.1.1986 – 1 ABR 75/83, AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs (2 c). 269 RG vom 14.1.1928 – I 119/27, RGZ 119, 397 399; OLG Köln vom 4.5.1983 – 16 U 3/82, WM 1983, 1025, 1026; Staudinger-Löwisch, § 276 Rn. 37; Soergel (12. Auflage)-Wolf, § 276 Rn. 87 f.
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lich, dass die Berücksichtigung individueller Eigenarten des Schuldners nicht zwingend zu einer Modifizierung des Leistungsmaßstabs führen muss, schließlich hat das RG nicht die Verletzung von Vertragspflichten abgelehnt – eine solche vielmehr unterstellt –, sondern die Zurechnung des entstandenen Schadens verneint. Im Rahmen dieser vertraglichen Modifikation des Sorgfaltsmaßstabs sind all die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, die nach dem Ansatz Tillmanns’ die objektiv-individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bestimmen. Tillmanns ist darin zuzustimmen, dass sein Erscheinungsbild, sein Alter, seine körperliche Verfassung, die eigene Darstellung seiner Fähigkeiten im Bewerbungsgespräch und im Einzelfall auch die Höhe der verlangten Vergütung bei der Auslegung des Arbeitsvertrags berücksichtigt werden müssen. Das Gleiche gilt für die von Tillmanns als externer Faktor der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers eingeführten Antworten auf Fragen des Arbeitgebers nach bestimmten Eigenschaften und damit dem Vorliegen eines bestimmten Leistungsvermögens.270 Diese von Tillmanns ausgearbeiteten Faktoren beeinflussen jedoch in der Regel nicht den arbeitsvertraglichen Leistungsmaßstab, sondern den Sorgfaltsmaßstab, der über die Frage entscheidet, ob der Arbeitnehmer für eine in objektiver Hinsicht mangelhafte Leistung haftet. Das Vertretenmüssen des Arbeitnehmers entfällt schließlich auch, wenn der Arbeitgeber die betrieblichen Prozesse leistungsmindernd ausgestaltet, sodass ein Erreichen der Durchschnittsleistung oder die Einhaltung berufsspezifischer Leistungsstandards dem Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist. In derartigen Fällen ergibt sich zwar eine Unterschreitung der Leistungspflicht und damit objektiv eine Pflichtverletzung in Form der Schlechtleistung. Eine Haftung des Arbeitnehmers auf Schadensersatz kommt gleichwohl mangels Vertretenmüssens nicht in Betracht. Dies folgt aus der Überlegung, dass der Schuldner im Rahmen der schadensersatzrechtlichen Haftung Leistungsdefizite grundsätzlich nicht zu vertreten hat, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar waren und für deren Eintritt er nach dem Inhalt und Zweck des Vertrags das Risiko nicht übernommen hat. Hiernach ist eine schadensersatzrechtliche Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen ausgeschlossen, soweit sie dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers unterfallen. Da der Arbeitgeber gemäß § 619a BGB die Beweislast dafür trägt, dass der Arbeitnehmer eine von ihm begangene Pflichtverletzung auch zu vertreten hat,271 kann der Arbeitnehmer im Streitfall darlegen, seine Leistungsdefizite seien auf betriebliche Gegebenheiten, die einer vertragsgerechte Leistung entgegenstünden, begründet. Der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer für Schlecht-
270 271
Oben § 7 B. III. 3. b). Dazu unten § 8 C.
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
leistungen in Haftung nehmen will, müsste sodann, um Beweis für ein Verschulden des Arbeitnehmers zu erbringen, auch beweisen, dass die betrieblichen Gegebenheiten eine vertragsgerechte Leistung nicht erschweren. 3. Konsequenzen Wie bereits angeklungen272 sind die praktischen Folgen einer objektiven Leistungsbestimmung weit weniger einschneidend, als auf den ersten Blick zu befürchten. So muss der Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmer wegen einer Schlechtleistung haftbar machen oder kündigen will, zunächst darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Arbeitnehmer berufsspezifische Leistungsstandards und/oder die arbeitsmarktweite Durchschnittsleistung mit seiner Arbeitsleistung unterschritten hat bzw. unterschreitet. Der Arbeitnehmer kann sich von dem tatbestandlichen Vorwurf der Schlechtleistung befreien, wenn es ihm gelingt, einen entsprechenden Vortrag des Arbeitgebers zu widerlegen. Selbst wenn sich der Arbeitnehmer von dem Vorwurf der Schlechtleistung in tatbestandlicher Hinsicht nicht befreien kann, braucht er eine schadensersatzrechtliche Haftung nur zu fürchten, wenn es dem Arbeitgeber gelingt, ihm ein Verschulden nachzuweisen.273 Eine schuldhafte Unterschreitung des objektiven Leistungsmaßstabs ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer sein objektiv individuell zu bestimmendes Sorgfaltsvermögen ausschöpft. Hiernach sind insbesondere solche Leistungsdefizite mangels Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfalt nicht dem Arbeitnehmer als schuldhafte Pflichtverletzung zuzurechnen, die aufgetreten sind, obwohl der Arbeitnehmer die Vorschriften und Erfahrungssätze eingehalten hat, deren Einhaltung von den Angehörigen seiner Berufsgruppe erwartet werden darf. Auch ein Leistungsdefizit, das sich noch innerhalb der für menschliches Tätigwerden typischen Schwankungen bewegt, kann einem Arbeitnehmer nicht als schuldhafte Pflichtverletzung zugerechnet werden. Ferner sind solche Leistungsdefizite dem Arbeitnehmer nicht als schuldhafte Pflichtverletzungen zuzurechnen, mit denen der Arbeitgeber aufgrund von äußeren Faktoren im Rahmen des Abschlusses des Arbeitsvertrags zu rechnen hatte. Schließlich hat der Arbeitnehmer eine tatbestandliche Schlechtleistung nicht zu vertreten, wenn die Unterschreitung der berufsspezifischen Leistungsstandards bzw. der arbeitsmarktweiten Durchschnittsleistung auf betrieblichen Gründen beruht, die in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen. Da der Arbeitgeber aufgrund von § 619a BGB die Beweislast dafür trägt, dass der Arbeitnehmer die ihm vorgeworfenen Schlechtleistung auch zu vertreten hat, muss er ggf. beweisen, dass die Schlechtleistung des Arbeitnehmers nicht auf Umständen beruht, die dem von ihm zu tragenden Betriebsrisiko unterfallen. Ein 272 273
Siehe bereits oben § 7 B. IV. 2. b) bb) und cc). § 619a BGB; dazu unten § 8 C.
C. Ergebnis
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solcher Beweis wird ihm in aller Regel zumindest dann nicht gelingen, wenn sich die Leistung des Arbeitnehmers im Rahmen dessen bewegt, was vergleichbare Arbeitnehmer des konkreten Betriebs leisten. Nach dem hier vertreten Konzept kommt es bei der Frage der Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen im Rahmen des objektiven Leistungs- und objektiv individuellen Sorgfaltsmaßstabs daher sowohl auf die Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer arbeitsmarktweit als auch auf die Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer desselben Betriebs an. Bewegt sich die Leistung des Arbeitnehmers innerhalb der Bandbreite der Leistungen nur einer dieser Vergleichsgruppen, scheidet eine Haftung für Schlechtleistungen im Ergebnis aus. Ähnlich stellt sich das Bild mit Blick auf die verhaltens- oder personenbedingte Kündigung dar. Soweit die tatbestandliche Schlechtleistung darauf beruht, dass das individuelle Leistungsvermögen des Arbeitnehmers oder betriebliche Gründe eine objektiv durchschnittliche Arbeitsleistung nicht zulassen, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung mangels steuerbaren Verhaltens nicht in Betracht. Soweit der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen unterdurchschnittlicher Leistungen personenbedingt kündigen will, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass das Defizit der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers auch bei umfassender Interessenabwägung nicht mehr hingenommen werden kann.
C. Ergebnis Es hat sich gezeigt, dass die Frage nach dem Tatbestand der Schlechterfüllung der Arbeitspflicht nicht losgelöst betrachtet werden darf, von dem im Arbeitsverhältnis vorherrschenden Sorgfaltsmaßstab. Dogmatisch lässt sich eine Berücksichtigung von individuellen Leistungsmerkmalen im Rahmen des Tatbestands der Schlechterfüllung nicht rechtfertigen. Es sprechen vielmehr gute Gründe dafür, den Tatbestand der Schlechterfüllung objektiv zu bestimmen. Individuelle Merkmale, insbesondere die der Individualität menschlicher Arbeit geschuldeten Schwankungen, dürfen erst im Rahmen der Verschuldenszurechnung eine Rolle spielen. Eine Schlechterfüllung der Arbeitspflicht liegt hiernach zunächst dann vor, wenn der Arbeitnehmer bei der Erbringung der Arbeitsleistung berufsspezifische Leistungsstandards nicht einhält. Die maßgeblichen berufsspezifischen Leistungsstandards lassen sich beispielsweise aus den Zeugnissen, die im Rahmen der Einstellung vorgelegt worden sind, der Berufserfahrung des Arbeitnehmers sowie den einschlägigen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, aber auch aus anderen berufsständischen Vorschriften ermitteln. Darüber hinaus liegt eine Schlechtleistung grundsätzlich vor, wenn die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers die objektive Durchschnittsleistung arbeitsmarktweit vergleichbarer Arbeitnehmer unterschreitet.
