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German Pages 532 Year 2006
Christoph Kumpan Die Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht
/26
Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung
herausgegeben von Walther Hadding, Mainz Klaus J. Hopt, Hamburg Herbert Schimansky, Karlsruhe
Band 26
De Gruyter Recht · Berlin
Christoph Kumpan
Die Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht
W DE G RECHT
De Gruyter Recht · Berlin
Dr. iur. Christoph Kumpan, LL.M. (Univ. of Chicago), Attorney at Law, New York, Referent/Senior Research Fellow am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. ISBN-13: 978-3-89949-321-4 ISBN-10: 3-89949-321-4 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © Copyright 2006 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Datenkonvertierung/Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen Umschlaggestaltung: Angela Dobrick, Hamburg
Meinen Eltern
Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen und mit dem 1. Preis für Dissertationen im Hochschulwettbewerb 2005 des Deutschen Aktieninstituts ausgezeichnet. Die neueren Rechtsentwicklungen in Europa und den USA wurden bis Dezember 2005 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Hopt, der mir die Bearbeitung dieses Themas ermöglicht hat. Er hat mich sowohl in wissenschaftlicher Hinsicht in ganz besonderer Weise gefördert als auch als Mitarbeiter am Max Planck Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg, beschäftigt. Dies hat es mir ermöglicht, mich in einer Weise vertieft mit dem Thema auseinanderzusetzen, wie es mir als Externer niemals möglich gewesen wäre. Mein weiterer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Hirte für die Erstellung des wohlwollenden Zweitgutachtens. Den Herausgebern der Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung danke ich für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe. Besonders herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Dr. Baum für die wertvollen Diskussionen und Anregungen und das engagierte Durchsehen meiner Arbeit. Während meines Studienaufenthaltes an der University of Chicago, der dankenswerterweise von der Studienstiftung des Deutschen Volkes und der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gefördert wurde, erhielt ich wertvolle Anregungen von Herrn Prof. Easterbrook, Frau Prof. Bernstein und Herrn Prof. Hamburger, die mir beim Verständnis der Rechtslage in den USA sehr geholfen haben. Die Mitarbeiter des Referats VII B 5 des Bundesministeriums der Finanzen, insbesondere Herr Ministerialrat Dr. Kerkloh und Herr Regierungsrat Fölsch, und Herr Ministerialrat Dr. Pötzsch vom Bundeskanzleramt gewährten mir wertvolle Einblicke in die Praxis der Marktregulierung, für die ich ihnen sehr dankbar bin. An der Hamburger Börse, in der Vereins- und Westbank AG sowie in der Dresdner Bank AG konnte ich wertvolle praktische Erfahrungen im Bankund Börsengeschäft sammeln, die mir bei der Anfertigung meiner Arbeit sehr zugute kamen. Dafür möchte ich insbesondere Herrn Dr. Ledermann und Herrn Marxsen von der BÖAG Börsen AG danken. Meinen Eltern und Frau Sandra Kraft möchte ich für ihre wertvolle Hilfe bei der Korrektur und der Überarbeitung meiner Arbeit danken. Meinen Eltern gilt außerdem mein ganz besonderer Dank dafür, dass sie mich während der Zeit meiner Arbeit an der Dissertation in besonderer Weise unterstützt haben. Berlin, im Januar 2006 Christoph Kumpan
Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Einleitung
XI XXV l
1. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme und die Notwendigkeit ihrer Regulierung
5
1. Kapitel: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt 2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente . 3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von außerbörslichen Wertpapierhandelssystemen 2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
.
7 45 75 119
1. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung . . . 121 2. Kapitel: Die europarechtlichen Regelungen und ihre Entwicklung 170 3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung . . 195 3. Teil: Die Begriffsbestimmungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme und die Börse de lege lata und de lege ferenda .
1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen des Börsenrechts für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme in rechtsvergleichender Perspektive 2. Kapitel: Abgrenzung zum Börsenbegriff de lege lata 3. Kapitel: Die Legaldefinition des Börsenbegriffs de lege ferenda und die Einbindung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme in die Kapitalmarktregulierung 4. Teil: Regelungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme in rechtsvergleichender Perpektive
1. Kapitel: 2. Kapitel: 3. Kapitel: 4. Kapitel: 5. Kapitel: 6. Kapitel:
Ausgestaltung einer wettbewerbsorientierten Regulierung Bestimmungen zur Betriebsaufnahme Transparenzvorschriften Handelsteilnehmer und der Zugang zum Handel Die Gewährleistung des Handels und die Preisfeststellung Aufsicht - Zuständigkeit, Befugnisse und internationale Zusammenarbeit
Zusammenfassende Thesen Literaturverzeichnis Register
213
215 242
258 293
295 317 343 373 406 424 451 459 495
Inhalts verzeichni s Abkürzungsverzeichnis
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Einleitung I. Fragestellung II. Vorgehensweise
l l 3
1. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme und die Notwendigkeit ihrer Regulierung
5
1. Kapitel: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
7
I. Allgemeines II. Erscheinungsformen von außerbörslichen Wertpapierhandelssystemen (alternativen Handelssystemen, ATSs) 1. Multilaterale Handelssysteme a) Multilaterale Handelssysteme mit eigener Preisermittlung b) Electronic Communication Networks c) Handelssysteme ohne eigene Preisermittlung (Crossing-Systeme) d) Hybride Systeme 2. Bilaterale Handelssysteme/Internalisierer 3. Inseratsysteme bzw. Bulletin Boards III. Die Vorteile von alternativen Handelssystemen 1. Geringe Kosten für Transaktionen 2. Angebot bedarfsgerechter Dienstleistungen 3. Situation in Deutschland IV. Börsen als Bezugspunkt für die Regulierung von alternativen Handelssystemen 1. Die Dienstleistungen der Börse 2. Die ökonomische Funktion von Börsen und dem Kapitalmarkt im Allgemeinen a) Allokationsfunktion b) Marktfunktion c) Bewertungsfunktion V. Leistungskriterien für Märkte 1. Primärkriterien a) Markttransaktionskosten b) Liquidität 2. Sekundärkriterien
8 12 13 13 16 17 18 18 19 21 21 23 25 26 27 30 31 32 33 34 34 34 37 38
XII
Inhaltsverzeichnis
a) Informationseffizienz b) Markttransparenz c) Abwicklungseffizienz d) Attraktivität der Produktpalette 3. Integrität und Sicherheit des Handelssystems VI. Zusammenfassung 2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente . . I. Ziele der Kapitalmarktregulierung in Deutschland und Europa 1. Funktionsschutz 2. Anlegerschutz 3. Wechselwirkungen zwischen Funktions-und Anlegerschutz II. Regulierung im Hinblick auf den Funktionsschutz 1. Marktversagen als Voraussetzung für eine Regulierung . . . 2. Verringerung von Transaktionskosten und Informationsasymmetrien III. Regulierung im Hinblick auf den Anlegerschutz 1. Die Risiken für Anleger 2. Unterschiedliche Schutzbedürftigkeit unterschiedlicher Anlegergruppen a) Institutionelle Investoren b) Privatanleger 3. Folgerung für die Regulierung IV. Nachteile einer Regulierung und Staatsversagen 1. Nachteile staatlicher Regulierung 2. Staatsversagen a) Informationsdefizite der regulierenden Stelle b) Langsame Reaktionsgeschwindigkeit und Ausweichreaktionen c) Gefahr opportunistischen Verhaltens und zu restriktiver Vorgaben 3. Abwägung der Vor- und Nachteile V. Die regulierende Instanz 1. Vorteile einer Selbstregulierung 2. Notwendigkeit einer staatlichen Regulierung VI. Instrumente für eine Regulierung VII. Zusammenfassung 3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von außerbörslichen Wertpapierhandelssystemen I. Marktfragmentierung und Wettbewerb oder Zentralisierung und Monopol?
38 39 41 41 42 43 45 47 47 49 51 51 52 57 58 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 67 68 69 69 70 72 74 75 75
Inhaltsverzeichnis
II. Risiken im Rahmen der einzelnen Handelsphasen 1. Risiken in der Informationsphase a) Notwendigkeit von Transparenz b) Negative Auswirkungen von Transparenz i) Auswirkungen der Transparenz auf die Informationseffizienz ii) Auswirkungen der Transparenz auf die Liquidität . . iii) Auswirkungen der Transparenz auf die Marktstruktur c) Wertpapierinformationen als öffentliches Gut oder Gegenstand von Verfügungsrechten? i) Preise als öffentliches Gut ii) Verfügungsrechte an Preisen iii) Ablehnung von Verfügungsrechten bei Nachhandelstransparenz iv) Free riding-Probleme bei Vorhandeistransparenz . . . d) Gründe für eine Regulierung 2. Risiken in der Orderroutingphase a) Zugang zum Handelssystem b) Interessenkonflikte von Intermediären c) Gründe für eine Regulierung 3. Die Risiken in der Matchingphase a) Preisfeststellungsverfahren i) Auktionsmärkte und Market-Maker-Systeme . . . . ii) Kein Regulierungsbedarf b) Fragmentierung und die Folgen für die Preisfeststellung i) Gefahr eines Informationsdefizits der Referenzpreise ii) Gefahr zu langsamer Preisanpassung iii) Preisdiskriminierung iv) Quotierungsverhalten - Auswirkungen der Fragmentierung auf preisfeststellende Systeme v) Quotierungsverhalten - Auswirkungen der Fragmentierung auf preisimportierende Systeme vi) Umgehen der Prioritätsregeln bei der Ausführung . . vii) Gründe für eine Regulierung c) Verhinderung von Marktmissbrauch 4. Risiken in der Abwicklungsphase III. Handelsphasenunabhängige Risiken 1. Stabilität und Funktionsfähigkeit von Handelssystemen . . 2. Zuverlässigkeit der Betreiber
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79 80 81 82 83 84 86 87 87 88 89 90 91 92 93 95 98 99 99 100 101 102 103 104 105 106 108 109 109 110 112 112 112 114
XIV
Inhaltsverzeichnis
3. Free Riding durch alternative Handelssysteme hinsichtlich der Marktüberwachung 4. Gefahren für Anleger bei grenzüberschreitenden Transaktionen IV. Zusammenfassung 2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland I.Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung I. Gesetzliche Grundlagen für die Regulierung von alternativen Handelssystemen 1. Der Securities Exchange Act 2. Das National Market System II. Das Bedürfnis nach einer Regulierung von alternativen Handelssystemen 1. Der No-Action Letter-Ansatz der SEC 2. Der Fall Delta Government Options Corp a) Die Entscheidung der SEC und die erste DeltaEntscheidung des 7th Circuit b) Der Delta-Release der SEC c) Die zweite Delta-Entscheidung des 7th Circuit 3. Richtlinienvorschlag 15c2-1 Oder SEC 4. Kritik an der Regulierung vor Regulation ATS a) Kritik am No-Action Letter Ansatz b) Die Nachteile der Regulierung als Broker-Dealer in Bezug auf alternative Handelssysteme c) Die Nachteile der Regulierung als Broker-Dealer in Bezug auf den Gesamtmarkt III. Der Market 2000 Report und erste Regelungen für alternative Handelssysteme 1. Market 2000 Report 2. Rule 17a-23 3. Order Handling Rules IV. Regulation ATS 1. Die Vorbereitung: der Concept Release von 1997 a) Die Vorschläge der SEC b) Überblick über die Kommentare zum Concept Release 2. Das Konzept von Regulation ATS 3. Der Börsenbegriff 4. Der ATS-Begriff 5. Überblick über die Vorschriften von Regulation ATS . . . .
114 115 117 .
119 121 122 122 124 126 127 129 129 131 132 133 135 135 136 137 139 139 140 140 143 143 144 145 147 150 152 154
Inhaltsverzeichnis
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a) Anzeige- und Berichtspflichten, Unterstützung der Überwachung durch SEC und SROs b) Transparenzpflichten c) Zugang zum Handelssystem d) Kapazität, Integrität und Sicherheit des elektronischen Systems 6. Kurze Bewertung von Regulation ATS a) Vorzüge der Regelungen b) Die Kritik an Regulation ATS i) Die Kritik am Börsenbegriff ii) Die Kritik an den Zugangs- und Transparenzvorschriften iii) Kritik an der Mitgliedschaft in SROs V. Weiterer Regelungsbedarf laut SEC 1. Fragmentation Release 2. Regulation NMS vom Juni 2005 VI. Zusammenfassung 2. Kapitel: Die europarechtlichen Regelungen und ihre Entwicklung I. Die Standards des CESR für alternative Handelssysteme . . 1. Der erste Entwurf - das Consultation Paper 2. Der zweite Entwurf - Proposed Standards for Alternative Trading Systems 3. Die endgültige Fassung der Standards a) Der Inhalt der Standards b) Ergänzungen der Wohlverhaltenspflichten II. Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) 1. Der erste Leitlinienentwurf der EU-Kommission 2. Der zweite Ansatz der EU-Kommission 3. Die endgültige Fassung der Richtlinie a) Begriffsbestimmungen der MiFID: MTF, geregelter Markt, systematischer Internalisierer b) Überblick über die Regelungen der MiFID III. Zusammenfassung 3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung I. Regelungsbedürfnis in Deutschland 1. Börsengutachten von Hopt/Rudolph/Baum a) Der Begriff „börsenähnliche Einrichtung" b) Das festgestellte Regelungsbedürfnis 2. Die Empfehlungen der Börsensachverständigenkommission .
154 156 157 159 160 160 161 161 162 164 164 164 166 169 . . 170 . . 171 172 175 177 178 180 . . 181 182 184 189 . . 190 191 194
. . . 195 195 196 197 198 199
XVI
Inhaltsverzeichnis
a) Die Begriffsbestimmungen der Börsensachverständigenkommission b) Das festgestellte Regelungsbedürfnis II. Überblick über die börsenrechtlichen Regelungen nach dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz 1. § 58 Abs. l Satz l BörsG - Die Anzeigepflicht für elektronische Handelssysteme a) Der Begriff „elektronisches Handelssystem" b) Die Anzeigepflicht 2. § 59 BörsG - Die Vorschriften für börsenähnliche Einrichtungen a) Der Begriff „börsenähnliche Einrichtung" b) Die Pflichten für börsenähnliche Einrichtungen 3. § 59 Satz 2, § 60 BörsG - Die Aufgaben der Börsenaufsichtsbehörde III. Vorschriften des KWG und WpHG 1. Überblick über die Pflichten nach dem KWG 2. Überblick über die Pflichten nach dem WpHG IV. Zusammenfassung
206 207 208 209 211
3. Teil: Die Begriffsbestimmungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme und die Börse de lege lata und de lege ferenda .
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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen des Börsenrechts für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme in rechtsvergleichender Perspektive
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I. Elektronisches Handelssystem für den Handel in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern und Rechten - § 58 Abs. l Satz l BörsG 1. Elektronisches Handelssystem a) Die Weite des Begriffs Handelssystem b) Unangemessene Ausrichtung an der Technologie 2. Börsenmäßig handelbare Wirtschaftsgüter und Rechte bzw. Finanzinstrumente 3. Abgrenzung zur Börse und Ausklammerung des Freiverkehrs II. Börsenähnliche Einrichtung - § 59 Satz l BörsG 1. Zusammenführen 2. Angebot und Nachfrage bzw. Interessen am Kauf und Verkauf 3. Vertragsabschlüsse innerhalb des Systems ermöglichen . . . a) Innerhalb des Systems b) Ermöglichen
200 200 201 202 202 203 204 204 205
215 216 217 219 220 222 223 223 224 226 226 228
Inhaltsverzeichnis
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4. Multilaterales System bzw. mehrere Marktteilnehmer . . . . 230 a) Ausgrenzung bilateraler Systeme 230 b) Systeme mit einer zentralen Gegenpartei 232 5. In § 59 Satz l BörsG nicht vorhanden: nichtdiskretionäre Regeln bzw. non-discretionary methods 232 6. Betreiber 234 7. Besondere Ausnahmevorschrift in den USA 235 III. Abgrenzung zu bilateralen und anderen Systemen 237 1. Bilaterale Handelssysteme/Internalisierer 237 2. Passive und teilaktive Inseratsysteme sowie außerbörslicher Telefonhandel 238 3. Orderroutingsysteme 239 4. Systeme für die Orderabwicklung und Verwahrung 239 5. Informationssysteme 239 6. Sonstige Systeme 240 IV. Zusammenfassung 240 2. Kapitel: Abgrenzung zum Börsenbegriff de lege lata I. Notwendigkeit einer Abgrenzung II. Der BörsenbegrifF III. Mögliche Kriterien für die Abgrenzung von Börsen und börsenähnlichen Einrichtungen 1. Staatlich überwachte Preisbildung 2. Art und Qualität der Preisfeststellung 3. Das Vorhandensein von Maklern bzw. eines vergleichbaren EDV-Systems 4. Die Beschränkung der Teilnahme auf Kaufleute 5. Nutzung des Systems 6. Die Verbandsstruktur der Börsen bzw. ihr Erscheinungsbild 7. Die Abgrenzung in den US-amerikanischen Regelungen . . 8. Die Abgrenzung in den europäischen Regelungen IV. Zusammenfassung
242 243 244 246 247 248 250 251 253 255 255 255 256
3. Kapitel: Die Legaldefinition des Börsenbegriffs de lege ferenda und die Einbindung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme
in die Kapitalmarktregulierung I. Notwendigkeit einer Legaldefinition des Börsenbegriffs . . . . 1. Die fehlende Tragfähigkeit der Argumente gegen eine Legaldefinition 2. Rechtsstaatliche Gesichtspunkte II. Notwendigkeit eines funktional ausgerichteten Börsenbegriffs . l. Mängel des institutionellen Börsenbegriffs
258 258 259 260 261 262
XVIII
Inhaltsverzeichnis
2. Vorteile des funktionalen Ansatzes 3. Nachteile eines puristischen funktionalen Ansatzes 4. Die Funktion der Börse als Anknüpfungspunkt für den Börsenbegriff III. Der Börsenbegriff de lege ferenda 1. Strukturelle Anforderungen an die Definition 2. Die Merkmale eines Börsenbegriffs de lege ferenda a) Handelssystem b) Zusammenführen von Angebot und Nachfrage c) Zusammenführung fördern d) Vertragsabschlüsse innerhalb des Systems e) Multilateral, mehrere Marktteilnehmer f) Wirtschaftsgüter und Rechte g) Nichtdiskretionäre Regeln h) Preisfeststellung i) Weitere mögliche Merkmale 3. Ausdrückliche Ausnahmen vom Börsenbegriff 4. Ergebnis: Die Börsendefinition de lege ferenda IV. Börsenähnliche Einrichtungen und ihre Einbindung in die börsenrechtliche Regulierung 1. Freie Wahl der Betreiber 2. Gütesiegel-Regelung 3. Orientierung am Volumen 4. Zeitlich begrenzte Ausnahmen 5. Die Entscheidung durch die Aufsichtsbehörde a) Notwendigkeit einer Definition des Begriffs börsenähnliche Einrichtung b) Ermessensentscheidung der Aufsichtsbehörde i) Systeme für professionelle Marktteilnehmer ii) Handelssysteme von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten iii) Ausnahmevorschrift 6. Der Begriff der börsenähnlichen Einrichtung de lege ferenda 7. Überlegungen für die Ausgestaltung der anknüpfenden Regelungen V. Systematische Internalisierer 1. Internalisierung 2. In organisierter und systematischer Weise häufig regelmäßig 3. Handel für eigene Rechnung 4. Ausführung von Kundenaufträgen 5. Außerhalb eines geregelten Marktes oder eines MTF . . . . 6. Abgrenzung zum OTC-Handel
263 265 266 268 268 269 269 270 271 271 272 273 273 273 274 275 275 276 276 277 278 279 280 280 280 281 282 282 282 284 285 285 286 287 287 288 289
Inhaltsverzeichnis
XIX
7. Beendigung der Tätigkeit als systematischer Internalisierer . 289 VI. Zusammenfassung 290 4. Teil: Regelungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme in rechtsvergleichender Perspektive 1. Kapitel: Ausgestaltung einer wettbewerbsorientierten Regulierung . I. § 22 Abs. l BörsG und die Entscheidung zugunsten des Wettbewerbs 1. Der Zweck der Regelung in § 22 Abs. l Satz l BörsG . . . . 2. Einführung einer stärkeren Wettbewerbsorientierung . . . . a) Ökonomische Erwägungen b) Die Vorgaben der MiFID c) Vergleich mit den USA 3. Einführung eines stärker dynamischen Anlegerschutzes . . . II. Die Einbindung von alternativen Handelssystemen in den Kapitalmarkt 1. Zentrales Limitorderbuch a) Die Vorteile eines zentralen Limitorderbuches/ Dachskontros b) Die Argumente gegen ein zentrales Limitorderbuch/ Dachskontro c) Die Möglichkeit einer freiwilligen Einführung eines Dachskontros 2. Institutionalisierte Verbindungen zwischen den Märkten . . a) Die Argumente gegen eine gesetzliche Einführung institutionalisierter Marktverbindungen b) Vorteil marktbasierender Verbindungen zwischen Marktplätzen 3. Wettbewerb um Listings a) Die Vorteile eines Wettbewerbs um Listings b) Die Argumente gegen einen alleinigen Wettbewerb um Listings 4. Transparenzlösung III. Zusammenfassung
293 295 295 296 297 297 300 301 302 303 304 304 305 307 307 308 310 312 312 313 315 316
2. Kapitel: Bestimmungen zur Betriebsaufnahme 317 I. Zulassung/Anzeige 317 l. Anzeigepflicht nach § 58 Abs. l Satz l BörsG und ErlaubnisPflicht nach § 32 Abs. l Satz l KWG 317 a) Anlagevermittlung 318 b) Abschlussvermittlung 320
XX
Inhaltsverzeichnis
c) d) e) f)
Eigenhandel Erlaubnisfrei Grenzfälle Die Erforderlichkeit einer Erlaubnis für Betreiber börsenähnlicher Einrichtungen 2. Anzeigepflicht im US-amerikanischen Recht 3. Zulassungserfordernis nach der MiFID 4. Anpassungsbedarf im deutschen Recht 5. Mitzuteilende Informationen II. Governance und Rechtsform 1. Zur Governance von alternativen Handelssystemen 2. Rechtsform von alternativen Handelssystemen und deren Betreibern III. Organisatorische Anforderungen 1. Organisatorische Anforderungen nach europäischem Recht insbesondere Art. 13 MiFID a) Einhaltung der Vorschriften der MiFID und Vermeidung von Interessenkonflikten (Abs. 2 und 3 sowie Art. 18) b) Gewährleistung des Betriebes (Abs. 4) c) Weitere Anforderungen (Abs. 5 und Art. 12 MiFID) . . . d) Konkret zu treffende Maßnahmen (Abs. 10) 2. Organisatorische Anforderungen im US-amerikanischen Recht 3. Vorschriften des WpHG und § 59 Satz l BörsG im Vergleich zu Art. 13 MiFID 4. Bewertung 5. Organisatorische Anforderungen an systematische Internalisierer IV. Zusammenfassung 3. Kapitel: Transparenzvorschriften I. Die Transparenzregeln für multilaterale Handelssysteme nach der MiFID 1. Art. 29 MiFID - Vorhandeistransparenz a) Sachlicher Anwendungsbereich i) Zum Handel an einem geregelten Markt zugelassene Aktien ii) „Über ihre Systeme mitgeteilt" iii) Aktuelle Geld- und Briefkurse und die Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen (1) Erfassung auch von Market-Maker-Systemen . .
321 322 324 324 325 325 326 328 330 330 332 333 333 334 335 335 336
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Inhaltsverzeichnis
(2) Die zu veröffentlichende Markttiefe: Orientierung am Marktmodell b) Ausnahmen von der Transparenzpflicht i) Marktmodell ii) Umfang der Aufträge iii) Art der Aufträge c) Die Pflicht zur Veröffentlichung von Informationen . . . 2. Art. 30 MiFID - Nachhandelstransparenz a) Sachlicher Anwendungsbereich b) Ausnahmen c) Die Veröffentlichung von Informationen 3. Bewertung der Transparenzvorschriften der MiFID für multilaterale Handelssysteme II. Transparenzregeln für börsenähnliche Einrichtungen im deutschen Börsenrecht 1. § 59 Satz l Nr. 4 und Nr. 6 BörsG 2. Vergleich der europarechtlichen Regelungen mit den börsengesetzlichen Vorschriften III. Die US-amerikanische Regelung zur Transparenz 1. Rule 301 (b) (3) SEA 2. Vergleich der deutschen und europarechtlichen Regelungen mit den US-amerikanischen Vorschriften IV. Transparenzregeln für systematische Internalisierer nach der MiFID 1. Veröffentlichung von nichtausgeführten Kundenaufträgen nach Art. 22 Abs. 2 Satz l MiFID 2. Quotierungsverpflichtung für systematische Internalisierer nach Art. 27 MiFID a) Sachlicher Anwendungsbereich i) In der EU zum Handel zugelassene Aktien ii) Liquide und illiquide Aktien iii) „Für die sie systematische Internalisierung betreiben" b) Die Pflicht zur Stellung verbindlicher Kursofferten . . . . i) Möglichkeit einseitiger Kursofferten ii) Fehlende Vorgabe eines Mindestvolumens für Kursofferten iii) Zulässigkeit gespaltener Kursofferten c) Pflicht zur Veröffentlichung verbindlicher Kursofferten . d) Rücknahme von veröffentlichten Kursofferten e) Preisverbesserung bei der Ausführung von Kundenorders f) Zusammenfassung und Bewertung 3. Nachhandelstransparenz - Art. 28 MiFID
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Inhaltsverzeichnis
a) Inhalt und Konkretisierung von Art. 28 MiFID b) Bewertung V. Zusammenfassung 4. Kapitel: Handelsteilnehmer und der Zugang zum Handel I. Die Begriffsbestimmungen der MiFID: Professionelle Kunden, Kleinanleger, geeignete Gegenparteien II. Die Regelung des Zugangs zu multilateralen Handelssystemen 1. Zugangsbeschränkungen a) Europarechtliche Regelungen - Art. 14 Abs. 4 i. V. m. Art. 42 Abs. 3 MiFID b) Keine Regelung im Rahmen von §§ 58 ff. BörsG c) Anpassungsbedarf bei den Vorschriften für börsenähnliche Einrichtungen i) Die Regelung für Börsen nach § 16 BörsG ii) § 16 Abs. 4 Satz l BörsG im Vergleich zu Art. 42 Abs. 3 MiFID iii) Zukünftig weite Regelung für börsenähnliche Einrichtungen 2. Pflicht zur Zugangsgewährung a) Rule 301 (b) (3): Zugang für Marktteilnehmer der jeweiligen Börse b) Rule 301 (b) (5): Zugang für alle Marktteilnehmer . . . . c) Keine Einführung einer Pflicht zur Zugangsgewährung im deutschen Recht III. Zugang zu systematischen Internalisierern nach der MiFID . . 1. Zugang zu verbindlichen Kursofferten 2. Beschränkungen nur bei Veröffentlichungen über Systeme Dritter? IV. Überblick über die Pflicht zur kundengünstigsten Ausführung von Aufträgen 1. Die Pflicht zur kundengünstigsten Ausführung von Aufträgen gemäß Art. 21 MiFID 2. Best Execution in den USA 3. Probleme bei einer Verpflichtung zur kundengünstigsten Auftragsausführung V. Kurzer Überblick über das Vertragsverhältnis zwischen Teilnehmern und Betreibern außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme 1. Zulassung zum Handelssystem 2. Zusätzliche Dienstleistungen
369 371 371 373 374 376 376 376 377 377 378 379 380 383 383 384 385 387 387 388 389 389 390 393
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Inhaltsverzeichnis
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3. Anwendbarkeit der Bestimmungen über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen und des Teledienstegesetzes . . . 397 4. Vertragsbeziehungen zu ausländischen Systemen und Nutzern 398 VI. Informationspflichten gegenüber Marktteilnehmern 401 1. Informationen über das Handelssystem 401 2. Informationen über Anlagen (MiFID) 403 3. Informationspflichten systematischer Internalisierer 404 VII. Zusammenfassung 404 5. Kapitel: Die Gewährleistung des Handels und die Preisfeststellung . 406 I. Einbeziehung von Finanzinstrumenten bzw. börsenmäßig handelbaren Gegenständen 406 II. Sicherstellung eines fairen und ordnungsmäßigen Handels . . . 407 III. Sicherstellung einer effizienten und ordnungsgemäßen Preisermittlung 409 1. Preisfeststellungsregeln 411 2. Ordnungsmäßiges Zustandekommen von Preisen 412 a) Gebot der Kurswahrheit 412 b) Gebot der Chancengleichheit 413 c) Verpflichtung zur Einrichtung von Sicherungsmechanismen 414 3. Preisimport 414 4. Keine Erstreckung auf bilaterale Systeme 416 IV. Überwachung des Handels 417 V. Verhinderung von Manipulationen 419 VI. Aufzeichnungspflichten 420 VII. Abwicklung 421 VIII. Zusammenfassung 422 6. Kapitel: Aufsicht - Zuständigkeit, Befugnisse und internationale Zusammenarbeit I. Zuständigkeit deutscher Aufsichtsbehörden - der Betrieb im Inland 1. Serverstandort 2. Sitz des relevanten Marktes a) Targeting Approach b) Regelungen in Deutschland c) Exkurs: §§ 37i ff. WpHG und ATSs d) Bewertung des Targeting Approach 3. Sitz des Betreibers II. Fachliche Zuständigkeit innerhalb Deutschlands
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XXIV
Inhaltsverzeichnis
III. Befugnisse und Mittel der Börsenaufsicht 1. Inhalt und Umfang der Aufsicht nach deutschem Recht . . 2. Anordnungsbefugnisse 3. Sonstige Befugnisse 4. Entzug der Zulassung bzw. Untersagung des Betriebs . . . . 5. Befugnisse gegenüber systematischen InternaHsierern . . . . IV. Zusammenarbeit der europäischen Behörden nach der MiFID 1. Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung 2. Grundsatz der Herkunftslandkontrolle 3. Überblick über die Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten 4. Anpassungsbedarf im deutschen Recht V. Internationale Zusammenarbeit 1. Mögliche Formen der Regulierung international tätiger alternativer Handelssysteme 2. Bewertung der Umsetzbarkeit VI. Zusammenfassung
435 435 436 438 440 441 441 442 443 444 445 446 447 448 449
Zusammenfassende Thesen
451
Literaturverzeichnis
459
Register
495
Abkürzungsverzeichnis ... gesetz anderer Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Absatz (Absätze) Abschnitt(e) Administrative Law Review The American Economic Review Association Francaise des Entreprises d'Investissement Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft/Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen ähnlich Aktuelle Juristische Praxis Aktiengesetz American Business Law Journal amtlich Anhang Anmerkung Association of Private Client Investment Managers and Stockbrokers Apr. April Art. Artikel ÄSE Athens Stock Exchange Assosim Associazione Italiana Intermediari Mobiliar! (Italian Association of Financial Intermediaries) ATS Alternative Trading System Auflage Aufl. B2B Business-to-Business BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BAKred Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bank. & Fin. L. Rev. Banking and Finance Law Review Betriebs-Berater BB BBA Britisch Bankers Association BBO Best Bid and Offer Bd. Band Begr. Begründung/Begründer BegrRegE Begründung zum Regierungsentwurf Beil. Beilage Bell J. Econ. & Man. Sc. Bell Journal of Economics and Management Science BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis BGB Bürgerliches Gesetzbuch
...G A.AVa.A. a.a.O. a. E. a. F. AB1EG AB1EU Abs. Abschn. Admin. L. Rev. AER AFEI AG AGB ähnl. AJP/PJA AktG Am. Bus. L.J. amtl. Anh. Anm. APCIMS
XXVI
Abkürzungsverzeichnis
BGB1. BGH BGHZ
Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bank for International Settlements Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands Börsenordnung Börsengesetz Börsenzeitung Drucksachen des Bundesrats Bundesregierung Börsensachverständigenkommission beispielsweise Drucksachen des Deutschen Bundestages Bankrecht und Bankpraxis The Business Lawyer Bundeswertpapieraufsicht (Österreich) bezüglich beziehungsweise Common Market Law Review Code of Federal Regulations California Law Review Cases Catholic University Law Review Commerce Clearing House (Publisher) Confederacion Espanola de Cajas de Ahorros (Spanish Confederation of Savings Banks) Committee of European Securities Regulators chapter(s) Circuit Central Limit Order Book Comissäo do Mercado de Valores Mobiliärios (Portuguese Securities Market Commission) Company Columbia Business Law Review Columbia Journal of European Law Columbia Law Review Cornell International Law Journal Cornell Law Review Corporation Council of Securities Regulators of the Americas Consolidated Quotation System Computer und Recht Operator of CREST (Realtime-Settlement-System) Copenhagen Stock Exchange Consolidated Tape System
BIS BKR BÖBD BörsenO BörsG BörsZ BR-Drucks. BReg BSK bspw. BT-Drucks. Büß Bus. Law. BWA
bzgl. bzw. C. M. L. Rev. C.F.R. Calif. L. Rev. Cas. Cath. U. L. Rev. CCH CECA CESR eh. Cir. CLOB CMVM
Co. Colum. Bus. L. Rev. Colum. J. Eur. L. Colum. L. Rev. Cornell Int. L. J. Cornell L. Rev. Corp. COSRA CQS CR CREST CSE CTS
Abkürzungsverzeichnis
D.C. Cir. d.h. DAI DB DBW Dec. ders. DG dies. Diss. DJT DJZ Doc. DSG DStR Duke L. J. E.C./EC EAMA EBOR EBS ECN Ed./Eds. EEC EG EGBGB endg. ERCL etal. et seq. etc. EU EuZW EWG EWiR EWR f./ff.
F.2d F.3d FAJ FAZ FBE FBF Feb. Fed. R. Serv. Fed. Sec. L. Rep. FESCO FESE
XXVII District of Columbia Circuit das heißt Deutsches Aktieninstitut e.V. Der Betrieb Die Betriebswirtschaft December derselbe Directorate General dieselbe(n) Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Juristen-Zeitung Document Deutscher Sparkassen- und Giroverband Deutsches Steuerrecht Duke Law Journal European Community European Asset Management Association European Business Organization Law Review The EBS Partnership Electronic Communication System Edition/Editor(s) European Economic Community Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch endgültig European Review of Contract Law et alii et sequens/et sequentia et cetera Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum folgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Financial Analysts Journal Frankfurter Allgemeine Zeitung Federation Bancaire de l'Union Europeenne (Belgien) Federation Bancaire Francaise Februar/February Federal Rules Service Federal Securities Law Reporter Forum of European Securities Commissions Federation of European Stock Exchanges
XXVIII Fin. M. Reg. C. L. FinA Fla. L. Rev. FMA FMFG Fn. FNH FOA FR FS FSAP FWB GewO GmbH GWB Harv. L. Rev. Hdb. HELEX HEX HGB HJWG
Hrsg. I.C.C.L.R. i. V. m. IDB IFLR IMA Inc. insb. Int. J. Ind. Org. IOSCO Iowa J. Corp. L. IPMA IPO IPRax IPR ISDA ISMA ITG ITS IWF J. Bank. & Fin. J. Corp. L. J. F. R.& C. J. Fin.
Abkürzungsverzeichnis Financial Market Regulation and Company Law Finanzaussschuss Florida Law Review Finanzmarktaufsicht (Österreich) Finanzmarktförderungsgesetz Fußnote(n) Finansnaeringens Hovedorganisasjon (Norwegian Financial Services Association) Futures and Options Association Federal Register Festschrift/Federal Supplement Financial Services Action Plan Frankfurter Wertpapierbörse Gewerbeordnung Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Harvard Law Review Handbuch Hellenic Exchanges HEX plc./Helsinki Stock Exchange Handelsgesetzbuch Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik Herausgeber International Company and Commercial Law Review in Verbindung mit Inter-Dealer Broker International Financial Law Review Investment Management Association Incorporation insbesondere International Journal of Industrial Organization International Organization of Securities Commissions Iowa Journal of Corporation Law International Primary Market Association Initial Public Offering Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Internationales Privatrecht International Swaps and Derivatives Association International Securities Market Association Investment Technology Group Intermarket Trading System Internationaler Währungsfond Journal of Banking and Finance Journal of Corporation Law Journal of Financial Regulation and Compliance The Journal of Finance
Abkürzungsverzeichnis J. Fin. Econ. J. Fin. Intermediation J. Fin. Markets J. Fin. & Quant. Anal. J. L. & Econ. J. Leg. Stud. J. Marshall L. Rev. J. Pol. Econ. Jan. Jb.J.ZivRWiss JgJITE JNPÖ JPM Jul. Jun. JZ Kap. KapitalanlageR KOM krit. KWG Kz. Law & Pol'y Int'l Bus. LI B A LIFFE lit. LMA LME Losebl. Loy. U. Chi. L.J. LSE m.w.N. Mass. MiFID Mio. MMR Mrd. MTF MüKo N N.E. n. F. NVwZ N. .L. Seh. L. Rev. N. . U. J. Legis. & Pub. Pol'y
XXIX Journal of Financial Economics Journal of Financial Intermediation Journal of Financial Markets The Journal of Financial and Quantitative Analysis Journal of Law and Economics Journal of Legal Studies John Marshall Law Review Journal of Political Economy Januar/January Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Jahrgang Journal of Institutional and Theoretical Economics Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie Journal of Portfolio Management Juli/July Juni/June Juristenzeitung Kapitel Kapitalanlagerecht Europäische Kommission kritisch(e) Kreditwesengesetz Kennzahl Law and Policy in International Business London Investment Banking Association London International Financial Futures Exchange litera Loan Market Assocation London Metal Exchange Loseblatt Loyola University Chicago Law Journal London Stock Exchange mit weiteren Nachweisen Massachussetts Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente Million(en) MultiMedia und Recht Milliarde(n) Multilateral Trading Facility Münchener Kommentar Nummer North East neue Fassung Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht New York Law School Law Review New York University Journal of Legislation and Public Policy
XXX N.Y.U. L. Rev. NASD NASDAQ NBBO NFMF NJW NMS No./No No-Act. Nov. Nr(n). NSMIA Nw. J. Int'l L. & Bus. Nw. U. L. Rev. NYSE NZG NZZ ÖBA OTC P· P.L.
Para(s) Pens. Plan Guide PLI PLI/Corp. PrOVGE
Pub. Fin. Pub. L. Q. J. Econ. RabelsZ Rdn. Rev. Econ. & Stat. Rev.
Rev. Fin. Stud RGZ RIW S. Cal. L. Rev. S. s. s.o. SCLV
Abkürzungsverzeichnis New York University Law Review National Association of Securities Dealers National Association of Securities Dealers Automated Quotation System National Best Bid and Offer Norges Fondsmeglerforbund (The Norwegian Securities Dealers Association) Neue Juristische Wochenschrift National Market System Number No-Action November Nummer(n) National Securities Markets Improvement Act Northwestern Journal of International Law and Business Northwestern University Law Review New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zürcher Zeitung Österreichisches Bankarchiv Over the Counter page Public Law Paragraph(s) Pension Plan Guide Practising Law Institute Practising Law Institute - Corporate Law and Practice Course Handbook Series Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Public Finance Public Law The Quarterly Journal of Economics Rabeis Zeitschrift Randnummer The Review of Economics and Statistics Review The Review of Financial Studies Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Southern California Law Review Seite(n)/Satz (Sätze) siehe/section siehe oben Sociedad de Gestion de los Sistemas de Registro, Compensacion y Liquidacion de Valores (Spanish Clearing and Settlement System)
Abkürzungsverzeichnis SEA SEC/S.E.C. Sec. Sep. SIPC sog. Sonderbeil. Sp. SRO Stan. J. L. Bus & Fin. Stat. SZVS TBMA TDG Trad. Mag. Tz.
U. Chi. L. Rev. U. 111. L. Rev. U. Pa. J. Int.'l Bus. L. U. Pa. J. Int'l Econ. L.
u.a. U.S. App. D.C. U.S. Unterabs. USA v. Va. L. Rev. VerkProspG vgl. Vol. Vorbem.
VVDStRL Wash. & Lee L. Rev. Wash. U. L. Q. WD WL WLR WM WpDRL WPg. WpHG WS Yale L. & Pol'y Rev. Yale L. J. z.B.
XXXI Securities Exchange Act Securities and Exchange Commision Section September Securities Investor Protection Corporation so genannt(e/en/er/es) Sonderbeilage Spalte Self Regulating Organization Stanford Journal of Law, Business & Finance United States Statutes at large Schweizer Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik The Bond Market Association Teledienstegesetz Traders Magazine Textziffer University of Chicago Law Review University of Illinois Law Review University of Pennsylvania International Business Law University of Pennsylvania Journal of International Economic Law und andere/unter anderem U.S. Court of Appeals for District of Columbia United States Unterabsatz United States of America versus/vom/von Virginia Law Review Verkaufsprospektgesetz vergleiche Volume Vorbemerkung(en) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Washington and Lee Law Review Washington University Law Quarterly Wirtschaftsdienst Westlaw Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftliches Studium Yale Law & Policy Review Yale Law Journal zum Beispiel
XXXII z.T. ZBB ZEuP ZfgKrW ZfgStW ZGR ZHR ZIP
Abkürzungsverzeichnis zum Teil Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift recht Zeitschrift
für Bankrecht und Ban k Wirtschaft für Europäisches Privatrecht für das gesamte Kreditwesen für die gesamte Staatswissenschaft für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsfür Wirtschaftsrecht
Einleitung I. Fragestellung Auf dem Kapitalmarkt haben die Entwicklungen der letzten Jahre zu einer Reihe von rapiden Veränderungen geführt. Nicht nur der technologische Fortschritt, sondern auch die wachsende Bedeutung institutioneller Investoren ' im Rahmen einer weiter fortschreitenden ökonomischen Globalisierung, haben zu der Entstehung von außerbörslichen Wertpapierhandelssystemen, so genannten alternativen Handelssystemen oder Alternative Trading Systems (ATSs), beigetragen.2 Diese sind in den USA bereits zur stärksten Konkurrenz der traditionellen Börsen aufgestiegen. Aber auch in Europa stellt das Auftauchen von ATSs die traditionellen Börsen und die Aufsichtsbehörden vor neue Herausforderungen: Neue Computertechnologien erleichtern privaten Unternehmen die Gründung von alternativen Handelssystemen, gleichzeitig sorgt eben jene Technologie auch für die Attraktivität solcher Systeme. Sie erlaubt längere Handelszeiten, schnellere Transaktionen und - je nach Ausgestaltung des entsprechenden Systems - größere Anonymität für (vorwiegend) institutionelle Investoren. Daher wenden diese sich vermehrt dem Handel über alternative Handelssysteme zu.3 Die Globalisierung der Märkte gibt den Anlegern die Möglichkeit, grenzüberschreitende Wertpapierdienstleistungen in Anspruch zu nehmen und fördert damit auch die Verbreitung alternativer Handelssysteme.4
1 Institutionelle Investoren handeln mit vergleichsweise großen Ordervolumina und verfügen regelmäßig über ein besonderes Know How in Bezug auf den Wertpapierhandel. Zur Institutionalisierung RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (l48ff.); GerkelBanklSteiger, Changing Role, in Hopt/Wymeersch, Capital Markets, S. 357ff.; Zufferey, Regulation, Rdn. 400f. (S. 18f.). Dazu unten 1. Teil: 2. Kapitel: III. 2. a. 2 Baum, EBOR 2004, 677 (685); Hopt/Baum, WM 1997 Sonderbeil. Nr. 4, S. 3; ausführlich RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (146ff.); Zufferey, Regulation, Rdn. lOOff. (S. 9f.); Prigge, Recent Developments, in Hopt/Wymeersch, Capital Markets, S. 47 ff. (insb. 48, 62 f.). Zu den verschiedenen Kapitalmarkttrends auch Coffee, 52 Bus. Law. 1195 ff. (1997); Roggemann, ZfgKrW 2002, 302 (303 f.). 3 Zufferey, Regulation, Rdn. 401 (S. 19). Siehe auch Hopt/Baum, WM 1997 Sonderbeil. Nr. 4, S. 3. 4 Hopt/Baum, WM 1997 Sonderbeil. Nr. 4, S. 3; Zufferey, Regulation, Rdn. 206 (S. 14). Für einen kurzen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten für neue Dienstleistungen im Internet Birkelbach, Die Bank 1996, 424ff.
2
Einleitung
Gerade die Vielfältigkeit und die damit verbundenen Besonderheiten dieser Systeme, erschwert ihre Einordnung in kapitalmarktrechtlicher Hinsicht. Die Folgen davon sind Regulierungsprobleme. Nach mehreren Anläufen hat deshalb die Securities and Exchange Commission (SEC) in den USA als erste eine umfangreiche Regulierung alternativer Handelssysteme eingeführt.5 Auch in Deutschland und Europa entwickelten sich seither Regelungen, die im Börsengesetz und nun auch in der europäischen Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente6 (MiFID) ihren Niederschlag gefunden haben. Erste Regulierungen von alternativen Handelssystemen waren noch von einer gewissen Zurückhaltung geprägt, doch wurden die Vorgaben zunehmend detaillierter und umfassender und näherten sich immer stärker den Bestimmungen für Börsen an. Höhepunkt dieser Entwicklung war die im April 2004 in Kraft getretene europäische Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, die innerhalb von zweieinhalb Jahren in deutsches Recht umzusetzen ist.7 Zusammen mit den noch zu erlassenden Durchführungsmaßnahmen der EU-Kommission, welche in der Richtlinie vorgesehen sind und für die bereits Vorschläge vorliegen,8 enthält die Richtlinie ein detailliertes und ausdifferenziertes Regulierungsregime für alternative Handelssysteme. Dies führt zu einem erheblichen Anpassungsbedarf im deutschen Recht. In der vorliegender Arbeit wird daher der Frage nachgegangen, wohin die rechtliche Entwicklung im Kapitalmarktrecht führen wird, wie eine optimale Gestaltung der Regulierung alternativer Handelssysteme aussehen 5 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844 (Dec. 22, 1998); Rice, 21 U. Pa. J. Int'l Econ. L. 585, 600ff. (2000). 6 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/ EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, AB1EU. 2004 Nr. L 145 vom 30.04.2004, S. 1. Hinsichtlich der Literatur hierzu siehe Fn. 860. 7 Art. 70, 72 MiFID. Zur Verlängerung der zunächst vorgesehenen zweijährigen Umsetzungsfrist um ein halbes Jahr sowie der Verlängerung der Frist für den Einhaltungstermin für die beaufsichtigten Wertpapierfirmen um ein weiteres halbes Jahr siehe EU Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente in Bezug auf bestimmte Fristen, KOM(2005) 253 endg., 2005/0111 (COD), vom 14.06.2005. 8 CESR, CESR's Technical Advice on Possible Implementing Measures of the Directive 2004/39/EC on Markets in Financial Instruments, 1st Set of Mandates where the deadline was extended and 2nd Set of Mandates, April 2005, CESR/05290 b.
Einleitung
3
könnte und wie sich die Vorgaben der europäischen Richtlinie in das deutsche Recht umsetzen lassen. Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht mithin zunächst eine Analyse der Bestimmungen der europäischen Richtlinie. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass jene Richtlinie bis - so der gegenwärtige Stand - Oktober 2006 in deutsches Recht umgesetzt werden muss, bisher aber nur rudimentäre Ansätze einer Regelung von alternativen Handelssystemen im Börsengesetz zu finden sind. Inhalt dieser Untersuchung ist es, Vorschläge nicht nur für eine möglichst praktikable Umsetzung der MiFID in deutsches Recht sondern auch insgesamt für ein angemessenes deutsches Regulierungsregime für alternative Handelssysteme zu unterbreiten. Dabei wird auch ermittelt, welche zwingenden Vorgaben die Richtlinie enthält, und welche Freiräume sie andererseits für eine nationale Gestaltung belässt. Von besonderer Bedeutung für die Regulierung und damit auch für die vorliegende Untersuchung sind die rechtlichen Begriffsbestimmungen für die Systeme und ihre Einordnung in die bereits existierende Regulierung von Börsen und Intermediären. Daher gilt es, geeignete Definitionen für die erfassten alternativen Handelssysteme, aber auch für den Börsenbegriff, zu finden, um eine eindeutige Abgrenzung und damit eine zuverlässige Regulierung zu ermöglichen. Schließlich werden im Rahmen der Untersuchung auch die Regelungen für alternative Handelssysteme in den USA rechtsvergleichend berücksichtigt, weil es für eine Analyse kapitalmarktrechtlicher Fragestellungen nahezu unumgänglich ist, auch die US-amerikanischen Bestimmungen einzubeziehen. Die Regelungen und Problemlösungen der SEC finden weltweit Beachtung und dienen vielen Ländern, auch Deutschland, oft als Vorbild für eigene Regelungen. Insbesondere im Hinblick auf die Regulierung alternativer Handelssysteme ist eine Betrachtung der US-amerikanischen Regelungen wichtig, weil die SEC als erste Aufsichtsbehörde eine komplexe Regulierung alternativer Handelssysteme erlassen hat. Noch heute sind die meisten alternativen Handelssysteme in den USA beheimatet, so dass die US-amerikanischen Regelungen weit reichende Auswirkungen haben.
II. Vorgehensweise Die Untersuchung gliedert sich in vier Teile. Zunächst werden die rechtstatsächlichen Entwicklungen vorgestellt. Neben einer eingehenden Betrachtung der vielfältigen Erscheinungsformen von alternativen Handelssystemen erfolgt ein Vergleich mit den Börsen und eine Darstellung von deren Funktionen. Außerdem werden die Qualitätsmerkmale für Wertpapiermärkte vorgestellt, auf die im Verlauf der Untersuchung immer wieder
4
Einleitung
zurückgegriffen wird. Im Anschluss werden die regulierungstheoretischen Grundlagen erarbeitet. Dazu gehören insbesondere die Voraussetzungen für die Feststellung des Regulierungsbedarfs und die Art der Regulierung. Daran schließt sich eine Untersuchung an, inwieweit diese Voraussetzungen bei alternativen Handelssystemen vorliegen und es daher Gründe für eine Regulierung gibt. Der zweite Teil gibt einen rechtsvergleichenden Überblick über die Rechtslage und deren Entwicklung in den USA, Europa und Deutschland. Der dritte Teil dient der Auseinandersetzung mit den Begriffen und Legaldefinitionen, die für die Regulierung alternativer Handelssysteme eingeführt worden sind, um die Eingriffsschwelle für die Regulierung zu markieren. Zunächst werden die gegenwärtig existierenden Begriffe und Legal defmitionen im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht analysiert und miteinander verglichen. Mit Blick auf das deutsche Recht wird sodann die Möglichkeit einer adäquaten Abgrenzung des im deutschen Recht verwendeten Begriffs der börsenähnlichen Einrichtung vom Börsenbegriff analysiert. Im Anschluss daran werden Vorschläge für eine rechtliche Definition des Börsenbegriffs und für rechtliche Begriffsbestimmungen für alternative Handelssysteme sowie ein Vorschlag für einen möglichen Regulierungsaufbau unterbreitet, der alternative Handelssysteme angemessen berücksichtigt. Der vierte Teil dient der rechtsvergleichenden Untersuchung der für bestimmte Arten von alternativen Handelssystemen eingeführten Regelungen im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht. Ergänzt wird sie durch eine ökonomische Perspektive. Zunächst wird die Einbindung von alternativen Handelssystemen in den Kapitalmarkt systematisch dargestellt. Danach widmet sich die Untersuchung den Regelungen, welche das einzelne Handelssystem betreffen. Hierzu gehören die Vorgaben zur Betriebsaufnahme und Organisation, die Transparenzpflichten, die rechtlichen Regelungen über den Zugang zu den Systemen und die Informationspflichten der Betreiber gegenüber den Nutzern sowie die Bestimmungen über die Regelung des Handelsgeschehens selbst, wobei insbesondere die Preisermittlung eine wesentliche Rolle spielt. Zum Abschluss werden die staatliche Aufsicht und die damit zusammenhängenden Bestimmungen über die Zuständigkeit und Befugnisse sowie die internationale Zusammenarbeit in den Blick genommen.
I.Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme und die Notwendigkeit ihrer Regulierung
l. Kapitel: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt In Abgrenzung zu den traditionellen Börsen hat sich für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme der Begriff „alternative Handelssysteme" (engl. Alternative Trading Systems, kurz ATSs) herausgebildet. Der Begriff „alternatives Handelssystem" wird zumeist als Oberbegriff für eine Vielzahl verschiedenster elektronischer Systeme unterschiedlichster Ausprägung und Funktionsweise verwendet.9 Die Spannweite dieser Systeme, die stets auf elektronischen Plattformen basieren, reicht von einfachen Websites, auf denen Kauf- und Verkaufswünsche wie an einer Pinnwand veröffentlicht werden und die nur den ersten Kontakt zwischen den Marktteilnehmern herstellen, den eigentlichen Vertragsabschluss aber den Parteien überlassen (so genannte Inseratsysteme oder Bulletin Boards), bis zu hochkomplexen, für eine Vielzahl interagierender Teilnehmer zugänglichen Marktsystemen.10 Zu letzteren gehören Handelssysteme, wie z.B. Instinct" oder Inet 12 , die ihren Marktteilnehmern ermöglichen, Orders13 mit vorgegebenen Limitpreisen in 9 Dornau, Handelssysteme, S. 22; Baum, Technological Innovation, in Kono/Paulus/Rajak, Legal Issues, S. 99 (106); Schwark in Schwark, KapitalmarktrechtsKommentar, Vorbem. §§ 58-60 BörsG, Rdn. 1; Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 760 (1999); Korhonen, ATSs Concepts, Bank of Finland Discussion Papers, 24/2001, S. 9ff.; von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213 (1214). 10 Vgl. BSK, Empfehlungen, S. 4fT.; BWA, Positionspapier, S. 4f.; Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Vorbem. §§ 58-60 BorsG, Rdn. 2; Spindler, WM 2002, 1325 (1327); ders., Wertpapierhandelssysteme, in FS Druey, S. 923 (925); Dornau, Handelssysteme, S. 23. 11 Instinct ist das weltweit größte und das älteste ATS. Es wurde 1969 gegründet und später von Reuters übernommen. Zu Instinct siehe http://www.instinet.com/ operations/about.shtml. Zu Instinct vgl. etwa auch Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 70f.; von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213 (1214 ); Vaupel, RIW 1995, 568 (570f.). 12 Inets Website ist http://www.inetats.com. Bis 17.11.2003 Island Trading System, siehe http.//www.sec.gov/divisions/marketreg/mr-noaction/inet040204.htm. Für weitere Informationen zu Island siehe http://www.island.com/files/pdfs/corp/ atsfiling.pdf. Seit 08.12.2005 ist Inet Teil der NASDAQ, nachdem diese Inet übernommen hat. Siehe http://www.inetats.com/about/index.asp 13 Als Order wird der Auftrag eines Anlegers bezeichnet, eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren zu kaufen oder zu verkaufen. Eine Order beinhaltet alle für einen Handelsabschluss erforderlichen Daten, wie etwa die genaue Bezeichnung des Wertpapiers, die gewünschte Menge (das Volumen oder die Stückzahl), evtl. ein Kauf- bzw. Verkaufslimit, den Namen des Auftraggebers und Angaben, die nachfolgend für die Abwicklung des Handelsgeschäftes benötigt werden, wie z. B.
8
l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
das Handelssystem einzustellen und sie automatisch mit korrespondierenden Orders anderer Marktteilnehmer zusammenzuführen (so genanntes Matching). Welche vielfältigen Strukturen dabei entwickelt worden sind, lässt sich an Systemen bzw. Marktmechanismen, wie dem von OptiMark14, sehen, der es erlaubt, ganze Orderprofile15 einzugeben.16 Einführend wird ein kurzer allgemeiner Überblick über ATSs gegeben (dazu unter I). Danach erfolgt ein Überblick über die verschiedenen Arten von ATSs (dazu unter II). Daran anschließend werden die besonderen Vorteile dieser Systeme beschrieben, die ihre Verbreitung insbesondere in den USA gefördert haben (dazu unter III). ATSs wurden zunächst in der Regel als Broker bzw. Intermediäre eingestuft, doch boten sie vielfach Dienstleistungen an, die denjenigen der Börsen vergleichbar waren. Mit der Zeit orientierte sich die Regulierung daher zunehmend an den Börsenbestimmungen. Aus diesem Grund soll (unter IV) kurz auf die Dienstleistungen von Börsen sowie ihre Funktion im Rahmen des Kapitalmarktes eingegangen werden. Abschließend sollen die von der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung für die Einschätzung von Märkten entwickelten Leistungskriterien vorgestellt werden, weil diese im Folgenden immer wieder eine Rolle spielen werden (dazu unter V).
I. Allgemeines Alternative Handelssysteme traten zuerst in den USA auf, und auch heute existieren dort weltweit noch die meisten. Das älteste Handelssystem ist das Instinct Handelssystem der Instinct Corp.17, das 1969 gegründet wurde. Alternative Handelssysteme entstanden aus dem außerbörslichen Handel großer Ordervolumen institutioneller Investoren, dem so genannten Blockhandel.18 Während der Handel über außerbörsliche Systeme anfangs noch
14 15
16
17 18
die Kontoverbindung des Auftraggebers. Vgl. Picotl'Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 50. OptiMarks Website: http://www.optimark.com. So genannte „Satisfaction Profiles". Diese Profile listen die einzelnen Handelsabsichten des jeweiligen Handelsteilnehmers für jeden Punkt auf einer Preis-Volumen Matrix auf. Siehe auch SEC, Filing of Proposed Rule Change by Pacific Exchange Inc., Re: OptiMark, Release No 34-38740, 1997 SEC Lexis 1272 (June 13, 1997). Zur Beschreibung des OptiMark Handelsmechanismus siehe SEC, Filing of Proposed Rule Change by Pacific Exchange Inc., Re: OptiMark, Release No 3438740, 1997 SEC Lexis 1272 (June 13, 1997). Instincts Website: http://www.instinet.com. Dornau, Handelssysteme, S. 5. Ein so genannter Blocktrade ist eine Transaktion einer größeren Menge an Finanzinstrumenten, typischerweise mit einem Mini-
l. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
9
über das Telefon stattfand, wurde er seit Ende der achtziger Jahre zunehmend auf elektronische Systeme verlagert, weil der technologische Fortschritt immer schnellere und effizientere Abwicklungen möglich werden ließ.19 Heute existiert eine Vielzahl von ATSs, die mit den traditionellen Börsen konkurrieren.20 Nachdem viele dieser ATSs Ende der neunziger Jahre gegründet wurden und die größten von ihnen zwischenzeitlich gemeinsam bis zu ca. 50% des Handelsvolumens von an der NASDAQ gelisteten Aktien auf sich vereinen konnten,21 hat mittlerweile eine Phase der Konsolidierung eingesetzt.22 So kam es zu Fusionen zwischen ATSs, wie z.B. zwischen Archipelago und REDIbook im Jahre 2002.23 Die bereits seit 2000 bestehenden Verbindungen von Archipelago zur Pacific Exchange wurden parallel dazu intensiviert und bis 2003 der komplette Wertpapierhandel auf die von diesen beiden Unternehmen neu errichtete elektronische Börse Archipelago Exchange (ArcaEx)24 übertragen.25 Im März 2006 fusionierte schließlich die Archipelago Holdings, Inc. mit der New York Stock Exchange, Inc. zur NYSE Group. Damit wurde ArcaEx Teil der NYSE.26 Auch die NASDAQ übernahm verschiedene ihrer Konkurrenten, wie das ATS Brut im September 2004 und Inet im Dezember 2005.27
19 20
21 22 23 24 25 26
27
mum von 10.000 Stück (bei Aktien) oder $ 200.000 (bei Anleihen). Vgl. Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 43; Shapiro, U.S. Equity Markets, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 19 (32). Zum Blockhandel Liersch, Regulierung; Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, S. 44flf.; Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 43 ff., der eine ausführliche ökonomische Betrachtung der Transaktionskosten des Blockhandels gibt; Harris, Consolidation, in Schwarz, Global Equities Markets, 269 (279f.); Kraus/Stall, 27 J. Fin. 569ff. (1972). Dornau, Handelssysteme, S. 5; Baum, Technological Innovation, in Kono/Paulus/Rajak, Legal Issues, S. 99 (104). Bereits in ihrem ATS-Concept Release teilte die SEC mit, dass ihr mehr als 140 Broker-Dealer mitgeteilt hätten, dass sie irgendeine Form von ATS betreiben würden, siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30489 Fn. 14 (Jun. 4, 1997). Siehe Deutsche Bank Research, Economics, No 47, vom 11.01.2005, S. 7 (Angaben von Mai 2004). Deutsche Bank Research, Economics, No 47, vom 11.01.2005, S. 7; Handelsblatt vom 26.04.2005, S. 20. Siehe dazu http://www.archipelago.com/inside/story.asp. ArcaEx Website: http://www.arcaex.com. Siehe dazu http://www.archipelago.com/inside/story.asp. Siehe dazu den Press Release „NYSE/Archipelago Merger Gains Final SEC Approval" unter http://investor.archipelago.com/phoenix.zhtml?c= 140290&p= irol-newsArticle&ID=822979&highlight=. Zur Übernahme von Brut siehe Deutsche Bank Research, Economics, No 47, vom
10
l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
Grundsätzlich sind alternative Handelssysteme private Unternehmen. Eigentümer von ATSs sind vor allem Broker und Investmentbanken, wie z. B. E*trade, Merrill Lynch und Goldman Sachs. Aber auch Investmentfonds, wie z. B. Fidelity, und Nachrichtengesellschaften, wie z. B. Bloomberg,28 haben sich an ATSs beteiligt oder ihr eigenes Handelssystem gegründet.29 Einige Unternehmen sind sogar an mehreren ATSs gleichzeitig beteiligt.30 Sogar Börsen haben eigene ATSs errichtet.31 Viele ATSs - zumindest die komplexeren Systeme - bieten Dienstleistungen ähnlich einer Börse an und konkurrieren so mit den etablierten Börsen. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Börsen bieten sie ihre Dienstleistungen jedoch nicht ihren Mitgliedern an, sondern verkaufen sie an ihre Kunden, um auf diese Weise Gewinne zu erzielen.32 Im Gegensatz zu Börsen besitzen die meisten ATSs keine eigenen Systeme zur nachfolgenden Abwicklung von Transaktionen.33 Sie haben keine von der Börsenaufsicht genehmigte Börsenordnung, sondern schließen privatrechtliche Verträge mit ihren Kunden.34 Kunden von ATSs waren zu Anfang und sind auch heute noch in der Regel
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31
32 33 34
11.01.2005, S. 8; zur Übernahme von Inet am 08.12.2005 siehe http://www.inetats. com/about/index.asp. Bloomberg ist der Betreiber von Tradebook. Tradebooks Website ist http://www. bloombergtradebook.com. Für eine Beschreibung von Tradebook siehe http://about.bloomberg.com/pressctr/factsheets/tradebook.pdf. Vgl. auch Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 56; Gruberl Grünbichler, ÖBA 2000, 769 (771); Neubauer, Die Bank 2001, 104 (105); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 301 (1995). Für eine Übersicht siehe Prigge, Recent Developments, in Hopt/Wymeersch, Capital Markets, S. 47 (60f.). Dass sich auch europäische Unternehmen für ATSs in den USA interessieren, zeigt das Beispiel der Banque Nationale des Paris, die 1999 als erstes europäisches Unternehmen bei Archipelago einstieg. Vgl. „Unit of BNP takes stake in an ECN", Wall Street Journal vom 01.12.1999, S. 13. Vgl. z.B. Eurex-Bonds, eine Handelsplattform der Eurex-Bonds GmbH, die ein Joint Venture der Eurex Frankfurt AG (ca. 70% Anteil) und verschiedener Banken ist. Die Eurex Frankfurt AG wiederum gehört über die Eurex Zürich AG mittelbar der Deutschen Börse AG und der Schweizer Börse, vgl. Eurex Bonds Brochure, Neue Ziele für Ihr Bond-Trading, vom 04.03.2005, abrufbar unter www.eurex-bonds.com —> publications. Vgl. dazu auch Prigge, Recent Developments, in Hopt/Wymeersch, Capital Markets, S. 47 (58). Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 60; von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213 (1214); Schuster/Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (382). Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Vorbem. §§ 58-60 BörsG, Rdn. 6. Dornau, Handelssysteme, S. 3; Neubauer, Die Bank 2001, 104; von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213(1214).
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
11
institutionelle Anleger und Broker-Dealer.35 Diese Marktteilnehmer schätzen vor allem die von ATSs ermöglichte Anonymität und damit einhergehend die Vereinfachung, große Orderpakete zu handeln.36 Über die Verbindung von ATSs mit Online-Brokern können heute aber auch zunehmend Privatpersonen über ATSs handeln.37 Neben multilateralen ATSs entstehen zunehmend auch so genannte Internalisierungssysteme, die von Universalbanken für den Handel ihrer Kunden,38 aber auch von Börsen39, betrieben werden. Diese bringen die ihnen von ihren Kunden erteilten (zum Teil auch von anderen Instituten zugeleiteten) Wertpapieraufträge weitgehend hausintern zum Ausgleich und leiten Aufträge lediglich an die Börse, wenn und soweit sie diese nicht selbst ausführen können.40 Das Zusammenführen von Kundenorders, ohne diese an die Börse weiterleiten zu müssen, ist für Intermediäre deshalb von besonderem Interesse, weil sie mit Hilfe eigener Handelsplattformen den Wertpapierhandel günstiger anbieten und die Provisionen, die den Maklern an der Börse zufließen, zum Teil selbst vereinnahmen können.41 Bei entsprechendem Wettbewerb können die Anleger davon profitieren, wenn die eingesparten Kosten in Form niedrigerer Preise an sie weitergegeben werden, um von den Anlegern weitere Aufträge zu erhalten.42 Dies haben auch die Börsen erkannt und daher eigene Internalisierungssysteme errichtet.43 35 Vgl. Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 447; Comber, Elektronische Handelssysteme, S. 56; Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 301 (1995). 36 MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 44 (1999); Dornau, Handelssysteme S. 10; Köndgen, Mutmaßungen, in FS Lutter, S. 1401 (1406). Insbesondere in den USA war dies ein wichtiger Faktor für den Erfolg von ATSs, 37 Dornau, Handelssysteme, S. 10. Zum Interesse der Betreiber von Handelssystemen am Handel von Kleinanlegern Neubauer, Die Bank 2001, 104 (106f.). 38 Wie z. B. das Handelssystem PIP der Deutschen Bank. Siehe http://www.deut.schebank.de/pbc/index_nachlader.html?/pbc/content/ser_inf_aktuellsubseite2.htrnl. Siehe dazu auch Schlüter, Internalisierungssysteme, S. 8 ff. 39 Z. B. die Internalisierungssysteme Xetra-Best der Deutschen Börse AG und früher Best-Ex der Börse Berlin-Bremen. Krit. dazu Schlüter, Internalisierungssysteme, S. 13 ff. 40 Vgl. § 36 der Bedingungen für Geschäfte an der Börse Berlin-Bremen; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 17.122; Schlüter, Internalisierungssysteme, S. 5; Balzer, ZBB 2003, 177 (183); KöndgenITheissen, WM 2003, 1497 (l503f.). Zur Internalisierung und damit einhergehende Risiken ausführlich Euronext, Internalisation; außerdem BSK, Empfehlungen, S. 12. 41 Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 46; Wymeersch, Revision of the ISD, Working Paper, S. 6; für Internalisierer Schlüter, Internalisierungssysteme, S. 5. 42 Wymeersch, Revision of the ISD, Working Paper, S. 7. So ist für die Internalisierung im Rahmen von Xetra-Best bestimmt, dass der Transaktionspreis für eine Kundenorder um mindestens ein Cent besser sein muss, als der entsprechende
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
H. Erscheinungsformen von außerbörslichen Wertpapierhandelssystemen (alternativen Handelssystemen, ATSs) Alternative Handelssysteme können in drei größere Kategorien eingeteilt werden: multilaterale Handelssysteme, bilaterale Handelssysteme und sonstige Systeme, wie z. B. Inseratsysteme, auch Bulletin Boards genannt.44 Im Gegensatz zu Inseratsystemen können die Marktteilnehmer bei bilateralen und multilateralen Handelssystemen Kauf- und Verkaufsorders in ein elektronisches Orderbuch eingeben.45 In vielen Fällen können diese mit den verschiedensten Bedingungen, wie z. B. einer preislichen Limitierung oder einer erforderlichen Mindestgröße potentieller korrespondierender Orders oder Market Maker46 Quotes, versehen werden. Die Orders werden dann automatisch mit übereinstimmenden Orders anderer Handelsteilnehmer zusammengeführt oder gegen von Market Makern gestellte Kursofferten bzw. Quotes ausgeführt.47 Inseratsysteme funktionieren dagegen regelmäßig wie
43 44
45 46
47
Preis in Xetra. Vgl. § 46 Abs. l BörsenO der FWB; Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497(1504). Vgl. Fn. 39. BSK, Empfehlungen, S. 4ff.; vgl. auch Cohn, ZBB 2002, 365 (367f.); Spindler, WM 2002, 1325 (1327); ders., Wertpapierhandelssysteme, in FS Druey, S. 923 (926). Für eine etwas andere Einteilung siehe Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 69ff.; Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Vorbem. §§ 58-60 BörsG, Rdn. 2ff. Zu den unterschiedlichen Systemen auch BWA, Positionspapier; Domowitz, Exchange, in Lo, Industrial Organization, S. 93 (96f.); MaceylO'Hara, 28 J. Legal Stud. 17, 19 (1999); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 301 ff. (1995); für eine knappe Übersicht siehe Baum, Technological Innovation, in Kono/Paulus/Rajak, Legal Issues, S. 99 (106). Ein Beispiel hierfür ist Inet. Ein Market Maker ist ein Händler, der während der Geschäftszeit stets bereit ist, bestimmte Titel auf Anfrage zu einem von ihm genannten Kurs zu kaufen oder zu einem gleichzeitig von ihm genannten höheren Kurs zu verkaufen. Die beiden gleichzeitig genannten Kurse nennt man Preisspanne oder Quote. Vgl. Schmidt/ Schurig/Welcher in Bitz, Bank und Börsenwesen, Band l, S. 155f.; GruberlGrünbichler, ÖBA 2000, 769 (770); MendelsonIPeake, 19 Iowa J. Corp. L. 443, 471 (1994). Die MiFID verwendet den Begriff KursofTerte, vgl. Art. 27 Abs. l Unterabs. l Satz l MiFID. Zum Market Maker Stall, Economics, in Parrillo/ Hobbing/Porter/Gutman, NASDAQ Handbook, S. 263 ff.; MendelsonIPeake, 19 Iowa J. Corp. L. 443, 470fT. (1994); Hielscher in Obst/Hinter, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 1128 (1140); Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 83ff. Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 113ff.; Gerke/Aignesberger, ZfgKrW 1987, 1027 (1028). Dornau, Handelssysteme, S. 5; SEC, Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70852 (Dec. 22, 1998); Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 587 (2001).
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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ein schwarzes Brett, über das Handelswünsche veröffentlicht werden, das diese Handelswünsche aber nicht selbst zusammenführt. 1. Multilaterale Handelssysteme Multilaterale Handelssysteme bzw. Handelssysteme mit Marktplatzfunktion ermöglichen die Zusammenführung der Orders einer Vielzahl von - meist professionellen - Käufern und Verkäufern innerhalb des elektronischen Systems zu festgelegten Regeln mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages.48 Zwar ist das Orderbuch vielfach - zumindest in begrenztem Umfang - einsehbar, doch wissen die Handelsteilnehmer oft nicht, wer der Kontrahent des Geschäfts ist.49 Je nachdem ob eine Preisfeststellung erfolgt oder nicht, können multilaterale Handelssysteme in Systeme mit eigener Preisermittlung und preisimportierende Systeme, so genannte CrossingSysteme, unterteilt werden. a) Multilaterale Handelssysteme mit eigener Preisermittlung Multilaterale Handelssysteme mit eigener Preisermittlung lassen sich in ordergetriebene und quotegetriebene Handelssysteme unterteilen.50 Ordergetriebene Systeme basieren auf der Idee, dass die Preise den Orders folgen.51 Die Anleger geben zuerst ihre Orders auf und dann bilden sich im Rahmen der Zusammenführung der Orders die Preise. Die Anleger handeln - in der Regel über ihre Intermediäre - miteinander.52 Die Rolle von Dritten, wie z. B. Skontroführern, beschränkt sich darauf, Ungleichgewichte beim Orderfluss auszugleichen und dadurch den Preis zu stabilisieren.53 Ordergetriebene 48 BSK, Empfehlungen, S. 4; Cohn, ZBB 2002, 365 (367 f.); vgl. auch Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u. a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (98). 49 BSK, Empfehlungen, S. 5. 50 Siehe zum Folgenden BSK, Empfehlungen, S. 4 n". 51 Madhavan, 47 J. Fin. 607 (1992); Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/ Baum, Börsenreform, S. 143 (211); Korhonen, ATSs Concepts, Bank of Finland Discussion Papers, 24/2001, S. 14. 52 Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 407; Comber, Elektronische Handelssysteme, S. 21; Gruberl Grünbichler, ÖBA 2000, 769 (770); Shapiro, Auction Market Trading, in: Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 429 (430); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 113; Schwark, WM 1997, 293 (302f.). Zur Vorteilhaftigkeit von Auktionsmärkten Cohen/Schwartz, Electronic Call Market, in Lucas/Schwartz, Challenge, S. 15 (23 ff.). 53 Shapiro, Auction Market Trading, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 429 (432). Zur Rolle der Specialists MaceylKanda, 75 Cornell L. Rev. 1007, 1026ff,insb. 1028(1990).
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
Systeme lassen sich in solche mit kontinuierlichem Handel und in solche mit Auktionen unterteilen.54 Bei ordergetriebenen Systemen mit Auktionen55 (auch periodischer Handel oder „call market" genannt) werden die Orders über einen längeren Zeitraum gesammelt und dann zu bestimmten Zeitpunkten während des Handelstages alle auf einmal zusammengeführt und ein gemeinsamer Preis ermittelt, zu dem die meisten Orders ausgeführt werden können.56 Die Einheitskursfeststellung findet somit multilateral statt.57 Beim kontinuierlichen Handel58 wird im Gegensatz zum periodischen Handel während des Handelstages durchgehend gehandelt.59 Der Handel
54 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 21; Madhavan, 47 J. Fin. 607, 608f. (1992). Zu einer ökonomischen Bewertung der verschiedenen Auktionsverfahren siehe Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 115f.; Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 339, 405 ff. 55 Ordergetriebene Systeme mit Auktionen dienen der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in Wertpapieren zu bestimmten Zeitpunkten innerhalb eines elektronischen Systems durch den Systembetreiber in einer Auktion zu festgelegten Regeln mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Siehe BSK, Empfehlungen, S. 5. Ein Beispiel für einen Markt mit periodischem Handel ist die Arizona Stock Exchange. Von den ATSs verwenden z. B. OptiMark (bzw. die auf OptiMark basierende Plattformen) sowie Instincts Crossing Network und POSIT Call Auktionen, wobei letztere jedoch als Crossing-Systeme keine Preise bilden. Vgl. dazu Schwanz, Better Stock Market, S. 6. 56 Korhonen, ATSs Concepts, Bank of Finland Discussion Papers, 24/2001, S. 14; Domowitz, Exchange, in Lo, Industrial Organization, S. 93 (97); von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213 (1215); Shapiro, Auction Market Trading, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 429 (430). Theissen, Market Structure, S. 1. Für eine detaillierte Erläuterung des Ablaufs des periodischen Handels siehe Schwartz, Better Stock Market, S. 27 ff. Zu den verschiedenen Arten von Call Märkten, wie z. B. „price scan auction", „sealed bid/ask auction" und „open order book auction" vgl. EconomideslSchwartz, 21 JPM, lOff. (1995) und Schwartz, Better Stock Market, S. 7. Auch das Crossing Network ist eine Form des Call Marktes, bei dem jedoch der Marktpreis von einem anderen System bezogen wird. 57 Madhavan, 47 J. Fin. 607, 608 (1992); RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (211). 58 Nach der Definition der BSK dienen ordergetriebene Systeme mit kontinuierlichem Handel der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in Form von Markt- und Limitorders in Wertpapieren in einem Orderbuch innerhalb eines elektronischen Systems durch den Systembetreiber zu festgelegten Regeln mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Siehe BSK, Empfehlungen, S. 4. 59 Shapiro, Auction Market Trading, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 429 (430).