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§ 7 Abgrenzung von ordnungsgemäßer Leistung
Eine erleichterte Möglichkeit, den Arbeitnehmer für Schlechtleistungen in Haftung zu nehmen bzw. ihn zu kündigen, ergibt sich für den Arbeitgeber aus dem objektiven Leistungsmaßstab freilich nicht. Vielmehr hat der Arbeitgeber, will er seinen Arbeitnehmer schuldrechtlich für eine Schlechtleistung in Haftung nehmen, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er die Schlechtleistung schuldhaft herbeigeführt hat. Eine schuldhafte Unterschreitung des objektiven Leistungsmaßstabs scheidet aus, wenn der Arbeitnehmer sein objektiv individuell zu bestimmendes Sorgfaltsvermögen ausschöpft. Leistungsdefizite sind hiernach mangels Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfalt nicht dem Arbeitnehmer als schuldhafte Pflichtverletzung zuzurechnen, wenn sie aufgetreten sind, obwohl der Arbeitnehmer die Vorschriften und Erfahrungssätze eingehalten hat, deren Einhaltung von den Angehörigen seiner Berufsgruppe erwartet werden darf. Auch ein Leistungsdefizit, das sich noch innerhalb der für menschliches Tätigwerden typischen Schwankungen bewegt, kann einem Arbeitnehmer nicht als schuldhafte Pflichtverletzung zugerechnet werden. Ferner sind solche Leistungsdefizite dem Arbeitnehmer nicht als schuldhafte Pflichtverletzungen zuzurechnen, mit denen der Arbeitgeber aufgrund von äußeren Faktoren im Rahmen des Abschlusses des Arbeitsvertrags zu rechnen hatte. Das Vertretenmüssen des Arbeitnehmers entfällt schließlich auch, soweit das Leistungsdefizit auf Gründen beruht, die dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers unterfallen. Der Arbeitgeber muss gegebenenfalls beweisen, dass die betrieblichen Gegebenheiten eine vertragsgerechte Leistung nicht erschweren. Dies wird ihm zumindest dann nicht gelingen, wenn sich die Leistung des Arbeitnehmers im Rahmen dessen bewegt, was vergleichbare Arbeitnehmer des konkreten Betriebs leisten. Hiernach kommt es bei der Frage der Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen im Rahmen der objektiven Leistungs- und Sorgfaltsmaßstäbe sowohl auf die Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer arbeitsmarktweit als auch auf die Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer desselben Betriebs an. Bewegt sich die Leistung des Arbeitnehmers innerhalb der Bandbreite der Leistungen nur einer dieser Vergleichsgruppen, scheidet eine Haftung für Schlechtleistungen im Ergebnis aus. Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund der Schlechtleistung kündigen, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Arbeitnehmer die objektive Durchschnittsleistung aufgrund eines steuerbaren Verhaltens unterschritten hat, was voraussetzt, dass sein individuelles Leistungsvermögen eine der objektiven Durchschnittsleistung entsprechende Arbeitsleistung überhaupt zulässt. Eine personenbedingte Kündigung scheidet schließlich aus, wenn die Unterschreitung der objektiven Durchschnittsleistung auch mit Blick auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber bei umfassender Abwägung der Interessen noch hinzunehmen ist.
§ 8 Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung Die Untersuchung hat bis hierher ergeben, dass der Arbeitnehmer bei einer schuldhaften Schlechtleistung für den in der Unterschreitung des objektiven Leistungsmaßstabs liegenden Minderwert der Arbeitsleistung haftet.
A. Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 BGB oder Aufwendungsersatz nach § 284 BGB I. Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 BGB 1. Anspruchsvoraussetzungen Dem Arbeitgeber entsteht im Fall einer schuldhaften Schlechterfüllung der Arbeit ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 BGB, da die Arbeitsleistung, soweit sie schlecht erbracht worden ist, wegen ihres zumindest für den Regelfall anzuerkennenden Fixschuldcharakters nicht nachgeholt werden kann. Auch soweit eine Nacherfüllung objektiv möglich ist, ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, auf eigene Kosten nachzuleisten, da eine Nacherfüllungspflicht im Ergebnis auf eine im Arbeitsverhältnis abbedungene verschuldensunabhängige Haftung hinauslaufen würde. Die für den Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers maßgebliche Pflichtverletzung liegt im Tatbestand der Schlechterfüllung, wie er sich nach den hier ausgearbeiteten Grundsätzen darstellt.1 Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Bei der Bestimmung der für das Vertretenmüssen erforderlichen Sorgfaltspflichtverletzung ist, wie im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bereits deutlich geworden ist,2 die Individualisierung des Sorgfaltsmaßstabs zu berücksichtigen, die sich zum einen aus der verkehrskreistypischen Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen und zum anderen aus der dem Arbeitsvertrag im Wege der Auslegung zu entnehmenden individuellen Modifizierung der Sorgfaltsanforderungen ergibt. Es ist offensichtlich, dass im Ergebnis nur ein kleiner Bereich von Minderleistungen zu einer Haftung des Arbeitnehmers führt. Es müssen dem Arbeitneh1 2
Oben § 7 A. und B. V. Oben § 7.
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§ 8 Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung
mer zunächst überhaupt durchschnittliche Leistungen gemäß den Weisungen des Arbeitgebers abverlangt werden. Hiervon ist beispielsweise dann nicht auszugehen, wenn der Arbeitgeber ein Fließband am Arbeitstempo des schwächsten Arbeitnehmers ausrichtet und so auch von den anderen Arbeitnehmern keine der Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer entsprechende Arbeitsleistung abverlangt. Für den Fall der Unterschreitung des geschuldeten Leistungsniveaus haftet der Arbeitnehmer schließlich nur, wenn er die tatbestandliche Schlechterfüllung auch zu vertreten hat. Letzteres ist nur der Fall, wenn der Arbeitnehmer weniger sorgfältig gearbeitet hat, als es von vergleichbaren Arbeitnehmern nach der Verkehrsanschauung verlangt und von dem konkreten Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertrags erwartet werden durfte. Sorgfaltsschwankungen sind hier bis zu einem gewissen Grad zu tolerieren.3 2. Rechtsfolgen a) Schadensersatz in Form der Nacharbeit oder Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung? Als Schadensersatz kann dabei nicht die ordnungsgemäße Nachleistung der Dienste verlangt werden, denn der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ist grundsätzlich auf einen Ersatz in Geld und nicht auf Naturalrestitution gerichtet.4 Schadensersatz statt der Leistung kann der Schuldner entweder nach §§ 283, 275 BGB verlangen, wobei die Leistungspflicht dann aufgrund von § 275 BGB entfallen ist, oder nach § 281 BGB, wobei dann § 281 Abs. 4 BGB die ursprüngliche Leistungsverpflichtung entfallen lässt. Dementsprechend ordnet § 251 Abs. 1 BGB an, dass der Gläubiger in Geld zu entschädigen ist, wenn die Herstellung in natura nicht möglich ist. Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung dient gerade nicht dazu, den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht zu erhalten.5 Soweit im Arbeitsvertragsrecht eine Pflicht zur Naturalrestitution im Wege der Nacharbeit diskutiert wird,6 wird dem zu Recht entgegengehalten, dass die Frage der Nacherfüllung im Arbeitsverhältnis zunächst auf der Primärebene zu lösen ist. Über den Fortbestand des Erfüllungsanspruchs entscheiden §§ 275, 281 Abs. 4 BGB. Ein Nacherfüllungsanspruch kann sich zugunsten des Arbeitgebers nur insoweit ergeben, als die Arbeitsleistung nicht als Fixschuld anzusehen ist.7 3
Oben § 7 B. V. 2. Bamberger/Roth-Unberath, § 281 Rn. 36; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 207; ebenso bereits Beuthien, RdA 1972, 20, 23. 5 Zur früheren Rechtslage Huber, Leistungsstörungen Band II, § 55 IV (S. 696 f.). 6 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 249 ff.; 252 ff.; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 226 ff.; Söllner, AcP 167 (1967), 132, 139. 7 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 378 ff. 4
A. Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 BGB
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Als zu ersetzenden Schaden kann der Arbeitgeber vielmehr nur das Arbeitsentgelt geltend machen, das er an sich dem betroffenen Arbeitnehmer zahlen muss, wenn er zur Behebung der Folgen der Minderleistung berechtigterweise Überstunden anordnet.8 Ferner kann er einen Schaden geltend machen, wenn er Dritte mit der Schadensbehebung beauftragt9 oder selbst überobligatorische Anstrengungen erbringt.10 Regelmäßig wird der Fall jedoch so liegen, dass dem Arbeitgeber keine derartigen Folgeschäden entstanden sind. Nach der hier vertretener Auffassung ist es dem Arbeitgeber dann möglich, auch den Minderwert der Arbeitsleistung als Schaden geltend zu machen, da es sich mit Blick auf den Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses bei der Arbeitsleistung sehr wohl um einen schadensrechtlich zu berücksichtigenden Vermögenswert handelt.11 b) Berechnung des Minderwerts der Arbeitsleistung Schwierigkeiten bereitet die Berechnung des vom Arbeitnehmer im Falle der Schlechterfüllung zu ersetzenden Schadens. Wegen des Dauerschuldcharakters der Arbeitsleistung kann eine Schlechtleistung im Arbeitsverhältnis nur innerhalb eines Zeitraums und nicht wie bei Sachleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen.12 Der Wert der Arbeitsleistung ist regelmäßig nur für einen bestimmten Zeitraum geringer als vertraglich geschuldet. Die auf eine gewisse Dauer begrenzte Schlechterfüllung berührt die davor und danach erbrachte Arbeitsleistung im Normalfall nicht.13 Der Minderwert schlecht geleisteter Arbeit kann daher nur bestimmt werden, wenn der Zeitraum der Schlechterfüllung bestimmt werden kann. Darüber hinaus ist für den Zeitraum der Schlechterfüllung das Wertverhältnis von Ist- und Soll-Leistung zu ermitteln. Sowohl bei der Bestimmung des Zeitraums der Schlechterfüllung als auch bei der Bestimmung des wertmäßigen Abweichens der Ist- von der Soll-Leistung für diesen Zeitraum ist darauf zu achten, dass Anknüpfungspunkt für die Bemessung des Minderwerts der Arbeitsleistung grundsätzlich nur die Tätigkeit und nicht der erstrebte bzw. erzielte Erfolg sein darf. Der Arbeitserfolg kann allenfalls als Indiz für die Bestimmung des Werts der Tätigkeit herangezogen werden.14 8