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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läuft in einem - mehr oder weniger öffentlich einsehbaren - Orderbuch ab.60 Sobald deckungsgleiche Orders vorliegen, werden diese automatisch zusammengeführt, wobei eine Order wegen unterschiedlicher Ordergrößen der beiden zusammengeführten Orders auch nur zum Teil ausgeführt werden kann. Im Gegensatz zu Handelssystemen mit Auktionen kommen die Transaktionen in aller Regel bilateral zustande.61 Einige Systeme benachrichtigen die beiden Parteien einer potentiellen Transaktion und eröffnen eine anonyme Verhandlungsrunde zwischen Käufer und Verkäufer, die diese in die Lage versetzt, über das Volumen etc. zu verhandeln und so die Transaktion durchzuführen.62 Können die Aufträge nicht zum Ausgleich gebracht werden, werden sie an Börsen oder andere ATSs, mit denen eine Kooperation besteht, für eine kurze Zeitspanne weitergereicht.63 Quotegetriebene Systeme, wie z. B. Quotrix,64 zeigen von Market Makern angebotene Preise und Mengen an und ermöglichen die automatische Ausführung von Orders gegen solche Angebote.65 Diese Systeme basieren auf der Idee, dass die Orders den Preisen folgen.66 Kunden können entweder die Quotes akzeptieren und gegen sie handeln oder auf ihnen interessanter erscheinende Quotes warten. Im Gegensatz zu Auktionssystemen handeln Anleger in Market-Maker-Systemen nicht miteinander sondern immer mit
60 Ordergetriebene Systeme mit kontinuierlichem Handel dienen der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in Form von Markt- und Limitorders in Wertpapieren in einem Orderbuch innerhalb eines elektronischen Systems durch den Systembetreiber zu festgelegten Regeln mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Ein Beispiel dafür ist Instinct. Siehe BSK, Empfehlungen, S. 4. 61 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (211); Madhavan, 47 J. Fin. 607, 608 (1992); Theissen, Market Structure, S. 1. 62 Korhonen, ATSs Concepts, Bank of Finland Discussion Papers, 24/2001, S. 15. 63 Neubauer, Die Bank 2001, 104 (105). Meist sind dies 90 Sekunden, vgl. Beckerl Angstadt, Market 2000, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 187 (196); Hasbrouck, Trade, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 218 (219). 64 Eine kurze Übersicht über Quotrix gibt Baum, Technological Innovation, in Kono/Paulus/Rajak, Legal Issues, S. 99 (108). 65 Quotegetriebene Systeme ermöglichen den Handel in Wertpapieren ausschließlich über mehrere Market Maker je nach Wertpapier innerhalb eines elektronischen Systems zu den vom Market Maker nach festgelegten Regeln gesetzten Preisen oder Mengen mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Ein Beispiel für ein quotegetriebenes Handelssystem ist die NASDAQ. Siehe BSK, Empfehlungen, S. 5. 66 Korhonen, ATSs Concepts, Bank of Finland Discussion Papers, 24/2001, S. 15.
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
einem für eigene Rechnung handelnden Market Maker.67 Eine zeitliche Differenzierung kennen Market-Maker-Systeme nicht, weil aufgrund der permanenten Kursstellungen der Market Maker kontinuierlich Transaktionen möglich sind.68 b) Electronic Communication Networks Strukturell gesehen bilden Electronic Communication Networks (ECNs) keine eigenständige Kategorie alternativer Handelsplattformen. Vielmehr sind sie ihrer Struktur nach zumeist multilaterale Handelssysteme.69 Der Begriff des ECN wurde von der SEC 1997 in ihren Order Handling Rules für bestimmte Handelssysteme verwendet, für die diese Vorschriften gelten sollten.70 Es handelte sich dabei um Handelssysteme, die die Orders ihrer Teilnehmer Dritten zugänglich machen und die volle oder teilweise Ausführung dieser Orders ermöglichen.71 Die Voraussetzungen, um als ECN im Sinne der Order Handling Rules eingestuft zu werden, sind (1) die kontinuierliche Verbreitung von Kursinformationen und (2) die (automatische) Zusammenführung von Aufträgen und die Ermöglichung von deren Ausführung.72
67 Christie!Huang, 3 J. Fin. Intermediation 300, 304 (1994); Poser, 22 U. Pa. J. Int'l Econ. L. 497, 519ff. (2001); Shapiro, Auction Market Trading, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 429. 68 Market-Maker-Systeme sind lockerer organisiert als Auktionsmärkte. Im Gegensatz zu Auktionsmärkten, wo in der Regel verbindlich festgelegt ist, welcher „Specialist" bzw. Skontroführer für welches Wertpapier zuständig ist, können Market Maker relativ frei wählen, für welche Wertpapiere sie den Handel anbieten möchten. Vgl. Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 408; Christie!Huang, 3 J. Fin. Intermediation 300, 303 (1994). 69 BSK, Empfehlungen, S. 4. 70 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-37619A (Sep. 6, 1996), 61 FR 48290 (Sep. 12, 1996). 71 Korhonen, ATSs Concepts, Bank of Finland Discussion Papers, 24/2001, S. 16, Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 344 (2002). 72 17 C.F.R. § 240.11Acl-l (a)(8); SEC, Securities Exchange Act Release No 3437619A (Sep. 6, 1996), 61 FR 48290, 48313, 48328 (Sep. 12, 1996); vgl. dazu Schuster/Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371(382).
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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c) Handelssysteme ohne eigene Preisermittlung (Crossing-Systeme) Crossing-Systeme,73 wie z. B. POSIT,74 erlauben Anlegern die Eingabe von ungepreisten bzw. uniimitierten Orders. Diese werden dann zu bestimmten Terminen durch den Systembetreiber mit korrespondierenden Orders anderer Marktteilnehmer zu einem Preis zusammengeführt, den das System von einem anderen Markt bezieht und der als der zu diesem Zeitpunkt aktuelle „Marktpreis" anzusehen ist.75 Bei Crossing-Systemen werden somit keine eigenen Preise festgestellt. Als Preis wird entweder derjenige Preis importiert, der zum Zeitpunkt des Preisimports in der Mitte zwischen dem höchsten Kauf- und dem niedrigsten Verkaufsgebot auf dem Referenzmarkt liegt oder die Schlussnotierung auf dem Referenzmarkt darstellt.76 Die von einem Kunden ins System eingegebenen Mengen sind für die anderen Marktteilnehmer nicht einzusehen.77 Dadurch bleibt der Marktpreis auch bei nicht vollständig ausgeführten Großaufträgen unbeeinflusst. Zu den Nutzern dieser Systeme gehören z. B. Handelsteilnehmer, die indexorientiert handeln, d.h. mit ihrem Portefeuille einen bestimmten Index nachzubilden versuchen.78 Da sie den Index nur abbilden wollen, sind sie daran interessiert, die Kosten des Preisfeststellungsprozesses zu vermeiden. Auch für institutionelle Anleger, die fürchten müssen, dass sich der Preis allein wegen der Größe ihrer Order negativ auswirkt (so genannter Market Im-
73 Crossing-Systeme dienen der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in Wertpapieren innerhalb eines elektronischen Systems durch den Systembetreiber zu Preisen, die nach festgelegten Regeln auf Basis anderer Märkte ermittelt wurden, zu bestimmten Terminen mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Siehe BSK, Empfehlungen, S. 5. Zu Crossing-Systemen eingehend Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1,10 (1999). 74 POSITs Website ist http://www.itginc.com. 75 BSK, Empfehlungen, S. 5; Dornau, Handelssysteme, S. 6; MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 46 Fn. 62 (1999); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 303 (1995); Domowitz, Exchange, in Lo, Industrial Organization, S. 93 (96f.); von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213 (1215), der diese Systeme allerdings MatchingSysteme nennt; SchustertRudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (381). Zu Crossing-Systemen auch Korhonen, ATSs Concepts, Bank of Finland Discussion Papers, 24/2001, S. 15. 76 Dornau, Handelssysteme, S. 4ff.; Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 586 (2001). 77 Schuster/Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (381). 78 SEC, Market 2000 Report: Study III, Market Fragmentation (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 134,8.9.
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
pact)79, ist der Handel über Crossing-Systeme vorteilhaft, da diese Gefahr dort minimiert werden kann.80
d) Hybride Systeme Schließlich gibt es noch hybride Systeme, die Auktionen, kontinuierlichen Handel, Elemente des Market Making und das Crossing miteinander kombinieren.81 2. Bilaterale Handelssystemellnternalisierer Kontrahentensysteme oder auch bilaterale Handelssysteme,82 wie z. B. Citicats-OS, zeichnen sich dadurch aus, dass die Gegenpartei jedes Kaufs und Verkaufs immer der gleiche Anbieter ist, in der Regel das Emissionshaus.83 Sie führen dagegen nicht das Angebot und die Nachfrage von mehreren Marktteilnehmern untereinander zusammen. Eine besondere Form bilateraler Systeme sind die oben erwähnten Internalisierungssysteme. Bilaterale Systeme lassen sich unterteilen in Kontrahentensysteme mit Market Makern und Kontrahentensysteme mit festen Regeln zur Preisstellung. Bei Kontrahentensystemen mit Market Makern, wie z. B. Citicats-OS erfolgt der Anund Verkauf von Wertpapieren zu den vom Market Maker gesetzten Preisen oder Mengen.84 Bei Kontrahentensystemen mit festen Regeln zur Preisstellung, wie z. B. Quotrix - sofern nur ein Market Maker agiert -, stellt der Anbieter dagegen die von ihm gesetzten Angebotspreise oder -mengen, zu denen die Transaktion mit dem Anbieter stattfindet, nach festen Regeln auf.85 Da bei diesen Systemen nicht das Angebot und die Nachfrage von vielen Marktteilnehmern zusammengeführt werden, fehlt es an einer Marktplatzfunktion.86
79 Zum Market Impact siehe unten 1. Teil: 1. Kapitel: V. 1. a. 80 Schuster!Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (381). 81 BSK, Empfehlungen, S. 6. 82 Zum Begriff „Kontrahentensystem" vgl. Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 17.121. 83 Siehe BSK, Empfehlungen, S. 12; Cohn, ZBB 2002, 365 (368); Dornau, Alternative Handelssysteme, S. 22; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 17.120. 84 BSK, Empfehlungen, S. 6. 85 BSK, Empfehlungen, S. 6f. Zu Quotrix siehe http://www.quotrix.com. 86 BSK, Empfehlungen, S. 6.
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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Die in bilateralen Systemen geschlossenen Geschäfte können je nach Ausgestaltung als Festpreisgeschäfte oder als Kommissionsgeschäfte mit Selbsteintritt qualifiziert werden.87 Letzteres ist der Fall, wenn der Kundenauftrag im Wege des Eigenhandels gegen den eigenen Handelsbestand ausgeführt wird.88 Um ein Festpreisgeschäft handelt es sich dagegen, wenn der Anbieter jeweils im bilateralen Verhältnis Preise für den Kauf und Verkauf der in das System einbezogenen Wertpapiere stellt und sodann der Kunde durch Ausfüllen eines elektronischen Formulars auf der Grundlage dieses Preisangebots dem Anbieter den Abschluss eines Kauf- bzw. Verkaufsgeschäftes anträgt, das dieser wiederum annimmt.89 3. Inseratsysteme bzw. Bulletin Boards Inseratsysteme oder auch Bulletin Boards, wie z. B. emissionsmarktplatz.de90 oder das früher existierende System der Spring Street Brewing Company,91 funktionieren wie ein elektronisches schwarzes Brett.92 Der Betreiber eines Inseratsystems stellt einen „Raum", meist eine Internetwebsite, zur Verfügung, wo Interessenten ihre Handelswünsche je nach Inseratsystem teils verbindlich, teils unverbindlich öffentlich abgeben können.93 Inseratsysteme werden zumeist von Emittenten betrieben, um die Liquidität ihrer (oft wenig
87 Gemäß §§ 383, 400 HOB. Vgl. Mülbert, Transparenzregeln, Arbeitspapiere 2003, S. 13f. 88 Mülbert, Transparenzregeln, Arbeitspapiere 2003, S. 13. 89 BSK, Empfehlungen, S. 12. Vgl. dazu Nr. 9 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 90 Siehe http://www.emissionsmarktplatz.de. 91 Für eine Beschreibung der Plattform der Spring Street Brewing Company siehe Gavis, 52 Bus. Law. 317, 337 f. (1996); zur rechtlichen Behandlung der Spring Street Brewing Company und ihres Systems Gallagher, 47 Cath. U.L. Rev. 1009, 1028 ff. (1998). 92 Vgl. StolzlSchmitz-Esser, Die Bank 1997, 297 (299); Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (97). Zu Inseratsystemen ausführlich Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 7ff. (1999). Aktive Inseratsysteme dienen der Veröffentlichung verbindlicher Angebote über den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, auf welche die Marktteilnehmer innerhalb des elektronischen Systems unmittelbar zu zuvor festgelegten Bedingungen mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages, zugreifen können, wie z.B. Tradecross. Vgl. dazu BSK, Empfehlungen, S. 5 f. Tradecross Website ist www.tradecross.de 93 BW A, Positionspapier, S. 4; Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 586 (2001).
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l.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
gehandelten) Wertpapiere zu erhöhen.94 In der Regel erhält der Betreiber dafür keine Provision.95 Inseratsysteme können in aktive, teilaktive und passive Inseratsysteme unterteilt werden.96 In passiven Inseratsystemen veröffentlichen die am Handel Interessierten unverbindliche An- und Verkaufsangebote. Dabei muss der Inserent alle wichtigen Kontaktinformationen angeben, da das System keinen Kontakt vermittelt. Interessenten können den jeweiligen Inserenten ansprechen und mit ihm über das Angebot verhandeln. Die Kontaktaufnahme, die Verhandlungen und der Geschäftsabschluss finden außerhalb des Systems und ohne weitere Mitwirkung des Systems statt.97 Gehandelt wird zwischen den Parteien direkt98 bzw. unter Einschaltung eines unabhängigen Intermediärs." Der Vertragsabschluß findet somit außerhalb des Inseratsystems statt.100 Auch bei teilaktiven Inseratsystemen werden unverbindliche Angebote veröffentlicht, und erfolgen die Verhandlungen zwischen den Parteien und der Vertragsabschluß außerhalb des Systems.101 Allerdings vermittelt bei diesen der Betreiber des Inseratsystems den Kontakt zwischen den Parteien. Das System verwaltet die Kommunikationsdaten und vermittelt auf Anfrage einem Interessenten die Kontaktadresse des Anbieters. Ein Kontakt zwischen den Parteien kommt daher nur unter Mitwirkung des Systems zustande.102 Bei aktiven Inseratsystemen werden dagegen verbindliche Angebote über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten veröffentlicht.103 Die Marktteilnehmer können unmittelbar auf diese Angebote zugreifen. Das System ist in der Regel so programmiert, dass es für den Anbietenden das Einverständnis mit dem Geschäft zu den zuvor festgelegten Bedingungen
94 Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 7 (1999); Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 586(2001). 95 Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 8 (1999). 96 BWA, Positionspapier, S. 4f. 97 BWA, Positionspapier, S. 4. 98 BWA, Positionspapier, S. 4. Eingehend Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 7f. (1999). 99 Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 8 (1999); Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 586(2001). 100 Fippinger, Securities Law, § 10:6.2 [C]. 101 BWA, Positionspapier, S. 4. 102 BWA, Positionspapier, S. 4. 103 BSK, Empfehlungen, S. 5 f. Auch Hit-or-Take-Systeme oder Hit-and-TakeSysteme genannt. Vgl. dazu Spindler, WM 2002, 1325 (1327); Florian, Wertpapierhandel, S. 261.
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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erklärt. Der Systembetreiber handelt also als dessen Vertreter.104 Damit werden in solchen Handelssystemen, anders als an der Börse, nicht zwei unabhängige Handelswünsche zusammengeführt, vielmehr sucht sich der Interessent ein spezielles Angebot aus, das er dann annimmt.
III. Die Vorteile von alternativen Handelssystemen Alternative Handelssysteme waren in den USA deshalb besonders erfolgreich, weil der Technologisierungsgrad der dortigen Börsen gering und deren Dienstleistungsangebot vergleichsweise eingeschränkt war. So hatten sich z. B. institutionelle Anleger in den USA darüber beklagt, dass bei einer Transaktion an der NYSE eine Vielzahl von Intermediären involviert ist.105 Zum einen mussten diese bezahlt werden, zum anderen führte ihre Beteiligung zu einem vergleichsweise hohen Zeitaufwand bei Transaktionen. Außerdem mussten die Investoren befürchten, dass sie nicht anonym bleiben und ihnen in der Zeit, während der die Transaktion vorbereitet und durchgeführt wurde, andere Anleger aufgrund durchgesickerter Informationen zuvorkommen konnten.106 In Deutschland und Europa wiesen und weisen die Börsen dagegen einen höheren Technologisierungsgrad auf, so dass hier der Markteintritt für alternative Handelssysteme in vielen Fällen schwieriger war und ist. 1. Geringe Kosten für Transaktionen Ein wichtiger Faktor bei der Wahl eines alternativen Handelssystems für die Orderausführung sind die regelmäßig geringeren Kosten, die bei einer Transaktion über ein solches Handelssystem anfallen.107 Insbesondere der hohe
104 B WA, Positionspapier, S. 5. Zu rechtlichen Einordnung siehe ausführlich unten 4. Teil: 2. Kapitel: I. l.b. 105 Zu diesen Intermediären gehören so genannte „sales traders", „position traders", „floor brokers" und „NYSE specialists". 106 Schwartz, Better Stock Market, S. 19. 107 Deutsche Bank Research, Economics, No. 47, S. 3. Baum, EBOR 2004, 677 (684); Collins, 2002 Law & Pol'y Int'l Bus. 481, 482; Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 348 (2002); Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., JbJ.ZivRWiss 2002, S. 93 (95); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815 859 (2001); GruberlGrünbichler, ÖBA 2000, 769 (770); Baum, Technological Innovation, in Kono/Paulus/Rajak, Legal Issues, S. 99 (105); Linden, Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, Working Paper, S. 5; Schwark, WM 1997, 293 (299).
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
Technologisierungsgrad von ATSs ermöglicht ihnen im Vergleich zu Präsenzbörsen eine drastische Reduzierung der Transaktionskosten.108 Da ATSs ihren Kunden regelmäßig einen direkten Zugang zu ihrer Handelsplattform gewähren, entfällt für diese die Einschaltung von Zugangsintermediären. Darüber hinaus erfolgt auch das Matching von Orders ohne Intermediäre, da kongruente Kauf- und Verkaufsaufträge im Handelssystem automatisch zusammengeführt werden.109 Ein weiterer Kostenfaktor, der insbesondere an der NASDAQ übliche Spread, der Unterschied zwischen Kauf- und Verkaufskurs (Geld/BriefSpanne oder Bid/Ask-Spread), entfällt bei ATSs oder ist deutlich geringer.110 So waren ATSs in den USA Vorreiter für eine präzisere Orderlimitierung. Während z. B. die NASDAQ bis vor wenigen Jahren - vor der Einführung des metrischen Systems im Jahre 2001'" - nur ein Minimum-Ticksize bei Spreads von 1/16 ermöglichte, verringerten ATSs diesen auf bis zu 1/256.112 Wenn Orders von ATSs an das NASDAQ System weitergeleitet wurden, wurden diese auf l/16tel gerundet. Dabei war zu beobachten, dass ATSs deutlich häufiger Quotes in so genannten Odd-Sixteenths ($ 1/16, $ 3/16, ...) in das NASDAQ System einstellten als herkömmliche Broker-Dealer, so dass
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Zur Reduktion von Transaktionskosten im Zusammenhang mit Computerhandelssystemen und damit zusammenhängenden positiven Folgeeffekten siehe Gerke, DB W 53 (1993), 725 (732 ff.). Vgl. dazu Ferrarini, Exchange Governance, in Ferrarini, European Securities Markets, S. 245 (247). SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30489 (4. Jun. 1997); vgl. auch Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 348 (2002); PfüllerlWesterwelle, Wertpapierhandel, in Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 13.7, Rdn. 147. Dornau, Handelssysteme, S.U. Für eine Untersuchung des Spreads an der NASDAQ vgl. nur Bessembinder, 34 J. Fin. & Quant. Anal. 387ff., insb. 405 (1999). Danach belief sich der gewichtete Durchschnitt der an der NASDAQ gestellten Bid/Ask-Spreads im zweiten Halbjahr 1997 auf 1,03%, der durchschnittlich realisierte Spread auf 0,34%. Bei einem Aktienkurs von US-$ 50 errechnete sich somit eine Differenz zwischen An- und Verkauf von ca. $ 0,50 bzw. $0,17 Cents pro Aktie. Dagegen fielen selbst bei den teuersten ATSs für An- und Verkauf pro Aktie nur maximal $0,10 an. Vgl. hierzu Dornau, Handelssysteme, S. 12f. Der Bid/Ask-Spread oder die Geld/Brief-Spanne stellt den Gewinn bzw. die Vergütung der Market Maker dar. Dazu Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1554(1992). Siehe dazu NASDAQ, The Initial Impact of Nasdaq Decimalization, im Internet unter http://www.nasdaqtrader.com/trader/hottopics/decimalization/finaldecimalizationstudy.pdf. Dornau, Handelssysteme, S. 14.
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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davon ausgegangen werden kann, dass der Spread an der NASDAQ ohne die Quotes von ATSs in vielen Fällen größer gewesen wäre.113 Wichtige Marktanteile konnten ATSs insbesondere auch im Blockhandel institutioneller Investoren erlangen. Diese machen zwar auch einen erheblichen Anteil der NYSE-Transaktionen aus, aber Blocktransaktionen sind dort nur umständlich unter Zuhilfenahme so genannter „block positioner" und damit unter hohen Kosten zu platzieren.114 Auch „unsichtbare" Kosten, z. B. für die Verzögerung sowie die gesamte oder teilweise Nichtausführung von Orders, sind bei ATSs geringer.115 Solche Verzögerungen sind insbesondere bei wenig gehandelten Wertpapieren ein Problem. ATSs konnten solche Verzögerungen durch das Umgehen der üblichen Intermediäre und der Verwendung modernerer Technologien gegenüber den traditionellen US-Börsen deutlich verringern.116 2. Angebot bedarfsgerechter Dienstleistungen Der zweite zentrale Grund für die Entstehung und Etablierung alternativer Handelssysteme war das Angebot maßgeschneiderter und bedarfsgerechter Transaktionsdienstleistungen für spezielle Anlegergruppen.117 Hierzu ge-
113 Einer Studie von Simaan, Weaver und Whitcomb zufolge stellten NASDAQ Market Maker Quotes in so genannten Odd-Sixteenths nur in 7% der Fälle, kleine Market Maker nur in 0,5% der Fälle, ATSs dagegen in 11% der Fälle. Wenn ATSs alleine das beste Kauf- und Verkaufangebot stellten, wurden sogar in 49% aller Fälle Kurse in Odd-Sixteenths ausgewiesen. Vgl. SimaanlWeaverlWhitcomb, Quotation Behavior, Working Paper 1998. Zum Fehlen von OddEighths Quotes von Market Makern vor der Umstellung auf Sixteenths ChristielShultz, 49 I Fin. 1813ff. (1994). Zum so genannten NASDAQ-Skandal Mitte der 1990er Jahre Woodward, Price Fixing at Nasdaq, Paper for the Congressional Budget Office; HoptlBaum, WM 1997 Sonderbeil. Nr. 4, S. 7. 114 1965 lag der Blockhandel an der NYSE noch bei 3,1 %. Im Verlauf der Zeit stieg er bis auf 57,0% des gesamten NYSE-Handelsvolumens im Jahre 1995 an. Seitdem ist er wieder kontinuierlich bis auf 37,0 % im Jahr 2003 zurückgegangen. Vgl. Fact-Book der NYSE, im Internet abrufbar unter http://www.nysedata. com/factbook/ Zum Blockhandel an Parkettbörsen LossISeligman, Fundamentals, S. 698 f. 115 Dornau, Handelssysteme, S. 12. 116 Die Geschwindigkeit der Orderausführung erfolgt bei ATSs im Normalfall in weniger als einer Minute. Vgl. Dornau, Handelssysteme, S. 15. 117 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 58; Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 763 (1999); Schuster!Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europa-
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
hören insbesondere der nachbörsliche Handel sowie die unmittelbare Zugangsgewährung für institutionelle Investoren.118 Weiterhin gewährleisten ATSs die Anonymität ihrer Kunden und erleichtern so den Handel großer Anleger mit ganzen Blöcken"9 von Finanzinstrumenten.120 Durch die Gewährleistung von Anonymität und durch besondere Abwicklungsalgorithmen minimieren ATSs den mit dem Blockhandel verbundenen Market Impact.121 Anonyme Orderbücher von Börsen können dagegen die Gefahr eines Market Impacts nicht gänzlich beseitigen, so dass es zu unerwünschten Preissignalen kommen kann.122 ATSs ermöglichen die Verwendung neuer technologischer Handelsmechanismen und damit die Möglichkeit einer strategischen Ordereingabe und -Verarbeitung.123 Ein Beispiel dafür ist das von OptiMark entwickelte Handelssystem, das die Eingabe ganzer Orderprofile ermöglicht.124 Anleger können so ihre Handelsstrategien leicht umsetzen, ohne befürchten zu müssen, dass diese von den anderen Handelsteilnehmern entdeckt werden.125 Einige ATSs bieten auch einen so genannten Basket-Handel an.126 Dieser ist vor allem für institutionelle Investoren interessant, die ihr Portfolio verändern und dafür Aktien aus verschiedenen Branchen mehr oder weniger gleichzeitig kaufen und verkaufen möchten. Über eine spezielle Handelsstrategie optimieren die Handelssysteme dabei ständig das Risikoprofil des Portfolios. Zusätzlich kann eine Rangordnung von Wertpapieren einer bestimm-
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ischer Kapitalmarkt, S. 371 (383); Shapiro, U.S. Equity Markets, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 19 (31). Vgl. auch Ferrarini, Exchange Governance, in Ferrarini, European Securities Markets, S. 245 (247). Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u. a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (99). Zum Blockhandel siehe bereits oben Fn. 18. Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 349 (2002); Köndgen, Mutmaßungen, in FS Lutter, S. 1401 (1406); Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 63; Dornau, Handelssysteme, S. 11; Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 297 (1995). Dornau, Handelssysteme, S. 11. Welche Bedeutung die Gewährleistung von Anonymität hat, lässt sich an den AGB von ATSs ablesen, siehe dazu z. B. die AGB von Instinet unter http://www.instinet.com/legal/client_agreement.shtml. Zum Market Impact siehe ausführlich unten 1. Teil: 1. Kapitel: V. 1. a. Köndgen, Mutmaßungen, in FS Lutter, S. 1401 (1406). Collins, 2002 Law & Pol'y Int'l Bus. 481,482; Dornau, Handelssysteme, S. 13. Zum Handelsmechanismus von OptiMark siehe oben unter Fn. 14, 15, 16. Weitere Möglichkeiten bieten z.B. Orderroutingsysteme, die es erlauben, eine Order parallel auf mehreren Märkten zu platzieren. Vgl. Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 64. Dornau, Handelssysteme, S. 13.
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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ten Branche aufgestellt oder eine große Order nach gewählten Parametern automatisch in kleinere aufgeteilt und verarbeitet werden.127 Viele ATSs bieten außerdem verlängerte Handelszeiten an.128 Während einige ATSs die Handelszeiten nur bis etwa 18.00 oder 20.00 Uhr ausweiten, bieten andere ATSs, wie z. B. Instinct, bereits einen 24 Stunden-Handel an.129 Weiterhin entfällt die Notwendigkeit, bei einem Handelssystem Mitglied werden zu müssen, um handeln zu können.130 Schließlich verringert die von den ATSs betriebene Disintermediation (Abschaffung der Intermediäre) die Gefahr von Interessenkonflikten von Intermediären.131 3. Situation in Deutschland In Europa ist die Mehrzahl der (multilateralen) ATSs in Großbritannien registriert;132 sie bieten ihre Dienstleistungen - begünstigt durch den „Europäischen Pass"133 - aber auch in anderen Mitgliedsstaaten der EU, wie z.B. in Deutschland an.134 Im Rahmen des Aktienhandels spielen sie in Deutschland bisher eine untergeordnete Rolle, im Rentenhandel und dem Handel mit verbrieften Derivaten sind sie jedoch zu den wichtigsten Märkten aufgestiegen.135 Beim Rentenhandel hängt diese Entwicklung vor allem 127 Dornau, Handelssysteme, S. 13. 128 Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 350 (2002); GruberlGrünbichler, ÖBA 2000, 769 (773). 129 Zu Instinct siehe die Angaben auf seiner Website unter http://www.instinet.comy operations/trading/trading_hours.shtml und http://www.instinet.com/crossing/ overn ight_cross. shtml. 130 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 63. 131 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 62. Andererseits können dadurch auch neue Interessenkonflikte entstehen. Vgl. dazu unten 1. Teil: 3. Kapitel: II. 2. b. 132 Insgesamt waren in Großbritannien im April 2004 27 multilaterale ATSs registriert, vgl. CESR, List of ATSs, CESR/03-497B, vom 07.04.2004, S. 7. 133 Siehe dazu unten 4. Teil: 6. Kapitel: IV. 1. 134 Laut CESR, List of ATSs, CESR/03-497B, vom 07.04.2004, S. 3 waren in Deutschland im April 2004 zwei multilaterale Handelssysteme registriert. Nicht in diese Statistik aufgenommen worden sind allerdings bilaterale und sonstige Systeme, die auch in Deutschland zunehmend entstehen. 135 Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.), S. 10; Seitz, AG 2004, 497 (498); vgl. auch FAZ vom 17.04.2001, S. 40 und Handelsblatt vom 02.03.2006, S. 27. Demnach wurden bei Regierungsanleihen und Papieren staatlicher Institutionen bereits 2001 fast 50% des Rentenhandels über außerbörsliche Handelssysteme abgewickelt. Im Handel mit verbrieften Derivaten lag der Marktanteil von ATSs 2005 sogar über 50%.
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
mit der Dominanz institutioneller Anleger im Sekundärmarkt für Rentenpapiere zusammen.136 Die unterschiedliche Entwicklung beim Aktienhandel im Vergleich zu den USA ist darauf zurückzuführen, dass die europäischen Börsen im Gegensatz zu den Börsen in den USA alternativen Handelssystemen weniger Angriffsfläche boten. So haben sie schon früh einen elektronischen Handel aufgebaut.137 Die Gebühren europäischer Börsen sind im Vergleich zu denjenigen der US-Börsen erheblich geringer.138 Die Anonymität der Handelsteilnehmer ist sichergestellt und eine effiziente und schnelle Orderausführung die Regel.139 Schließlich hatten ATSs auch nicht die Möglichkeit, geringere Preisspannen anzubieten, weil in Europa anders als in den USA das metrische System angewendet wurde.140
IV. Börsen als Bezugspunkt für die Regulierung von alternativen Handelssystemen Alternative Handelssysteme lassen sich aufgrund ihrer Vielfältigkeit nicht unmittelbar als Markt(platz) oder als Intermediär einordnen. Auf der einen Seite werden sie zumeist von Intermediären, insbesondere Banken, betrieben, so dass sie von den Aufsichtsbehörden zunächst in diese Kategorie eingestuft wurden.141 Sie übernehmen zum Teil Funktionen von Intermediären, die Orders sammeln und Handelsgelegenheiten auf Marktplätzen vermitteln 136 Ein beträchtlicher Teil des Rentenhandels dient dem preiswerten „funding" von Händlern und dem sicheren „lending" von institutionellen Anlegern. Vgl. dazu TB M A, Stellungnahme, vom 31. Mai 2002, S. 7. 137 Siehe z.B. die Handelsplattform Xetra der Deutschen Börse AG. Vgl. Baum, Technological Innovation, in Kono/Paulus/Rajak, Legal Issues, S. 99 (104); Dornau, Handelssysteme, S. 29; von Heusinger, Internationale Politik 2000, 39 (43); Neubauer, Die Bank 2001, 104 (106); Poser, 22 U. Pa. J. Int'l Econ. L. 497, 508 (2001); Prigge, Recent Developments, in Hopt/Wymeersch, Capital Markets, S. 47 (62f.); Schuster/Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (384). Zum Xetra-Vorgänger IBIS Gottschalk, ZBB 1991, 23ff.; Breuer, WM 1990, 1233. Für einen Leistungsvergleich von IBIS und dem Frankfurter Börsenparkett BühlerlGrünbichlerlSchmidt, ZBB 1995, 234 ff. 138 Siehe Dornau, Handelssysteme, S. 29; Schuster!Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (384). 139 Dornau, Handelssysteme, S. 29. 140 Dornau, Handelssysteme, S. 29. 141 Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30486 (Jun. 4, 1997).
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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oder von Händlern bzw. Market Makern, die selbst handeln.142 Auf der anderen Seite gibt es aber auch ATSs, die den Handel ähnlich einer Börse organisieren. Diese börsenähnlichen Handelssysteme oder Marktplatzsysteme warfen besondere Fragen für die Regulierung auf. Zum besseren Verständnis der mit der Regulierung dieser Systeme zusammenhängenden Probleme ist daher ein Blick auf die Dienstleistungen und Funktionen der Börse erforderlich. 1. Die Dienstleistungen der Börse Aufgabe und Leistung der Börse ist es, die Organisation für den ständigen Handel mit Wertpapieren, Devisen und anderen vertretbaren Gütern zur Verfügung zu stellen.143 So übernimmt die Börse die Aufgabe, die Handelswilligen durch eine zeitliche und räumliche Bündelung ihrer Aufträge von der kostenaufwendigen Suche nach der Marktgegenseite zu entbinden.144
142 Vgl. FabozzilModigliani, Capital Markets, S. 152; MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 43 (1999). Vgl. zur rechtlichen Einordnung dieser Systeme ausführlich unten 4. Teil: 2. Kapitel: I. I.e. Zu Intermediären und ihrer Funktion sowie dem Einfluss neuer Technologien, insbesondere des Internets, vgl. Stolzl SchmitzEsser, Die Bank 1997, 297 ff. 143 Baum, EBOR 2004, 677 (679); Baum, Technological Innovation, in Kono/Paulus/Rajak, Legal Issues, S. 99 (100); BäumstSegna, Börsenreform, S. 19; Maceyl O'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 22 (1999); GerkelHamann, ZfgKrW 1991, 560; Schenk, Informationstechnologie, S. 45; Schmidichen, 154 JITE 252 (1998); Steinhübel, Computerbörse, S. 97; Köndgen, 154 JITE 224, 234 (1998); Klenke, Börsendienstleistungen, S. 109; Mulherini Netter l Overdahl, 34 J. L. & Econ. 591, 592 (1991), die aber außerdem noch die Handelspreise als Produkt ansehen. Zu den Dienstleistungen der Börse aus Sicht der emittierenden Unternehmen siehe MaceylKanda, 75 Cornell L. Rev. 1007, 109f. (1990); Klenke, WM 1995, 1089 (1090 ). Zur Börse als Unternehmen ausführlich Mues, Börse; vgl. außerdem Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 459 ; Mulherin, Market Transparency, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 375 (376); Köndgen, 154 JITE 224, 234 ff. (1998); Schmidt, Regionalbörsen, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 397 (402f.). 144 Garbade, Securities Markets, S. 422 f.; Fabozzil Modigliani, Capital Markets, S. 11; Ferrarini, Exchange Governance, in Ferrarini, European Securities Markets, S. 245 (246); Fischet, 54 U. Chi. L. Rev. 119, 121 (1987); MaceylKanda, 75 Cornell L. Rev. 1007, 1019 (1990). Damit ermöglicht die Börse insb. die Reduktion von Transaktionskosten. Vgl. Köndgen, 154 JITE 224, 227 (1998); ähnl. RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (168).
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Wertpapierhandelssysteme
Gleiches gilt für multilaterale alternative Handelssysteme, die ähnlich einer Börse den Orderfluss zentralisieren und einen Markt organisieren.145 Diese Aufgabe ist höchst komplex.146 Um sie zu erfüllen und insbesondere einen effizienten Wertpapierhandel und eine maximale Abschluss- und Erfüllungssicherheit der Geschäfte zu garantieren, muss die Börse für eine organisatorisch-technisch und rechtlich optimale Infrastruktur sorgen.147 In rechtlicher Hinsicht stellt die Standardisierung der Transaktionsprodukte und der Transaktionsprozesse den Kern dieser Infrastruktur dar.148 Um diese Standardisierung zu erreichen und einen möglichst perfekt funktionierenden Markt sicher zu stellen, erlassen Börsen eine Vielzahl formaler und informeller Regeln.149 Hierzu gehören Regelungen zur Vereinfachung von Geschäftsabschlüssen I5° und die Standardisierung der Erfüllungsmodalitäten von Kontrakten.151 Die Handelsteilnehmer müssen lediglich noch den Kaufgegenstand, die Menge und den Preis festlegen. Langwierige Vertragsverhandlungen werden entbehrlich, so dass auch die Transaktionskosten sinken. Darüber hinaus müssen die unmittelbaren Marktteilnehmer bestimmte Qualifikationen sowie in einem gewissen Umfang Eigenmittel vorweisen. Aufgrund dessen ersparen die Börsen den Marktteilnehmern kostenauf-
145 Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30486 (Jun. 4, 1997); Steinhübel, Computerbörse, S. 78. 146 Köndgen, 154 JITE 224, 234 (1998); vgl. dazu und zum Folgenden auch Fischel, 54 U. Chi. L. Rev. 119, 122 (1987). 147 Klenke, Börsendienstleistungen, S. 109. Vgl. auch die von Kitch, Competition, in Oditah, Future, S. 233 (235ff.) genannten Leistungen der Börse. 148 Produktstandardisierungen müssen allerdings nicht notwendig durch die Börse erfolgen, sondern können auch importiert werden. Vgl. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (169). 149 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (168). Vgl. auch Kitch, Competition, in Oditah, Future, S. 233 (235); Coase, The Firm, S. 9; Schmidt, Wertpapierbörsen, S. 9. Diese Regeln werden in der Terminologie der Neuen Institutionenökonomik auch Institutionen genannt. Vgl. Richter l Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 7. In einer Welt mit Friktionen sind Institutionen nötig, um die Handlungen des Gegenübers berechenbar zu machen. Siehe Mues, Börse, S. 25; Picotl'BortenlängeriRöhrl, Börsen, S. 82. Die Börse lässt sich demnach auch als ein Bündel von Institutionen verstehen, die auf die Bedürfnisse der Tauschpartner abgestimmt sind und sich aus deren unvollkommener und asymmetrischer Informationslage ergeben. Vgl. Mues, Börse, S. 25; PicotlDietl, JNPÖ 13 (1994), S. 113. 150 Ferrarini, Exchange Governance, in Ferrarini, European Securities Markets, S. 245 (246). Dazu Schmidt, Börsenorganisation, S. 123 ff. 151 MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 22 (1999).
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wendige Bonitätsprüfungen der Gegenseite.152 Börsen generieren schließlich auch Regelungen, die den zwischen den Akteuren bestehenden Informationsasymmetrien Rechnung tragen und auf diese Weise weniger informierte Anleger vor Übervorteilungen schützen.153 Hierzu gehören z.B. die Publizitätsvorschriften für Unternehmensdaten, Insiderhandelsverbote154 und Vorschriften zum Handelsablauf, die Anleger im Verhältnis zu den Intermediären schützen sollen.155 Auch hierdurch hilft die Börse letztlich diesen Anlegern ihre individuellen Transaktionskosten zu senken.156 Außerdem können sich die Wertpapierhandelnden darauf verlassen, dass die Wertpapiertransaktionen entsprechend den Regelwerken durchgeführt werden.157 Hinzu kommen schließlich die Entwicklung von Vertragsdesigns, Clearing-Arrangements, die Selbstregulierung und die Streitschlichtung.158
152 Vgl. Mues, Börse, S. 26; Telser/Higinbotham, 85 J. Pol. Econ. 969, 971 f. (1977); Köndgen, 154 JITE 223, 245 f. (1998). Dies ist vor allem wegen des an der Börse herrschenden Kontrahierungszwangs wichtig. Dazu Ringleb, AG 1963, 304; Walter, WM 1986, 1489(1491). 153 Dies betrifft sowohl Übervorteilungen durch andere Anleger als auch solche durch Intermediäre. In diesem Zusammenhang spielt der „Opportunismus" der Marktteilnehmer eine wichtige Rolle. Darunter versteht die Neue Institutionenökonomie, dass die Marktteilnehmer unter Zuhilfenahme von List versuchen, ihre Interessen durchzusetzen. Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 5 f. sowie S. 154 ff. 154 Die Kontrolle durch die Börse erleichtert insb. die Aufklärung von Insiderhandel. Vgl. Macey/Kanda, 75 Cornell L. Rev. 1008, 1021 (1990). 155 Zu letzteren gehören insb. Prioritätsregeln bei der Orderausführung, Vorschriften gegen Front Running und manipulierte Kursschnitte. Vgl. Schmidt, Börsenorganisation, S. 205 ff.; Mues, Börse, S. 27. Zum Kursschnitt und Front Running unten Fn. 224. 156 Die Senkung von Transaktionskosten steht damit im Mittelpunkt des Börsenbetriebs. Vgl. Pirrong, 43 J. L. & Econ. 437, 439f. (2000). 157 RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (168). Vgl. auch Kitch, Competition, in Oditah, Future, S. 233 (235). 158 Köndgen, Mutmaßungen, in FS Lutter, S. 1401 (1416); Kitch, Competition, in Oditah, Future, S. 233 (235).
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
2. Die ökonomische Funktion von Börsen und dem Kapitalmarkt im Allgemeinen Je ähnlicher ATSs den Börsen werden, umso mehr übernehmen sie auch deren Funktion und werden selbst zu Teilmärkten (Marktplätzen) im Rahmen des Kapitalmarktes.159 Dessen Funktionen, die Allokationsfunktion, die Marktfunktion und die Bewertungsfunktion machen den Kapitalmarkt für eine Marktwirtschaft lebensnotwendig. Denn das Geschehen auf dem Kapitalmarkt hat unmittelbar Auswirkungen auf die gesamte (marktwirtschaftlich ausgerichtete) Volkswirtschaft.160 Jede Regulierung im Bereich des Kapitalmarktes muss diese Funktionen daher berücksichtigen und die Möglichkeit ihrer Erfüllung gewährleisten.
159 Als Kapitalmarkt wird der Markt für die längerfristige Geldvermögensbildung von seilen der Sparer einerseits und die Aufnahme von Mitteln in Form längerfristiger Kredite und Beteiligungskapital für Finanzierungszwecke andererseits verstanden. Vgl. Häuser, Kapitalmarkt, in Gerke/Steiner, Handwörterbuch, 2. Aufl., Sp. 1123; Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 54; Thomas/Treutier, Kapitalmarkt, in Obst/Hinter, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 1207; Tuchtfeldt, Kapitalmarkt, in Albers, Handwörterbuch, S. 432 (433). Ähnl. auch Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 189; Dicht!/Issing, Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Bd. l, S. 908f.; Loistl, Kapitalmarkttheorie, S. 5ff.; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 16; Steinhübel, Computerbörse, S. 96. Im Folgenden soll jedoch von einer engeren Definition ausgegangen werden, wobei der Kapitalmarkt mit dem Wertpapiermarkt (Markt für Aktien und festverzinsliche Wertpapiere) gleichgesetzt wird. Vgl. dazu Häuser, Kapitalmarkt, in Gerke/Steiner, Handwörterbuch, 2. Aufl., Sp. 1123; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 30. Zu den Funktionen des Kapitalmarktes und der Börse Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 190f.; FabozzilModigliani, Capital Markets, S. 11; Häuser, Kapitalmarkt, in Gerke/Steiner, Handwörterbuch, 2. Ausl., Sp. 1123; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 16; Tuchtfeldt, Kapitalmarkt, in Albers, Handwörterbuch, S. 432 (434f.); Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 93; Poser, 22 U. Pa. J. Int'l Econ. L. 497, 51 Off. (2001); von Rosen, Börsen in Gerke/Steiner, Handwörterbuch, 3. Aufl., Sp. 356f.; Steinhübel, Computerbörse, S. 98ff; Lüthje, Funktionsfähigkeit, S. 57ff; MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 22 (1999); Schenk, Informationstechnologie, S. 45; Schmidtchen, 154 JITE 252 (1998); Steinhübel, Computerbörse, S. 97; Köndgen, 154 JITE 224, 234 (1998). 160 Baumol, Stock Market, S. 2; Beck-DudleylStephens, 27 Am. Bus. L.J. 441, 449 (1989); Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 47; PicotIDiell, JNPÖ 13 (1994), 113; Poser, 22 U. Pa. J. Int'l Econ. L. 497, 511 (2001); Schlüter, Börsenhandelsrecht, S. 349ff; Schwartz, Introduction, in Schwartz, Global Equity Markets, S. l (3f.); Wolf, WM 2001, 557.
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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a) Allokationsfunktion Die wesentliche volkswirtschaftliche Funktion des Kapitalmarktes ist seine Allokationsfunktion.161 Die knappen Ressourcen der verfügbaren Ersparnisse müssen dorthin gelenkt werden, wo der jeweils größte Bedarf an Investitionsmitteln besteht - also die höchste Rendite erzielt werden kann.162 In einem effizienten Kapitalmarkt werden demzufolge erfolgreiche Firmen Kapital anziehen und den Wert ihrer Aktien steigern, während der Wert weniger erfolgreicher Unternehmen sinkt.163 In einem ineffizienten Markt wird das Kapital dagegen an die falsche Stelle geleitet, was das Wachstum der Volkswirtschaft beeinträchtigt. Denn da auf den Wertpapiermärkten die Kosten und das Angebot von Investitionsmitteln festgelegt werden, hat das Geschehen dort eine große Bedeutung für die Investitionen einer Volkswirtschaft in Realvermögen.164 Diese Allokation von Kapital findet vor allem auf dem so genannten Primärmarkt statt.165 Der Handel auf alternativen Handelssystemen gehört dagegen, ebenso wie der Börsenhandel, zum so genannten Sekundärmarkt.166 Obwohl der Sekundärmarkt nicht der Kapitalbeschaffung der Unternehmen dient, sondern lediglich der Umschichtung bereits angelegten Kapitals (Anlegersubstitution),167 existiert doch zumindest ein mittelbarer
161 Baumol, Stock Market, S. 6; Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 48; Poser, 22 U. Pa. J. Int'l Econ. L. 497, 511 (2001); Schlüter, Börsenhandelsrecht, S. 349; Schwark, Anlegerschutz, S. 368. 162 Assmann, ZBB 1989, 49 (61); Beck-Dudley l Stephens, 27 Am. Bus. L.J. 441, 449 (1989); Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 365. Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 218; Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 55 f.; Wolf, WM 2001, 557. 163 In einem funktionierenden Markt können effizientere Unternehmen billiger anbieten und werden deshalb von den Nachfragern bevorzugt. Dies stellt einen Anreiz für weniger effiziente Unternehmen dar, Suchprozesse nach efTizienzsteigernden Verfahren einzuleiten. Auf diese Weise führt Wettbewerb nicht nur zu einem effizienzsteigernden Selektionsprozess, sondern auch zu einer stetigen Verbesserung der Marktergebnisse. Vgl. Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 14. 164 Vgl. Baumol, Stock Market, S. 3; Beck-Dudley I Stephens, 27 Am. Bus. L.J. 441, 449 (1989); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 33. 165 Der Primärmarkt ist der Markt für die Erstausgabe von Wertpapieren. Vgl. Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 190. Zur Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärmarkt Hopt, ZHR 141 (1977), 389 (425 f.); Fleischer, 64. DJT, 2002, Gutachten F 39 ff. und F 94 ff. 166 Der Sekundärmarkt ist der Markt für bereits im Umlauf befindliche Wertpapiere. Vgl. Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 190. 167 Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 190 spricht in diesem Zusammenhang von der Substitutionsfunktion des Kapitalmarktes.
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
Einfluss auf die Beschaffung finanzieller Mittel am Primärmarkt.168 So sind die Kursentwicklung und die Transaktionskosten auf dem Sekundärmarkt wichtige Bestimmungsfaktoren für die Emissionsbedingungen bzw. die Kapitalkosten am Prima r markt.169 Außerdem gewährleistet der Sekundärmarkt die jederzeitige Veräußerbarkeit von Anlagen und ermöglicht in diesem Zusammenhang gleichzeitig die Prolongation der Bereitstellung von Mitteln 17° - zwei entscheidende Voraussetzungen für die optimale Allokation von Ressourcen auf dem Primärmarkt.171 Über die Kurse erleichtert der Markt schließlich den Anlegern die Kontrolle des Managements „ihrer" Unternehmen und hilft dadurch neben der Einschätzung für die weitere Allokation von Finanzmitteln, für eine gute Corporate Governance zu sorgen.172
b) Marktfunktion Darüber hinaus hat der Kapitalmarkt, wie jeder andere Markt auch, dafür zu sorgen, dass die meist gegensätzlichen Wünsche und Vorstellungen von Anbietern und Nachfragern soweit wie möglich in Einklang gebracht werden.173 Diese Marktfunktion wird dadurch erfüllt, dass der Kapitalmarkt
168 Vgl. Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 48; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 39ff.; Schwanz, Equity Markets, S. 4; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 30; Baums, Mittelständische Unternehmen, in FS Mestmäcker, S. 815, 816f., der die institutionellen Defizite des deutschen Sekundärmarktes für kleinere und mittlere Unternehmen aufzeigt. 169 FabozzilModigliani, Capital Markets, S. 144; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 30; Schwanz, Equity Markets, S. 5. Der Handel am Sekundärmarkt gibt den Managern eines Unternehmens Aufschluss über die Umsetzbarkeit der von ihnen getroffenen Investitionsentscheidungen und die Einschätzung der Marktteilnehmer. Vgl. Baumol, Stock Market, S. 3; Beck-DudleylStephens, 27 Am. Bus. L.J. 441,450(1989). 170 Fabozzil Modigliani, Capital Markets, S. 144; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 39f.; Schwanz, Equity Markets, S. 4. 171 Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 34. 172 Spindler, RIW 2002, 649 (650). Zur Corporate Governance ausführlich Hopt, Rahmenbedingungen, in Hommelhoff/Hopt/von Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 29ff; Hopt, Unternehmensführung, in Hommelhoff/Lutter/ Schmidt/Schön/Ulmer, Corporate Governance, S. 27 ff.; Hirte, Transparenz- und Publizitätsgesetz, S. l ff. 173 Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 190; Häuser, Kapitalmarkt, in Gerke/Steiner, Handwörterbuch, 2. Aufl., Sp. 1123; Schlüter, Börsenhandelsrecht, S. 349f; Tuchtfeldt, Kapitalmarkt, in Albers, Handwörterbuch, S. 432 (434).
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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den Anbietern finanzieller Mittel, also den Kapitalanlegern, eine an ihren Wünschen orientierte Vielfalt von Anlagemöglichkeiten, und den Nachfragern, also den Unternehmen, eine entsprechende Vielfalt an Finanzierungsmöglichkeiten und Beteiligungsformen bietet.174 Durch die zentrale Zusammenführung der verschiedenen Gruppen auf bestimmten Marktplätzen werden die Such- und Abschlusskosten gesenkt.175 Zur Marktfunktion kommt eine Transformationsfunktion des Kapitalmarktes hinzu. Da die Kapitalmarktakteure die unterschiedlichsten Finanzinstrumente regelmäßig handeln können, ermöglicht der Kapitalmarkt (insbesondere der Sekundärmarkt) die Transformierung von Losgrößen, Risiken und Fristen.176 So können Anleger langfristig laufende Finanzinstrumente erwerben und nach kurzer Zeit bereits wieder veräußern - die langfristige Mittelgewährung an einen Emittenten wird auf diese Weise in viele kurzfristige Investitionen verschiedener Anleger transformiert.177 Dadurch wird die Teilhaber- oder Gläubigerstellung zu einer in Bezug auf Losgrößen, Risiken und Fristen frei disponiblen Größe.178 Auf diese Weise eröffnet der Handel am Kapitalmarkt den Marktteilnehmern die Möglichkeit, ihr Kapital äußerst liquide und in einer ihren Präferenzen entsprechenden Weise anzulegen. c) Bewertungsfunktion Um die Markt- und die Allokationsfunktion erfüllen zu können, kommt dem Kapitalmarkt schließlich eine Bewertungsfunktion zu: Die im Markt vorhandenen, ein Finanzinstrument bestreffenden Informationen fließen in die Kurse ein und geben den Anlegern eine Grundlage für deren Anlageentscheidungen.179 Gleichzeitig erleichtern sie den Gesellschaftern und den Gläubigern die Überwachung der jeweiligen Gesellschaft.180 Werden da-
174 Häuser, Kapitalmarkt, in Gerke/Steiner, Handwörterbuch, 2. Aufl., Sp. 1123. 175 Kumpel, Börsenrecht, S. 14; ders., Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 17.47; de·«., WM 1990, 45 (46); Mues, Börse, S. 97; Schlüter, Börsenhandelsrecht, S. 352f.; zu Transaktionskosten ausführlich unten 1. Teil: 1. Kapitel: V. 1. 176 Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 16. 177 Baumol, Stock Market, S. 3. 178 Mues, Börse, S. 24. 179 Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 191; Fabo:zilModigliani, Capital Markets, S. 11; Schulte, Regulierung, S. 237; Schlüter, Börsenhandelsrecht, S. 353. 180 MaceylKanda, 75 Cornell L. Rev. 1007, 1020 (1990).
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I. Teil: Außerbörsliche
Wertpapierhandelssysteme
gegen die Finanzinstrumente - wegen Marktineffizienzen - nicht korrekt bewertet, kommt es zu Fehlinvestitionen des Kapitals.181
V. Leistungskriterien für Märkte Bieten alternative Handelssysteme den Börsen vergleichbare Dienstleistungen an und übernehmen sie zum Teil deren Funktionen, so werden bei ihrer Regulierung ähnliche Fragen wie bei der Regulierung von Börsen relevant. Um eine annähernd optimale Regulierung zu erreichen, ist daher sicherzustellen, dass die Märkte einen möglichst hohen Effizienzgrad erreichen. Die Kriterien für die Beurteilung von Börsen und vergleichbaren Märkten liefert die Marktmikrostrukturtheorie.182 Hierzu gehören als Primärkriterien die Transaktionskosten und die Liquidität, als Sekundärkriterien die Informationseffizienz, die Markttransparenz, die Abwicklungseffizienz und die Attraktivität der Produktpalette sowie schließlich die Integrität und Sicherheit eines Marktes bzw. Handelssystems. /. Primärkriterien a)
Markttransaktionskosten
Die bei den Transaktionen anfallenden Kosten (Transaktionskosten) lassen sich in die drei Komponenten Marktbeeinflussungskosten, Kommissionskosten und Bid/Ask-Spread aufspalten.183 Die Marktbeeinflussungskosten
181 In diesen Fällen führen die Preise zu Fehlsignalen für die Manager über die Einschätzung des Erfolges eines Unternehmens durch die Märkte. 182 GerkelRapp, DBW 54, 5 (10). Vgl. zur Marktmikrostrukturtheorie Rudolph! Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (191 ff.). 183 Vgl. Lüdecke, Struktur, S. 17ff.; Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 94ff.; PicotIBortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 106f; Steinhübel, Computerbörse, S. 110; GerkelRapp, DBW 54, 5 (12). Darüber hinaus werden zu den Transaktionskosten gezählt: die Inventarkosten der Market Maker, Insiderkosten und die Geschäftsabwicklungskosten. Stall, Economics, in Parrillo/Hobbing/Porter/ Gutman, NASDAQ Handbook, S. 263 (267 f.); Rudolph!Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (175ff). Diese Kosten beeinflussen den Bid/Ask-Spread der Market Maker, treten jedoch gegenüber dem Anleger nicht als separate Kosten in Erscheinung. Zu weiteren Komponenten der Markttransaktionskosten vgl. Collins!Fabozzi, 47 FAJ (Mar./Apr., 1991), 27; GerkelRapp, DBW 54, 5 (12); Comber, Elektronische Handelssysteme, S. 13
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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bzw. der Market Impact entstehen dadurch, dass eine große Order allein wegen ihrer Größe zu einer Verschiebung des „richtigen" Marktpreises" führt (Mengen-Preis-Effekt).184 Die Marktbeeinflussungskosten ergeben sich somit aus der Differenz zwischen dem Kurs, den eine Order erzielt, und dem Kurs, der im Markt fortbestehen würde, wenn kein Mengen-Preis-Effekt eingetreten wäre.185 Die Kommissionskosten sind Beträge, die an die Zugangsintermediäre als Kompensation für die Orderausführung zu zahlen sind.186 Der Bid/Ask-Spread ist die Differenz zwischen dem von einem Market Maker gestellten Ankaufs- und Verkaufskurs, die seine Quotierung bzw. Kursofferte bilden.187 Käufer beziehen die Wertpapiere vom Market Maker zum höheren Verkaufskurs, Verkäufer erhalten dagegen für ihre Wertpapiere den niedrigeren Kaufkurs.188
184
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187
188
und S. 46ff.; Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 21. Für eine Untersuchung des Bid/Ask-Spreads deutscher Standardwerte Iversen, Geld-BriefSpannen. Grundlegend zu Markttransaktionskosten Coase 3 J. L. & Econ. l ff. (1960); Demsetz, 82 Q. J. Econ. 33 ff. (1968). Außerdem Stall, Importance, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 98 ff.; Berkowitz/Logue/Noser, 43 J. Fin. 97ff. (1988). RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (172). Siehe dazu auch Lüdecke, Struktur, S. 20. Zum Market Impact ausführlich Liersch, Regulierung, S. 58 ff. Für eine Untersuchung des Market Impacts siehe Kraus/Stoll, 27 J. Fin. 569ff. (1972). Für eine Untersuchung der mit dem Market Impact verbundenen Kosten siehe Berkowitz/Logue/Noser, 43 J. Fin. 97 ff. (1988). Berkowitz/Logue/Noser, 43 J. Fin. 97 (1988); PicotIBortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 108; Rudolphl Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143(172). PicotIBorlenlängerl Röhrl, Börsen, S. 109; Rudolphl Röhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (170 und 174). Dazu ausführlich Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 128 ff. Zu den Kommissionskosten gehören die Provision der Banken und die Maklergebühr. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (l70f. und 174f.). Zum Spread ausführlich Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 96 ff. Kursofferten stellen ein verbindliches Handelsangebot der Market Maker dar, zu den jeweiligen Preisen ein bestimmtes Volumen zu handeln. Siehe dazu Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 21; Hasbrouck, Trade, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 218 (221); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 113; Gerke/Aignesberger, ZfgKrW 1987, 1027 (1028); Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (208 f.). Der Market Maker teilt damit eine Wertpapiertransaktion in zwei getrennte Transaktionen, wodurch die Notwendigkeit der gleichzeitigen Existenz zweier korrespondierender Orders entfällt. Da der Market Maker sich verpflichtet, gemäß seiner Quotierung eine bestimmte Mindestordergröße zu handeln, stellt der Spread seine Handelseinnahme für das Angebot eines verbindlichen
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
Diese verschiedenen Arten von Transaktionskosten sind für die verschiedenen Anlegergruppen189 von unterschiedlicher Bedeutung. Während z.B. eine große Blockorder190 eines großen institutionellen Investors bei ihrer Ausführung regelmäßig einen Mengen-Preis-Effekt auslöst,191 ist dies bei der weitgehend atomistischen Order eines Privatanlegers nicht der Fall. Für den Blockhandel führt dies oft sogar dazu, dass der Market Impact einen größeren Effekt auf die Transaktionskosten hat als der jeweilige Kurs, zu dem eine Transaktion abgewickelt wird.192 Auch bei den Kommissionskosten ergeben sich Unterschiede, weil die Höhe der Kommissionskosten und die Art ihrer Veränderung regelmäßig von der Größe der Order abhängen.193
189 190 191 192 193
Abschlussservices dar, den Liquidität suchende Marktteilnehmer nachfragen können. In einem Markt, in dem mehr als ein Market Maker Preisspannen stellt, bildet die niedrigste Verkaufsquotierung und die höchste Ankaufsquotierung den Market Spread, die engste verfügbare Spanne des Marktes. Auch im Auktionssystem existiert eine Spanne. Sie repräsentiert das höchste Kauf- und das niedrigste Verkaufsangebot und zeigt somit die günstigsten, aktuellen Ausführungsbedingungen an. Siehe RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (175). Für einen Überblick über die Ökonomie des Market Making siehe Mildenstein, Kurspolitik und Schwanz, Equity Markets, S. 387 ff. Zu den unterschiedlichen Anlegergruppen siehe unten 1. Teil: 2. Kapitel: III. 2. Vgl. dazu oben Fn. 18. Gerke, DBW 53 (1993), 725 (741). Zum Market Impact beim Blockhandel Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 48 f. MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 46 (1999). Für eine Illustration des Market Impacts siehe O t ness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1616 f. Vgl. Picotl'BortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 109f. Bei privaten Anlegern sinken die Kommissionskosten pro Wertpapier mit zunehmender Ordergröße, was ihre größer werdende Verhandlungsmacht bei wachsenden Ordergrößen und der weitgehend fixen Kostenstruktur im Handel kleiner Orders widerspiegelt, wenn der Handel vollständig automatisiert ist. So werden z. B. mit dem Small Order Execution System (SOES) der NASDAQ Orders bis zu 1.000 Stück automatisch gehandelt, d.h. die Transaktionen werden zu einem vorher bestimmten Preis abgeschlossen und fließen nicht in die Preisfeststellung ein. Siehe Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 201 ff. Bei institutionellen Investoren betragen die Kommissionskosten demgegenüber im Durchschnitt nur einen Bruchteil der Kosten des Handels privater Anleger. Sie steigen allerdings mit wachsendem Volumen einer Order an. Dies hängt damit zusammen, dass die steigenden Kommissionskosten den Intermediär für den wachsenden Suchaufwand entschädigen sollen, den er betreiben muss, um durch umsichtige Anbahnung der Transaktion den Market Impact zu minimieren. BerkowitzILoguelNoser, 43 J. Fin. 97, 107 (1988); Picotl Bortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 110; Rudolphl Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (174).
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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b) Liquidität Das zweite Primärkriterium zur Einschätzung von Märkten ist die Liquidität.194 Ein Markt lässt sich als liquide bezeichnen, wenn die Marktteilnehmer schnell und zu niedrigen Transaktionskosten die von ihnen gewünschte Anzahl von Finanzinstrumenten kaufen oder verkaufen können, ohne dass ihre Aufträge den Kurs nennenswert beeinflussen.195 Liquidität resultiert damit aus der Konzentration von Orders in einem Markt. Die Liquidität wird durch die Merkmale Markttiefe, Marktbreite, Sofortigkeit und Erholungsfähigkeit des Marktes bestimmt.196 Markttiefe („depth") bedeutet, dass eine relativ große Anzahl von Orders im Markt vorhanden ist, so dass auch bei starken Marktveränderungen ausreichend Transaktionsmöglichkeiten vorhanden sind und ein Austrocknen des Marktes verhindert wird.197 Können auch große Transaktionsvolumina ohne erhebliche Kursbewegungen ge- oder verkauft werden, handelt es sich um einen breiten Markt („breadth").198 Sofortigkeit („immediacy") bedeutet, dass Orders (bei gegebener Größe und zu den gegebenen Transaktionskosten) sehr schnell ausgeführt werden können.199 Die Erholungsfähigkeit
194 Zum Begriff der Liquidität RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/ Baum, Börsenreform, S. 143 (177); Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. 49ff.; OesterhelweglSchiereck, Meßkonzepte, S. 390; Grossman/Miller, 43 J. Fin. 617 ff. (1988). 195 Vgl. z.B. GerkelRapp, DBW 54, 5 (12); Oesterhelwegl Schiereck, Meßkonzepte, S. 390; MassimbIPhelps, 50 FAJ (Jan./Febr. 1994), 39, 41 f.; RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (177); Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 24. 196 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 13; RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (177). 197 Vgl. GerkelRapp, DBW 54, 5 (12); Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 13; Lüdecke, Struktur, S. 22; OesterhelwegISchiereck, Meßkonzepte, S. 390 (391); Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 48; RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (177); Schenk, Informationstechnologie, S. 111; Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 25; Steinhübel, Computerbörse, S. 108. 198 Vgl. Garbade, Securities Markets, S. 420; GerkelRapp, DBW 54, 5(12); Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 13; Lüdecke, Struktur, S. 22; Oesterhelwegl Schiereck, Meßkonzepte, S. 390 (391); RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (177); Schenk, Informationstechnologie, S. 111; Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 25; Steinhübel, Computerbörse, S. 108. 199 Vgl. Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 13; Lüdecke, Struktur, S. 22; MassimbIPhelps, 50 FAJ (Jan./Febr. 1994), 39, 41; RudolphlRöhrl, Grundfragen,
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I.Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
(„resiliency") bezeichnet schließlich die Eigenschaft eines Marktes, dass die Preise auf kurzfristige Orderungleichgewichte elastisch reagieren, indem nach technisch bedingten Kursänderungen genügend neue ausgleichende Aufträge in den Markt fließen, so dass sich der alte Gleichgewichtspreis nach kurzer Zeit wieder einpendelt.200 Wie bei den Transaktionskosten beurteilen unterschiedliche Anlegergruppen die Liquidität oft unterschiedlich, weil sie im Hinblick auf die Schnelligkeit der Orderausführung, den Orderumfang oder die Art der Orderausführung unterschiedliche Prioritäten haben.201
2. Sekundärkriterien a) Informationseffizienz Ein Markt wird als informationseffizient bezeichnet, wenn sich Informationen, die den Wert des gehandelten Finanzinstrumentes beeinflussen, unverzüglich in den Preisen niederschlagen.202 In einem preisineffizienten Markt weichen die Preise vom „wahren" Wert ab, so dass dem Marktteilnehmer, der Geschäfte zu diesen abweichenden Preisen tätigt, implizite Kosten in Höhe der Preisabweichung entstehen.203 Um diese Kosten möglichst gering
200
201 202
203
in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (178); Schenk, Informationstechnologic, S. 112. Krit. zur Sofortigkeit Cohen/Schwartz, Electronic Call Market, in Lucas/ Schwartz, Challenge, S. 15 (23). Zur Beschleunigung des Handels durch Computertechnologie Gerke, DBW 53 (1993), 725 (737ff.). Vgl. Gerke/Rapp, DBW 54, 5 (12); Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 13; Lüdecke, Struktur, S. 22; OesterhelweglSchiereck, Meßkonzepte, S. 390 (391); Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (178); Schenk, Informationstechnologie, S. 112; Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 25; Steinhiibel, Computerbörse, S. 109. Zu den unterschiedlichen Typen von Anlegern unten 1. Teil: 2. Kapitel: III. 2. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (181); Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. 44. Zur InformationsefTizienz grundlegend Fama, 25 J. Fin. 383 ff. (1970); Fama, 46 J. Fin. 1575 ff. (1991). Zur Markteffizienz ausführlich auch GilsonlKraakmann, 70 Va. L. Rev. 549 ff. (1984). Für empirische Analysen der Kapitalmarktforschung HolMichaely, 23 J. Fin. & Quant. Anal. 53ff. (1988); GrossmannIStiglitz, 66 AER 246ff. (1976); dies., 70 AER 393 ff. (1980); Aschinger, Börsenkrach, S. 41 ff. Für eine kritische Würdigung der Informationseffizienz von Märkten siehe auch Beaver, BFuP 35 (1983), 344ff. Eine höhere Informationseffizienz senkt somit die Vereinbarungs- und Anbahnungskosten.
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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zu halten, ist es im Interesse der Anleger, dass Informationen so schnell wie möglich eingepreist werden können. Dies ist allerdings dahingehend einzuschränken, dass nicht alle irgendwie gearteten „Informationen" eingepreist werden sollten, sondern nur solche, die den „wahren" - von Verwerfungen unabhängigen - Wert des Finanzinstrumentes beeinflussen.204 b) Markttransparenz Die Transparenz eines Wertpapiermarktes bestimmt, in welchem Umfang Informationen über den Wertpapierhandel öffentlich verbreitet und damit für die Marktteilnehmer sichtbar werden.205 Transparenz ist nicht mit „Berichtspflicht" bzw. „Reporting" zu verwechseln.206 Beim so genannten Reporting handelt es sich um die Weitergabe von Preis- und Handelsinformationen an die Aufsichtsführenden zum Zwecke der Marktüberwachung. Transparenz ist dagegen die öffentliche Verbreitung von Informationen an Anleger und andere Marktteilnehmer.207 Markttransparenz lässt sich in zeitlicher Hinsicht in Vorhandelstransparenz und Nachhandelstransparenz unterteilen. Die Vorhandeistransparenz eines Marktes bestimmt, in welchem Umfang die Marktteilnehmer Informationen über die aktuelle Auftragslage (Auftragslimits, Volumina etc. von auf ihre Ausführung wartenden Orders oder Kursofferten) erhalten.208 Die Nachhandelstransparenz betrifft dagegen die Verbreitung von Informationen über abgeschlossene Transaktionen.209
204 Keine wirklichen Informationen sind bloße Gerüchte, die keine Beziehung zum wirklichen Geschehen haben (auch „noise" genannt). 205 IOSCO, Supervisory Framework, S. 4; COSRA, Principles of Transaction Transparency; RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (204); Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. 46; Becker l Angstadt, Market 2000, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 187 (196); Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 435f.; Hasbrouck, Trade, in Schwartz, Global Equity Market, S. 218; Liersch, Regulierung, S. 73; Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 30. 206 Seitz, AG 2004, 497 (504). 207 SEC, Market 2000 Report, Study IV, Transparency (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 135. 208 Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 436; Comber, Elektronische Handelssysteme, S. 19; Liersch, Regulierung, S. 73; RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (208). 209 COSRA, Principles of Transaction Transparency; Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 436; Comber, Elektronische Handelssysteme, S. 19; Liersch, Regulie-
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
In einem Auktionsmarkt herrscht minimale Vorhandeistransparenz, wenn nur die beiden besten (Limit-)Orders, d. h. das höchste Kaufgebot und das niedrigste Verkaufsgebot sichtbar sind. Die maximale Vorhandelstransparenz hingegen ist mit einem offenen Orderbuch erreicht, wenn alle Orders unverzüglich für alle Marktteilnehmer sichtbar sind.210 An die Stelle der Limitorders im Auktionsmarkt treten in Market-Maker-Systemen die Kursofferten der Market Maker, die diese veröffentlichen. Die Nachhandelstransparenz ist in einem Auktionsmarkt in der Regel gut ausgeprägt, weil für die Marktbetreiber ein entsprechender Anreiz besteht, um die Anleger zur Abgabe von Orders zu bewegen. Denn Anleger würden keine Orders platzieren, wenn sie nicht wüssten, welche Preise auf dem Markt gerade aktuell sind.2" In Market-Maker-Systemen ist die Nachhandelstransparenz dagegen in der Regel weniger ausgeprägt.212 Da Market Maker Finanzinstrumente nur kurzfristig halten, müssen sie ihre Positionen nach größeren Transaktionen regelmäßig glattstellen also ein entsprechendes Gegengeschäft tätigen. Würden sie Informationen über abgeschlossene Transaktionen umgehend veröffentlichen, würde dies für sie zu hohen Marktbeeinflussungskosten führen, weil Anleger die Möglichkeit erhalten würden, zu ihren Lasten zu spekulieren.213
210
211
212
213
rung, S. 73; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (209 f.). Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (208); Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. 47. Das Orderbuch stellt eine nach definierten Prioritätsregeln vorgenommene Auflistung von limitierten und uniimitierten Orders dar und wird als offenes Orderbuch bezeichnet, wenn die Marktteilnehmer Einblick in das Orderbuch erhalten und als geschlossenes Orderbuch, wenn sie keinen Einblick erhalten. Vgl. Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 19; Schenk, Informationstechnologie, S. 112 f. Zur Orderbuchtransparenz ausführlich Küster Simic, Orderbuchtransparenz, S. 9 ff. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (209). Gestaltungsparameter der Nachhandelstransparenz sind die Schnelligkeit der Informationsverarbeitung, der Grad der Informationsasymmetrie und die Art der Informationen (z. B. Preise, Mengen, Transaktionszeitpunkte oder die Identität der Kontrahenten). Vgl. Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 20. Kurse abgeschlossener Transaktionen werden in Market-Maker-Systemen regelmäßig mit Verzögerung veröffentlicht. Vgl. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (209). Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (209).
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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c) Abwicklungseffizienz Mit dem Kriterium der Abwicklungseffizienz sollen die Abwicklungsfristen und die damit verbundenen (Opportunitäts-)Kosten einer Handelsplattform erfasst werden.214 Diese Kosten bzw. Risiken lassen sich aufgrund des Auseinanderfallens des Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäftes in der Settlementphase in das Fehlerrisiko und Kontrahentenrisiko unterteilen.215 Das Fehlerrisiko besteht darin, dass sich der Kurs zwischen den Zeitpunkten des Kaufs und der Erfüllung des Geschäfts zu Ungunsten des Anlegers ändert. Das Kontrahentenrisiko bezeichnet die Gefahr, dass die Gegenpartei ihre Verpflichtungen nicht (mehr) erfüllen kann. 216 Beide Gefahren steigen mit zunehmender Abwicklungsdauer, wobei die Höhe des möglichen Schadens von den stattfindenden Kursänderungen am Markt abhängig ist. Bei der Abwicklungsgestaltung muss es daher das Ziel eines Handelssystems sein, den Erfüllungszeitraum zwischen dem Verpflichtungs- und dem Verfügungsgeschäft zu minimieren, um diese Risiken zu begrenzen.217 d) Attraktivität der Produktpalette Neben den die Transaktionsprozesse betreffenden Merkmalen einer Plattform spielen schließlich auch die dort gehandelten Produkte eine wesentliche Rolle für ihre Einschätzung durch die Anleger.218 Da der jeweilige Systembetreiber bestimmt, welche Finanzinstrumente er zum Handel zulässt, genügt es nicht, die Betrachtung auf die Organisation der Transaktionsprozesse zu beschränken. Vielmehr ist es notwendig, auch die Fähigkeit eines Handelssystems zu erfassen, Transaktionsprodukte für den Handel mit Finanzinstrumenten zu schaffen, die den Handelsbedürfnissen der Investo214 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (182). 215 RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (l82f.); Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 27 216 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 22 f. Daneben kann - sofern keine besonderen Vorkehrungen getroffen werden - für Anleger, die über einen Kommissionär am Kapitalmarkt agieren, immer auch die Gefahr bestehen, dass dieser in der Zeit zwischen dem Erwerb der Finanzinstrumente und der Weiterübereignung dieser Finanzinstrumente an den Anleger insolvent wird. Dazu Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 310. 217 RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (183). 218 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (184).