HWK-Krause, § 619a BGB Rn. 8. Vgl. BAG vom 24.4.1970 – 3 AZR 324/69, AP Nr. 5 zu § 60 HGB (II 4); BAG vom 6.6.1972 – 1 AZR 438/71, AP Nr. 71 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (1 a). 10 Vgl. BAG vom 24.8.1967 – 5 AZR 59/67, NJW 1968, 221, 222. 11 Oben § 6 B. 12 Siehe zur Teilbarkeit der Arbeitsleistung nach Zeiteinheiten bereits oben § 5 C. IV. 13 Zu denkbaren Ausnahmen sogleich. 14 Im Hinblick auf das hier abgelehnte Minderungsrecht des Arbeitgebers Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 164. 9
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§ 8 Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung
aa) Zeitliche Eingrenzung der Schlechtleistung als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des zu ersetzenden Minderwerts der Arbeitsleistung Große Probleme ergeben sich bei der zeitlichen Eingrenzung der Schlechtleistung zur Bestimmung des Minderwerts der Arbeitsleistung, wenn die Zeitdauer der Fehlleistung minimal ist, die Konsequenz der Fehlleistung jedoch ungleich gravierender. Motzer15 nennt in diesem Zusammenhang beispielhaft den Dreher, dem auf Grund einer kurzen Unaufmerksamkeit ein nach stundenlanger Arbeit beinahe fertig gestelltes Werkstück misslingt. Zu Recht weist Motzer16 darauf hin, dass der Arbeitnehmer bei einer Pflichtverletzung, die sich auf den einen Augenblick beschränkt, die den Arbeitserfolg zunichtemacht, unter Umständen in so großem zeitlichen Umfang ordnungsgemäß arbeitet, dass der Minderwert der Arbeit schon in zeitlicher Hinsicht zu vernachlässigen ist. Ein nach §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 BGB zu ersetzender tatsächlicher Minderwert der Arbeitsleistung ergibt sich nur, wenn sich die Schlechterfüllung über einen im Verhältnis zur Gesamtarbeitsdauer relevanten Zeitraum erstreckt. Probleme kann der Nachweis eines schlechtleistungsbedingten Minderwerts der Arbeit auch dann bereiten, wenn die Qualität der Arbeit Schwankungen unterworfen ist. Dort wo sich ein zeitweises Absinken der Arbeitsqualität nicht anhand besonderer Kontrollinstrumente nachweisen lässt, ist nicht ohne weiteres der Rückgriff auf das möglicherweise minderwertige Arbeitsergebnis zulässig. Denn das Arbeitsergebnis ist nicht Teil des arbeitsvertraglichen Pflichtenprogramms. Außerdem zeigt schon das soeben diskutierte Beispiel des Drehers, dass selbst ein vollständig unbrauchbares Ergebnis keinen Rückschluss auf eine zeitlich relevante Minderung der Arbeitsqualität bietet. Ein minderwertiges Arbeitsergebnis kann deshalb allenfalls als Indiz für die Bestimmung des Minderwerts der Arbeitsleistung herangezogen werden.17 Wenig überzeugend ist in diesem Zusammenhang ein Vorschlag Motzers, der um die zeitliche Eingrenzung der Schlechterfüllung zur Bestimmung des Minderwerts der Arbeitsleistung zu erleichtern, Zeitabschnitte bilden möchte, innerhalb derer das Verhalten des Arbeitnehmers einheitlich betrachtet und in Gänze als pflichtgemäß oder als pflichtwidrig behandelt wird.18 In Anknüpfung an die im Hinblick auf das Arbeitsprodukt einheitliche Betrachtung der aufgewendeten Arbeitszeit beim Akkord glaubt Motzer auch im Zeitlohn aus einer „innerlich unmittelbar zusammengehörigen Arbeitshandlung im Hinblick auf ein und dasselbe Zwischenziel“ einheitlich zu bewertende Arbeits- und Zeiteinheiten bilden zu können. Nach der Auffassung Motzers ist der Wert der Arbeitsleistung eines 15 16 17 18
Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 166. Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 166. Beuthien, ZfA 1972, 73, 78. Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 167.
A. Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 BGB
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Bankangestellten etwa für den gesamten Vorgang der Abfertigung eines Kunden gemindert, wenn er von den zusammenhängenden Einzelhandlungen (Überprüfung des Kontostands, Auszahlung des abgehobenen Geldbetrags, Aufnahme des Vorgangs in die EDV, Auskunftserteilung über die Höhe der Zinsen) nur eine Handlung, gleich welche, nicht ordnungsgemäß ausführt.19 Das Gleiche müsse – so Motzer – gelten, wenn ein Arbeitnehmer einen Arbeitsauftrag entgegennehme und anschließend ausführe. Streiche ein Malergeselle eine Wand in der falschen Farbe, weil er bei der Auftragserteilung durch den Meister nicht richtig zugehört habe, sei der Wert der Arbeit für den gesamten Arbeitskomplex Auftragsentgegennahme und Auftragsausführung gemindert.20 Bei Auftragsannahme und Auftragsausführung handelt es sich jedoch regelmäßig um klar voneinander trennbare Arbeitsschritte. Bei einer zeitlichen Zusammenführung eigenständiger Tätigkeitskomplexe droht eine zu weitgehende Haftung des Arbeitnehmers. Fraglich ist insbesondere, ob auch bei einer Minderleistung innerhalb eines zeitlich nachgelagerten Teils eines vermeintlich einheitlichen Tätigkeitskomplexes der Wert der gesamten Arbeitsleistung gemindert ist.21 Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Minderwerts der Arbeitsleistung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zeit das Maß der Arbeitsleistung und der Vergütung darstellt, so dass der Minderwert der Arbeitsleistung auf den Zeitraum der tatsächlichen Schlechterfüllung zu beschränken ist. Die grundsätzliche zeitliche Teilbarkeit der Arbeitsleistung ist auch dort zu beachten, wo der Arbeitnehmer ein in Gänze für den Arbeitgeber nicht zu gebrauchendes Arbeitsprodukt hervorbringt. Soweit sich die Arbeitsleistung nach den hier für die Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung im Arbeitsverhältnis erarbeiteten Grundsätzen für den maßgeblichen Zeitabschnitt nicht als Nichterfüllung, sondern als Schlechterfüllung darstellt, muss der Arbeitgeber den Minderwert der Arbeitsleistung für einzelne Zeitabschnitte nachweisen. bb) Bestimmung des Arbeitsminderwerts Ist die Schlechterfüllung in zeitlicher Hinsicht isoliert, ist in einem zweiten Schritt für die Zeit der Schlechterfüllung zu bestimmen, wie weit der Wert der Arbeit in Folge der Schlechterfüllung herabgesetzt ist. Besteht der Qualitätsmangel in einem Zurückbleiben der Intensität der Arbeitsleistung hinter dem geschuldeten Soll, ist, zumindest soweit entsprechende Kontrollmittel vorhanden sind, eine Quantifizierung des Minderwerts der Arbeitsleistung ohne weiteres möglich. Arbeitet ein Arbeitnehmer um ein Drittel langsamer als geschuldet, ist auch der 19
Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 168. Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 169. 21 Auch Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 169 verneint dies. 20
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§ 8 Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung
Wert seiner Arbeit um annähernd ein Drittel gemindert. Zugunsten des Arbeitnehmers ist zu berücksichtigen, dass er seiner Anwesenheits- und Gehorsamspflicht zumindest grundsätzlich genügt, so dass die Minderung der Arbeitsintensität nicht unmittelbar zu einer entsprechenden Herabsetzung des Werts der Arbeitsleistung um ein Drittel führt. In welchem Maße die Anwesenheit und das grundsätzliche Befolgen der Weisungen durch den Arbeitnehmer zu seinen Gunsten bei der Ermittlung des Werts der Arbeitsleistung zu berücksichtigen ist, ist dabei vom Einzelfall abhängig. So ist der Wert der bloßen Anwesenheit bei einer Bibliotheksaufsicht höher einzuschätzen als beispielsweise bei dem hier schon mehrfach bemühten Malergesellen. Geht es bei der Schlechterfüllung jedoch um eine Qualitätsminderung im engeren Sinne, ist also nicht oder nicht ausschließlich die Intensität bzw. das Tempo der Arbeit, sondern deren Güte betroffen, stellt sich die Ermittlung des Minderwerts der Arbeitsleistung erheblich schwieriger dar. Ein Marktwert für Schlechtarbeit, der sich mit dem Marktwert der vertraglich geschuldeten Arbeit vergleichen ließe, existiert nicht.22 Die Bemessung des Werts der Arbeit anhand des Werts des Arbeitsprodukts vorzunehmen ist mit Rücksicht auf die Abgrenzung von Werk- und Dienstvertrag unzulässig. Nach der Auffassung Motzers23 lässt sich der Minderwert der Arbeitsleistung zumindest dann bestimmen, wenn die Arbeitsleistung infolge von Qualitätsdefiziten nicht mehr der geschuldeten Arbeit entspricht, sondern nur noch die „Qualitätsanforderungen einer ähnlichen, aber geringer einzuschätzenden Arbeit“ erfüllt. So soll nach dem Dafürhalten Motzers die Arbeit einer Chefsekretärin, die so übermüdet zur Arbeit erscheint, dass sie nicht mehr in der Lage ist, Diktate aufzunehmen, sondern nur noch Adressen übertragen kann, nur noch den Wert der Arbeit einer Hilfskraft haben, die grundsätzlich mit dem Übertragen von Adressen beschäftigt ist. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Vor dem Hintergrund der hier vertretenen Grundsätze zur Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung24 ist jedoch zu bedenken, dass sobald die Art der tatsächlich erbrachten Tätigkeit nicht mehr der Art der geschuldeten Tätigkeit entspricht, nicht mehr der Tatbestand der Schlechterfüllung, sondern der Tatbestand der Nichterfüllung mit der Folge erfüllt ist, dass der Arbeitgeber nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich zur Minderung der Vergütung berechtigt ist. Abseits der Fälle einer Herabsetzung der Qualität der Arbeitsleistung auf das Niveau einer ähnlichen, geringer wertigen Tätigkeit ist die Bestimmung des 22 Beuthien, ZfA 1972, 73, 78; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 171; Rabe, Lohnminderung bei Schlecht- und Minderleistung des Arbeitnehmers?, S. 30. 23 Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 172. 24 Oben § 5 D.
A. Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 BGB
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Minderwerts der Arbeitsleistung bei einer minderen Güte der Arbeitsleistung nur annäherungsweise möglich. Die Festlegung der Schadenshöhe muss im Einzelfall durch den Richter nach § 287 ZPO erfolgen.