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I.Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
ren und Emittenten gerecht werden.219 Ein Handelssystembetreiber kann die Schaffung von Transaktionsprodukten durch Dritte mittelbar durch die Errichtung entsprechender Zulassungsregeln für Finanzinstrumente beeinflussen, zum anderen kann ein Systembetreiber solche Produkte auch selbst schaffen, indem er, wie dies bei Terminbörsen der Fall ist, durch entsprechende Spezifikationen eigene Handelsobjekte kreiert.220 Mit zunehmender Reichhaltigkeit des Angebots steigt die Attraktivität. 221 3. Integrität und Sicherheit des Handelssystems Integrität und Sicherheit eines Handelssystems spielen eine besonders wichtige Rolle für die Attraktivität eines Handelssystems.222 Je ausgeprägter die Integrität eines Systems ist, desto geringer ist das Risiko, dort zu handeln. Dieses Risiko kann unterteilt werden in das Informationsrisiko, das Ausführungsrisiko und das operationale Risiko.223 Informationsrisiken bestehen aufgrund von Informationsverzerrungen durch unterschiedliche Informationsniveaus der Marktteilnehmer sowie durch inkorrekte Verarbeitung von Informationen. Dieses Risiko wird zum einen durch die Transparenz des Handelssystems, zum anderen aber auch durch das Vorhandensein (besser) informierter Anleger sowie durch die Liquidität beeinflusst. Eine optimale Transparenz und eine hohe Liquidität erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Preise neue Informationen umgehend reflektieren, so dass die Gefahr größerer Verluste aus dem Handel mit besser informierten Anlegern für den einzelnen gering gehalten wird. Das Ausführungsrisiko besteht darin, dass eine Order durch die Intermediäre vorsätzlich nicht ordnungsgemäß ausgeführt wird.224 Handels-
219 220 221 222
Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (184). RudoiphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (184). Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 41. Rudoiphl Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (185). Zur Systemsicherheit unt Integrität siehe auch Krause, Alternative Wertpapierhandelssysteme, S. 149ff.; Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. 54f. 223 Zu den Anlegerrisiken siehe unten 1. Teil: 2. Kapitel: III. 1. Um die Integrität eines Handelssystems sicherzustellen, ist es insbesondere notwendig, Missbräuche, wie Insiderhandel und Manipulationen, zu verhindern und einen angemessenen Anlegerschutz zu gewährleisten. Vgl. Rudoiphl Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (l86ff.). 224 Dies ist der Fall beim Kursschnitt und beim Front Running. Beim Kursschnitt schließt der Intermediär mit dem Anleger ein für diesen schlechteres Geschäft ab, als es am Markt möglich wäre. Die Kursdifferenz zwischen dem tatsäch-
1. Kapitel: Wertpapierhandelssysteme und ihre Rolle am Kapitalmarkt
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missbräuche, die in der Regel mit einer Übervorteilung anderer Marktteilnehmer einhergehen, reduzieren dauerhaft die Liquidität einer Handelsplattform, weil die Anleger, sobald sie den Missbrauch entdecken, ihre Aktivitäten verringern bzw. auf andere Märkte ausweichen werden. Die Integrität eines Handelsplatzes schützt somit das Vertrauen der Marktteilnehmer in einen Handelsplatz. Weniger gut überwachte Märkte, auf denen Manipulationen und andere Missbräuche erwartet werden, führen für die einzelnen Anleger zu höheren Kontrollkosten, weil z. B. die Intermediäre aufwendiger überwacht werden müssen.225 Das operationale Risiko wird durch die Zuverlässigkeit der technischen Systeme bestimmt, die eine fehlerfreie Bearbeitung und Weiterleitung der Orders garantieren sollen.226 Je geringer diese Risiken sind, desto geringer sind auch die Kontrollkosten und Risikoaufschläge für die Anleger. Eine hohe Integrität und Sicherheit von Handelssystemen sind daher insbesondere auch unter Anlegerschutzgesichtspunkten wünschenswert.227
VI. Zusammenfassung Das Angebot kostengünstiger und insbesondere für institutionelle Investoren maßgeschneiderter Dienstleistungen ermöglichte es alternativen Handelssystemen, sich in den USA, aber auch in Deutschland - hier vor allem im
liehen Marktpreis und dem Preis des Geschäfts mit dem Anleger stellt dann den Gewinn des Intermediärs dar. Vgl. Schmidt, Börsenorganisation, S. 45ff.; Averdiek-Bolwin, Effizienz, S. 73; Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 145 f. Beim Front Running nutzt der Intermediär sein Wissen über eine bevorstehende marktbeeinflussende Order eines Kunden, um vor der Ausführung der Kundenorder eigene Transaktionen in Bezug auf das jeweilige Finanzinstrument auszuführen und dann von der durch die Kundenorder hervorgerufene Kursbewegung zu profitieren. Dem Anleger entstehen dadurch Kosten in Höhe der Differenz zwischen dem Marktpreis vor der Aufgabe der Order des Intermediärs und dem Marktpreis nach der Aufgabe dieser Order. Vgl. dazu Vgl. SEC, Market 2000 Report: Study IV, Transparency (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 135, 1 (9, Fn.12); Schmidt, Börsenorganisation, S. 47ff.; Averdiek-Bolwin, Effizienz, S. 73; Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 151 f. 225 Gleichzeitig kann eine integritätsfördernde Handelsaufsicht aber auch zu einer Überreglementierung des Handels führen. Das kann zur Folge haben, dass weniger schutzbedürftige und mobile Marktteilnehmer Orders abziehen und andere, weniger reglementierte Handelsplattformen für ihre Aktivitäten wählen. 226 Averdiek-Bolwin, Effizienz, S. 74. 227 Zum Anlegerschutz unten 1. Teil: 2. Kapitel: I. 2. und 1. Teil: 2. Kapitel: III.
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
Rentenhandel und im Handel mit verbrieften Derivaten - zu etablieren. Die angebotenen Dienstleistungen reichen von einfachen Websites, auf denen Handelswünsche veröffentlicht werden können, bis zu hochkomplexen Handelsmechanismen, die wie Börsen den Handel organisieren. Solche Systeme, die börsenähnliche Dienstleistungen anbieten, übernehmen auch die Funktionen von Börsen, wie z. B. die Zusammenführung von Handelswilligen und die Allokation von Kapital. Zum Zwecke der Regulierung lassen sich drei größere Kategorien von Handelssystemen bilden. Den Börsen besonders ähnlich sind Systeme mit Marktplatzfunktion, bei denen viele Handelsteilnehmer untereinander handeln können. Eine zweite Gruppe sind bilaterale Systeme, bei denen der Anbieter Gegenpartei jeder Transaktion wird. Die dritte Gruppe wird von den übrigen Systemen gebildet. Diese Verschiedenartigkeit der Handelssysteme muss bei einer Regulierung berücksichtigt werden.
2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente Die große Bedeutung des Kapitalmarktes für eine marktwirtschaftliche Volkswirtschaft bringt es mit sich, dass staatliche Institutionen immer wieder das Bedürfnis haben, regulierend einzugreifen. „Regulierung" stellt eine gezielte staatliche oder staatlich sanktionierte Beschränkung der Handlungsund Verfügungsmöglichkeiten von Menschen dar.228 Im wirtschaftsrechtlichen Bereich ist Regulierung als staatlicher Eingriff in die Bereitstellung wirtschaftlicher Güter bzw. zur Beschränkung von Marktmechanismen zu verstehen.229
228 Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. If.; PicotJ Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, S. 159. Zum Begriff der Regulierung Müllerl Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 342; Dick, Regulierung, in Apolte/Kessler, Regulierung, S. 39 (40ff.); Eickhof, JNPÖ 5 (1986), 122ff; Ogus, Regulation, S. 1; von Weizsäcker, SZVS 118 (1982), 325 (326); Frey, Theorie, S. 99. Regulierung wird allerdings unterschiedlich weit verstanden, vgl. Ogus, Regulation, S. 3. Eine neuere Ansicht versteht unter Regulierung einen staatlicherseits vorgenommenen ordnenden und gestaltenden Ausgleich von Rechtsverhältnissen Privater im Wege der Rechtssetzung, die im Einzelfall auch freiheitbeschränkende Wirkung haben können, keineswegs jedoch müssen. Vgl. Kämmerer, Privatisierung, S. 487; ders., NVwZ 2004, 28 (30, Fn. 25); Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (304, Fn. 156). Dieses Verständnis trägt insbesondere neueren Entwicklungen Rechnung, bei denen der staatlichen Regulierung die Aufgabe zukommt, eine Tätigkeit überhaupt erst zu ermöglichen. Dies ist z. B. der Fall bei Radiowellen. Ohne eine Regulierung bestünde hier die Gefahr, dass unterschiedliche Anbieter auf gleichen Frequenzen senden würden und es auf diese Weise zu erheblichen Störungen käme. Vgl. auch Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 2; von Weizsäcker, Deregulierung, in Vogel, Deregulierung, S, 11 (15), der für eine Regulierung überall dort plädiert, wo der Staat in der Lage ist, Transaktionskosten zu senken. Ebenso MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 23 (1999). Zur Reduzierung von Transaktionskosten durch Regulierung siehe auch unten 1. Teil: 2. Kapitel: II. 2. Für eine Diskussion von Regulierungsmaßnahmen im Bereich des Börsenrechts ist es nicht erforderlich, einen neuartigen Regulierungsbegriff zugrunde zu legen. Da in diesem Zusammenhang Regulierung regelmäßig der Beschränkung dient, kann auch ein engerer Regulierungsbegriff, der das freiheitsbeschränkende Moment entsprechend herausstellt, verwendet werden. Zum Regulierungsbegriff auch Krause, Alternative Wertpapierhandelssysteme, S. HOff. Zum Einfluss der europäischen Regulierung auf die (europäischen) Finanzmärkte Ferran, Building an EU Securities Market, S. 25ff. 229 PicotlBortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, S. 159; Seitz, AG 2004, 497 (502). Ähnlich Kruse, Ordnungstheoretische Grundlagen, in Seidenfus, Deregulierung,
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
In einer Marktwirtschaft stellen staatliche Regulierungseingriffe - als hierarchische Interventionen - eine Ausnahme dar und bedürfen daher der Begründung.230 Wie für jede Form staatlicher Betätigung im Rahmen einer Marktwirtschaft gilt für sie ein striktes Subsidiaritätsprinzip, d.h. es gilt auch hier die generelle Vermutung, dass alle Aufgaben, die in privater Regie bewältigt werden können, von Privaten effizienter erfüllt werden als durch den Staat.231 Der gesellschaftspolitische Aspekt dieses Subsidiaritätsprinzips liegt darin begründet, dass der Staat als einzig legitimer Inhaber von Zwangsgewalt fungiert.232 Jede Ausdehnung des Bereichs potentieller Ausübung von Zwangsgewalt geht unmittelbar zu Lasten individueller Freiheitsräume. So schränkt eine Regulierung des Kapitalmarktes die Vertragsfreiheit der Akteure und damit einhergehend deren prinzipiell unbeschränkten wirtschaftlichen Handlungsspielraum ein.233 Zugleich fehlt im öffentlichen Sektor ein gleichermaßen geeigneter Mechanismus zum Auf- und Abbau von Machtpositionen wie ihn der Wettbewerb auf freien Märkten darstellt.234 Damit sprechen sowohl Effizienzüberlegungen als auch gesellschaftspolitische Motive für eine Maximierung individueller Freiheitsräume. Ziele der Kapitalmarktregulierung in Deutschland und Europa sind der Funktions- und der Anlegerschutz (dazu unter I). Demzufolge liegen die Voraussetzungen für eine kapitalmarktrechtliche Regulierung vor, wenn entweder die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes beeinträchtigt wird (dazu unter II) oder Risiken für die Anleger entstehen (dazu unter III). Aufgrund der Subsidiarität der Regulierung in einer Marktwirtschaft kann ein Regulierungsbedarf jedoch nur dann angenommen werden, wenn die mit einer Regulierung verbundenen Vorteile die damit verbundenen Nachteile überwiegen. Daher sind auch die Nachteile einer Regulierung sowie die Gefahr eines möglichen Staatsversagens zu berücksichtigen (dazu unter IV). Sofern die Notwendigkeit einer Regulierung bejaht worden ist, ist zu überlegen, ob eine solche den Betroffenen übertragen werden kann oder durch eine staatliche Behörde erfolgen muss (dazu unter V). Schließlich sind die Instrumente einer Regulierung vorzustellen (dazu unter VI).
230 231 232 233 234
S. 9, der Regulierung als „dauerhafte Interventionen staatlicher Instanzen in marktliche Prozesse" definiert. Vgl. auch Aschinger, WS 14 (1985), 545. Braubach, Deregulierung, S. 31; Krakowski, Regulierung, S. 25; PicotlBortenlängerlRöhrl, Börsen im Wandel, S. 159. Dazu Seifen, Privilegierung, S. 42. Vgl. auch Schulte, Regulierung, S. 150. Seifen, Privilegierung, S. 43. PicotIBorlenlängerlRöhrl, Börsen im Wandel, S. 159. Seifen, Privilegierung, S. 43.
2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente
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I. Ziele der Kapitalmarktregulierung in Deutschland und Europa Die Kapitalmarktregulierung in Deutschland und in Europa verfolgt regelmäßig das Ziel, einen funktionierenden Kapitalmarkt zu gewährleisten und den Schutz der Anleger sicherzustellen.235 Es gibt kaum ein neueres Gesetz in Deutschland oder eine neuere Richtlinie in Europa auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts, die nicht mit den Zielen des „Funktionsschutzes" und des „Anlegerschutzes" gerechtfertigt werden.236 1. Funktionsschutz Das Regelungsziel, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu schützen, knüpft an den durch den Kapitalmarkt vollzogenen Allokationsprozess an.237 Seine Bedeutung erlangt dieses Regulierungsziel daher, dass eine 235 Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 57; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.388 Vgl. auch Moloney, EC Securities Regulation, S. 296ff., 646f.; IOSCO, Supervisory Framework, S. l. 236 Für das deutsche Recht vgl. nur BegrRegE zum 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6678, S. 1; Bericht der Abgeordneten, BT-Drucks. 12/7918, S. 92, 100, 102. Diese Regulierungsziele sind derart verfestigt, dass sogar vorgeschlagen wurde, sie als „Zweckbestimmung" in einem novellierten Börsengesetz voranzustellen. Siehe HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 6 und S. 287 (373f.). Hinsichtlich des europäischen Rechts vgl. Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), AB1EU 2003 Nr. L 96 vom 12.04.2003, S. 16; Erwägungsgründe 12, 16 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, AB1EU 2003 Nr. L 345 vom 31.12. 2003, S. 64; Erwägungsgründe 5, 17, 31, 44, 48 und 71 der Richtlinie 2004/39/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/61 l/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABI EU 2004 Nr. L 145 vom 30.04.2004, S. 1. Auf internationaler Ebene u. a. IOSCO, Objectives and Principles of Securities Regulation, S. 5f.; IOSCO, Supervisory Framework, S. l. 237 Mues, Börse, S. 46. Zur Allokationsfunktion des Kapitalmarktes vgl. oben 1. Teil: 1. Kapitel: IV. 2. a. Eine ausführliche Begründung dieses Regulierungsziels liefert Zufferey, Regulation, Rdn. 1000, (S. 128), insb. 1006 (S. 130f.). Krit. zum Funktionsschutz als eigenständiges Ziel einer Regulierung Köndgen, ZHR 164(2000), 648(652).
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
Volkswirtschaft mit marktwirtschaftlichem System notwendig darauf angewiesen ist, dass die Ressourcen durch die Interaktion der Wirtschaftssubjekte in bestmöglicher Art und Weise ihrer optimalen Verwendung zugeführt werden.238 Eine solche optimale Verteilung bzw. Allokation von Ressourcen kann aber nur über einen funktionierenden Markt erreicht werden. Als Maßstab für einen funktionsfähigen und effizienten Kapitalmarkt werden die allokative Funktionsfähigkeit, die operationale Funktionsfähigkeit und die institutionelle Funktionsfähigkeit herangezogen.239 Das Ziel der allokativen Funktionsfähigkeit ist es zu gewährleisten, dass die knappen Ressourcen der verfügbaren Ersparnisse dorthin fließen, wo sie am dringendsten und erfolgversprechendsten benötigt werden.240 Zur Gewährleistung der operationalen Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist es erforderlich, dass die Transaktionskosten möglichst niedrig sind, d.h. der Handel zu möglichst günstigen Konditionen erfolgen kann, damit die Rendite der Anlage nicht unnötig vermindert wird.241 Damit betrifft die operationale Funktionsfähigkeit vor allem die Kosten der Anlagevermittlung und der Kapitalbeschaffung.242 Bei zu hohen Transaktionskosten besteht die Gefahr, dass die Allokationseffizienz des Marktes leidet.243 Allokations- und operationale Funktionsfähigkeit sind nur zu erreichen, wenn ein wirksamer 238 Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 47; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.395; Caspari, ZGR 1994, 530 (532). Zu den vielschichtigen Interessen des Staates an einem funktionsfähigen Kapitalmarkt Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.395 ff. 239 Vgl. Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § l Rdn. 24ff.; Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 48f; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 216ff.; Kohl/ KüblerIWalzlWüstrich, ZHR 138 (1974), l (16f.); Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.399ff.; Krause, Alternative Wertpapierhandelssysteme, S. 132 ff. 240 Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § l Rdn. 24; Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 48; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 218; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.417. Vgl. dazu auch Baumol, Stock Market, S. 6 f. 241 Da den Markttransaktionskosten, die bei der Anlageentscheidung und der späteren Verwaltung der Anlage entstehen, kein entsprechender Investitionswert gegenübersteht, sind sie wirtschaftlich verloren und damit unnütze Kosten. Vgl. Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 220; Kühler, ZHR 145 (1981), 204 (206). 242 Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § l Rdn. 25; Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 48f.; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 219; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.412. 243 Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § l Rdn. 25. Die Effizienz des Kapitalmarktes steigt, wenn die Transaktionskosten sinken. Vgl. Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 219; Macey/O'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 29 (1999); KohllKüblerIWalzlWüstrich, ZHR 138 (1974), l (16).
2. Kapitel: Regulierung- Ziele, Voraussetzungen und Instrumente
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Marktmechanismus gewährleistet ist. Dies ist das Ziel der institutionellen Funktionsfahigkeit.244 Die institutionelle Funktionsfahigkeit soll der Erhaltung und Festigung des langfristigen Vertrauens der Investoren in die Stabilität und Integrität des Marktes dienen245 und somit die allgemeinen Grundfunktionen des Kapitalmarktes gewährleisten.246 2. Anlegerschutz Anlegerschutz beinhaltet zum einen den Schutz des einzelnen Anlegers247 vor bestimmten Gefahren im Zusammenhang mit Kapitalanlagen, zum anderen die Stärkung des Vertrauens aller Anleger in den Kapitalmarkt allgemein, damit diese ihr Vermögen am Kapitalmarkt investieren.248 Insbeson244 Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. Kapitalanlagen, § l Rdn. 26; Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 49; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 216; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.400. 245 Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § l Rdn. 26; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 218; Kühler, ZHR 145 (1981), 204 (205); Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.403. Dies betrifft insb. auch die Sicherung der Integrität und Sicherheit von Handelssystemen. Dazu gehören faire und gleichbehandelnde Handelsregeln sowie stabile Systeme mit ausreichender Kapazität und Zuverlässigkeit. Siehe IOSCO, Issues in the Regulation of Cross-Border Proprietary Screen-Based Trading Systems, S. 5; vgl. auch Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.418. 246 Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.400. Wichtige Kriterien für die Erfüllung der institutionellen Funktionsfahigkeit sind die Breite des Marktes, d.h. die Fähigkeit zur Aufnahme unterschiedlicher Anlagen und Marktteilnehmer, und die Tiefe des Marktes, d.h. die Fähigkeit zur Bereitstellung und Aufnahme auch großer Mengen von Finanzinstrumenten, und die längerfristige Stabilität der Kurse. Vgl. Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 49. 247 Ein Kapitalanleger ist jemand, der mit ihm zustehenden Vermögenswerten Finanzinstrumente erwirbt, von denen er sich einen Gewinn erhofft. Siehe hierzu Zufferey, Regulation, Rdn. 800ff. (S. 58 f.); stärker mit Blick auf die Stellung des Anlegers gegenüber anderen Marktteilnehmern KochlSchmidl, BFuP 33 (1981), 231(233). 248 Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 54; Koch/Schmidt, BFuP 33 (1981), 231 (235); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 79; Kühler, NJW 1984, 1857 (1861); Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.390 und 8.419; Schmidt, Kredit und Kapital 16 (1983), 184 ff; Schwark, Gesellschaftsrecht, in FS Stimpel, S. 1087 (1092); Zufferey, Regulation, Rdn. 808 (61 f.). Grundlegend zum Anlegerschutz Hopt, Kapitalanlegerschutz; ders., 51. DJT, 1976, Gutachten G; Assmann ZBB 1989, 49ff.; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht; Schwark, ZGR 1976, 271 ff. Siehe außerdem Keßler/Micklitz, Anlegerschutz; Horst, Kapitalanlegerschutz; Ekkenga, Anlegerschutz; Kiel, Internationales
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
dere ist es Aufgabe des Anlegerschutzes, die Risiken der Kapitalanlagen und des Handels am Kapitalmarkt mit der Renditeerwartung in Einklang zu bringen.249 Anleger sollen nur mit solchen Risiken konfrontiert werden, die unvermeidbar und erkennbar sind und die sie daher bei ihrer Anlageentscheidung berücksichtigen können.250 Dies bedeutet aber auch, dass Anlegerschutz nicht dahingehend missverstanden werden darf, dass jedes Risiko um jeden Preis reduziert werden muss.251 Zum einen können mit einer solchen Reduzierung auch gegenläufige Effekte hervorgerufen werden, wie z. B. eine übermäßige Beschränkung des Marktzutritts und damit des Angebots aufgrund vielfältiger Schutzpflichten.252 Zum anderen darf der Schutz von Anlegern nicht dazu führen, dass der Inhalt ihrer Anlageentscheidungen beeinflusst, d.h. der Anleger bei seiner Entscheidung bevormundet wird.253 Ein Markt kann nur funktionieren, wenn seine Teilnehmer frei sind, so zu handeln, wie es ihren Bedürfnissen am besten entspricht.254
249 250 251 252 253 254
Kapitalanlegerschutzrecht; Koch/Schmidt, BFuP 33 (1981), 231 ff; Wiedemann, BB 1971, 1591 fT.; Zufferey, Regulation, Rdn. SOOff. (S. 58f.); Caspari, NZG 2005, 98; Peltzer, NJW 1976, 1615; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 22ff.; Schwark, Gesellschaftsrecht, in FS Stimpel, S. 1087 (l092f.); Wolf, WM 2001, 557. Der Anlegerschutz ist ein wirtschafts- und rechtspolitisches Prinzip, das mittlerweile in nahezu allen westlichen Kapitalmarktordnungen etabliert ist. Siehe dazu auch Fn. 236. Zur rechtlichen Verankerung des Anlegerschutzes in Deutschland Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 261 ff, insb. 267f., 284, 286f.; Kohl/ KüblerIWalzlWüstrich, ZHR 138 (1974), l (12 ff.); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 85 ff.; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 33f; Schwark, ZGR 1976, 271 (278 ff.); Wiedemann, BB 1975, 1591 (1593). Zum Anlegerschutz im Europarecht Moloney, Investor Protection, in Ferrarini/Hopt/ Wymeersch, Capital Markets, S. 17 ff.; Zur Stellung des Anlegers und der Durchsetzung seiner Interessen Kalss, Anlegerinteressen. Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § l Rdn. 63; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 217. Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 81. Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § l Rdn. 65; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 217; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 95; Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 54. Assmann, ZBB 1989, 49 (52). Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 326. Zufferey, Regulation, Rdn. 825 (S. 68).
2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente
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3. Wechselwirkungen zwischen Funktions- und Anlegerschutz Zwischen den beiden Regulierungszielen Anlegerschutz und Funktionsschutz bestehen verschiedene Wechselwirkungen.255 Auf der einen Seite wird der Anleger auf einem effizienten Markt durch den Marktmechanismus geschützt, so dass eine Steigerung der Markteffizienz gleichzeitig einen verbesserten Schutz der Anleger bewirkt. Umgekehrt können anlegerschützende Maßnahmen die Kapitalmarkteffizienz zumindest bis zu einem gewissen Grad positiv beeinflussen. Vertrauensbildende Maßnahmen steigern die Investitionsbereitschaft auf dem Kapitalmarkt und fördern somit dessen Funktionsfähigkeit.256 Denn nur wenn Anleger ihr Vermögen investieren, kann eine Allokation von Ressourcen auf dem Kapitalmarkt überhaupt stattfinden.257 Die Kapitalmarkteffizienz wird demgegenüber negativ beeinflusst, wenn zu restriktive Maßnahmen, wie z. B. die Errichtung zu hoher Marktzutrittsbarrieren zum Schütze der Kapitalanleger, getroffen werden.258 Daher müssen Richtung und Ausmaß des Anlegerschutzes zugleich auch immer vor dem Hintergrund der Funktion des Kapitalmarktes betrachtet werden.259
II. Regulierung im Hinblick auf den Funktionsschutz Zur Feststellung eines Regulierungsbedarfs im Hinblick auf den Funktionsschutz ist zunächst Voraussetzung, dass „marktliche Funktionsmängel" vorliegen.260 Diese werden auch als Marktversagen bezeichnet.261 Ein Marktver255 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 51 f., 336f.; ders., 51. DJT, 1976, Gutachten G 50 ; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 95f.; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.388 und 8.390; Keßler, Anlegerschutz und Kapitalmarkteffizienz, in Keßler!Micklitz, Anlegerschutz, S. 24 f. 256 Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 50; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.390. 257 Die informierte und rationale Anlegerentscheidung stellt die entscheidende Grundlage für die allokative Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes dar. Vgl. Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § l Rdn. 62. Damit hängt die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes insb. davon ab, dass die Renditeerwartungen und Risiken einer Anlage miteinander in Einklang gebracht werden können. Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § l Rdn. 63. 258 Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 96. 259 Assmann, ZBB 1989, 49 (56); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 81. 260 Kruse, Ordnungstheoretische Grundlagen, in Seidenfus, Deregulierung, S. 9 (12). Die Rechtfertigung für eine Regulierung muss insbesondere über ökonomische Argumente erfolgen. Vgl. Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 9 IT.; Braubach, Deregulierung, S. 31; Ogus, Regulation, S. 27f., 29ff.; Uche, 9 J. F. R.
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I.Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
sagen hat schwere Folgen für eine marktwirtschaftlich ausgerichtete Volkswirtschaft, weil sie darauf angewiesen ist, dass die Ressourcen durch die Interaktion der Wirtschaftssubjekte ihrer optimalen Verwendung zugeführt werden können.262 Staatliche Regulierung kann daher notwendig werden, um ein solches Marktversagen zu verhindern oder zumindest seine Folgen auszugleichen.263 1. Marktversagen als Voraussetzung für eine Regulierung Von einem Marktversagen wird gesprochen, wenn die Koordination des Marktes durch den Markt-Preis-Mechanismus ausbleibt,264 weil ein funk-
261 262 263 264
& C. 67 (2001). Es gibt sowohl eine normative als auch eine positive Theorie der Regulierung. Die normative Theorie untersucht, ob der Wettbewerb in bestimmten Situationen zu suboptimalen Ergebnissen führt, und versucht, staatliche Regulierung unter dem Aspekt von Effizienz- und Verteilungsnormen zu analysieren und anschließend Empfehlungen hinsichtlich geeigneter staatlicher Eingriffe zu geben. Vgl. von Weizsäcker, SZVS 118 (1982), 325 (326); ähnl. Feldhoff, WPg 1994, 529; Braubach, Deregulierung, S. 31; Krause, Alternative Wertpapierhandelssysteme, S. 124. Die positive Theorie versucht das Entstehen oder Vorhandensein von Regulierung mit dem Verhalten der von der Regulierung betroffenen Akteure im politischen Prozess zu erklären. Zur positiven Theorie der Regulierung siehe Stiegler, 2 Bell J. Econ. & Man. Sc. 3 ff. (1971); Braubach, Deregulierung, S. 47; Krakowski, Regulierung, S. 25 (95ff.); Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 101 ff.; Ogus, Regulation, S. 55ff; Seifen, Privilegierung, S. 38ff; von Weizsäcker, SZVS 118 (1982), 325 (334ff.); Uche, 9 3. F. R. & C. 67, 68ff. (2001); Krause, Alternative Wertpapierhandelssysteme, S. 122ff. Die positive Theorie geht zurück auf BuchananITullock, The Calculus of Consent. Für eine praktische Anwendung der positiven Theorie im Rahmen einer Untersuchung der Regulierung des US-amerikanischen Wertpapiermarktes siehe Maceyl Haddock, 1985 U. 111. L. Rev. 315ff. Dazu sogleich Fn. 264. Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 47; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 8.395. Müllerl Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 35. Kritisch Demsetz, 12 J. L. & Econ. Iff. (1969). Die Theorie des Marktversagens wurde im Rahmen des neoklassischen Modells mit vollkommenem Wettbewerb entwickelt. In Märkten mit vollkommenem Wettbewerb werden effiziente Marktergebnisse in der Regel erreicht, ohne dass staatliche Interventionen notwendig sind. Vgl. dazu Sohmen, Allokationstheorie, S. 30ff; Molitor, Staatsversagen, S. 56; Toumanoff, Kyklos 37, 529 (530). Entsteht eine Situation, in der die Marktteilnehmer von den Prämissen des vollständigen Wettbewerbs abweichen und bleibt dadurch die Koordination des Marktes durch den Markt-Preis-Mechanismus aus, spricht man von Marktver-
2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente
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tionsfähiger Wettbewerb nicht möglich ist265 oder externe Effekte zu Benachteiligungen anderer Marktteilnehmer führen. Wettbewerb ist nicht möglich, wenn ein natürliches Monopol besteht oder ein Fall der ruinösen Konkurrenz vorliegt. Ein natürliches Monopol liegt vor, wenn ein einziges Unternehmen die gesamte am Markt nachgefragte Menge eines Gutes - dies kann auch eine Dienstleistung sein - zu niedrigeren Kosten herstellen kann, als dies zwei oder mehr Anbieter könnten.266 Die Besonderheit von Monopolen besteht darin, dass ein gewinnmaximierender Monopolist den für seine Produkte zu zahlenden Preis höher ansetzen kann, als dies unter Wettbewerbsbedingungen möglich wäre.267 Auf diese Weise erhöht er nicht nur seinen Gewinn zu Lasten der Käufer bzw. Anleger, sondern verursacht aufgrund des vergleichsweise zu hohen Preises zusätzlich Wohlfahrtsverluste für den gesamten Markt bzw. die gesamte Volkswirtschaft. Das kommt dadurch zustande, dass im Fall zu hoher Preise bestimmte effiziente Vermögensumschichtungen sagen. Schulte, Regulierung, S. 23; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 14. Das Modell des vollkommenen Wettbewerbs ist allerdings als Vergleichsmaßstab zur Diagnose von Marktversagen auf realen Märkten ungeeignet. Es lässt insbesondere das Vorhandensein von Transaktionskosten unberücksichtigt und blendet damit aus, dass Wettbewerb auch ein dynamischer Prozess ist, der zur Gewährleistung von Innovation und Fortschritt notwendigerweise ein gewisses Maß an InefFizienz bei der Erfüllung gerade dieser Funktionen voraussetzt. Ausführlich dazu Schulte, Regulierung, S. 23ff.; Eickhof, JNPÖ 5, 122 (125). Zu den Schwierigkeiten bei der Feststellung von Marktversagen Stigler, Citizen, S. 110 ff. Allerdings lassen sich bei der Betrachtung realer Märkte konkrete Gründe für Störungen in den marktlichen Koordinationsmechanismen finden, die eine abgeschwächte Form von Marktversagen repräsentieren können. Daher können die Erkenntnisse der neoklassischen Theorie mit entsprechenden Einschränkungen für eine Ermittlung des Regulierungsbedarfs herangezogen werden. 265 Krakowski, Regulierung, S. 25. 266 Krakowski, WD 1985, 404 (407); Klenke, Börsendienstleistungen, S. 43; Müller/ Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 36; Dick, Regulierung, in Apolte/Kessler, Regulierung, S. 39 (43); Krakowski, Regulierung, S. 25 (27); Soltwedel, Deregulierungspotentiale, S. 5 f.; Sharkey, Theory, S. 54; Eickhof, JNPÖ 5 (1986), 122 (l29f.); Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (265). Für eine Untersuchung der Kosten bei natürlichen Monopolen vgl. Baumöl, 67 AER 809ff. (1977). Beispiele für natürliche Monopole sind der Schienenverkehr und die leitungsgebundene Energieversorgung. Zur Regulierung letzterer vgl. Frey, Theorie, S. 105 ff. Dass die Frage nach einer möglichen Existenz natürlicher Monopole auch im Rahmen der Börsenregulierung nicht gänzlich zu vernachlässigen ist, zeigt Klenke, Börsendienstleistungen, S. 43 f. Zu Börsenmonopolen Emmerich/Hoffmann, Börsenrecht, in FS Seimer, S. 305 (314ff.). 267 Krakowski, Regulierung, S. 25 (27). Vgl. Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (265) für den Fall der Zentralbörse.
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l, Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
unterbleiben, weil die hieraus resultierenden Wohlfahrtszuwächse von den Käufern bzw. Anlegern geringer eingeschätzt werden als die um die Monopolrente erhöhten (Handels-)Kosten.268 Ruinöse Konkurrenz ist der entgegengesetzte Fall zum natürlichen Monopol. Sie besteht, wenn auf einem freien Markt die Preise nicht nur vorübergehend unter das langfristig kostendeckende Niveau fallen und als Folge davon eine übersteigerte Wettbewerbsintensität unter den Marktteilnehmern verstärkt zu Unternehmenszusammenbrüchen führt. 269 Dabei ist zu befürchten, dass am Ende ein anderer als der effizienteste Anbieter als Sieger hervorgeht, so dass volkswirtschaftliche Wohlfahrtsverluste die unvermeidliche Folge wären.270 268 Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (265). Wegen dieser negativen Wirkungen von Monopolen wird eine staatliche Regulierung für notwendig erachtet. Vgl. Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 37; dazu auch Aschinger, WS 14 (1988), 545 (546 f.); krit. Seifen, Privilegierung, S. 29 ff. (insb. S. 35); ebenso Posner, 83 J. Pol. Econ. 807ff. (1975), der nachweist, dass Monopolregulierungen selbst Ineffizienzen mit sich bringen können und Wohlfahrtssteigerungen aufgrund des Staatseingriffs daher häufig geringer ausfallen als die sozialen Zusatzkosten, die durch ihn entstehen. Vom wirtschaftspolitischen Standpunkt aus gesehen, müsse der Staat bei natürlichen Monopolen über Preisregulierungen und Marktzutrittslizenzen intervenieren, um dauerhaft eine kostengünstige Versorgung sicherzustellen. Siehe Müller/ Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 37; Krakowski, WD 1985, 404 (407). 269 Vgl. Dick, Regulierung, in Apolte/Kessler, Regulierung, S. 39 (44); Eickhof, WD 1986, 468 (474f.); Hamm, Ordo 29 (1978), 156 (l63f.); Klenke, Börsendienstleistungen, S. 44; Krakowski, Regulierung, S. 25 (59 ff.); Kruse, Ordnungstheoretische Grundlagen, in Seidenfus, Deregulierung, S. 9 (21). Für eine ausführliche Darstellung diverser wirtschaftswissenschaftlicher Defmitionsvorschläge Willeke, Ordo 28 (1977), 155 (l57ff.). Regulierungsbedarf wird in diesem Zusammenhang daraus abgeleitet, dass einem solchermaßen ablaufenden Marktprozess in erster Linie jene Unternehmen zum Opfer fallen, die sich im langfristigen Interesse der Konsumenten nicht auf einen solchen Preiswettkampf einlassen. Vgl. von Weizsäcker, SZVS 118 (1982), 325 (330); Schulte, Regulierung, S. 26. Bspw. könnten konkurrierende Märkte, um mit der Preisentwicklung Schritt zu halten, am Kostenfaktor Regulierung sparen und das Niveau so weit absenken, dass sich am Ende einer solchen Entwicklung der Wettbewerb schließlich selbst zerstört. Vgl. Klenke, Börsendienstleistungen, S. 45. 270 Vgl. RGZ, 38, 155 (157); Dick, Regulierung, in Apolte/Kessler, Regulierung, S. 39 (44); Krakowski, Regulierung, S. 25 (60); Müller l Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 42; Soltwedel, Deregulierungspotentiale, S. l Of, der unterschiedliche Möglichkeiten ruinösen Wettbewerbs beschreibt. In RGZ 38, 155 (157) wird „ruinöse Konkurrenz" wie folgt umschrieben: „Sinken in einem Gewerbezweig die Preise der Produkte allzu tief herab, und wird dadurch der gedeihliche Betrieb des Gewerbes unmöglich gemacht oder gefährdet, so ist die dann ein-
2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente
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Externe Effekte sind außervertragliche Auswirkungen von Entscheidungen auf unbeteiligte Dritte, die zu einer Veränderung des Nutzenniveaus dieser Dritten führen.271 Externe Effekte werden in ihrer negativen Ausprägung als problematisch angesehen, weil in diesen Fällen zu befürchten ist, dass aufgrund zu hoher Kosten eine Internalisierung der Effekte durch die Beteiligten unterbleibt und die Dritten belastet werden, ohne sich wehren zu können.272 Die Folge ist meist eine Schädigung der Volkswirtschaft, weil es
tretende Krisis nicht nur dem einzelnen, sondern auch der Volkswirtschaft im allgemeinen verderblich und es liegt daher im Interesse der Gesamtheit, dass nicht dauernd unangemessen niedrige Preise in einem Gewerbezweig bestehen." Nach Kruse, Ordnungstheoretische Grundlagen, in Seidenfus, Deregulierung, S. 9 (23) stellt „ruinöse Konkurrenz" keinen Regulierungsgrund dar, weil es sich regelmäßig lediglich um gewöhnliche Marktbereinigungen handle. Krit. auch Willeke, Ordo 28 (1977), 155 ff.; Klenke, Börsendienstleistungen, S. 45. 271 Coase, The Firm, S. 24; Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (264); Stigler, Citizen, S. 104; Ogus, Regulation, S. 18 f., 35 ff. Zu externen Effekten auch Klenke, Börsendienstleistungen, S. 45; Monissen, Externalitäten, in Streißler/Watrin, Theorie, S. 342 (343); Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 43; Ogus, Regulation, S. 18 f., 35 ff; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 109ff; Eickhof, WD 1986, 468 (473f.); Seifen, Privilegierung und Regulierung, S. 55ff; Dahlman, 22 J. L. & Econ. 141 ff. (1979). Dabei sind bloße pekuniäre externe Effekte von so genannten technischen externen Effekten abzugrenzen. Bloße pekuniäre externe Effekte entstehen dadurch, dass eine erhöhte Nachfrage nach einem Gut zu einer verringerten Nachfrage nach einem anderen Gut führt, weil das entsprechende Geld für das erste Gut eingesetzt wird, vgl. Woll, Wirtschaftspolitik, S. 69; Richter!Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 110. Ursache von externen Effekten ist die Existenz von Transaktionskosten. Krakowski, Regulierung, S. 25 (81). Ohne Transaktionskosten könnten alle externen Effekte mit Hilfe von zweiseitigen, für beide Seiten vorteilhaften Austauschverträgen internalisiert werden. Vgl. Coase, 3 J. L. & Econ. l ff. (1960) Im Bereich des Kapitalmarktes gibt es eine Fülle von Situation, in denen externe Effekte auftreten können. So können bspw. Kursstablisierungen an Aktienbörsen zu positiven externen Effekten führen. Diese lassen sich in der Nutzungssteigerung sehen, die für risikoaverse Anleger von der abnehmenden Volatilität der Aktienkurse ausgeht und für welche die Spekulanten bzw. Kursstabilisierer von den risikoaversen Anlegern nicht entlohnt werden. Vgl. Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (265); ähnl. auch Schwartz, Equity Markets, S. 482. Regulierungen aufgrund von externen Effekten sind vor allem Verhaltensregulierungen und Standardisierungen, vgl. Krakowski, Regulierung, S. 25 (82). 272 Für eine Regulierung bei externen Effekten Pigou, Economics, S. 192ff. Krit. dazu Coase, 3 J. L. & Econ. Iff. (1960); tiers., The Firm, S. 20ff. Aber auch Coase hält eine staatliche Regulierung für sinnvoll, wenn diese zu effizienteren Ergebnissen als der Markt führt, vgl. Coase, 3 J. L. & Econ. l, 18 (1960).
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
regelmäßig zu einer Wohlfahrtsverluste verursachenden Über- bzw. Unterproduktion der jeweiligen Produkte kommt.273 Reine externe Effekte entstehen im Zusammenhang mit öffentlichen Gütern.274 Diese zeichnen sich dadurch aus, dass jeder sie nutzen kann, ohne dafür andere davon ausschließen zu müssen (Nichtrivalität im Konsum) und dass kein Interessent zu vernünftigen Kosten davon ausgeschlossen werden kann (Nichtausschließbarkeit im Konsum).275 Dies führt dazu, dass jeder von dem Gut so viel wie möglich verbrauchen möchte.276 Gleichzeitig besteht kein Anreiz, für die Nutzung den entsprechenden Preis zu zahlen.277 Da absehbar ist, dass sich jeder Konsument so verhalten wird, wird sich kein Produzent finden, der dieses spezifische Gut auf eigene Kosten bereitstellt. Die Folge ist, dass solche Güter in zu geringem Umfang bzw. gar nicht produziert werden.278
273 Gängiges Beispiel für negative externe Effekte ist die Umweltverschmutzung durch Schornsteinabgase einer Fabrik, unter der die Anwohner zu leiden haben. Positive externe Effekte können dagegen bspw. von der Aufforstung einer Kahlfläche durch den Waldeigentümer ausgehen. Schulte, Regulierung, S. 25. Als negative externe Effekte im Börsenwesen nennt Klenke, Börsendienstleistungen, S. 45, wenn anfängliche Kursverluste durch Panikreaktionen der Anleger in einen Börsencrash münden. 274 Vgl. Seifen, Privilegierung, S. 52; Bator, 72 Q. J. Econ. 351, 370 (1958). 275 Dick, Regulierung, in Apolte/Kessler, Regulierung, S. 39 (44); Feldhoff, WPg 1994, 529 (530); Krakowski, Regulierung, S. 25 (76); Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 129; RudolphlRöhrl, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 259; Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (264); Woll, Wirtschaftspolitik, S. 198f. Klassisches Beispiel für öffentliche Güter ist die äußere und innere Sicherheit eines Landes, die aus ökonomischer Sicht nur vom Staat sichergestellt werden kann. Schulte, Regulierung, S. 26 Fn. 102; Stigler, Citizen, S. 107; Schwartz, Equity Markets, S. 482. 276 In diesem Fall befinden sich die einzelnen Marktteilnehmer in einem Gefangenendilemma, weil das subjektiv gebotene Eigennutzstreben des Einzelnen zur kollektiven Schädigung aller Beteiligten - und damit auch des einzelnen - führt. Vgl. Seifen, Privilegierung, S. 54; für eine analytische Ableitung der Bedeutung öffentlicher Güter Bonus, ZfgStw 136 (1980), 50 (51 ff.). Eine aktuelle Analyse des Gefangenendilemmas findet sich bei Pies, Institutionenökonomik, S. 161 ff. 277 Für einen kostenbewußten Interessenten ist es in diesem Fall günstiger, eine „free rider"-(Trittbrettfahrer-) Position einzunehmen, wenn er seinen Nutzen maximieren will. Vgl. Schulte, Regulierung, S. 26. 278 Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (264) zieht als Beispiel die Informationsproduktion der Börse heran. Diese falle zu gering aus, weil jeder Anleger die von der Börse bereitgestellten Informationen kostenlos nutzen könne. Wären Firmeninformationen hingegen private Güter, würde jeder Anleger einen höheren Aufwand für ihre Erlangung betreiben. Dadurch würden insgesamt mehr Infor-
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2. Verringerung von Transaktionskosten und Informationsasymmetrien Ein Markt kann außerdem versagen, wenn die Transaktionskosten übermäßig hoch sind.279 Übersteigen die Kosten für eine Markttransaktion deren Wert, so wird eine marktliche Koordination unterbleiben. Unter Effizienzgesichtspunkten kann daher eine Senkung der Transaktionskosten durch staatliche Eingriffe, z. B. mit Hilfe von Standardisierungen durch rechtliche Vorgaben, notwendig werden.280 Standardregelungen können beispielsweise helfen, die Vertragskosten zu senken, da nicht mehr in jedem Einzelfall spezifische Regelungen erarbeitet werden müssen. Dies ist insbesondere bei hochkomplexen Verträgen sinnvoll. Solche institutionellen Veränderungen, die die Transaktionskosten senken, führen zu einer Erhöhung der allgemeinen Wohlfahrt.281 Weiterhin wird staatliches Eingreifen befürwortet, um Informationsasymmetrien, d.h. die ungleiche Verteilung von Informationen, zu beseitigen.282 Denn aufgrund von Informationsasymmetrien kann es zu externen Effekten kommen.283 In einem Markt, in dem Informationen asymmetrisch verteilt sind, sind die Transaktionskosten regelmäßig höher, als in einem Markt, in dem die Informationen annähernd gleich verteilt sind.284 So kann z. B. ein Market Maker nicht zwischen gut und weniger gut informierten Anlegern unterscheiden. Bei seiner Preisquotierung berücksichtigt er daher in der Regel die Wahrscheinlichkeit, an einen Anleger zu geraten, der besser als er selbst informiert ist, und stellt eine entsprechend größere Preisspanne.285 Anleger, die mit besser informierten Marktteilnehmern handeln, machen häufiger verlustreiche Geschäfte oder sind höheren Kosten ausgesetzt.286 Sind sie
279 280
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mationen vorhanden sein. Zu Preisen als öffentliche Güter siehe 1. Teil: 3. Kapitel: II. I.e. i. Zu den Wechselwirkungen zwischen Transparenz und Effizienz siehe I.Teil: 3. Kapitel: II. l.b. i. Eickhof, WD 1986, 468 (471). Feldhoff, WPg 1994, 529 (530); Macey/O'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 23 (1999). Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 15; Seifert, Privilegierung und Regulierung im Bankwesen, S. 37f.; Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (267); Schmidt, Kredit und Kapital 16 (1983), 184 (200). Krakowski, Regulierung, S. 25 (81); vgl. auch Kubier, NJW 1984, 1857 (1862). Zu Informationsasymmetrien Stiglitz, 92 AER 460, 469 ff. (2002). Zu externen Effekten bei Informationsasymmetrien vgl. nur Stiglitz, 92 AER 460, 478 (2002). Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 438. Vgl. dazu dosten, 42 J. Fin. 1293 (1987);Sro//,44J. Fin. 115, 132(1989). Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 438. Schenk, Informationstechnologie, S. 113.
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nicht in der Lage Informationsasymmetrien auszugleichen, kommt es zu Misstrauen, Marktabwanderung und damit letztlich zu einem Marktversagen.287
III. Regulierung im Hinblick auf den Anlegerschutz Notwendige Voraussetzung für eine Regulierung im Hinblick auf den Anlegerschutz ist, dass die Interessen der Anleger nicht adäquat geschützt werden. Die Interessen der Kapitalanleger bestehen insbesondere darin, dass ihre Kapitalanlage ordentlich verwaltet wird, eine gute oder zumindest risikoadäquate Rendite erwirtschaftet wird, sie über die Ertrags- und Vermögenslage ausreichend informiert werden und auf Grundlagen- und Strukturentscheidungen Einfluss nehmen können.288 L Die Risiken für Anleger Diese Interessen können immer dann gefährdet werden, wenn Anleger nur geringe Kontrollmöglichkeiten oder weniger Informationen als andere Marktteilnehmer haben.289 Insgesamt lassen sich fünf typische Anlegerrisiken unterscheiden:290 das Substanzerhaltungsrisiko, das Informationsrisiko, das Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko, das Interessenvertretungsrisiko und das Konditionenrisiko. Das Substanzerhaltungsrisiko besteht darin, dass der Anleger sein investiertes Kapital beim Niedergang der Gesellschaft ganz oder teilweise verlieren kann.291 Das Informationsrisiko liegt darin, dass der Anleger nicht unmittelbar mit allen zur Beurteilung einer Anlage notwendigen Informationen versorgt wird.292 Dieses Risiko besteht insbe287 Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. Kapitalanlagen, § l Rdn. 63. Siehe dazu auch Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 ff. (1970). 288 Vgl. dazu Schmidt, Börsenorganisation, S. 35ff. 289 Koch/Schmidt, BFuP 33 (1981), 231 (232f.); Köndgen, 154 JITE 224, 241 (1998). 290 Siehe dazu Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 53ff., 82 ff, 289ff; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 209ff; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 91 ff.; Kiel, Internationales Kapitalanlegerschutzrecht, S. 6; Koch/Schmidt, BFuP 33 (1981), 231 f.; Zufferey, Regulation, Rdn. 829ff. (S. 70f.); vgl. auch Caspari, NZG 2005, 98. Zu den Risiken im Hinblick auf verschiedene Anlageformen Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 35 ff. 291 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 53, 83, 289; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 209; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 92; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 25; Schwark, Anlegerschutz, S. l Of.; Zufferey, Regulation, Rdn. 830 (S. 70). 292 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 53, 89, 304; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 209;
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sondere auch gegenüber Intermediären, denen gegenüber sich der Anleger in einer schlechteren Informationsposition befindet.293 Das Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko besteht darin, dass investiertes Kapital der Anleger veruntreut wird oder eine ungetreue Abwicklung von Anlagegeldern durch die Intermediäre erfolgt.294 Das Interessenvertretungsrisiko besteht darin, dass ein Vertreter des Anlegers Interessenkonflikte zu Lasten des Anlegers und zum eigenen Vorteil ausnutzt.295 Unter dem Konditionenrisiko versteht man schließlich die Gefahr des Erwerbs einer Anlage zu ungünstigen Bedingungen.296
2. Unterschiedliche Schutzbedürftigkeit unterschiedlicher Anlegergruppen Diese Risiken sind nicht für alle Anleger in gleicher Weise relevant. Denn einen einheitlichen Typus des Anlegers gibt es nicht.297 Vielmehr lassen sich die Anleger grob in zwei Gruppen einteilen: institutionelle Investoren und Privatanleger.298 Im Vergleich zu Privatanlegern handeln institutionelle
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Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 92; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 26; Zufferey, Regulation, Rdn. 831 (S. 70 f.). Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 139. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 54, 322; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 211; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 93; Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 144fT.; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 27. Solche anlegerschädigenden Praktiken sind z. B. das unnötige Bewegen des für den Anleger verwalteten Wertpapiervermögens aus Gebühreninteresse (sog. „Churning") - vgl. Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 93; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 133 -, das Front Running - siehe Fn. 224 - oder Kursmanipulationen ohne Zusammenhang mit einem bestimmten Geschäft mittels gezielter Fehlinformationen, aber auch unerwünschte Insidergeschäfte- vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 135ff. Vgl. dazu auch Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 145 ff. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 54, 137 ff. (insb. 141 ff.); Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 212; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 28; Zufferey, Regulation Rdn. 833(8.71). Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 54, 144; Horst, Kapitalanlegerschutz, S. 213; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 28; Zufferey, Regulation, Rdn. 834 (S. 71). Zu diesen Bedingungen gehören insb. die Preisgestaltung der Gesellschaften und Kreditinstitute sowie die Freizeichnung für Haftung aus mangelhafter Leistung und Beratung. Vgl. Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 94. Fleischer, 64. DJT, 2002, Gutachten F 21; Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 326; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 79; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 23. Vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 79f; ders., ZHR 141 (1977), 389 (428);
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Investoren mit großen Ordervolumina, haben zumeist ein professionelles Portfoliomanagement und verfügen dementsprechend über ein größeres Know How.299 Sie unterscheiden sich demzufolge auch in ihrer Schutzbedürftigkeit von Privatanlegern. a) Institutionelle Investoren Institutionelle Investoren sind Kapitalanleger, die aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit Geldbeträge am Kapitalmarkt investieren.300 Dazu gehören Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, sonstige zugelassene oder beaufsichtigte Finanzinstitute, Versicherungsgesellschaften, Organismen für gemeinsame Anlagen und ihre Verwaltungsgesellschaften, Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften, Großunternehmen,301 Warenhändler und Warenderivate-Händler.302 Aufgrund der zunehmenden Institutionalisierung des Anlegervermögens erlangen institutionelle Investoren eine immer größere Bedeutung. Zwar unterscheiden sich institutionelle Anleger untereinander hinsichtlich ihres Anlagehorizontes und ihrer Risikobereitschaft. Auch gibt es Unterschiede bei der Professionalität und dem Informationsniveau.303 Ins-
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Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. Kapitalanlagen, § l Rdn. 61. Zu den Ansätzen einer Begriffsbildung Fleischer, 64. DJT, 2002, Gutachten F 21. Im Rahmen der MiFID wird zwischen professionellen Kunden und Kleinanlegern unterschieden, vgl. Art. 4 Abs. l Nr. 11 und 12 MiFID. Siehe dazu unten 4. Teil: 4. Kapitel: I. Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 23; Wiedemann, BB 1975, 1591. Vgl. Woll, Wirtschaftslexikon, S. 342. Zu institutionellen Anlegern ausführlich Davis/Steil, Institutional Investors; Gerkel'Bank/Steiger, Changing Role, in Hopt/Wymeersch, Capital Markets, S. 357 ff.; außerdem Schwartz/Steil, Equity Trading III, in Steil, European Equity Markets , S. 81 ff.; Schuster!Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (379 f.); Ridley, Institutional Investors, in Newman/Milgate/Eatwell, New Palgrave Dictionary, Vol. 2, S. 422ff. Siehe dazu auch oben Fn. 1. Anhang II Abs. I Nr. 2 MiFID legt dafür folgende Mindestwerte fest, von denen wenigstens zwei erfüllt sein müssen: 20 Mio. € Bilanzsumme, 40 Mio. € Nettoumsatz, 2 Mio. € Eigenmittel. GerkelBanklSteiger, Changing Role, in Hopt/Wymeersch, Capital Markets, 5. 357 (359). Zu den Erscheinungsformen institutioneller Anleger Averdiek-Bolwin, Effizienz, S. 48ff; Steiger, Institutionelle Investoren, S. 27. Vgl. auch Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 79 f. Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 24.
2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente
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gesamt ist ihre Schutzbedürftigkeit aber im Vergleich zu Privatanlegern als eher gering einzustufen.304 Dies gilt auch für Industrieunternehmen, die meist unter strategischen Gesichtspunkten oder zur dauerhaften Vermögensbildung in Wertpapiere investieren. Da das Asset Management nicht zur Kernkompetenz dieser Unternehmen gehört, ist ihr Informationsniveau zwar tendenziell geringer als bei anderen institutionellen Investoren. Aufgrund ihrer Größe und ihres sonstigen Know Hows erscheinen sie aber dennoch nicht in größerem Maße schutzbedürftig.305 b) Privatanleger Auch Privatanleger sind keine homogene Gruppe. Die Spanne reicht von kaum informierten Kleinanlegern bis zu semiprofessionellen Privatanlegern,306 wie z. B. so genannte Day trader.307 Während erstere Wertpapiere und Handelsplattformen häufig unter irrationalen Gesichtspunkten auswählen, spekulieren semiprofessionelle Privatanleger auf fast professionellem Niveau.308 Im Vergleich zu gewöhnlichen Kleinanlegern managen sie tendenziell größere Portfolios, handeln sehr viel häufiger und verfügen über ein höheres Informationsniveau. Gewöhnliche Kleinanleger handeln demgegenüber nur selten und mit geringen Volumina.309
304 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 80. Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch institutionelle Investoren in bestimmten Situationen geschützt werden müssen. Vgl. Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 24; a. A. Wiedemann, BB 1975, 1591. In der Regel dürften sie aber bereits ausreichend geschützt sein, wenn die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes gesichert ist. 305 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 80. 306 Schenk, Informationstechnologie, S. 47. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 81 unterteilt die Privatanleger in wirtschaftlich Selbständige, wirtschaftlich Unselbständige und sonstige Privatpersonen. 307 Day-Trading ist eine Form des Wertpapierhandels, bei der Positionen innerhalb eines Handelstages eingegangen und wieder geschlossen werden. Ziel des DayTrading ist es, auch kleinste Kursveränderungen zur Gewinnerzielung zu nutzen. Siehe Greene et al, U.S. Regulation, § 9.10[4]; PfüllerlWesterwelle, Wertpapierhandel, in Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 13.7, Rdn. 133. 308 Vgl. Schenk, Informationstechnologie, S. 47 f. 309 Schenk, Informationstechnologie, S. 47 beziffert den durchschnittlichen Depotwert von Kleinanlegern auf unter 50.000,00 €. Das CESR setzt als gewöhnliche Größe für Orders von Kleinanlegern einen Betrag von 7.500 € an. Vgl. CESR, CESR's Technical Advice, CESR/05-290b, S. 71, Level 2 Advice Nr. 48.
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Das Schutzbedürfnis der semiprofessionellen Privatanleger ist aufgrund des höheren Informationsniveaus als geringer einzustufen als das von anderen Kleinanlegern. Allerdings verfügen sie aufgrund ihres relativ kleinen Anlagevermögens über geringere Möglichkeiten, ihre Interessen erfolgreich geltend zu machen, als institutionelle Anleger. Da die Verhandlungsmacht ein besonderes Gewicht für die Schutzwürdigkeit hat, erscheint es daher gerechtfertigt, gewöhnliche Kleinanleger und halbprofessionelle Privatanleger hinsichtlich des Schutzniveaus zumindest zunächst gleichzubehandeln.310 3. Folgerung für die Regulierung Da es keinen einheitlichen Typus des Anlegers gibt, würde ein „One size fits all"-Ansatz, der ein einheitliches Schutzniveau für alle Anleger vorsieht, den Interessen der verschiedenen Anlegergruppen nicht gerecht werden.311 Eine mangelnde Differenzierung zwischen beiden Anlegergruppen, die dazu führt, dass sich die Regulierung ausschließlich an den schutzbedürftigeren Privatanlegern ausrichtet, kann zu einem Zuviel an Schutz für institutionelle Investoren führen. Ein Zuviel an Schutz behindert diese aber bei der Verwirklichung ihrer eigentlichen Anlageziele.312 Denn jede zusätzliche Risikominimierung nach Erreichen des für sie optimalen Maßes führt zu einer Verringerung ihrer Gewinnchancen.313 Eine Orientierung am Schutzniveau institutioneller Anleger würde andererseits Kleinanleger benachteiligen, die dann ihre Interessen am Markt in vielen Fällen nicht durchsetzen könnten. Zwar werden Kleinanleger in gewissem Umfang dadurch geschützt, dass professionelle, institutionelle Anleger am Markt agieren und dabei Anlegerinteressen durchsetzen. Denn deren Verhalten kommt oft auch den Kleinanlegern zugute. Da sich die Interessen der beiden Anlegergruppen jedoch nicht immer decken und oft auch einander entgegenstehen können, wird ein individueller Anlegerschutz insbesondere für Kleinanleger dennoch nicht obsolet. Eine anlegergerechte Regulierung muss demzufolge die Unter310 Die MiFID berücksichtigt das und eröffnet daher auch Privatanlegern die Möglichkeit, sich unter bestimmten Voraussetzungen als professioneller Kunde einordnen zu lassen. Vgl. Anhang II, Abs. II Nr. l MiFID. 311 Zu Argumenten für und gegen eine unterschiedliche Behandlung von institutionellen Investoren und Privatanlegern vgl. DomowitzILee, Legal Basis, S. 39 f. 312 Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 326. Insb. können Überregulierungen zu marktorganisationsbedingten Kosten führen, die völlig außer Verhältnis zum entfallenden Risiko stehen. Vgl. Assmann, ZBB 1989, 49 (61). Siehe hierzu auch Schmidt, Kredit und Kapital 16 (1983), 184 (196f.); Mues, Börse, S. 48. 313 Vgl. Assmann, ZBB 1989, 49 (57, 62).
2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente
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schiedlichkeit von Privatanlegern und institutionellen Investoren und damit deren unterschiedliche Schutzbedürftigkeit - soweit wie möglich314 - berücksichtigen.
IV. Nachteile einer Regulierung und Staatsversagen Erscheint aus Gründen des Funktions- oder Anlegerschutzes eine Regulierung notwendig, ist zur Feststellung eines Regulierungsbedarfs weiterhin zu prüfen, ob ein institutioneller Eingriff möglich ist, der systematisch zu effizienteren Ergebnissen führt als die individuellen Markttransaktionen.315 Denn zum einen können sich im Markt selbst effiziente Lösungen entwickeln.316 Zum anderen erzielt gerade der Staat häufig schlechtere Ergebnisse als der Markt bzw. die Gesamtheit der Marktteilnehmer.317 Durch eine Regulierung würde in einem solchen Fall nichts gewonnen. Vielmehr könnten über die bestehenden Nachteile hinaus sogar noch weitere entstehen, die dann möglicherweise zu einer Abwanderung der Anleger und anderen Marktteilnehmer führen.318 Deshalb kann ein Marktversagen oder ein
314 Vgl. DomowitzILee, Legal Basis, S. 40, die darauf hinweisen, dass es schwierig ist, komplett unterschiedliche Regulierungen für institutionelle und Privatanleger nebeneinander vorzusehen. 315 Grundlegend Demselz, 12 J. L. & Econ. Iff. (1969). Siehe auch Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 16; PicotlBortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, S. 161, Fn. 529; Feldhoff, WPg 1994, 529 (533); Eickhof, WD 1986, 468 (471); Schmidt, Kredit und Kapital 16 (1983), 184 (190f.). Modelltheoretisch lässt sich nachweisen, dass Regulierung nicht durchweg positive Effekte hat und dass selbst bei Vorliegen dieser Effekte ein StaatseingrifT nicht immer eine Erhöhung der Wohlfahrt auslöst, was darauf zurückzuführen ist, dass der Eingriff seinerseits Kosten verursacht, die den nutzenstiftenden Effekt überkompensieren können. Vgl. Feldhoff, WPg 1994, 529 (530). 316 Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (265); Aschinger, WS 14 (1985) 545 (546). Es besteht die Möglichkeit, dass ein Marktversagen durch im Wettbewerb entstehende Vertragsregelungen beseitigt wird bzw. es sich gar nicht um ein wirkliches Marktversagen handelt. Zu solchen Fällen Molitor, HJWG 36 (1991), 55 (56). 317 Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 100; Molitor, HJWG 36 (1991), 55 (57). White, International Regulation, in Lo, International Organization, S. 207 (215). Zum Staatsversagen auch Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (265) mit Beispielen. Zu negativen Begleiterscheinungen insbesondere von Überregulierungen Stiegler, 2 Bell J. Econ. & Man. Sc. 3, 7 (1971); Zufferey, Regulation, Rdn. 826f. (S. 69). 318 Schmidt, Kredit und Kapital 16(1983), 184(191).
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besonderes Anlegerrisiko zwar das Bedürfnis nach einer Regulierung hervorrufen, dies bedeutet aber nicht, dass eine Regulierung dann auch in jedem Falle erfolgen sollte.319 Sind die Nachteile einer Regulierung größer als die Vorteile, gibt es keinen Anlass für eine Regulierung, weil dann die marktlichen Ineffizienzen das kleinere Übel sind.320 Nur wenn ein Tätigwerden staatlicher Instanzen effizienter ist, besteht ein staatlicher „Regulierungsbedarf".321 L Nachteile staatlicher Regulierung Nachteile einer Regulierung sind regelmäßig die durch die Regulierung verursachten Kosten für die Betroffenen. Neben direkten Kosten für die Umsetzung einer Regulierung,322 kommen oftmals auch indirekte Kosten hinzu. So enthalten Regelungen in vielen Fällen prozedurale Sicherungen, die von den Regulierten beachtet werden müssen und die zu Zeitverzögerungen und damit zu zusätzlichen Kosten führen.323 Des Weiteren werden mit einer Regulierung oft Interessen durchgesetzt, die denjenigen der Betroffenen zuwiderlaufen und damit deren Kosten weiter erhöhen.324 Sofern diese Kosten für die Beteiligten zu hoch sind, werden diese sich aus dem Markt zurückziehen. Regulierende Eingriffe auf dem Kapitalmarkt können in diesem Fall zu einem Hindernis für die Finanzierung und damit für die Funktionsfähigkeit des Marktes werden.325
319 Ogus, Regulation, S. 30. 320 Coase, The Firm, S. 25. 321 Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (265). Die Feststellung eines grundsätzlichen Regelungsbedarfs rechtfertigt allerdings nicht jede Regulierungsmaßnahme, sondern nur diejenigen Maßnahmen, die sich nach den obigen Überlegungen als effizienter gegenüber den vom Markt gefundenen Lösungen erweisen. Vgl. Kruse, Ordnungstheoretische Grundlagen, in Seidenfus, Deregulierung, S. 9 (13). 322 Siehe dazu z. B. Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 89; Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257 (265). Hierzu gehören z.B. Kosten für aufgrund der Regulierung notwendig gewordene Neuanschaffungen oder für notwendig gewordene Veränderungen im Betriebsablauf. Zu Nachteilen einer Regulierung durch staatliche Stellen vgl. auch ehe, 9 J. F. R. & C. 67, 70 (2001). 323 Stigler, 1 Bell J. Econ. & Man. Sc. 3, 7 (1971). 324 Stiegler, 2 Bell J. Econ. & Man. Sc. 3, 7 (1971). Bspw., wenn auf Dienstleistungsanbieter Druck ausgeübt wird, ihre Dienstleistungen auch in Fällen anzubieten, die nicht profit-maximierend sind, um sie möglichst vielen Personen zugänglich zu machen. 325 Zufferey, Regulation, Rdn. 826 (S. 69); Assmann, ZBB 1989, 49 (62).
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Eine zu intensive Regulierung zum Schutz von Marktteilnehmern birgt die Gefahr in sich, dass sie Marktteilnehmer zu unverantwortlichem Handeln ermutigt.326 Nehmen sie höhere Risiken in Kauf, weil sie keinen oder nur geringen Risiken ausgesetzt sind, erhöht sich das im Gesamtmarkt übernommene Risiko, was zu einer Destabilisierung des Gesamtmarktes und damit zu zusätzlichen Kosten für eine Volkswirtschaft führen kann. Eine übermäßige Regulierung stellt somit ein suboptimales Maß an Regulierung dar.327 Die Kosten staatlicher Regulierung des Kapitalmarktes werden in der Regel an die Anleger weitergegeben und führen damit für diese zu steigenden Transaktionskosten. In dem Maße, in dem die Transaktionskosten die zu erwartende Rendite aufzuzehren drohen, verliert ein Finanzinstrument an Attraktivität. 328 Dann aber besteht die Gefahr, dass es für die Anleger uninteressant wird und der Kapitalmarkt hinsichtlich dieses Finanzinstruments zum Erliegen kommt.329 Neben den drohenden Attraktivitätsverlusten eines Finanzplatzes müssen auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von regulativen Kapitalmarktbestimmungen auf die Gütermärkte berücksichtigt werden.330 Von wesentlicher Bedeutung für die Investitionen auf den Gütermärkten ist eine funktionierende Risikotransformation auf dem Kapitalmarkt. Dafür ist es notwendig, dass Investitionsrisiken auf diejenigen Anleger verteilt werden können, die bereit sind, gegen eine entsprechende Verzinsung auch das Risiko des Totalausfalls zu tragen. Erst wenn eine solche Risikotransformation auf dem Kapitalmarkt gelingt, kann es zu Innovationen auf den Gütermärkten kommen.331 Eine staatliche Regulierung von Kapitalmärkten, die diese daran hindert, Risiken umzuverteilen, und die Anleger in zu großem Umfang zu schützen versucht, kann daher volkswirtschaftlich ein großes Produktivitäts- und Fortschrittshemmnis sein.332
2. Staatsversagen Diese negativen Auswirkungen können durch ein „Staatsversagen" noch verstärkt werden.333 Unter diesem Begriff sind alle Handlungen des Staates bzw. 326 327 328 329 330 331 332 333
Zufferey, Regulation, Rdn. 827 (S. 69). Vgl. dazu Pauly, 58 AER 531 ff. (1968). Assmann, ZBB 1989, 49 (61). Assmann, ZBB 1989, 49 (62); Zufferey, Regulation, Rdn. 826 (S. 69). Assmann, ZBB 1989, 49 (62). Schuhe, Regulierung, S. 46. Schulte, Regulierung, S. 47. Schulte, Regulierung, S. 47. Ausführlich dazu Wolf, Markets; White, International Regulation, in Lo, International Organization, S. 207 (215ff.); Recktenwald, 35 Pub. Fin. 72, 74ff. (1980);
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seiner Institutionen zu verstehen, die nicht dem Bild des Staates als einem fähigen und altruistischen Verbesserer der Funktionsfähigkeit des Marktes bzw. des Anlegerschutzes entsprechen.334 a) Informationsdefizite der regulierenden Stelle Staatliche Instanzen haben bei der Ausarbeitung einer Regulierung regelmäßig ein Informationsproblem,335 Sie müssen Wissen über zukünftige Entwicklungen in ihrer Regulierung berücksichtigen, das sie noch gar nicht haben können.336 Außerdem müssten sie alle Bedürfnisse der Marktteilnehmer und alle möglichen Gestaltungen effizienter Handelsplattformen kennen, um den Bedürfnissen der Marktteilnehmer gerecht zu werden. Diese optimale Ausgestaltung lässt sich aber kaum bestimmen. Das Problem verschärft sich noch aufgrund der Kapitalmarktdynamik und der überaus schnell erfolgenden Innovationen der Informations- und Kommunikationstechnologie.337 Ferner müssten die staatlichen Regulierungsinstanzen die Regulierungsstandards möglichst dynamisch ausgestalten, damit sich innovatorische Prozesse auf einem Markt auch unter staatlichem Einfluss entfalten können.338 Angesichts der Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen tritt jedoch das Problem auf, dass geeignete Prognoseverfahren für zukünftige Innovationen gefunden werden müssten. Auch lässt sich bei der Regulierung regelmäßig ein Wettbewerbsparameter nur zu Lasten eines anderen fixieren, ohne dass
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Koppel, Ökonomische Theorie der Bürokratie. Sind die Kosten einer Regulierung zu hoch bzw. überwiegen sie die Vorteile übermäßig, wird auch dies z. T. als Staatsversagen angesehen. Vgl. Schwartz, Equity Marktes, S. 487. Vgl. Feldhoff, WPg 1994, 529 (532). Nach Richter/Turubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 122 liegt ein Staatsversagen dann vor, wenn hohe Kosten aufgewendet werden müssen, um einen Missbrauch der Staatsgewalt durch die Repräsentanten zu vermeiden. Krakowski, Regulierung, S. 25 (91); Schwartz, Equity Markets, S. 487; White, International Regulation, in Lo, International Organization, S. 207 (216); Woll, Wirtschaftspolitik, S. 67 f. Zu den Schwierigkeiten der Nutzbarmachung von Informationen, wenn diese über die ökonomischen Akteure verstreut und nicht bei einer Stelle konsolidiert sind, von Hayek, 35 AER 519ff (1945); ders., Law, Legislation, and Liberty, S. 14. Schulte, Regulierung, S. 35. Zu den Schwierigkeiten der Einschätzung ökonomischer Entwicklungen vgl. von Hayek, Ordo 26 (1975), 12ff. Vgl. Walgenbach, HJWG 35 (1990), 257(265). Schulte, Regulierung, S. 35. Vgl. auch Uehe, 9 J. F. R. & C. 67, 68f. (2001).
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feststellbar wäre, inwieweit dies den Interessen der Marktteilnehmer überhaupt gerecht wird.-139 b) Langsame Reaktionsgeschwindigkeit und Ausweichreaktionen Ein weiteres Problem resultiert aus der zeitlichen Differenz zwischen der Entscheidungsfmdung über einen Eingriff und dem Wirksamwerden dieser Maßnahme.340 Diese Zeitspanne, welche die Behörde für die Umsetzung einer Regulierung benötigt, verursacht eine erste Soll/Ist-Abweichung, weil der Wettbewerbsprozess auf Grund seiner Dynamik kein zeitweiliges Verharren auf einem bestimmten Niveau zulässt. Ist die Maßnahme umgesetzt, kann das Auseinander fallen der beabsichtigten volkswirtschaftlichen Optimalität und der von einzelnen Marktteilnehmern subjektiv empfundenen Vorteilhaftigkeit die einzelnen Marktteilnehmer zu Ausweichreaktionen veranlassen, mittels derer die auferlegten Regulierungskosten gesenkt werden sollen.341 Diese Ausweichreaktionen provozieren in der Regel zeitverzögert ein erneutes Tätigwerden staatlicher Instanzen, die ihre Zielerreichung gefährdet sehen und daher versuchen müssen, das Regulierungsniveau der veränderten Marktsituation anzupassen.342 Dieser Prozess wird verstärkt und beschleunigt durch die aufgrund der wegen der modernen Kommunikationstechnologien und der globalen Märkte möglichen hohen Reaktionsgeschwindigkeit der Marktteilnehmer. c) Gefahr opportunistischen Verhaltens und zu restriktiver Vorgaben Schließlich besteht die Gefahr opportunistischen Verhaltens der Regulierenden, die durch Versuche der Betroffenen entsteht, die für die Regulierung Verantwortlichen mit Hilfe von Lobbying bis hin zur Bestechung zu be339 Vgl. Walgenbach, HWG 35 (l990), 257(264). 340 Müller/ Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 59. Sie sprechen vom „regulatory lag". Bereits vor dem Einholen von Informationen bis zur Entscheidungsfmdung über einen Eingriff vergeht eine erhebliche Zeit von unter Umständen mehreren Jahren, was zu Fehlplanungen führen kann. Siehe Woll, Wirtschaftspolitik, S. 68. 341 Hopt, 51. DJT, 1976, Gutachten G 11; Mayer, 72 AER 29, 32 (1982); van Hörne, 40 J. Fin. 621, 623 (1985). Zu Ausweichreaktionen Schneider, Ordo 37 (1986), 155 ff. Zu Problemen bei der Anpassung bzw. bei Ausweichreaktionen von Marktteilnehmern siehe auch Krakowski, Regulierung, S. 25 (92f.). 342 Mayer, 72 AER 29, 32 (1982); Schulte, Regulierung, S. 35. Häufig wird die von einem Eingriff diskriminierte Anlageform einfach durch eine neue ersetzt, die ihrerseits nicht den Regulierungstatbestand erfüllt. Schulte, Regulierung, S. 46.
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stimmten Maßnahmen zu bewegen oder davon abzuhalten.343 Aber auch ein schwer überschaubarer und kontrollierbarer Verwaltungsapparat ist einer effizienten Regulierung abträglich.344 Zudem besteht immer auch die Gefahr, dass eine staatliche Regulierung den Wettbewerb zugunsten von Monopolstrukturen vernachlässigt und zu restriktiv ist, da sie nicht dem Anreiz eines „trade-offs" unterliegt.345 3. Abwägung der Vor- und Nachteile Um den Regelungsbedarf nachzuweisen, sind die Vor- und Nachteile einer Regulierung gegeneinander abzuwägen.346 Eine solche Kosten-Nutzen-Analyse ist notwendig, um Überregulierungen zu vermeiden, die mehr Nach- als Vorteile mit sich bringen.347 Bei der Kosten-Nutzen-Analyse werden die ökonomischen Auswirkungen einer Regulierung untersucht, wobei neben quantifizierbaren ökonomischen Vor- und Nachteilen auch nicht-quantifizierbare Faktoren betrachtet werden.348 „Nutzen" lässt sich in diesem Zusammenhang definieren als Umfang der vermiedenen Schäden infolge von Marktversagen.349 Die Kosten können unterteilt werden in solche, die den staatlichen Institutionen bei der Durchführung entstehen, und in solche, die die von der Regulierung Betroffenen tragen müssen.350 Dazu gehören z. B. die Kosten der Implementierung und der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften sowie die entgangenen Gewinnmöglichkeiten (Opportunitätskosten), die z. B. durch Abwanderung von Geschäften auf andere Märkte entstehen.351 Zwar unterliegt auch eine Kosten-Nutzen-Analyse gewissen Beschränkun-
343 Recktenwald, 35 Pub. Fin. 72, 75 (1980); White, International Regulation, in Lo, International Organization, S. 207 (216). Zu weiteren Gründen eines möglichen Staatsversagen insbesondere wegen Fehlens effektiver Anreizsysteme White, International Regulation, in Lo, International Organization, S. 207 (215f.). 344 Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 100. 345 Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 100. 346 Vgl. dazu Zufferey, Regulation, Rdn. 1600ff. (S. 243ff.). 347 Ausführlich zur Kosten-Nutzen-Analyse AlfonlAndrews, Cost-Benefit Analysis, FSA, Occasional Paper Series No. 3; vgl. auch Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 67ff. In den USA wurde die Kosten-Nutzen-Analyse 1981 als Voraussetzung für Regulierungen eingeführt. Siehe Executive Order 12291, Section 2(b), 46 FR 13193, Exec. Order No. 12291, 1981 WL 404143 (Pres.). 348 Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 87. 349 Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 68. 350 Zufferey, Regulation, Rdn. 1601 (S. 243). 351 Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 68.
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gen.352 So sind insbesondere die Kosten, die den Betroffenen entstehen, im Vorhinein schwer zu kalkulieren.353 Doch für eine erste Analyse ist sie ein nützliches Instrument, um die Regulierung von Handelssystemen auf ihre Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit zu untersuchen.
V. Die regulierende Instanz Ist die Notwendigkeit einer Regulierung festgestellt worden, muss festgelegt werden, von wem diese durchgeführt werden sollte, d.h. ob eine Fremd- oder eine Selbstregulierung vorzuziehen ist. /. Vorteile einer Selbstregulierung In der Regel werden die Marktteilnehmer zunächst versuchen, selbst regulierend tätig zu werden.354 Unter dem Begriff der Selbstregulierung werden alle Tatbestände von überindividueller Bedeutung zusammengefasst, die von der Wirtschaft unter einer gewissen öffentlichen Verantwortung verfolgt werden.355 Selbstregulierungsmaßnahmen zeichnen sich vor allem durch ihre höhere moralische Bindungskraft gegenüber gesetzlichen Vorschriften aus und können daher zu einer höheren Akzeptanz führen.356 Die Verantwortlichen haben grundsätzlich ein großes langfristiges Interesse daran, vertrauenswürdig zu erscheinen und, wenn sie einen Markt betreiben, die Integrität
352 Zu den Schwächen der Kosten-Nutzen-Analyse siehe Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 91 ff.; Alfonl Andrew s, Cost-Benefit Analysis, FSA Occasional Paper Series No. 3, S. lOff. Hierzu zählen u.a. die fehlende bzw. geringe Berücksichtigung von Umverteilungsgesichtspunkten, die kaum mögliche quantifizierbare Berücksichtigung von Anpassungsverhalten nach Erlass einer Regulierung und die Schwierigkeiten bei der Voraussage, wieweit die Durchsetzung der Regulierung gelingt. 353 Zufferey, Regulation, Rdn. 1608 (S. 245). 354 Vgl. IOSCO, Supervisory Framework, S. 11. Zu den verschiedenen Möglichkeiten privaten Kollektivhandelns zur Behebung von Marktversagen siehe Richter!Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 326 f. Zur Selbstregulierung ausführlich Hoeren, Selbstregulierung; Hopt, ZHR 161 (1997), 368 (396ff.). 355 Vgl. Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 98; vgl. auch Uehe, 9 J. F. R. & C. 67, 70 (2001). 356 Vgl. Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 98; Lee, Exchange, S. 190; Domowitzl Lee, Legal Basis, S. 24; Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 61; ähnl. auch IOSCO, Supervisory Framework, S. 12.
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I.Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
ihres Marktes sicherzustellen.357 Im Allgemeinen verfügen sie zudem über das größte technische Detailwissen über ihren Markt und seine funktionalen Schwächen.358 Dies ist insbesondere im Kapitalmarktrecht, das durch einen hohen Grad an Komplexität, Ausdifferenzierung und Technologisierung geprägt ist, von erheblicher Bedeutung.359 Mittels eigenverantwortlicher Selbstverwaltungsregeln können deshalb Problemlösungen rasch, flexibel, wirksam und kostengünstig erarbeitet und umgesetzt werden.360 Dieses Argument gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund sich ständig verändernder Transaktionstechnologien und der Notwendigkeit, sich permanent an neue Umweltbedingungen anzupassen, an Bedeutung. 2. Notwendigkeit einer staatlichen Regulierung Die Durchführung von Aufgaben im Wege der Selbstkontrolle ist allerdings nicht immer vorzugswürdig oder gar möglich.361 Ein Beispiel für die Notwendigkeit einer staatlichen Regulierung sind die bis zu Beginn der siebziger Jahre in den USA und bis Mitte der achtziger Jahre auch in Großbritannien bestehenden überhöhten fixen Maklergebühren. Hier musste der Staat eingreifen, um die Pauschalgebühren zu eliminieren.362 Eine staatliche Regulie357 Poser, 22 U. Pa. J. Int'l Econ. L. 497, 538 (2001); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 906 (2001); Lee, Exchange, S. 190; DomowitzILee, Legal Basis, S. 24. 358 IOSCO, Supervisory Framework, S. 12; Hopt, ZHR 161 (1997), 368 (397); HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (332); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 100; Lee, Exchange, S. 190; DomowitzILee, Legal Basis, S. 24; Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 61; vgl. auch Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 156; Uche, 9 J. F. R. & C. 67, 71 (2001). 359 HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (332); Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 61. 360 Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 61; Uche, 9 J. F. R. & C. 67, 71 (2001); DomowitzILee, Legal Basis, S. 25; HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (332); HoptIBaum, WM 1997, Sonderbeil. Nr. 4, S. 15. 361 Vgl. dazu Hopt, ZHR 161 (1997), 368 (398); Böhlhoff, Kriterien, in FS Heinsius, S. 49 (57f.). Für eine theoretische Herleitung, dass eine Selbstregulierung durch Börsen nicht notwendig die effizientesten Regelungen hervorbringt Pirrong, 43 J. L. & Econ. 437, 465 ff. (2000). Zu Gründen, warum die Selbstregulierung im Niedergang begriffen sein könnte, McBride Johnson, IFLR 2000, 41 (43 f.). 362 Vgl. PaganolRöell, Self-Regulation, in Newman/Milgate/Eatwell, Palgrave Dictionary, S. 439 (440). Ein weiteres Beispiel für eine nicht funktionierende Selbstregulierung ist die Nichtzulassung bestimmter Wertpapiere unter dem Vorwand der Beibehaltung hoher Qualitätsstandards, die zu überhohen Marktzutrittsbarrieren führen. Vgl. PaganolRöell, Self-Regulation, in Newman/Milgate/Eatwell,
2. Kapitel: Regulierung - Ziele, Voraussetzungen und Instrumente
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rung ist insbesondere erforderlich, um Betrug und Missbrauch zu verhindern.363 Für eine Selbstregulierung könnte in diesem Fall zwar sprechen, dass der zu befürchtende Reputationsschaden - und damit einhergehend der Verlust von Kunden - die Selbstregulierer von solchen Praktiken abhalten sollte. Dies setzt aber voraus, dass sich die Kunden bewusst sind, dass sie betrogen werden.364 Insbesondere aus ökonomischen Gründen ist eine Überwachung durch staatliche Institutionen erforderlich, wenn der zu überwachende Gesamtmarkt aus mehreren Einzelmarktplätzen besteht.365 Eine solche Gesamtmarktüberwachung kann nur eine übergeordnete staatliche Institution leisten, weil nur sie die Möglichkeiten und Ressourcen dazu hat.366 Im Hinblick auf den Schutz der Anleger zeigt die Erfahrung, dass Selbstkontrolle ohne Fremdkontrolle wirksamen Anlegerschutz in vielen Fällen nicht gewährleisten kann.367 Insbesondere besteht bei der Selbstregulierung die Gefahr, dass die Verantwortlichen eigene Interessen verfolgen und dabei Regelungen erlassen, die andere benachteiligen.368 Die im Rahmen der Selbstregulierung in diesem Zusammenhang getroffenen Maßnahmen bleiben häufig hinter gesetzlichen Standards zurück,369 weil in der Regel das Interesse der Verantwortlichen nur soweit geht, die gröbsten Missstände zu beseitigen. Das benachteiligt Anleger nur dann nicht, wenn deren Interessen sich mit denen der Verantwortlichen zumindest langfristig decken.370 Da verschiedene Arten von Anlegern am Marktgeschehen teilnehmen, ist eine
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Palgrave Dictionary, S. 439 (440); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 98. Als Folge werden Kunden und potentielle Markteinsteiger durch ein geringeres Serviceangebot benachteiligt. Vgl. dazu Hopt, AG 1995, 353 (360); PaganolRöell, Self-Regulation, in Newman/Milgate/Eatwell, Palgrave Dictionary, S. 439 (440). Hierzu gehören insbesondere Praktiken, wie Kursschnitt und Front-running. Siehe dazu oben Fn. 224. Pagano/Röell, Self-Regulation, in Newman/Milgate/Eatwell, Palgrave Dictionary, S. 439 (440). Macey/O'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 25 (1999). Macey/O'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 25 (1999). Nach Schwartz, Equity Markets, S. 482 stellt die Handelsüberwachung ein öffentliches Gut dar, so dass hier die im Zusammenhang mit öffentlichen Gütern bekannten Probleme auftreten würden und daher nur eine öffentliche Stelle eine wirkungsvolle Handelsüberwachung sicherstellen könne. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 161. Hopt/Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (332); Lee, Exchange, S. 191. Siehe die Würdigung von Selbstverwaltungsinstrumenten bei Schwark, Anlegerschutz, S. 226 ff. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 160.
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
Selbstregulierung außerdem mit dem Risiko behaftet, dass bestimmte Gruppen - in der Regel die für den Umsatz wichtigsten - im eigenen Interesse bevorzugt werden.371 Dass Anlegerinteressen nicht hinter gegenläufigen Eigeninteressen zurückstehen müssen, kann somit nur eine unabhängige Fremdkontrolle über die Selbstkontrolleure gewährleisten.372 Sofern Marktteilnehmer mit eigenen Handelssystemen in Konkurrenz zu selbstregulierenden Marktbetreibern treten und sie den von diesen erlassenen Bestimmungen unterworfen werden - wie dies in den USA im Verhältnis zwischen ATSs und Börsen der Fall ist373 -, besteht die Gefahr, dass diese ihre neuen Konkurrenten im eigenen Interesse benachteiligen.374 Eine Fremdregulierung erweist sich daher immer dann als zweckmäßig, wenn freiwillige Verhaltensmaßnahmen der Marktteilnehmer keine adäquate Abhilfe schaffen.375
VI. Instrumente für eine Regulierung Für eine Regulierung kommen verschiedene Instrumente in Betracht. Vereinfacht können diese in Preis-, Qualitäts- und Marktzugangsregulierung unterteilt werden.376 Im Wettbewerb hat die Preisregulierung in der Regel die Aufgabe, Mindest- oder Höchstpreise zu setzen, um Unternehmen vor den
371 Vgl. auch DomowitzILee, Legal Basis, S. 24. 372 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 156 (l56ff. mit Beispielen für notwendige Fremdkontrolle). 373 Vgl. dazu unten 2. Teil: 1. Kapitel: IV. 6. b. iii. 374 Vgl. IOSCO, Supervisory Framework, S. 12 für den Fall, dass von Brokern betriebene alternative Handelssysteme der Aufsicht durch die Börsen unterliegen; vgl. außerdem DomowitzILee, On the Road to Reg ATS, Working Paper, S. 25; dies., Legal Basis, S. 23; Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 62. 375 Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 102. Zu den Nachteilen einer Selbstregulierung vgl. auch Uche, 9 J. F. R. & C. 67, 71 (2001). 376 Kruse, Ordnungstheoretische Grundlagen, in Seidenfus, Deregulierung, S. 9 (10); dazu auch Feldhoff, WPg 1994, 529 (534), der darüber hinaus Kontrahierungszwang und Quantitätsvorschriften als eigenständige Kategorien aufFasst. White, International Regulation, in Lo, International Organization, S. 207 (208 ff) unterteilt dagegen in „Ökonomische Regulierung" (Beschränkungen von Preisen, Profiten und Marktzugang), HSE- (health-safety-environment) Regulierung (Vorschriften zu Produktionsprozessen und Produktqualität) und Informationsregulierung. Zu den Instrumenten der Regulierung auch Klenke, Börsendienstleistungen, S. 48 ff. Für eine Übersicht über Regulierungsinstrumente im Bereich der Kapitalmarktregulierung siehe IOSCO, Supervisory Framework, S. 7 ff.
2. Kapitel: Regulierung Ziele, Voraussetzungen und Instrumente
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Folgen eines ungezügelten Wettbewerbs zu schützen377 oder Verbrauchern bzw. Anlegern den Zugang zu bestimmten Waren oder Dienstleistungen zu ermöglichen. Unter dem Begriff der Qualitätsregulierung werden eine Reihe von Interventionen bezüglich inhaltlicher Merkmale und Folgen von Produkten und Produktionsprozessen zusammengefasst. Dazu zählen neben Restriktionen für die qualitative Produktpolitik im engeren Sinne378 auch die verschiedenen Formen des Kontrahierungszwangs,379 die insbesondere Gebote zur Leistungsbereitstellung beinhalten, sowie Vorschriften zur Produktklassifikation, Warenkennzeichnung oder Informationspflichten.380 Qualitätsvorschriften werden regelmäßig mit der Notwendigkeit begründet, Konsumenten bzw. Anleger vor minderwertigen Produkten zu schützen.381 Informationspflichten haben im Rahmen der Kapitalmarktregulierung eine besondere Bedeutung erlangt. Sie bürden den Betroffenen relativ geringe Kosten auf und verlagern die Kontrolle der Betroffenen zum Teil auf die Anleger, wodurch die Aufsichtsbehörden entlastet werden. Mit der Marktzugangsregulierung, wie z. B. dem Erfordernis einer Erlaubnis für eine Betriebs-
377 Kruse, Ordnungstheoretische Grundlagen, in Seidenfus, Deregulierung, S. 9 ( ). 378 Insbesondere so genannte Performance Standards und Design Standards. Siehe dazu Feldhoff, WPg 1994, 529 (534f): Performance Standards knüpfen danach am Output an und definieren eine Mindestleistungsfähigkeit, die ein Produkt erfüllen muss. Im Rahmen der Zulassung von börsenähnlichen Einrichtungen wären hier die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen für die Leistungsfähigkeit solcher Systeme zu nennen. Design Standards sind inputorientiert und legen fest, dass ein Produkt auf eine bestimmte Art und Weise konstruiert sein bzw. bestimmte Bestandteile aufweisen muss, um die Qualitätsanforderungen zu erfüllen. 379 Beispiele für den Kontrahierungszwang sind Anschluss-, Versorgungs-, Betriebs- und Beförderungspflichten für Versorgungs- bzw. Verkehrsbetriebe. Zum Kontrahierungszwang Feldhoff, WPg 1994, 529 (535). 380 Informationsvorschriften erlangen immer größere Bedeutung, so dass sich auch eine eigene Kategorie rechtfertigen ließe. So z. B. auch White, International Regulation, in Lo, International Organization, S. 207 (210). Zur zunehmenden Bedeutung des Transparenzmodells und damit einhergehend von Informationspflichten siehe Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 323 fT. Zur Qualitätsregulierung können in einem weiteren Sinne auch Regeln zur Vermeidung von negativen externen Effekten der Produktion gerechnet werden. Vgl. Kruse, Ordnungstheoretische Grundlagen, in Seidenfus, Deregulierung, S. 9 (l 1). 381 Feldhoff, WPg 1994, 529 (534). Indem über ein Zulassungsverfahren die Qualifikation der Anbieter sichergestellt werden soll, wird mittelbar die Güte der auf dem Markt angebotenen Produkte bzw. Handelssysteme - im Falle von Börsen und börsenähnlichen Einrichtungen - reguliert.
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
aufnähme, werden für neue Mitbewerber institutionelle Markteintrittsbarrieren errichtet, um die Qualität der Anbieter zu gewährleisten.382
VII. Zusammenfassung Bei jeder Form von Marktversagen oder Anlegerrisiken treten Forderungen nach einer Regulierung auf. Sie soll vor allem dazu dienen, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu gewährleisten und den Schutz der Anleger sicherstellen. Ein Regulierungsbedarf besteht jedoch nur dann, wenn die mit der Regulierung verbundenen Vorteile die Nachteile überwiegen. Hierbei ist auch ein mögliches Staatsversagen zu berücksichtigen. Es muss daher immer auch die Frage nach der Art der Regulierung gestellt werden: Je nach Situation ist eine Selbstregulierung oder eine staatliche Regulierung vorzuziehen. Für die Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen kommen verschiedene Regulierungsinstrumente, wie bspw. Preis-, Qualitäts- und Marktzugangsregulierung in Betracht. Bei jeder Art von staatlicher Maßnahme auf dem Kapitalmarkt müssen die unterschiedlichen Interessen von institutionellen Investoren und Privatanlegern berücksichtigt werden.
382 Hierzu gehört z. B. das Genehmigungserfordernis für den Betrieb von Börsen. Siehe auch IOSCO, Supervisory Framework, S. 7. Zu den Ausprägungen von Marktzugangsregulierungen siehe Kruse, Ordnungstheoretische Grundlagen, in Seidenfus, Deregulierung, S. 9(11).
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von außerbörslichen Wertpapierhandelssystemen Das Aufkommen außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme (alternativer Handelssysteme, ATSs) hat eine Reihe von Fragen bezüglich der Risiken aufgeworfen, welche diese Systeme für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und die Anleger hervorrufen. Dabei geht es zunächst um die Frage, ob das Entstehen dieser Systeme an sich eine Gefährdung für die Funktionsfähigkeit des Marktes darstellt, weil aufgrund der Vielzahl von Marktzentren der Gesamtmarkt fragmentiert wird (dazu unter I). Betrachtet man daneben die einzelnen Transaktionen der Handelsteilnehmer, so sind auch dabei Auswirkungen der Marktfragmentierung zu beobachten, aber auch den einzelnen Systemen inhärente Risiken, die sich auf die Funktionsfähigkeit des einzelnen Systems aber auch des Gesamtmarkts und die Anleger auswirken können (dazu unter II). Auch unabhängig von den einzelnen Transaktionen bestehen Risiken für den Funktions- und Anlegerschutz (dazu unter III).
I. Marktfragmentierung und Wettbewerb oder Zentralisierung und Monopol? Die Entstehung neuer Handelssysteme bringt neben den bereits erwähnten Vorteilen auch Risiken für die Anleger und die Funktionsfähigkeit des Marktes mit sich. Diese resultieren insbesondere daraus, dass mit dem Aufkommen alternativer Handelssysteme die Marktfragmentierung weiter zunimmt.383 Die grundsätzliche Entscheidung zugunsten des Wettbewerbs 383 IOSCO, Regulation of Cross-Border Proprietary Screen-Based Trading Systems, Abs. 69; BSK, Empfehlungen, S. ll. Für einen kurzen Überblick über die Risiken bei der Nutzung von ATSs siehe Moloney, EC Securities Regulation, S. 689ff. Zur Fragmentierung von Märkten Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3D, § 23:5; Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 339, 418; Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 351 fT. (2002); Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 760 (1999); Lee, Exchange, S. 53; Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 282 Fn. 3 (1995); MendelsonlPeake, 19 Iowa J. Corp. L. 443, 455fT. (1994); Linden, Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, Working Paper, S. 5; auch zu Fragen der Zentralisierung Schmidt, Kredit und Kapital 25 (1992), S. 110 (120fT.). Der Begriff „Fragmentierung" wird nicht immer einheitlich verwendet. Siehe dazu Lee, Exchange, S. 53. Manchmal wird auf den Markt für Börsen und Handelssysteme, also auf den „Markt der Marktplätze", manchmal auf den Markt für Wertpapiere abgestellt. Beide Konzepte sind miteinander verbunden, aber nicht
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
führt auch zu einer Zersplitterung des Gesamtmarktes und damit einhergehend zu einer Reduzierung der Liquidität der einzelnen Teilmärkte, denn diese muss sich nun auf einzelne Teilmärkte verteilen.384 Damit sinkt zugleich die Wahrscheinlichkeit, eine gegengleiche Order zu finden.385 Um eine möglichst große Liquidität auf einem Marktplatz zu erreichen, ist daher eine Zentralisierung des Marktes einem Wettbewerb vorzuziehen.386 Liquidität beruht auf einem Netzwerkeffekt, der seine Wirkung am besten durch Orderkonzentration entfaltet.387 Je mehr Orders im Rahmen eines Auktions-
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identisch. So kann der Orderfluss in einem bestimmten Finanzinstrument auf einen Marktplatz beschränkt sein, obwohl es mehrere Marktplätze gibt, so dass alle Orders für dieses Instrument miteinander interagieren können. Dagegen lässt sich vorstellen, dass es nur einen Marktplatz gibt, die Orders aber nicht miteinander interagieren können, weil dieser marktintern Barrieren aufweist. Vgl. dazu MendelsonIPeake, 19 Iowa J. Corp. L. 443, 456 (1994). In dieser Arbeit soll der Markt für Wertpapiere im Vordergrund stehen. Denn für die Betrachtung der Allokation von Kapital und aus der Perspektive des Anlegerschutzes kommt es vor allem auf die Auswirkungen auf den Wertpapierhandel an. Der Wettbewerb der Marktsysteme um Umsatz und Anteil am Gesamtmarkt spielt dagegen nur eine sekundäre Rolle. Gegenteil der Fragmentierung ist die Zentralisierung des Kapitalmarktes. Ein Markt ist für ein bestimmtes Gut vollkommen zentralisiert, wenn alle Kauf- und Verkaufsangebote bzgl. dieses Gutes miteinander interagieren können, ohne Rücksicht darauf, wer diese Angebote zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort abgegeben hat. Vgl. MendelsonIPeake, 19 Iowa J. Corp. L. 443, 454(1994). IOSCO, Regulation of Cross-Border Proprietary Screen-Based Trading Systems, Abs. 70; Schlüter, Internalisierungssysteme, S. 5f.; Liersch, WM 2003, 473 (474); Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 64; Amihud/Mencielson, 71 N.Y.U. L. Rev. 1411, 1434 (1996); Euronext, Internalisation, S. 13. IOSCO, Regulation of Cross-Border Proprietary Screen-Based Trading Systems, Abs. 70; AmihudlMendelson, 71 N.Y.U. L. Rev. 1411, 1434 (1996); Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 339, 418; Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 283 (1995). Krit. zu dem Argument Marktfragmentierung führe zu schlechteren Preisen Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 777fT. (1999). Zu weiteren Argumenten für eine Zentralisierung des Wertpapierhandels siehe Schmidt, Kredit und Kapital 25 (1992), 110 (120ff.); Schuster!Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (376f.). Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (256); Schuster/Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (376f.); BaumlSegna, Börsenreform, S. 20. Liersch, WM 2003, 473 (478) spricht von „Gravitational Pull". Ausführlich zum Netzwerkeffekt auf Kapitalmärkten und Börsen Ahdieh, 2003 S. Cal. L. Rev. 277ff. (insb. 284ff.); Hasan!Schmiede!, Networks, Bank of Finland Discussion Papers, 2/2003. Zur Ökonomie von Netzwerken allgemein Economides, 14 Int. J. Ind. Org. 673ff. (l996).
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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systems bereits am Markt vorhanden sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses zu dem jeweils gewünschten Preis. Diese bessere Abschlusswahrscheinlichkeit zieht wiederum weitere Orders an.388 Je größer der Umfang ist, in dem Angebot und Nachfrage zusammengeführt werden, desto genauer spiegeln die Marktpreise die konkrete Marktlage wieder, d.h. die Effizienz des Marktes steigt.389 Sind alle Orders in einem Markt konzentriert, vermindern sich die Informations- und die Suchkosten für den einzelnen Anleger.390 Eine Fragmentierung der Liquidität führt dagegen zu höheren Informations- und Suchkosten.391 Eine Zentralisierung des Wertpapierhandels birgt aber immer auch die Gefahr einer Erhaltung bzw. Entstehung natürlicher Monopole in sich.392 Börsen und alternative Handelssysteme organisieren nicht nur Märkte, sie sind selbst Akteure im Markt der Marktplätze.393 Dementsprechend geht es nicht nur um Marktfragmentierung oder Zentralisierung, sondern auch um Wettbewerb oder Monopolisierung als deren jeweilige Kehrseiten.394 Mit den von den Börsen geschaffenen Institutionen bewirken diese nicht nur eine Senkung der Transaktionskosten.395 Diese Institutionen können auch als Marktmachtinstrumente zur Extraktion von Monopolrenten verwendet werden.396 Ein solches Verhalten hätte höhere Transaktionskosten als bei einem existierenden Wettbewerb zur Folge.
388 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 65; Liersch, WM 2003, 473 (478); Schwanz, Better Stock Market, S. 9; Spindler, WM 2002, 1325 (1328). 389 Je mehr Liquidität dagegen vom preisbestimmenden Markt abgezogen wird, desto weniger verlässlich wird die Preisqualität. Vgl. Balzer, ZBB 203, 177 (180); Domowitz, Exchange, in Lo, Industrial Organization, S. 93 (108); Euronext, Internalisation, S. 13. 390 Schmidt, Kredit und Kapital 25 (1992), 110(121). 391 Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u. a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (99). 392 Liersch, WM 2003, 473 (478); Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 352 (2002); Levitt, 2000 Colum. Bus. L. Rev. l, 10. Zu Börsenmonopolen Emmerich/Hoffmann, Börsenrecht, in FS Seimer, S. 305 (314ff.). 393 IOSCO, Regulation of Cross-Border Proprietary Screen-Based Trading Systems, Abs. 71; Baum, EBOR 2004, 677 (679); Prigge, Recent Developments, in Hopt/ Wymeersch, Capital Markets, S. 47 ff.; Köndgen, 154 JITE 224, 239 (1998); Ferrarini, Exchange Governance, in Ferrarini, European Securities Markets, S. 245 (247). 394 Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 900 (2001); TBMA, Stellungnahme vom 3 I.Mai 2002, S. 8. 395 Mues, Börse, S. 25. 396 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (256).
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
Die Fragmentierung eines Marktes hat demgegenüber nicht in jedem Fall den Verlust von Liquidität zur Folge. Vielmehr dürfte das Angebot unterschiedlicher Marktplätze und damit unterschiedlicher Transaktionsdienstleistungen zu einer insgesamt höheren Liquidität führen, weil Anleger mehr Möglichkeiten zum Handel haben.397 So verringert sich für institutionelle Anleger das Bedürfnis, den überwachten Handel gänzlich zu verlassen, um nach ihnen genehmeren Handelsmöglichkeiten zu suchen.398 Für Market Maker wiederum erhöhen die besseren Gewinnchancen, die aufgrund der Existenz unterschiedlicher Handelsumgebungen möglich werden, den Anreiz, vermehrt Quotes zu stellen und damit Liquidität anzubieten.399 Darüber hinaus beschleunigt der Wettbewerb die Einführung neuer (und effizienterer) Dienstleistungen und Handelsmechanismen.400 Dies wiederum fördert die Effizienz des Gesamtmarktes, weil der Einsatz neuer Technologien regelmäßig zu niedrigeren Transaktionskosten führt.401 Dieser dynamische Aspekt des Wettbewerbs spricht für einen Wettbewerb zwischen den Marktplätzen. Darüber hinaus bedeutet eine Abwanderung von Umsätzen von den Großbörsen zu neuen Handelsplattformen nicht mehr notwendig einen Effizienzverlust.402 Die Argumente für eine Zentralisierung des Handels lassen aber vor allem unberücksichtigt, dass es bei jeder Transaktion um zwei Aspekte geht: um das standardisierte Finanzinstrument, das ein homogenes Gut ist, und um eine Dienstleistung, den Transaktionsservice, der individuell ausgestaltet werden kann.403 Die Plausibilität der zentralistischen Position liegt darin begründet, dass sie als Transaktionsdienstleistung nur einen Standardservice annimmt. Die Transaktionsdienstleistung kann jedoch völlig unterschiedlich
397 Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 306 (1995). Vgl. auch IOSCO, Regulation of Cross-Border Proprietary Screen-Based Trading Systems, Abs. 71. 398 Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 307 (1995). 399 Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 307 (1995). 400 Vgl. Stall, Organization, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 399 (402f.); Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 771 (1999). 401 Siehe dazu die Studie von Garbade/Silber, 33 J. Fin. 819ff. (1978) sowie MclnishlWood, Competition, in Lo, Industrial Organization, S. 63ff. 402 Köndgen, Mutmaßungen, in FS Lutter, S. 1401 (1407). Vgl. dazu auch unten 4. Teil: 1. Kapitel: II. 4. 403 Harris, Consolidation, in Schwarz, Global Equities Markets, 269 (270); Prigge, Recent Developments, in Hopt/Wymeersch, Capital Markets, S. 47 (71); Schmidt, Kredit und Kapital 25 (1992), 110 (126 f.). Zur Theorie der zwei Güter auch Schmidt/Prigge, Börsenkursbildung, in Gerke/Steiner, Handwörterbuch, 3. Aufl., Sp. 392 (398f.).
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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ausgestaltet sein, indem z. B. stärker die Sofortigkeit oder die Markttiefe, die Anonymität oder andere Faktoren im Vordergrund stehen, je nachdem welche Präferenzen die jeweiligen Kunden bzw. Anleger haben.404 Gerade beim heutigen Stand der Kommunikationstechnik, die zu einer (weitläufigen) Konsolidierung des Marktes geführt hat,405 werden Unterschiede beim Transaktionsservice für die Marktplatzbetreiber zunehmend wichtiger, um sich von anderen Marktplätzen unterscheiden zu können. Da heute Preis und Qualität des Transaktionsservices darüber bestimmen, wie attraktiv Anleger ein Handelssystem finden406 und die verschiedenen Gruppen von Anlegern unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche haben, kommt es infolgedessen zu einer Differenzierung und Spezialisierung der verschiedenen Marktplätze.407
II. Risiken im Rahmen der einzelnen Handelsphasen Auch wenn somit die Fragmentierung des Marktes als solche in der Regel wegen des damit einhergehenden Wettbewerbs kein gesondertes Regelungsbedürfnis hervorruft, so besteht doch die Möglichkeit, dass sie zu externen Effekten führt, wenn Transaktionen in einem orderfragmentierten Finanzinstrument durch Transaktionen an einem Konkurrenzmarkt beeinflusst werden.408 Hinzu kommen Risiken, die nicht aufgrund des Vorhandenseins mehrerer Marktplätze entstehen, sondern den einzelnen Systemen inhärent sind und sich auf deren Effizienz und damit auch auf die Effizienz des Gesamtmarktes negativ auswirken können. Neben einem möglichen Marktversagen ist auch die Gefahr vermehrter Anlegerrisiken nicht auszuschließen, die auf für Anleger nicht erkennbare minderwertige Angebote einzelner Handelssysteme zurückgehen.
404 Vgl. dazu auch Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 771 f. (1999). 405 Dabei kommt der gleichzeitige Handel eines Finanzinstrumentes an mehreren Marktplätzen dem Ideal arbitragefreier, informationseffizienter und allokationsoptimaler Kurse (fast) so nahe wie eine Zentralisierung. 406 Spezifisch für kleinere Handelssysteme ist z. B. die bessere Kontrollmöglichkeit für institutionelle Anleger. Vgl. dazu Schmidt, Kredit und Kapital 25 (1992), 110 (129). Zu den vielen unterschiedlichen Ansprüchen der Anleger im Hinblick auf Transaktionsdienstleistungen von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213 (1214). 407 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 771, 775 (1999). 408 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (256).
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I.Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
Inwieweit für die Funktionsfähigkeit des Marktes und die Anleger Risiken bestehen, lässt sich am besten bei der Betrachtung der einzelnen Handelsphasen sehen, die eine Transaktion durchläuft.409 Zunächst sammelt der Anleger Informationen über das ihn interessierende Finanzinstrument und die Orte, wo es gehandelt wird (Informationsphase).410 Dann gibt er seine Order beim Intermediär auf, und dieser leitet sie an den vom Anleger gewünschten Handelsplatz (Orderrouting).411 Ist eine entsprechende Gegenorder (in einem Auktionsmarkt oder ordergetriebenen Markt) oder eine Kursofferte von einem Market Maker (in einem Market Maker System oder quotegetriebenen Markt) vorhanden, erfolgt das Matching und sofern das Handelssystem dies ermöglicht - damit verbunden die Preisfeststellung:412 Die beiden korrespondierenden Handelswünsche werden zusammengeführt und der dabei zustande kommende Preis für die Transaktion vom System festgestellt (Matchingphase). Schließlich erfolgt die Abwicklung.413 Hierbei werden zunächst die gegenseitigen Ansprüche der Beteiligten festgestellt und abgerechnet (Clearing).414 Im Anschluss werden die entsprechenden Verfügungen vorgenommen (Settlement).415 1. Risiken in der
Informationsphase
In der Informationsphase spielt die Transparenz des Kapitalmarktes eine wichtige Rolle, weil die Informationen über die gegenwärtige Auftragslage (Vorhandeistransparenz) und über die bisher abgeschlossenen Geschäfte
409 Zu den Handelsphasen vgl. Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. 59ff.; Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 11 und S. 18 ff.; Picotl'Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 17; StolzlSchmilz-Esser, Die Bank 1997, 297 (298). 410 Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. 60ff.; Picotl'Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 17 und S. 35 ff. 411 Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. 77ff.; Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 20; PicotlBortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 17 und S. 49 ff. 412 Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. 82ff.; Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 21; Picotl'Bortenlängerl'Röhrl, Börsen, S. 17 und S. 54ff. Zu den unterschiedlichen Marktmodellen und Preisfeststellungsmechanismen siehe unten 1. Teil: 3. Kapitel: II. 3. a. i. 413 Bortenlänger, Börsenautomatisierung, S. lOOff.; Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 22; Picotl Bortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 17 und S. 71 ff. 414 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 22; Picotl Bortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 72; Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 27. 415 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 22; Picotl Bortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 73; Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 27.
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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(Nachhandelstransparenz) für die Anlageentscheidungen der Anleger von Bedeutung sind.416 a) Notwendigkeit von Transparenz Grundsätzlich ist Transparenz bzw. ein gewisses Maß an Transparenz zwingend notwendig, um überhaupt einen Markt stattfinden zu lassen.417 In einem intransparenten Markt müssen außerordentlich hohe Suchkosten aufgewendet werden, um einen handelswilligen Partner und den gewünschten Transaktionspreis zu finden.418 Des Weiteren verlieren die Preise ihre Signalfunktion, weil sie nur unzureichend wahrgenommen werden können.419 Daher erhöht Transparenz zunächst einmal die Effizienz des Kapitalmarktes. Da sich Marktteilnehmer leichter über die aktuelle Preislage an den verschiedenen Marktplätzen informieren können,420 erhöht sich die Geschwindigkeit der Preisanpassung an neue Entwicklungen. Indem Anleger die Informationen anderer Marktplätze bei ihren Entscheidungen berücksichtigen können, gleichen sich die Preise der verschiedenen Marktzentren schneller aneinander an.421 Auf diese Weise kann Transparenz bis zu einem gewissen Grad helfen, einen fragmentierten Markt zu konsolidieren.422
416 Daher rät die IOSCO, die Transparenz des Kapitalmarktes im Rahmen der Regulierung zu fördern. Vgl. IOSCO, Supervisory Framework, S. 4. Für eine Untersuchung des Verhältnisses der Orderbuchtransparenz und des Bietverhaltens von Anlegern siehe Küster Simic, Orderbuchtransparenz, insb. S. 56 ff. 417 Stiglitz, 92 AER 460, 468 (2002); vgl. dazu auch Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 (1970). 418 Rudolph!Röhrt, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (206). 419 RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (206). Zur Wichtigkeit von Transparenz auch Hasbrouck, Trade, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 218; Liersch, Regulierung, S. 95; Schiereck, Börsenplatzentscheidungen, S. 30 ff. 420 BSK, Empfehlungen, S. 9; Cohn, ZBB 2002, 365 (374). 421 Dies geschieht insb. durch Arbitrage. Bei der Arbitrage wird dasselbe Finanzinstrument auf zwei oder mehr Märkten gleichzeitig ge- und verkauft, um eine bestehende Preisdifferenz zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen. Vgl. MendelsonlPeake, 19 Iowa J. Corp. L. 443, 456 (1994). 422 SEC, Market 2000 Report: Study IV, Transparency (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 135, 1 (3); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 285 (1995); Klenke, Börsendienstleistungen, S. 171 f.; Seit:, AG 2004, 497 (502).
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
Des Weiteren dient Transparenz dazu, Informationsasymmetrien zu verhindern bzw. abzubauen.423 In einem transparenten Markt nähert sich der Kenntnisstand der Anleger, die sich ansonsten kaum oder nur schlecht informieren können, demjenigen besser informierter Anleger an. Größere Verwerfungen bei Handelsabschlüssen zu Lasten der weniger Informierten können so vermieden werden. Außerdem erleichtert ein transparentes System den Anlegern die Kontrolle über ihre Intermediäre, indem es ihnen ermöglicht, jederzeit die Konditionen eines von ihnen geplanten Geschäfts zu beurteilen und die Bedingungen, zu denen es ausgeführt wurde, im Nachhinein zu überprüfen.424 So können Anleger z. B. nachvollziehen, ob der Preis, den sie von ihrem Broker erhalten haben, der beste Preis im Markt zu diesem Zeitpunkt gewesen ist.425 Auf diese Weise hilft Markttransparenz, die Integrität des Gesamtmarktes und damit das Anlegervertrauen zu stärken, wodurch sich die Bereitschaft der Anleger zum Handeln erhöht, was dem Markt in Form erhöhter Liquidität zugute kommt.426 b) Negative Auswirkungen von Transparenz Demzufolge erscheint zwar ein gewisses Maß an Transparenz erstrebenswert, allerdings sagt dies noch nichts über das notwendige Ausmaß an Transparenz aus.427 Eindeutige, robuste Schlussfolgerungen hierzu lassen sich aus
423 BSK, Empfehlungen, S. 9; Caspari, NZG 2005, 98. 424 Erwägungsgrund 44 Satz 2 MiFID; SEC, Market 2000 Report: Study IV, Transparency (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 135, l (6f.); RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (205); Seilz, AG 2004, 497 (502). 425 Außerdem erschwert ein transparenter Markt auch andere benachteiligende Praktiken, wie z. B. das Front Running. Zum Front Running oben Fn. 224. 426 SEC, Market 2000 Report: Study IV, Transparency (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 135, 1 (9); CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 10; Caspari, NZG 2005,98 (99). 427 Für eine Diskussion von Kosten und Nutzen der Markttransparenz siehe Mulherin, Market Transparency, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 375 ff. Die Transparenz und ihre Auswirkungen sind in vielfaltigen theoretischen, empirischen und experimentellen Studien der wirtschaftswissenschaftlichen Mikrostrukturtheorie untersucht worden. Theoretische Studien stammen von Madhavan, 5 J. Fin. Intermediation 255 ff. (1996); ders., 8 Rev. Fin. Stud. 579 ff. (1995); PaganolRöell, 51 J. Fin. 579 ff. (1996); Lyons, 5 J. Fin. Intermediation 225ff. (1996); Biais, 48 J. Fin. 157 (1993); Förster!'George, 2 I Fin. Intermediation 168ff. (1992). Für empirische Studien zur Transparenz siehe z.B. MadhavanIPorterl Weaver, 8 J. Fin. Markets 266ff. (2005); Gemmill, 51 J. Fin. 1765ff. (1996); GarbadelPomrenzelSilber, 69 Am. Econ. Rev. 50ff. (1979); Garbade/Silber, 33 J. Fin. 819fF. (1978). Für experimentelle Studien siehe z.B.
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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den hierzu durchgeführten ökonomischen Studien und Untersuchungen nicht ableiten, denn diese kommen zum Teil zu divergierenden Ergebnissen.428 Tendenziell lässt sich jedoch beobachten, dass mehr Transparenz nicht unbedingt in jeder Hinsicht besser ist.429 i) Auswirkungen der Transparenz auf die Informationseffizienz Vielmehr kann ein Zuviel an Transparenz sogar negative Folgen haben. Dies zeigt eine Betrachtung der Auswirkungen auf die Informationseffizienz. Je transparenter ein Kapitalmarkt wird, d. h. je schneller und je mehr Informationen veröffentlicht werden, desto weniger können Anleger durch die Entdeckung neuer Informationen verdienen und umso geringer wird der Anreiz für sie und für Analysten, die ihre Informationen an Anleger verkaufen, nach neuen Informationen zu suchen.430 Werden jedoch weniger Anstrengungen bei der Suche und Analyse von Informationen unternommen, werden auch die Preise weniger informativ.431 Somit ist ein gewisses Maß an Intransparenz für Märkte von existenzieller Bedeutung, weil nur dann Marktteilnehmer, die nach Informationsvorsprüngen suchen, aufgrund ihrer Informationssuche Gewinne erzielen können und damit einen Anreiz für eine solche Suche haben.432 Existiert dieser Anreiz, wird eine große Anzahl
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BloomßeldlO'Hara, 55 J. Fin. Econ. 425ff. (2000); dies., 12 Rev. Fin. Stud. 5ff. (1999); LamoureuxlSchnitzlein, 52 J. Fin. 683 ff. (1997). Lee, Exchange, S. 246f. Moon, 21 Nw. J. Int'l L. & Bus. 131, 153 (2000). Scalia und Vacca haben im Rahmen einer Untersuchung des Marktes für italienische Staatsanleihen (dem Mercato Telematico dei Titoli di Stato, kurz MTS) im Zusammenhang mit Veränderungen, die in Folge der Umstellung des Marktes 1997 auf einen geringeren Grad an Transparenz auftraten, festgestellt, dass insb. große aber auch informierte Händler bzw. Anleger von dieser Umstellung profitierten, was sich wiederum positiv für den Marktplatz im Wettbewerb mit anderen Handelsplätzen, wie z.B. London, auswirkte. Vgl. ScalialVacca, BIS Papers No. 2, S. 113ff. Stiglitz, 92 AER 460, 468 (2002); Mulherin, Market Transparency, in Lehn/ Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 375 (377). Darauf deuten auch die Ergebnisse der Marktprozesstheorie hin, die Märkte als Orte des Erlernens neuer Informationen durch die Transaktionen der heterogen informierten Marktteilnehmer versteht. Vgl. RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/ Baum, Börsenreform, S. 143 (206). Zu den Motiven informierter Marktteilnehmer Harris, Consolidation, in Schwarz, Global Equities Markets, S. 269 (278 f.). Mulherin, Market Transparency, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 375 (377). Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
von Marktteilnehmern versuchen, Informationen zu erlangen, die einen Wissensvorsprung und somit einen Profit sichern. Dies wiederum führt zu einer Angleichung des Informationsstandes der einzelnen Akteure, indem jede Transaktion neue Preissignale aussendet.433 ii) Auswirkungen der Transparenz auf die Liquidität Markttransparenz steht auch in einer „trade-off'-Beziehung zur Liquidität, d.h. zumindest ab einem bestimmten Punkt kann Transparenz nur noch auf Kosten der Liquidität erreicht bzw. verbessert werden.434 So kann ein zu hoher Grad an Transparenz dazu führen, dass Marktteilnehmer und damit deren Orders zu anderen Märkten abwandern.435 Insbesondere große Marktteilnehmer, wie z. B. institutionelle Anleger, die befürchten müssen, dass schon allein durch das Bekanntwerden ihrer (Block-)Orders eine für sie negative Marktpreisbewegung erzeugt wird, werden in vielen Fällen vor einem Handel zurückschrecken oder sich anderen Handelsmöglichkeiten zuwenden, die weniger transparent sind.436 Dies würde die Liquidität in dem
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(206). Legt man dagegen einen neoklassischen Markt zugrunde, der in jeder Hinsicht reibungslos funktioniert, ist vollkommene Transparenz erstrebenswert. Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399,437; RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (206). Mulherin, Market Transparency, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 375 (378); Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (189f.); Linden, Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, Working Paper, S. 14. Zunächst einmal fördert Transparenz jedoch die Liquidität. Vgl. PaganolRöell, 51 J. Fin. 579, 597 (1996). MadhavanIPorterl Weaver, 8 J. Fin. Markets 266, 286 (2005); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 126; Lehn, Market, in Schwartz, Global Equity Market, S. 206 (215); PicotIBortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 131; Rudolphl Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (190). Bzgl. der unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Handelsteilnehmer Harris, Consolidation, in Schwarz, Global Equities Markets, 269 (275 ff.). MadhavanlPorter! Weaver, 8 J. Fin. Markets 266, 286 (2005); Comber, Elektronische Handelssysteme, S. 20; Macey/O'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 47 (1999); Mulherin, Market Transparency, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 375 (378). Vgl. dazu auch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70866 (Dec. 22, 1998). Zum Blockhandel und der Gefahr des Market Impacts Comber, Elektronische Handelssysteme, S. 43ff.; Kraus/Stoll, 27 J. Fin. 569, 574 ff. (1972). Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine besonders große Transparenz für einen Händler, der eine große Order abwickeln möchte, in bestimmten Fällen auch von Vorteil sein kann: Sofern er über keine zusätzlichen Informationen gegenüber den restlichen Marktteilnehmern verfügt,
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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betroffenen zu transparenten Handelssystem verringern.437 Um dieses Bedürfnis der (Groß-)Anleger nach vorsichtigen Platzierungen und der Vermeidung hoher Marktbeeinflussungskosten entgegenzukommen, bieten daher etablierte Börsen ein geschlossenes Orderbuch und einen verdeckten „upstairs market" an.438 Auch durch eine verzögerte Veröffentlichung von Informationen kann der nachteilige Effekt des Market Impacts verhindert bzw. verringert werden.439 Auch Markttransparenz und Sofortigkeit können in einer „trade-off"Beziehung stehen: Nicht nur der Blockhandel, auch die Market Maker, die
kann er dies durch Offenbarung seiner Identität gegenüber den anderen Marktteilnehmern dokumentieren. Dies geschieht z. B. beim so genannten „sunshine trading". Vgl. dazu AdmatilPfleiderer, 4 Rev. Fin. Stud. 443 ff. (1991); Comber, Elektronische Handelssysteme, S. 45; Harris, Consolidation, in Schwarz, Global Equities Markets, S. 269 (278 f.). Eine solche Strategie ist jedoch nicht ohne Risiko, denn es besteht die Gefahr, dass die Dokumentierung der fehlenden Information nicht geglaubt wird. Außerdem hat die Information, dass institutionelle Anleger große Volumina kaufen oder verkaufen, als solche einen ökonomischen Wert und ermöglicht es anderen Marktteilnehmern eine „free-rider"-Position einzunehmen, weil sie sich nicht an den Kosten der Informationsbeschaffung beteiligen müssen. Vgl. Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 45f.; Maceyl O'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 47 (1999). Insofern entsteht bei einer frühzeitigen Veröffentlichung von Blockorders immer die Gefahr eines Market Impacts. Außerdem ist sunshine-trading generell nur bei relativ breiten Märkten möglich, bei denen das Orderbuch durch eine große Order nicht „leergeräumt" wird. Die SEC ist diesbezüglich ambivalent. Vgl. einerseits SEC, Market 2000 Report: Study IV, Transparency (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 135, 1 (13 f.) und andererseits a. a. O. I (25). 437 Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 126; MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 47 (1999). 438 Ein „upstairs market"-Geschäft ist ein Geschäft, bei dem ein auf Blockorders spezialisiertes Unternehmen, meist eine Investmentbank, außerhalb der Börse eine Gegenpartei für die Blockorder eines Großanlegers sucht und dann entsprechende Verhandlungen mit der gefundenen Gegenpartei durchführt. Vgl. Otness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1617. Zum „upstairs"-Geschäft auch Shapiro, U.S. Equity Markets, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 19 (32). Für große Transaktionen hat die LSE Market Makern erlaubt, diese bis zu fünf Tage später zu veröffentlichen. Vgl. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/ Baum, Börsenreform, S. 143 (240). Alternative Handelssysteme gehen einen ähnlichen Weg, indem sie die Orders anonymisieren, bilaterale Verhandlungen ermöglichen oder durch eine Vorauswahl der Gegenparteien dafür sorgen, dass nur Gegenparteien mit einem guten Insiderrisiko Zugang zur Abschlussphase haben. 439 Vgl. dazu CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 10. Vgl. auch HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (431 f.).
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
„Sofortigkeit" - also eine sofortige Möglichkeit zum Handeln - gewährleisten, sind auf eine gewisse Intransparenz angewiesen.440 Denn in völlig transparenten Märkten können sie keine Gewinne durch den ständigen Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten erzielen. Wenn Transaktionen umgehend nach der Durchführung gemeldet werden müssten, bestünde die Gefahr, dass sich andere Marktteilnehmer an ihrem Verhalten ausrichten und versuchen würden, ihnen zuvor zu kommen. Dies würde den Market Makern nicht nur das Glattstellen ihrer Position durch entsprechende Gegengeschäfte erschweren, sondern auch den Nutzen der Preisspannen in Frage stellen.441 Market Maker könnten aus ihren Geschäften auch keine zusätzlichen Gewinne mehr erzielen. Diese Gewinne stellen aber ihre Vergütung für die risikobehaftete Bereitstellung des Sofortigkeitsservices dar.442 iii) Auswirkungen der Transparenz auf die Marktstruktur Schließlich können Transparenzvorschriften die Marktstruktur erheblich beeinflussen und haben daher das Potential, die Vielfalt der Handelsmechanismen einzuschränken. Müssten z. B. Handelssysteme, die es ihren Kunden ermöglichen, ganze Orderprofile einzugeben, unter allen Umständen eine Vorhandeistransparenz gewährleisten, müssten sie ihre Kunden letztlich dazu zwingen, ihre gesamte Orderstrategie offen zu legen. Dies würde es anderen Anlegern ermöglichen, ihre eigene Handelsstrategie danach auszurichten und ihnen damit ein „free-trade option" gewähren. Die Kunden von Systemen, die Orderprofile zulassen, würden dadurch systematisch benachteiligt werden. Dies würde letztlich dazu führen, dass Anleger vom Handel über solche Systeme Abstand nähmen.
440 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (190). 441 Hasbrouck, Trade, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 218 (220). Würde z. B. veröffentlicht werden, dass ein Market Maker gerade eine größere Position an Finanzinstrumenten verkauft hat, könnten Anleger genau diese Finanzinstrumente kaufen weil sie glauben würden, dass jemand positive Informationen hinsichtlich dieses Finanzinstrumentes hat. Dies würde den Preis für diese Finanzinstrumente erhöhen und es für Market Maker teurer machen, sich erneut mit diesen Finanzinstrumenten einzudecken. 442 RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (190). Um daher zu vermeiden, dass sie auf dem falschen Fuß erwischt werden, würde es für Market Maker sinnvoll sein, ihren Bid/Ask-Spread zu vergrößern, was wiederum zu höheren Transaktionskosten führen würde. Vgl. Lee, Exchange, S. 99.
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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Eine strenge und zugleich undifferenzierte Transparenzregelung kann somit dazu führen, dass die Betreiber in ihrer Wahl eines Handelsmechanismus beschränkt werden. Sie erlegt damit dem Markt implizit die Ansicht des Regulierenden hinsichtlich der optimalen Marktstruktur auf. Sofern ein Eingriff in die Marktstruktur aus anderen Gründen nicht gerechtfertigt erscheint,443 muss ein solches Vorgehen vermieden werden. Dies führt nämlich zu einer unbegründeten Beeinträchtigung des technologischen Fortschritts, weil damit die Einführung bestimmter Technologien bzw. Handelsmechanismen von vornherein verhindert wird. Dies wiederum kann sich nachteilig auf die Liquidität des Gesamtmarktes auswirken. So kann gerade die Eingabe von Orderprofilen zu einer Erhöhung der Liquidität eines Marktes beitragen, weil die Anleger gleich eine Vielzahl von Aufträgen abgeben können, ohne befürchten zu müssen, dass sie damit ihre Handelsstrategie aufdecken. c) Wertpapierinformationen als öffentliches Gut oder Gegenstand von Verfügungsrechten? Neben der Berücksichtigung solcher nachteiligen Aspekte der Transparenz muss sich eine Regulierung auch mit dem unmittelbaren Gegenstand der Transparenz, den Marktdaten, insbesondere den Preisinformationen, und ihrer Charakterisierung auseinandersetzen. Denn ihre Einordnung kann erhebliche Konsequenzen für die Auswirkungen einer Regulierung haben. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Einführung einer Transparenzpflicht selbst ein Marktversagen bewirkt, obwohl sie ein solches gerade verhindern soll. Bei Preisinformationen geht es insbesondere um die Frage, ob sie öffentliche Güter darstellen und welche Folgen eine solche Einordnung hat. i) Preise als öffentliches Gut Da auf transparenten Märkten Preise bzw. Kursdaten frei zugänglich sind, lassen sie sich als öffentliche Güter einordnen.444 Wie oben ausgeführt, ist dafür die Nichtrivalität und Nichtausschließbarkeit im „Konsum" Voraus-
443 Vgl. dazu unten 1. Teil: 3. Kapitel: II. 3. a. 444 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (259). White, International Regulation, in Lo, International Organization, S. 207 (212); Köndgen, 154 JITE 224, 235 (1998); Hasbrouck, 50 l Fin. 1175 (1995). Zu öffentlichen Gütern siehe oben 1. Teil: 2. Kapitel: II. 1.
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
Setzung.445 Zum einen werden aufgrund der preiswerten Kopierbarkeit keine signifikanten Kosten verursacht, wenn ein weiteres Wirtschaftssubjekt über die Kurse informiert wird. Insofern lässt sich eine Nichtrivalität im Konsum annehmen.446 Zum anderen ist eine Abgrenzung ihrer Nutzung nicht sinnvoll, weil sonst zu wenige (potentielle) Investoren über die Liquidität des Börsenplatzes informiert werden.447 Ohne Informationen werden Anleger aber kaum gewillt sein, an einem solchen Markt zu handeln, so dass dort nur eine suboptimale Liquidität entsteht. Insofern besteht auch eine Nichtausschließbarkeit im Konsum.448 ii) Verfügungsrechte an Preisen Um die mit öffentlichen Gütern zusammenhängenden Probleme zu vermeiden,449 wird zum Teil vertreten, dass den Börsen bzw. den jeweiligen Marktplätzen Verfügungsrechte (property rights) an den produzierten Kursen eingeräumt werden sollten, weil preisfeststellende Systeme die Kurse für Wertpapiere produzierten.450 Insbesondere sollen solche Verfügungsrechte dabei helfen, „free riding"-Verhaltensweisen zu vermeiden.451 „Free riding" bedeutet, dass sich andere die von einer Person oder einem Unternehmen produzierten Güter bzw. Vorteile zu Nutze machen und davon profitieren, ohne eine Gegenleistung dafür zu erbringen.452 Auf den Kapitalmarkt übertragen bedeutet dies beispielsweise, dass ein „free riding" stattfindet, wenn ein Handelssystem in die Preisermittlung investiert und andere Systeme dessen Preise einfach übernehmen, ohne dafür zu bezahlen.453
445 Vgl. oben 1. Teil: 2. Kapitel: II. 1. 446 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (259 f.). 447 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (260). 448 Zu dieser Situation haben auch Regulierungsregimes geführt, die die Verfügungsrechte der Börsen an Marktinformationen geschwächt haben, indem sie Intermarktinformationssysteme errichten ließen, um die negativen Konsequenzen der Marktfragmentierung durch verbesserte Informationsausbreitung zu überwinden. Zum NMS in den USA unten 2. Teil: 1. Kapitel: I. 2. 449 Zu den Problemen im Zusammenhang mit öffentlichen Gütern siehe oben I.Teil: 2. Kapitel: II. 1. 450 Mulherini NetterlOverdahl, 34 J. L. & Econ. 591, 592 (1991) („Prices are Property"); Lehn, Market, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 206 (214). 451 Mulherinl'Netter!Overdahl, 34 J. L. & Econ. 591, 634 (1991). Zu Property Rights ausführlich SchäferlOtt, Lehrbuch, S. 515ff. 452 AmihudIMendelson, 71 N.Y.U. L. Rev. 1411, 1434, Fn. 124 (1996) m. w. N. 453 SEC, Market 2000 Report: Study III, Market Fragmentation, Competition and
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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iii) Ablehnung von Verfügungsrechten bei Nachhandelstransparenz Die Folge einer Zuordnung von Verfügungsrechten wäre, dass konkurrierende Marktplätze ohne Zustimmung des jeweiligen betroffenen Marktplatzes keine Kurse mehr importieren dürften.454 Dies hätte insbesondere für Crossing-Systeme, die keine eigenen Preise ermitteln, schwerwiegende Folgen. Für sie entfielen die Referenzgrößen für ihren Handel, so dass sie die Orders aufgrund des „Kursvakuums" nicht mehr zu Abschlüssen zusammenführen könnten.455 Gingen diese Systeme dazu über, ihre Preise selbst festzustellen, wäre unter anderem eine Immunisierung der Orders von institutionellen Investoren vor dem Market Impact kaum mehr durchführbar.456 Gegen eine solche Zuordnung von Verfügungsrechten an den jeweiligen Kursen spricht aber vor allem, dass hierbei Verbreitung und Produktion der Kurse verwechselt werden. Die Produktion eines Kurses geschieht durch das Matching gegengleicher Orders, die an einem Marktplatz konzentriert sind.457 Die Kurse gehen damit auf die Initiative der handelnden Anleger zurück, die sich eines zur Verfügung gestellten Systems bedienen und letztlich den zur Verfügung gestellten Interaktionsmechanismus in Gang setzen. Somit produzieren nicht die Handelssysteme die Kurse.458 Diese werden viel-
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Regulation (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 134, S. 7. Allerdings ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Handel auf dem Hauptmarkt von den Satellitenmärkten beeinflusst wird. Ob entsprechende freiwillige Verträge zwischen preisimportierenden und preisfeststellenden Systemen einen lohnenswerten Preisimport ermöglichen könnten, ist fraglich. Denn da die Systeme Konkurrenten sind und jeder Export von Preisinformationen einen Verlust von Orders nach sich ziehen würde, ist es wahrscheinlich, dass preisfestellende Systeme - sofern sie sich überhaupt darauf einlassen - den Preis derart hoch ansetzen, dass sich ein Preisimport für preisimportierende Systeme nicht mehr lohnen würde. PicotIBortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 128; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (257). PicotIBortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 128; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (257). Darüber hinaus dürfte auch der Handlingaufwand für kleine Orders steigen. PicotIBortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 130; Rudolph!Röhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (260). PicotIBortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 130; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (260). Noch deutlicher wird es im Fall von Präsenzbörsen bei Vorhandensein preisfeststellender Intermediäre, die das Matching der von den Anlegern in Auftrag gegebenen Orders durchführen. Diese benutzen die Räumlichkeiten und Systeme der Börsen, sind aber nicht selbst die Börse.
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I.Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
mehr als „Abfallprodukt" der Abschlüsse festgestellt.459 Die Handelssysteme übernehmen in diesem Zusammenhang lediglich die Aufgabe, den räumlich getrennten Anlegern die festgestellten Preise mitzuteilen. Damit liegt ihr Anreiz in Bezug auf die Preisfeststellung nicht allein in der späteren allgemeinen Weiterverbreitung der Informationen, um damit Anleger anzulocken und Geld zu verdienen, sondern vor allem in der Durchführung von Geschäftsabschlüssen. Bei einer entgeltlosen Nutzung von Informationen über abgeschlossene Transaktionen kommt es somit nicht zu einem Zusammenbruch der Kursproduktion,460 so dass ein Marktversagen nicht zu befürchten ist. iv) Free riding-Probleme bei Vorhandeistransparenz Anders sieht es dagegen in Bezug auf die Preisstellungen der Market Maker aus.461 Preisquotierungen stellen ein Angebot der Market Maker dar, für das sie entsprechende Informationskosten aufwenden mussten und mit dem sie Liquidität zur Verfügung stellen.462 Quotes entstehen also nicht als bloßes „Nebenprodukt" einer durchgeführten Transaktion. Die Kosten, die der Market Maker für die Suche von Informationen, die Vorhaltung von Liquidität etc. auf sich genommen hat, erhält er nur ersetzt, wenn es zu einer entsprechenden Transaktion kommt.463 Ein „free riding"-Problem tritt nun auf, wenn andere Märkte solche Quotes importieren und ihre Quotes automatisch anpassen (so genannte „auto-quotes"). Für die Market Maker besteht dann kein Anreiz mehr, bessere Quotes zu stellen, da die anderen Systeme ihre (importierten) Quotes automatisch nachjustieren.464 Eine Quotierungsverbesserung würde daher nicht dazu führen, dass die Market Maker mehr Aufträge anziehen, sondern nur zu einer Reduktion der Ein459 Picotl'BortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 130; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (260). 460 Picotl'Bortenlänger)'Röhrl, Börsen, S. 130; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (260). 461 Hasbrouck, Trade, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 218 (223); vgl. auch Kleidon, Market 2000, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 363 (367), der Property Rights nur in Bezug auf Quotes anspricht. 462 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 21 f.; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 114; Schizer, 101 Yale L. l 1551, 1554 Fn. 13 (1992). 463 Hasbrouck, Trade, in Schwartz, Global Equity Market, S. 218 (223). Zu den Kosten für die Suche nach Informationen vgl. MaceylKanda, 75 Cornell L. Rev. 1007,1014(1990). 464 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (263). Vgl. auch Amihudl Mendelson, 71 N.Y.U. L. Rev. 1411, 1434f. (1996).
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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nahmen.465 Im Markt wird dieses Problem dadurch „gelöst", dass Market Maker ihre Preisspannen „auf Verhandlungsbasis" stellen.466 Durch das Nachverhandeln der Preise können die Market Maker letztendlich bessere Preise als die Preisspannen importierenden Systeme anbieten und so ihre Position besser absichern. Auch wenn hierdurch zunächst ein Marktversagen wegen fehlender Anreize zur Quotierung verhindert wird, stellt sich doch das Problem, dass es auf preisfeststellenden und preisimportierenden Märkten zu unterschiedlichen Preisen für ein und dasselbe Gut kommen kann. Da diese Problematik die Preisermittlung betrifft, wird sie im Rahmen der Behandlung von Risiken während der Matchingphase näher untersucht werden.
d) Gründe für eine Regulierung Die obigen Ausführungen zeigen, dass ein Bedürfnis nach Transparenz besteht, um einen Markt stattfinden zu lassen und um negative Auswirkungen der Marktfragmentierung auszugleichen. Fraglich ist aber, ob aus diesem Grunde eine entsprechende rechtliche Regelung eingeführt werden muss. Insbesondere die Betreiber preisfeststellender Handelssysteme haben in der Regel ein Eigeninteresse an der Publizierung ihrer Kurse. Schließlich müssen sie den Anlegern das Marktgeschehen bis zu einem gewissen Grad transparent machen. Ansonsten wissen diese weder, ob ihre Orders zum Abschluss gekommen sind, noch zu welchen Kursen Wertpapiertransaktionen stattfinden.467 Darüber hinaus ermöglicht eine möglichst breite Streuung der festgestellten Kurse, potentielle Anleger von der Liquidität des Handelssystems zu überzeugen und damit weitere Orders anzuziehen.468 Die Kursveröffentlichung dient somit auch als Werbesignal für potentielle Nutzer. Der Nutzen von Transparenzvorschriften erscheint daher auf den ersten Blick begrenzt. Andererseits wird es ATSs geben, die das Bedürfnis einiger Handelsteilnehmer nach Anonymität und Kontrolle über ihre Orders bedienen wollen. Oder sie sind auf eine gewisse Intransparenz angewiesen, weil der von ihnen angebotene Handelsmechanismus dies erfordert, andernfalls die Handels-
465 Rudolph!Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (263). 466 Daher kommt es vielfach zu besseren tatsächlichen Abschlüssen, als die gestellten Quotes ex ante vermuten lassen. Vgl. RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (262). 467 Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 129. 468 Picotl'BortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 129.
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
teilnehmer erheblichen Nachteilen ausgesetzt wären. Solche Systeme werden nur wenige oder gar keine Informationen veröffentlichen, um nachteilige Auswirkungen auf ihre Kunden und damit letztlich auf die eigene Handelsplattform zu vermeiden. Eine Anordnung, Informationen zu veröffentlichen, würde genau diese nachteiligen Auswirkungen hervorrufen und damit letztlich zu einer Verringerung des Angebots an Handelsmöglichkeiten führen. Dem steht allerdings gegenüber, dass ein intransparenter Marktplatz verhindert, dass an anderen Marktplätzen das Gesamtvolumen und der „richtige" Gesamtpreis unter Einbeziehung der Preise an dem intransparenten Marktplatz ermittelt werden kann. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass andere Marktplätze ihre Transparenz aufgeben, um die gleichen Vorteile wie der intransparente Marktplatz zu erlangen.469 Diese Gefahr lässt es notwendig erscheinen, Transparenzpflichten rechtlich zu verankern. Dabei müssen jedoch die erwähnten Interessen der Handelsteilnehmer sowie die negativen Auswirkungen von zuviel Transparenz berücksichtigt werden. Mithin muss ein gewisses Maß an Intransparenz erhalten und eine Feinjustierung der Transparenz möglich bleiben. Sofern Handelssysteme allgemein zu einer gewissen Transparenz verpflichtet werden, dürften die erwähnten Interessen der Betreiber an der Anlockung weiterer Kunden zu einem angemessenen Transparenzniveau führen, so dass die Feinjustierung weitgehend den Marktentwicklungen überlassen werden kann. Zu detaillierte Transparenzvorschriften erscheinen daher unnötig. 2, Risiken in der Orderroutingphase Ziel der Orderroutingphase ist ein schnelles und fehlerfreies Orderrouting. Die Orderroutingphase umfasst daher alle Aktivitäten, die zur Übermittlung der für einen Handelsabschluss benötigten Daten vom Entscheidungsträger zum Ort des Handelsabschlusses erforderlich sind.470 Dazu wird hier auch
469 Zum Vorteil eines intransparenten Marktplatzes in einem sonst transparenten Markt BloomfieldlO'Hara, 55 J. Fin. Econ. 425 ff. (2000), die außerdem zeigen, dass ein transparenter Marktplatz ab einem bestimmten Grad von Intransparenz der übrigen Marktplätze diesen gegenüber wiederum im Vorteil sein kann; siehe außerdem Lee, Exchange, S. 245. 470 Zum Teil wird auch die schriftliche Benachrichtigung des Anlegers über ein abgeschlossenes Geschäft zu den Funktionen der Orderroutingphase gezählt, vgl. bspw. Reiter, Die Bank 1990, 618 (619). Ein wesentliches Strukturmerkmal der Orderroutingphase ist die Möglichkeit, die Verbindlichkeit des Transaktionswunsches zu spezifizieren. Unverbindliche oder indikative Orders stellen verhandelbare Preise und Mengen dar, ohne Zwang die angegebenen Order-
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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der Zeitraum unmittelbar vor der Aufgabe der Order gezählt, in dem es um die Entscheidung geht, an welchem Marktplatz eine Order ausgeführt werden soll. Aus regulatorischer Sicht stellen sich im Rahmen der Orderroutingphase insbesondere Fragen hinsichtlich des Zugangs zu Handelssystemen und des Umgangs mit Interessenkonflikten der Intermediäre, da diese für die Übermittlung von Kundenaufträgen an die Handelssysteme verantwortlich sind. a) Zugang zum Handelssystem Um überhaupt Transaktionen durchführen zu können, müssen Anleger zu einem Handelssystem - zumindest mittelbaren - Zugang haben.471 An Börsen, aber auch an vielen alternativen Handelssystemen, ist der direkte Zugang regelmäßig beschränkt. Um zum direkten Handel zugelassen zu werden, muss der jeweilige Marktteilnehmer insbesondere über ausreichend finanzielle Mittel verfügen. Durch dieses Erfordernis wird das Kontrahentenrisiko für alle Handelsteilnehmer reduziert,472 die Sicherheit beim Wertpapierhandel erhöht und die Funktionsfähigkeit des Marktes abgesichert.473 Insbesondere beim Handel von und mit Privatanlegern spielt das Kontrahentenrisiko eine Rolle, weil bei ihnen Kreditwürdigkeitskontrollen meist nur unter erschwerten Umständen möglich sind.474 Außerdem ist eine langwierige Überprüfung der Kreditwürdigkeit der Gegenpartei bei der hohen Geschwindigkeit des Wertpapierhandels ohnehin regelmäßig nicht möglich. Daher sind sie vom Börsenhandel ausgeschlossen. Die Notwendigkeit für eine gesetzliche Vorgabe solcher Regeln für ATSs, ähnlich wie bei der Börse, ist jedoch zweifelhaft. Zum einen haben ATSs zumindest momentan noch nicht dieselbe volkswirtschaftliche Bedeutung wie Börsen. Zum ändern sind die Betreiber selbst daran interessiert, das Kontrahentenrisiko in ihrem System zu begrenzen, um Handelsteilnehmer nicht abzuschrecken. Außerdem bestehen zum Teil funktionale Unterschiede zu Börsen, so dass die
471 472 473 474
spezifika zu erfüllen. Dagegen verpflichtet eine verbindliche Order den Marktteilnehmer zur Erfüllung zu den von ihm vorgegebenen Parametern. Vgl. Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 20. Spindler, WM 2002, 1325 (1330). Schmidt, Wertpapierbörsen, S. 9; StolzlSchmitz-Esser, Die Bank 1997, 297 (299). Dieses öffentliche Interesse an einem funktionierenden Markt wird durch die volkswirtschaftliche Bedeutung insbesondere der Börsen und Gesichtspunkte des Anlegerschutzes begründet. Siehe dazu Schwark, BörsG, § 7 Rdn. 9. Vgl. dazu Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 96f. Zum Ausschluss von Privatanlegern vom Börsenhandel und der Behandlung institutioneller Anleger vgl. Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 16 BörsG, Rdn. 18.
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
Regeln für Börsen - wie sie zumindest das Börsengesetz vorsieht - nicht ohne weiteres auf ATSs übertragen werden können. Sofern z. B. die Betreiber, wie bei bilateralen Systemen oder der Einrichtung einer zentralen Gegenpartei,475 selbst das Kontrahentenrisiko ihrer Kunden auf sich nehmen wollen, sollte ihnen dies freigestellt werden. Sofern Zugangsregelungen gelten, müssen diese objektiv und allgemeingültig sein. Willkürlich gehandhabt können solche Beschränkungen zu einer Diskriminierung von Anlegern bzw. Intermediären führen und in der Folge als Marktmachtinstrument missbraucht werden.476 Werden Handelsteilnehmer vom (auch nur mittelbaren) Handel ausgeschlossen, besteht die Gefahr, dass sie ein bestimmtes Finanzinstrument nicht zum bestmöglichen Preis handeln können, was mit zunehmender Größe des Handelssystems wahrscheinlicher wird.477 Solange Wettbewerb herrscht und die jeweiligen Handelssysteme über ihre Zulassungspraktiken informieren müssen, dürfte dies allerdings keine wirkliche Gefahr darstellen.478 Probleme könnten aber auftreten, wenn ein Handelssystem alleinige oder fast alleinige Handelsplattform für ein Finanzinstrument ist, es keine ernstzunehmenden Konkurrenten gibt und die Nutzer des Handelssystems signifikante Vorteile genießen.479 Würden in diesem Fall Anleger willkürlich am Handel gehindert, könnten sie die entsprechenden Finanzinstrumente nicht oder nur zu ungünstigen Bedingungen handeln. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Verhaltensweise des Betreibers ist jedoch gering. Da jeder Plattformbetreiber ein Interesse daran hat, dass sein System möglichst viel Liquidität anzieht, wird er dementsprechend viele
475 Eine zentrale Gegenpartei dient dazu, das Erfüllungsrisiko aller Transaktionen zentral zu übernehmen. Vgl. dazu ausführlich Hörn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2; Hoffmann, WM 2003, 2025 (2028). Vgl. zum zentralen Kontrahenten BISIIOSCO, Recommendations for Central Counterparties, Consultative Report. Zur zentralen Gegenpartei auch unten 3. Teil: 1. Kapitel: II. 4. b. 476 Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30491 (Jun. 4, 1997). 477 BSK, Empfehlungen, S. 10. 478 Ähnl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30492 (Jun. 4, 1997). Auch die Gefahr einer verminderten Effizienz des Kapitalmarktes, weil ein auf bestimmte Teilnehmer beschränkter Zugang zu einer Störung der Informationsdistribution im Gesamtmarkt führen könnte - so Spinaler, WM 2002, 1325 (1330) - scheint gering. Denn irgendein Handelsteilnehmer wird in jedem Fall versuchen, mit Hilfe von Arbitragegeschäften eventuelle Marktungleichgewichte auszunutzen und auf diese Weise eine Angleichung der Preise herbeiführen. 479 Olsen, 2000 I.C.C.L.R., 361 (362).
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Teilnehmer für sein System gewinnen wollen.480 Denn - wie oben dargestellt - beruht Liquidität auf einem Netzwerkeffekt.481 Weiterhin kann ein willkürlicher Ausschluss von Teilnehmern zu Irritationen bei den verbleibenden Teilnehmern führen und einige von ihnen veranlassen, von selbst zu einem anderen System zu wechseln. Die sich durch diese Entwicklung verringernde Liquidität führt dazu, dass weitere Teilnehmer abwandern. Der Netzwerkeffekt verkehrt sich so in sein Gegenteil.482 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass, solange ein System nicht gänzlich geschlossen wird, letztlich immer ein indirekter Zugang über irgendeinen Intermediär möglich sein wird.483
b) Interessenkonflikte von Intermediären Bei der Entscheidung, in welchem Handelssystem eine Order ausgeführt werden soll, kann es zu Interessenkonflikten der Intermediäre kommen, die sich auf die Anleger negativ auswirken können.484 Betreibt ein Intermediär, der als solcher für Anleger tätig ist, sein eigenes Handelssystem, so besteht eine besonderes Risiko von Interessenkonflikten. Denn der Betreiber kann in diesem Fall versucht sein, Kundenaufträge in seinem System auszuführen, obwohl eine anderweitige Orderausführung für den Anleger günstiger wäre.485 Betreibt er Eigenhandel über sein System, kann das Interesse an günstigen Vertragsabschlüssen mit seiner aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis mit dem Kunden resultierenden Pflicht zur bestmöglichen Aus-
480 BSK, Empfehlungen, S. l Of. 481 Harris, Consolidation, in Schwarz, Global Equities Markets, 269 (272f.). Zum Netzwerkeflfekt bei Kapitalmärkten und Börsen oben unter 1. Teil: 3. Kapitel: I. Ausführlich dazu Ahdieh, 2003 S. Cal. L. Rev. 277ff., insb. 284ff.; siehe auch Spindler, DStR 2002, 1576 (1583). 482 Als Beispiel für eine solche Entwicklung lässt sich die Situation der deutschen Regionalbörsen heranziehen, deren Handelsvolumen gegenüber der Frankfurter Wertpapierbörse immer stärker zurückgegangen ist. 483 BSK, Empfehlungen, S. 11. 484 Zu Interessenkonflikten ausführlich Hopi, ZGR 33 (2004), Iff.; ders., Insiderwissen, in FS Heinsius, S. 289 (314fF.); ders., Trusteeship, in Ferrarini/Hopt/ Winter/Wymeersch, Reforming Company and Takeover Law in Europe, S. 51 ff. Zu den Handlungsspielräumen von Intermediären Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 487 f. So kann ein Intermediär durch Front Running die Profitabilität einer Kundenorder schwächen. Dabei räumt der Broker die Marktgegenseite mit seiner eigenen Order ab, so dass die Kundenorder nicht zum Abschluss kommen kann. 485 BSK, Empfehlungen, S. 9; Maurenbrecher, AJP/PJA 2005, 19 (34); Balzer, ZBB 2003, 177 (181); Spindler, WM 2002, 1325 (1338).