II. Aufwendungsersatz nach § 284 BGB Alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung kann der Arbeitgeber nach § 284 BGB unter den gleichen Voraussetzungen vergebliche Aufwendungen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und machen durfte, ersetzt verlangen, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden. Dass dies die Stellung des Arbeitgebers bei einer leistungsstörungsrechtlichen Haftung des Arbeitnehmers begünstigt, ist für den Bereich des rechtswidrigen Streiks bereits von Löwisch aufgezeigt worden.25 Freilich begründet § 284 BGB keine Ersatzpflicht hinsichtlich des für den Zeitraum der schuldhaften Schlechtleistung erbrachten Entgelts, da die Gegenleistung nicht dem Anwendungsbereich des § 284 BGB, sondern dem Rücktrittsrecht26 und dem Schadensersatz statt der Leistung unterfällt. § 284 BGB ist insoweit keine Norm, die das Prinzip des konditionellen Synallagmas zum Ausdruck bringt. Darüber hinaus ist aber eine Haftung des Arbeitnehmers für frustrierte Aufwendungen des Arbeitgebers nach § 284 BGB insoweit denkbar, als beispielsweise durch die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes oder die Bezahlung von Zuarbeiten Kosten entstehen, die infolge einer Schlechtleistung eines Arbeitnehmers ins Leere gehen. Insoweit droht dem Arbeitnehmer ein sehr weitgehendes Haftungsrisiko, da der Arbeitnehmer nach § 284 etwa für Betriebsausfallzeiten haften könnte, die auf einer verschuldeten Schlechtleistung beruhen. Diesem Haftungsrisiko ist in zweifacher Hinsicht zu begegnen. Zum einen sind auch auf einen Haftung nach § 284 BGB die Grundsätze der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer anzuwenden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass § 284 BGB den Schuldner nur zum Ersatz solcher Aufwendungen verpflichtet, die der Gläubiger billigerweise machen durfte. In dieser Einschränkung wird ein Tatbestandsmerkmal gesehen, dass eine Berücksichtigung solcher Umständen, zulässt, die dem Verantwortungsbereich des Gläubigers entstammen.27 Die hierdurch vermittelte Billigkeitsprüfung verlangt über eine Berücksichtigung der Verursachungsbeiträge hinaus auch eine generelle Berücksichtigung der Interessen des Schuldners.28 Eine Haftung des Schuldners muss hiernach ausgeschlos25
Löwisch, FS für Herbert Wiedemann, 2002, S. 311, 329 f. Bamberger/Roth-Unberath, § 284 Rn. 22. 27 Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 218; Staudinger-Otto, § 284 Rn. 31. 28 Staudinger-Otto, § 284 Rn. 31. 26
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§ 8 Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung
sen sein, wenn es an einem zurechenbaren Bezug zu der von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung und damit zu der von ihm zu erbringenden Leistung fehlt.29 An einem entsprechenden Zurechnungszusammenhang soll es insbesondere bei solchen Aufwendungen fehlen, die „inadäquat kausal“ sind oder „außerhalb des Schutzzwecks“ liegen.30 Insoweit soll bei der Anwendung von § 284 BGB auf die Schlechtleistung des Arbeitnehmers stets zu berücksichtigen sein, dass „dem Arbeitsprozess in Bezug auf die über das konkrete Arbeitsverhältnis hinausgehenden Aufwendungen charakteristischerweise stets ein Frustrierungsrisiko inne[wohnt], von dem der Arbeitnehmer grundsätzlich abzuschirmen“ sei.31 Hieraus wird der Schluss gezogen, dass § 284 BGB nur insoweit nach einer Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen verlangt, als der Arbeitgeber Aufwendungen getätigt hat, die sich unmittelbar auf die schlecht erbrachte Arbeit beziehen.32 Von solchen Aufwendungen ist beispielsweise dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber Arbeitsmaterial für einen speziellen Arbeitsauftrag anschafft, welches der Arbeitnehmer im Zuge einer Schlechtleistung verbraucht.33
B. Haftungserleichterung für Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit Im Zusammenhang mit den soeben dargestellten Ansprüchen des Arbeitgebers bleibt ferner zu klären, ob auf diese Ansprüche die Grundsätze der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit anzuwenden sind. Es wurde bereits aufgezeigt, dass auch unter der Geltung des alten Schuldrechts namentlich von Beuthien ein verschuldensabhängiges Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers gefordert worden ist.34 Beuthien hält es dabei aus Gründen des Lohnschutzes für notwendig, dieses „schadensersatzrechtliche“ Lohnminderungsrecht des Arbeitgebers zu begrenzen. Dabei geht ihm jedoch die in diesem Zusammenhang naheliegende uneingeschränkte Anwendung der damals noch nur für schadensgeneigte Arbeiten geltenden Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung zu weit. Mit der Begründung, jede Arbeit berge die Gefahr nicht ordnungsgemäß erbracht zu werden, versucht Beuthien klarzustellen, dass das Kriterium der Schadensgeneigtheit bei der Modifikation der Haftung des Arbeitneh29
Staudinger-Otto, § 284 Rn. 31. Staudinger-Otto, § 284 Rn. 31. 31 Staudinger-Otto, § 284 Rn. 31 unter Verweis auf rechtspolitische Überlegungen Löwischs in FS für Herbert Wiedemann, 2002, S. 311, 330. 32 Staudinger-Otto, § 284 Rn. 34. 33 Der Bereich des arbeitsvertraglichen Synallagmas ist insoweit freilich nicht mehr betroffen. 34 Oben § 3 C. II. 1. e). 30
B. Haftungserleichterung für Arbeitnehmer
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mers für Schlechtleistung keine entscheidende Rolle spielen könne.35 Auf der anderen Seite hält er eine Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen jedoch für geboten, da der Arbeitnehmer in die vom Arbeitgeber arbeitsteilig gestaltete Arbeitsorganisation eingebunden sei und überdies den Arbeitgeber, der die begrenzten und überschaubaren Folgen minderwertiger Arbeit über die Preisgestaltung auf den Kunden abwälzen könne, weniger hart träfen als den Arbeitnehmer, der wirtschaftlich von seinem Arbeitslohn abhänge.36 Beuthien fordert aus diesem Grund, „danach zu unterscheiden, ob die betreffende Arbeitsfehlleistung arbeitstypisch“ sei „oder nicht“ und den Arbeitnehmer nur bei arbeitsatypischen Fehlleistungen für jedes Verschulden und bei arbeitstypischen Fehlleistungen nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit voll haften zu lassen.37 Auf eine Darstellung der historischen Hintergründe der Haftungsprivilegierungen und ihre dogmatische Umsetzung soll an dieser Stelle verzichtet werden.38 Die Beschränkung der Innenhaftung des Arbeitnehmers wird heute im Prinzip nicht mehr bestritten.39 Für die hier interessierende Frage, ob die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers auch auf Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche des Arbeitgebers anzuwenden ist, die entsprechend dem hier vertretenen Ansatz auf den Ersatz des auf einer Schlechterfüllung beruhenden Minderwerts der Arbeitsleistung bzw. auf den Ersatz der frustriert aufgewendeten Vergütung gerichtet sind, kommt es allein darauf an, ob die sachliche Begründung der Haftungsprivilegierung eine Anwendung auf den hier vertretenen Schadensersatz- bzw. Aufwendungsersatzanspruch zu rechtfertigen vermag.
I. Betriebsrisiko des Arbeitgebers als verschuldensunabhängiger Zurechnungsfaktor Im Zentrum der Begründung der Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer stehen in der Rechtsprechung des BAG40 seit längerem Überlegungen zur Tragung des Betriebsrisikos. Dabei verwendet das BAG den Begriff des Betriebsrisikos als Abgrenzungsmerkmal für die Verteilung des Haftungsrisikos und nicht in seiner 35
Beuthien, ZfA 1972, 73, 77. Beuthien, ZfA 1972, 73, 77. 37 Beuthien, ZfA 1972, 73, 78. 38 Siehe hierzu MüHdBArbR-Reichold, § 51 Rn. 20 ff.; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 12 ff. und 71 ff. 39 Siehe zur Frage der gewohnheitsrechtlichen Verfestigung der Haftungserleichterung Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 63 f. 40 BAG vom 28.4.1970 – 1 AZR 146/69, AP Nr. 55 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; vom 7.7.1970 – 1 AZR 505/69, AP Nr. 58 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (3 a); vom 3.11.1970 – 1 AZR 228/70, AP Nr. 61 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (II 1 2 a cc). 36
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§ 8 Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung
ursprünglichen Bedeutung als Lohnzahlungsrisiko des Arbeitgebers bei zufälliger Unmöglichkeit der Dienstleistung.41 Das BAG begründet die Haftungserleichterung insbesondere damit, dass der Arbeitgeber den Betrieb organisiert und die Arbeitsbedingungen ausgestaltet. Dadurch dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer in die von ihm geschaffene und gesteuerte betriebliche Organisation eingliedert,42 verursache und beeinflusse der Arbeitgeber Schadensrisiken, welchen die Arbeitnehmer nicht ausweichen könnten. Derartige Schadensrisiken müsse sich der Arbeitgeber als haftungsmindernde Faktoren zurechnen lassen.43 Diese Anknüpfung an die Grundsätze der Betriebsrisikolehre fußt im Grundsatz auf der Überlegung, dass dem Arbeitnehmer anders als etwa dem Werkunternehmer regelmäßig der Freiraum für eine autonome Gefahrsteuerung fehlt, welche aber eine ungeschriebene Prämisse der zivilrechtlichen Verschuldenshaftung ist.44
II. Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung Betriebsrisikogesichtspunkte rechtfertigen eine Schadenszurechnung zu Lasten des Arbeitgebers jedoch nur soweit, als dieser durch die Organisation von Betriebsabläufen erhöhte Risiken schafft, die sich bei einem schuldhaften Fehlverhalten des Arbeitnehmers niederschlagen. Als weiteres Zurechnungskriterium kommt bei der Haftungserleichterung bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten die Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung zum Tragen. Indem der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in seinen betrieblichen Leistungsprozess integriert und hieraus Vorteile zieht, macht er sich die Arbeitsleistung wirtschaftlich zu Nutze. Es wird aus diesem Grund als gerechtfertigt erachtet, den Arbeitgeber auch das mit dem menschlichen Arbeitskraft verbundene Risiko des Versagens tragen zu lassen.45
III. Sozialschutz des Arbeitnehmers Auch auf Sozialschutzgesichtspunkte wird abgestellt, wenn es darum geht, die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers zu rechtfertigen. So wird vertreten, das Missverhältnis zwischen Entlohnung und Haftungsrisiko und die drohende Existenzgefährdung des Arbeitnehmers bei einer schrankenlosen Haftung erfor41 BAG GS vom 27.9.1994 – GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (II 2). 42 Siehe zur Eingliederung in den Betrieb bereits oben § 5 D. III. 2. 43 BAG GS vom 12.6.1992 – GS 1/89, NZA 1993, 547, 548; vom 27.9.1994 – GS 1/ 89 (A), NZA 1994, 1083, 1085. 44 Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 38. 45 Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 37.