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führung der Order kollidieren.486 Diese Interessenkonflikte existieren insbesondere bei der Internalisierung von Kundenaufträgen, weil die Betreiber von Internalisierungssystemen den Anlegern regelmäßig als Partei der Transaktion gegenüber treten und deshalb ihr Interesse an einem möglichst gewinnbringenden Geschäft mit der Verpflichtung zur bestmöglichen Auftragsausführung für den Kunden in Konflikt geraten kann.487 Durch die Heranziehung eines neutralen Referenzpreises, wie z. B. des Börsenpreises, kann diese Gefahr zwar verringert werden, ganz ausschließen lässt sie sich aber nicht. Denn der Anleger trägt weiterhin das Kontrollrisiko dahingehend, dass der Internalisierer den Vergleichszeitpunkt für die Preisbildung an der Referenzbörse vertragsgerecht gewählt und den Referenzpreis richtig ermittelt hat.488 Hinzu kommt, dass es noch bessere Abschlussmöglichkeiten als den vom Systembetreiber gewählten Referenzpreis geben kann, die dann jedoch unberücksichtigt bleiben. Darüber hinaus ist insbesondere in den USA das Phänomen der Bezahlung für Orders an Intermediäre durch die Betreiber als mögliches Risiko für die Anleger diskutiert worden.489 Durch solche Verhaltensweisen der
486 BSK, Empfehlungen, S. 9; Balzer, ZBB 2003, 177 (181); ders., Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (101); Cohn, ZBB 2002,365(371). 487 Balzer, ZBB 2003, 177 (183); Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497 (1506f.); Wymeersch, Revision of the ISD, Working Paper, S. 7. Für eine Untersuchung des Internalisierungssystems PIP der Deutschen Bank auf seine Anfälligkeit für Interessenkonflikte siehe Schlüter, Internalisierungssysteme, S. lOff. Zu weiteren möglichen Risiken der Internalisierung Euronexl, Internalisation, S. 12ff. 488 Schlüter, Internalisierungssysteme, S. 12. Auch wenn der Anleger in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Internalisierers darüber pflichtgemäß aufgeklärt wird, sind seine Überprüfungsmöglichkeiten doch gering. 489 In Securities Exchange Act Rule lOb-10 (d) (9), 17 CFR 240.10b-10 (d) (9), wird „payment for order flow" wie folgt definiert: „any monetary payment, service, property, or other benefit that results in remuneration, compensation, or consideration to a broker or dealer from any broker or dealer, national securities exchange, registered securities association, or exchange member in return for the routing of customer orders by such broker or dealer ... including but not limited to: research, clearance, custody, products or services; reciprocal agreements for the provision of order flow; adjustment of a broker or dealer's unfavorable trading errors; offers to participate as underwriter in public offerings; stock loans or shared interest accrued thereon; discounts, rebates, or any other reductions of or credits against any fee to, or expense or other financial obligation of, the broker or dealer routing a customer order that exceeds that fee, expense, or financial obligation." Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10582f. (Feb. 28, 2000); außerdem Becker/Ang-
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Systembetreiber erhöht sich die Gefahr, dass Intermediäre in einen Interessenkonflikt geraten und dabei die eigenen Interessen über diejenigen ihrer Kunden stellen.490 Denn sie geraten in Versuchung, Orders - unter Umständen durch entsprechend „erwirkte" Weisungen der Kunden - zu Marktplätzen zu leiten, die sie im eigenen Interesse bevorzugen.491 So könnte die Bezahlung der Intermediäre z. B. über die Stellung schlechterer Preise für die Anleger finanziert werden, was zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Anleger führen würde.492 Außerdem würden den Anlegern bessere Abschlussbedingungen auf anderen Marktplätzen vorenthalten werden.493 Der Wettbewerb der Handelssysteme würde dann nicht mehr die entscheidende Rolle für die Wahl des Ausführungsortes spielen.494 Vielmehr wäre der ökonomische Anreiz der Bezahlung für die Wahl des Intermediärs entscheidend. Bei einem funktionierenden Wettbewerb zwischen den Intermediären dürfte die Gefahr einer Benachteiligung der Anleger allerdings gering sein. Denn im Rahmen des Wettbewerbs wäre es für die Intermediäre vorteilhaft, die ihnen zugeflossenen Vorteile an ihre Kunden weiterzugeben, um sich im Wettbewerb mit den anderen Intermediären besser zu positionieren.495 Eine
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493 494
495
Stadt, Market 2000, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 187 (l94f.). Für mögliche Gründe, warum es zu einer solchen Bezahlung kommt, siehe Harris, Consolidation, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 269 (288 f.). Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 430; vgl. auch MendelsonIPeake, 19 Iowa J. Corp. L. 443,462(1994). MendelsonIPeake, 19 Iowa J. Corp. L. 443, 460 (1994). Vgl. Harris, Consolidation, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 269 (288). Eine andere Möglichkeit ist, dass die zahlenden Unternehmen in der Lage sind, leichter als andere zwischen informierten und uninformierten Anlegern zu unterscheiden und auf diese Weise nur mit uninformierten Anleger handeln können („cream-skimming"). Vgl. Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 427; Harris, Consolidation, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 269 (288 f.). Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 429. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10582 (Feb. 28, 2000). Zu weiteren negativen Auswirkungen, wie z. B. auf das Quotierungsverhalten von Market Makern, die Orders „ankaufen" siehe Wahrenburg, BIS Papers No 7, S. 53 ff. Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 782 (1999); Lehn, Market, in Schwartz, Global Equity Market, S. 206 (216); Brown-HruskalEllig, Public Interest Comment, V B. Harris, Consolidation, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 269 (289) sieht die zahlenden Unternehmen sogar als Unteragenten der Anleger, die in deren Interesse die Broker, also die direkten Agenten der Anleger, beeinflussen, um eine möglichst effiziente Orderausführung zu gewährleisten. Durch die Zahlungen würde der Markt der Broker von einem Markt mit einem unkontrollierbaren
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
Weitergabe der Vorteile an die Anleger ist aber nur dann wahrscheinlich, wenn eine solche gesetzlich angeordnet wird oder Anleger darüber informiert werden müssen, dass der Intermediär Bezahlungen entgegennimmt. Sofern die Anleger entsprechend informiert sind, entsteht ein gewisser Druck auf die Intermediäre, die erhaltene Bezahlung weiterzugeben, um ihre Kunden nicht an andere Intermediäre zu verlieren. Da eine bloße Informationspflicht den weitaus geringeren Eingriff in das Marktgeschehen darstellt und bei einem funktionierenden Wettbewerb zu dem gleichen Ergebnis wie eine gesetzliche Verpflichtung zur Weitergabe der erhaltenen Bezahlung führen dürfte, sollte lediglich eine Informationspflicht eingeführt werden.496 Um die Erfüllung dieser Informationspflicht durch die Intermediäre sicherzustellen, sollte sie allerdings sanktionsbewehrt sein. c) Gründe für eine Regulierung In Bezug auf die Entscheidung über den Ausführungsort und das anschließende Orderrouting besteht ein Bedürfnis nach einer Regelung dann, wenn Intermediäre selbst ein Handelssystem betreiben. Hier erscheint es notwendig sicherzustellen, dass sich Interessenkonflikte der Intermediäre für die Anleger nicht nachteilig auswirken. Dagegen erscheint es nicht notwendig, den Betreibern vorzuschreiben, dass sie den Anlegern Zugang zu ihren Systemen gewähren müssen. Dafür besteht schon aufgrund des Netzwerkeffektes von Handelssystemen ein erhebliches Eigeninteresse der Betreiber. Leistungsziel (der Erzielung des besten Preises) zu einem Markt mit einem kontrollierbaren Leistungsziel (schnelle Ausführung zu niedrigen Transaktionskosten) transformiert. Während sich ein „bester" Preis kaum feststellen lasse, könnten Kommission und Ausführungsgeschwindigkeit relativ leicht mit denen anderer Broker verglichen werden. Allerdings sieht Harris, Consolidation, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 269 (290) die Gefahr externer Effekte, wenn die Preisspannen im Hauptmarkt vergrößert werden, weil Orders mit relativ geringerem Risiko abgezogen werden und dadurch das Gesamtrisiko im Hauptmarkt steigt, was wiederum Auswirkungen auf die Satellitenmärkte hat. Ebenso Coffee, Commenting on Mclnish/Wood, Competition, in Lo, Industrial Organization, S. 78 (82). Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 782 (1999) sieht in der Bezahlung für Orders eine Möglichkeit, Broker zu motivieren, zwischen informierten und uniformierten Anlegern zu unterscheiden. Das Ziel, jedem Anleger den bestmöglichen Preis zu gewähren, liefe in Wahrheit darauf hinaus, informierten Anlegern den für sie bestmöglichen Preis auf Kosten der Öffentlichkeit zu gewähren. 496 Diese sehr gemäßigte Form der Regulierung hat auch die SEC zur Regulierung der Bezahlung für Orders gewählt. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-43950 (Nov. 17, 2000), 65 FR 75414 (Dec. l, 2000).
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Die Notwendigkeit für eine gesetzliche Beschränkung des Zugangs zu ATSs erscheint ebenfalls zweifelhaft. Zum einen haben ATSs zumindest momentan noch nicht dieselbe volkswirtschaftliche Bedeutung wie Börsen. Zum ändern haben die Betreiber auch ein erhebliches Eigeninteresse, das Kontrahentenrisiko in ihrem System zu beschränken, um Handelsteilnehmer nicht abzuschrecken. Außerdem können funktionale Unterschiede zu den Börsen bestehen, wie z. B. das Vorhandensein einer zentralen Gegenpartei, so dass die Situation an den Börsen - wie sie zumindest im Börsengesetz geregelt ist - nicht auf ATSs übertragen werden kann und es den Betreibern insofern freigestellt werden sollte, wie sie das Kontrahentenrisiko beschränken. 3. Die Risiken in der Matchingphase Bei der Zusammenführung von Orders in der Matchingphase bestehen vor allem für preisfeststellende Systeme gewisse Risiken. Da preisimportierende Systeme selbst keine Preise feststellen, sind sie von den diesbezüglichen Gefahren nur mittelbar über den Preisimport betroffen. Als den Handelssystemen inhärente Risiken kommen solche in Betracht, die sich aus dem jeweiligen Preisfeststellungsmechanismus ergeben. Daneben sind die Auswirkungen der Marktfragmentierung auf mögliche Risiken zu untersuchen. Vor allem in Bezug auf die Preisfeststellung besteht schließlich die Gefahr von Kursmanipulationen und Marktmissbrauch. a) Preisfeststellungsverfahren Strukturelle Defizite beim Preisfeststellungsverfahren können zu hohen Transaktionskosten und zu einer unvollkommenen Preisermittlung führen.497 Denn die Struktur des Handelssystems bestimmt letztlich auch, wie effizient die Informationsverarbeitung, d. h. die Umsetzung von Informationen in höhere oder niedrigere Kurse, ist.498 Defizite bei der Preisfeststellung können daher zu negativen externen Effekten führen. Sie haben nicht nur Auswirkungen auf die jeweils handelnden Parteien sondern auch auf alle anderen Marktteilnehmer, die sich an den Preisen orientieren.
497 Schwanz, Competition, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 383 (392). 498 Schwartz, Competition, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 383 (392).
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I.Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
i) Auktionsmärkte und Market-Maker-Systeme Wie bereits dargestellt lassen sich preisfeststellende Systeme grob in ordergetriebene Handelssysteme und quotegetriebene oder Market-MakerSysteme unterteilen.499 Ein besonderer Vorteil von ordergetriebenen Systemen ist, dass die Anleger kollektiv Liquidität schaffen und nicht den Spread der Market Maker zahlen müssen, weil sie (direkt) miteinander handeln.500 Die Orders der Anleger sind allen Anlegern zugänglich - beim periodischen Handel gilt dies allerdings nur, soweit eine offene Auktion erfolgt (also nicht bei einer so genannten sealed bid/ask auction). Die Anleger haben bei Auktionssystemen also die Möglichkeit, sich an den vorliegenden Orders zu orientieren und diese zu unter- bzw. zu überbieten.501 Diese relativ hohe Transparenz auf Auktionsmärkten verringert zugleich das Risiko für die Handelsteilnehmer, weil Transaktionen von informierten Anlegern leichter bekannt werden. Bei Market-Maker-Systemen, in denen der Orderfluss in der Regel nicht zentralisiert ist, kennt nur der jeweilige Market Maker die Orders der Anleger. Market-Maker-Systeme sind somit in der Regel weniger transparent als Auktionsmärkte.502 Es besteht daher die Gefahr, dass Orders von Anlegern nicht mit der gleichen Priorität ausgeführt werden wie auf Auktionsmärkten. Darüber hinaus haben auf Auktionsmärkten tätige Intermediäre, die für Rechnung ihrer Kunden handeln, eher ein Interesse, ihren Kunden einen günstigen Abschluss zu vermitteln, als Market Maker, die auf eigene Rechnung handeln und als unmittelbare Gegenpartei bei der Transaktion mitwirken.503 Diese Risiken sind allerdings vergleichsweise gering, weil es für Market Maker relativ leicht ist, den Handel in Wertpapieren anzubieten und 499 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (211); Schwanz, Better Stock Market, S. 1; zu Mischformen aus beiden Systemen siehe Peiseler, Börsencomputer-Systeme, S. 89 f. Für einen Vergleich dieser Preisfeststellungsverfahren ViswanathanlWang, 5 J. Fin. Markets 127 ff. (2002); Theissen, 3 J. Fin. Markets 333 ff. (2000); Madhavan, 47 J. Fin. 607ff. (1992). Vgl. dazu auch oben 1. Teil: 1. Kapitel: II. Bilaterale Systeme lassen sich funktional mit Market-Maker-Systemen vergleichen, bei denen lediglich ein einziger Market Maker handelt. 500 Shapiro, Auction Market Trading, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 429 (431); Theissen, Market Structure, S. 1. 501 Auf Auktionsmärkten kommt es häufiger als bei Market-Maker-Systemen zu Abschlüssen innerhalb des Spreads. Vgl. Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1565 (1992). 502 Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 408f.; PaganolRöell, 51 J. Fin. 579, 580 (1996). 503 Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1564(1992).
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der dadurch mögliche Wettbewerb die Gefahr von benachteiligendem Verhalten senkt.504 Damit trägt ein funktionierender Wettbewerb der Market Maker auch dazu bei, dass die Transaktionskosten für die Anleger relativ niedrig gehalten werden.505 ii) Kein Regulierungsbedarf Beim Vergleich beider Marktstrukturen deuten wirtschaftswissenschaftliche Studien darauf hin, dass die Transaktionskosten in Market-Maker-Systemen insgesamt höher sind als auf Auktionsmärkten.506 Dieser Befund ist allerdings nicht auf ein wie auch immer geartetes Marktversagen zurückzuführen.507 Vielmehr lassen sich die höheren Transaktionskosten bei der Nutzung von Market-Maker-Systemen damit erklären, dass diese spezifische Dienstleistungen anbieten, für die die etwas höheren Transaktionskosten eine Entlohnung darstellen.508 Diese Dienstleistungen bestehen darin, dass sie mit ihren Kursofferten den Marktteilnehmern Liquidität zur Verfügung stellen, womit sie die jederzeitige Möglichkeit zum Handeln gewährleisten.509 Aus diesem Grund sind Market-Maker-Systeme besonders für illiquide Werte interessant, für die es relativ wenige Käufer und Verkäufer gibt.510 Anleger können auch dann handeln, wenn es keine Anleger für die Gegenseite gibt.511 Denn eine Seite ist immer durch einen Market Maker abgedeckt. Um einen Handel zu gewährleisten, benötigen Market Maker daher
504 Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 409; Wahal. 10 Rev. Fin. Stud. 871, 872 (1997). 505 Die Notwendigkeit eines funktionierenden Wettbewerbs für die Verhinderung von zu hohen Kosten zeigt die Situation an der NASDAQ in den 1990er Jahren, als Preisabsprachen der Market Maker die Geld/Brief-Spanne künstlich hoch hielten. Siehe dazu oben 1. Teil: 1. Kapitel: III. 1. 506 Vgl. Christie/Huang, 3 J. Fin. Intermediation 300, 315fT. und 323 (1994); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 116. Zur diesbezüglichen Überlegenheit des Auktionsverfahrens siehe auch Madhavan, 47 J. Fin. 607, 627 (1992); PaganolRöell, 51 J. Fin. 579, 598(1996). 507 So auch Spindler, WM 2002, 1325 (1329), der eine diesbezügliche Regulierung für kontraproduktiv hält. 508 Vgl. dazu Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 114. 509 Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 21 f.; Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 114; Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1554 Fn. 13 (1992). 510 Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 350 (2002); Shapiro, Auction Market Trading, in Lehn/Kamphuis, U.S. Securities Regulation, S. 429 (431); Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1565(1992). 511 Schwark, WM 1997, 293 (303); Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1565 (1992).
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
weniger Marktteilnehmer als Auktionssysteme.512 Der Market Maker übernimmt damit zugleich eine Stabilisierungsfunktion.513 Darüber hinaus bietet die Stellung verbindlicher Kursofferten besonders für risikoaverse Anleger Vorteile,514 weil zufällige Preisveränderungen zwischen Aufgabe und Ausführung der Order, wie sie auf Auktionsmärkten vorkommen, wegen der Verbindlichkeit der Kursofferten ausgeschlossen sind.515 Da die verschiedenen Marktstrukturen somit unterschiedliche Bedürfnisse bedienen, lässt sich nicht sagen, dass eine besser ist als die andere. Solange die Handelssysteme mit ihren unterschiedlichen Strukturen im Wettbewerb zueinander stehen und die Anleger zwischen ihnen wählen können, besteht keine Notwendigkeit, ein bestimmtes Preisfeststellungsverfahren rechtlich vorzuschreiben.516 Eine rechtliche Festlegung auf ein bestimmtes Verfahren, die es den Betreibern von Handelssystemen unmöglich machen würde, andere Preisfeststellungssysteme zu betreiben, hätte letztlich vor allem negative Auswirkungen für die Anleger. Denn sie würde die Entwicklung neuer Verfahren mit neuen Technologien, die noch bessere Leistungen für die Anleger erbringen könnten, verhindern. b) Fragmentierung und die Folgen für die Preisfeststellung Aufgrund der Fragmentierung des Marktes besteht bei der Preisfeststellung die Gefahr externer Effekte, wenn die von preisfeststellenden Systemen ermittelten Preise oder die Kursofferten der Market Maker ihrer Rolle als Informationsträger nicht mehr gerecht werden oder eine Umgehung der Handelsreihenfolge möglich wird.
512 513 514 515
Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1565 (1992). Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 114. Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1565 (1992). Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 114. In diesem Fall dient der Bid/AskSpread als Prämie für die Sicherheit, die der Market Maker dem risikoaversen Anleger für die Ausführung von dessen Order verschafft, indem er das Risiko der Änderung des Marktpreises auf sich nimmt. Vgl. Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1565 (1992); Theissen, Market Structure, 1998, S. 1. 516 So auch RudolphlRöhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (214); Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1573 (1992); Spinaler, WM 2002, 1325 (1329).
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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i) Gefahr eines Informationsdefizits der Referenzpreise Da eine Fragmentierung des Marktes dazu führt, dass nicht alle Orders an den preisbestimmenden Marktplatz fließen,517 gehen Informationen hinsichtlich ihres Volumens, ihrer Abfolge, des Gesamtvolumens etc. dem (öffentlichen) Markt verloren. Liquidität wird vom Hauptmarkt abgezogen, weshalb es dort zu größeren Preisausschlägen kommen kann.518 Die Verringerung der Liquidität am Hauptmarkt aufgrund einer zunehmenden Fragmentierung des Gesamtmarktes kann daher dazu führen, dass die Referenzpreise, die auf preisfeststellenden Marktplätzen festgestellt werden, letztlich nur noch auf einem geringen Prozentsatz aller insgesamt aufgegebenen Orders beruhen. Dadurch würde die Informationseffizienz sinken und letztlich die Eigenschaft dieser Preise als Referenzpreise in Zweifel gezogen werden.519 Verschiedene wirtschaftswissenschaftliche Studien520 sind allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass selbst bei fragmentierten Märkten die Preisfeststellung primär am Hauptmarkt - dies ist in der Regel die Börse - durchgeführt wird und hier wiederum im Marktsegment mittelgroßer Orders. Da vor allem kleine und besonders große Orders aufgrund von Transaktionskostenvorteilen auf andere Systeme ausweichen,521 handelt es sich also gerade um diejenigen Orders, die nicht an andere Marktplätze abfließen. Dieser Befund entspricht der so genannten stealth-trading-Hypothese.522 Diese besagt, dass Insider ihren Wissensvorsprung durch mittelgroße Orders umsetzen. Die Ausführung vieler kleinerer Orders würde höhere Transaktionskosten mit sich bringen und die antizipierte Kursbewegung könnte bei einer zeitlichen Zerstückelung in kleine Aufträge durch anderweitige Einflüsse konterkariert werden, wodurch sich kaum noch Handelsgewinne reali-
517 Vgl. hierzu PicotlBortenlänger lRöhrl, Börsen, S. 136 ff. 518 Wymeersch, Revision of the ISD, Working Paper, S. 7; Vgl. dazu und zu den damit verbundenen Folgen Euronext, Internalisation, S. 13. 519 Vgl. Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 25 (1999); Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 125 f.; Liersch, WM 2003, 473 (475); Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497 (1506); Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (99); so wohl auch Spindler, WM 2002, 1325 (1328). Vgl. auch Balzer, ZBB 2003, 177 (181). Damit sinkt entsprechend auch die Qualität der Orderausführung über Systeme, die diese Preise importieren. 520 Barclay/Warner, 34 J. Fin. Econ. 281, 304 (1993); Cornell/Sirri, 47 J. Fin. 1031, 1051 (1992); Hasbrouck, 50 J. Fin. 1175, 1196 (1995). 521 Shapiro, U.S. Equity Markets, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 19 (21 f.). 522 Vgl. dazu Barclay/Warner, 34 J. Fin. Econ. 281, 285f. (1993).
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
sieren ließen.523 Sehr große Orders sind dagegen zu indiskret und für die meisten Insider außerdem zu kapitalintensiv.524 Die Informationen, die dem Gesamtmarkt aufgrund der Marktfragmentierung verloren gehen, sind also von eher geringerer Bedeutung für den Informationsgehalt der Preise. Darüber hinaus haben wirtschaftswissenschaftliche Studien gezeigt, dass Wertpapiermärkte, auf denen Finanzinstrumente parallel gehandelt werden, wie ein einziger Markt operieren.525 Diese Konsolidierung der Marktplätze wird durch die fortschreitende technologische Entwicklung noch gefördert, die eine Preisanpassung und den Austausch von Informationen in immer kürzeren Intervallen ermöglicht.526 Die Gefahr, dass Referenzpreise ihre Eigenschaft als Referenzpreise verlieren, ist demnach als relativ gering einzustufen.527 ii) Gefahr zu langsamer Preisanpassung Auch die Gefahr, dass die Preisanpassung in einem fragmentierten Markt langsamer vonstatten geht als im Rahmen eines einzigen Marktes, ist als gering einzustufen. Die Konsolidierung der verschiedenen Marktplätze führt dazu, dass statistisch signifikante Preisunterschiede nicht über längere Zeiträume bestehen bleiben.528 Hierfür ist die Veröffentlichung von Informa523 Barclay/Warner, 34 J. Fin. Econ. 281, 284 (1993); Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 139. 524 Barclay l Warner, 34 J. Fin. Econ. 281, 284 (1993); PicotIBortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 139. 525 Vgl. MclnishlWood, Consolidation, in Lo, Industrial Organization, S. 63 (85); Harris/McInishiShoesmithl Wood, 30 J. Fin. & Quant. Anal. 563 ff. (1995); Hasbrouck, 50 J. Fin. 1175 (1995); Garbade l Silber, 61 Rev. Econ. & Stat. 455 (1979). Siehe auch Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 793 (1999). 526 Nach Garbadel Silber, 61 Rev. Econ. & Stat. 455 (1979) erreichen Märkte mit geringer werdenden Kosten für die Kommunikation immer mehr den Zustand perfekter Integration. Vgl. dazu auch Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 126; Schuster!'Rudolph, Börsenlandschaft, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 371 (375). 527 Auch die SEC hat in ihrem Market 2000 Report Nachteile aufgrund von Marktfragmentierung mehr als mögliches denn als bereits existierendes Problem diskutiert. Vgl. auch Lehn, Market, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 206 (209). Voraussetzung ist jedoch, dass ein gewisses Maß an Transparenz gewährleistet wird, um eine entsprechende InformationsefTizienz zu gewährleisten. 528 Zum Teil wird in der ökonomischen Literatur sogar davon ausgegangen, dass die Märkte voll integriert sind. Vgl. dazu Fn. 525; außerdem Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 778 (1999). Informationen, die in Transaktionen auf dem einen Marktplatz enthalten sind, werden relativ schnell auf den anderen Marktplätzen
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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tionen durch die Handelssysteme verantwortlich, die es den Marktteilnehmern ermöglicht, sich an den Preisen anderer Handelssysteme zu orientieren, sowie die Transaktionen von Arbitrageuren.529 Diese Konsolidierung der Marktplätze wird durch die fortschreitende technologische Entwicklung noch gefördert. Selbst wenn die Preisanpassung aufgrund der Marktfragmentierung gegenwärtig ein paar zusätzliche Sekunden benötigen sollte, ist es schwerlich vorstellbar, dass dies einen nennenswerten Einfluss auf langfristige Kapitalformationen und die Gesamtwirtschaft haben sollte.530 iii) Preisdiskriminierung
Eine Marktfragmentierung ermöglicht es Market Makern, auf verschiedenen Märkten zur gleichen Zeit verschiedene Preise für das gleiche Wertpapier und für die gleiche Seite der Transaktion zu stellen.531 Ähnlich wie ein Monopolist, der Preisdiskriminierung betreibt, können Market Maker auf diese Weise auf Kosten der Anleger einen größeren Gewinn aus ihren Geschäften ziehen.532 Eine solche Preisdiskriminierung ist jedoch nicht als negativ zu bewerten, wenn es dafür eine kostenmäßige Rechtfertigung gibt.533 Diese ergibt sich hier aus der unterschiedlichen Marktstruktur. Verschiedene Handelssysteme sind unterschiedlich strukturiert, d.h. sie haben unterschiedliche Regeln und Teilnehmer.534 Während das eine System groß
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reflektiert, so dass parallele Marktplätze wie ein Markt operieren. Vgl. Garbadel Silber, 61 Rev. Econ. & Stat. 455 (1979); McMshlWood, Competition, in Lo, Industrial Organization, S. 63; Arshanapalli/Doukas, 17 J. Bank. & Fin. 193, 206f. (1993). Siehe auch Nyquisl, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 307 (1995); Seitz, AG 2004, 497 (503). Gerke/Hamann, ZfgKrW 1991, 560 (565); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 307 (1995). Arbitrageure nutzen die Preisunterschiede auf verschiedenen Marktplätzen zu gewinnbringenden Transaktionen und gleichen auf diese Weise unterschiedliche Preise auf verschiedenen Märkten einander an. Vgl. dazu auch Koslowski, Ethik, S. 71 f. Außerdem muss eine schnellere Preisanpassung nicht notwendig besser sein. So führt sie regelmäßig zu einer höheren Volatilität und damit zu einer Erschwerung der Absicherung. Siehe auch O'Hara, Market Microstructure, S. 270f. mit weiteren Argumenten. Kritisch zum Argument einer zu langsamen Preisanpassung auch Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 777 f. (1999). SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30492 (Jun. 4, 1997). Zur Preisdiskriminierung Mansfield, Microeconomics, S. 301 ff. Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 783 (1999). Harris, Consolidation, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 269 (274f.). Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 780 (1999).
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
und anonym ist, ist ein anderes relativ klein und die dort Handelnden sind einander bekannt. Vergleicht man die Kosten, die beim Handel über diese Systeme entstehen, so sind diese im ersten System regelmäßig höher.535 Der Grund dafür ist, dass sich in einem solchen System informierte Anleger leichter verstecken können. Daher werden dort die Preisspannen weiter gestellt. Auf dem zweiten Markt kennen sich die Teilnehmer, die Risiken sind daher entsprechend geringer. Entsprechend kleiner sind die Preisspannen. Darüber hinaus stehen Market Maker im Unterschied zu Monopolisten im Wettbewerb mit anderen Market Makern, so dass die Gefahr einer übermäßigen Preisdiskriminierung gering ist.536 iv) Quotierungsverhalten - Auswirkungen der Fragmentierung auf preisfeststellende Systeme Externe Effekte aufgrund der Fragmentierung der Liquidität können auch in Bezug auf die Quotierungen in Market-Maker-Systemen entstehen. Quotierungen werden vor allem durch Geschäftsabwicklungs-, Insider- und Inventarkosten beeinflusst.537 Der Wettbewerb der Handelssysteme führt zu einer Senkung der Geschäftsabwicklungskosten, da sie ihre Leistungen im Wettbewerb mit anderen Systemen anbieten müssen und damit günstigere Dienstleistungen anbieten werden.538 Dagegen steigen die Insiderkosten. Denn Privatanleger und Blockhandel betreibende Investoren werden als erste vom Hauptmarkt abwandern. Erstere gehen dem Hauptmarkt vor allem aufgrund der Internalisierung verloren.539 Da Privatanleger in der Regel in geringerem Umfang über neue Informationen verfügen, sind ihre Aufträge mit niedrigeren Informationsrisikokosten behaftet als andere Aufträge. Der Blockhandel, der zumeist aus anderen Gründen als der Ausnutzung neuer Informationen durchgeführt wird, sucht nach eher intransparenten Handelssystemen, um einen Market Impact zu vermeiden. Hierfür bieten sich insbesondere preisimportierende Systeme an. Durch diese Entwicklung sind prozentual mehr informierte 535 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 780 (1999). Vgl. dazu auch die Studie von Grammig/ SchiereckITheissen, 4 J. Fin. Markets 385 ff. (2001). 536 Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 409; Wahal, 10 Rev. Fin. Stud. 871, 872 (1997). 537 Picotl'BortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 138; Röhrl, Börsenwettbewerb, S. 43. 538 Picotl'Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 138; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (212f.); Hamilton, 34 J. Fin. 171 (1979); allgemein Schmidt, Regionalbörsen, in Hummel/Breuer, Hdb. Europäischer Kapitalmarkt, S. 397 (401). 539 Vgl. dazu oben 1. Teil: 1. Kapitel: I.
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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Marktteilnehmer am preisfeststellenden Markt vertreten.540 Entsprechend steigt die Wahrscheinlichkeit auf einen Insider zu treffen und steigen damit die Informationsrisikokosten. Um diese Gefahr zu verringern, werden Market Maker ihre Preisspannen ausweiten und nachverhandeln.541 Auch die Inventarkosten, also die Kosten für das Halten von Handelsbeständen,542 steigen. Denn wegen des Abwanderns der Orders von Privatanlegern und des Blockhandels sinkt die Transaktionsfrequenz.543 Aus diesem Grund benötigen die Market Maker nach einer Transaktion eine längere Zeit, bis sie ihre Inventare wieder optimal diversifiziert haben. Auch diese Verzögerung trägt zu einer Spannenweitung bei.544 Demgegenüber führt der Wettbewerb der preisstellenden Market Maker zu einer Verringerung der Preisspannen.545 Zwar lässt sich hier ein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich des Überwiegens des einen oder anderen Einflusses unter Berücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher Studien nicht mit letzter Sicherheit nachweisen,546 die Fragmentierung des Marktes scheint
540 Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 139. Vgl. dazu auch oben 1. Teil: 3. Kapitel: II. 3. b. i. 541 Vgl. KöndgenITheissen, WM 2003, 1497 (1506). 542 Vgl. zu deren Zusammensetzung Röhrt, Börsenwettbewerb, S. 43ff. 543 Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 139. 544 Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 139 f. 545 Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 140. 546 Siehe TinicIWest, l J. Fin. & Quant. Anal. 1707ff. (1972); Hamilton, 34 J. Fin. 171 ff. (1979). Branch/Freed, 32 J. Fin. 159ff. (1977). Branch und Freed haben für die NYSE den Zersplitterungseffekt und den Wettbewerbseffekt empirisch untersucht. Sie können beide Effekte nachweisen und prüfen deshalb, ob der Wettbewerbseffekt so stark ist, dass er den Zersplitterungseffekt auf den von den Händlern gestellten Bid/Ask-Spread mehr als ausgleicht. Würde man die Umsätze in den Werten der NYSE, die auch an Konkurrenzmärkten gehandelt werden, an der NYSE konzentrieren, dann ergäbe sich - so die Untersuchung von Branch und Freed - bei alleiniger Betrachtung des Zersplitterungseffekts ein um 0,6 Prozentpunkte geringerer Spread. Mit der Konzentrierung fiele aber gleichzeitig der Wettbewerbseffekt weg. Dies wiederum würde die Spanne um ein Mehrfaches erweitern. Dieser Untersuchung zufolge ist daher der Wettbewerbseffekt weitaus größer als der Zersplitterungseffekt. Hamilton untersuchte ebenfalls diese Effekte auf die Spannen an der NYSE. Seine Untersuchung differenziert stärker und versucht, Fehlerquellen auszuschalten, die das zu eindeutig erscheinende Ergebnis von Branch und Freed herbeigeführt haben könnten. Bei seiner Untersuchung fällt der Wettbewerbseffekt zwar nicht so stark ins Gewicht, aber er ist immer noch deutlich größer als der Zersplitterungseffekt. Für eine kritische Würdigung dieser Studien Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 141.
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l.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
aber eher zu einer Verringerung der Preisspanne zu führen als zu einer Ausweitung.547 v) Quotierungsverhalten - Auswirkungen der Fragmentierung auf preisimportierende Systeme Wie oben bereits angesprochen548 kann der Import von Kursofferten und die Einführung von so genannten „auto-quotes", die sich automatisch an Veränderungen der Kursofferten des Referenzmarktes anpassen, dazu führen, dass Market Maker des Hauptmarktes entweder nur für geringe Ordergrößen verbindliche Kursofferten anbieten und bei größeren Orders die Quotes nachverhandelt werden müssen549 oder aber die Kursofferten von Anfang an nur „auf Verhandlungsbasis" angeboten werden. Damit sind die zunächst quotierten Preisspannen regelmäßig weiter als die Preisspannen, zu denen später tatsächlich gehandelt wird.550 Übernehmen preisimportierende Marktplätze die quotierten Preisspannen, kommt es dort zu inferioren Kursabschlüssen. Denn auf preisimportierenden Systemen wird nicht nachverhandelt. Dies kann jedoch nicht als Marktversagen gewertet werden. Denn die Betreiber preisimportierender Systeme haben sich freiwillig in diese Abhängigkeit begeben, indem sie ein solches Marktmodell gewählt haben. Den aufgrund des Preisimports gewonnenen Vorteil, niedrigere Geschäftsabwicklungskosten anbieten zu können, erkaufen sie durch größere Preisspannen. 547 PicotIBortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 142. Vgl. auch Hagerty/MC Donald, Brokerage, in Lo, Industrial Organization, S. 35 ff. (insb. 50). 548 I.Teil: 3. Kapitel: II. I.e. iv. 549 Zum einen dient dies der Verlustbegrenzung gegenüber besser informierten Marktteilnehmern. In den Verhandlungen können Market Maker versuchen, die Transaktionsmotive ihres jeweiligen Gegenübers herauszufinden. Zum anderen besteht insbesondere bei volatilen Finanzinstrumenten die Gefahr, dass sich die Kurse schneller ändern als die Market Maker ihre Quotes nachjustieren können und schnellere Marktteilnehmer dies ausnutzen. Vgl. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (263). 550 So konnte gezeigt werden, dass die Quotierungen der NYSE, die über das marktübergreifende Quotierungssystem CQS publiziert werden - dazu unten 2. Teil: 1. Kapitel: I. 2. -, weiter gestellt sind als die tatsächlichen Abschlüsse der Transaktionen, die über das Handelsberichterstattungssystem CTS publiziert werden. Die durchschnittlich quotierte Spanne zwischen dem bestem Geld- und Briefkurs betrug 17,7 Cents, während die durchschnittliche effektive Spanne 13,5 Cents und damit nur 76,2% der quotierten Marktspanne betrug. Vgl. Picotl Bortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 132; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in Hopt/ Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 143 (262).
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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vi) Umgehen der Prioritätsregeln bei der Ausführung Weiterhin hat die Fragmentierung der Liquidität Auswirkung auf die Einhaltung der Prioritätsregeln und kann somit zu externen Effekten führen. In einem zentralisierten (preisfeststellenden) Markt kann eine limitierte Order bei Erreichung des Limitkurses von nicht limitierten Orders nicht überholt werden.551 Im Fall der Marktfragmentierung kann es jedoch auf einem anderen Marktplatz zu Abschlüssen kommen, obwohl für den jeweiligen Preis eine Limitorder im Handelssystem vorhanden ist. Die Abschlüsse werden auf einem fragmentierten Markt also nicht in jedem Fall nach der Reihenfolge der Ordereinstellung abgearbeitet.552 Dadurch sinkt der Anreiz, Limitorders im preisfeststellenden Markt zu platzieren.553 Denn die Anleger, die Limitorders aufgeben, geben den anderen Marktteilnehmern nicht nur die Möglichkeit, sofort gegen ihre Orders zu handeln (free-trade option), es besteht nun auch noch die Gefahr, dass sie übergangen werden. Da Limitorders immer auch Liquidität für den Markt bedeuten, wirkt sich die Umgehung der Reihenfolge somit letztlich negativ auf die Liquidität eines Marktes aus.554 Dadurch wiederum steigt der Bid/Ask-Spread im preisfeststellenden Markt und über den Import der Kurse schließlich auch in den preisimportierenden Märkten.555 vii) Gründe für eine Regulierung Die Auswirkungen der Marktfragmentierung im Rahmen der Matchingphase sprechen nicht gegen die Möglichkeit eines Wettbewerbs der Handelssysteme. Gegenwärtig ist weder eine fehlende noch eine zu langsame Anpas551 Hasbrouck, Trade, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 218 (224); Picotl Bortenlänger/Röhrl, Börsen, S. 136; vgl. auch Schmidt, Kredit und Kapital 25 (1992), 110(120f.). 552 BeckerlAngstadt, Market 2000, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 187 (l95f.); Harris, Consolidation, in Schwarz, Global Equities Markets, 269 (270); Hasbrouck, Trade, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 218 (224); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 285 (1995); PicotlBortenlängerlRöhrl, Börsen, S. 136. Insbesondere kann es bei der Existenz verschiedener Marktplätze auch unterschiedliche Prioritätsregeln geben (z. B. nach der Größe oder dem Vorhandensein gegengleicher Orders mit dem gleichen Ausführungspreis). Vgl. Harris, Consolidation, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 269 (292f.). 553 Picotl Bortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 136; Harris, Consolidation, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 269 (294); vgl. auch Schmidt, Kredit und Kapital 25 (1992), 110(120f). 554 Picotl Bortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 136. 555 Picotl Bortenlängerl Röhrl, Börsen, S. 136.
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I.Teil: AußerbörslicheWertpapierhandelssysteme
sung der Preise zu befürchten. Dies beruht vor allem darauf, dass die Marktteilnehmer für eine schnelle Anpassung sorgen, da sie unterschiedliche Preise erkennen und daraufhin entsprechend handeln können. Eine mögliche Preisdiskriminierung durch Marktintermediäre durch Stellung unterschiedlicher Preise auf verschiedenen Märkten stellt kein besonderes Risiko dar. Zum einen gibt es dafür in der Regel ökonomische Gründe, weil das Handelsrisiko auf dem einen System höher sein kann als auf einem anderen. Zum anderen dürfte der Wettbewerb zwischen den Market Makern allzu große Preisunterschiede verhindern. Das Nachverhandeln von Quotes stellt eine Antwort der preisstellenden Market Maker auf „free riding"-Verhalten von Quotes importierenden Systemen dar. Da Quotes auf den Wert eines Finanzinstrumentes, und damit für die Informationseffizienz, weniger Auswirkungen haben als tatsächlich zustande gekommene Transaktionen,556 fallen etwas größer gewählte Preisspannen für die Preisermittlung und damit für die Informationseffizienz des Marktes kaum ins Gewicht. Dass durch die weite Spannenstellung Quotes importierende Systeme negativ betroffen sind, weil sie inferiore Preise bieten, liegt in der Natur dieser Systeme und stellt die Kehrseite der günstigeren Handelsmöglichkeit dar.557 Hinsichtlich der Preisfeststellung auf dem Gesamtmarkt ergeben sich insofern keine negativen Auswirkungen, weil preisimportierende Systeme gerade nicht zur Preisermittlung beitragen, die dort zustande gekommenen Abschlüsse also keine Auswirkungen auf andere Systeme haben. Problematisch ist dagegen die Umgehung der Prioritätsregeln, weil dadurch die Gefahr besteht, dass der Anreiz, Liquidität in Form von Quotes oder Limitorders an den Markt zu bringen, verringert wird. Hier ist jedoch zu beachten, dass der Wettbewerb zugleich den gegenteiligen Effekt zunehmender Liquidität aufgrund vermehrter Handelsmöglichkeiten hervorruft und wissenschaftliche Studien ergeben haben, dass insgesamt gesehen der positive Wettbewerbseffekt überwiegen dürfte.558 c) Verhinderung von Marktmissbrauch Eine besondere Gefahr für die Preisfeststellung stellt die Manipulation von Kursen dar. Während des Handels lassen sich aber auch andere Formen des Marktmissbrauchs beobachten, welche die Integrität der betroffenen Han-
556 Bloomßeld/O'Hara, 12 Rev. Fin. Stud. 5, 8 (1999). 557 Insofern ließe sich an eine diesbezügliche Aufklärungspflicht denken. 558 Siehe Fn. 546.
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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delssysteme, aber auch des gesamten Marktes gefährden und zu einem erheblichen Vertrauensverlust bei den Anlegern führen können. Durch die Verlagerung von Börsenfunktionen auf ATSs nimmt die Gefahr von Kursmanipulationen und anderen unlauteren Praktiken zu, weil ATSs Überwachungsmaßnahmen, wie sie die traditionellen Börsen eingerichtet haben, in der Regel nicht vorsehen.559 Da unlautere Praktiken generell und nicht nur im Rahmen des Handels an Börsen abzulehnen sind,560 ist darauf zu achten, dass auch der Handel über ATSs überwacht wird.561 Dies gilt vor allem für multilaterale Handelssysteme, denn bei bilateralen Systemen stellt der Betreiber immer eine Gegenseite, so dass es in seinem eigenen Interesse ist, Manipulationen durch andere zu verhindern. Eine Überwachung muss allerdings nicht unbedingt auf die gleiche Weise und mit derselben Intensität wie bei Börsen geschehen, weil das Handelsgeschehen an einem ATS in der Regel geringere Auswirkungen auf den Gesamtmarkt hat als der Börsenhandel. Da Manipulationen erst bei einer Gesamtschau aller Marktplätze erkennbar werden, eine solche Gesamtschau von einem einzelnen Handelssystem aber kaum geleistet werden kann und die Vorhaltung entsprechender Überwachungseinrichtungen für ein einzelnes Handelssystem sehr kostspielig ist, scheint eine Überwachung durch eine einheitliche staatliche Stelle vorteilhaft.562 Dies sollte ATSs allerdings nicht davon entbinden, einen ordnungsgemäßen Handel in ihrem System zu gewährleisten. Auch wenn sich argumentieren ließe, dass ein ordnungsgemäßer Handel im Interesse des jeweiligen ATSs bzw. seines Betreibers ist und daher eine rechtliche Anordnung nicht unbedingt notwendig erscheint, sollte eine entsprechende Vorschrift dennoch aufgenommen werden. Gerade die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Handelsablaufes ist für die Ziele des Funktions- und Anlegerschutzes von besonderer Bedeutung, so dass sie unter allen Umständen gewährleistet werden muss.
559 Spindler, RIW 2002, 649 (650); vgl. auch Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (100). 560 Daher findet sich das allgemeine Verbot von Kursmanipulationen im WpHG. Vgl. § 20a WpHG. 561 Vgl. dazu IOSCO, Supervisory Framework, S. 4f.; Spindler, WM 2002, 1325 (1329), vgl. auch MaceylKanda, 75 Cornell L. Rev. 1007, 1021 (1990). 562 Spindler, WM 2002, 1325 (1329). Dadurch wird insbesondere auch die Markteintrittsbarriere für neue Systeme gesenkt, weil sie weniger Anlaufkosten tragen müssen.
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1. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
4. Risiken in der Abwicklungsphase Im Rahmen der Abwicklungsphase kann es zu Problemen kommen, wenn die Abwicklung der abgeschlossenen Geschäfte nicht gesichert ist.563 Eine entsprechende rechtliche Vorgabe erscheint jedoch nicht notwendig. Im Wettbewerb um Handelsteilnehmer, die eine gesicherte Abwicklung verlangen, haben ATSs, die die Abwicklung nicht gewährleisten, einen erheblichen Wettbewerbsnachteil.564 Bei Marktteilnehmern, die auf die Sicherstellung der Abwicklung bewusst verzichten, um günstiger handeln zu können, haben sie zwar einen Vorteil, aber diese Teilnehmer treffen eine solche Wahl bewusst, so dass eine entsprechende rechtliche Vorgabe ihre Handlungsfreiheit lediglich beschränken würde. Voraussetzung ist jedoch für beide Gruppen von Marktteilnehmern, dass sie über die vorhandenen oder nicht vorhandenen Vorkehrungen in Bezug auf die Abwicklung Bescheid wissen.565 Dies erleichtert den Anlegern die Wahl des Handelssystems und gewährleistet so den Wettbewerb. Daneben kann es zu erhöhten Risiken bei längeren Settlementfristen kommen, weil die Geschäftspartner während dieser Frist dem Wiederbeschaffungs- bzw. Kontrahentenrisiko ausgesetzt sind.566 Aber auch dieses Problem ist als gering anzusehen, da längere Settlementfristen einen entsprechenden Wettbewerbsnachteil darstellen und zu einem Verlust von Handelsteilnehmern führen. Allerdings sollte auch dies den Handelsteilnehmern entsprechend mitgeteilt werden müssen, um einen funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen.
III. Handelsphasenunabhängige Risiken 1. Stabilität und Funktionsfähigkeit von Handelssystemen Kapazitätsengpässe und fehlende technische Sicherungen des Handelssystems können die Stabilität der Handelsplattform und im schlimmsten Fall die des Gesamtmarktes beeinträchtigen. Ohne die Sicherung einer jederzeitigen Erreichbarkeit und Verfügbarkeit des Systems könnten die Preis563 Vgl. dazu GruberlGrünbichler, ÖBA 2000, 769 (773). 564 Vgl. Spindler, WM 2002, 1325 (1329), der in diesem Zusammenhang auf positive Erfahrungen mit Internetauktionen verweist. 565 Spinaler, WM 2002, 1325 (1329). 566 Die Settlementfrist bezeichnet den Zeitraum zwischen der Geschäftsvereinbarung und der Geschäftserfüllung und wird vom Betreiber des Handelssystems festgelegt. Vgl. Gomber, Elektronische Handelssysteme, S. 22.
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
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bildungsmechanismen an Kapitalmärkten, die auf kürzestmögliche Zusammenführung von Angebot und Nachfrage abzielen, erheblich gestört werden.567 Insbesondere in Zeiten hoher Kursschwankungen und Extremphasen sind die Handelssysteme besonderen Belastungen ausgesetzt, die bei ihrer Bereitstellung berücksichtigt werden müssen.568 Dies betrifft vor allem Handelssysteme, die keine automatische Weiterleitung von Aufträgen an die Börsen vorsehen, wenn das eigene System die Aufträge nicht ausführen kann. Aber auch wenn eine Weiterleitung an die Börse vorgesehen ist, darf dies die Betreiber von Handelssystemen nicht davon entbinden, die Stabilität und Funktionsfähigkeit ihres eigenen Systems angemessen zu gewährleisten. Gerade in Extremphasen würde ein Ausfall von Handelssystemen und eine daraufhin folgende Transferierung aller Aufträge an die Börse - oder zu anderen Systemen - die Gefahr eines Dominoeffektes hervorrufen. Die bereits erhebliche Belastung der Börsen würde durch zusätzliche Orders weiter erhöht werden und im schlimmsten Fall wäre eine Überlastung der Börse nicht mehr auszuschließen. Die Systemsicherheit umfasst auch den Schutz der Daten gegenüber Angriffen sowohl von innen als auch von außen.569 Denn es besteht die Gefahr, dass Dritte oder auch Angestellte versuchen könnten, in das Handelssystem einzudringen und die Abläufe innerhalb des Handelssystems zu manipulieren. Zwar verbessert die fortschreitende technologische Entwicklung die technische Situation der Handelssysteme, dennoch kommt es in dieser Beziehung immer wieder zu Problemen wegen zu geringer Anstrengungen der Systembetreiber.570
567 Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (101); Spindler, WM 2002, 1325 (1330); Florian, Wertpapierhandel, S. 282. 568 Vgl. IOSCO, Regulation of Cross-Border Proprietary Screen-Based Trading Systems, Abs. 87; SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30494 (Jun. 4, 1997); Comber, Elektronische Handelssysteme, S. 65. 569 Spindler, WM 2002, 1325 (1330); Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (102). Zur Systemsicherheit siehe auch Krause, Alternative Wertpapierhandelssysteme, S. 149 ff. 570 So kritisierte die SEC, dass einige alternative Handelssysteme die Veröffentlichung von Quotes vorübergehend einstellen mussten, um einen Zusammenbruch ihres Systems wegen ungenügender Systemkapazität zu vermeiden. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30494 Fn. 65 (Jun. 4, 1997). Andererseits wird jedoch auch argumentiert, dass für Marktplatzbetreiber ein Anreiz bestünde, sichere Handelssysteme zur Verfügung zu stellen, weil unzuverlässige Systeme unattraktiv wären und demzufolge weniger Kunden anzögen. Vgl. Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1558 (1992).
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I.Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
2. Zuverlässigkeit der Betreiber Wie in Bezug auf die Stabilität des Systems besteht auch hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Betreibers selbst die Notwendigkeit gewisser Vorgaben. Denn ein Fehlverhalten der Betreiber oder ihrer Angestellten kann der Integrität des Handels schaden und zu einer erheblichen Benachteiligung und damit auch einem Vertrauensverlust der Anleger führen. Da die Anleger ähnlich wie in Bezug auf die Kapazität der Handelssysteme - oft nicht in der Lage sind, ein Fehlverhalten der Betreiber zu erkennen, bevor dieses offensichtlich wird, müssen Betreiber nicht allzu sehr um ihre Reputation - und mithin mit negativen Marktreaktionen - fürchten.571 Deswegen sind in diesem Zusammenhang Vorgaben erforderlich, um ein gewisses Maß an Zuverlässigkeit der Betreiber zu gewährleisten. Insbesondere bei Betreibern, die selbst handeln oder als zentrale Gegenpartei auftreten, muss das Vorhandensein gewisser finanzieller Mittel sichergestellt werden.572 Denn Verluste beim Handel sollten nicht unmittelbar zu einer finanziellen Notlage des Handelssystems führen.573 Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass mögliche Gewissenskonflikte bei den Betreibern nicht zu einer Benachteiligung der Anleger führen, indem sie z. B. durch unlautere Praktiken versuchen, Orders auf ihr System zu leiten bzw. leiten zu lassen.574 3. Free Riding durch alternative Handelssysteme hinsichtlich der Marktüberwachung Im Verhältnis von ATSs zu Börsen besteht die Gefahr, dass ATSs von den Investitionen der Börsen profitieren, ohne selbst investieren zu müssen und dadurch gegenüber den Börsen ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile erhalten.575 Denn ATSs kommen auch in den Genuss der von Börsen durchgeführten Aufsicht und Selbstverwaltung.576 So sind Börsen z. B. für die Zulassung von Wertpapieren zuständig und überwachen den Handel auf ihrem 571 572 573 574 575
Köndgen, 154 JITE 224, 242 (1998). Vgl. IOSCO, Supervisory Framework, S. 5. Vgl. IOSCO, Supervisory Framework, S. 5. Zu Interessenkonflikten siehe bereits oben 1. Teil: 3. Kapitel: II. 2. b. Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 28 (1999); Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 781 (1999); von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213 (1216); Lehn, Market, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 206 (213). 576 SEC, Market 2000 Report: Study III, Market Fragmentation, Competition and Regulation (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 134, S. 10. Vgl. auch IOSCO, Supervisory Framework, S. 13; Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 28 (1999); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 308 (1995); von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213 (1216).
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
115
System mit Hilfe ihrer Handelsüberwachungsstelle.577 Diese Verpflichtungen kommen allen Betreibern von Handelssystemen zu Gute, indem sie die Integrität des Gesamtmarktes gewährleisten.578 Können ATSs kostenlos davon profitieren, wird die Marktüberwachung durch Börsen zu einem öffentlichen Gut, und es besteht die Gefahr einer „Unterproduktion". Hinsichtlich der Zulassung von Finanzinstrumenten ist die Gefahr einer „Unterproduktion" allerdings gering. Denn die Börsen erhalten für die Zulassung die Listinggebühren, so dass sie davon unmittelbar profitieren. In Bezug auf die Überwachung müssen neben den Interessen der Börse - und des ATSs - vor allem auch die der Handelsteilnehmer berücksichtigt werden. Viele Nutzer alternativer Handelssysteme, insbesondere professionelle Marktteilnehmer, bevorzugen ein geringeres Schutzniveau, bei dem keine größere Überwachung stattfindet. Sie haben eine relativ starke Verhandlungsposition und genügend Ressourcen, um sich zu informieren. Durch eine intensivere Überwachung von ATSs entstünden ihnen zusätzliche Kosten, auch wenn sie diese Dienstleistung gar nicht in Anspruch nehmen wollten.579 Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Betreiber von ATSs einen ordnungsgemäßen Handel auf ihrem System gewährleisten und soweit wie möglich Kursmanipulationen verhindern müssen.580 Auch sie haben daher Überwachungsfunktionen zu übernehmen. Die gegenüber dem Börsenhandel geringeren Anforderungen in Bezug auf die Überwachung sind durch die Bedürfnisse der Marktteilnehmer gerechtfertigt. Dies bedeutet aber auch, dass sich die Überwachungspflichten daran zu orientieren haben, welche Marktteilnehmer das System nutzen. Bei Privatanlegern müssen hier höhere Anforderungen gelten als bei professionellen Marktteilnehmern. 4. Gefahren für Anleger bei grenzüberschreitenden Transaktionen Die technologische Entwicklung ermöglicht es, auf die gleiche Art und Weise und mit derselben Geschwindigkeit, Orders auf ausländischen Märkten auszuführen.581 Kann das Handeln im Ausland vom Handeln im Inland nicht mehr unterschieden werden, besteht die Gefahr, dass Anleger davon
577 von Rosen, ZfgKrW 1994, 1213 (1216). 578 SEC, Market 2000 Report: Study III, Market Fragmentation, Competition and Regulation (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 134, S. 10. 579 Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 297 (1995). 580 1. Teil: 3. Kapitel: II. 3. c. 581 Vgl. dazu SEC, Market 2000 Report: Study VII, Off-Shore and After-Hours Trading (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 138, S. 3.
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l. Teil: Außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme
ausgehen, unter dem Schutz des heimischen Rechts zu handeln, obwohl dies nicht der Fall ist.582 Gleichzeitig ist der Handel inländischer Finanzinstrumente auf ausländischen Marktplätzen regelmäßig teurer als auf inländischen Märkten.583 Daher erhebt sich die Frage, ob und inwieweit Anlegern, die an ausländischen Börsen über Einrichtungen im Inland handeln, ein vergleichbarer Schutz wie beim Handel im Inland gewährt werden kann. Hierbei ist auch darüber nachzudenken, wie weit eine Regulierung ausländischer Handelssysteme mit begrenzter Präsenz im Inland möglich ist und erfolgen sollte.584 Von geringerer Bedeutung dürfte in diesem Zusammenhang der Funktionsschutz sein. Denn im Gegensatz zum Schutz der (inländischen) Anleger würde sich das Ziel des Funktionsschutzes allein auf den ausländischen Markt beziehen. Der Schutz fremder Märkte gehört aber nicht zu den Aufgaben inländischer staatlicher Institutionen. Wenn allerdings die Funktionsfähigkeit des inländischen Marktes betroffen ist, ist auch der Funktionsschutz wieder zu berücksichtigen.385 Bei grenzüberschreitenden Angeboten von Transaktionsdienstleistungen besteht darüber hinaus die Gefahr, dass sowohl für die Handelssystembetreiber als auch für die Anleger unklar ist, welcher (nationalen) Aufsicht ein Handelssystem unterliegt, weil verschiedene Jurisdiktionen berührt werden.586
582 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30522 (Jun. 4, 1997); Cohen, 4 Stan. I L. Bus. & Fin. 1, 29 (1999). 583 So ist der ausländische Handel für institutionelle Anleger um ca. 30% und für Privatanleger sogar um bis zu 150% teurer als entsprechende Transaktionen im Inland. Vgl. dazu Deutsche Börse Group, Cross-Border Equity Trading, White Paper, S. 18. 584 SEC, Market 2000 Report: Study VII, Off-Shore and After-Hours Trading (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 138, S. lOf. 585 Dies ist insbesondere bei vollständig integrierten und bei teilintegrierten Märkten zu berücksichtigen. Vergleichen lässt sich dies mit dem Auswirkungsprinzip im Kartellrecht nach § 130 Abs. 2 GWB, wonach das GWB auf alle Wettbewerbsbeschränkungen Anwendung findet, die sich im Geltungsbereich des GWB auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs des GWB veranlaßt werden. Zum Auswirkungsprinzip im Rahmen des Europarechts, wo eine § 130 Abs. 2 GWB entsprechende Vorschrift fehlt. Siehe dazu Gericht erster Instanz, Urteil vom 25.03.1999 in der Rechtssache T-102/96, Gencor Ltd./Kommission, Slg. 1999, 11-753, Rdn. 89-92; MestmäckerI Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 6 Rdn. 13 ff., insb. Rdn. 34. 586 IOSCO, Regulation of Cross-Border Proprietary Screen-Based Trading Systems, Abs. 91.
3. Kapitel: Gründe für eine Regulierung von Wertpapierhandelssystemen
117
IV. Zusammenfassung Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass das Aufkommen von ATSs in mehreren Punkten Anlass für eine Regulierung gibt. Da der Wettbewerb durch ATSs grundsätzlich positiv zu bewerten ist, muss eine solche Regulierung darauf ausgelegt sein, diesen zu fördern. Um die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu gewährleisten und um negative Auswirkungen der Fragmentierung des Gesamtmarktes aufgrund der Existenz mehrerer Handelssysteme zu verhindern, muss ein gewisses Maß an Transparenz sichergestellt werden. Dabei müssen jedoch die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Marktteilnehmer berücksichtigt werden. Funktioniert der Wettbewerb, lässt sich eine solche Feinjustierung am besten durch die einzelnen Handelssysteme selbst erreichen. Notwendig erscheinen außerdem Bestimmungen für Intermediäre über die Vermeidung von Interessenkonflikten. Diese sind vor allem dann wichtig, wenn sie selbst ein ATS betreiben. Regelungen über den Zugang zu ATSs können hingegen den einzelnen Betreibern überlassen werden. Kein Regulierungsbedarf besteht auch hinsichtlich der Preisfeststellung. Die verschiedenen Arten von Preisfeststellungsverfahren sind lediglich unterschiedliche Dienstleistungen. Damit verbundene unterschiedliche Kosten stellen keine Ineffizienzen dar. Die Existenz mehrerer Marktplätze führt bei einer entsprechenden Transparenz des Gesamtmarktes nicht zu Preisverwerfungen oder zu langsamen Preisanpassungen. Auch das Nachverhandeln von Quotes ist kein Zeichen von Ineffizienz. Negative Auswirkungen auf preisimportierende Systeme stellen kein Marktversagen dar. Ungünstigere Preisgestaltungen sind lediglich die Kehrseite der günstigeren Orderausführung. Problematisch ist jedoch die Möglichkeit, die Prioritätsregeln zu umgehen. Notwendig sind Regelungen zur Verhinderung von Marktmanipulationen und anderen Missbräuchen. Außerdem ist sicherzustellen, dass ein ordnungsgemäßer Handel stattfindet. Hinsichtlich der Abwicklung ist sicherzustellen, dass Anleger entsprechend informiert sind, um ihren Bedürfnissen entsprechende Entscheidungen zu treffen. Weiterhin muss die Zuverlässigkeit sowohl der Systeme als auch der Systembetreiber sichergestellt werden. Regelungsbedürftig erscheint schließlich auch das Angebot grenzüberschreitender Dienstleistungen.
2. Teil: ·· Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
l. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung Wie viele kapitalmarktrechtliche Entwicklungen und Veränderungen haben auch außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme (alternative Handelssysteme, ATSs) ihren Ursprung in den USA. So nahm Instinct, wenn auch noch nicht als vollelektronische Handelsplattform,587 bereits 1969 seinen Betrieb in den USA auf.588 Aufgrund dieser Entwicklung hat sich die dortige Aufsichtsbehörde, die Securities and Exchange Commission (SEC),589 schon frühzeitig mit einer Regulierung solcher Systeme auseinandersetzen müssen.590 Ihre Regelungen und Problemlösungen werden weltweit beachtet und finden auch in Europa ihren Niederschlag. Daher sollen die einschlägigen US-amerikanischen Regelungen im Folgenden dargestellt und untersucht werden. Auszugehen ist vom Securities Exchange Act und den Regelungen zur Förderung eines National Market Systems, welche die Grundlagen für die gegenwärtige Regulierung von ATSs in den USA bilden (dazu unter I). Eine solche umfassende Regulierung von ATSs, wie sie heute existiert, wurde zunehmend als notwendig angesehen (dazu unter II). Regelungsbedürftige Bereich wurden von der SEC bereits in ihrem Market 2000 Report eingehend untersucht (dazu unter III). Nach verschiedenen Regelungen (auch dazu unter III) erließ die SEC schließlich ihre Regulation ATS591 (dazu unter IV). 587 Die Handelsabschlüsse erfolgten zunächst über das Telefon. Zur Visualisierung des Orderaufkommens dienten spezielle Computerterminals. Vgl. dazu Spindler/ Hüther, RIW 2002, 649 Fn. 6. 588 Zu Instinct siehe oben Fn. 11. 589 Für Informationen zur SEC siehe http://www.sec.gov. 590 Seit 1984 verfolgte die SEC ihren No-Action Letter Ansatz gegenüber ATSs siehe dazu unten 2. Teil: 1. Kapitel: II. 1. - und unternahm bereits 1989 einen ersten Anlauf zu einer generellen Regulierung alternativer Handelssysteme. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (April 11, 1989) 54 FR 15429 (Apr. 18, 1989). Dazu Vaupel, RIW 1995, 568 f.; Salomon/Corso, 24 J. Marshall L. Rev. 299, 322 ff. (1991). 591 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844 (Dec. 22, 1998); SEC, Securities Exchange Act Release No 34-39884 (Apr. 21, 1998), 63 FR 23504 (Apr. 29, 1998); SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485 (Jun. 4, 1997). Dazu insb. Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3D, § 23; Domowiiz/Lee, On the Road to Reg ATS, Working Paper; Collins, 2002 Law & Pol'y Int'l Bus. 48Iff.; Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341 ff. (2002); SpindlerlHüther, RIW 2002, 649ff; Henckel-Donnersmarck, Electronic Communication Networks, in
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
Dieser folgten weitere Regelungen, welche insbesondere die Einbindung von ATSs in das NMS fördern sollten (dazu unter V).
I. Gesetzliche Grundlagen für die Regulierung von alternativen Handelssystemen 1. Der Securities Exchange Act Wichtigste gesetzliche Grundlage für die Regulierung des Sekundärmarktes für Kapitalanlagen in den USA ist der Securities Exchange Act von 1934 (SEA).592 In diesem sind die Anforderungen an und Pflichten von Wertpapiermärkten und Marktteilnehmern geregelt. Die Regulierung nach dem SEA basiert auf einem institutionellen Ansatz, d.h. welche Vorschriften zur Anwendung kommen, bestimmt sich danach, welcher Kategorie der Betroffene angehört.593 Zu diesen Kategorien gehören im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht „Broker-Dealer" und Börsen. Unternehmen, die in die Kategorie der Broker-Dealer fallen, können sowohl als Broker als auch als Dealer auftreten, sofern sie entsprechend registriert sind.594 Wer die Order
Weber, Neuere Entwicklungen im Kapitalmarktrecht, S. 259 (268 ff.); Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583ff. (2001); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815ff. (2001); Becker l YimIMacauley l Seidel, 1188 PLI/Corp. 431 (439); Klock, 51 Fla. L. Rev. 753 ff. (1999); MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17 ff. (1999); BeckerlYim, 1127 PLI/Corp. 295 ff. (1999); Becker IMacauleyl'Gallagher/'Bondelie, 1147 PLI/Corp. 127 ff. (1999); Gallagher, 47 Cath. U. L. Rev. 1009 ff. (1998). 592 In den Jahren zwischen 1933 und 1940 wurde eine Vielzahl wichtiger noch heute gültiger Bundesgesetze im Bereich des Kapitalmarktrechts erlassen, zu denen insbesondere der Securities Act von 1933 - Securities Act 1933, 15 U.S.C.A. § 77a et seq. - und der Securities Exchange Act von 1934 - Securities Exchange Act 1934, 15 U.S.C § 78a et seq. - gehören. Vgl. zu den Bestimmungen des SEA für Börsen und Broker-Dealer etwa Becker, Börsen- und Kapitalmarktrecht, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 755 (787ff.); Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3D, § 23; Greene et al, U.S. Regulation, § 9.06ff; Hazen, Law of Securities Regulation, Vol. 4, S. 70ff; JenningslMarshlCoffeelSeligman, Securities Regulation, S. 610 ff; LosslSeligman, Fundamentals, S. 677ff.; Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 290ff. (1995). Allgemein zur Regulierung des Wertpapiermarktes in den USA Tiedeken, Entwicklung der staatlichen Regulierung. Für eine Darstellung der historischen Entwicklung dieser Gesetze Burk, Values, S. 23 ff. 593 DomowitzILee, On the Road to Reg ATS, Working Paper, S. 4. 594 Section 15 (a) (1) SEA, 15 U.S.C. § 78o (a) (1). Zur Regulierung von Broker-
1. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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eines Kunden zur Ausführung an einen Markt oder zu einem Dritten weiterleitet, ohne dabei selbst als Käufer oder Verkäufer aufzutreten, handelt als Broker.595 Wer dagegen von einem Kunden oder einem anderen Broker oder Dealer Finanzinstrumente für eigene Rechnung kauft, tritt als Dealer auf.596 Der Securities Exchange Act verbietet es Broker-Dealern, Transaktionen an Börsen auszuführen,597 die weder als „national securities exchange" gemäß Section 6 des SEA registriert, noch von der Registrierung ausgenommen sind.598 Daher muss sich jedes System, das die Voraussetzungen des Börsenbegriffs des SEA erfüllt, entweder als „national securities exchange" nach Section 6 SEA599 registrieren lassen oder eine Ausnahmegenehmigung beantragen.600 Section 6 SEA enthält umfängliche Vorschriften für Börsen, welche durch die Regelungen der SEC weiter ausgeformt werden. Bei dem Erlass von Vorschriften hat die SEC gemäß den 1975 erlassenen und in den Securities Exchange Act aufgenommenen Securities Acts Amendments601 insbesondere darauf hinzuwirken, dass (1) Wertpapiertransaktionen ökonomisch effizient ausgeführt werden können, (2) ein fairer Wettbewerb
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Dealern vgl. z.B. Loss/Seligman, Fundamentals, S. 753fF.; Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 14f. (1999). Section 3 (a) (4)(A) SEA, 15 U.S.C. § 78c (a) (4) (A), definiert „Broker" als „ any person engaged in the business of effecting transactions in securities for the account of others." Siehe auch Loss/Seligman, Fundamentals, S. 755 ff. Section 3 (a) (5) (A) SEA, 15 U.S.C. § 78 c (a) (5) (A), definiert „Dealer" als „any person engaged in the business of buying and selling securities for such person's own account through a broker or otherwise". Siehe auch Loss/Seligman, Fundamentals, S. 755 ff. Vgl. Section 3 (a) (1) SEA, 15 U.S.C. § 78c (a) (1): „... any organization, association or group of persons, whether incorporated or unincorporated, which constitutes, maintains, or provides a market place or facilities for bringing together purchasers and sellers of securities or for otherwise performing with respect to securities the functions commonly performed by a stock exchange as that term is generally understood, and includes the market place and the market facilities maintained by such exchange." Section 5 SEA, 15 U.S.C. § 78e. 15 U.S.C. §78 f. Es gibt keine materiellen Kriterien, nach denen zwischen einer „national securities exchange" und einer „exchange" unterschieden werden könnte. Der Begriff „national securities exchange" dient allein der Abgrenzung der nach Section 6 SEA registrierten Börsen gegenüber den von der Registrierung befreiten Börsen. Vgl. Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 818 Fn. 20 (2001). Securities Acts Amendment of 1975, Pub. L. No. 94-29, 89 Stat. 97 (1975), Section 11A SEA, 15 U.S.C. § 78k-l. Vgl. zum NMS MaceylHaddock, 1985 U. 111.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
herrscht, (3) der Markt transparent ist, (4) Anleger Zugang zu den besten Märkten erhalten und (5) es für die Anleger die Möglichkeit gibt, ihre Orders ohne die Beteiligung von Dealern ausführen zu lassen.602
2. Das National Market System Mit den 1975 erlassenen Securities Acts Amendments übertrug der Kongress der SEC zugleich die Aufgabe, die Entstehung eines „nationalen Marktes" („national market system" oder auch „NMS") zu fördern.603 Ziel der Entwicklung eines NMS ist es, einen starken zentralen Markt von nationaler Bedeutung zu schaffen, in dem alle Kauf- und Verkauforders eingebunden und unter Wettbewerbsbedingungen angeboten werden.604 Um die Idee eines solchen NMS umzusetzen, sah die SEC - und sieht sie noch heute - einen erheblichen Regulierungsbedarf.605 Die Aufgabe, ein NMS zu fördern, wird von der SEC immer wieder als Begründung für ihre Regulierungen herangezogen und spielte auch für die Regulierung alternativer Handelssysteme eine nicht unerhebliche Rolle. Die Entwicklung hin zu einem NMS initiierte die SEC nach 1975 mit der Abschaffung fester Kommissio-
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L. Rev. 315ff.; Poser, 56 N.Y.U. L. Rev. 883ff. (1981); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 292 ff. (1995); Seligman, 57 Bus. Law. 637, 641 ff. (2002). Section 11A (a) (1) (C) SEA, 15 U.S.C. § 78 k-1 (a) (1) (C): (i) economically efficient execution of securities transactions, (ii) fair competition, (iii) transparency, (iv) investor access to the best markets, and (v) the opportunity for investors' orders to be executed without the participation of a dealer. Vgl. dazu auch Poser, 56 N.Y.U. L. Rev. 883, 905ff. (1981). Section 11A (a) (2) SEA, 15 U.S.C. § 78k-l (a) (2): „to facilitate the establishment of a National Market System". Siehe dazu Hazen, Law of Securities Regulation, Vol. 4, S. 109ff; JenningslMarshlCoffeelSeligman, Securities Regulation, S. 652ff; Moon, 21 Nw. J. Int'l L. & Bus. 131, 137ff. (2000); Harman, 33 Bus. Law 2275 ff. (1978). Für einen historischen Überblick über die Amendments und ihre Entstehung Burk, Values, S. 112 f. Zum NMS ausführlich SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42212 (Dec. 9, 1999), 64 FR 70297 (Dec. 16, 1999); Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 411 ff., 450ff; Borrelli, 32 Loy. U. Chi L.J. 815, 832ff. (2001); MaceylHaddock, 1985 U. 111. L. Rev. 315, 321 ff; Maynard, 49 Wash. & Lee L. Rev. 833, 857 ff. (1992); Moon, 21 Nw. J. Int'l L. & Bus. 131 ff. (2000); Otness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1618 ff. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-14416 (Jan. 26, 1978), 1978 SEC LEXIS 2339. Die Schaffung eines nationalen, vernetzten, für alle zugänglichen Marktes wurde von vielen skeptisch beurteilt. Vgl. dazu unten 4. Teil: 1. Kapitel: II. 2. a.
I.Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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nen und der Aufhebung wettbewerbshindernder Handelsrestriktionen für Börsenmitglieder.606 Um anti-wettbewerbliche Marktbeschränkungen abzuschaffen, erließ die SEC Rule 19c-l, die den Börsen verbot, ihre Mitglieder am außerbörslichen Handel zu hindern,607 und Rule 19c-3, die Handelsbeschränkungen hinsichtlich nicht-börslich gehandelter Wertpapiere verbot.608 Das technische Rückgrat des NMS bilden die in der Folge der Securities Acts Amendments von 1975 geschaffenen drei elektronischen Kommunikationssysteme, die die Märkte in den USA miteinander verbinden: das Consolidated Tape System (CTS), das Consolidated Quotation System (CQS) und das Intermarket Trading System (ITS).609 Das Consolidated Tape System verbreitet Informationen über Transaktionen der meisten gelisteten Wertpapiere innerhalb von 90 Sekunden nach der Transaktion.610 Angeschlossen sind auch einige von der NASDAQ betriebene Systeme, die die neuesten Transaktionsinformationen in Echtzeit für fast alle nicht an
606 Rule 19 b-3 wurde eingeführt durch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-16888 (Jun. 11, 1980), 45 FR 41125 (Jun. 18, 1980), 1980 SEC LEXIS 1299. Bis 1975 hatte die NYSE an Minimumkommissionen festgehalten und ihren Mitgliedern jegliche Preissenkungen verboten. Zu festen Kommissionen und deren Abschaffung siehe Jarrell, 27 J. L. & Econ. 273, 276, 280ff. (1984); Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 413. Durch das Verbot, außerhalb der Börse zu handeln, war es den Börsenmitgliedern unmöglich, diese Minimumkommissionen durch einen Handel auf anderen Systemen zu umgehen. Zu der rechtlichen Entwicklung vor und nach 1975 siehe insb. SEC, Market 2000 Report: Study I, Introduction and Historical Background (Jan. 1994), 1994 SEC LEXIS 132, S. 4ff.; Borrelli, 32 Loy. U Chi. L.J. 815, 832fT. (2001). 607 17 C.F.R. § 240.19c-l, SEC, Securities Exchange Act Release No 34-11942 (Dec. 19, 1975), 41 FR4507. 608 17 C.F.R. § 240.19c-3; SEC, Securities Exchange Act Release No 34-15769 (Apr. 26, 1979), 44 FR 26688, 1979 SEC LEXIS 1688; SEC, Securities Exchange Act Release No 34-16888 (Jun. 11, 1980), 45 FR 41125 (Jun. 18, 1980), 1980 SEC LEXIS 1299. Zu Rule 19c Otness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1619ff; Davis/ Lightfoot, 41 J. L. & Econ. 209fT. (1998); CohenlConroy, 33 J. L. & Econ. 277fT. (1990). Mit diesen Bestimmungen zielte die SEC insbesondere auf Rule 390 der NYSE. Rule 19 c-3 erfasste jedoch nur Wertpapiere, die nach dem 26. April 1979 gelistet worden waren. Zur Rule 390 siehe unten 4. Teil: 1. Kapitel: I. 2. c. 609 Vgl. dazu Loss/Seügman, Fundamentals, S. 691 ff.; Poser, 56 N.Y.U. L. Rev. 883, 915ff. (1981); Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 415ff.; Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 835ff. (2001); Moon, 21 Nw. J. Int'l L. & Bus. 131, 139f. (2000) MendelsonIPeake, 19 Iowa J. Corp. L. 443, 463f. (1994). 610 Dazu siehe Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 415.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
einer Börse gelisteten Wertpapiere übermitteln. Das CQS dient dagegen der Verbreitung von Preisstellungen der Marktteilnehmer, die an den Börsen und der NASDAQ handeln.6" Insbesondere informiert das CQS über die besten Kauf- und Verkaufsangebote („national best bid and offer", NBBO) für börsengelistete Wertpapiere und solche OTC-Wertpapiere, die den Status eines „NASDAQ/National Markef'-Wertpapiers haben.612 Das ITS dient dem Routing von Orders von einem Marktplatz zum nächsten. Zu diesem Zweck sind die OTC-Dealer und Börsen durch das Computer Assisted Execution System (CAES) der NASD miteinander verbunden.613 Die Regeln des ITS verlangen, dass Broker-Dealer, deren Preis schlechter als die NBBO ist, mit letzterem entweder gleichziehen oder ein „commitment to trade" dahingehend abgeben, an dem Markt zu handeln, der die NBBO anbietet. Sobald dieses „commitment" angenommen worden ist, wird die Order zu dem Markt mit dem besten Preis geroutet und dort ausgeführt.614 Die Regeln des ITS verlangen von den Mitgliedern, so genannte „TradeThrough" Rules zu beachten. Broker und Dealer dürfen eine Order nicht zu einem schlechteren Preis als der NBBO ausführen, wenn sie vorher nicht versucht haben, die Order zu dem Markt zu leiten, der die NBBO anbietet.615
II. Das Bedürfnis nach einer Regulierung von alternativen Handelssystemen Mit dem Entstehen alternativer Handelssysteme sah sich die SEC dem Problem gegenüber, dass die Regelungen des SEA sowie die von der SEC zur Konkretisierung der Bestimmungen erlassenen Vorschriften für deren Situation nicht recht passten. Schon ihre rechtliche Einordnung gestaltete sich anfangs schwierig, weil der SEA wie die meisten US-amerikanischen 611 17 C.F.R. § 240.1 lAcl-1 (b) (1) (i) (für Börsen) bzw. 17 C.F.R. § 240.1 lAcl-1 (b) (1) (n) (für Händlervereinigungen). 612 17 C.F.R. § 240.11 Acl-1 (a) (25) zu „subject securities". 613 Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 416. Das ITS wurde von der SEC 1981 eingeführt, nachdem die Börsen und die NASD nicht auf freiwilliger Basis Verbindungen zwischen den beteiligten Handelsplattformen eingerichtet hatten. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-17744 (Apr. 21, 1981), 46 FR 23856-02 (Apr. 28, 1981), 1981 WL 103153 (FR.). Zur „proposed order" vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-17516 (Feb. 6, 1981), 21 SEC Docket 1519, 1981 WL 36427. 614 Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 416. 615 Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 416f.
I.Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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kapitalmarktrechtlichen Gesetze aus den 1930er Jahren stammte, also aus einer Zeit als noch eine klare Unterscheidung zwischen Märkten und Marktteilnehmern bestand.616 Da ATSs von Broker-Dealern betrieben wurden, wurden sie zunächst in diese Kategorie eingeordnet und unterlagen damit den entsprechenden Regelungen. Als registrierte Broker-Dealer hatten sie in erster Linie die Interessen ihrer Nutzer zu berücksichtigen. Dagegen waren sie nicht den für Märkte bzw. Börsen geltenden Vorschriften unterworfen, obwohl sie auch solche Funktionen ausübten.617 Aus der Sicht der SEC besonders problematisch war, dass ATSs aufgrund ihrer Regulierung als Broker-Dealer nicht in ähnlicher Weise in das NMS integriert waren wie traditionelle Börsen und die NASDAQ.618 Dies führte zu Befürchtungen, dass die Gründung immer neuer Handelssysteme und die damit einhergehende Fragmentierung der Märkte und der Verlust an Transparenz die Entwicklung hin zu einem vernetzten Markt zurückwerfen würde.619 Auf der anderen Seite hatte die Entstehung neuer Handelssysteme aber auch positive Seiten, weil ihre Entstehung den technologischen Fortschritt und damit einhergehend den Wettbewerb der Marktplätze förderte.620 /. Der No-Action Letter-Ansatz der SEC Bereits Anfang der achtziger Jahre begann die SEC über eine angemessene Regulierung von ATSs nachzudenken. 1984 übernahm sie eine Empfehlung ihres Stabes, durch diesen so genannte No-Action Letters für Betreiber von ATSs ausstellen zu lassen.621 No-Action Letters sind unverbindliche 616 Vgl. zur aufsichtsrechtlichen Behandlung etwa Vaupel, RIW 1995, 568 ff.; Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 309ff. (1995); Maynard, 49 Wash. & Lee L. Rev. 833, 835 f. (1992). 617 Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70845 (Dec. 22, 1998). Sehr ausführlich zu den Unzulänglichkeiten der Regelung auch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30490fF. (Jun. 4, 1997). Dazu Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 24ff. (1999); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 852 (2001). Siehe dazu auch ausführlich unten 2. Teil: 1. Kapitel: II. 4. b. 618 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30486 (Jun. 4, 1997); ebenso Rice, 51 Admin. L. Rev. 901, 945 (1999). 619 SEC, Market 2000 Report, Introduction and Executive Summary (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 130, S. 13. 620 SEC, Market 2000 Report, Introduction and Executive Summary (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 130, S. 32 f. 621 Zum No-Action Letter Verfahren der SEC in den 1980ern Maynard, 49 Wash. & Lee L. Rev. 833, 876ff. (1992); Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 18f., 23 (1999). Allgemein zum No-Action Letter Verfahren Nagy, 83 Cornell L. Rev. 921fT.
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Verwaltungszusagen, in denen der Stab der SEC einem Antragssteiler zusagt, dass er dem zuständigen Commissioner nicht die Einleitung von Maßnahmen empfehlen werde, wenn das System nicht als Börse registriert wird, solange die in dem No-Action Letter enthaltenen Auflagen erfüllt werden.622 Dies gab der SEC einen relativ großen Spielraum im Umgang mit ATSs und zeigt die Unsicherheit über deren rechtliche Einordnung.623 Insbesondere der - bis zum Erlass des Delta-Releases624 - von der SEC angewandte weite Börsenbegriff ließ den No-Action Letter-Ansatz sinnvoll erscheinen. Die meisten Systeme wurden von diesem weiten Börsenbegriff erfasst und waren somit zunächst den Börsenbestimmungen unterworfen. Da dies jedoch in vielen Fällen zu einer unangemessenen Belastung solcher Systeme geführt hätte - die Betreiber wären z. B. genötigt worden, die auf der Mitgliedschaft der Handelsteilnehmer beruhenden Gesellschaftsstruktur von Börsen zu übernehmen oder für eine Marktüberwachung zu sorgen -, stufte die SEC sie regelmäßig als Broker-Dealer ein und führte im Rahmen ihres No-Action Letter Verfahrens Einzelprüfungen durch.625 Von wenigen Ausnahmen abgesehen,626 wurden nahezu alle ATSs auf diese Weise als Broker-Dealer eingestuft. Dabei handelte es sich um die ver-
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(1998); Lemke, 42 Bus. Law. 1019ff. (1987); Lowenfels, 59 Va. L. Rev. 303 (1973); den., 71 Colum. L. Rev. 1256 (1971). SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429 (Apr. 18, 1989); Lemke, 42 Bus. Law. 1019 (1987); DomowitzlLee, Legal Basis, S. 9. Zur Stellung des No-Action Letter Verfahrens im U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht Nagy, 83 Cornell L. Rev. 921, 924 (1998); Lemke, 42 Bus. Law. 1019 ff. (1987). Spinalen'Hüther, RIW 2002, 649 (650); Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 359 (2002); Thompson, 1999 Colum. Bus. L. Rev. 165, 172. Dazu ausführlich sogleich. Allein in der Zeit vor der Veröffentlichung des Delta-Releases verschickte der Stab der SEC elf solcher No-Action Letters. Siehe RMJ no-action letter, 1989 SEC No-Act. LEXIS 21; Petruzzi no-action letter, 1988 SEC No-Act. LEXIS 1745; POSIT no-action letter, 1987 SEC No-Act. LEXIS 2292; Instinct noaction letter, Fed. Sec. L. Rep. P 78,997, 1986 WL 67657; Municipal Bond Trading System no-action letter, 1985 SEC No-Act. LEXIS 3099; N APEX noaction letter, 1985 SEC No-Act. LEXIS 2500 und 1986 SEC No-Act. LEXIS 2639; Security Pacific no-action letter, 1985 SEC No-Act. LEXIS 2457 und 1986 SEC No-Act. LEXIS 2676; Troster Singer no-action letter, 1985 SEC No-Act. LEXIS 2407; Exchange Services no-action letter, 1985 SEC No-Act. LEXIS 2405; Transaction Services no-action letter, 1985 SEC No-Act. LEXIS 2262; B & K Securities no-action letter, 1985 SEC No-Act. LEXIS 2085. Dazu auch Vaupel RIW 1995, 568 (570ff.). Wie z.B. das Wunsch-System, das allerdings selbst die Zulassung als Börse beantragte und heute als Arizona Stock Exchange operiert. Zum Wunsch
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schiedensten Informations- und Abwicklungssysteme für den Handel von Aktien, festverzinslichen Wertpapieren und anderen Finanzinstrumenten.
2. Der Fall Delta Government Options Corp. Als am 29. Juli 1988 die Delta Government Options Corp. („Delta") einen Antrag auf Genehmigung und Registrierung als Clearing Agency im Sinne von Section 17A SEA627 stellte,628 sah sich die SEC zum ersten Mal mit der Frage konfrontiert, ob ein vollautomatisiertes Handelssystem eine Börse im Sinne des Securities Exchange Act darstellt. Delta wollte Optionen ausgeben, die mittels eines elektronischen Systems gehandelt werden sollten, und wollte die gesamte Abwicklung der Geschäfte übernehmen.629
a) Die Entscheidung der SEC und die erste Delta-Entscheidung des 7th Circuit Am 12. Januar 1989 erteilte die SEC Delta die zeitlich begrenzte Genehmigung als Clearing Agency und erließ gleichzeitig einen No-Action Letter für RMJ Securities, Inc., den Betreiber des Delta Systems.630 Daraufhin leiteten das Board of Trade of the City of Chicago und die Chicago Mercantile Exchange ein Verfahren gegen die SEC vor dem United States Court of
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System SEC, Securities Exchange Act Release No 34-28899 (Feb. 20, 1991), 56 FR 8377 (Feb. 28, 1991); Vaupel, RIW 1995, 568 (573). 15U.S.C. §78q-l. Zum Antrag von Delta siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 3425956 (Aug. 1, 1988), 53 FR 29536 (Aug. 5, 1988). Delta wurde im Januar 1988 in Delaware errichtet und hatte ein Anfangskapital von S 9 Mio. Eigner waren Dots, Inc. (81%), eine hundertprozentige Tochter der Cawsl Corp., und SMG Options Corp. (19%), die Partnern von Glickenhaus & Co. gehörte, einem Mitglied der NYSE, registrierter Broker-Dealer und Investmentberater. Siehe SEC, Exchange Act Release No 34-27611 (Jan. 12, 1990), 55 FR 1890, II Fn. 18 (Jan. 19, 1990). Zum Fall Delta vgl. auch Maynard, 49 Wash. & Lee L. Rev. 833, 896ff. (1992); Vaupel, RIW 1995, 568 (571 ff.). Für eine ausführliche Beschreibung des Delta Systems siehe Board of Trade of the City of Chicago, and Chicago Mercantile Exchange v. Securities and Exchange Commission (and Delta Government Options Corporation, RMJ Options Trading Corp., and Security Pacific National Trust Comp. Intervening Respondents), 883 F.2d 525, 528 (7th Cir. 1989). Vgl. auch Lee, Exchange, S. 319f; Vaupel, RIW 1995, 568 (571). SEC, Exchange Act Release No 34-27611 (Jan. 12, 1990), 55 FR 1890 (Jan. 19, 1990).
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Appeals, Seventh Circuit, ein, um die Rechtmäßigkeit der Genehmigung und des No-Action Letters gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Klage in Bezug auf den N o-Action Letter verwarf der Siebte Circuit aus prozessualen Gründen als unzulässig. Außerdem führte er aus, dass die Entscheidung der SEC nicht abschließend sei und darüber hinaus NoAction Letters als unverbindliche Verwaltungszusagen nicht gerichtlich überprüfbar wären.631 Im Rahmen des Verfahrens um die Delta erteilte Genehmigung hatte sich der Siebte Circuit insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das Delta-System eine Börse im Sinne von Section 3 (a) (1) SEA632 darstellte. Dazu führte das Gericht in seiner Entscheidung aus, dass eine Registrierung als Börse für das Delta System fatal wäre, da es als proprietäres System auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei. Dagegen verlange das Gesetz von Börsen633, dass sie von ihren Mitgliedern betrieben und diese im Board of Directors fair repräsentiert würden.634 Das Delta System sei weder eine Börse, wie z. B. die NYSE, noch ein OTC-Markt, wie z. B. die NASDAQ. Doch habe der Congress durch Verwendung insbesondere des Ausdrucks „functions commonly performed by a stock exchange as that term is generally understood" im Securities Exchange Act die Aufgabe an die SEC delegiert, diesen Begriff der technologischen Entwicklung entsprechend anzupassen. Dies habe die SEC jedoch noch nicht getan, insbesondere seien die No-Action Letters nicht als eine diesbezügliche Entscheidung anzusehen.635 Daher setzte der Siebte Circuit das Verfahren zunächst aus, um der SEC Gelegenheit zu geben, sich intensiver mit dem Börsenbegriff zu befassen und zu entscheiden, ob das Delta System eine Börse sei.636 631 Board of Trade of the City of Chicago, and Chicago Mercantile Exchange v. Securities and Exchange Commission (and Delta Government Options Corporation, RMJ Options Trading Corp., and Security Pacific National Trust Comp. Intervening Respondents), 883 F.2d 525, 529-531 (7th Cir. 1989). 632 15U.S.C.§78c(a)(l). 633 Siehe Section 6 SEA, 15 U.S.C. § 78 f. 634 Board of Trade of the City of Chicago, and Chicago Mercantile Exchange v. Securities and Exchange Commission (and Delta Government Options Corporation, RMJ Options Trading Corp., and Security Pacific National Trust Comp. Intervening Respondents), 883 F.2d 525, 528 (7th Cir. 1989). 635 Board of Trade of the City of Chicago, and Chicago Mercantile Exchange v. Securities and Exchange Commission (and Delta Government Options Corporation, RMJ Options Trading Corp., and Security Pacific National Trust Comp. Intervening Respondents), 883 F.2d 525, 533-537 (7th Cir. 1989). Zu den Ausführungen des Gerichts De Bel, 14 U. Pa. J. Int.'l Bus. L. 169, 178f.(1993). 636 Board of Trade of the City of Chicago, and Chicago Mercantile Exchange v. Securities and Exchange Commission (and Delta Government Options Cor-
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b) Der Delta-Release der SEC Im Anschluss an die Entscheidung des Siebten Circuit erließ die SEC 1990 den so genannten Delta-Release.637 In ihrer Begründung, warum das DeltaSystem keine Börse sei, setzte sich die SEC intensiv mit dem Börsenbegriff und der gegenüber den dreißiger Jahren veränderten Situation auseinander.638 Die SEC führte aus, dass der BörsenbegriiT so zu interpretieren sei, dass er Marktsysteme erfasse, die wie Börsen dafür ausgelegt seien, den Handel zu zentralisieren und Kauf- und Verkaufsangebote kontinuierlich bzw. auf geregelter Basis bereitzustellen, so dass Käufer und Verkäufer eine regelmäßige Ausführung ihrer Orders erwarten könnten. Insbesondere komme es auf die Punkte zentralisierter Handel, kontinuierliche Stellung von Kauf- und Verkaufskursen, die Erwartung von Liquidität und die Standardisierung von Handelsbedingungen an.639 Das System von RMJ Securities, und damit auch das Delta-System als Teil dieses Gesamtsystems, könne nicht als Börse eingestuft werden. Vielmehr stelle es eine Art Bulletin Board dar.640 Insbesondere fehle es diesem System an der Liquiditätsfunktion. Das System biete Banken, Brokern und anderen Institutionen die Möglichkeit, Handelswünsche zu veröffentlichen und diese für eigene Rechnung über ein blindes Brokerage-System, das von RMJ Options641 betrieben werde, ausführen zu lassen oder direkt selbst auszuführen. Es stelle jedoch keine Liquidität bereit. Daher könnten Handelsteilnehmer nicht erwarten, dass ihre Orders in jedem Falle ausgeführt würden. Des Weiteren wäre es Kleinanlegern nicht möglich, direkt oder indirekt an dem Handel über das System teilzunehmen. Auch das blinde Brokerage-System sei mit keiner Börseneinrichtung vergleichbar. Schließlich
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poration, RMJ Options Trading Corp., and Security Pacific National Trust Comp. Intervening Respondents), 883 F.2d 525, 537 (7lh Cir. 1989). SEC, Exchange Act Release No 34-27611 (Jan. 12, 1990), 55 FR I890 (Jan. 19, 1990). SEC, Exchange Act Release No 34-27611 (Jan. 12, 1990), 55 FR 1890, insb. unter IV A 2 B (Jan. 19, 1990). SEC, Exchange Act Release No 34-27611 (Jan. 12, 1990), 55 FR 1890, insb. unter IV A 2 B (i), (Jan. 19, 1990). SEC, Exchange Act Release No 34-27611 (Jan. 12, 1990), 55 FR 1890, insb. unter IV A 2 B (Jan. 19, 1990). RMJ Options Trading Corp. war eine Tochtergesellschaft von RMJ Securities, welche die gesamte Software sowie Brokerdienstleistungen für die Teilnehmer des Delta-Systems bereitstellte. Vgl. dazu SEC, Exchange Act Release No 3427611 (Jan. 12, 1990), 55 FR 1890, II Fn. 19 und Fn. 24 (Jan. 19, 1990).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
seien die auf dem Delta-System gehandelten Kontrakte nicht standardisiert, wie dies bei Börsen regelmäßig der Fall sei.642 Eine weite Interpretation des Börsenbegriffs würde nicht nur das DeltaSystem als Börse einstufen, sondern zugleich auch alle Broker und Dealer. Diese seien jedoch im SEA gesondert definiert.643 Sie unter den Börsenbegriff zu fassen und damit den Börsenregeln zu unterwerfen, wäre unvereinbar mit der Absicht des Kongresses, Börsen anders zu regulieren als Broker und Dealer. Während Börsen z. B. für eine faire Repräsentation und - falls notwendig - eine Disziplinierung ihrer Mitgliedern sorgen müssten, seien die Regelungen für Broker und Dealer nicht auf solche Maßnahmen hin ausgelegt. Vielmehr stehe bei der Regulierung von Brokern vor allem der Anlegerschutz im Vordergrund.644 Eine weite Auslegung des Börsenbegriffs komme außerdem nicht nur mit anderen zentralen Definitionen des Securities Exchange Acts in Konflikt, sondern habe auch nachteilige Auswirkungen auf Innovation und Wettbewerb. Daher müsse jedes System im Lichte des Gesetzeszwecks und der jeweils zugrunde liegenden Fakten des Einzelfalls analysiert werden. Die damit von der SEC eingeführte enge Interpretation des Börsenbegriffs führte dazu, dass die meisten Online-Systeme vom Börsenbegriff und damit von der Regulierung als Börse ausgenommen waren. Die von der SEC bevorzugte Einzelfallanalyse gab der SEC die Möglichkeit, ihren flexiblen „No-Action Letter"-Ansatz für geraume Zeit fortzusetzen. c) Die zweite Delta-Entscheidung des 7th Circuit In dem sich anschließenden zweiten Prozess vor dem Siebten Circuit, der erneut von dem Board of Trade of the City of Chicago und der Chicago Mercantile Exchange angestrengt worden war, entschied der Siebte Circuit zugunsten der SEC und des Delta-Systems.645 Seiner Ansicht nach war die von den Klägern vorgeschlagene weite Interpretation des Börsenbegriffs nicht überzeugender als die der SEC und kam zudem in Konflikt mit anderen Definitionen des Securities Exchange Acts. Während das Delta System 642 SEC, Exchange Act Release No 34-27611 (Jan. 12, 1990), 55 FR 1890, IV A 2 B (ii) (Jan. 19, 1990). 643 Siehe dazu oben Fn. 595 und Fn. 596. 644 SEC Exchange Act Release No 34-27611 (Jan. 12, 1990), 55 FR 1890, IV A 2 B (iii) (Jan. 19, 1990). Ebenso bereits SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429 (Apr. 18, 1989). 645 Board of Trade of the City of Chicago and Chicago Mercantile Exchange v. Securities Exchange Commission (and Delta Government Options Corporation, Intervening Respondent), 923 F.2d 1270 (7th Cir. 1991). Vgl. dazu auch Maynard, 49 Wash. & Lee L. Rev. 833, 898ff. (1992); Vaupel, RIW 1995, 568 (572f.).
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nach der Entscheidung der SEC derzeit ausreichend reguliert wäre, würde die von den Klägern vorgeschlagene Lösung dazu führen, dass das DeltaSystem mit zusätzlichen Anforderungen belastet würde, die auf seine Struktur nicht passten. Dies würde letztlich zu einer Verhinderung des DeltaSystems führen. Auch wenn das Delta-System nur im Detail vom Bild traditioneller Börsen abweiche, habe die SEC doch einen Ermessensspielraum bei der Interpretation nicht eindeutiger Gesetze. Außerdem sei die SEC besser als die Richter in der Lage einzuschätzen, ob dem Anlegerschutz und anderen Interessen durch die Einstufung als Börse und der dadurch bedingten Verhinderung des Systems besonders gedient sei oder nicht. 3. Richtlinienvorschlag 15c2-10 der SEC Bereits am 18. April 1989 hatte die SEC einen Vorschlag für eine Richtlinie 15c2-10 vorgestellt,646 welche die Anforderungen an ATSs einheitlich und ausführlicher regeln sollte. Insbesondere wollte die SEC Handels- und Informationssysteme, die nicht als Einrichtung einer Börse betrieben wurden oder bereits eine Genehmigung erhalten hatten,647 einer stärkeren Überwachung unterwerfen. Die Betreiber sollten verpflichtet werden, der SEC eine Systembeschreibung zur Überprüfung vorzulegen.648 Diese Rege646 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429 (Apr. 18, 1989). Vgl. dazu Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 319ff. (1995); Vaupel, RIW 1995, 568 f.; SalomonICorso, 24 J. Marshall L. Rev. 299, 322ff. (1991); De Bei, 14 U. Pa. J. Int.'l Bus. L. 169, 177 (1993). Dies war bereits der zweite Vorschlag einer Richtlinie 15c2-10, nachdem der erste Anfang der 1970er Jahre wieder zurückgezogen worden war, vgl. dazu DomowitzILee, Legal Basis, S. 9ff.; dies., On the Road to Reg ATS, Working Paper, S. 9. 647 Wie bereits im Rahmen der Beschreibung des Delta-Releases erwähnt, glaubte die SEC zwischen Börsen und ATSs differenzieren zu können, weil ATSs keine Liquiditätssicherung z. B. durch kontinuierliche zweiseitige Stellung von Quotes betrieben. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429, IV (Apr. 18, 1989). 648 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429, V (Apr. 18, 1989). Um die Einreichung der Unterlagen durchzusetzen, sollte es Brokern und Dealern verboten werden, auf Systemen zu handeln, die der SEC diese Unterlagen nicht einreichten. Rule 15c2-10 sollte demnach folgendermaßen lauten: „(a) No broker, dealer, municipal securities dealer, government securities broker, or government securities dealer shall act as a sponsor of a trading system, or enter an indication of interest, quotation, or order to purchase or sell a security into such a trading system except in accordance with the terms of a plan covering such a system that has been filed by the sponsor and declared effective by the Commission ..." Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429, VIII (Apr. 18, 1989).
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lung sollte alle Systeme erfassen, die außerhalb der internen Geschäftsabläufe des Betreibers Preise und Angebote zu Wertpapieren veröffentlichten und außerdem über einen Mechanismus für den Vertragsschluss und die Erfüllung der geschlossenen Verträge verfügten.649 Nicht erfasst werden sollten dagegen Informationssysteme, Systeme, die von Maklern oder Händlern ausschließlich intern für die Bearbeitung von Kundenaufträgen benutzt wurden,650 Systeme, die ausschließlich für den Intermaklerhandel für andere Wertpapiere als Aktien oder Beteiligungen genutzt wurden, sowie Einrichtungen von bereits genehmigten Börsen.651 Die SEC betonte, dass ATSs aufgrund ihrer funktionellen Unterschiede und der potentiellen Wettbewerbsnachteile gegenüber traditionellen Börsen nicht als Börsen behandelt werden müssten. Außerdem würde die Einführung eines Genehmigungsverfahrens, wie dasjenige für Börsen, die Entwicklung innovativer Handelssysteme behindern.652 Allerdings müssten auch diese Systeme einer gewissen Aufsicht durch die SEC unterliegen, und deren Betreiber müssten die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Teilnehmer an ihren Systemen die Wertpapiergesetze beachteten.653 ATSs übernähmen in zunehmendem Maße neue Funktionen, entwickelten neue Preisfestsetzungs- und Handelsmechanismen und vergrößerten zunehmend 649 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429, V A (Apr. 18, 1989). Die SEC wollte solche Handelssysteme in Rule 15c 2-10 (b) (1) folgendermaßen definieren: „The term .trading system' shall mean any system providing for the dissemination outside the sponsor and its affiliates of indications of interest, quotations, or orders to purchase or sell securities, and providing procedures for executing or settling transactions in such securities; provided, however, the term does not include: (i) A system in which all transactions are executed by either the broker or the dealer operating or controlling the system or the customers of such broker or dealer; or (ii) A brokers' brokers trading system; or (iii) A facility of a registered national securities exchange or association." Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429, VIII (Apr. 18, 1989). 650 Die SEC war der Auffassung, dass Systeme, die lediglich einem Makler oder Händler dazu dienten, Geschäfte auf eigene oder fremde Rechnung durchzuführen, nichts weiter als eine Automatisierung interner Geschäftsabläufe darstellte. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429, V A (Apr. 18, 1989). 651 Eine solche Einrichtung sei durch die Statuten der genehmigten Börse bereits ausreichend geregelt. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989), 54 FR 15429, V A (Apr. 18, 1989). 652 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989), 54 FR 15429, IV (Apr. 18, 1989). 653 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989), 54 FR 15429, IV (Apr. 18,1989).
1. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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das ohnehin wachsende „Universum" des Wertpapierhandels mittels Einführung bzw. Intensivierung des Handels von Derivaten oder ausländischen Wertpapieren.654 Im Februar 1994 zog die SEC ihren Vorschlag jedoch zurück.655 Als Begründung führte sie an, dass seit der Veröffentlichung des Richtlinienvorschlags 15c2-10 erhebliche Zeit verstrichen sei und die nachfolgenden Entwicklungen den Schluss nahe gelegt hätten, dass der Richtlinienvorschlag 15c2-10 in seiner vorgesehenen Fassung nicht mehr angemessen wäre. Außerdem habe die SEC zwischenzeitlich einen Vorschlag für Rule 17a-23656 erlassen, der auf Handelssysteme Anwendung finden würde, die von der Richtlinie 15c2-10 erfasst worden wären. Rule 17 a-23 betraf allerdings nur Broker-Dealer Systeme und regelte diese auch nur ausschnittsweise. 4. Kritik an der Regulierung vor Regulation ATS Insgesamt war die Regulierung alternativer Handelssysteme als BrokerDealer mit der Möglichkeit von Befreiungen über No-Action Letters unbefriedigend.657 Zwar ermöglichte dieser Regelungsansatz der SEC ein hohes Maß an Flexibilität und vermied es, technologische Entwicklungen einzuschränken, die sich später möglicherweise als erstrebenswerte Neuerungen herausstellen würden.658 Mit der Zeit überwogen die Nachteile dieses Ansatzes jedoch - auch in den Augen der SEC - seine Vorteile.
a) Kritik am No-Action Letter Ansatz Da die No-Action Letters Einzelfälle betrafen, eigneten sie sich kaum dazu, als allgemeine Orientierung zu dienen.659 Problematisch war auch, dass die No-Action Letters unverbindliche Zusagen waren und sich die Betreiber außerbörslicher Handelssysteme daher nicht vollständig auf sie verlassen 654 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989), 54 FR 15429, IV (Apr. 18, 1989). 655 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-33621 (Feb. 14, 1994), 59 FR 8379 (Feb. 18, 1994). 656 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-33605 (Feb. 9, 1994), 59 FR 8368 (Feb. 18, 1994). 657 SEC, Market 2000 Report: Study I, Introduction and Historical Background (Jan. 1994), 1994 SEC LEXIS 132, S. 2. 658 Schizer, 101 Yale L. J. 1551, 1553 (1992). 659 Thompson, 1999 Colum. Bus. L. Rev. 165, 172.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
und schon gar nicht auf frühere No-Action Letters anderer Systeme berufen konnten. Dies führte zu Rechtsunsicherheit,660 und diese wiederum dazu, dass umsichtige Betreiber gezwungen waren, wegen kleinster Veränderungen nachzufragen, was zu einem zusätzlichen Zeit- und Arbeitsaufwand für die SEC führte und sich letztlich verlangsamend auf den Innovationsprozess auswirken musste.661 Die Konkurrenten wiederum beklagten, dass der No-Action Letter Ansatz alternativen Handelssystemen unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber traditionellen Börsen verschaffen würde.662 Aus Sicht der SEC wurde eine einheitliche und umfassende Regelung aber vor allem deshalb notwendig, weil alternative Handelssysteme immer komplexer wurden und sie insbesondere für Systeme, die Verbindungen zu internationalen Märkten aufwiesen, eine bessere Überwachung für notwendig hielt. b) Die Nachteile der Regulierung als Broker-Dealer in Bezug auf alternative Handelssysteme Die Regulierung als Broker-Dealer unter Zuhilfenahme von No-Action Letters krankte auch daran, dass viele ATSs stärker einer Börse ähnelten als einem Broker-Dealer. Als Broker-Dealer waren ATSs jedoch Regelungen unterworfen, die eher traditionelle Aktivitäten von Broker-Dealern regelten, als Aktivitäten von Märkten.663 So waren und sind Broker-Dealer z. B. verpflichtet, Mitglied bei der Securities Investor Protection Corporation (SIPC) zu werden. Dadurch sollen Gelder und Wertpapiere von Kunden geschützt werden, die von Brokern verwaltet werden. Doch nur wenige ATSs verwalten Gelder ihrer Kunden.664 Des Weiteren sind Broker verpflichtet, Mitglied einer SRO, also einer Börse oder der NASD, zu wer660 Vaupel, RIW 1995, 568 (573). 661 Thompson, 1999 Colum. Bus. L. Rev. 165, 173. 662 Siehe dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-26708 (Apr. 11, 1989) 54 FR 15429 (Apr. 18, 1989); DomowitzILee, Legal Basis, S. 10; dies., On the Road to Reg ATS, Working Paper, S. 10. 663 So regeln die Vorschriften für Broker-Dealer vor allem die angemessene Aufsicht über die Mitarbeiter, die finanzielle Verantwortung sowie kapitalmäßige Ausstattung der Broker-Dealer und den Schutz von Anlegern. Vgl. auch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30490 (Jun. 4, 1997); Collins, 2002 Law & Pol'y Int'l Bus. 481, 489. 664 Stattdessen verlangen ATSs in der Regel von ihren Kunden, dass diese sich darum kümmern, dass das Clearing und Settlement der abgeschlossenen Geschäfte über einen anderen Broker erfolgt. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30490 Fn. 30 (Jun. 4, 1997).
I.Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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den.665 Damit waren ATSs der Aufsicht durch die Börsen bzw. die NASD unterworfen, die ihre eigenen Handelssysteme betrieben. Da diese Systeme mit ATSs um Kundenaufträge konkurrierten, bestand die Gefahr eines Interessenkonflikts:666 Auf der einen Seite stand das Interesse als konkurrierende Märkte möglichst viele Kundenaufträge anzuziehen, auf der anderen die rechtliche Verpflichtung, ATSs zu überwachen.667 Die Regulierung als traditionelle Broker-Dealer verlangte demnach von den ATSs Vorschriften zu beachten, die in vielen Fällen nicht auf ihre ausgeübten Aktivitäten passten und unterwarf sie damit einer ungeeigneten aufsichtsrechtlichen Regelung. c) Die Nachteile der Regulierung als Broker-Dealer in Bezug auf den Gesamtmarkt Die Regulierung als Broker-Dealer behinderte in den Augen der SEC auch eine effektive Regulierung des Gesamtmarktes.668 Zwar führte die Division of Market Regulation noch im Market 2000 Report669 aus, dass eine umfangreiche Neustrukturierung der Kapitalmarktregulierung nicht notwendig sei und einzelne Verbesserungen ausreichen würden.670 Aber da traditionelle Broker-Dealer-Vorschriften nicht dafür gedacht waren, Märkte zu regeln, wurden die Lücken in der Regulierung immer sichtbarer. In den Augen der SEC führte die Regulierung als Broker-Dealer mit der Zeit insbesondere zu einer Gefährdung der Preisquotierungen, der Information und des fairen Wettbewerbs auf dem Sekundärmarkt. 671 Außerdem 665 15 U.S.C. § 78o (b) (8). Dazu Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3D, § 23:2. Diese Bestimmung hatte der Congress 1983 erlassen. Vgl. Pub. L. No. 98-38, 97 Stat. 205 (1983). Börsen und Händlervereinigungen unterstützen als so genannte Self Regulating Organizations (SROs) die SEC bei der Aufsicht. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30490 (Jun. 4, 1997). 666 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30490 (Jun. 4, 1997); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 292 (1995). 667 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30490 (Jun. 4, 1997). 668 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485,30491 (Jun. 4, 1997). 669 Dazu sogleich. 670 SEC, Market 2000 Report, Introduction and Executive Summary (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 130, S. 4. 671 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485,30491 (Jun. 4, 1997).
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erschwerte sie die Verfolgung von Manipulationen und betrügerischen Verhaltensweisen sowie einen fairen Wettbewerb zwischen den Märkten.672 Des Weiteren waren ATSs aufgrund dieser Regulierung nur zum Teil in das NMS integriert, weshalb die SEC um die Qualität und die Effizienz der Preisermittlung sowie um die Markttransparenz auf dem Sekundärmarkt fürchtete.673 Die SEC hatte auch keine Handhabe gegen unfaire Zugangsverweigerungen oder -beschränkungen durch ATSs oder diskriminierende Aktivitäten gegenüber Nutzern dieser Systeme.674 Zwar haben Broker-Dealer gewisse Pflichten gegenüber Individualanlegern. Diese sind aber insbesondere hinsichtlich der marktweiten Durchsetzungsmöglichkeiten und Überwachungspflichten nicht mit denjenigen von registrierten Börsen oder der NASD zu vergleichen. Außerdem erfassten die Überwachungsprogramme der SROs nicht auch den Handel über ATSs,675 so dass mit wachsender Nutzung von ATSs ein immer größeres Handelsvolumen unüberwacht umgesetzt wurde.676 Schließlich waren ATSs nicht verpflichtet, für eine ausreichende Kapazität zu sorgen, um auch Perioden mit hoher Marktvolatilität überstehen zu können, so dass die Gefahr bestand, dass diese Handelszentren in Zeiten besonderer Marktbelastungen ausfallen würden.677 Die zunehmende Verbreitung von ATSs ließ diese Probleme immer offensichtlicher werden. Die fortschreitende Entwicklung in der Informationstechnologie führte dazu, dass die über Jahrzehnte brauchbare Unterscheidung zwischen Brokern und Börsen zunehmend erschwert wurde.678 Zugleich erwies sich auch die herkömmliche Regulierung von ATSs als Broker-Dealer als immer weniger angemessen.
672 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 30485, 30491 (Jun. 4, 1997). 673 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 30485, 30492f (Jun. 4, 1997). 674 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 30485, 30492 (Jun. 4, 1997). 675 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 30485, 30493 (Jun. 4, 1997). 676 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 30485, 30493f. (Jun. 4, 1997). 677 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 30485, 30494 (Jun. 4, 1997). 678 So etwa Lee, Exchange, S. 279; Rice, 51 Admin. L. Rev. 901, 945 (1999).
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III. Der Market 2000 Report und erste Regelungen für alternative Handelssysteme L Market 2000 Report Am 14. Januar 1994 veröffentlichte die SEC den von ihrer Division of Market Regulation erarbeiteten „Market 2000 Report".679 Dieser enthielt eine umfangreiche Untersuchung des US-amerikanischen Kapitalmarktes. Einzelne Studien des Reports befassten sich mit Themen, wie z. B. Marktfragmentierung, Transparenz und Best Execution und setzten sich in diesem Zusammenhang auch mit den durch die zunehmende Verbreitung von ATSs aufgeworfenen Fragen auseinander. Der Report kam zu dem Ergebnis, dass die Kapitalmärkte, insbesondere auch in Hinsicht auf das NMS, effizient operieren würden. Handlungsbedarf bestünde jedoch hinsichtlich (1) der Behandlung von Anlegern, (2) der zeitgerechten und verständlichen Veröffentlichung von Informationen, (3) der Sicherung eines fairen Wettbewerbs zwischen Märkten und Marktteilnehmern und (4) der Ausweitung eines offenen Marktzugangs für die Marktteilnehmer.680 Außerdem setzte sich der Report intensiv mit der Frage auseinander, ob das Ziel einer zukünftigen Regulierung ein hochregulierter, einziger Markt oder ein vollkommen deregulierter Markt mit einer Vielzahl von Marktzentren sein sollte.681 Beide Extreme verwarf die Division of Market Regulation und votierte für eine mittlere Lösung mit einer Vielzahl von Marktzentren, die jedoch miteinander verbunden sein sollten.682 Im Hinblick auf ATSs sah die Division of Market Regulation zunächst nur bezüglich Buchhaltungs- und Berichtspflichten einen unmittelbaren Regulierungsbedarf. Ansonsten empfahl sie den bisherigen flexiblen Ansatz weiterzuverfolgen und mehr Informationen über die Funktionsweise von ATSs zusammenzutragen.683 679 Zum Market 2000 Report vgl. etwa Vaupel, RIW 1995, 568 (570); Bradley, Market 2000, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 244ff.; Hynes, Market 2000, in Schwartz, Global Equity Markets, S. 258 ff.; Lehn, Market, in Schwartz, Global Equity Markets, S.206fT.; KetchumIWeimer, 19 J. Corp. L. 559 ff. (1994); Bronfman/Lehn/Schwärt z, 19 J. Corp. L. 523, 527 ff. (1994); Seligman, 50 Bus. Law. 485ff. (1995); Moon, 21 Nw. J. Int'l L. & Bus. 131, 141 f. (2000). 680 SEC, Market 2000 Report, Introduction and Executive Summary (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 130, S. 4 ff.; bzgl. des NMS siehe a. a. O. S. 37. 681 SEC, Market 2000 Report, Introduction and Executive Summary (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 130, S. 36-44. 682 SEC, Market 2000 Report, Introduction and Executive Summary (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 130, S. 40 und S. 43. 683 SEC, Market 2000 Report, Introduction and Executive Summary (Jan. 1994), 1994 SEC Lexis 130,8.79.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
2. Rulel7a-23 Um diese Empfehlung des Market 2000 Reports umzusetzen, erließ die SEC am 28. Dezember 1994 Rule 17a-23.684 Darin verpflichtete die SEC registrierte Broker und Dealer, die so genannte Broker-Dealer Trading Systeme betrieben, über den im System durchgeführten Handel Buch zu führen und diesbezügliche Berichte bei der SEC und der für sie zuständigen SRO einzureichen. Diese Berichte sollten Informationen über die durchgeführten Transaktionen und die Marktteilnehmer sowie tägliche Zusammenfassungen des Handels auf dem jeweiligen System enthalten. Der Begriff des Broker-Dealer Trading Systems wurde in Rule 17a-23 relativ weit gefasst. Ein solches System ist eine Einrichtung, die einen (zumindest teilweise) automatisierten Mechanismus zum Sammeln oder Verbreiten von Orders anbietet und einen automatisierten Vertragsschluss oder eine anderweitige Ausführung von Aufträgen ermöglicht.685 Die SEC erhoffte sich, durch die mit Hilfe dieser Regelung erlangten Informationen Aufschluss über die Auswirkungen solcher Systeme auf den Wettbewerb und die Angemessenheit der Broker-Dealer Regulierung für diese Systeme zu erhalten.686 3. Order Handling Rules Des Weiteren erließ die SEC am 12. September 1996 ihre „Order Handling Rules".687 Zweck der Order Handling Rules war es, die Markttransparenz 684 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-35124 (Dec. 20, 1994), 59 FR 66702, 66703 (Dec. 28, 1994); Verschiebung des Inkrafttretens durch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-35775 (May 26, 1995), 60 FR 28717 (Jun. 4, 1995). Vgl. dazu auch Nyquisi, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 323 ff. (1995); Vanpel, Rl W 1995, 568 (569 f.). 685 17 C.F.R. § 240.17a-23 (b) (2). Allerdings sollte es der SEC möglich sein, bestimmte Systeme vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen, sofern dies mit dem öffentlichen Interesse und dem Anlegerschutz vereinbar wäre. Siehe 17 C.F.R. § 240.17a-23 (i). Im Richtlinienvorschlag hatte die SEC noch vorgeschlagen, bestimmte Systeme, wie z. B. Orderroutingsysteme, ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-33605 (Feb. 9, 1994), 59 FR 8368, 8372 (Feb. 18, 1994). Eine solche Ausschlussvorschrift empfand die SEC dann jedoch als unnötig, weil bereits die Definition des Broker-Dealer-Systems solche Systeme nicht erfassen würde. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-35124 (Dec. 20 1994), 59 FR 66702, 66704 (Dec. 28, 1994). 686 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-35124 (Dec. 20, 1994), 59 FR 66702, 66703 (Dec. 28, 1994). 687 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-37619A (Sep. 6, 1996), 61 FR
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zu erhöhen und einer Marktfragmentierung entgegenzuwirken.688 Die Rules enthalten Bestimmungen für die Marktteilnehmer hinsichtlich des Handels über so genannte Electronic Communication Networks. Als Electronic Communication Network (ECN) stufte die SEC alle elektronischen Systeme ein, die von einem Market Maker oder Specialist689 an das System übermittelte Kauf- bzw. Verkaufsorders an Dritte verbreiten und deckungsgleiche Gebote innerhalb des Systems automatisch zusammenführen.690 Einschränkend bestimmt Rule l lAcl-1 (a) (8), dass im Anwendungsbereich der Order Handling Rules nur solche Systeme als ECN gelten, deren Handel und Preisfeststellung kontinuierlich und innerhalb des Systems erfolgt. Ausgenommen sind daher Crossing-Systeme und interne Handelssysteme von Brokern, bei denen Kunden primär mit dem Market Maker handeln.691
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48290 (Sep. 12, 1996). Es handelte sich dabei um die Rule llAcl-4 und 11 Ac l-5 sowie Ergänzungen zur Rule 11 Acl-1. Vgl. dazu auch Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 849 fT. (2001). In Vorbereitung dazu hatte die SEC den Securities Exchange Act Release No 34-36310 (Sep. 29, 1995), 60 FR 52792 (Oct. 10, 1995) erlassen. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-37619A (Sep. 6, 1996), 61 FR 48290, 48290 und 48292 (Sep. 12, 1996). Vgl. auch Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815,849(2001). Specialists sind für spezielle Aktien monopolisierte Market Maker an den Präsenzbörsen. Vgl. Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (654 Fn. 77). Ausführlich zum Begriff des Specialists WolfsonlRusso, 1970 Duke L.J. 707 ff. Zur Rolle der Specialists MaceylKanda, 75 Cornell L. Rev. 1007, 1026ff, insb. 1028 (1990). 17 C.F.R. § 240.11Acl-l (a) (8). Die Legaldefinition lautet: „any electronic system that widely disseminates to third parties orders entered therein by an exchange market maker or OTC market maker, and permits such orders to be executed against in whole or in part". Ausführlich SEC, Securities Exchange Act Release No 37619A (Sep. 6, 1996), 61 FR 48290 (Sep. 12, 1996). Vgl. dazu auch Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (654); Becker! Yim, 1127 PLI/Corp. 295, 302f. (1999). Ein so genanntes Internal Broker-Dealer System ist nach der Definition der SEC jede Einrichtung, die weder als Börse noch als ATS einzustufen ist, aber eine automatische Erfassung, Verbreitung oder Zusammenführung von Wertpapieren durch ein internes Handels- und Routingsystem eines Brokers vornimmt. Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70891 Fn. 439 (Dec. 22, 1998). Zu den Internal BrokerDealer Systemen sind neben den so genannten Inhouse-Crossing-Systemen, bei denen als Gegenpartei für die Kundenorder nur der jeweilige Broker auftritt, auch Orderroutingsysteme zu zählen. Diese eröffnen Anlegern lediglich einen Marktzugang, leisten also lediglich automatisierte Brokeraufgaben. Vgl. SpindlerlHüther, RIW 2002, 649 (656).
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Die Order Handling Rules enthalten unter anderem eine Vorschrift für Specialists und OTC Market Maker, wonach diese die Preise aller von ihnen in ECNs angebotenen Orders veröffentlichen müssen, sofern der über ein ECN angebotene Preis besser ist, als der von dem entsprechenden Specialist bzw. OTC Market Maker öffentlich angebotene.692 Damit wollte die SEC die Entwicklung zu einem zweigeteilten Markt verhindern.693 Denn da ECNs nicht als Börsen oder Händlervereinigungen, wie z.B. die NASD, reguliert waren, konnten Market Maker in solchen „versteckten" Systemen (mit beschränktem Zugang) ausgewählten Marktteilnehmern bessere Preise anbieten, als sie öffentlich zugänglich machten.694 Auf ECNs selbst sind die 692 17 C.F.R. §240.11Acl-l (c) (5) (i) und 17 C.F.R. § 240.1 lAc 1-4 (b). Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-37619A (Sep. 6, 1996), 61 FR 48290 (Sep. 12, 1996). Dabei handelte es sich einerseits um eine Änderung der so genannten Firm Quote Rule, 17 C.F.R. § 240.11Acl-l, soweit es um die Veröffentlichung von Preisspannen von Specialists und Market Makern ging. Zum anderen erließ die SEC eine gänzlich neue Regelung hinsichtlich der Veröffentlichung von solchen Kundenorders, die zu einer Preisverbesserung gegenüber der Order des Market Makers oder Specialists führten, die so genannte „Display Rule" (Rule llAcl-4), 17 C.F.R. § 240.11Acl-4. Vgl. dazu Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 850 f. (2001). Um diesen Veröffentlichungsverpflichtungen nachzukommen, sollte es allerdings auch genügen, wenn die in ein ECN eingegebenen Preise öffentlich verbreitet würden und das ECN anderen Händlern und Maklern ermöglichen würde, zu diesen Preisen zu handeln. Vgl. 17 C.F.R. § 240.1 lAcl-1 (c) (5) (ii) und für Kundenorders 17 C.F.R. § 240.1 lAcl-4 (c) (5). Vgl. zum Ganzen Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (658). 693 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-37619A (Sep. 6, 1996), 61 FR 48290, 48307 (Sep. 12, 1996). Laut der SEC waren 85% der in Instinct angebotenen Kauf- und Verkaufspreise und 90% der in SelectNet angebotenen Preise - dies waren die größten ECNs - besser als die über NASDAQ öffentlich zugänglichen Preise. Des Weiteren waren 77 % der Transaktionen über Instinct und 60 % der Transaktionen über SelectNet zu Preisen innerhalb des „Best Bid and Offer"Spreads der NASDAQ abgewickelt worden. Besorgniserregend war dies für die SEC, weil diese Systeme nicht ganz unbedeutend waren. So wickelte z. B. Instinet zu dieser Zeit ca. 17 % der Transaktionen - und ca. 15 % des Volumens - von an der NASDAQ gehandelten Wertpapieren ab. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-37619A (Sep. 6, 1996), 61 FR 48290, 48308 (Sep. 12, 1996). 694 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-37619A (Sep. 6, 1996), 61 FR 48290, 48307 (Sep. 12, 1996). Laut der SEC haben sich die Preisspannen seit dem Erlass der Order Handling Rules drastisch verringert. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10584 (Feb. 28, 2000). Vgl. dazu die Untersuchungen von Weston, 55 J. Fin. 2565, 2566f. (2000); Barclay/ChristielHarris/KandellSchuhz, 54 J. Fin. l, 3, 16 (1999); Smith, NASD Working Paper 98-02, S. 17; vgl. auch Bessembinder, 34 J. Fin. & Quant. Anal. 387,400(1999).
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Order Handling Rules nicht unmittelbar anwendbar bzw. enthalten für sie lediglich freiwillige Regelungen. So können ECNs den Market Makern und Specialists ihre Veröffentlichungspflichten abnehmen und selbst die besten Orders dieser Marktakteure veröffentlichen (so genannte ECN Display Alternative).695 Der Erlass der Order Handling Rules führte in der Folgezeit zu einem rasanten Anstieg der Zahl neuer Handelssysteme. Dies war insbesondere auch darauf zurückzuführen, dass mit den Order Handling Rules solche Systeme von der SEC rechtlich anerkannt wurden, was zu einer erhöhten Rechtssicherheit führte.696 Obgleich die SEC mit dem Erlass der Order Handling Rules ursprünglich lediglich beabsichtigte, einige mit der Entstehung neuer Handelsplattformen verbundene Probleme in den Griff zu bekommen, billigte sie hierdurch letztlich die Handelsaktivitäten dieser Systeme und schuf die Voraussetzungen für ihre (teilweise) Einbindung in das NMS.697
IV. Regulation ATS 1. Die Vorbereitung: der Concept Release von 1997 Im Juni 1997 veröffentlichte die SEC schließlich einen Concept Release für eine Regelung,698 welche die alte einzelfallbezogene Regelung komplett ersetzen und auf neue Grundlagen stellen sollte. Damit wollte die SEC die Entstehung neuer Märkte und Technologien fördern und einen angemessenen Wettbewerb zwischen den Märkten und zwischen den Marktteil695 17 C.F.R. § 240.1 lAcl-1 (c) (5) (ii); siehe dazu Becker/YimIMacauleylSeidel, 1188 PLI/Corp. 431, 439 (2000). Bis zum Jahr 2000 hatten alle Systeme, die bei der SEC als ECN registriert waren, diese ECN Display Alternative gewählt und ihre Systeme mittels SelectNet an die Systeme der NASDAQ angeschlossen. Vgl. Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (658); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 851 (2001). 696 SpindlerlHüther, RIW 2002, 649 (655). 697 Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (655). Die Order Handling Rules waren jedoch nicht dazu gedacht, den Handel auf ATSs voll mit dem auf öffentlichen Märkten zu koordinieren. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30493 (Jun. 4, 1997). 698 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485 (Jun. 4, 1997). Vgl. dazu auch Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3D, § 23:9; Malus, 44 N.Y.L. Sch. L. Rev. 583, 589 (2001); Gallagher, 47 Cath. U.L. Rev. 1009, 1015f., 1034ff. (1998); Moon, 21 Nw. J. Int'l L. &Bus. 131, 142ff. (2000).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
nehmern gewährleisten.699 Außerdem sollte eine bessere Aufsicht über die Systeme eingeführt werden, um Anleger vor Betrügereien und Manipulationen zu schützen und die Integrität und Fairness der Märkte sicherzustellen sowie eine angemessene Information der Anleger zu gewährleisten.700 a) Die Vorschläge der SEC Der Concept Release enthielt zwei alternative Vorschläge zur Regulierung alternativer Handelssysteme.701 Der erste Vorschlag sah vor, ATSs weiterhin als Broker zu regulieren, zusätzlich aber einige marktbezogene Bestimmungen einzuführen - wie z. B. Bestimmungen über die Systemkapazität und Integrität sowie eine Verpflichtung, in größerem Umfang Informationen zu veröffentlichen -, und ATSs stärker in das NMS einzubinden.702 Mit dem zweiten Vorschlag stellte die SEC den engen im Delta-Release favorisierten Börsenbegriff in Frage und schlug eine weite Interpretation des Börsenbegriffs vor.703 Daran anknüpfend sollte der Aufbau der Börsenregulierung dreistufig erfolgen:704 Auf der untersten Stufe sollten Systeme mit geringem Volumen und ohne Preisgenerierung stehen, also solche mit
699 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30489 (Jun. 4, 1997). Zu den mit dem Release verfolgten Zielen siehe auch Levitt, 2000 Colum. Bus. L. Rev. l, 5. 700 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30494 (Jun. 4, 1997). Siehe dazu auch Kaufman Winn, 54 Bus. Law. 443, 453 (1998); Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1,13 (1999). 701 Zum ATS-Begriff führte die SEC im Concept Release aus, dass Handelssysteme, die nicht als Börsen registriert worden seien, in früheren Releases als „proprietary trading systems", „broker-dealer trading systems" und „electronic communication networks" bezeichnet worden wären. Der Begriff „alternative trading system" werde in diesem Release für automatisierte Systeme verwendet, die Orders zentralisieren, anzeigen, matchen, crossen oder auf andere Weise Handelswünsche ausführen würden, die aber gegenwärtig nicht bei der SEC als Börsen registriert seien oder von einer registrierten Händlervereinigung betrieben würden. Siehe dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30486 Fn. l (Jun. 4, 1997). 702 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30487, ausführlich 30495-30499 (Jun. 4, 1997). Vgl. dazu Gallagher, 47 Cath. U.L. Rev. 1009, 1036f. (1998). 703 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30487, ausführlich 30499-30516 (Jun. 4, 1997). 704 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30487 (Jun. 4, 1997). Vgl. dazu Gallagher, 47 Cath. U.L. Rev. 1009, 1038fr. (1998).
I.Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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geringen Auswirkungen auf das Handelsgeschehen. Diese Systeme sollten von der Börsenregulierung ausgenommen und nur wenigen Pflichten unterworfen werden - wie z. B. der Pflicht, Systemstandards aufzustellen. Systeme der zweiten Stufe wollte die SEC grundsätzlich als Börsen regulieren, sie aber von solchen Bestimmungen ausnehmen, die mit deren gesellschaftsrechtlichen Struktur oder den technischen Abläufen in Konflikt geraten konnten. Auf diese Weise sollten diese Systeme stärker in das NMS eingebunden und einer größeren Transparenz unterworfen werden. Auf der obersten Stufe sollten traditionelle Börsen und solche ATSs stehen, die für die Marktteilnehmer Einrichtungen oder Regeln für den Handel bereitstellten und die Orders der Teilnehmer zusammenführten. 705 Diese Systeme sollten den Regeln für Börsen unterworfen werden, wobei sich die SEC allerdings vorbehalten wollte, Ausnahmen von den Bestimmungen zuzulassen.706 Darüber hinaus präsentierte die SEC verschiedene Vorschläge zur Regulierung des grenzüberschreitenden Handels.707 Einerseits überlegte die SEC, ausländische Börsen als Börsen nach dem Securities Exchange Act und diejenigen, die den Zugang zu ausländischen Märkten ermöglichen, als so genannte „access provider" zu regulieren. Andererseits erwog sie, auf die Kontrolle durch die Behörden des jeweiligen Heimatlandes abzustellen.
b) Überblick über die Kommentare zum Concept Release Die Bemühungen der SEC, die Regulierungsstruktur an die technologische Entwicklung anzupassen, fand im Großen und Ganzen Zustimmung.708 Allerdings war umstritten, welche Ziele die SEC bei der Regulierung von ATSs verfolgen sollte, in welchem Umfang Veränderungen vorgenommen werden müssten und wie eine verbesserte Aufsicht erreicht werden könnte. In diesem Zusammenhang bevorzugte eine Großzahl von Kommentatoren 705 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30507 (Jun. 4, 1997). Die SEC diskutierte auch andere Interpretationen des Börsenbegriffs, verwarf diese jedoch, da sie ihr zu viele Nachteile zu haben schienen. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30505-30507 (Jun. 4, 1997). 706 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30487 (Jun. 4, 1997). 707 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30487 f. (Jun. 4, 1997), vgl. dazu Bhomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3 D, § 23:16; Spindler/Huffier, RIW 2002, 649 (6S9f.). 708 Die Comment Letters sind im Internet abrufbar unter http://www.sec.gov/ rules/concept/s71697.shtml.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
eine fortgesetzte Regulierung von ATSs als Broker-Dealer.709 Ein Marktplatz sei nicht immer ohne weiteres eine Börse, und auch ein erhöhtes Handelsvolumen mache eine Regulierung als Börse nicht unumgänglich notwendig.710 Es sei nicht ungewöhnlich, dass einige Broker ein hohes Volumen auf sich vereinigen würden.711 Der Vorschlag der SEC zur Regulierung von ATSs als Börse behindere den technologischen Fortschritt, weil innovative Systeme, wie z.B. solche, die ihren Kunden eine bessere Kontrolle ihrer Orders ermöglichten, eher in den Bereich der Regulierung als Börse fielen, als weniger innovative Systeme, die alles automatisierten.712 Dadurch würde der Anreiz verringert, neue Technologien einzuführen. Insgesamt wäre daher ein flexibler Regulierungsansatz einer starren Regelung vorzuziehen.713 Kritisch wurden auch die Transparenzvorschriften für ATSs gesehen. Es bestünde die Gefahr, dass dadurch die Transaktionskosten für institutionelle Anleger (u.a. wegen des Market Impacts) stiegen.714 Auch wurde befürchtet, dass es dadurch zu strukturellen Veränderungen bei ATSs kommen könnte.715 Der börsenbasierte Ansatz könnte Innovationen frustrieren und die Vorteile von ATSs vermindern.716 Andererseits berge eine Regulierung von ATSs als Broker-Dealer mit der damit einhergehenden Unterwerfung unter die Aufsicht der Börsen bzw. der NASD - als SROs - die Gefahr von Interessenkonflikten bei den Börsen bzw. der NASD, die sich nachteilig auf ATSs auswirken könnten.717
709 Siehe dazu die Zusammenfassung in SEC, Securities Exchange Act Release No 34-39884 (Apr. 21, 1998), 63 FR 23504, 23506 (Apr. 29, 1998). Dagegen Gallagher, 47 Cath. U.L. Rev. 1009, 1042ff. (1998). 710 MillerIColeylO'Brien, 11 No. 9 Insights 7, 8 (1997). 711 So sei in einem Untersuchungszeitraum von 5 Tagen im Mai 1997 festgestellt worden, dass bei 37,7% der an der NASDAQ gehandelten Wertpapiere in 50% der Transaktionen der jeweils gleiche Market Maker involviert war. Vgl. Miller/ Coley I O'Brien, 11 No. 9 Insights 7, 8 (1997). 712 MillerIColeyl O'Brien, 11 No. 9 Insights 7, 9f. (1997). 713 Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-39884 (Apr. 21, 1998), 63 FR 23504, 23506 (Apr. 29, 1998). Vgl. auch BeckerlYim, 1127 PLI/Corp. 295, 299 (1999). 714 MillerIColeylO'Brien, 11 No. 9 Insights 7, 9 (1997). 715 Vgl. etwa MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 51 (1999). 716 Vgl. die Zusammenfassung in SEC, Securities Exchange Act Release No 3439884 (Apr. 21, 1998), 63 FR 23504, 23506 (Apr. 29, 1998); ebenso etwa auch MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 51 (1999), die darauf hinweisen, dass ATSs dann insbesondere auch hinsichtlich der handelbaren Finanzinstrumente stark eingeschränkt werden würden. 717 Gallagher, 47 Cath. U.L. Rev. 1009, 1044 (1998).
1. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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2. Das Konzept von Regulation A TS Die SEC nahm die Kommentare auf und berücksichtigte diese zum Teil in ihrem Proposing Release vom April 1998,718 in dem sie konkrete Regeln für ATSs vorschlug. Im Dezember 1998 erließ sie dann Regulation ATS zusammen mit Rule 3b-16 zum Securities Exchange Act, die eine neue Auslegung des Börsenbegriffs enthielt.719 Bei dem Erlass von Regulation ATS stützte sich die SEC auf ihre neue Ermächtigungsgrundlage unter dem National Securities Markets Improvement Act (NSMIA)720 von 1996. Der NSMIA ermöglichte der SEC größere Flexibilität, um sicherzustellen, dass ihre Regelungen Innovationen und den technologischen Fortschritt nicht behinderten.721 Die letztlich erlassene Regelung entstand aus einer Verschmelzung der beiden Vorschläge des Concept Releases, die damit die geforderte Flexibilität erhalten sollte.722 Den im Concept Release vorgestellten Drei-StufenAufbau wandelte die SEC leicht ab: Sie behielt zwar die Dreistufigkeit bei und gründete ihren Regelungsansatz auf einen erweiterten Börsenbegriff.
718 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-39884 (Apr. 21, 1998), 63 FR 23504 (Apr. 29, 1998). 719 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844 (Dec. 22, 1998). Ausführlich dazu Bioomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3 D, § 23: 9ff. Eine krit. Einschätzung dieser Regelung gibt Lee, Exchange, S. 304ff; Klock, 51 Fla. L. Rev. 753 ff. (1999); eine kurze deutschsprachige Übersicht findet sich bei Henckel-Donnersmarck, Electronic Communication Networks, in Weber, Neuere Entwicklungen im Kapitalmarktrecht, S. 259 (268ff.). Regulation ATS löste außerdem Rule 17a-23 ab. 720 National Securities Markets Improvement Act of 1996, Pub. L. 104-290, 110 Stat. 3416 (1996), mit dem Section 36 SEA eingeführt wurde, kodifiziert als 15 U.S.C. 78mm (1996). Siehe dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 3439884 (Apr. 21, 1998), 63 FR 23504, 23505 (Apr. 29, 1998). 721 Section 36 (a) (1) SEA, 15 U.S.C. 78mm (a) (1), erlaubt es der SEC, jede Person, jedes Wertpapier, jede Transaktion und jede Klasse von Personen, Wertpapieren und Transaktionen von jeder Vorschrift des Securities Exchange Acts und der auf ihm basierenden Rules und Regulations auszunehmen, („...the Commission, by rule, regulation, or order, may conditionally or unconditionally exempt any person, security, or transaction, or any class or classes of persons, securities, or transactions, from any provision or provisions of this title [the Exchange Act] or of any rule or regulation thereunder, to the extent that such exemption is necessary or appropriate in the public interest, and is consistent with the protection of investors.") 722 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-39884 (Apr. 21, 1998), 63 FR 23504, 23506 (Apr. 29, 1998).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
Allerdings ermöglichte die SEC den Betreibern von ATSs, die von dem weiteren BörsenbegrifF erfasst werden würden, bei der Registrierung zwischen der Registrierung als Broker mit gleichzeitiger Unterwerfung unter zusätzliche Vorschriften und der Registrierung als Börse zu wählen.723 Demzufolge sieht der dreistufige Aufbau nun folgendermaßen aus: Auf der untersten Stufe stehen kleine Systeme, die nur geringe Auswirkungen auf das Marktgeschehen haben. Diese werden als Broker-Dealer registriert und sind nur wenigen Sonderregelungen unterworfen.724 Systeme der zweiten Stufe, die einen Marktanteil von 5% und mehr des Handels in einem Finanzinstrument haben, können sich zwar weiterhin als Broker-Dealer registrieren lassen, werden jedoch weitergehenden Regelungen unterworfen, wie z. B. besonderen Transparenzvorgaben.725 Weiterhin müssen sie allen Marktteilnehmern einen „fairen Zugang" gewähren.726 Erreichen diese Systeme einen Marktanteil von 20% in einem Finanzinstrument, müssen sie außerdem besondere Sicherheitsvorkehrungen für ihre Funktionsfähigkeit treffen.727 Sofern ein ATS einen wesentlichen Markt in einem bestimmten Finanzinstrument bildet, kann es von der SEC gemäß Rule 3al-l (b) zur Registrierung als Börse gezwungen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zum Schutz der Anleger geboten ist.728 Solche alternativen Han723 Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-39884 (Apr. 21, 1998), 63 FR 23504, 23506 (Apr. 29, 1998). Zu den Auswirkungen einer solchen Wahl siehe Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3D, § 23:13. Des Weiteren wollte die SEC Rule 17a-23 zurückziehen, weil ATSs nach der vorgeschlagenen Regelung als Börsen bzw. Broker-Dealer Informationen an die SEC weitergeben würden. Für Systeme, die keine ATSs seien, sollten weiterhin Informationspfiichten bestehen, nun aber über eine neu zu erlassende Rule 17a-3 und 17a-4. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-39884 (Apr. 21, 1998), 63 FR 23504, 23507 (Apr. 29, 1998). 724 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70847 (Dec. 22, 1998). 725 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70847 (Dec. 22, 1998); zu den Vorteilen eines solchen Ansatzes Lee, Exchange, S. 300; gegen ein Abstellen auf das Handelsvolumen zu Regulierungszwecken McCarroll, 33 Cornell Int. L. J. 211, 237f. (2000). 726 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70848 (Dec. 22, 1998). Zur vorgenommenen Senkung der EingrifTsschwelle von 20% auf 5% Marktanteil im Rahmen von Regulation NMS SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37550 (Jun. 29, 2005) - siehe unten Fn. 785. 727 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70848 (Dec. 22, 1998). 728 Nach C.F.R. § 240.3al-l (b) (1) (i), (ü) wird ein ATS als ein wesentlicher Markt angesehen, wenn es in drei der vorangegangenen vier Quartale 50 % oder mehr
l. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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delssysteme werden wie Börsen geregelt und bilden zusammen mit traditionellen Börsen die dritte Stufe. Prinzipiell ist damit die Einstufung eines ATSs als Börse nur von der Registrierung bei der SEC abhängig.729 Der Systembetreiber kann also zunächst selbst zwischen der Einordnung als ATS oder als Börse wählen.730 Entscheiden sich die Systembetreiber gegen die Registrierung als Börse, sind sie nach Rule 301 (b) (l) 731 der Regulation ATS dazu verpflichtet, sich gemäß Section 15 SEA als Broker-Dealer registrieren zu lassen. In diesem Fall hat das ATS die Vorschriften für Broker-Dealer zu beachten732 und muss gemäß Section 15 (b) (8) SEA733 Mitglied einer Selbstverwaltungskörperschaft734 - in der Regel der NASD - werden.735
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des durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens (in Dollar) in einem Finanzinstrument sowie 5% oder mehr in einer Kategorie von Finanzinstrumenten oder 40% oder mehr des durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens in einer Kategorie von Finanzinstrumenten auf sich vereinigt hat. Vgl. dazu Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 361 (2002); SpindlerlHüther, RIW 2002, 649 (653 Fn. 58). Zu den Schwierigkeiten der Einordnung von internetbasierten Handelssystemen siehe Thompson, 1999 Colum. Bus. L. Rev, 165, 178f., 185ff. Zu den Schwierigkeiten bei der Behandlung ausländischer Handelssysteme durch die SEC siehe McCarroll, 33 Cornell Int. L.J. 211, 226f. (2000). Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70847 (Dec. 22, 1998); BloomenthaltWolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3 D, § 23:12; Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 361 (2002); Collins, 2002 Law & Pol'y Int'l Bus. 481,492; Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 74; Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (653); Karmel, 5 N.Y.U. J. Legis. & Pub. Pol'y 33, 38 (2002); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 854 (2001); Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 768 (1999); Becker l Yim, 1127 PLI/Corp. 295, 304 (1999). 17 C.F.R. 242.301 (b)(l). 15U.S.C. §78o. 15US.C. §78o(b)(8). Auch Selbstverwaltungskörperschaften (SROs) sind zur Registrierung bei der SEC verpflichtet und werden von der SEC überwacht. Vgl. Section 19 SEA, 15 U.S.C. § 78s. Vgl. zu SROs B/oomenthal, Securities Law Handbook, § 1:2, S. 4f.; Becker, Börsen- und Kapitalmarktrecht, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 755 (806 ff.). Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3 D, § 23:12. Zur Pflichtmitgliedschaft der Broker-Dealer Choi, 88 Calif. L.Rev. 279, 282 (2000).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
3. Der Börsenbegriff Von zentraler Bedeutung für die neue Regelung war die neue Interpretation des Börsenbegriffs, die durch den Erlass der neuen Rule 3b-16 umgesetzt wurde.736 Die frühere Interpretation des Börsenbegriffs in Section 3 (a) (1) SEA erwies sich vor allem wegen des Rückgriffs auf das „allgemeine Verständnis" einer Börse als zu eng.737 Die von der SEC im Rahmen ihres Delta-Releases vorgenommene Konkretisierung des Börsenbegriffs beschränkte diesen vor allem auf solche Systeme, welche die Liquidität des Marktplatzes durch den Einsatz von Market Makern oder Specialists auf traditionellem Wege erhöhten.738 Elektronische Handelssysteme mit automatischer Auftragszusammenführung waren nach dieser Begriffsbestimmung von der Möglichkeit der Registrierung als Börse ausgeschlossen.739 Die zunehmende Ähnlichkeit von Börsen und den Handelssystemen von Broker-Dealern erschwerte die definitorische Abgrenzung zwischen den beiden Arten von Systemen.740 In der neuen Rule 3b-16 legte die SEC daher
736 17 C.F.R. § 240.3b-16 (SEA Rule 3b-16). 737 Vgl. Section 3 (a) (1) SEA, 15 U.S.C. § 78c (a) (l):„... any organization, association or group of persons, whether incorporated or unincorporated, which constitutes, maintains, or provides a market place or facilities for bringing together purchasers and sellers of securities or for otherwise performing with respect to securities the functions commonly performed by a stock exchange as that term is generally understood, and includes the market place and the market facilities maintained by such exchange." Für eine ausführliche Diskussion der Merkmale dieser Definition siehe Domowitz/Lee, Legal Basis, S. 11 ff; dies., On the Road to Reg ATS, Working Paper, S. 12 ff. 738 Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-27611 (Jan. 12, 1990), 55 FR 1890 (Jan. 19,1990); SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70898 f. (Dec. 22, 1998); Zur damaligen Konkretisierung des Börsenbegriffs durch die SEC Becker, Börsen- und Kapitalmarktrecht, in Hopt/ Rudolph/ Baum, Börsenreform, S. 755 (792ff); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 312ff. (1995); Vaupel, RIW 1995, 568 (572f.). 739 Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (652). 740 Wie die SEC ausführte gleichen die von ATSs angebotenen Leistungen stärker denen von Börsen als denen von Broker-Dealern. Die Regelung als „Markt" sei entsprechend der ökonomischen Funktion von ATSs angemessener. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70848 (Dec. 22, 1998); vgl. auch Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 362 (2002). Zum Drei-Stufen-System und seinen Auswirkungen siehe Lee, Exchange, S. 302ff; Gallagher, 47 Cath. U. L. Rev. 1009, 1045ff. (1998). Zur historischen Entwicklung der Regulierung von Alternativen Handelssystemen in den USA
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fest, dass eine Börse insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass sie Aufträge unterschiedlicher Käufer und Verkäufer nach etablierten und nichtdiskretionären Regeln zusammenführt. Die Interpretation des Börsenbegriffs in Rule 3b-16 (a) lautete: An organization, association, or group of persons shall be considered to constitute, maintain, or provide „a market place or facilities for bringing together purchasers and sellers of securities or for otherwise performing with respect to securities the functions commonly performed by a stock exchange", as those terms are used in section 3 (a) (1) of the Act (15 U.S.C. 78c [a] [1]), if such organization, association, or group of persons: (1) Brings together the orders for securities of multiple buyers and sellers; and (2) Uses established, non-discretionary methods (whether by providing a trading facility or by setting rules) under which such orders interact with each other, and the buyers and sellers entering such orders agree to the terms of the trade.741
Um zu vermeiden, dass dieser weite Börsenbegriff zu viele Systeme erfasst, schuf die SEC ein komplexes System von Ausnahmen.742 So werden durch Rule 3b-16 (b) Routingsysteme743 und Systeme von einzelnen BrokerDealern und Market Makern744 ausdrücklich vom Börsenbegriff ausgenommen.745 Die Ausnahme in Rule 3 a l-1 (a) (2) dient der Klarstellung, dass ATSs, die sich als Broker-Dealer haben registrieren lassen und die Vorschriften von Regulation ATS einhalten, von der Regulierung als Börse
741 742
743 744 745
siehe Fippinger, Securities Law, § 10:6.2 und Dornau, Alternative Handelssysteme, S. 18 ff. Rule 3b-16 (a), 17 C.F.R. § 240.3b-16 (a). Vgl. dazu auch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70847 (Dec. 22, 1998). 17 C.F.R. § 240.3al-l (a) lautet folgendermaßen: „An organization, association, or group of persons shall be exempt from the definition of the term 'exchange' ... if such organization, association, or group of persons: (1) Is operated by a national securities association; (2) Is in compliance with Regulation ATS; or (3) Pursuant to paragraph (a) of Rule 301 of Regulation ATS, is not required to comply with Regulation ATS." Vgl. dazu auch Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3D, § 23:11; Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 363 (2002); Matus, 44 N.Y.L. Sch. L. Rev. 583, 593 f. (2001). 17 C.F.R. §240.3b-16(b)(l). 17 C.F.R. § 240.3b-16 (b) (2). Diese Ausnahmen sind in der Praxis oft nur schwer zu bestimmen und auch nicht immer einleuchtend. Vgl. Spinaler!'Hüther, RIW 2002, 649 (652); siehe auch die Kritik von Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 767 (1999).
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ausgenommen werden.746 Regulation ATS regelt die marktähnlichen Funktionen von ATSs, vermeidet aber, diese Systeme auch solchen Börsenvorschriften zu unterwerfen, die für sie unangemessen wären.747 Bedingung für die Ausnahme eines ATSs vom Börsenbegriff ist allgemein, dass die SEC feststellt, dass sich eine solche Ausnahme mit dem öffentlichen Interesse und dem Anlegerschutz vereinbaren lässt.748
4. Der ATS-Begriff Auf dem neu formulierten Börsenbegriff aufbauend definierte die SEC den Begriff des „Alternative Trading System" in Rule 300 (a) als ein System, das Käufer und Verkäufer von Wertpapieren ähnlich einer Börse zusammenführt, ohne jedoch über die Anbahnung und Abwicklung der Transaktion hinausgehende Regelungen aufzustellen und andere als den Handelsausschluss beinhaltende Sanktionen vorzusehen.749 Aufgrund des Verweises auf die Interpretation des Börsenbegriffs nach Rule 3b-16 erfolgt eine funktionelle Verknüpfung des ATS-Begriffs mit dem Börsenbegriff. Alternative Handelssysteme erfüllen also immer auch zugleich die Voraussetzungen einer Börse.750 Eine Unterscheidung beider Begriffe ist damit aufgrund des 746 Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 594 (2001). 747 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70857 (Dec. 22, 1998); vgl. auch Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 594 (2001). 748 17C.F.R. §240.3al-l (b)(2). 749 17 C.F.R. 242.300 (a): „Alternative trading system means any organization, association, person, group of persons, or system: (1) That constitutes, maintains, or provides a market place or facilities for bringing together purchasers and sellers of securities or for otherwise performing with respect to securities the functions commonly performed by a stock exchange within the meaning of Rule 3 b-16 of the Exchange Act; and (2) That does not: (i) Set rules governing the conduct of subscribers other than the conduct of such subscribers' trading on such organization, association, person, group of persons, or system; or (ii) Discipline subscribers other than by exclusion from trading." Grund für die Einschränkung in 17 C.F.R. 242.300 (a) (2) ist die von der SEC gesehene Gefahr, dass die Möglichkeit, Regelungen zu erlassenen, zu wettbewerbshindernden Maßnahmen missbraucht werden könnte und sie dies daher den SROs vorbehalten wollte. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70859 (Dec. 22, 1998). 750 Vgl. Collins, 2002 Law & Pol'y Int'l Bus. 481, 486; Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (652); Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 765 (1999); ähnl. Borrelli, 32 Loy. U Chi. L.J. 815, 854 (2001); Malus, 44 N.Y.L. Sch. L. Rev. 583, 594f. (2001).
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tatsächlichen Erscheinungsbildes des jeweiligen Systems nicht mehr möglich.751 Es bleibt nur noch die Unterscheidung auf formaler Ebene, also aufgrund der Registrierung als Börse und damit verbunden die Ausübung von Regulierungsfunktionen und der Selbstverwaltung.752 Aufgrund von Rule 3b-16 erfasst auch die Definition des ATSs weder bilaterale Handelssysteme753 noch passive oder teilaktive Bulletin Boards.754 Darüber hinaus werden Routingsysteme755 und Systeme von einzelnen Dealern und Market Makern 756 in Rule 3b-16 (b) vom Börsen- und damit vom ATS-Begriff ausdrücklich ausgenommen. Um Regulation ATS als flexible Regelung auszugestalten, führte die SEC in Rule 301 (a) (l)-(5) spezielle Ausnahmen von dieser Definition ein.757 Danach werden von der Regulierung als ATS solche Systeme ausgenommen, die (1) als Börsen registriert worden sind, (2) nur kleine Transaktionsvolumina aufweisen, (3) von einer National Securities Association betrieben werden, (4) als Broker-Dealer unter Section 15 (b) oder Section 15C des Securities Exchange Act registriert oder eine Bank sind und nur „government securities"758 oder verwandte Wertpapiere759 handeln oder (5) durch die SEC von der Regulierung ausdrücklich ausgenommen worden sind. Gründe für diese Ausnahmen sind, dass für diese Systeme entweder bereits eine ausreichende Regelung besteht760 oder die Auswirkungen dieser Systeme als relativ geringfügig
751 Spindlerl Hüther, RIW 2002, 649 (652). 752 Spindlerl'Hüther, RIW 2002, 649 (652). Krit. Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 73. „Governing the conduct of subscribers" bedeutet, dass Nutzer bestimmte Voraussetzungen erfüllen bzw. sich mit bestimmten Anforderungen einverstanden erklären müssen, um überhaupt zum Handel zugelassen zu werden. Vgl. Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 360 (2002). 753 Vgl. den Wortlaut „multiple buyers and sellers". 754 Vgl. 17C.F.R. § 240.3 b-16 (a) (2). 755 17C.F.R. § 240.3b-16 (b) (1). 756 17C.F.R. § 240.3b-16 (b) (2). 757 17 C.F.R. § 240.3al-l verweist auf die Ausnahme in Rule 301 (a), 17 C.F.R. 242.301 (a), um die dort erwähnten Systeme auch von der Börsendefinition auszunehmen. 758 Der Begriff „government security" wird in Section 3 (a) (42) SEA, 15 U.S.C. 78 c (a) (42) definiert. Zu dieser Ausnahme siehe Fippinger, Securities Law, §10:6.2 [D]. 759 Dies sind „repurchase and reverse repurchase agreements" oder bestimmte Optionen auf „government securities" oder „commercial papers". Der Begriff „commercial paper" wird in 17 C.F.R. 242.300(m), definiert. 760 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70859f. (Dec. 22, 1998); siehe dazu auch Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583,595(2001).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
angesehen werden bzw. nicht einmal eine Registrierung als Broker-Dealer erforderlich ist.761 Die Ausnahme in Nr. 5 soll es der SEC ermöglichen, im Interesse der zur Weiterentwicklung von ATSs notwendigen Flexibilität Sonderregelungen für zukünftige Systeme zu treffen, für die die erlassenen Regelungen nicht angemessen erscheinen.762 5. Überblick über die Vorschriften von Regulation ATS Die Vorschriften von Regulation ATS treten zu den Vorschriften für Broker-Dealer und denjenigen des jeweiligen SROs hinzu, dem sich ein ATS angeschlossen hat. Sie enthalten insbesondere marktbezogene Pflichten, wobei die Vorschriften über die Transparenz und den fairen Zugang das Kernstück der Regelungen bilden.763 a) Anzeige- und Berichtspflichten, Unterstützung der Überwachung durch SEC und SROs Zunächst verpflichtet Rule 301 (b) (2) jedes ATS, spätestens 20 Tage vor Handelsaufnahme bei der SEC einen „Operation Report" einzureichen.764 Dieser muss eine detaillierte Beschreibung des Handelsablaufs, der zukünftigen Teilnehmer und der zu handelnden Wertpapiere sowie des Verfahrens für die Überwachung der Systemkapazität, der Systemsicherheit und der Notfallpläne beinhalten.765 Bei wesentlichen Veränderungen in der Folge761 So ist für den Handel eines „commercial paper" keine Registrierung notwendig. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70860 (Dec. 22, 1998). 762 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70863 (Dec. 22, 1998); vgl. auch Spindler lHüther, RIW 2002, 649 (657). 763 Ca. 2/3 des Teils des Releases, der die Pflichten für ATSs betrifft, hat die SEC diesen Vorschriften gewidmet. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70864 f. (Dec. 22, 1998) 764 17 C.F.R. 242.301 (b) (2) (i). Vgl. dazu und zum Folgenden auch Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3 D, § 23:12; Spindler l Hüther, RIW 2002, 649 (657); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 855 (2001); Malus, 44 . .L. Seh. L. Rev. 583, 597 (2001). 765 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70863 (Dec. 22, 1998). Es handelt sich hierbei laut der SEC jedoch nur um eine Anzeigepflicht, nicht um die Stellung eines Antrages, der noch von der Zustimmung der SEC abhängt. Zur Erfüllung dieser Pflicht ist das Formblatt Form ATS, 17 C.F.R. 249.637 zu verwenden, abrufbar unter http://www.sec.gov/ pdf/sec2550.pdf.
1. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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zeit oder wenn Ungenauigkeiten festgestellt werden, muss der Report ergänzt bzw. berichtigt werden.766 Dazu gehört auch, dass die Betreiber eines ATSs der SEC melden, wenn sie den Betrieb des ATSs einstellen.767 ATSs sind nicht selbst zur Überwachung des Handels verpflichtet. Sie müssen jedoch alle Informationen aufzeichnen, die für eine aussagekräftige Buchungskontrolle der täglichen Transaktionen notwendig sind.768 Dies ist vor allem deshalb notwendig, weil die SEC nur Broker-Dealer, die bei ihr registriert sind, direkt kontrollieren kann, nicht aber andere Marktakteure, wie z. B. institutionelle Anleger, die einen direkten Zugang zu ATSs haben können.769 Mit der Aufzeichnungspflicht korrespondiert eine quartalsweise Berichtspflicht bezüglich der wichtigsten Informationen.770 Die zu sammelnden und aufzubewahrenden Informationen müssen tägliche Handelsübersichten, Auflistungen der Orderinformationen in zeitlicher Reihenfolge, Anzahl der Transaktionen, Anzahl der gehandelten Wertpapiere, Gesamtumsatz der Transaktion in US-Dollar und die den Teilnehmern zugeleiteten Meldungen enthalten 771 und für mindestens drei Jahre aufbewahrt werden.772 Darüber hinaus müssen ATSs jegliche Untersuchungen durch die SEC und das SRO, bei dem sie Mitglied sind, dulden und diese bei ihren Untersuchungen des Handelsverhaltens von Teilnehmern des ATSs unterstützen.773
766 17 C.F.R. 242.301 (b) (2) (ii)-(v). 767 17 C.F.R. 242.301 (b) (2) (v). 768 17 C.F.R. 242.301 (b) (8). Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70877 (Dec. 22, 1998). 769 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70877 (Dec. 22, 1998). 770 17 C.F.R. 242.301 (b) (9). Diese sind auf dem Formblatt Form ATS-R, 17 C.F.R. 249.638, abrufbar unter http://www.sec.gov/pdf/sec2551.pdf, einzureichen. Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70878 (Dec. 22, 1998). Diese Berichtspflicht ersetzte für ATSs die früher bestehende Berichtspflicht nach Rule 17a-23. 771 17 C.F.R. 242.302. Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 3440760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70877 (Dec. 22, 1998); Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 361 (2002); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 858f. (2001); Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 600 (2001); BeckerlMacauleylGallagherlBondelic, 1147 PLI/Corp. 127, 149f. (1999). 772 17 C.F.R. 242.303. Darüber hinaus müssen ATSs ihre Satzungen und Statuten sowie Kopien aller bei der SEC eingereichten Reports für die gesamte Zeit ihres Bestehens aufheben. Vgl. 17 C.F.R. 242.303 (a) (2). Siehe dazu auch Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 858 (2001). 773 17 C.F.R. 242.301 (b) (7). Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70877 (Dec. 22, 1998).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
b) Transparenzpflichten Außerdem erweiterte die SEC die Transparenzpflichten, die sie in den Order Handling Rules den Market Makern und Specialists auferlegt hatte, auf ATSs.774 Nach Rule 301 (b) (3) ist ein ATS, das Orders Personen außerhalb seines Mitarbeiterkreises zugänglich macht und während wenigstens vier der vorausgegangenen sechs Monate ein durchschnittliches Handelsvolumen von 5% oder mehr in einem Finanzinstrument775 auf sich vereint, verpflichtet, seine bestgepreisten Kauf- und Verkaufsorders (best bid and offer, BBO) einer Börse oder einer National Securities Association zu übermitteln.776 Volumina und Preise von Orders bzgl. solcher Wertpapiere sind dann in die Kursdaten (quotation data) aufzunehmen, die von der Börse oder der Händlervereinigung an die Öffentlichkeit weiterübermittelt werden.777 Die Veröffentlichungspflicht besteht aber nur hinsichtlich der besten Kauf- und Verkaufsorders des entsprechenden Finanzinstrumentes, bei dem die 5 %-Schwelle überschritten wird. Das betroffene ATS ist nicht verpflichtet, sämtliche BBOs an die Börse oder die NASDAQ weiterzuleiten.778 Sofern ein Handelssystem die eingegebenen Orders nicht innerhalb des Systems veröffentlicht, wie dies bei Crossing-Systemen regelmäßig der Fall ist, müssen diese Orders auch nicht an andere Märkte übermittelt werden.779 Aber auch bei Systemen, die ihre Orders veröffentlichen müssen, wird die Anonymität des Handelnden bei der Einstellung größerer Orders
774 Vgl. zum Folgenden auch Bloomenthall Wolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3 D, § 23:12; Spinaler l Hüther, RIW 2002, 649 (658); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 855 f. (2001); Matus, 44 N.Y.L. Sch. L. Rev. 583, 597 (2001). 775 Vgl. dazu 17 C.F.R. 242.300 (g) mit dem Verweis auf Rule llAcl-1 (a) (6), 17 C.F.R. § 240.1 lAcl-1 (a) (6). Dort wird „covered security" wie folgt definiert „...any reported security and any other security for which a transaction report, last sale data, or quotation information is disseminated through an automated quotation system ..." Damit sind alle börsengelisteten Wertpapiere sowie die NASDAQ National Market und NASDAQ SmallCap Papiere erfasst. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70866 (Dec. 22, 1998); Spinaler!Hüther, RIW 2002, 649 (658, Fn. 154); Becker/ MacauleylGallagherlBondelie, 1147 PLI/Corp. 127, 151 (1999). 776 17 C.F.R. 242.301 (b) (3) (i). Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70865 (Dec. 22, 1998). 777 17 C.F.R. 242.301 (b) (3) (ii). 778 Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70866 (Dec. 22, 1998); Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (658); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 855 f. (2001). 779 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70866 (Dec. 22, 1998).
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zu einem gewissen Grad gesichert. Das „Public Display Requirement" verlangt nur, dass das ATS identifizierbar ist, nicht aber die Bekanntgabe der Person des Handelspartners.780 Außerdem können institutionelle Anleger bei einigen ATSs ihre Orders so aufstückeln, dass immer nur ein Teil der Order den anderen Teilnehmern bekannt gemacht wird und demzufolge auch nur dieser Teil der Order übermittelt werden muss. Im Anschluss an die Übermittlung der Orderinformationen an die Börse bzw. Händlervereinigung muss ein solches ATS denjenigen Broker-Dealern, die Zugang zu der jeweiligen Börse oder Händlervereinigung haben, bei der das ATS seine Kurse veröffentlicht hat, gleichermaßen Zugang zum eigenen System gewähren und ihnen ermöglichen, gegen die veröffentlichten Orders zu handeln.781 „Fremden" Brokern müssen jedoch nur die besten Orders zugänglich gemacht werden, so dass sie nur die Entscheidung zum Ausführen oder Nichtausführen ihrer eigenen Orders gegen die besten Quotes haben, nicht jedoch die Möglichkeit, auf andere als die bestgepreisten Quotes zuzugreifen oder gar eigene Orders bzw. Quotes in das System einzustellen.782 Bei der Zugangsgewährung müssen ATSs die Regeln und Standards bezüglich der Erhebung von Gebühren beachten, die von der Börse bzw. Händlervereinigung erlassen worden sind, über die die Nichtmitglieder Zugang zum ATS erhalten haben.783 Außerdem dürfen die Gebühren nicht diskriminierend wirken.784
c) Zugang zum Handelssystem Hat ein ATS während wenigstens vier der vorangegangenen sechs Monate einen Marktanteil von 5%785 oder mehr am durchschnittlichen täglichen 780 Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (658). 781 17 C.F.R. 242.301 (b) (3) (iii). Dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70869 f. (Dec. 22, 1998). 782 Spindler/Hüther, RIW 2002, 649 (658). 783 17 C.F.R. 242.301 (b) (3) (iii). SEC, Securities Exchange Act Release No 3440760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70871 (Dec. 22, 1998). 784 17 C.F.R. 242.301 (b) (4). Dazu Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 856, 860 (2001). 785 In der ursprünglichen Fassung war ein Schwellenwert von 20% vorgesehen. Im Rahmen von Regulation NMS wurde dieser Schwellenwert auf 5% gesenkt. Als Grund für diese Senkung gab die SEC an, dass aufgrund des Übergangs zu privaten Marktverbindungen im Rahmen von Regulation NMS - dazu unten 2. Teil: 1. Kapitel: V. 2. - der Fairness und Effizienz eine noch größere Bedeutung zukomme und die entsprechenden Vorgaben daher bereits zu einem frühe-
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Handelsvolumen in einem bestimmten Finanzinstrument,786 hat dieses ATS nach Rule 301 (b) (5) allen potentiellen Teilnehmern einen fairen und diskriminierungsfreien Zugang zum System zu gewähren.787 Vereinigt ein ATS ein solches Handelsvolumen auf sich, besteht laut der SEC die Gefahr, dass Marktteilnehmer, die keinen Zugang zu dem jeweiligen ATS haben, aufgrund unfairer Diskriminierung benachteiligt werden könnten, weil in diesem Fall mögliche Alternativen für entsprechende Transaktionen begrenzt sind.788 Ob diese Voraussetzung vorliegt, wird für jedes Finanzinstrument einzeln überprüft.789 Die Voraussetzungen können also für ein Finanzinstrument erfüllt sein, für ein anderes dagegen nicht. Im zweiten Fall ist der Betreiber des ATSs nicht verpflichtet, „fremden" Brokern einen fairen Zugang zum Handelssystem zu gewähren.790 Ein ATS, das fairen Zugang zu gewähren hat, muss schriftlich niedergelegte Standards bezüglich der Gewährung des Zugangs zum Handel auf dem System aufstellen791 und muss diese Standards in einer fairen und
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ren Zeitpunkt einsetzen müssten. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37550 (Jun. 29, 2005). Der Begriff der „relevant securities" in diesem Zusammenhang umfasst neben „covered securities" - siehe dazu Fn. 775 - auch Aktien, die nicht unter den Begriff des „covered securities" fallen, „municipal securities", „investment grade corporate debt" und „non-investment corporate debt". Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70873 (Dec. 22, 1998). Siehe 17 C.F.R. 242.301 (b) (5) (i), (ii). Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70872f. (Dec. 22, 1998). Für die Berechnung des Handelsvolumens siehe NASD, Notice to Members 99-34. Vgl. dazu und zum Folgenden BloomenthallWolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3 D, § 23:12; SpindlerlHüther, RIW 2002, 649 (659); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 856 (2001); Mains, 44 N.Y.L. Sch. L. Rev. 583, 598 (2001). SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70872 (Dec. 22, 1998). Ob der mit der Zwangsöffnung von ATSs verbundene Eingriff in deren Privatautonomie mit den Zielen des NMS gerechtfertigt werden kann, wie dies die SEC tut, ist umstritten. Bejahend etwa Spindler/ Hüther, RIW 2002, 649 (659). Krit. insb. Macey/O'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17,47ff. (1999); Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 770 (1999). SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70873 (Dec. 22, 1998). SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70873 (Dec. 22, 1998); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 856 (2001). 17 C.F.R. 242.301 (b) (5) (ii) (A).
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nicht diskriminierenden Weise anwenden.792 Außerdem muss es über Zulassungen, Ablehnungen und Zugangsbeschränkungen detailliert Buch führen.793 d) Kapazität, Integrität und Sicherheit des elektronischen Systems ATSs mit einem täglichen Handelsvolumen von 20% oder mehr in einem bestimmten Finanzinvestment werden nach Rule 301 (b) (6) zusätzlichen Regeln hinsichtlich der Kapazitäts-, Integritäts- und Sicherheitsanforderungen unterworfen.794 Denn bei solchen ATSs besteht bei einem Systemzusammenbruch eine ähnlich große Gefahr für den Gesamtmarkt wie bei den automatisierten Systemen von SROs.795 Die betroffenen ATSs müssen (1) angemessene Kapazitätseinschätzungen für Gegenwart und Zukunft erstellen, (2) wiederkehrende Stresstests für kritische Systeme durchführen, um sicherzustellen, dass diese Systeme in der Lage sind, Transaktionen korrekt, zeitgerecht und effizient auszuführen,796 (3) angemessene Verfahren für die Überwachung der Systementwicklung und -methodik (-mechanismus) entwickeln und implementieren, (4) die Anfälligkeit ihrer Systeme gegenüber internen und äußeren Bedrohungen, technischen Risiken und Naturkatastrophen überprüfen und (5) angemessene Notfall- und Katastrophenpläne aufstellen.797 ATSs müssen jedes Jahr prüfen lassen, ob die von ihnen eingeführten Verfahren mit diesen Anforderungen noch in Einklang stehen,798 und die SEC über alle erheblichen Systemausfälle und wesentlichen Veränderungen der Systeme unverzüglich informieren.799 Diese Vorkehrungen haben ATSs für alle Systeme zu treffen, die der Ordereingabe, dem Orderhandling, der Order-
792 17 C.F.R. 242.301 (b) (5) (ii) (B). 793 17 C.F.R. 242.301 (b) (5) (ii) (C). 794 17 C.F.R. 242.301 (b) (6). Siehe dazu auch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70875 (Dec. 22, 1998). 795 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70875 (Dec. 22, 1998). Vgl. dazu auch Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 599(2001) 796 17 C.F.R. 242.301 (b) (6) (ii) (B). 797 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70876 (Dec. 22, 1998). Vgl. zu diesen Pflichten auch Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 367 (2002); Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 599 (2001); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 857 (2001). 798 17 C.F.R. 242.301 (b) (6) (ii) (F). 799 17 C.F.R. 242.301 (b) (6) (ii) (G).
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ausführung, dem Routing oder der Erstellung von Transaktionsbestätigungen dienen.800
6. Kurze Bewertung von Regulation ATS a) Vorzüge der Regelungen Regulation ATS behält einen Teil der Flexibilität des No-Action Letter Ansatzes bei, indem sie den Betreibern bei der Registrierung ihrer Systeme eine Wahlmöglichkeit einräumt. Diese Flexibilität geht nun aber nicht mehr zu Lasten der Rechtssicherheit. Da die Betreiber von ATSs selbst Einfluss auf ihre Registrierung und damit auf ihre Regulierung nehmen können, sind sie nun besser in der Lage, vorab einzuschätzen, welche Anforderungen und Investitionsausgaben auf sie zukommen. Insgesamt scheint Regulation ATS den Wettbewerb der Handelsplätze zu fördern,801 ihm zumindest aber nicht abträglich zu sein.802 Für die SEC waren insbesondere die Vorschriften über den fairen Zugang und die verstärkte Transparenz von großer Bedeutung.803 Gerade durch diese Regelungen erhoffte sie sich einen größeren Wettbewerb zwischen den Market Makern und zusätzlichen Wettbewerb durch die bessere Einbindung von Kundenlimitorders in das NMS.804 Dass die von der SEC vorgeschriebene bessere Markttransparenz ein effektives Mittel dafür ist, haben neuere Studien zu den Auswirkungen der Order Handling Rules gezeigt.805 Laut dieser
800 Vgl. Spindler!Hüther, RIW 2002, 649 (657). 801 Vgl. Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 601 (2001). 802 So stieg der Marktanteil der elf größten ATSs am Handelsvolumen in an der NASDAQ gehandelten Wertpapieren bis August 2002 auf ca. 46%. Vgl. Chlaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 367 (2002). 803 Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 601 (2001). 804 Dies ist insb. auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass viele Broker einen weiten Ermessensspielraum für die Wahl des Handelsplatzes haben, weil der SEC zufolge nicht-institutionelle Marktteilnehmer ihren Brokern selten Anweisungen bzgl. des Handelsortes geben. Siehe dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10582 (Feb. 28, 2000). 805 Wesfon, 55 J. Fin. 2565, 2566 f. (2000); Barclay l ChrisüelHarrisl Handelt Schultz, 54 J. Fin. 1,3, 16 (1999); Smith, NASD Working Paper 98-02, S. 17; vgl. auch Bessembinder, 34 J. Fin. & Quant. Anal. 387, 400 (1999). Siehe dazu auch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10580, 10584 (Feb. 28, 2000).
l. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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Studien haben die neuen Regeln zu einer erheblichen Verringerung der Spreads an der NASDAQ geführt.806 Die mit Regulation ATS eingeführten Transparenzvorschriften, die von ATSs ab einer bestimmten Größe die Veröffentlichung der besten Preisstellungen verlangen, ermöglichen es nun den Anlegern, ihre Broker besser daraufhin zu kontrollieren, ob sie ihrer Pflicht zur „best execution" nachkommen.807
b) Die Kritik an Regulation ATS Regulation ATS blieb aber auch nicht ohne Kritik. So gaben die Transparenzpflichten Anlass zu zahlreichen besorgten Stellungnahmen hinsichtlich der Gefahr für die Anonymität und dem damit verbundenen Market Impact.808 Die SEC war sich jedoch sicher, dass ihre Regelung die Anonymität nicht in Frage stellen würde, da nur ATSs nicht aber die individuellen Nutzer identifizierbar seien. Außerdem vermissten mehrere Kommentatoren eine Regelung zum Handel an ausländischen Märkten.809 Zwar hatte die SEC in ihren Concept Release Vorschläge dazu unterbreitet. In ihrer Regulation ATS hatte sie jedoch keine entsprechenden Regelungen aufgenommen. Besondere Beachtung fanden vor allem der neue Börsenbegriff, die Vorschriften über die Gewährung eines fairen Zugangs und die Mitgliedschaft in einem SRO. i) Die Kritik am Börsenbegriff Am neuen Börsenbegriff wurde kritisiert, dass er inkonsistent wäre.810 So würden z. B. automatisierte Systeme großer Brokerfirmen für die Verarbeitung und das Routing von Orders oft intern Orders zusammenführen, z. T. sogar mit Hilfe von „non-discretionary methods". Dennoch wolle die SEC solche Systeme vom Börsenbegriff und damit von der Börsenregulierung
806 Barclay/Christie/Harris/KandellSchultz, 54 J. Fin. l, 3 (1999) sprechen von einer Verringerung um bis zu 30%. 807 Zur Pflicht zur Best execution bzw. kundengünstigsten Ausführung von Kundenaufträgen in den USA siehe unten 4. Teil: 4. Kapitel: IV. 2. 808 Vgl. Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 366 (2002). 809 Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 38 (1999); Karmel, N.Y.U. J. Legis. & Pub. Pol'y 33, 38 (2002). Vgl. dazu SpindlerlHüther, RIW 2002, 649 (659f.). 810 Kiock, 51 Fla. L. Rev. 753, 766 (1999).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
ausnehmen.811 Die SEC würde nicht zufriedenstellend erklären, wann es sich bei einem System nur um ein internes System und wann es sich um eine Börse handele. Das einzelne System eines Dealers, das Orders innerhalb der an der NASDAQ quotierten Preisspanne ausführe, solle keine Börse sein, ebenso wenig das interne System eines Retailbrokers (Broker für Privatanleger). Dagegen sollten laut der SEC die meisten Inter-Dealer Brokers (IDB) vom Börsenbegriff erfasst werden.812 Die ökonomische Funktion von IDBs sei jedoch exakt die gleiche wie die eines Retailbrokers, nur für eine andere Art von Kunden.813 Die von der SEC bzgl. der Einbeziehung von IDBs gegebene Rechtfertigung könne in gleicher Weise für Retailbroker angeführt werden. Scheinbar glaube die SEC, IDBs spielten eine aktive Rolle bei der Anzeige von Quotes und der Werbung um Transaktionen, Retailbroker dagegen nicht.814 Aber auch Retailbroker hätten Websites, auf denen sich Kunden Quotes anzeigen lassen und Orders aufgeben könnten.815 Damit scheine es letztlich nur darauf anzukommen, ob es sich bei dem System um eines für Privatanleger oder um eines für Großinvestoren handle.816 ii) Die Kritik an den Zugangs- und Transparenzvorschriften Kritisiert wurden auch die Vorschriften über die Zugangsgewährung und die Transparenzvorschriften. Die Regelung, einen fairen Zugang gewähren zu müssen, schmälere die Vorteile der Mitgliedschaft in einem ATS erheblich und schwäche damit die Konkurrenten der Börsen.817 Wann immer Händler gegen öffentliche Orders handelten, würden sie riskieren, mit einem besser informierten Kunden, insbesondere einem Insider, zu handeln. Dies erhöhe ihr Risiko und damit ihre Kosten, was wiederum zu höheren Spreads führe, um diese Kosten zu decken. Wenn Händler ihr eigenes System aufstellen würden, das nur von Händlern benutzt werden könne, könnten sie das Risiko, mit einem Insider zu handeln, eliminieren und dadurch mit niedrigeren Kosten (also kleineren Spreads) handeln. In einem 811 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70854 (Dec. 22, 1998). 812 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70853 (Dec. 22, 1998). 813 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 766 (1999). 814 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 767 (1999). Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70853 (Dec. 22, 1998). 815 So z. B. Brown & Co., vgl. http://www.brownco.com. 816 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 767 (1999). 817 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 770 (1999).
l. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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Wettbewerbsumfeld würden diese Ersparnisse an die Öffentlichkeit weitergegeben werden und daher den Anlegern nützen. Regulation ATS verhindere dies jedoch.818 Weiterhin habe die SEC zwar dargelegt, warum in ihren Augen ein fairer Zugang wichtig sei. Sie habe jedoch nicht begründet, warum eine solche Zugangsverpflichtung für größere ATSs, nicht aber für kleine ATSs gelten solle.819 Diese Unterscheidung führe zu einer Bestrafung des Erfolgs.820 Je größer und erfolgreicher ein System sei, desto höhere Anforderungen müsste es erfüllen und desto größere Kosten müsste es auf sich nehmen. Dies würde letztlich die Fragmentierung des Marktes fördern und damit zum Gegenteil des von der SEC Gewollten führen. Denn für die Betreiber wäre es sinnvoller, viele kleine Systeme zu betreiben, die keinen Zugang gewähren müssten, als ein großes, das der Zugangsverpflichtung unterliegen würde.821 „Fairer Zugang" bedeutet schließlich auch, dass besonders erfolgreiche Systeme, die die 5%-Grenze überschreiten, ihren Wettbewerbern erlauben müssten, Mitglied zu werden. Sie müssen objektive Standards für die Mitgliedschaft aufstellen und diese in nicht-diskriminierender Weise anwenden.822 Wettbewerbern würde es dadurch ermöglicht - so die Kritik -, von den Investitionen dieser ATSs zu profitieren. Dies würde den Anreiz, größere Summen in die Errichtung neuer Systeme zu investieren, drastisch verringern.823 Kritisiert wurden schließlich auch die von der SEC gewählten Prozentschwellen, denn es sei nicht klar, welcher Prozentsatz jeweils angemessen sei und ob gerade die von der SEC gewählten Prozentsätze die richtigen seien.824 818 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 770, Fn. 141 (1999). 819 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 770 (1999). Die SEC sieht die Kostenlast, die eine solche Vorschrift mit sich bringt, für kleine Systeme als zu hoch an, um die dadurch entstehenden Kosten zu rechtfertigen. Sie hält sie jedoch für größere ATSs für tragbar. Siehe dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70874 (Dec. 22, 1998). 820 McCarroll, 33 Cornell Int. L.J. 211, 226 (2000); Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 770 (1999). 821 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 770 (1999). 822 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70873 (Dec. 22, 1998). 823 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 770 (1999). 824 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 770 (1999). Besonders ungeschickt sei das Vorgehen der SEC, wenn sie zukünftig mit den Grenzwerten „herumspielen" wolle. Die SEC hatte erklärt, dass sie den Effekt der „fair access"-Vorschriften beobachten und sie, wenn nötig, verändern werde. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70873, Fn. 245 (Dec. 22, 1998).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
iii) Kritik an der Mitgliedschaft in SROs
Wie bereits beim Concept Release wurde schließlich auch kritisiert, dass ATSs Mitglied in einem SRO werden müssen.825 Der Zweck, der damit verfolgt werde, nämlich die Einbindung von ATSs in Überwachungssysteme, sei zwar sinnvoll, aber die gewählte Methode unpassend. ATSs würden gezwungen, Mitglied in einem SRO zu werden, das ein eigenes Handelssystem betreibe und damit ein unmittelbarer Konkurrent sei. Sie würden also der Aufsicht durch einen Wettbewerber unterworfen und müssten dessen Vorschriften akzeptieren.826 Damit würden SROs - als Regulierende und Konkurrent zugleich - Interessenkonflikten ausgesetzt werden, was zu Lasten der ATSs ginge.827 Die einzige Alternative für ATSs sei, sich selbst als Börse registrieren zu lassen und sich damit in vollem Umfang den Börsenvorschriften zu unterwerfen.828
V. Weiterer Regelungsbedarf laut SEC /. Fragmentation Release Auch nach dem Erlass von Regulation ATS sah die SEC weiterhin Regulierungsbedarf. Unzulänglichkeiten lagen ihrer Ansicht nach insbesondere in der wettbewerbsfeindlichen Weise der Verteilung des Orderflusses auf die verschiedenen Märkte.829 Zwar hatte die SEC mit Regulation ATS alter-
825 Klock, 51 Fla. L. Rev. 753, 771 (1999); Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 38 (1999). 826 Die SEC hatte dies früher sogar selbst als problematisch angesehen. Vgl. etwa SEC, Securities Exchange Act Release No 34-38672 (May 23, 1997), 62 FR 30485, 30486 (Jun. 4, 1997). 827 Poser, 11 U. Pa. J. Int'l Econ. L. 497, 535 f. (2001); Thompson, 1999 Colum. Bus. L. Rev. 165, 193f.; Cohen, 4 Stan. J. L. Bus. & Fin. l, 38 (1999); Nyquist, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 309 (1995); Oesterle, 19 Iowa J. Corp. L. 483, 501 f. (1994). 828 Zu den damit verbundenen Nachteilen McCarroll, 33 Cornell Int. L.J. 211, 229, 241 fT. (2000); MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 51 (1999). Allerdings glaubte die SEC, dass sich solche Interessenkonflikte durch ihre eigene Aufsicht über SROs minimieren ließen und sah die Registrierung als wirkliche Alternative. Vgl. Chtaneva, 17 Bank. & Fin. L. Rev. 341, 365 (2002). 829 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10579ff. insb. 10583 (Feb. 28, 2000). Vgl. auch BloomenthallWolff, Securities and Federal Corporate Law, Vol. 3D, § 23:5; Otness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1625ff.; Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 883 (2001); Malus, 44 N.Y.L. Sch.L. Rev. 583, 601(2001).
I. Kapitel: Die Regelungen in den USA und ihre Entwicklung
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native Handelssysteme stärker in das NMS eingebunden. Jedoch verpflichteten die im Rahmen des NMS zwischen den Marktzentren eingerichteten Verbindungen die einzelnen Handelssysteme nicht dazu, die Orders zu dem Markt zu routen, der den besten Preis veröffentlichte. Vielmehr konnten Orders weiterhin innerhalb des jeweiligen Marktes zusammengeführt werden, sofern der angebotene Preis dort mit dem (insgesamt) besten Preis gleichzog (so genanntes „price matching").830 Dies führte zu einer Isolierung der Orders einzelner Systeme. Gleichzeitig herrschten keine einheitlichen Prioritätsregeln. Daher konnte ein Marktteilnehmer, der einen besseren Preis als jeder andere Teilnehmer öffentlich anbot, nicht sicher sein, dass seine Order mit der nächsten Order der Gegenseite zusammengeführt wurde, wenn diese in einem anderen System aufgegeben wurde.831 Auch die Probleme der Internalisierung des Orderflusses und die Bezahlung für die Zuleitung von Orders (Payment for Order Flow) wurden durch Regulation ATS nicht gelöst.832 In den Augen der SEC ließ sich der Wettbewerb zwischen den Systemen und Marktplätzen weiter intensivieren, wenn diejenigen Märkte, welche die besten Quotes veröffentlichten, auch zwangsläufig die Orders, für welche die Kunden keinen speziellen Ausführungsort bestimmt hatten, erhalten würden. Hierzu schlug die SEC in ihrem Release vom 28. Juli 2000 zwei Regulierungsmöglichkeiten vor.833 Der erste Vorschlag beinhaltete eine Verpflichtung der Marktzentren, monatliche Berichte über die Qualität des Order-
830 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10583 (Feb. 28, 2000). Vgl. auch Malus, 44 N.Y.L. Seh. L. Rev. 583, 602 (2001). 831 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10583 (Feb. 28, 2000). 832 Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10582 (Feb. 28, 2000); Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 883 ff. (2001). 833 Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-43084 (Jul. 28, 2000), 65 FR 48406 (Aug. 8, 2000). Noch in ihrem ersten Release hatte die SEC sechs möglichen Vorgehensweisen vorgestellt: (1) Verpflichtung von Märkten und Brokern zu einer vermehrten Transparenz bei Transaktionen und Orderrouting, (2) Verbot von Internalisierung und Payment for Order Flow, (3) Veröffentlichung von Marktorders zur Verbesserung des Preiswettbewerbs, (4) ein Verbot für Market Maker, vor Limitorders von Anlegern zu handeln, die vorher veröffentlicht und zugänglich gemacht worden sind, (5) Einführung einer auf den Gesamtmarkt bezogenen Zeitpriorität für Limitorders oder Quotierungen, welche die NBBO verbessern, (6) Einführung einer Preis/Zeit-Priorität für alle veröffentlichten Handelswünsche. Siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-42450 (Feb. 23, 2000), 65 FR 10577, 10580, 10586-88 (Feb. 28, 2000). Vgl. dazu auch Otness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1628 ff.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
handling und der Orderausführung zu veröffentlichen. Nach dem zweiten Vorschlag sollten Broker-Dealer, die Orders ihrer Kunden weiterleiten, vierteljährliche Berichte über ihre Orderroutingpraktiken sowie die Systeme, zu denen die Kundenorders geroutet werden, veröffentlichen. Weiterhin sollten Broker verpflichtet werden, auf Anfrage ihrer Kunden, diese darüber zu informieren, wohin ihre individuellen Orders geroutet wurden. Beide Vorschläge setzte die SEC in ihrem Release vom 17. November 2000 um.834 Damit müssen Marktzentren nun monatlich Informationen elektronisch veröffentlichen, in denen sie die Qualität der Orderausführung für jedes einzelne Finanzinstrument beschreiben und darlegen, inwieweit sie Anlegern, die Limitorders abgeben, bessere Preise als die öffentlichen Quotes zukommen lassen. Außerdem sollen Anleger nicht nur über die zunächst gestellten Spreads, sondern auch über die letztlich realisierten Spreads informiert werden.835 Broker müssen vierteljährlich veröffentlichen, zu welchen Märkten sie einen wesentlichen Prozentsatz ihrer Orders routen und welcher Natur ihre Beziehungen zu diesen Märkten sind, sowie über eine Internalisierung von Orders und Vereinbarungen über eine Bezahlung für die Zuleitung von Orders, die einen Interessenkonflikt beim Broker hervorrufen könnten, informieren. Durch eine solche verstärkte Veröffentlichungspraxis, wollte die SEC einerseits den Brokern erleichtern, die Marktplätze einzuschätzen, zu denen sie die Orders der Anleger routen, andererseits die Anleger in die Lage versetzen, ihre Broker besser zu überwachen.836 Dadurch sollen der Anlegerschutz und der Wettbewerb um Orders von Kleinanlegern verbessert werden.837 2. Regulation N MS vom Juni 2005 Zur weiteren Entwicklung und Förderung des Kapitalmarktes initiierte die SEC im Februar 2004 mit einem Proposal Release für eine Regulation NMS erneut eine intensive Diskussion über die Regulierung des US-amerikani834 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-43950 (Nov. 17, 2000), 65 FR 75414 (Dec. 1, 2000). Vgl. dazu auch Otness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1633; Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 887 f. (2001). 835 17 C.F.R. § 240.1 lAcl-5 (b). Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-43950 (Nov. 17, 2000), 65 FR 75414, 75414 (Dec. l, 2000). Vgl. dazu auch Otness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1633; Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 889 f. (2001). 836 17 C.F.R. § 240.1 lAcl-6 (b). SEC, Securities Exchange Act Release No 3443950 (Nov. 17, 2000), 65 FR 75414, 75415 (Dec. 1, 2000). Vgl. dazu auch Otness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1633; Borrelli, 32 Loy. U. Chi. L.J. 815, 887 (2001). 837 Für eine krit. Einschätzung siehe etwa Otness, 2002 Nw. U. L. Rev. 1607, 1633f.
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sehen Kapitalmarktes.838 Nach einem umfangreichen Konsultationsverfahren, in dem etliche Stellungnahmen eingeholt, eine öffentliche Anhörung durchgeführt sowie zwei weitere Proposal Releases im Mai839 und Dezember 200484° veröffentlicht wurden, erließ die SEC im Juni 2005 nach kontroversen Diskussionen die endgültige Regulation NMS.841 Grund für die neuen Regelungen sind die vielfältigen Veränderungen der letzten Jahre, insbesondere der technologische Fortschritt und der zunehmende Wettbewerb, die den Kapitalmarkt in den USA stark veränderten und dadurch das Bedürfnis nach einer Anpassung der alten Regelungen hervorgerufen haben.842 Im Zentrum von Regulation NMS stehen vier Vorschriften, die den Wettbewerb und die Fairness des US-amerikanischen Kapitalmarktes weiter verbessern sollen. Mit Hilfe einer „Order Protection Rule" sollen die Betreiber von Märkten dazu verpflichtet werden, Vorschriften und Handelsmechanismen einzuführen, mit deren Hilfe verhindert werden soll, dass Geschäftsabschlüsse zu schlechteren Preisen zustande kommen, wenn ein anderer Marktplatz bessere Preisstellungen bietet.843
838 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-49325 (Feb. 26, 2004), 69 FR 11126 (Mar. 9,2004). 839 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-49749 (May 20, 2004), 69 FR 30142 (May 26, 2004). 840 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-50870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424 (Dec. 27, 2004). 841 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496 (Jun. 29, 2005). In ihrem Minderheitsvotum kritiserten die Commissioner Glassmann und Atkins die Regelungen in Regulation NMS als Überregulierung, die den Wettbewerb auf dem Kapitalmarkt behindere und damit dessen Effizienz beeinträchtige. Vgl. dazu Dissent of Commissioners Cynthia A. Glassmann and Paul S. Atkins to the Adoption of Regulation NMS, 70 FR 37632 (Jun. 29, 2005). 842 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-50870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424, 77425 (Dec. 27, 2004). 843 Zur „Order Protection Rule" siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 09, 2005), 70 FR 37496, 37501 f., 37504ff. (Jun. 29, 2005). In den vorangegangenen Proposal Releases hatte die SEC hierfür noch den Begriff „Trade-Through Rule" verwendet. Vgl. z. B. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-50870 (Dec. 16, 2004) 69 FR 77424, 77426 f. und 77430 ff. (Dec. 27, 2004). Der Begriff „Order Protection Rule" schien der SEC zur Beschreibung ihrer Regel schließlich jedoch besser geeignet, vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37497 Fn. 2 (Jun. 29, 2005). Grund für den Erlass der Order Protection Rule ist der SEC zufolge, dass in den USA 2,5% aller Handelsgeschäfte (ca. 98.000) pro Tag zu einem schlechteren Preis als der bestgepreisten Quotierung abgeschlossen wür-
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Damit soll - für automatische, umgehend erreichbare Preisquotierungen eine strenge Prioritätsregel eingeführt werden.844 Die „Access Rule" verpflichtet dazu, einen fairen und diskriminierungsfreien Zugang zu Preisquotierungen zu ermöglichen, und führt eine Beschränkung der Zugangsgebühren ein, um die Kosten für die Preisstellungen zu vereinheitlichen. Weiterhin verpflichtet sie die Börsen und die NASDAQ dazu, Regelungen einzuführen, die ihre Mitglieder davon abhalten, gezielt Preisquotierungen zu veröffentlichen, die automatisierte Preisquotierungen beeinträchtigen.845 Des Weiteren wird eine „Subpenny Rule" eingeführt, die Preisveränderungen verbietet, die geringer als ein Cent sind.846 Außerdem wird die „Market Data Rule" aktualisiert,847 um die Voraussetzungen für die Konsolidierung, Verteilung und Veröffentlichung von Marktinformationen anzupassen. Ergänzt werden diese Regelungen um einige Aktualisierungen von Regelungen über die Veröffentlichung von Marktinformationen. Besonders hervorzuheben ist, dass die SEC mit ihrer neuen Access Rule eine neue Richtung bei der Förderung des NMS einschlägt. Anstelle der institutionalisierten Verbindungen zwischen den Märkten im Rahmen des ITS soll nun die Nutzung privat errichteter Verbindungen zwischen den
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den. Vgl. SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37498 (Jun. 29, 2005). SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37501 (Jun. 29, 2005); außerdem SEC, Securities Exchange Act Release No 3450870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424, 77425 (Dec. 27, 2004). Mit dieser Bestimmung soll insbesondere auch der Schnelligkeit des elektronischen Handels Rechnung getragen werden. Denn müsste bei der Orderausführung auf Reaktionen des nicht-elektronischen Marktes gewartet werden - wie dies bei den tradethrough rules des ITS der Fall ist -, würde dies zur Behinderung des elektronischen Handels und damit zu InefFizienzen führen. Vgl. dazu SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37501 (Jun. 29, 2005). Zur „Access Rule" siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37502f., 37538ff. (Jun. 29, 2005); vgl. auch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-50870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424, 77428, 77430 und 77447 ff. (Dec. 27, 2004). Zur „Subpenny Rule" siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37503, 37550ff. (Jun. 29, 2005); vgl. auch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-50870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424, 77428, 77455 ff. (Dec. 27, 2004). Zur „Market Data Rule" siehe SEC, Securities Exchange Act Release No 3451808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37503 f., 37557ff. (Jun. 29, 2005); vgl. auch SEC, Securities Exchange Act Release No 34-50870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424, 77429 und 77460 ff. (Dec. 27, 2004).
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Handelssystemen gefördert werden.848 Insbesondere die niedrigen Kosten und die höhere Flexibilität solcher privaten Verbindungen haben die SEC zur Änderungen ihrer Einschätzung bewogen.849 Nach der veränderten Einschätzung der SEC müssen Marktteilnehmer auch nicht in jedem Fall einen direkten Zugang zu jedem Marktplatz haben. Vielmehr soll es nun genügen, wenn sie über andere Marktteilnehmer Zugang zu einem Handelssystem erhalten.850 Mit ihrer Regelung möchte die SEC die Extreme eines vollkommen zentralisierten Marktes und einer totalen Isolierung einzelner Marktzentren vermeiden.851 Damit soll sowohl der Wettbewerb zwischen den einzelnen Orders als auch der Wettbewerb zwischen den Marktzentren sichergestellt und gefördert werden.852
VI. Zusammenfassung Die umwälzenden Veränderungen des Kapitalmarktes, die mit dem Aufkommen von ATSs stattfanden, führten zu einigen bedeutenden Neuregelungen im Rahmen des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts. Während die SEC zunächst noch versuchte, ATSs lediglich als Broker-Dealer zu regulieren und ihrem weiten Verständnis des Börsenbegriffs mit der Erteilung von No-Action Letters Rechnung trug, führte dieser Ansatz zunehmend zu immer weniger sachgerechten Ergebnissen. Nach verschiedenen Ansätzen erließ die SEC schließlich ihre Regulation ATS. Trotz der zum Teil sehr detaillierten Regelungen im Rahmen von Regulation ATS, an denen verschiedentlich Kritik geübt wurde, sah die SEC weiteren Regulierungsbedarf, um ATSs noch besser in das National Market System zu integrieren und den negativen Folgen der Marktfragmentierung zu begegnen. Daher erließ sie in der Folgezeit weitere Regelungen, wie z. B. Regulation NMS im Juni 2005. 848 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37502 (Jun. 29, 2005); siehe auch SEC, Securities Exchange Act Release No 3450870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424, 77428 (Dec. 27, 2004). 849 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37502 (Jun. 29, 2005); siehe auch SEC, Securities Exchange Act Release No 3450870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424, 77428 (Dec. 27, 2004). 850 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37502 (Jun. 29, 2005); SEC, Securities Exchange Act Release No 34-50870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424, 77428 (Dec. 27, 2004). 851 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37499 (Jun. 29, 2005); siehe auch SEC, Securities Exchange Act Release No 3450870 (Dec. 16, 2004), 69 FR 77424, 77426 (Dec. 27, 2004). 852 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-51808 (Jun. 9, 2005), 70 FR 37496, 37498 (Jun. 29, 2005).
2. Kapitel: Die europarechtlichen Regelungen und ihre Entwicklung In Europa nahm die EU-Kommission die Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme (alternativer Handelssysteme, ATSs) bereits 1999 in ihrem Aktionsplan für Finanzdienstleistungen853 in den Blick.854 Im September 2000 veröffentlichte dann das Forum of European Securities Commissions (FESCO), heute Committee of European Securities Regulators (CESR),855 eine Untersuchung, in der es die tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen in Bezug auf ATSs analysierte und erste Überlegungen zu einer möglichen zukünftigen Regelung anstellte.856 Es folgten mehrere Entwürfe für mögliche Aufsichtsstandards und eine umfangreiche Konsultation.857 Die endgültigen Aufsichtsstandards für die Regulierung von ATSs wurden im Juni 2002 von CESR veröffentlicht (dazu unter I). Sie wurden dann von den Mitgliedsstaaten relativ zügig umgesetzt, so dass sie bis zum Dezember 2003 in allen (damaligen) Mitgliedstaaten der EU, in denen ATSs betrieben wurden, Eingang in die Rechtsordnung gefunden hatten.858 Diese Vorarbeiten des CESR wurden auch im Rahmen der Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie859 und in der 853 Europäische Kommission, Financial Services Action Plan, KÖM (1999) 232 vom 11.05.1999. Dazu Ferran, Building an EU Securities Market, S. Iff.; Köndgen, Mutmaßungen, in FS Lutter, S. 1401 (1410ff.). 854 Europäische Kommission, Financial Services Action Plan, KÖM (1999) 232, S. 5. 855 FESCO wurde durch Beschluss der Kommission vom 6.6.2001 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (2001/527/ EG), AB1EG 2001 Nr. L 191 vom 13.07.2001, S. 43 in das Committee of European Securities Regulators (CESR) umgewandelt. Diese Umwandlung ging zurück auf ein Vorschlag im „Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte" (Lamfalussy-Bericht) vom 15.02.2001, abrufbar unter http://europa.eu.mt/comm/internaljtnarket/securities/ docs/lamfalussy/wisemen/final-report-wise-men_de.pdf. Siehe dazu Ferran, Building an EU Securities Market, S. 61 ff. 856 FESCO, The Regulation of Alternative Trading Systems in Europe, Fesco/00064 c, vom September 2000. Dazu Moloney, EC Securities Regulation, S. 691 ff. 857 CESR, Proposed Standards for Alternative Trading Systems - Consultative Paper, Fesco/01-035b, vom 11.06.2001 und CESR, Proposed Standards for Alternative Trading Systems, CESR/02-001 vom 14.01.2002; vgl. zur Konsultation auch CESR, Feedback Statement, CESR/02-087b. 858 CESR, First Interim Report, CESR/03-414b, Dezember 2003, S. 6. 859 Richtlinie 93/22/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 10.05. 1993 über Wertpapierdienstleistungen, AB1EG 1993 Nr. L 141 vom 11.6.1993, S. 27. Zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie vgl. Elster, Europäisches Kapital-
2. Kapitel: Die europarechtlichen Regelungen und ihre Entwicklung
171
schließlich verabschiedeten „Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente" (MiFID)860 berücksichtigt (dazu unter II).
I. Die Standards des CESR für alternative Handelssysteme Mit den Standards zur Regulierung von ATSs sollten den im CESR vertretenen Mitgliedstaaten Regelungen für eine eigene Regulierung an die Hand gegeben, ein einheitliches Verständnis der Aufsichtsbehörden über die Regulierung von ATSs geschaffen sowie ein grenzüberschreitender Handel und fairer Wettbewerb zwischen den Handelsplattformen ermöglicht werden.861
marktrecht, S. 210ff; Moloney, EC Securities Regulation, insb. S. 355fT., 647fF.; Mauerhofer Wertpapierdienstleistungsrichtlinie; Jentsch, WM 1993, 2189fT.; Cruickshank, Investment Services Directive, in Wymeersch, Further Perspectives, S. 79 ff.; de Lichtbuer, Investment Services Directive, in Wymeersch, Further Perspectives, S. 74ff; Ferrarini, Exchange Governance, in Ferrarini, European Securities Markets, S. 245 (260ff.); ders., C. M. L. Rev. 1999, 569ff.; Ferrarini, C. M. L. Rev. 1994, 1283 ff.; Egan/Lockett/Rushbrooke, EC Financial Services Regulation, eh. 15; Ashall, Investment Services Directive, in Andenas/ Kenyon-Slade, S. 91 ff.; Hopt, Begriff, in FS Schimansky, S. 631 ff.; Schwark, WM 1997, 293 ff.; Assmann, Harmonisierung, in Hadding/Hopt/Schimansky, Bank- und Börsenrecht, S. 61 ff.; Steil, Equity Trading IV, in Steil, European Equity Markets, S. 113ff; Grottke, EuZW 1993, 440ff. Mehrere Kommentatoren hatten das CESR gedrängt, mit einer Veröffentlichung seiner Standards zu warten und eine Regelung der überarbeiteten Wertpapierdienstleistungsrichtlinie zu überlassen. Siehe die gesammelten Kommentare zu zweiten Konsultation in CESR, Feedback Statement, CESR/02-087b, S. 9 ff. 860 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, AB1EU 2004 Nr. L 145 vom 30.04.2004, S. 1. Dazu Moloney, EBOR 2005, 341 ff; Maurenbrecher, AJP/PJA 2005, 19ff; Ebner/Rautner, ecolex 2005, 327ff; MarenzilPircher, ecolex 2005, 333 ff; Ferrarini, ERCL 2005, 19ff.; Mülbert, Eclipse of Contract Law, Arbeitspapiere 2005; Spinaler! Christoph, BB 2004, 2197 (2204f.); Seitz, AG 2004, 497ff; ForstingerIPradler, ÖBA 2004, 329ff; vgl. außerdem Balzer, ZBB 2003, 177ff; Linden, Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, Working Paper. 861 CESR, Feedback Statement, CESR/02-087b, S. 3.
172
2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
1. Der erste Entwurf- das Consultation Paper Der erste Entwurf von FESCO/CESR, erstellt von einer Expertengruppe unter Leitung von Howard Davies, Chairman der britischen Financial Services Authority,862 enthielt erste Überlegungen von FESCO/CESR zu einer möglichen Definition von ATSs sowie zehn Standards für erste grundsätzliche Regelungen zur Regulierung alternativer Handelssysteme. Diese umfassten die Information der Aufsichtsbehörde im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens oder einer Registrierung,863 Vorschriften zu Pflichten gegenüber den Nutzern,864 Transparenzanforderungen,865 eine Verpflichtung zum Reporting sowie Maßnahmen zur Sicherstellung eines funktionierenden und ordnungsgemäßen Handels und der Verhinderung von Marktmissbrauch.866 Als Definition des ATS-Begriffs schlug FESCO/CESR vor: „an entity which, without being regulated as an exchange, operates an automated system that brings together buying and selling interests - in the system and according to rules set by the system's operator - in a way that forms, or results in, an irrevocable contract".867 Im Rahmen der Konsultation erfuhr das CESR von Börsen, ATSs, Banken, Wertpapierfirmen und anderen Institutionen größtenteils Unterstützung für sein Vorhaben, grundlegende Regelungen für ATSs aufzustellen, aber auch Kritik.868 Die Stellungnahmen kritisierten die Definition des ATS-Begriffs, forderten mehr Klarheit bei den Standards und eine bessere Abgrenzung zu den Conduct of Business-Rules sowie eine umfangreichere Kosten-Nutzen-Analyse.869 Die Definition des ATS-Begriffs wurde von vielen als zu weit kritisiert.870 Insbesondere wurde beanstandet, dass die Definition nicht techno-
862 863 864 865 866 867
Vgl. FESCO, FESCO Consults, Fesco/01-097. Vgl. Standard l, CESR, Proposed Standards, Fesco/01-035b, S. 10. Vgl. Standards 2, 3, 4, CESR, Proposed Standards, Fesco/01-035b, S. 11 ff. Vgl. Standard 6, CESR, Proposed Standards, Fesco/01-035b, S. 14f. Vgl. Standards 5, 7, 8, 9, CESR, Proposed Standards, Fesco/01-035b, S. 14, 16ff. CESR, Proposed, Fesco/01-035b, S. 6. Vgl. dazu auch FESCO, Regulation, Fesco/00-064c, Abs. 11. 868 Vgl. dazu CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 869 Vgl. CESR, Feedback Statement, CESR/02-002; CESR, Final Round of Consultation, CESR/02-003. Um dem Wunsch nach einer umfangreicheren und tiefergehenden Kosten-Nutzen-Analyse nachzukommen, enthielt das Feedback Statement in seinem zweiten Teil eine ausführlichere Stellungnahme zu den verschiedenen Risiken und Kosten der Standards. Vgl. CESR, Feedback Statement, CESR/02-002, S. 5 ff. 870 Vgl. die Stellungnahmen von ÄSE (S. 25), COB (S. 37), FOA (S. 35), LSE (S. 26),
2. Kapitel: Die europarechtlichen Regelungen und ihre Entwicklung
173
logisch neutral ausgestaltet war und deshalb gleichartige Aktivitäten, die sich lediglich hinsichtlich des Technologisierungsgrades unterschieden, ungleich behandelte.871 Teilweise wurde auch eine stärkere Differenzierung zwischen den verschiedenen Typen von Handelssystemen, vor allem zwischen bilateralen und multilateralen Plattformen, gefordert.872 Von einer zu flexiblen Regulierung wurde teils abgeraten, um eine halbwegs einheitliche Anwendung der Standards europaweit sicherzustellen,873 teils aber auch zugeraten, um den technologischen Fortschritt nicht zu behindern.874 Hinsichtlich des ersten Standards (Registrierung) sprachen sich insbesondere Banken für eine Präzisierung bzw. Begrenzung aus.875 So wurde z. B. vorgeschlagen, dass eine Registrierung lediglich dann erforderlich sein sollte, wenn noch keine sonstige Registrierung des Unternehmens erfolgt sei, und auch in diesem Fall sollte dieses Erfordernis die Aufnahme des Betriebes nicht behindern.876 Hinsichtlich der Überwachung der Nutzer (Standard 7) wurde vielfach darauf verwiesen, dass diese im Rahmen der vertraglichen Beziehung zwischen Betreiber und Nutzer erfolge und keiner gesonderten,877 über die Regelungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie
871 872 873 874 875 876 877
LME (S. 26), LIFFE (S. 26), ISMA (S. 27, 42), ITC (S. 28), LIBA (S. 19, 29), Deutsche Konsultation (S. 32), Zentraler Kreditausschuss (S. 31), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002, S. 25 fT. A. A. HEX (S. 26), Bolsa de Valencia (S. 27), Borsa Italiana (S. 27), EuroMTS (S. 29), Bank of Finland (S. 31), BrokerTec (S. 28), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. Vgl. die Stellungnahmen von AFEI (S. 33), Barclays (S. 20, 32), BBA (S. 30), CREST (S. 45), Euroshareholders (S. 45), ISDA (S. 21), LIBA (S. 18), Swedisch Bankers'Association (S. 18), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. Vgl. die Stellungnahmen des Zentralen Kreditaussschusses (S. 19, 31), FOA (S. 21), BBA (S. 31), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. Vgl. die Stellungnahme von Euronext (S. 42), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. Vgl. die Stellungnahme des Zentralen Kreditaussschusses sowie die Stellungnahmen im Rahmen der deutschen und spanischen Konsultation, in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002, S. 19, 22. Vgl. die Stellungnahmen von AFEI (S. 57), BrokerTec (S. 54), BBA (S. 55), Barclays (S. 57), CREST (S. 59), TBMA (S. 58), Zentraler Kreditausschuss (S. 56), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. Vgl. insbesondere die Stellungnahmen von BBA (S. 55f.) und Barclays (S. 57), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. Vgl. die Stellungnahmen von Barclays (S. 90), BBA (S. 89), BrokerTec (S. 88), CECA (S. 89), ISMA (S. 87), TBMA (S. 90), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. Gänzlich gegen diesen Standard und ein Monitoring überhaupt AFEI (S. 89f.).
174
2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
hinausgehenden878 Regelung bedürfe. Einige ATSs unterstützten diesen Standard jedoch und gaben an, bereits entsprechende Maßnahmen eingeführt zu haben.879 Hinsichtlich der das Verhältnis von Betreiber und Nutzer betreffenden Standards (Standards 2, 3, 4) wurde vorgeschlagen, diese als Wohlverhaltenspflichten (so genannte Conduct of Business Rules) zu formulieren oder sogar das dort Geregelte den Parteien selbst zur Regelung zu überlassen.880 Mehrfach wurde gefordert, zwischen dem Handel professioneller Anleger und demjenigen von Privatkunden zu differenzieren.881 Einige wollten die Systeme für professionelle Kunden ganz aus dem Anwendungsbereich einzelner oder sogar aller Standards ausgenommen sehen.882 Umstritten war insbesondere der Transparenzstandard. Hierzu gab es sowohl Zustimmung - insbesondere von den Börsen - als auch Ablehnung von einigen Banken und Bankvereinigungen sowie von einigen ATSs.883 Zugunsten dieses Standards wurde auf die damit zu erreichende Sicherung 878 Vgl. Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (S. 89), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 879 Vgl. die Stellungnahmen von EuroMTS (S. 88), ITG (S. 88), NFMF (S. 91), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 880 Vgl. die Stellungnahmen von AFEI (S. 63, 67), BBA (S. 62, 66, 69f.), Barclays (S. 63, 67), ISMA (S. 60), BrokerTec (S. 61), Tradeweb (S. 61), ITG (S. 61), TBMA (S. 63, 67f.), NFMF (S. 64), Zentraler Kreditaussschuss (S. 61) und im Rahmen der deutschen Konsultation (S. 61), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 881 Vgl. die Stellungnahmen der Association of Foreign Banks in Germany (S. 71), BBA (S. 65f.), COB (S. 37), Tradeweb (S. 65), ITG (S. 65), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 882 Vgl. die Stellungnahme von ISMA (S. 27, 68), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 883 Vgl. für die Transparenzregel die Stellungnahme von AFEI (S. 85, im Grundsatz, aber beschränkt auf preisbildende Systeme) Banco de Sabadel (S. 85), Bolsa Valencia (S. 81), wohl auch BrokerTec (S. 82), deutsche Konsultation (S. 77), Euronext (S. 80), Interbolsa (S. 82), ISMA (S. 81), LME (S. 81), Virt-x (S. 81), Wiener Börse (S. 80), Zentraler Kreditausschuss (S. 84, der allerdings lediglich die Preise und Handelsvolumina als notwendige Informationen ansah); dagegen Association of Foreign Banks in Germany (S. 77, soweit dadurch Kursstabilisierungen erschwert würden), BBA (S. 76 hinsichtlich Nachhandelstransparenz), CECA (S. 84), TBMA (S. 86 f.), NFMF (S. 87), gegen eine Regelung und für eine eigene Entscheidung der ATSs EAM A (S. 78), wohl auch EuroMTS (S. 83, mit Verweis auf die Notwendigkeit der Kontrolle von Daten), Tradeweb (S. 83, insbesondere gegen eine Transparenzregel beim Rentenhandel), ITG (S. 83f., mit Verweis auf die Unterschiedlichkeit von ATSs), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002.
2. Kapitel: Die europarechtlichen Regelungen und ihre Entwicklung
175
der Integrität des Marktes und die Effizienz der Preisbildung verwiesen.884 Dagegen wurden die zusätzlichen Kosten,885 die Gefährdung der Liquidität durch Abwanderung von weniger Transparenz bevorzugenden Nutzern886 sowie das Bedürfnis von ATSs aufgeführt, ihre Informationen zu schützen, was bei einem solchen Standard nicht möglich wäre.887 Insbesondere im Rahmen des Rentenhandels wäre ein solcher Standard nicht notwendig.888 Auch wäre ein solcher Transparenzstandard für bestimmte Arten von ATSs, insbesondere Crossing-Systemen gänzlich unangemessen889 und sollte wenn überhaupt - nur für multilaterale, preisbildende Systeme gelten.890 Schließlich wurde erwogen, ähnlich wie in den USA einen bestimmten Mindestmarktanteil als Voraussetzung für diesen Standard einzuführen, da erst ab einer gewissen Größe des Systems die Marktintegrität überhaupt gefährdet werden könnte.891
2. Der zweite Entwurf- Proposed Standards for Alternative Trading Systems Aufgrund der umfangreichen Anregungen und Verbesserungsvorschläge zum ersten Entwurf überarbeitete das CESR seine Standards und veröffentlichte am 14.01.2002 die überarbeitete Fassung.892 Der ATS-Begriff wurde enger gefasst und insbesondere das Merkmal „automatisch" aus der Definition entfernt, um sie technologisch neutral zu gestalten. Die Definition lautete nun: „an entity which, without being regulated as an exchange, operates a multilateral system that brings together multiple third party buy-
884 Vgl. insb. die Stellungnahmen von Euronext (S. 80), Wiener Börse (S. 80), ISMA (S. 81), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 885 Vgl. insb. die Stellungnahme von CECA (S. 84), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 886 Vgl. die Stellungnahmen der Bank of Finland (S. 84) und EAMA (S. 86), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 887 Vgl. die Stellungnahme von EuroMTS (S. 83), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 888 Vgl. die Stellungnahmen von TBMA (S. 86), Tradeweb (S. 83), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 889 Vgl. die Stellungnahmen von BBA (S. 84), ITG (S. 83f.), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 890 Vgl. die Stellungnahmen von AFEI (S. 85) und vom Zentralen Kreditausschuss (S. 84), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 891 Vgl. die Stellungnahmen von Barclays (S. 86, für ein 25%-Grenze), BBA (S. 84), in CESR, Feedback Statement, CESR/02-002. 892 CESR, Proposed Standards, CESR/02-001.
176
2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
ing and selling interests in financial instruments - in the system and according to non-discretionary rules set by the system's operator - in a way that forms, or results in a contract".893 Damit sollten auch die zukünftigen Änderungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie berücksichtigt werden.894 Der neue Vorschlag führte eine stärkere Differenzierung zwischen den verschiedenen Systemen ein. Dabei sollten die Kenntnisse der Nutzer, die Art der gehandelten Finanzinstrumente sowie die Art des Systems und seine Bedeutung für den Gesamtmarkt berücksichtigt werden.895 Die das Verhältnis der Betreiber zu den Nutzern betreffenden Standards wurden als Zusatz zu den Conduct of Business Rules formuliert und aus den Standards herausgenommen.896 Trotz der vielfachen Kritik am Transparenzstandard wurde dieser beibehalten. Allerdings sollten die Aufsichtsbehörden bei der Anwendung dieses Standards auch die jeweilige Struktur des Systems897 und die Gepflogenheiten im übrigen Markt berücksichtigen können.898 Zwar wurde es vielfach als positiv angesehen, dass das CESR eine flexiblere Lösung angestrebt hatte, andererseits wurde aber auch mehrfach eine striktere Regulierung mit weniger Freiraum für die Aufsichtsbehörden gefordert, um ein späteres „Forum Shopping" zu verhindern.899 Die engere Definition des ATS-Begriffs, der nun insbesondere bilaterale Systeme nicht mehr erfasste, wurde zum Teil begrüßt, weil das Gefährdungspotential von bilateralen Systemen als geringer eingeschätzt wurde und damit zugleich entsprechenden Überlegungen im Rahmen der Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie Rechnung getragen wurde,900 von einigen Börsen allerdings auch kritisiert.901 Anderen wieder893 CESR, Proposed Standards, CESR/02-001, S. 4. 894 CESR, Proposed Standards, CESR/02-001, S. 6. 895 CESR, Proposed Standards, CESR/02-001, S. 5. Dies fand auch in den Kommentierungen zu den einzelnen Standards, wie z. B. beim Transparenzstandard, seinen Niederschlag. 896 CESR, Proposed Standards, CESR/02-001, S. 12 f. 897 So sollten z. B. Crossing-Systeme ausgenommen werden. 898 CESR, Proposed Standards, CESR/02-001, S. 9. 899 Vgl. die Stellungnahmen von Powernext (S. 10), HELEX (S. 10), TBMA (S. 28), in CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02-087b. 900 Vgl. die Stellungnahmen von ASSOSIM (S. 16f.), Finnish Association of Securities Dealers (S. 16), IMA (S. 16), 1SDA (S. 20f.), ISMA (S. 10), LSE (S. 18), Zentraler Kreditausschuss (S. 13), Association of Foreign Banks in Germany (S. 14), grundsätzlich positiv auch Powernext (S. 19), in CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02-087b. 901 Vgl. die Stellungnahmen von Bolsa de Bilbao (S. 18), Bolsa de Madrid (S. 18), Euronext (S. 18), FBF (S. 20), FESE (S. 9, 18), HELEX (S. 19), HEX (S. 10, 19), Vienna Stock Exchange (S. 10), Virt-x (S. 18), ähnlich auch AFEI (S. 14), in
2. Kapitel: Die europarechtlichen Regelungen und ihre Entwicklung
177
um ging die Verengung der Definition nicht weit genug, weil CrossingSysteme und Systeme für den Rentenhandel weiterhin erfasst wurden.902 Außerdem wurde von einigen eine Ausnahmeregelung für Kleinstsysteme gefordert.903 Wie bei der ersten Konsultation erfuhr der Transparenzstandard besondere Beachtung. Während sich vor allem die Börsen positiv äußerten und für eine Angleichung der Transparenzpflichten von geregelten Märkten und alternativen Handelssystemen aussprachen,904 warnten andere Kommentatoren vor indirekten Eingriffen in die Marktstruktur, zusätzlichen Kosten sowie der Behinderung des Blockhandels und des Handels illiquider Wertpapiere.905 Von anderer Seite wurde dagegen sogar gefordert, dass nicht nur Informationen veröffentlicht werden müssten, sondern auch die Marktteilnehmer in der Lage versetzt werden müssten, gegen die veröffentlichten Preisstellungen der Market Maker und die Kundenorders zu handeln.906 3. Die endgültige Fassung der Standards Schließlich veröffentlichte das CESR am 8. Juli 2002 die endgültige Fassung seiner „Standards for Alternative Trading Systems".907 Diese enthielt neben
902 903 904 905
906 907
CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02-087b. Anders aber dieLSE(S. 18) siehe Fn. 900. Vgl. die Stellungnahmen von AFEI (S. 21), Bloomberg (S. 19), FOA (S. 21), IMA (S. 16), in CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02087 b. Vgl. die Stellungnahmen von Instinet (S. 19f.), LIBA (S. 20), in CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02-087b. Vgl. die Stellungnahmen von BBVA Bolsa (S. 28), FESE (S. 22), LME (S. 22), in CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02-087b. Vgl. die Stellungnahmen von ASSOSIM (S. 28), EBS (S. 26), FOA (S. 27f.), LIBA (S. 26), Liquidnet (S. 25), TBMA (S. 28), in CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02-087b. Vgl. auch die gegenüber einer Nachhandelstransparenz kritische Stellungnahme von LIBA (S. 13). Instinet (S. 26) sprach sich dagegen für eine Beschränkung auf die Nachhandelstransparenz aus. Der Zentrale Kreditausschuss (S. 26) sowie die Kommentatoren im Rahmen der deutschen Konsultation (S. 29) wollten schließlich die veröffentlichte Information auf Preise und Handelsvolumina beschränkt sehen. Vgl. die Stellungnahme von HELEX (S. 23), erwähnt auch von AFEI (S. 27), in CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02-087 b. CESR, Standards for Alternative Trading Systems, CESR/02-086b, vom Juli 2002. Zu diesen Standards siehe z. B. Spindler, WM 2002, 1365 ff.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
der Definition des ATS-Begriffs insgesamt sieben Standards sowie Ergänzungen zu den Wohlverhaltenspflichten.908 Den Begriff ATS - bzw. „qualifying system"- definierte das CESR technologisch neutral als „multilateral system, operated by an entity, which without being regulated as a regulated market, brings together multiple third party buying and selling interests in financial instruments - in the system and according to non-discretionary rules set by the system's operator - in a way that results in a contract".909 Eine materielle Abgrenzung zum Begriff des geregelten Marktes fehlte.910
a) Der Inhalt der Standards Die Standards enthalten grundlegende Richtlinien zur Regulierung der marktbezogenen Eigenschaften von ATSs. Sie verpflichteten die Betreiber dazu, einen in jeder Hinsicht funktionierenden Handel sicherzustellen, indem sie sowohl eine entsprechende Ausstattung ihrer Systeme als auch entsprechende Handelsregeln vorsehen und das Verhalten der Nutzer entsprechend überwachen. Weiterhin enthalten die Standards eine Regelung des Verhältnisses von ATSs zu den Aufsichtsbehörden, insbesondere eine Festlegung von Informationspflichten gegenüber den Behörden. Die Standards sind relativ allgemein gehalten und überlassen vieles der nationalen Ausgestaltung. Sie zeichnen sich außerdem durch eine große Flexibilität aus, die eine Anpassung im Einzelfall erlaubt.911 Allgemeine Kriterien, wie z. B. die Professionalität der Handelsteilnehmer, die Art und die Bedeutung des Handelssystems, die Art der gehandelten Wertpapiere und die Missbrauchsanfälligkeit des Systems, dienen als Orientierung für die Auslegung der Standards.912 Standard l bestimmte, dass bei Inbetriebnahme eines ATSs sowie bei signifikanten Veränderungen jedes Wertpapierunternehmen zunächst die jeweilige Heimataufsichtsbehörde darüber in Kenntnis setzen und über die charakteristischen Merkmale informieren sollte, sah also lediglich eine Anzeigepflicht für das Betreiben eines ATSs vor.913 Standard 2 war - ähnlich einer Generalklausel - relativ weit gehalten914 und verpflichtete den Betrei908 CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 8 ff. Vgl. dazu Spinaler, WM 2002, 1365 (l 367 ff.). 909 CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 4. 910 Vgl. dazu Spindler, WM 2002, 1365 (1367). 911 Spindler, WM 2002, 1365 (l 367). 912 Vgl. CESR, Standards, CESR/02-086 b, S. 6. 913 CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 8. 914 Siehe dazu auch die Kritik von Spinaler, WM 2002, 1365 (1368).
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her Handelsmechanismen einzurichten, die einen fairen und ordnungsgemäßen Handel gewährleisteten.915 Dieser Standard sollte insbesondere bewirken, dass die Nutzer bei ihren Transaktionen den bestmöglichen Preis innerhalb des Systems erhielten, gleich behandelt wurden und ihnen genügend Informationen zur Verfügung standen.916 Während Standard 2 damit zugleich die Informationspflichten gegenüber den Nutzern des Handelssystems regelte,917 statuierte Standard 3 allgemeine Veröffentlichungspflichten auch gegenüber den übrigen Marktteilnehmern.918 Danach waren die Systembetreiber zur Vorhandels- und Nachhandelstransparenz hinsichtlich solcher Finanzinstrumente verpflichtet, die auf geregelten Märkten gehandelt wurden. Diese Regelung war in den Augen von CESR ein besonders wichtiger Bestandteil seiner Standards, um die Integrität des Marktes sicherzustellen.919 Bei Anwendung insbesondere dieses Standards sollten die Aufsichtsbehörden jedoch die strukturellen Besonderheiten der einzelnen Handelssysteme sowie des Handelsablaufs berücksichtigen und mit den Transparenzpflichten flexibel umgehen.920 Standard 4 sah vor, dass die Betreiber von ATSs die Einhaltung der Handelsregeln durch die Nutzer zu überwachen hatten. 921 Flankiert wurde 915 CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 9. Vgl. auch die entsprechenden Empfehlungen von IOSCO, Supervisory Framework, S. 3. 916 CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 9. Dabei sollen jedoch die jeweiligen Eigenschaften des Systems sowie die Professionalität der Handelsteilnehmer berücksichtigt werden. Da professionelle Handelsteilnehmer selbst in der Lage seien, ihre Interessen durchzusetzen, müssten die Aufsichtsbehörden nicht im gleichen Maße regulierend eingreifen wie bei Kleinanlegern. Ein gewisses Maß an Regulierung bleibe jedoch notwendig, um die Integrität des Marktes sicherzustellen. Siehe CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 9. 917 CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 9. 918 CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 10. Vgl. auch die entsprechenden Empfehlungen von IOSCO, Supervisory Framework, S. 4. Für eine kurze krit. Würdigung dieses Standards des CESR siehe Spindler, WM 2002, 1365 (1368). 919 CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02-087b, S. 3 f. Die Aufsichtsbehörden sollten auch ATSs, in denen keine auf geregelten Märkten zugelassenen Finanzinstrumente gehandelt werden, den Transparenzvorschriften unterwerfen können. Siehe CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 10. 920 Damit sollte den Besonderheiten der verschiedenen Typen von Systemen, wie z. B. Crossing-Systemen, und der Situation von Market Makern sowie dem Blockhandel Rechnung getragen und eine Einflussnahme auf die Marktstruktur vermieden werden. Denn das CESR war sich bewusst, dass insbesondere die Verpflichtung zu einer Vorhandeistransparenz die Struktur von Handelssystemen stark beeinflussen kann. Vgl. CESR, Standards for ATSs, Feedback Statement, CESR/02-087b, S. 4. 921 CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 11. Zu den Standards 4 und 5 vgl. auch die
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Standard 4 von der in Standard 5 aufgestellten Verpflichtung, durch die Einrichtung besonderer Überwachungsvorrichtungen den Aufsichtsbehörden die Überwachung des Handels und die Aufdeckung von Marktmissbrauch zu erleichtern.922 Um technischen und organisatorischen Risiken von ATSs zu begegnen, wurde in Standard 6 geregelt, dass die Betreiber von ATSs den Aufsichtsbehörden darlegen sollten, dass sie in der Lage wären, die versprochenen Leistungen zu erbringen und die notwendige Systemsicherheit und technische Einsatzfähigkeit zu gewährleisten und dass für den Fall eventueller Störungen des Handels genügend Ausweichkapazitäten existierten.923 Schließlich sollten die Betreiber gemäß Standard 7 Verpflichtungen und Verantwortlichkeit in Bezug auf das Clearing und Settlement von Transaktionen klarstellen924 und, sofern Privatkunden über das ATS handelten, selbst oder durch einen Dritten Clearing und Settlement sicherstellen. b) Ergänzungen der Wohlverhaltenspflichten Weiterhin ergänzte das CESR die geltenden Wohlverhaltensregeln, weil diese für die spezifische Situation von ATSs nicht immer angemessen erschienen.925 Danach sollten die Betreiber von ATSs dazu angehalten werden, klare rechtliche Verhältnisse zwischen sich und den Nutzern zu schaffen, den Nutzern genügend Informationen über das Handelssystem,926
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entsprechenden Empfehlungen von IOSCO, Supervisory Framework, S. 4f. Auch bei der Umsetzung des Standards 4 sollten die nationalen Aufsichtsbehörden die Struktur des jeweiligen ATSs, seine Anfälligkeit für Missbrauch, die Professionalität der Nutzer sowie die Durchführung bzw. Nichtdurchführung von Preisfeststellungen berücksichtigen. Dies stand allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Aufsichtsbehörde entsprechendes verlangte. CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 11. CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 12. Vgl. dazu auch die Empfehlungen in IOSCO, Supervisory Framework, S. 5; IOSCO, Report on Securities Activity on the Internet II, S. 17ff. Für eine kurze krit. Würdigung des Standards 6 siehe Spindler, WM 2002, 1365 (l368f.). CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 12. Vgl. dazu auch die entsprechenden Empfehlungen von IOSCO, Supervisory Framework, S. 3. CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 14. Für eine kurze krit. Würdigung Spindler, WM 2002, 1365(1369). Die Informationen sollen umfassen: den Betrieb des Systems, die Art der übrigen Nutzer (z. B. professionelle oder Privatkunden), die Vorkehrungen für eventuelle Fehltransaktionen und Auseinandersetzungen, eventuelle Meldepflichten der Nutzer gegenüber der Aufsichtsbehörde und die Voraussetzungen für Zugangssperren für Nutzer. Siehe CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 14.
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insbesondere seine Risiken, und zum Handelsgeschehen, insbesondere zu den auf dem System gehandelten Finanzinstrumenten und deren Emittenten, bereitzustellen.927 Sofern Finanzinstrumente, die über das System gehandelt würden, nicht gelistet wären und daher geringeren Informationspflichten unterlägen, sollte der Betreiber seine Kunden darüber aufklären müssen.928
II. Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) Die von CESR aufgestellten Standards beeinflussten auch die Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie,929 die durch die im April 2004 in Kraft getretene MiFID930 ersetzt931 und voraussichtlich ab dem 30. Oktober 2006, möglicherweise aber auch erst ab dem l. Mai 2007 aufgehoben wird.932 Eine komplette Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie war notwendig geworden, weil die sich schnell verändernde Situation in Europa und die immer stärker zunehmende Bedeutung des Kapitalmarktes zu einem erheblichen Veränderungs- und Anpassungsbedarf bei der von 1993 stammenden Wertpapierdienstleistungsrichtlinie
927 Auch hierbei unterschied das CESR wieder zwischen professionellen und Privatkunden. Siehe CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 14. 928 CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 14. 929 Siehe DG Internal Market, Proposal for a Directive modifying Directive (93/22/ EEC) on Investment Services, Explanatory Memorandum, S. 16; vgl. auch CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 6f (N. 18). 930 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/61 l/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, AB1EU 2004 Nr. L 145 vom 30.04.2004, S. l. 931 Erwägungsgrund 2 Satz 4 MiFID. 932 Für das Datum 30. Oktober 2006 siehe den Vorschlag für eine Neufassung von Art. 69 MiFID in EU Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente in Bezug auf bestimmte Fristen, KOM(2005) 253 endg., 2005/0111 (COD), vom 14.06.2005. Für das Datum 1. Mai 2007 siehe Europäisches Parlament, Entwuf eines Berichts über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente in Bezug auf bestimmte Fristen (KOM(2005)0253 - C 6-0191/2005 - 2005/0111 (COD), vorläufig), vom 21.09.2005.
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geführt hatte.933 So fehlten in der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie insbesondere Regelungen für neu entstandene Wertpapierdienstleistungen und neuartige Anlegerschutzrisiken, und mussten die Bestimmungen über die Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden überarbeitet werden.934 1. Der erste Leitlinienentwurf der EU-Kommission Schon der erste Vorschlag der EU-Kommission vom Juli 200l935 sah eine Ausweitung der bis dahin vergleichsweise wenigen Regelungen für geregelte Märkte vor. Die Richtlinie sollte nicht nur die Anforderungen an die Wertpapierfirmen regeln, sondern in Abgrenzung dazu auch eine Definition des „organisierten Marktes" mit daran anknüpfenden Regelungen enthalten.936 Ein „organisierter Markt" sollte ein System sein, das „kontinuierlich oder regelmäßig multiple Kauf- und Verkaufsinteressen auf beiden Seiten des Marktes nach formalisierten, nichtdiskretionären und transparenten Regeln so zusammenführt, das die Transaktionen im System und nach den Regeln des Systems abgeschlossen werden, wobei die dabei entstehenden oder vorher gestellten Preise das Angebot und die Nachfrage für das jeweilige Finanzinstrument widerspiegeln sollten.937 Diese Definition sollte geregelte Märkte als besondere Form des organisierten Marktes sowie „alternative Märkte" erfassen.938 Während für geregelte Märkte weit reichende Vorschriften vorgesehen waren, sollten für alternative Märkte keine Regelungen
933 Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.) vom 19.11.2002, S. 3, 6f. (abgedruckt in ZBB 2002, 518-563); DG Internal Market, Explanatory Memorandum, S. 3; zu dem Regelungsvorhaben siehe Seitz, BKR 2002, 340 (insbesondere 346 f.). 934 Europäische Kommission, KOM(2002), 625 (endg.), S. 6f.; siehe auch Maurenbrecher, AJP/PJA 2005, 19 (24ff.). 935 Europäische Kommission - DG Internal Market, Overview of Proposed Adjustments to the Investment Services Directive, - Working Document of Services of DG Internal Market, Document 1. Dazu Moloney, EC Securities Regulation, S. 699 ff. (auch S. 602 ff.); Hammes, ZBB 2001,498 ff. 936 Europäische Kommission - DG Internal Market, Overview of Proposed Adjustments, Document 1, S. 7; siehe auch DG Internal Market, Explanatory Memorandum, S. 14. Vgl. dazu Moloney, EC Securities Regulation, S. 700ff.; Hammes, ZBB 2001,498 (500f.). 937 Europäische Kommission - DG Internal Market, Overview of Proposed Adjustments, Document 1, S. 13f. 938 Europäische Kommission - DG Internal Market, Overview of Proposed Adjustments, Document 1, S. 7f.