B. Haftungserleichterung für Arbeitnehmer
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dere eine Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung.46 In der Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang seit jeher die im Vergleich zum Schadensrisiko geringe Vergütung des Arbeitnehmers betont worden.47 Zurückzuführen ist die Argumentation anhand der sozialen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers in erster Linie darauf, dass er grundsätzlich nicht in der Lage ist, ein Entgelt durchzusetzen, das es ihm ermöglicht, eine hinreichende Schadensdeckung zu gewährleisten.48 Das Arbeitsentgelt bildet zwar ein wirtschaftliches Äquivalent für die Arbeitsleistung, nicht jedoch für das in der Arbeitsleistung liegende Tätigkeitsrisiko.49
IV. Interessenlage bei der Haftung für den Minderwert der Arbeitsleistung Die hier aufgezeigten Grundlagen der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer greifen auch, soweit es um die hier behandelten Fälle der Haftung des Arbeitnehmers für den Minderwert der Arbeitsleistung geht. Zwar sind die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung für Schäden entwickelt worden, die in den Bereich des Integritätsinteresses des Arbeitgebers fallen. Soweit es um den Ersatz des in der Schlechterfüllung liegenden Minderwerts der Arbeitsleistung geht, ist demgegenüber das Äquivalenzinteresse des Arbeitgebers betroffen.50 Dennoch passen die Überlegungen, auf denen die Haftungserleichterung fußt, auch und gerade soweit es dem Arbeitgeber um den Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung in Fällen der Schlechtleistung geht. Es obliegt grundsätzlich dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmer entsprechend seinen Fähigkeiten einzusetzen.51 Diese Obliegenheit des Arbeitgebers ist typischer Bestandteil seines Betriebsrisikos. Es ist dem Arbeitgeber gerade in der heutigen hoch technisierten Arbeitswelt möglich, Kontrollmaßnahmen einzurichten, um Minderleistungen entgegenzuwirken. Es ist der Arbeitgeber, der den Arbeitsprozess eigenverantwortlich bestimmt und die Betriebsorganisation nach seinen Bedürfnissen gestaltet und so auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers einwirkt. Den vorgegebenen Arbeitsbedingungen kann der Arbeitnehmer nicht ausweichen. Insbesondere ist er in zeitlicher und örtlicher Hinsicht an die Vorgaben des Arbeitgebers gebunden. So ist es ihm beispielsweise regelmäßig nicht möglich, Arbeiten zu einer anderen als der vorgegebenen Arbeitszeit auszuführen, mit der Folge, dass er – anders als etwa der Werkunternehmer oder in bestimmten Fällen auch 46
Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 42. Siehe bereits RAG vom 12.6.1937 – RAG 297/36, ARS 30, 1, 7. 48 Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 43. 49 Richardi, NZA 1994, 241, 242; Zeuner, RdA 1975, 84, 87. 50 Aus diesem Grund lehnt Richardi, NZA 2002, 1004, 1011 die Anwendung der Haftungserleichterung auf die Schlechterfüllung ab. 51 Siehe BAG vom 18.1.1972 – 1 AZR 125/71, DB 1972, 780 f. 47
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§ 8 Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung
der freie Dienstnehmer – auf Leistungs- und Sorgfaltsschwankungen nicht mit einem Aufschieben der zu erledigenden Arbeiten reagieren kann. Die fremdgeplante und fremdbestimmte Arbeitsorganisation prägt in entscheidender Weise das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers. Gerade dieser Zusammenhang ist es, auf den das BAG maßgeblich zur Begründung der Haftungsprivilegierung abstellt.52 Es ist daher durchaus zu befürworten, die Grundsätze der Haftungserleichterung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit auch auf die reine Schlechterfüllung der Arbeitspflicht anzuwenden.53
V. Zwischenergebnis Die Grundsätze der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit sind auf die verschuldensabhängige Haftung des Arbeitnehmers bei der Schlechtleistung hiernach auch insoweit anzuwenden, als es um das Äquivalenzinteresse des Arbeitgebers und nicht um außerhalb des Synallagmas stehende Folgeschäden geht. Macht der Arbeitgeber daher einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB auf Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung geltend, hat der Arbeitnehmer den gesamten Minderwert der Arbeitsleistung nur zu ersetzen, wenn er grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Dabei ist zu beachten, dass eine vorsätzliche Schlechtleistung nach den hier vertretenen Grundsätzen für die Abgrenzung von Schlecht- und Nichtleistung im Arbeitsverhältnis in aller Regel eine Nichtleistung darstellen wird.54 Bei leichtester Fahrlässigkeit entfällt demgegenüber jede Haftung. Bei normaler Fahrlässigkeit kommt es schließlich zu einer Quotelung des Schadens, wobei nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer, soweit es nur um den Ersatz des Äquivalenzinteresses geht, nicht mit in ihrer Höhe kaum vorhersehbaren Folgeschäden konfrontiert wird, sondern mit Schadensposten, die sich in einem Rahmen bewegen, den er in der Regel zu bewältigen im Stande ist.
C. Beweislastverteilung, § 619a BGB Gemäß § 619a BGB hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber abweichend von § 280 Abs. 1 BGB Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. § 619a BGB verhindert damit, dass die der Gesetzessystematik des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB geschuldete Beweislastumkehr, nach welcher der Schuldner beweisen muss, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, um einer Haftung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zu entgehen, für den 52 Siehe BAG GS vom 27.9.1994 – GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (II 2). 53 So bereits Krause, NZA 2003, 577, 582. 54 Oben § 5 D. IV. 4. b).
D. Aufrechnung und Pfändungsschutz
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Bereich der Arbeitnehmerhaftung nicht durchgreifen zu lassen.55 Der Arbeitnehmer haftet demgemäß für Pflichtverletzungen nur, wenn er diese auch zu vertreten hat, wobei es dem Arbeitgeber obliegt, neben der Pflichtverletzung auch das Vertretenmüssen des Arbeitnehmers zu beweisen. Normzweck des § 619a BGB ist dabei, dem Arbeitnehmer die Vorteile der Grundsätze der Haftungserleichterung zu erhalten, welche weitgehend wertlos wären, müsste sich der Arbeitnehmer, um einer Haftung zu entgehen beim Vorliegen einer Pflichtverletzung, wie in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehen, exkulpieren. Folge dieses Normzwecks ist, dass der Anwendungsbereich des § 619a BGB auf die Fälle teleologisch reduziert wird, in denen der Arbeitnehmer aufgrund einer betrieblich veranlassten Tätigkeit in den Genuss der Haftungsprivilegierung gelangt. Dass der Arbeitnehmer in Fällen der Schlechtleistung auch im Hinblick auf den Minderwert der Arbeitsleistung in den Genuss der Haftungserleichterung kommt, ist soeben aufgezeigt worden.56 Konsequenterweise hat daher der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer die Schlechtleistung zu vertreten hat. Der denkbare Einwand, dies sei dem Arbeitgeber infolge der Individualisierung des Sorgfaltsmaßstabs im Arbeitsverhältnis nicht möglich, greift nicht, da die hier vertretene Individualisierung der Sorgfaltsanforderungen zum einen an ein rein abstrakt-objektives Kriterium, nämlich die Typisierung nach Verkehrsoder besser Arbeitnehmerkreisen, und zum anderen an die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv erkennbaren individuellen Eigenarten des Arbeitnehmers anknüpft.57
D. Aufrechnung und Pfändungsschutz Der Arbeitgeber kann den hier vertretenen Schadensersatz oder Aufwendungsersatzanspruch grundsätzlich mit dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aufrechnen. Im Ergebnis führt dies zu einer verschuldensabhängigen Lohnminderung in den Grenzen, die für den einschlägigen Schadensersatz- bzw. Aufwendungsersatzanspruch hier herausgearbeitet worden sind. Ein derartiges verschuldensabhängiges Minderungsrecht verstößt – wie im Rahmen der Untersuchung deutlich geworden ist58 – nicht gegen allgemeine Grundsätze des Arbeitsverhältnisses. Das konditionelle Synallagma ist vielmehr in vollem Umfang nur im Hinblick auf die nicht vom Arbeitnehmer zu vertretene Schlechterfüllung durchbrochen. Im Hinblick auf die vom Arbeitnehmer verschuldete Schlechterfüllung ist das konditionelle Synallagma durch die Grenzen, denen die einschlägigen 55 56 57 58
ErfKommArbR-Preis, § 619a Rn. 2. Oben § 8 B. Oben § 7 B. V. 2. Oben § 6 B.
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Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche unterliegen, zumindest eingeschränkt. Eine letzte Einschränkung erfährt das arbeitsvertragliche Synallagma bei der Schlechterfüllung durch die bei der Aufrechnung zu beachtenden Pfändungsgrenzen (§§ 394 S. 1 BGB, 850 ff. ZPO), welche die Aufrechnung des hier vorgestellten Schadensersatzanspruchs des Arbeitgebers wegen der Minderleistung des Arbeitnehmers mit dessen Vergütungsanspruch beschränken. Der Arbeitgeber hat stets, auch wenn ihm höhere Gegenansprüche zustehen, den unpfändbaren Teil des Lohns auszuzahlen. Nur in Ausnahmefällen kann sich der Arbeitnehmer gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf das Aufrechnungsverbot berufen. Von einem solchen Ausnahmefall ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vorsätzlich geschädigt hat.59 Dabei soll es sich nach der Auffassung des BAG wegen des Gewichts des mit § 394 Satz 1 BGB erstrebten Sozialschutzes nach den Umständen des Einzelfalls richten, ob eine treuwidrige und vorsätzliche Nachteilszufügung ein Zurücktreten des Aufrechnungsverbots rechtfertigt.60 Eine Durchbrechung des Aufrechnungsverbots soll dabei, außer im Falle eines bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmers, auch über die Grenze des § 850d ZPO hinaus zulässig sein.61 Nach dem hier vertretenen Ansatz, kommt es auf die Frage, ob bei vorsätzlichen Schlechtleistungen Ausnahmen vom Pfändungsschutz zuzulassen sind, nicht an, da im Fall der vorsätzlichen Minderleistung der Tatbestand der Nichterfüllung mit der Folge der grundsätzlich verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitnehmers nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ greift.62
E. Ergebnis Es hat sich damit gezeigt, dass der Arbeitnehmer bei von ihm zu vertretenen Schlechtleistungen, anders als von der herrschenden Meinung vertreten, nicht nur etwaige Folgeschäden zu ersetzen hat. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich auch einen Anspruch auf Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB. Als Schadensersatz kann dabei, weil der Schadensersatz statt der Leistung in Geld und nicht in Form der 59 RG vom 26.5.1914 – III 62/14, RGZ 85, 108, 116; vom 20.11.1931 – III 391/30, RGZ 135, 1, 8 RAG vom 16.3.1927 – RAG 478/28, ARS 5, 517, 518; vom 10.2.1932 – RAG 421/31, ARS 14, 345, 349; vom 31.5.1933 – RAG 524/32, 18, 241, 248; vom 6.4.1928 – RAG 261/37, 32, 297, 300; BGH vom 22.4.1959 – IV ZR 255/58, NJW 1959, 1275. Diese Ausnahme wurde ursprünglich nur für Ansprüche aus unerlaubter Handlung anerkannt (so zuletzt noch BGH vom 22.4.1959 – IV ZR 255/58, NJW 1959, 1275). Sie wird heute jedoch auch auf die Fälle vorsätzlicher Vertragsverletzung übertragen (BAG vom 31.3.1960 – 5 AZR 441/57, NJW 1960, 1590, 1591). 60 BAG vom 31.3.1960 – 5 AZR 441/57, NJW 1960, 1590, 1591. 61 BAG vom 28.8.1964 – 1 AZR 414/63, NJW 1965, 70, 72 f. 62 Oben § 7 D. IV. 4. b).
E. Ergebnis
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Naturalrestitution erfolgen muss, nur der Minderwert der Arbeitsleistung und nicht Nacharbeit verlangt werden. Bei dem schlechtleistungsbedingten Minderwert der Arbeitsleistung handelt es sich mit Blick auf den Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses um einen schadensrechtlich zu berücksichtigenden Vermögenswert. Bei der Bestimmung des Umfangs des schlechtleistungsbedingten Minderwerts darf mit Rücksicht auf die zeitliche Teilbarkeit der Arbeitsleistung nur der Zeitraum berücksichtigt werden, in welchem nicht ordnungsgemäß gearbeitet worden ist. Dies hat zur Folge, dass kurze Unaufmerksamkeiten des Arbeitnehmers, führen sie auch zu einem gänzlich unbrauchbaren Arbeitsergebnis, den Wert der Arbeit nur für den kurzen Moment der Unaufmerksamkeit herabsetzen und damit im Ergebnis zu keiner merklichen Minderung des Arbeitswerts führen. Ist die Schlechterfüllung in zeitlicher Hinsicht isoliert, ist in einem zweiten Schritt für die Zeit der Schlechterfüllung zu bestimmen, wie weit der Wert der Arbeit in Folge der Schlechterfüllung herabgesetzt ist. Dabei lässt sich der Minderwert am ehesten noch bei einer geminderten Arbeitsintensität exakt bestimmen. Zu beachten ist jedoch stets, dass der Arbeitnehmer, auch wenn er mit einer verminderten Intensität seinen Arbeiten nachgeht, zumindest seine Anwesenheits- und seine Gehorsamspflicht erfüllt. Mithin ist der Wert der Arbeit nicht entsprechend der Minderung der Arbeitsintensität, sondern um einen geringeren Wert herabgesetzt. Dabei hängt es vom Einzelfall ab, welchen Wert der Erfüllung der Anwesenheits- und Gehorsamspflicht zukommt. Bei Schlechtleistungen, die vorrangig nicht die Intensität, sondern die Güte der ausgeführten Tätigkeiten betreffen, wird sich der Minderwert der Arbeitsleistung regelmäßig nur dort exakt bestimmen lassen, wo die schlecht erbrachte Tätigkeit aufgrund ihres Qualitätsdefizits einer ordnungsgemäß erbrachten Arbeit einer geringer wertigen Tätigkeit der gleichen Tätigkeitsart entspricht. Abseits solcher Ausnahmefälle ist die Bestimmung des Minderwerts der Arbeitsleistung bei einer minderen Güte der Arbeitsleistung nur annäherungsweise möglich. Die Festlegung der Schadenshöhe muss im Einzelfall durch den Richter nach § 287 ZPO erfolgen. Alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung kann der Arbeitgeber nach § 284 BGB Ersatz frustrierter Aufwendungen verlangen. Vergeblich aufgewendetes Entgelt ist hiervon allerdings nicht erfasst, da § 284 BGB in seiner Alternativität zum Schadensersatz statt der Leistung das konditionelle Synallagma gerade nicht betrifft. Überdies ist bei der Anwendung von § 284 BGB auf die Schlechtleistung des Arbeitnehmers neben den Grundsätzen der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer zu beachten, dass nach § 284 BGB nur solche Aufwendungen zu ersetzen sind, die sich unmittelbar auf die schlecht erbrachte Arbeit beziehen. Es ist zudem festzuhalten, dass die Grundsätze der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit auch für die verschuldensab-
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hängige Haftung für den Minderwert einer schlecht erbrachten Arbeitsleistung gelten. Macht der Arbeitgeber daher einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB auf Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung geltend, hat der Arbeitnehmer den gesamten Minderwert der Arbeitsleistung nur zu ersetzen, wenn er grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat, wobei der Arbeitnehmer für vorsätzliche Schlechtleistungen nach dem hier vertretenen Konzept ohnehin verschuldensunabhängig haftet. Bei leichtester Fahrlässigkeit entfällt demgegenüber jede Haftung. Bei normaler Fahrlässigkeit kommt es schließlich zu einer Quotelung des Schadens, wobei nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer, soweit es nur um den Ersatz des Äquivalenzinteresses geht, nicht mit in ihrer Höhe kaum vorhersehbaren Folgeschäden konfrontiert wird, sondern mit Schadensposten, die sich in einem Rahmen bewegen, den er in der Regel zu bewältigen im Stande ist. Es ist ferner festzuhalten, dass für die hier entwickelte schadensersatzrechtliche Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen § 619a BGB gilt mit der Folge, dass der Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, dass der Arbeitnehmer die Schlechtleistung zu vertreten hat. Es hat sich schließlich gezeigt, dass die bei der Aufrechnung zu beachtenden Pfändungsgrenzen (§§ 394 S. 1 BGB, 850 ff. ZPO) eine Aufrechnung des hier vertretenen Schadensersatzanspruchs des Arbeitgebers wegen der Minderleistung des Arbeitnehmers mit dessen Vergütungsanspruch beschränken.
§ 9 Zusammenfassung Eingangs der Untersuchung hat sich gezeigt, dass das deutsche Arbeitsrecht auf eine wechselvolle Dogmengeschichte zurückblickt. Dass das Arbeitsverhältnis nach geltendem Recht ein schuldrechtliches Austauschverhältnis ist, dessen Hauptleistungspflichten im Synallagma stehen, stellt dabei den vorläufigen Endpunkt einer unsteten Rechtsentwicklung dar. Nur vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung der arbeitsvertragsrechtlichen Dogmatik lässt es sich erklären, dass über die Frage der Auswirkung von arbeitnehmerseitigen Schlechtleistungen auf das arbeitsvertragliche Synallagma bisher große Unsicherheit herrschte. Nach zutreffender und heute auch ganz herrschender Auffassung richtet sich der Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, insbesondere den Bestimmungen über synallagmatische Verträge. Abweichungen von der synallagmatischen Leistungsverknüpfung ergeben sich nur dort, wo diese spezialgesetzlich angeordnet oder richterrechtlich anerkannt sind. Grundsätzlich gilt aber der Regelfall der Austauschbeziehung und der wechselseitigen Abhängigkeit der auszutauschenden Leistungen voneinander. Der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ beschreibt für den Tatbestand der Nichtleistung im Arbeitsverhältnis das Prinzip des konditionellen Synallagmas, welches besagt, dass für den Fall, dass der Schuldner von der Leistungspflicht befreit wird, er auch seinen Anspruch gegen den Gläubiger auf Erbringung der entsprechenden Gegenleistung vorbehaltlich so genannter lohnerhaltender Normen verliert. Für den Tatbestand der Schlechtleistung ist das Prinzip des konditionellen Synallagmas gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch durchbrochen. Diese Durchbrechung erklärt sich dadurch, dass sich die Bedeutung des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht darin erschöpft, Wertungswidersprüche zwischen dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht und besonderen Gewährleistungsregeln zu vermeiden. Die Vorschrift muss vielmehr als gesetzliches Instrument zur Begrenzung des konditionellen Synallagmas gerade für das Arbeitsverhältnis begriffen werden. Insofern dient § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB vorrangig dazu, sicherzustellen, dass die nicht behebbare Schlechterfüllung zumindest im Arbeitsverhältnis nicht als (qualitative) Teilunmöglichkeit im Sinne des § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB zu verstehen ist und dass die Schlechtleistung – gerade auch im Dienstund Arbeitsvertragsrecht – nicht zu einer ipso-iure-Minderung führt. Dabei zieht § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB die im Arbeitsverhältnis vorherrschende Interessenlage nach, welche dadurch bestimmt ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung eingebunden in die durch den Arbeitgeber bestimmte Betriebsorganisation er-
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bringen muss, sodass es dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann, für die Qualität seiner Arbeitsleistung, die nicht zuletzt von der vorgefundenen betrieblichen Organisation abhängt, verschuldensunabhängig zu haften. Da der Gesetzgeber bewusst auf eine Regelung der Minderung im allgemeinen Leistungsstörungsrecht verzichtet hat, scheidet auch eine analoge Anwendung des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Fälle der Schlechtleistung aus. Vor dem Hintergrund der dem Arbeitsvertrag zu Grunde liegenden Interessenlage ist es darüber hinaus auch verfehlt, de lege ferenda die Einführung einer gesetzlichen Lohnminderungsmöglichkeit zu fordern. Damit ist deutlich geworden, dass § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Bereich des Arbeitsverhältnisses zu einer erheblichen Lockerung des konditionellen Synallagmas führt. Der bei § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verortende Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ kann nach dem heute geltenden Recht nicht ohne weiteres auf die Formel „Ohne vollständige Arbeit kein voller Lohn“ ausgeweitet werden. Der Arbeitnehmer haftet damit nicht verschuldensunabhängig dafür, dass er die Arbeitsleistung mangelfrei erbringt. Die Gewährleistung des konditionellen Synallagmas beschränkt sich im Arbeitsverhältnis auf den Bereich der Nichtleistung. Die Reichweite dieser Gewährleistung hängt damit letztlich von der Abgrenzung der Leistungsstörungstatbestände Nicht- und Schlechtleistung ab. Es hat sich in diesem Zusammenhang gezeigt, dass die Abgrenzung von arbeitnehmerseitigen Nicht- und Schlechtleistungen nicht analog der kauf- und werkvertraglichen Regeln erfolgen darf. Aus §§ 434 Abs. 3, 633 Abs. 2 Satz 3 BGB ergibt sich keine über das Kauf- und Werkvertragsrecht hinausgehende gesetzgeberische Tendenz zur Zurückdrängung des Anwendungsbereichs der Nichtleistung zu Gunsten der Schlechtleistung. Die Abgrenzung von Nicht- und Schlechtleistungen muss im Arbeitsrecht vielmehr allein anhand der Identität der Arbeitsleistung erfolgen. Als Schlechtleistung ist dabei eine Arbeitsleistung anzusehen, die zwar nicht vertragsgemäß erfolgt ist, aber zumindest noch die Identität der geschuldeten Arbeitsleistung aufweist. Eine Nichtleistung liegt demgegenüber dann vor, wenn gar nicht geleistet wird oder wenn der Arbeitnehmer Tätigkeiten ausführt, die nicht mehr als die geschuldete Leistung zu identifizieren sind. Das Problem der Abgrenzung von Nicht- und Schlechterfüllung verkompliziert sich im Arbeitsverhältnis jedoch dadurch, dass als Anknüpfungspunkt für den Vorgang der Identifizierung der Leistung mehrere Vergleichsmaßstäbe in Betracht kommen. Es hat sich herausgestellt, dass die Arbeitsleistung wegen ihres besonderen Zeitbezugs für einen bestimmten Arbeitszeitraum gesondert leistungsstörungsrechtlich behandelt werden kann und muss. Es kommen daher in zeitlicher Hinsicht teilweise Nichtleistungen, die nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB zu
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einer Lohnminderung berechtigen, in Betracht. Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass es nicht zulässig ist, die Identität der Arbeit eines Arbeitnehmers, die im Ergebnis über die Geltung des Prinzips des konditionellen Synallagmas für eine bestimmte Leistungsstörung entscheidet, hinsichtlich einzelner Arbeitsaufgaben oder anderer inhaltlicher, nichtzeitlicher Teilbereiche zu bewerten. In Bezug auf die Arbeitsleistung kann deshalb nur in zwei Fällen von einer teilweisen Nichtleistung ausgegangen werden. Zunächst liegt eine teilweise Nichtleistung vor, wenn der Arbeitnehmer während eines bestimmten Zeitraums der Arbeit fernbleibt. Daneben liegt eine teilweise Nichtleistung auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer zeitweise eine Tätigkeit erbringt, die nicht als die geschuldete Tätigkeit zu identifizieren ist. Diese beiden Alternativen der teilweisen Nichtleistung können sich in Grenzbereichen überschneiden. Wann eine ausgeführte Tätigkeit nicht mehr als die geschuldete Arbeitsleistung zu identifizieren ist, bestimmt sich anhand des Zwecks des Arbeitsvertrags, welcher vorrangig darin besteht, den Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, über die zugesagten Dienste des Arbeitnehmers in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen zu verfügen. Der Arbeitgeber verfügt über die Dienste des Arbeitnehmers, indem er den Arbeitnehmer in die eigene Arbeitsorganisation eingliedert, um sich die Arbeitskraft des Arbeitnehmers seinen Vorstellungen von Effektivität entsprechend nutzbar zu machen. Soweit sich aus dem Vertrag oder aus den Umständen ein bestimmter Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers nicht ermitteln lässt, erschöpft sich der Vertragszweck in der ausschließlich zeitlich bestimmten Eingliederung des Arbeitnehmers. Ist hingegen eine bestimmte Art als arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit bestimmbar, konkretisiert sich der Vertragszweck in der Eingliederung des Arbeitnehmers in den der Art der geschuldeten Tätigkeit entsprechenden Einsatzbereich innerhalb der Arbeitsorganisation. Vor dem Hintergrund dieses Vertragszwecks ergibt sich eine überschaubare Anzahl an Identifizierungsmerkmalen für die Arbeitsleistung: Zunächst hat sich herausgestellt, dass der Leistungsort für die Gewährleistung des Vertragszwecks grundsätzlich von so großer Bedeutung ist, dass er als ein Identifikationsmerkmal der Arbeitsleistung gelten muss. Eine Arbeitsleistung, die an einem anderen Ort als dem vereinbarten oder zugewiesenen Ort erfolgt, besitzt nicht mehr die geschuldete Identität. Eine solche Arbeitsleistung ist, sei sie auch im Übrigen vertragsgemäß, als Nichtleistung zu behandeln. Bei Vertragsverhältnissen, bei denen der Betrieb des Arbeitgebers und der Einsatzort des Arbeitnehmers auseinanderfallen, ist jedoch genau zu prüfen, ob die Arbeitsleistung überhaupt eine örtliche Identität besitzt und wenn ja, durch welchen der beiden Orte sie bestimmt wird. Des Weiteren bestimmen sowohl die Dauer der Arbeitszeit als auch ihre Lage die Identität der Arbeitsleistung. Dies gilt auch, soweit die nähere Regelung der
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Arbeitszeit, insbesondere die Regelung der Lage der Arbeitszeit, dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers unterstellt ist. Eine Arbeitsleistung, die im Hinblick auf die Arbeitszeit nicht dem geschuldeten Soll entspricht, ist in aller Regel als Nichterfüllung zu qualifizieren. Zu den inhaltlichen Merkmalen, welche die Identität der Arbeitsleistung ausmachen, zählen ferner die höchstpersönliche Leistungserbringung, die weisungsgetreue Leistungserbringung und die Art der zu erbringenden Arbeitsleistung, nicht jedoch, wie vielfach angenommen, die Qualität der Tätigkeit. Insbesondere die Weisungstreue stellt im Hinblick auf den Vertragszweck ein Identitätsmerkmal von besonderer Bedeutung dar. Handelt der Arbeitnehmer vorsätzlich weisungswidrig und entzieht er sich damit willentlich der Leitungsmacht des Arbeitgebers, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Arbeitnehmer passive Resistenz ausübt, verliert die Arbeitsleistung die geschuldete Identität. Für die Zeit eines solchen willentlich weisungswidrigen Handelns ist damit der Tatbestand der Nichtleistung gegeben. Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Arbeitsleistung dabei nicht vorschnell die Identität abgesprochen werden darf. Nur wenn die den Vertragszweck prägende zeitlich bestimmte Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers nicht mehr gewährleistet ist, verliert die Arbeitsleistung die geschuldete Identität. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer nicht am rechten Ort, nicht innerhalb der Arbeitszeit, nicht in eigener Person, vorsätzlich nicht getreu den Weisungen oder nicht in einer der versprochenen Tätigkeit entsprechenden Art und Weise arbeitet. Bloße Qualitätsmängel, seien sie auch noch so gravierend, nehmen der Arbeitsleistung hingegen nicht ohne Weiteres ihre Identität und begründen damit auch nicht den Tatbestand der Nichtleistung. Über den Tatbestand der Nichtleistung hinaus ist eine Lohnminderung nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Dennoch ist die Schlechterfüllung der Arbeitspflicht nicht sanktionslos. Der Arbeitnehmer haftet für Schlechterfüllungen zumindest im Grundsatz dann, wenn ihm nachgewiesen werden kann, dass er schuldhaft arbeitsvertragliche Pflichten verletzt hat. Der Tatbestand der Schlechtleistung ist dabei bereits dann erfüllt, wenn die Arbeitsleistung nicht der nach einem objektiven Leistungsmaßstab zu bestimmenden geschuldeten Leistung entspricht. Weder die dem Arbeitsvertrag zu Grunde liegende Interessenlage noch die von der herrschenden Meinung vertretene Identität von Leistung und Leistenden rechtfertigen eine individuelle Bestimmung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers. Vielmehr deutet bereits die faktische Geltung objektiver Standards in der Rechtsprechung des BAG darauf hin, dass bei verständiger Würdigung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Arbeitsvertrag dahingehend auszu-
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legen ist, dass der Arbeitnehmer eine nach objektiven Kriterien zu bestimmende Arbeitsleistung schuldet. Der Arbeitnehmer hat den Leistungsstandard einzuhalten, den er mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags einzuhalten versprochen hat. Gesetzliche Regeln, aus denen sich ein im Arbeitsverhältnis gültiger Leistungsmaßstab ableiten ließe, existieren nicht. Das Gesetz sieht den Arbeitnehmer in § 611 Abs. 1 BGB als zur „Leistung der versprochenen Dienste“ verpflichtet an. Der Leistungsmaßstab, den der Arbeitnehmer bei der Erbringung der Arbeitsleistung zu erbringen hat, ist daher im Wege der Auslegung des Arbeitsvertrags zu ermitteln. Zur Bestimmung des Leistungsmaßstabs ist dabei auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB zurückzugreifen, da es bei Dienstverträgen wegen ihrer regelmäßig auf längere Zeit angelegten Dauer vermehrt zu Entwicklungen kommen kann, welche die vertragsschließenden Parteien nicht vorhergesehen haben und sich die Arbeitsvertragsparteien über den genauen Leistungsinhalt im Einzelnen im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags noch keine abschließenden Vorstellungen machen können. Die bei der ergänzenden Vertragsauslegung zu Grunde zu legende Interessenlage ist dabei keineswegs, wie von den Vertretern des individuellen Leistungsmaßstabs vielfach angenommen, von der Vorstellung der partiellen Identität von Arbeitsleistung und Arbeitnehmer geprägt. Vor dem Hintergrund, dass das Arbeitsverhältnis heute allgemein als Austauschbeziehung verstanden wird und deshalb den Regeln des gegenseitigen Vertrags unterworfen ist, wird der Gedanke eines personenrechtlichen Einschlags des Arbeitsverhältnisses, der mit der Vorstellung von Identität von Leistung und Leistendem unweigerlich verknüpft ist, heute nahezu einhellig abgelehnt. Auch aus der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur höchstpersönlichen Leistungserbringung lässt sich nicht ableiten, dass im Arbeitsverhältnis ein individueller Leistungsmaßstab gelten muss. Insbesondere lässt sich § 613 BGB bei verständiger Auslegung keine entsprechende Aussage über die Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers entnehmen. Schließlich hat sich gezeigt, dass sich die Individualität des Arbeitnehmers und seiner Arbeit an anderer Stelle als dem Tatbestand der vertragsgemäß geschuldeten Leistung berücksichtigen lässt. Dem Arbeitnehmer drohen bei einem objektiven Leistungsmaßstab weder besonders weitreichende haftungsrechtliche Konsequenzen noch ein Ausufern der Kündigungsmöglichkeiten zugunsten des Arbeitgebers. Einer zu weit reichenden Haftung steht der Ausschluss einer verschuldensunabhängigen Minderung des Entgelts in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB und die verkehrskreistypische und gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB privatautonom modifizierbare Bestimmung des vom Arbeitnehmer einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs entgegen. Auch kündigungsrechtlich lässt sich spätestens im Rahmen der stets vorzunehmenden Interessenabwägung die Individualität des Arbeitneh-
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mers mit der Folge berücksichtigen, dass bei einem Absinken der individuellen Leistungsfähigkeit, eine Kündigung erst möglich wird, wenn eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten ist. Es besteht daher auch aus der Sicht des Arbeitnehmers kein bei der ergänzenden Auslegung des Arbeitsvertrags zu berücksichtigendes Interesse daran, dass sich die geschuldete Arbeitsleistung nach seinen individuellen Fähigkeiten richtet. Die Arbeitsleistung unterliegt vielmehr einem objektiven Leistungsmaßstab. Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Arbeitnehmer zunächst die Einhaltung berufsspezifischer Leistungsstandards schuldet. Die für die Leistungsbewertung maßgeblichen berufsspezifischen Leistungsstandards lassen sich beispielsweise aus den Zeugnissen, die im Rahmen der Einstellung vorgelegt worden sind, der Berufserfahrung des Arbeitnehmers sowie den einschlägigen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, aber auch aus anderen berufsständischen Vorschriften ermitteln. Darüber hinaus schuldet der Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung, welche der objektiven Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer entspricht. Dabei ist soweit möglich ein arbeitsmarktbezogener Vergleichsrahmen zu ziehen. Eine erleichterte Möglichkeit, den Arbeitnehmer für Schlechtleistungen in Haftung zu nehmen bzw. ihn zu kündigen, ergibt sich für den Arbeitgeber aus dem objektiven Leistungsmaßstab freilich nicht. Vielmehr hat der Arbeitgeber, will er seinen Arbeitnehmer schuldrechtlich für eine Schlechtleistung in Haftung nehmen, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er die Schlechtleistung schuldhaft herbeigeführt hat. Im Rahmen der Frage des Verschuldens und der Prüfung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Sorgfalt sind individuelle Sorgfaltsmerkmale und vor allem die der Individualität menschlichen Arbeitens geschuldete Schwankungsbreite zu berücksichtigen. Daneben können auch solche Faktoren eine Verschuldenszurechnung entgegenstehen, die dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen sind. Gemäß § 619a BGB trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer die Schlechtleistung im Rahmen von § 280 Abs. 1 BGB auch als Pflichtverletzung zu vertreten hat. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber gegebenenfalls beweisen muss, dass eine arbeitnehmerseitige Schlechtleistung nicht auf betrieblichen Gegebenheiten beruht. Ein entsprechender Beweis wird dem Arbeitgeber in aller Regel nicht gelingen, wenn sich die Leistung des Arbeitnehmers innerhalb der Bandbreite der Leistungen vergleichbarer Arbeitnehmer desselben Betriebs bewegt. Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund der Schlechtleistung kündigen, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Arbeitnehmer die objektive Durchschnittsleistung aufgrund eines steuerbaren Verhaltens unterschritten hat, was voraussetzt, dass sein individuelles Leistungsvermögen eine der objektiven Durchschnittsleistung entsprechende Arbeitsleistung überhaupt zulässt. Eine personenbedingte Kündigung scheidet schließlich aus, wenn die Un-
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terschreitung der objektiven Durchschnittsleistung auch mit Blick auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber bei umfassender Abwägung der Interessen noch hinzunehmen ist. Es hat sich zudem gezeigt, dass der Arbeitnehmer bei von ihm zu vertretenen Schlechtleistungen, anders als von der herrschenden Meinung angenommen, nicht nur etwaige Folgeschäden zu ersetzen hat. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich auch einen Anspruch auf Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB. Als Schadensersatz kann dabei, weil der Schadensersatz statt der Leistung in Geld und nicht in Form der Naturalrestitution erfolgen muss, nur der Minderwert der Arbeitsleistung und nicht Nacharbeit verlangt werden. Bei dem schlechtleistungsbedingten Minderwert der Arbeitsleistung handelt es sich mit Blick auf den Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses um einen schadensrechtlich zu berücksichtigenden Vermögenswert. Bei der Bestimmung des Umfangs des schlechtleistungsbedingten Minderwerts darf mit Rücksicht auf die zeitliche Teilbarkeit der Arbeitsleistung nur der Zeitraum berücksichtigt werden, in welchem nicht ordnungsgemäß gearbeitet worden ist. Dies hat zur Folge, dass kurze Unaufmerksamkeiten des Arbeitnehmers, führen sie auch zu einem gänzlich unbrauchbaren Arbeitsergebnis, den Wert der Arbeit nur für den kurzen Moment der Unaufmerksamkeit herabsetzen und damit im Ergebnis zu keiner merklichen Minderung des Arbeitswerts führen. Ein zum Schadensersatz berechtigender schlechtleistungsbedingter Minderwert ergibt sich nur dann, wenn über einen zeitlich relevanten Zeitraum nicht ordnungsgemäß gearbeitet worden ist. Ist die Schlechtleistung in zeitlicher Hinsicht isoliert, ist in einem zweiten Schritt für die Zeit der Schlechtleistung zu bestimmen, wie weit der Wert der Arbeit in Folge der Schlechtleistung herabgesetzt ist. Dabei lässt sich der Minderwert am ehesten noch bei einer geminderten Arbeitsintensität exakt bestimmen. Zu beachten ist jedoch stets, dass der Arbeitnehmer, auch wenn er mit einer verminderten Intensität seinen Arbeiten nachgeht, zumindest seine Anwesenheitsund seine Gehorsamspflicht erfüllt. Mithin ist der Wert der Arbeit nicht entsprechend der Minderung der Arbeitsintensität, sondern um einen geringeren Wert herabgesetzt. Dabei hängt es vom Einzelfall ab, welchen Wert der Erfüllung der Anwesenheits- und Gehorsamspflicht zukommt. Bei Schlechtleistungen, die vorrangig nicht die Intensität, sondern die Güte der ausgeführten Tätigkeiten betreffen, wird sich der Minderwert der Arbeitsleistung regelmäßig nur dort exakt bestimmen lassen, wo die schlecht erbrachte Tätigkeit aufgrund ihres Qualitätsdefizits einer ordnungsgemäß erbrachten Arbeit einer geringer wertigen Tätigkeit der gleichen Tätigkeitsart entspricht. Abseits solcher Ausnahmefälle ist die Bestimmung des Minderwerts der Arbeitsleistung bei einer minderen Güte der Arbeitsleistung nur annäherungsweise möglich. Die Festle-
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§ 9 Zusammenfassung
gung der Schadenshöhe muss im Einzelfall durch den Richter nach § 287 ZPO erfolgen. Alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung kann der Arbeitgeber nach § 284 BGB Ersatz frustrierter Aufwendungen verlangen. Vergeblich aufgewendetes Entgelt ist hiervon allerdings nicht erfasst, da § 284 BGB in seiner Alternativität zum Schadensersatz statt der Leistung das konditionelle Synallagma gerade nicht betrifft. Überdies ist bei der Anwendung von § 284 BGB auf die Schlechtleistung des Arbeitnehmers neben den Grundsätzen der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer zu beachten, dass nach § 284 BGB nur solche Aufwendungen zu ersetzen sind, die sich unmittelbar auf die schlecht erbrachte Arbeit beziehen. Es hat sich zudem gezeigt, dass die Grundsätze der Haftungserleichterung für Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit auch für die hier entwickelte verschuldensabhängige Haftung für den Minderwert einer schlecht erbrachten Arbeitsleistung gelten. Macht der Arbeitgeber daher einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB auf Ersatz des Minderwerts der Arbeitsleistung geltend, hat der Arbeitnehmer den gesamten Minderwert der Arbeitsleistung nur zu ersetzen, wenn er grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Dabei ist zu beachten, dass nach dem hier vertretenen Konzept eine vorsätzlich erbrachte Schlechtleistung den Tatbestand der teilweisen Nichtleistung erfüllt, so dass insoweit die verschuldensunabhängige Haftung nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ greift. Bei leichtester Fahrlässigkeit entfällt demgegenüber jede Haftung. Bei normaler Fahrlässigkeit kommt es schließlich zu einer Quotelung des Schadens, wobei nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer, soweit es nur um den Ersatz des Äquivalenzinteresses geht, nicht mit in ihrer Höhe kaum vorhersehbare Folgeschäden konfrontiert wird, sondern mit Schadensposten, die sich in einem Rahmen bewegen, den er in der Regel zu bewältigen im Stande ist. Es kann ferner festgehalten werden, dass für die hier entwickelte schadensersatzrechtliche Haftung des Arbeitnehmers für Schlechtleistungen § 619a BGB gilt mit der Folge, dass der Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, dass der Arbeitnehmer die Schlechtleistung zu vertreten hat. Es hat sich schließlich gezeigt, dass die bei der Aufrechnung zu beachtenden Pfändungsgrenzen (§§ 394 S. 1 BGB, 850 ff. ZPO) eine Aufrechnung des hier vertretenen Schadensersatzanspruchs des Arbeitgebers wegen der Minderleistung des Arbeitnehmers mit dessen Vergütungsanspruch beschränken.
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