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in der Richtlinie getroffen werden, ihre Regulierung mithin den jeweiligen nationalen Behörden überlassen bleiben.939 Die beiden Formen des organisierten Marktes sollten über die gehandelten Finanzinstrumente voneinander abgegrenzt werden:940 Geregelte Märkte sollten dem Handel öffentlich angebotener Wertpapiere dienen, alternative Märkte dagegen dem Handel der übrigen Finanzinstrumente.941 Crossing-Systeme sollten nicht unter den Begriff „organised market" fallen, weil nur Systeme berücksichtigt werden sollten, die eine aktive Rolle bei der Preisermittlung spielten.942 Das Betreiben von Bulletin Boards, Orderroutingsystemen und Crossing-Systemen sollte als Wertpapierdienstleitung als gesonderte Kategorie erfasst werden.943 Die große Mehrzahl der Kommentatoren lehnte das von der Kommission vorgeschlagenen Konzept des „organisierten Marktes" ab.944 Während es einige als unflexibel und innovationshemmend ansahen oder eine Regulierung sogar - zumindest zu diesem Zeitpunkt - für unnötig hielten, befürchteten andere eine Legitimierung des außerbörslichen Handels ohne entsprechende Verpflichtungen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Marktes.945 Hinsichtlich der Definition wurde von einigen außerdem die Unterscheidung zwischen preisfeststellenden und preisimportierenden Systemen kritisiert.946 Aufgrund der zum Teil disparaten Schlüsse, die von den Kommentatoren hinsichtlich der betroffenen Systeme gezogen wurden, bezweifelte die Generaldirektion Binnenmarkt die Eignung ihrer Definition und zog ihren Vorschlag zurück.947
939 Europäische Kommission - DG Internal Market, Overview of Proposed Adjustments, Document l, S. 7f.; Hammes, ZBB 2001,498 (500). Einen Überblick gibt auch Spindler, WM 2002, 1365 (l371 ff.). 940 Spindler, WM 2002, 1365 (1371); Hammes, ZBB 2001, 498 (500). 941 Hammes, ZBB 2001, 498 (500). 942 Europäische Kommission - DG Internal Market, Overview of Proposed Adjustments, Document l, S. 14. Vgl. auch Hammes, ZBB 2001, 498 (500). 943 Europäische Kommission - DG Internal Market, Overview of Proposed Adjustments, Document 1, S. 10. 944 Europäische Kommission - DG Internal Market, Revision of the Investment Services Directive (93/22), Annex 2: Summary of Responses, S. 8. 945 Europäische Kommission - DG Internal Market, Revision of the Investment Services Directive (93/22), Annex 2: Summary of Responses, S. 8f. 946 Europäische Kommission - DG Internal Market, Revision of the Investment Services Directive (93/22), Annex 2: Summary of Responses, S. 9. 947 Europäische Kommission - DG Internal Market, Revision of the Investment Services Directive (93/22), Annex 2: Summary of Responses, S. 10.
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Die Einführung von Transparenzstandards948 wurde von der Mehrheit der Kommentatoren generell unterstützt.949 Es wurde aber darauf hingewiesen, dass auf die unterschiedlichen Arten von Finanzinstrumenten und den Blockhandel Rücksicht genommen werden müsse.950 So sei eine Transparenzregelung zwar für den Aktienhandel zu begrüßen, für den Handel mit Rentenpapieren oder Derivaten aber nutzlos oder gar kontraproduktiv. Für den Blockhandel wiederum müsse die Möglichkeit einer verzögerten Veröffentlichung vorgesehen werden.951 2. Der zweite Ansatz der EU-Kommission Nach Auswertung der ersten Konsultation veröffentlichte die EU-Kommission im März 2002 eine stark überarbeitete Version ihrer Leitlinien und nach einer erneuten Konsultation im November 2002 schließlich einen Richtlinienvorschlag.952 Gegenüber dem ersten Vorschlag waren insbesondere die Klassifizierungen stark verändert worden. Das Konzept des „organisierten Marktes" war zugunsten eines stärker an der Lösung des CESR orientierten Vorschlags aufgegeben worden.953
948 Vgl. dazu Europäische Kommission — DG Internal Market, Überblick über die vorgeschlagenen Anpassungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie - Arbeitsdokument der Generaldirektion Binnenmarkt, Dokument l, offene Beratung im Juli 2001, S. 26. 949 Europäische Kommission - DG internal Market, Revision of the Investment Services Directive (93/22), Annex 2: Summary of Responses, S. 13. 950 Europäische Kommission - DG Internal Market, Revision of the Investment Services Directive (93/22), Annex 2: Summary of Responses, S. 13 f. 951 Europäische Kommission - DG Internal Market, Revision of the Investment Services Directive (93/22), Annex 2: Summary of Responses, S. 14. 952 Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.). Vgl. dazu Balzer, ZBB 2003, 177 ff.; Linden, Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, Working Paper; Weber, NJW 2004, 28 (38). 953 Die EU-Kommission erwähnte an mehreren Stellen ausdrücklich, dass die Standards des CESR die Grundlage ihrer Vorschriften bildeten. Vgl. z. B. Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.), S. 21; EU Kommission - DG Internal Market, Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, 2. Konsultation, Zusammenfassendes Arbeitspapier, S. 13; Europäische Kommission — DG Internal Market, Proposal for a Directive modifying Directive 93/22/EEC on Investment Services, Detailed Commentary on the Content and Provisions of the Proposal, S. 9 und S. 14; DG Internal Market, Explanatory Memorandum, S. 16. Vgl. auch Linden, Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, Working Paper, S. 7; Balzer, ZBB 2003, 177 (182).
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Stattdessen wurde der „geregelte Markt" als eigenständige Kategorie beibehalten und daneben der Begriff des „Multilateral Trading Facility" (MTF) eingeführt. 954 Das Betreiben eines MTFs sollte als Wertpapierdienstleistung neu in die Richtlinie aufgenommen werden.955 Die Definition sowie die Regelungen in Bezug auf MTFs lehnten sich an die Begriffsbestimmung und die Standards des CESR an.956 Daher ist der Begriff des „Multilateral Trading Facility" bis auf geringe Abweichungen gleichlautend mit dem des „qualifying system" des CESR. Dagegen sind die Regelungen in der MiFID in den meisten Fällen sehr viel detaillierter als die Standards des CESR. Zunächst wollte die Kommission die Möglichkeit der Nutzung von MTFs auf professionelle Marktteilnehmer - so genannte „geeignete Gegenparteien"957 - beschränken,958 gab diesen Vorschlag in ihrem endgültigen Richtlinienvorschlag jedoch wieder auf. Weiterhin sollte die (systematische) Internalisierung der Orderausführung geregelt werden, wobei insbesondere Transparenzpflichten und besondere Sorgfaltspflichten sowie eine Verpflichtung zur kundengünstigsten Auftragsausführung für Internalisierer eingeführt werden sollten.959 Transparenzpflichten nahmen insgesamt einen
954 Zum Begriff des MTF im Vergleich zur Definition der börsenähnlichen Einrichtung ausführlich unten 3. Teil: 1. Kapitel. 955 EU Kommission - DG Internal Market, Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, 2. Konsultation, Zusammenfassendes Arbeitspapier, S. 13; Europäische Kommission - DG Internal Market, Proposal for modification of Directive 93/22/EEC on Investment Services, Presentation of the Proposal, S. 5 sowie Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council Modifying Directive 93/22/EEC on Investment Services, Annex 1, Section A (7). Durch die Erfassung von MTFs als Wertpapierdienstleistungsunternehmen sollen Unsicherheiten hinsichtlich der angemessenen Grundlage für die Lizensierung und Überwachung von MTFs ausgeräumt werden, so Europäische Kommission - DG Internal Market, Proposal for modification of Directive 93/22/ EEC on Investment Services, Presentation of the Proposal, S. 7 und Europäische Kommission - DG Internal Market, Explanatory Memorandum, S. 16. 956 Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.), S. 20; vgl. dazu auch Balzer, ZBB 2003, 177 (181). Zu dieser Begriffsbestimmung siehe oben bei Fn. 867. 957 Zu „eligible counterparties" vgl. Art. 22 Abs. 3 in Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.). 958 Vgl. Art. 13 Abs. 2 Satz 2 in Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.). 959 EU Kommission - DG Internal Market, Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, 2. Konsultation, Zusammenfassendes Arbeitspapier, S. l Off. Die Binnenmarktdirektion überlegte, ob ein Schwellenwert von z.B. 10% des Kundenorderflusses festgelegt werden sollte, ab dem Internalisierung nicht
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hervorgehobenen Platz im Rahmen des neuen Vorschlags ein.960 Für alle betroffenen Systeme sollten umfängliche Verpflichtungen zur Vorhandelsund Nachhandelstransparenz eingeführt werden, wobei jedoch besondere Regeln für Transaktionen mit vergleichsweise großem Volumen und solche in illiquiden Aktien gelten sollten.961 Hinsichtlich der Anforderungen an die Systembetreiber und die Systemnutzer sollte zwischen dem Handel professioneller Marktteilnehmer und dem (mediatisierten) Handel von Privatanlegern unterschieden werden.962 Die Regelung des Betriebs multilateraler ATSs als Haupttätigkeit im Rahmen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wurde weitgehend begrüßt,963 ebenso die Orientierung an den Standards für ATSs des CESR.964 Die Zulassung von Internalisierungssystemen und die Abschaffung der Konzentrationsregeln wurde von vielen Börsen kritisiert, während die Intermediäre und sonstigen Marktteilnehmer auch dies begrüßten.965 Die einen
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mehr nur als Nebentätigkeit angesehen werden sollte. Vgl. S. 11, Fn. 4 a.a.O. Krit. zu diesem Schwellenwert BÖBD/DSG, Stellungnahme zu der Dokumentation der EU-Kommission, S. 10, da bei kleineren Dienstleistern eine größere Order bereits zu einem Überschreiten dieses Schwellenwertes führen könne, was größere Unternehmen begünstigen würde. EU Kommission - DG Internal Market, Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, 2. Konsultation, Zusammenfassendes Arbeitspapier, S. 7, 16. EU Kommission - DG Internal Market, Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, 2. Konsultation, Zusammenfassendes Arbeitspapier, S. 17. EU Kommission - DG Internal Market, Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, 2. Konsultation, Zusammenfassendes Arbeitspapier, S. 14. Vgl. nur BÖBD/DSG, Stellungnahme zu der Dokumentation der EU-Kommission, S. 5; FESE, Response to the Second Round of Consultation on the Revision of the Investment Services Directive. BÖBD/DSG, Stellungnahme zu der Dokumentation der EU-Kommission, S. 6; vgl. auch TBMA, RE: European Commission's Revision, S. 3. Krit. FESE, Response to the Second Round of Consultation on the Revision of the Investment Services Directive; bereits auch FESE, Response to the Working Document of Services of DG Internal Market „Overview of Proposed Adjustments to the Investment Services Directive; ebenso BÖBD/DSG, Stellungnahme zu der Dokumentation der EU-Kommission, S. 7 und S. 9. Besonders krit. gegenüber Internalisierung zunächst auch Euronext, Internalisation, die ihre Position später jedoch revidierte, vgl. Euronext, Euronext Welcomes Competition in Equity Trading, 24 May 2002. Positiv dagegen APCIMS, Re: EU Commission Services Second Consultation, S. 3, 7, 9; APCIMS et al., Innovation; BBA, Response to the Commission's Revision of the ISD; Deutsche Börse, Position Paper on the European Commission's Second Consultation, S. 1; IMA,
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unterstützten eine abgestufte Regulierung von MTFs und Internalisierern gegenüber derjenigen von geregelten Märkten,966 während andere eine gleichartige Regulierung von geregelten Märkten und MTFs forderten, wobei sie z.T. sogar bilaterale Systeme mit dem Argument einschlössen, dass Anleger bilaterale Systeme von multilateralen Systemen kaum unterscheiden könnten.967 Da sich die Diskussion über Regelungen für MTFs weitgehend im Rahmen der Konsultationen von CESR abgespielt hatte, wurden diesbezügliche Bestimmungen vergleichsweise wenig diskutiert. Im Mittelpunkt vieler Stellungnahmen zur Überarbeitung der Richtlinie standen nun vor allem die Regelungen für Internalisierungssysteme.968 Wie bei den Stellungnahmen zu den Vorschlägen des CESR waren auch hierbei die TransparenzPflichten ein zentrales Thema.969 Diese wurden zum Teil als Einflussnahme auf die Marktstruktur kritisiert, weil sie bestimmte Handelsmechanismen
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Proposed Revision of the Investment Services Directive, S. 4; TBMA, RE: European Commission's Revision, S. l; American Chamber of Commerce, The EU Committee's Response, S. 1,3. Von vielen Befürwortern alternativer Handelsmöglichkeiten wurde ein Börsenzwang in jeglicher Form, auch in Form einer Default Rule für die Orderausführung, abgelehnt. American Chamber of Commerce, The EU Committee's Response, S. 3. Für eine solche Default Rule aber Deutsche Börse, Position Paper on the European Commission's Second Consultation, S. 7; ähnlich auch bereits DAI, Stellungnahme zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (93/22/EWG), S. 3, das begrüßte, dass eine explizite Weisung der Kunden für eine außerbörsliche Ausführung eingeholt werden müsse. BBA, Response to the Commission's Revision of the ISD; FOA, Proposals for Revised Investment Services Directive. Vgl. dazu auch das Minderheitsvotum in FESE, Response to the Second Round of Consultation on the Revision of the Investment Services Directive; TBMA, RE: European Commission's Revision, S. 10. BÖBD/DSG, Stellungnahme zu der Dokumentation der EU-Kommission, S. 5; Deutsche Börse, Position Paper on the European Commission's Second Consultation, S. 2; FESE, Response to the Second Round of Consultation on the Revision of the Investment Services Directive. Vgl. nur die Stellungnahmen von FESE, Response to the Second Round of Consultation on the Revision of the Investment Services Directive; A PCI MS, Re: EU Commission Services Second Consultation, S. 3; BBA, Response to the Commission's Revision of the ISD; BÖBD/DSG, Stellungnahme zu der Dokumentation der EU-Kommission, S. 6ff. Vgl. dazu auch Seit:, AG 2004, 497 (499). Für eine Transparenzpflicht z. B. BÖBD/DSG, Stellungnahme zu der Dokumentation der EU-Kommission, S. 8 f.; Deutsche Börse, Position Paper on the Euro-
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gegenüber anderen bevorzugen würden.970 So befürchteten insbesondere die deutschen Regionalbörsen, dass durch die Pflicht zur Vorhandelstransparenz der Handel über ein geschlossenes Orderbuch unmöglich werden würde.971 Auch bei anderen Verfahrensarten, wie z. B. beim Quote-RequestVerfahren, bei dem das Angebot auf Anforderung erfolgt und nach seiner Abgabe nicht mehr verändert wird, wurde eine laufende Veröffentlichung von An- und Verkaufspreisen als weder praktikabel noch relevant kritiisiert.972 Von Nichtbörsen wurde dagegen die Vorhandeistransparenz im Zusammenspiel mit der Verpflichtung, nicht sofort ausgeführte Orders öffentlich zugänglich zu machen,973 als verdeckte Konzentrationsregel zugunsten geregelter Märkte beanstandet.974 Wieder andere Kommentatoren bezweifelten den Nutzen der vorgeschlagenen Vorhandeistransparenz generell, da eine solche ohne einen entsprechenden Zugang zu den einzelnen Handelssystemen wenig wert sei und sogar in die Irre führen könnte.975 Außerdem müssten die Interessen professioneller Anleger, u. a. an einem geringeren Schutzniveau,976 und die Besonderheiten des Blockhandels bes-
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pean Commission's Second Consultation, S. 4; FESE, Response to the Second Round of Consultation on the Revision of the Investment Services Directive. Krit. gegenüber Transparenzpflichten A PCI M S, Re: EU Commission Services Second Consultation, S. 6; BBA, Response to the Commission's Revision of the ISD; FOA, Proposals for Revised Investment Services Directive; IMA, Proposed Revision of the Investment Services Directive, S. 4 mit Hinweis auf das Market Making. Vorhandeistransparenz gänzlich ablehnend TßMA, RE: European Commission's Revision, S. 10; American Chamber of Commerce, The EU Committee's Response, S. 4. Zu einer krit. Überlegung, was (Vorhandels-)Transparenz zu leisten vermag, APCIMS et al., Innovation, S. 14f. American Chamber of Commerce, The EU Committee's Response, S. 4; TBMA, RE: European Commission's Revision, S. 10, das die Vorhandeistransparenz als einen getarnten Börsenzwang kritisierte. Vgl. auch Baden-Würltembergische Wertpapierbörse, Stellungnahme, S. 5. Krit. bereits zu den Transparenzpfiichten im Rahmen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie Ferrarini, C. M. L, Rev. 1999, 569 (578 ff.). Baden-württembergische Wertpapierbörse, Stellungnahme, S. 4f. Dieses Handelsverfahren diene dem Schutz der Privatanleger, die dadurch unbesorgt unlimitierte Aufträge erteilen könnten, und ermögliche in vielen Fällen erst einen funktionierenden Handel, wie z. B. bei Derivaten. Baden- Württembergische Wertpapierbörse, Stellungnahme, S. 10. Art. 20 Abs. 4 in Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.). SIA, Re: Proposed Revision of the Investment Services Directive, S. 3. BBA, Response to the Commission's Revision of the ISD. APCIMS, Re: EU Commission Services Second Consultation, S. 9.
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ser berücksichtigt werden.977 Auch für den Markt für festverzinsliche Wertpapiere wurden Sonderregeln hinsichtlich der Transparenz gefordert, weil der Handel dort nicht mit demjenigen von Aktien verglichen werden könne und dort außerdem bereits Dienste für die Veröffentlichung von Handelsinformationen bestünden.978 Schließlich wurde vorgeschlagen, Ausnahmen von den Transparenzpflichten für Handelssysteme und Wertpapierfirmen mit einem geringen Marktanteil vorzusehen.979 3. Die endgültige Fassung der Richtlinie Hinsichtlich der Regulierung von MTFs sah die endgültige Fassung der Richtlinie nur geringfügige Änderungen gegenüber dem Richtlinienvorschlag vor.980 Dagegen wurde der Richtlinienvorschlag in Bezug auf Internalisierungssysteme im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch mehrfach geändert.981 Um der veränderten Zielrichtung der Richtlinie Rechnung zu tragen, die nun zu einem wesentlichen Teil Vorschriften für geregelte Märkte und marktähnliche Systeme (MTFs) enthielt, wurde außerdem die Benennung der Richtlinie in „Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente" geändert. Um den unterschiedlichen Handelsteilnehmern gerecht zu werden, differenziert die Richtlinie an verschiedenen Stellen zwischen Privatanlegern und professionellen Marktteilnehmern (so genannte „geeignete Gegenparteien"), wie z. B. bei den Wohlverhaltenspflichten und der Pflicht zur kundengünstigsten Auftragsausführung.982
977 BBA, Response to the Commission's Revision of the 1SD; BÖBD/DSG, Stellungnahme zu der Dokumentation der EU-Kommission, S. 11; FESE, Response to the Second Round of Consultation on the Revision of the Investment Services Directive; FOA, Proposals for Revised Investment Services Directive; American Chamber of Commerce, The EU Committee's Response, S. 3. 978 TBMA, RE: European Commission's Revision, S. 7, 9. Anders dagegen Deutsche Börse, Position Paper on the European Commission's Second Consultation, S. 5, die für den Handel aller Finanzinstrumente umfassende Transparenz forderte. 979 American Chamber of Commerce, The EU Committee's Response, S. 4. 980 So wurde z. B. die Regelung des Zugangs zu MTFs mit derjenigen für geregelte Märkte harmonisiert. Vgl. Art. 14 Abs. 4 MiFID. 981 Vgl. IP/03/1291 vom 25.09.2003 sowie IP/03/1352 vom 07.10.2003. Für einen Überblick über wichtige Änderungen siehe Schlüter, Internalisierungssysteme, S. 31 ff. 982 Vgl. Art. 24 MiFID und Erwägungsgrund 31 der MiFID. Zur stärkeren Differenzierung bereits im Entwurf für eine überarbeitete Wertpapierdienstleistungsrichtlinie Hörn, Europäisches Finanzmarktrecht, S. 140f.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
a) Begriffsbestimmungen der MiFID: MTF, geregelter Markt, systematischer Internalisierer In Art. 4 Abs. l Nr. 15 MiFID wird ein MTF definiert als „ein von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betriebenes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß den Bestimmungen des Titels II führt".983 Demgegenüber wird ein geregelter Markt in Art. 4 Abs. l Nr. 14 MiFID definiert als „ein von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie eine Zulassung erhalten hat und ordnungsgemäß und gemäß den Bestimmungen des Titels III funktioniert." Die Begriffe „geregelter Markt" und MTF sind einander sehr ähnlich. Dadurch kommt die Marktähnlichkeit von MTFs zum Ausdruck.984 Im Vergleich zum Begriff des MTFs enthält die Definition des geregelten Marktes einerseits einige zusätzliche Merkmale, andererseits eine Beschränkung auf Marktbetreiber als Betreiber - demgegenüber können MTFs auch von Wertpapierfirmen betrieben werden. Für bilaterale Handelssysteme legt Art. 4 Abs. l Nr. 7 MiFID die eigenständige Kategorie des „systematischen Internalisierers" fest. Dabei handelt es sich um „eine Wertpapierfirma, die in organisierter und systematischer Weise häufig regelmäßig Handel für eigene Rechnung durch Ausführung von Kundenaufträgen außerhalb eines geregelten Marktes oder eines MTF treibt".
983 Art. 4 Abs. l Nr. 15 MiFID. Dazu unten 3. Teil: 1. Kapitel: vgl. dazu auch Seitz, AG 2004, 497 (501); Balzer, ZBB 2003, 177 (181 f.). 984 Europäische Kommission - DG Internal Market, Proposal for modification of Directive 93/22/EEC on Investment Services, Presentation of the Proposal, S. 7 und Europäische Kommission - DG Internal Market, Explanatory Memorandum, S. 16.
2. Kapitel: Die europarechtlichen Regelungen und ihre Entwicklung
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b) Überblick über die Regelungen der MiFID Da das Betreiben von MTFs als Wertpapierdienstleistung eingeordnet wird, gelten die allgemeinen Regelungen für Wertpapierfirmen nicht nur für systematische Internalisierer, sondern auch für das Betreiben von MTFs. Für MTFs gelten darüber hinaus zusätzliche spezifisch marktbezogene Bestimmungen, die vor allem in den Art. 14, 26, 29 und 30 MiFID zu finden sind.985 Diese lehnen sich an die Vorschriften für geregelte Märkte an. Hierdurch wird die Qualität des Handels über MTFs mit derjenigen von geregelten Märkten vergleichbar. Eine Folge davon ist, dass eine besondere Zustimmung des Kunden für die Ausführung seiner Order über ein MTF, anders als beim sonstigen außerbörslichen Handel, nicht mehr vorgesehen ist.986 Für systematische Internalisierer gelten neben den für alle Wertpapierfirmen geltenden Vorschriften, außerdem besondere Transparenz- und Zugangsregelungen gemäß Art. 27 MiFID. In Art. 5 ff. MiFID werden zunächst die Zulassungsbedingungen und Verfahren für Wertpapierfirmen geregelt.987 Da das Betreiben eines MTFs als Wertpapierdienstleistung eingestuft wird,988 müssen Wertpapierunternehmen, die MTFs betreiben möchten, um eine entsprechende Zulassung bei der Aufsichtsbehörde nachsuchen.989 Eine bloße Anzeige, wie sie das CESR vorgesehen hatte, reicht somit nicht aus. Dagegen stellt die systematische Internalisierung keine eigenständige Wertpapierdienstleistung dar und bedarf daher keiner gesonderten Zulassung.990 Wertpapierfirmen, die MTFs betreiben, müssen die für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltenden Vorschriften beachten, wie z. B. das Vorhandensein einer ausreichenden Ausstattung mit Anfangskapital,991 die Mitgliedschaft in einem zugelassenen Anlegerentschädigungssystem,992 und die Erfüllung organisatorischer Vorkehrungen.993 Zu den organisatorischen 985 Dazu ausführlich unten, insb. 4. Teil: 3. Kapitel, 4. Teil: 4. Kapitel: II. 1. a. und 4. Teil: 5. Kapitel. 986 Art. 21 Abs. 3 Unterabs. 3 MiFID. 987 Dazu unten 4. Teil: 2. Kapitel: I. 3. 988 Vgl. Anhang I, Abschnitt A, Nr. 8 MiFID. 989 Dazu Art. 5 Abs. l Satz l MiFID in Verbindung mit Anhang I, Abschnitt A, Nr. 8. Für Betreiber von geregelten Märkten sieht Art. 5 Abs. 2 MiFID vor, dass diese MTFs ohne zusätzliche Zulassung betreiben dürfen sollen. 990 Se//z,AG2004,497(501). 991 Art. 12 MiFID. Vgl. dazu auch Europäische Kommission - DG Internal Market, Explanatory Memorandum, S. 17. 992 Art. 11 MiFID. Nur für Marktbetreiber gilt hier eine Ausnahme vgl. Art. 5 Abs. 2 MiFID. 993 Art. 13 MiFID. Dazu unten 4. Teil: 2. Kapitel: III. 1.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
Vorkehrungen nach Art. 13 MiFID gehören insbesondere die Vermeidung von Interessenkonflikten, die Sicherstellung der Einhaltung der durch die Richtlinie auferlegten Pflichten, die Gewährleistung einer kontinuierlichen Erbringung der Dienstleistungen, die Vermeidung von Risiken bei der Einschaltung Dritter, angemessene Kontrollen, Buchführungspflichten, Sicherung der Rechte von Kunden hinsichtlich der ihnen gehörenden Finanzinstrumente und ihres Vermögens. Darüber hinaus enthält Art. 14 MiFID für das Betreiben von MTFs besondere Vorschriften für die Gewährleistung eines fairen und ordnungsgemäßen Handels,994 die Einbeziehung von Finanzinstrumenten,995 den Zugang zum Handelssystem996 und für die Abwicklung von Transaktionen.997 Anders als Regulation ATS in den USA enthält die MiFID keine Bestimmung dahingehend, dass MTFs Dritten - also Nicht-Kunden - den Handel gegen im System veröffentlichte Orders oder Kursofferten ermöglichen müssen.998 Die Pflichten im Rahmen der laufenden Geschäftstätigkeit von Wertpapierfirmen werden in den Art. 16 ff. MiFID geregelt. Dazu gehören Bestimmungen über die Vermeidung von Interessenkonflikten,999 Wohlverhaltensregeln 100° und die Pflicht zur kundengünstigsten Ausführung1001 allerdings gelten die beiden letzteren nicht für das unmittelbare Betreiben von MTFs.1002 Für MTFs enthält Art. 26 MiFID Pflichten zur Überwachung der Nutzer und zur Meldung von Marktmissbrauch an die Aufsichtsbehörde.1003 Mit diesen Regelungen soll sichergestellt werden, dass der Handel über MTFs - also „Nicht-Börsen" - einer vergleichbaren Überwachung unterliegt wie der Handel an Börsen.1004 994 Art. 14 Abs. l MiFID. Dazu unten 4. Teil: 5. Kapitel: II. Vgl. dazu und zum folgenden auch Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.), S. 21. 995 Art. 14 Abs. 2 MiFID. Dazu unten 4. Teil: 5. Kapitel: I. 996 Art. 14 Abs. 4 MiFID. Dazu unten 4. Teil: 4. Kapitel: II. 1. 997 Art. 14 Abs. 5 MiFID. Dazu unten 4. Teil: 5. Kapitel: VII. 998 Vgl. dazu Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.), S. 21; Europäische Kommission - DG Internal Market, Explanatory Memorandum, S. 17. Zur Zugangsregelung in den USA oben 2. Teil: 1. Kapitel: IV. 5. c. sowie 4. Teil: 4. Kapitel: II. 2. 999 Art. 18 MiFID. Dazu unten 4. Teil: 2. Kapitel: III. 1. a. 1000 Art. 19 MiFID. 1001 Art. 21 MiFID. Dazu unten 4. Teil: 4. Kapitel: IV. 1. 1002 Art. 14 Abs. 3 Satz l MiFID. 1003 Dazu unten 4. Teil: 5. Kapitel: IV. 1004 Europäische Kommission - DG Internal Market, Detailed Commentary, S. 19. Art. 26 MiFID nimmt damit den Gedanken der Vorschrift in Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Ja-
2. Kapitel: Die europarechtlichen Regelungen und ihre Entwicklung
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Ein besonderes Gewicht legt die MiFID auf die Transparenz von Märkten, soweit dort Aktien gehandelt werden.1005 Art. 29 und Art. 30 MiFID enthalten daher eine umfassende Regelung der Pflichten von MTF-Betreibern zur Gewährleistung einer Vorhandels- und Nachhandelstransparenz,1006 die neben einer umfassenden Verpflichtung zur Transparenz auch eine Reihe von Ausnahmen für verschiedene Fälle, wie z. B. den Blockhandel, vorsieht. Für systematische Internalisierer, die den Handel mit Aktien betreiben, enthält Art. 27 MiFID besondere Regelungen über die Stellung und Veröffentlichung von Kursofferten und der Zugangsgewährung zu ihren Kursofferten.1007 Während sie beim Handel mit Privatanlegern eine bestmögliche Orderausführung gewährleisten müssen,1008 gewährt ihnen die MiFID beim Handel mit professionellen Marktteilnehmern einen größeren Freiraum.1009 Schließlich sind Wertpapierfirmen insgesamt und damit auch systematische Internalisierer nach Art. 28 MiFID dazu verpflichtet, Informationen über Geschäfte zu veröffentlichen, die sie außerhalb eines geregelten Marktes oder eines MTFs abgeschlossen haben.1010 Die MiFID trat Ende April 2004 in Kraft und sollte innerhalb von 24 Monaten nach Inkrafttreten umgesetzt werden.10" Die EU-Kommission hat allerdings angekündigt, dass die Umsetzungsfrist um ein halbes Jahr verlängert und darüber hinaus den Unternehmen und Märkten ein weiteres halbes Jahr für die Anpassung ihrer Strukturen eingeräumt werden soll.1012
1005 1006 1007 1008 1009 1010 1011 1012
nuar 2003 über Insidergeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), AB1EU 2003 Nr. L 96 vom 12.04.2003, S. 16 (Marktmissbrauchsrichtlinie) auf, welche die die Mitgliedstaaten dazu auffordert, die Betreiber von Märkten zu veranlassen, strukturelle Vorkehrungen zur Verhinderung und Aufdeckung von Marktmanipulationen zu treffen. In Europäische Kommission, KOM(2002), 625 (endg.), S. 15 auch als Kernstück des Maßnahmenpakets bezeichnet. Vgl. dazu auch Europäische Kommission, KOM(2002), 625 (endg.), S. 12f.; Hörn, Europäisches Finanzmarktrecht, S. 141. Vgl. dazu auch Europäische Kommission, KOM(2002) 625 (endg.), S. 21. Dazu unten 4. Teil: 3. Kapitel: I. Dazu unten 4. Teil: 3. Kapitel: IV. (Stellung und Veröffentlichung von Kursofferten) und 4. Teil: 4. Kapitel: III. (Zugang zu Kursofferten). Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 3 MiFID. Vgl. Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 4 und 5 MiFID. Art. 28 Abs. l S. l MiFID. Art. 70 Satz l und 72 MiFID. Siehe http://europa.eu.int/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/05/759. Vgl. dazu bereits Europäische Kommission, KOM(2005) 177 (endg.), vom 03.05.2005,5.23.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
III. Zusammenfassung Die Standards von CESR waren die ersten, wenn auch noch unverbindlichen, Regelungen in Bezug auf ATSs für die in diesem Gremium vertretenen europäischen Länder. Aufgrund der intensiven Beteiligung der betroffenen Kreise bei der Abfassung der Standards, erstellte CESR insgesamt ausgewogene und flexible Regelungen, welche die zum Teil sehr unterschiedlichen Positionen der Beteiligten weitgehend berücksichtigten. Die Standards des CESR zu Regulierung von ATSs beeinflussten die Bestimmungen der MiFID, welche die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie ablöst. Die Regelungen für MTFs und geregelte Märkte sind in vielen Fällen parallel ausgestaltet, wodurch die Marktähnlichkeit von MTFs auch in der Richtlinie deutlich wird. Neu gegenüber den Standards des CESR sind die Regelungen für systematische Internalisierer, die in den vorbereitenden Konsultationen Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen waren.
3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz1013 wurde 2002 mit den §§ 58-60 BörsG eine Regelung alternativer Handelssysteme in das Börsengesetz1014 aufgenommen.1015 Allerdings sind diese Vorschriften nicht auf alle Systeme in gleicher Weise anwendbar. Während die in § 58 BörsG vorgeschriebene Anzeigepflicht für das Betreiben eines elektronischen Handelssystems für alle Handelssysteme gilt, gelten die in § 59 BörsG normierten Pflichten nur für so genannte „börsenähnliche Einrichtungen" (dazu unter II). Soweit die Betreiber von außerbörslichen Handelssystemen Finanz- und Wertpapierdienstleistungen erbringen, sind sie darüber hinaus den Vorschriften des Kreditwesengesetzes1016 und des Wertpapierhandelsgesetzes1017 unterworfen (dazu unter III).
I. Regelungsbedürfnis in Deutschland Vor dem Inkrafttreten des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes wurden ATSs in die drei Grundkategorien1018 Inseratsysteme1019, ECNs1020 und 1013 Gesetz zur Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21. Juni 2002, BGB1. I 2002, S. 2010. Dazu siehe z.B. Beck, BKR 2002, 662ff; ders., BKR 2002, 699ff.; Fenchel, DStR 2002, 1355ff.; Fleischer, NJW 2002, 2977ff.; FürhofflSchuster, BKR 2003, 134fT.; Hutter/Leppert, NZG 2002, 649ff.; Mülbert, JZ 2002, 826ff.; Weber, NJW 2004, 28ff.; Weber, NJW 2003, 18 ff.; Berger, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, Working Paper; zu §§ 58 ff. BörsG ReuschleiFleckner, BKR 2002, 617ff.; Cohn, ZBB 2002, 365ff.; Spindler, WM 2002, 1325ff.; EscherIWalz, BKR 2002, 337 ff; Hoffmann, WM 2003, 2025 ff. 1014 Börsengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2002, BGB1. I 2002,8.2010. 1015 Die Vorschriften wurden kurz vor der endgültigen Verabschiedung des 4. FMFG auf Bestreben des Bundesrates aufgenommen. Vgl. EscherIWalz, BKR 2002, 337. 1016 Gesetz über das Kreditwesen (KWG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Sept. 1998 (BGB1. I 1998, S. 2776). 1017 Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Sept. 1998 (BGB1.1 1998, S. 2708). 1018 Vgl. Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, Jahresbericht 1999, Kap. III.4.2; sowie die Übersicht in BWA, Positionspapier, S. 4ff. 1019 Vgl. dazu Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, Jahresbericht 1999, Kap. III.4.2; BWA, Positionspapier, S. 4f.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
Proprietäre Transaktionssysteme1021 unterteilt. Soweit die Betreiber von ATSs auf ihren Systemen Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung oder Eigenhandel im Sinne von § l Abs. l a Satz 2 Nr. l, Nr. 2, Nr. 4 KWG bzw. § 2 Abs. 3 Nr. 4, Nr. 3, Nr. 2 WpHG betrieben, wie dies insbesondere in den beiden ersten Fällen angenommen werde konnte, unterlagen sie den Regelungen des KWG und des WpHG. Soweit es sich bei ATSs jedoch um Börsen im funktionalen Sinne handelte - wie dies insbesondere bei proprietären Transaktionssystemen in vielen Fällen angenommen werden konnte -, bedurfte es einer Genehmigung als Börse.1022 Zunehmend erschienen die Regelungen des KWG und des WpHG jedoch als nicht ausreichend, um den Funktions- und Anlegerschutz zu gewährleisten, weil sie nicht primär darauf abgestimmt waren, transparente, faire und sichere Märkte zu gewährleisten.1023 Die Vorschriften regelten die Finanz- und Wertpapierdienstleister in ihrer Eigenschaft als Unternehmen, enthielten jedoch keine Bestimmungen zur Regelung von Marktfunktionen. Darüber hinaus galten (und gelten) sämtliche Verhaltenspflichten der §§ 31 ff. WpHG nur im Verhältnis Finanzdienstleister - Kunde, nicht aber auch gegenüber Nichtkunden.1024 1. Börsengutachten von Hop t/Rudolph/Baum Die Diskussion dieser Probleme im Vorfeld des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes1025 wurde von dem von Hopt/Rudolph/Baum 1997 vorgelegten Gutachten zur Börsenreform maßgeblich beeinflusst.1026 Bereits in diesem Börsenreformgutachten wurde eine gesetzliche Regulierung außer1020 ECNs wurden in Deutschland anders als von der SEC als Systeme definiert, die den Handel zwischen dem Emissionshaus und Finanzintermediären ermöglichen, d. h. bei denen das Emissionshaus bei jeder Transaktion die Gegenpartei stellt, wie z. B. bei CitiCats-OS. Vgl. dazu BWA, Positionspapier, S. 5. 1021 Vgl. Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, Jahresbericht 1999, Kap. III.4.2; BWA, Positionspapier, S. 5f. 1022 Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Vorbem. §§ 58-60 BörsG, Rdn. 6; Spindler, Wertpapierhandelssysteme, in FS Druey, S. 923 (929ff.) Vgl. auch Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, Jahresbericht 1999, Kap. III.4.2; Cohn, ZBB 2002, 365 (368); Florian, Wertpapierhandel, S. 272. 1023 BSK, Empfehlungen, S. 8. 1024 Cohn, ZBB 2002, 365 (371 f.); Spindler, Wertpapierhandelssysteme, in FS Druey, S. 923 (942, 944). 1025 Siehe z. B. Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G; BaumsISegna, Börsenreform; Hellwig, ZGR 1999, 781 ff.; Mues, ZBB 2001, 353ff.; Hammen, AG 2001, 549ff.; Wastl, WM 1999, 620 (625ff.); Hessische Börsenaufsichtsbehörde, Stellungnahme; Rudolph, WM 1999, 371 f.; Roggemann, ZfgKrW 2002, 302ff. 1026 HoptlRudolph!Baum, Börsenreform.
3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung
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börslicher Handelssysteme vorgeschlagen.1027 Die strikte Unterscheidung zwischen Börse und Nicht-Börse entspräche nicht mehr der modernen Entwicklung. Börsenähnliche Einrichtungen könnten vom Gesetzgeber nicht länger ignoriert werden.1028 Vielmehr müsse der unaufhaltsamen technischen Weiterentwicklung durch die Anerkennung solcher Systeme Rechnung getragen werden.1029
a) Der Begriff „börsenähnliche Einrichtung" Laut dem Börsenreformgutachten sollte eine neue Kategorie der „börsenähnlichen Einrichtung" eingeführt werden, die eine flexible Regelung je nach Grad der Börsennähe erlauben sollte.1030 Von einem solchen Regulierungssystem versprachen sich die Verfasser des Börsenreformgutachtens eine hohe Anpassungsfähigkeit und die Vermeidung von Regelungslücken.1031 Allerdings wurde davon abgeraten, den Begriff der börsenähnlichen Einrichtung zu definieren. Eine Definition sollte in ihren Augen vielmehr einer Rechtsverordnung vorbehalten bleiben.1032 So sollte die Definition mit erheblich weniger Aufwand der raschen technologischen Entwicklung angepasst werden können.1033 Der Begriff der börsenähnlichen Einrichtung sollte vor allem proprietäre Transaktionssysteme erfassen, die ein Orderrouting und/oder die Verbreitung von Preisinformationen bezweckten, ohne dass Abschlüsse im System getätigt würden.1034 Auch Sub- oder Teilsysteme von Börsen, die ohne Preisstellung etwa ein nach1027 HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (392ff.). 1028 HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (392). 1029 HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (392). 1030 HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (398). So auch BaumsISegna, Börsenreform, S. 20; für eine solche Art der Regulierung vgl. auch MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 49ff. (1999). 1031 HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (398). 1032 Sie sollte nur dann hilfsweise im BörsG erfolgen, wenn verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Definition in einer Rechtsverordnung bestünden. Siehe HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (393). 1033 HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (393). 1034 HoptIBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (393).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
börsliches Crossing betrieben, sollten erfasst werden können. Aber auch Systeme, bei denen Abschlüsse innerhalb des Systems getätigt würden, sollten dann als börsenähnlich qualifiziert werden können, wenn sie ausschließlich professionellen Handelsteilnehmern offenstehen würden.1035 In Abgrenzung zum Börsenbegriff sollte ein System nur dann als „börsenähnlich" eingestuft werden können, wenn tatbestandlich noch keine Börse vorläge. Außerdem sollten reine Informationssysteme ausgeklammert bleiben, weil diese nach den Zwecken des Börsengesetzes nicht gleichermaßen regelungsbedürftig seien.1036 Die Anerkennung als „börsenähnliche Einrichtung" sollte darüber hinaus auch auf einen entsprechenden Antrag hin als eine Art „Gütesiegel" ermöglicht werden.1037 Dadurch sollte der Leistungswettbewerb gefördert werden. Außerdem erhofften sich die Verfasser des Börsenreformgutachtens eine nachhaltigere Erfüllung des Anlegerschutzes, da diese Erfüllung auf freiwilliger Basis geschehen würde. b) Das festgestellte Regelungsbedürfnis Das Börsenreformgutachten plädierte weiterhin dafür, dass der Gesetzgeber bei der Regulierung von detaillierten inhaltlichen Vorgaben absehen sollte. Wegen der großen Vielfalt der Handelssysteme könne es angezeigt sein, ganz unterschiedlich vorzugehen. Dies könne nur die Börsenaufsichtsbehörde im jeweiligen Einzelfall bzw. nach Fallgruppen entscheiden.1038 Eine Regelung dürfe börsenähnliche Einrichtungen nicht deshalb schlechter stellen, weil sie keine Börsen seien. Aus ökonomischer Sicht sei kein Grund für eine Privilegierung von Börsen ersichtlich und aus rechtlicher
1035 HoptJBaum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (392 f.). 1036 Hopt/Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (394). Nach Meinung von Baums/Segna, Börsenreform, S. 21 sollte sich die Börse vor allem durch die „qualifizierte Preisfeststellung" von börsenähnlichen Einrichtungen unterscheiden. Börsenähnliche Einrichtungen würden demnach im Wesentlichen proprietäre Transaktionssysteme, wie z. B. multilaterale Handelssysteme mit eigener Preisermittlung, erfassen. Inseratsysteme, die einen Vertragsabschluss nur ermöglichen, und Crossing-Systeme wären danach ausgenommen. Was eine qualifizierte Preisfeststellung besonders auszeichnet, ist allerdings noch klärungsbedürftig, siehe Spindler, WM 2002, 1325 (1332). 1037 Hopi/Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (399). 1038 Hopt/Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (395).
3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung
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Sicht käme es allein darauf an, ob eine börsenähnliche Einrichtung die Anforderungen hinsichtlich des Anleger- und Funktionsschutzes erfülle oder nicht.1039 Wenn und soweit der Gesetzeszweck dies erforderlich mache, könnten börsenähnliche Einrichtungen dem Börsengesetz unterstellt werden. Dies könne entsprechend dem Grad der funktionalen Annäherung an eine Börse ganz oder teilweise geschehen.1040 Dadurch würde ein dreigestaffeltes System geschaffen werden, auf dessen oberster Stufe Börsen stehen sollten, an welche die höchsten Anforderungen gestellt würden. Auf der zweiten Stufe sollten börsenähnliche Einrichtungen stehen und auf der untersten die Wertpapierfirmen.1041 Außerdem sollte die Aufsicht dafür Sorge tragen, dass eine gewisse Mindestregulierung im Hinblick auf die Preisqualität gewährleistet sei. Um eventuelle Missverständnisse von Anlegern - insbesondere hinsichtlich der Preisqualität - zu vermeiden, sollten börsenähnliche Einrichtungen ihre Handelsteilnehmer zumindest darüber informieren, dass eine Preisfeststellung außerhalb der Börse erfolge.1042 2. Die Empfehlungen der Börsensachverständigenkommission Vorbereitend für eine gesetzliche Regelung beschäftigte sich auch die Börsensachverständigenkommission (BSK)1043 mit der Regulierung alternativer Handelssysteme und veröffentlichte Empfehlungen, die später im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes aufgegriffen wurden.1044
1039 Hopt/Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (395 f.). 1040 Hop t i Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (397). 1041 Hopt/Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (398). 1042 Hopt/Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (397). 1043 Die BSK ist ein vom Bundesminister der Finanzen berufenes Gremium, das die Aufgabe hat, die BReg. in Kapitalmarkt- und Börsenfragen zu beraten. Sie setzt sich zusammen aus Vertretern der Börsen, der Kreditwirtschaft, der Industrie, des Versicherungswesens, der Anleger, der Wissenschaft, der Deutschen Bundesbank sowie derjenigen Bundesländer, die Sitz einer Börse sind. 1044 Das Diskussionspapier der BSK mit dem Titel „Empfehlungen zur Regulierung alternativer Handelssysteme" wurde im Frühjahr 2001 von einer Arbeitsgruppe der BSK erarbeitet und am 16.05.2001 von der BSK verabschiedet. Dazu Roggemann, ZfgKrW 2002, 302 (306).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
a) Die Begriffsbestimmungen der Börsensachverständigenkommission Die BSK unterteilte alternative Handelssysteme in zwei Gruppen: (1) Handelssysteme mit Marktplatzfunktion1045 bzw. Wertpapierhandelssysteme und (2) Kontrahenten- bzw. bilaterale Handelssysteme1046. Eine solche Unterscheidung hielt die BSK für notwendig, weil diese Arten von Systemen unterschiedliche Risiken aufweisen würden und damit ein unterschiedlicher Regulierungsbedarf bestünde. Von zentraler Bedeutung für die Abgrenzung war, dass bei Marktplatzsystemen viele unterschiedliche Marktteilnehmer miteinander handelten, während bei Kontrahentensystemen immer die gleiche Person Gegenpartei aller Transaktionen wäre und dabei nicht nur als risikolose zentrale Gegenpartei zwischen Käufer und Verkäufer stünde.1047 Nach der BSK führen „Handelssysteme mit Marktplatzfunktion" Angebot und Nachfrage in Wertpapieren innerhalb eines elektronischen Systems zu festgelegten Regeln mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages zusammen.1048 Das von der BSK nicht ausdrücklich aufgeführte Merkmal der „mehreren Marktteilnehmer" wird durch die Charakterisierung dieser Handelssysteme als Systeme mit „Marktplatzfunktion" und der Abgrenzung gegenüber den bilateralen Systemen impliziert.l049 Bilaterale Handelssysteme dienen laut der BSK dem An- und Verkauf von Wertpapieren, wobei der Handel ausschließlich über einen Anbieter und innerhalb des Systems zu den vom Anbieter gesetzten Preisen bzw. Mengen erfolgt und im Ergebnis zu einem unwiderruflichen Vertrag führt.1050 b) Das festgestellte Regelungsbedürfnis Nach Einschätzung der Börsensachverständigenkommission bestand besonders im Hinblick auf Handelssysteme mit Marktplatzfunktion ein größeres Regelungsbedürfnis.1051 Sie kritisierte, dass Handelssysteme mit 1045 BSK, Empfehlungen, S. 4 ff. zu den unterschiedlichen Systemen 1046 55A:, Empfehlungen, S. 6 f. 1047 BSK, Empfehlungen, S. 12f. Zu den unterschiedlichen Systemen auch BWA, Positionspapier; MaceylO'Hara, 28 J. Leg. Stud. 17, 19 (1999); Nyquisl, 13 Yale L. & Pol'y Rev. 281, 301 ff. (1995); Domowitz, Exchange, in Lo, Industrial Organization, S. 93 (96f.). Für eine knappe Übersicht siehe Baum, Technological Innovation, in Kono/Paulus/Rajak, Legal Issues, S. 99 (106). 1048 Siehe BSK, Empfehlungen, S. 4. 1049 Siehe BSK, Empfehlungen, S. 4, Fn. 1. 1050 BSK, Empfehlungen, S. 6. 1051 Dagegen wurde bei Kontrahentensystemen weniger Regelungsbedarf gesehen. Vgl. BSK, Empfehlungen, S. 11 ff.
3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung
201
Marktplatzfunktion, wegen ihrer großen Ähnlichkeit zu Börsen, regelmäßig der Genehmigung bedurften. Dies würde eine zu hohe Markteintrittsbarriere für innovative Unternehmen darstellen.1052 Andererseits schien eine Regulierung lediglich als Wertpapierdienstleister, nicht ausreichend, weil außerhalb des Börsengesetzes keine ausreichenden Vorschriften zur Sicherung fairer, effizienter, transparenter und sicherer Märkte existierten.1053 Insbesondere für Handelssysteme mit Marktplatzfunktion erwog die BSK daher Regelungen zur Transparenz von Preisen, der Vermeidung von Interessenkonflikten, der Preisermittlung sowie der Systemsicherheit.1054
II. Überblick über die börsenrechtlichen Regelungen nach dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz Im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz wurden diese Überlegungen aufgegriffen. So übernahm der Gesetzgeber die vorgeschlagene Differenzierung zwischen den verschiedenen Handelssystemen und dem dreistufigen Regelungsaufbau.1055 Zunächst haben gemäß § 58 Abs. l Satz l BörsG alle elektronischen Handelssysteme - der Begriff ist weit zu verstehen l056 -, die nicht nach § l Abs. l Satz l BörsG als Börse genehmigt sind und die im Inland einen Handel in „börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern und Rechten" betreiben wollen, dies der Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Die Anzeige soll der Börsenaufsichtsbehörde ermöglichen, sich anhand der vom Betreiber vorgelegten Angaben und Unterlagen zunächst eine Übersicht über die Funktionsweise des jeweiligen Handelssystems zu verschaffen.1057 Im Anschluss daran entscheidet sie, ob sie das Handelssystem als Börse, börsenähnliche Einrichtung nach § 59 Satz l BörsG oder als sonstiges Handelssystem einstuft.1058 Ein Wahlrecht des Betreibers des Handelssystems hinsichtlich der Einordnung seines Handelssystems - wie es bei dem vorge-
1052 1053 1054 1055
BSK, Empfehlungen, S. 7. BSK, Empfehlungen, S. 7f. BSK, Empfehlungen, S. 8 ff. Fin A, BT-Drucks. 14/8601, S. 15. Zum Vorschlag eines dreistufigen Aufbaus siehe Hopt/Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (398). 1056 Vgl. FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 16. Zum Begriff des elektronischen Handelssystems siehe sogleich. 1057 FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 16. 1058 FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 16.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
schlagenen Opt-In Modell vorgesehen war1059 - besteht somit nicht.1060 Die einzige Wahlmöglichkeit für Betreiber besteht darin, ihr System gleich als Börse registrieren zu lassen, oder aber die Entscheidung der Börsenaufsichtsbehörde zu überlassen. Während Börsen und börsenähnliche Einrichtungen der Börsenaufsicht der Länder unterliegen, stehen die sonstigen Handelssysteme allenfalls unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach dem WpHG und dem KWG.1061
1. § 58 Abs. l Satz l BörsG - Die Anzeigepflicht für elektronische Handelssysteme a) Der Begriff „elektronisches Handelssystem" Der Begriff des elektronischen Handelssystems in § 58 Abs. l Satz l BörsG ist im Gegensatz zu dem der börsenähnlichen Einrichtung nicht gesetzlich definiert.1062 Mit diesem Begriff sollen sämtliche elektronischen Marktplätze erfasst werden, unabhängig von ihrer Art und davon, ob ein Vertragsschluss im System zustande kommt oder nicht.1063 Er stellt somit einen Oberbegriff für die verschiedenen Arten elektronischer Handelssysteme dar,1064 also für Börsen, börsenähnliche Einrichtungen und sonstige Systeme.1065 Daher ist dieser
1059 Für ein Opt-In Modell /Baum, Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/ Baum, Börsenreform, S. 287 (399); Merkt, 64. DJT, 2002, Gutachten G 80; Hellwig, ZGR 1999, 781 (791); BaumsiSegna, Börsenreform, S. 27. Siehe dazu oben 2. Teil: 3. Kapitel: I. 1. a. 1060 Fin A, BT-Drucks. 14/8601, S. 16 (zu § 58 BörsG); Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 59 BörsG, Rdn. 1; Spindler, WM 2002, 1325 (1333); Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 17.84; EscherIWalz, BKR 2002, 337; a.A. Reuschiel'Fleckner, BKR 2002, 617 (625); Beck in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § l BörsG, Rdn. 5; Mülbert, JZ 2002, 826 (829); Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., Jb.J.ZivRWiss 2002,8.93(111). 1061 FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 15. Vgl. dazu Spindler, WM 2002, 1325 (1332). 1062 Für eine Definition des Begriffs „elektronisches Handelssystem" Reuschlel Fleckner, BKR 2002, 617 (620) und Pfüllerl Wester welle, Wertpapierhandel, in Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 13.7, Rdn. 152. 1063 FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 16. Zum Begriff „elektronisches Handelssystem" Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 2ff.; Spindler, WM 2002, 1325 (1332); Reuschlel Fleckner, BKR 2002, 617 (620 f.); Hoffmann, WM 2003, 2025 (20250- Ausführlich unten 3. Teil: 1. Kapitel: I. 1. 1064 Cohn, ZBB 2002, 365 (368). 1065 Vgl. dazu Reuschlel Fleckner, BKR 2002, 617 (620).
3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung
203
Begriff sehr weit.1066 Erfasst werden von § 58 Abs. l Satz l BörsG allerdings nur solche elektronischen Handelssysteme, die für den Handel börsenmäßig handelbarer Wirtschaftsgüter und Rechte bestimmt sind.1067 Dieses Merkmal dient vor allem der Anknüpfung an die börsenrechtlichen Regelungen.10*8
b) Die Anzeigepflicht Die Betreiber von elektronischen - nicht-börslichen - Handelssystemen sind gemäß § 58 Abs. l Satz l BörsG verpflichtet, ihre Absicht, ein solches System zu betreiben, sowie jegliche Änderungen der zuständigen Aufsichtsbehörde anzuzeigen.1069 Zu den zu übermittelnden Daten gehören erstens Name und Anschrift der Geschäftsleitung.1070 Zweitens ist eine Beschreibung des Handelssystems einzureichen, aus der Art und Voraussetzungen des Handelszugangs für die Marktteilnehmer, das Handels- und das Preisermittlungsverfahren sowie der organisatorische Aufbau und die internen Kontrollverfahren des Systems hervorgehen.1071 Drittens ist mitzuteilen, welche Güter bzw. Rechte in dem System gehandelt werden.1072 Insbesondere die Beschreibung des Handelssystems ist von wesentlicher Bedeutung, weil sie der Börsenaufsichtsbehörde die Einordnung des Systems ermöglicht.1073 Von dieser Anzeigepflicht bleiben die nach dem Kreditwesengesetz für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute zusätzlich bestehenden Genehmigungserfordernisse unberührt. 1074 Ist die Anzeige nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfolgt, kann die Aufsichtsbehörde den Betrieb des elektronischen Handelssystems nicht untersagen, da ihr hierzu die gesetzliche Ermächtigung fehlt. 1075 Allerdings kann sie gemäß § 62 Abs. l Nr. 6 BörsG ein Bußgeld verhängen. 1066 Dies war vom Gesetzgeber so gewollt, vgl. Fin A, BT-Drucks. 14/8601, S. 16. 1067 Da das Merkmal der „börsenmäßig handelbaren Gegenstände" in § 58 Abs. l Satz l BörsG gesondert erwähnt wird, kann es nicht als Merkmal des Begriffs „elektronisches Handelssystem" eingestuft werden, Reuschlei Fleckner, BKR 2002, 617 (620). Zu diesem Merkmal ausführlich unten 3. Teil: 1. Kapitel: I. 2. 1068 ReuschleiFleckner, BKR 2002, 617 (620). 1069 Dazu unten 4. Teil: 2. Kapitel: I. l. 1070 § 58 Abs. l Satz 4 Nr. l BörsG. 1071 § 58 Abs. l Satz 4 Nr. 2 BörsG. 1072 § 58 Abs. l Satz 4 Nr. 3 BörsG. 1073 Reuschiel Fleckner, BKR 2002, 617 (621); Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 9. 1074 Cohn, ZBB 2002, 365 (369). 1075 Die Untersagung würde einen Eingriff in die Grundrechte Art. 12 GG und Art. 14 GG bedeuten. Dazu Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 10.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
2. § 59 Satz l BörsG - Die Vorschriften für börsenähnliche Einrichtungen a) Der Begriff „börsenähnliche Einrichtung" Entgegen dem Vorschlag des Börsenreformgutachtens hat der Gesetzgeber in § 59 Satz l BörsG eine gesetzliche Definition der börsenähnlichen Einrichtung aufgenommen.1076 Danach ist eine börsenähnliche Einrichtung „ein elektronisches Handelssystem ..., in dem Angebot und Nachfrage in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern oder Rechten mit dem Ziel zusammengeführt werden, Vertragsabschlüsse unter mehreren Marktteilnehmern innerhalb des Systems zu ermöglichen". Die Begriffsbestimmung knüpft an den Begriff des elektronischen Handelssystems in § 58 Abs. l Satz l BörsG an, weil die börsenähnliche Einrichtung ein qualifiziertes elektronisches Handelssystem darstellt.1077 Der Begriff der börsenähnlichen Einrichtung orientiert sich teilweise an demjenigen der BSK für Handelssysteme mit Marktplatzfunktion.1078 Einerseits ist er jedoch weiter, da er aufgrund des Fehlens des Merkmals der „festgelegten Regeln" - auch solche Handelssysteme erfasst, bei denen der Betreiber einen Ermessenspielraum hinsichtlich der Zusammenführung von Orders hat und nicht lediglich ein Handel von Wertpapieren stattfindet. Andererseits ist er auf solche Systeme beschränkt, die von einem Finanz- oder Wertpapierdienstleitungsinstitut oder einem nach § 53 Abs. l Satz l oder § 53 b Abs. l Satz l KWG tätigen ausländischen Unternehmen betrieben werden. Andere Unternehmen bzw. Personen, die vergleichbare Systeme betreiben,1079 sollen dagegen der Genehmigungspflicht nach § l Abs. l Satz l BörsG unterliegen und dem-
1076 Zum Begriff der börsenähnlichen Einrichtung z. B. Schwark in Schwark, Kapitalmarktrecht, § 59 BörsG, Rdn. 5ff.; Spinaler, WM 2002, 1325 (l333ff); Cohn, ZBB 2002, 365 (368 f.); Reuschiel Fleckner, BKR 2002, 617 (621 f.); Pfüllerl Westerwelle, Wertpapierhandel, in Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 13.7, Rdn. 152. Für eine krit. Auseinandersetzung mit dem Begriff der börsenähnlichen Einrichtung siehe 3. Teil: 1. Kapitel: II. Zur Abgrenzung gegenüber dem Börsenbegriff siehe 3. Teil: 2. Kapitel. 1077 Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u. a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (109); ähnl. auch Reuschlel Fleckner, BKR 2002, 617 (621), die die börsenähnliche Einrichtung als elektronisches Handelssystem besonderer Art ansehen. 1078 Vgl. BSK, Empfehlungen, S. 4. Vgl. hierzu auch Spinaler, WM 2002, 1325 (1334); Cohn, ZBB 2002, 365 (368). 1079 Hierzu gehören insb. Systeme für den Handel vertretbarer Waren. Nach Spindler, WM 2002, 1325 (1333) dürften damit sämtliche B2B-Märkte erfasst werden.
3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung
205
zufolge ihre Systeme nur als Börsen betreiben können.1080 Dieser Unterscheidung lag die Auffassung zugrunde, dass für die Regulierung börsenähnlicher Einrichtungen lediglich ergänzende marktbezogene Regelungen notwendig wären,1081 weil die Betreiber als Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute bereits den Vorschriften des KWG und des WpHG unterworfen waren und damit insbesondere einer Solvenzaufsicht unterlagen.1082 Allerdings soll die Börsenaufsicht auch Handelssysteme von Kreditinstituten und Finanzdienstleistern als Börsen einstufen können.1083 b) Die Pflichten für börsenähnliche Einrichtungen Betreiber börsenähnlicher Systeme werden über die Anzeigepflicht hinaus nach § 59 Satz l BörsG weitergehend verpflichtet.1084 So müssen sie organisatorische Vorkehrungen zur Gewährleistung des Betriebs treffen, 1085 Regeln für eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Preisermittlung bzw. Verwendung von Referenzpreisen sowie für eine vertragsgemäße Abwicklung der Geschäfte festlegen und die Einhaltung dieser
1080 FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 16: „Ein Unternehmen, das nicht die Eigenschaft als Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder Unternehmen im Sinne von § 53 Abs. l Satz l oder § 53 b Abs. l Satz l KWG besitzt und ein elektronisches Handelssystem betreibt, in dem Angebot und Nachfrage in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern oder Rechten mit dem Ziel zusammengeführt werden, Vertragsabschlüsse unter mehreren Marktteilnehmern innerhalb des Systems zu ermöglichen, betreibt demgegenüber regelmäßig eine Börse und bedarf somit einer Genehmigung nach § l Abs. l Satz l BörsG-E". 1081 Spindler, WM 2002, 1325 (1333). 1082 FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 16. 1083 FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 16 (zu § 59 BörsG): „Für Kreditinstitute (...) hat die Regelung des § 59 zur Konsequenz, dass künftig die Dienstleistung entweder als Börse zu genehmigen ist; die Einrichtung unterliegt dann in vollem Umfang dem Börsengesetz und damit auch seinen organisationsrechtlichen Bestimmungen. Alternativ besteht die Möglichkeit, dass die Börsenaufsichtsbehörde aufgrund einer Anzeige nach § 59 Abs. l Satz l BörsG-E das System als börsenähnliche Einrichtung einordnet und eine Aufsicht nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Börsengesetzes erfolgt." 1084 Dazu ausführlich unten im 4. Teil. Hier erfolgt lediglich eine Übersicht über die in § 59 Satz l BörsG aufgezählten Pflichten. Zu den verschiedenen Pflichten vgl. z. B. auch Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 59 BörsG, Rdn. 12 ff.; Reuschlei Fleckner, BKR 2002, 617 (621); Cohn, ZBB 2002, 365 (369); Pfüllerl Westerwelle, Wertpapierhandel, in Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 13.7, Rdn. 154ff. 1085 §59 Satz l Nr. l BörsG.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
Regeln kontrollieren.1086 Darüber hinaus haben sie ein angemessenes Kontrollverfahren zur Verhinderung von Marktmanipulation vorzusehen.1087 Bei der Preisermittlung sollen die Betreiber sicherstellen, dass diese entsprechend den für den Börsenpreis geltenden Regeln in § 24 Abs. 2 Satz l bis 3 BörsG zustande kommen.1088 Dies bedeutet insbesondere auch, dass die Preise und die ihnen zugrunde liegenden Handelsvolumina den Handelsteilnehmern unverzüglich bekannt gemacht werden müssen.1089 Außerdem sollen den Marktteilnehmern alle für die Nutzung des Handelssystems zweckdienlichen Informationen bekannt gegeben werden.1090 Im Interesse des Gesamtmarkts (also insbesondere der nicht am Handel über die börsenähnliche Einrichtung beteiligten Marktteilnehmer) sollen die Betreiber Regeln über die Veröffentlichung von Preisen und Handelsvolumina festlegen.1091 Schließlich müssen die Betreiber von börsenähnlichen Einrichtungen dafür Sorge tragen, dass die Aufzeichnungen über die erteilten Aufträge und abgeschlossenen Geschäfte eine lückenlose Überwachung durch die Aufsichtsbehörde gewährleisten.1092 Die Vorgaben für börsenähnliche Einrichtungen in § 59 Satz l BörsG sind von einer Zurückhaltung des Gesetzgebers gekennzeichnet und enthalten - mit einigen Ausnahmen - eher generelle Zielvorgaben als detaillierte Regelungen. Die Festlegung, wie diese Zielvorgaben erreicht werden sollen, wird weitgehend dem Zusammenspiel zwischen den börsenähnlichen Einrichtungen und der Aufsichtsbehörde überlassen. Damit wird eine weitgehend flexible Regelung ermöglicht.
3. § 59 Satz 2, § 60 BörsG Die Aufgaben der Börsenaufsichtsbehörde Mit der zumindest teilweisen Regulierung alternativer Handelssysteme im Börsengesetz wurde gleichzeitig auch der Zuständigkeitsbereich der Börsenaufsichtsbehörde ausgeweitet. Neben der Entgegennahme von Anzeigen der Betriebsaufnahme durch außerbörsliche Handelssysteme gehört nun auch die Aufsicht börsenähnlicher Einrichtungen gemäß § 60 Abs. l BörsG zu den Aufgaben der Aufsichtsbehörde. Sie hat sicherzustellen, dass die Vorschriften der §§ 58, 59 BörsG eingehalten werden und Handel und Ge1086 1087 1088 1089 1090 1091 1092
§ 59 Satz §59 Satz § 59 Satz § 24 Abs. §59 Satz § 59 Satz § 59 Satz
l Nr. 2 BörsG. l Nr. 3 BörsG. l Nr. 4 BörsG. 2 Satz 3 BörsG. l Nr. 7 BörsG. l Nr. 6 BörsG. l Nr. 5 BörsG.
3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung
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schäftsabwicklung ordnungsgemäß ablaufen.1093 Dazu kann die Börsenaufsichtsbehörde Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, entweder Vorkehrungen im Sinne von § 59 Satz l Nr. l bis 7 BörsG zu schaffen 1094 oder Verstöße gegen die dem Betreiber obliegenden Pflichten und sonstige Missstände zu unterbinden oder zu beseitigen, die die ordnungsgemäße Durchführung des Handels, die Geschäftsabwicklung und die Überwachung beeinträchtigen können.1095 Außerdem hat sie ein Auskunftsund Prüfungsrecht.1096 Kommen die Betreiber einer börsenähnlichen Einrichtung den Anordnungen der Aufsichtsbehörde nach § 60 Abs. 2 BörsG oder ihren sich aus § 59 BörsG ergebenden Pflichten nicht nach, hat die Aufsichtsbehörde schließlich die Möglichkeit den Betrieb des elektronischen Handelssystems als börsenähnliche Einrichtung zu untersagen.1097
III. Vorschriften des KWG und WpHG Des Weiteren sind die Betreiber alternativer Handelssysteme den Vorschriften des Kreditwesengesetzes und des Wertpapierhandelsgesetzes unterworfen, soweit sie Finanz- und Wertpapierdienstleistungen erbringen.1098 Sofern sie eine Anlagevermittlung gemäß § l Abs. l a Satz 2 Nr. l KWG, eine Abschlussvermittlung gemäß § l Abs. l a Satz 2 Nr. 2 KWG oder den Eigenhandel gemäß § l Abs. l a Satz 2 Nr. 4 KWG betreiben, bedürfen sie der Erlaubnis durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß § 32 Abs. l Satz l KWG10" - die im KWG aufgeführten Finanzdienstleistungen sind zugleich Wertpapierdienstleistungen im Sinne des WpHG.1100 In Bezug auf börsenähnliche Einrichtungen ist die Börsenauf1093 § 60 Abs. l Satz 2 BörsG. Zu den Befugnissen und Mitteln der Börsenaufsicht ausführlich unten 4. Teil: 6. Kapitel: III. 1094 § 59 Satz 2 BörsG 1095 § 60 Abs. 2 BörsG. 1096 § 60 Abs. 3 Satz l in Verbindung mit § 2 Abs. l Satz l BörsG sowie § 60 Abs. 4 BörsG. 1097 § 60 Abs. 3 Satz 2 BörsG. 1098 BSK, Empfehlungen, S. 7; PfüllerlWesterwelle, Wertpapierhandel, in Hoeren/ Sieber, Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 13.7, Rdn. 163fT. Dazu ausführlich unten 4. Teil: 2. Kapitel: I. 1. 1099 Vgl. dazu Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 17.131flF.;Cohn, ZBB 2002, 365 (371). Wegen des Erfordernisses einer Erlaubnis nach dem KWG kann eine zusätzliche Genehmigung für außerbörsliche Handelssysteme nach dem Börsengesetz entfallen und reicht eine bloße Anzeige aus, vgl. Cohn, ZBB 2002,365(371). 1100 Vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2, 3, 4 WpHG. Dazu Kumpel, Bank- und Kapitalmarkt-
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sieht damit im Wesentlichen für die Überwachung der marktbezogenen Pflichten zuständig, während im Übrigen die BaFin die Pflichten nach dem KWG und WpHG überwacht. Sonstige ATSs, die Finanz- und Wertpapierdienstleistungen erbringen, unterliegen demgegenüber - abgesehen von der Anzeigepflicht nach § 58 Abs. l Satz l BörsG - allein der Aufsicht durch die BaFin. L Überblick über die Pflichten nach dem KWG Die Betreiber börsenähnlicher Einrichtungen und anderer Handelssysteme, die in den Anwendungsbereich des KWG fallen unterliegen der Missstandsaufsicht der BaFin nach § 6 Abs. 2 und Abs. 3 KWG.1101 Sie müssen über ein Mindestanfangskapital verfügen' l02 und, sofern sie die Befugnis haben, sich bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen1103 - wie dies bilaterale Systeme tun -, über angemessene Eigenmittel verfügen."04 Die Geschäftsleiter der Finanzdienstleistungsinstitute müssen zuverlässig sein1105 und über die zur Leitung des Unternehmens erforderliche fachliche Eignung verfügen.1106 Finanzdienstleistungsinstitute, die befugt sind, sich bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen, müssen mindestens
1101 1102
1103 1104 1105 1106
recht, Rdn. 17.131 ff.; Cohn, ZBB 2002, 365 (371); Spindler, WM 2001, 1689 (1698); Hammen, WM 2001, 929 (932). Sowie § 4 Satz 2 und 3 WpHG. Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u. a., JbJ.ZivRWiss 2002, S. 93 (105); Hammen, WM 2001, 929 (932). § 33 Abs. l Satz l Nr. l KWG. Die Höhe schwankt je nachdem, ob die Handelssysteme befugt sind, sich Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen (dann 125.000 €, vgl. § 33 Abs. l Satz l Nr. l b KWG) oder nicht (dann 50.000 €, vgl. § 33 Abs. l Satz l Nr. l a KWG) oder ob sie sogar auf eigene Rechnung mit Finanzinstrumenten handeln dürfen (dann 730.000 €, vgl. § 33 Abs. l Satz l Nr. l c KWG). Dazu Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 33 Rdn. 17ff.; BecktSamm, KWG, § 33 Rdn. 16ff.; Jung, BB 1998, 649 (653); Weber-ReylBaltzer, WM 1997, 2288 (2291). Siehe dazu § 2 Abs. 8 KWG. §§ lOff. KWG. Dazu Boos in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 10 Rdn. Iff.; Beck/Samm, KWG, § 10 Rdn. 4ff; Weber-ReylBaltzer, WM 1997, 2288 (2292). § 33 Abs. l Satz l Nr. 2 KWG. Dazu Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 33 Rdn. 30ff.; Beck/Samm, KWG, § 33 Rdn. 37 ff. § 33 Abs. l Satz l Nr. 4 KWG. Dazu Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 33 Rdn. 39ff.; BeckISamm, KWG, § 33 Rdn. 54ff.; Weber-ReylBaltzer, WM 1997,2288(2292).
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zwei Geschäftsleiter haben.1107 Darüber hinaus müssen Finanzdienstleistungsinstitute organisatorische Vorkehrungen treffen. Dazu gehören geeignete Regelungen zur Steuerung, Überwachung und Kontrolle von Risiken sowie angemessene Regelungen, anhand derer sich die finanzielle Lage des Instituts jederzeit mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt. Weiterhin gehören dazu eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation, ein angemessenes internes Kontrollverfahren sowie angemessene Sicherheitsvorkehrungen für den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung.1108 Außerdem obliegt den Systembetreibern eine Reihe von Anzeigepflichten.1109 Schließlich müssen sie den Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer prüfen lassen und - selbst wenn sie lediglich eine Anlage- oder Abschlussvermittlung betreiben1110 - die Kunden über die Anlegerentschädigungseinrichtung, der sie angehören, informieren.1111 2. Überblick über die Pflichten nach dem WpHG Als Finanzdienstleistungsinstitute unterliegen die Systembetreiber alternativer Handelssysteme außerdem den Verhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG.1112 Für börsenähnliche Einrichtungen gehen allerdings die Regelungen in § 59 Satz l BörsG, soweit sie sich mit den §§ 31 ff. WpHG decken und sich auf den Betrieb der börsenähnlichen Einrichtungen beziehen, diesen als leges speciales vor."13 Die Folge der Anwendbarkeit der §§ 31 ff. WpHG ist, 1107 § 33 Abs. l Satz l Nr. 5 KWG. Vgl. dazu Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 33 Rdn. 65ff.; BeckISamm, KWG, § 33 Rdn. 83 ff. 1108 § 25a Abs. l KWG. Dazu Braun in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rdn. 8ff.; Beck/Samm, KWG, § 25 a Rdn. 8 ff.; Weber-Rey/Balizer, WM 1997, 2288 (2292f.). 1109 Vgl. §§ 24ff. KWG. 1110 Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 23 a Rdn. 48. In anderen Fällen finden dagegen die Regeln des KWG wegen § 2 Abs. 8 KWG auf Anlageund auf Abschlussvermittler, die nicht befugt sind, sich bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren zu verschaffen, und die nicht auf eigene Rechnung mit Finanzinstrumenten handeln, keine Anwendung. 1111 § 23 a KWG. Dazu Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 23 a Rdn. 48ff; Weber-Rey/Balt=er, WM 1997, 2288 (2293ff). 1112 Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u. a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (105); Cohn, ZBB 2002, 365 (371); Spindler, WM 2002, 1325 (1338); allgemein Jung, BB 1998,649(654). 1113 Vgl. dazu Mülbert, JZ 2002, 826 (830), der allerdings für eine vollkommene Verdrängung der §§ 31 ff. WpHG plädiert. Vgl. dazu auch FinA, BT-Drucks. 14/8601,8.15.
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
dass die Betreiber ihre Dienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse ihrer Kunden erbringen müssen.1114 Darüber hinaus müssen sie sich insbesondere auch darum bemühen, Interessenkonflikte zu vermeiden,1115 und, sofern solche Konflikte bestehen, diese den Kunden mitteilen.1116 Insbesondere bei bilateralen Handelssystemen, die Eigenhandel betreiben, spielen auch die Pflichten nach § 32 Abs. l WpHG eine wichtige Rolle, wonach es den Unternehmen unter anderem verboten ist, Eigengeschäfte zum Nachteil ihrer Kunden zu tätigen. Die Betreiber müssen des Weiteren von den Kunden Angaben über deren Erfahrung und Kenntnisse in Wertpapiergeschäften, ihre mit den Geschäften verfolgten Ziele und ihre finanziellen Verhältnisse einholen 1117 sowie ihre Kunden über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Einzelheiten informieren.1118 Insbesondere ist hierbei darüber zu informieren, dass und wie der Wertpapierhandel und die Preisfeststellung außerhalb der Börse gestaltet ist. 1119 Inhalt und Umfang der Aufklärungspflicht hängen von der Schutzbedürftigkeit der jeweiligen Anleger bzw. Kunden ab."20 Je 1114 § 31 Abs. l Nr. l WpHG. Dazu Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rdn. Iff.; Lang, Informationspflichten, S. 145ff.; Weber-ReylBaltzer, WM 1997, 2288 (2295); Jung/Schleicher, Finanzdienstleister, S. 227ff. 1115 § 31 Abs. l Nr. 2 WpHG. Dazu Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rdn. 26ff; Lang, Informationspflichten, S. 154ff. Zu Interessenkonflikten siehe bereits oben 1. Teil: 3. Kapitel: II. 2. b. 1116 § 31 Abs. 2 Satz l Nr. 2 WpHG. Dazu Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rdn. 68. 1117 § 31 Abs. 2 Satz l Nr. l WpHG. Dazu Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rdn. 80 ff; Lang, Informationspflichten, S. 167 ff; GaßnerlEscher, WM 1997, 93 (95 ff); Reich, WM 1997, 1601 (1604); Weber-ReylBaltzer, WM 1997, 2288 (2295). 1118 § 31 Abs. 2 Satz l Nr. 2 WpHG. Dazu Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rdn. 96 ff. Zu Aufklärungs- und Beratungspflichten grundlegend Hop t, Funktion, in Hadding/Hopt/Schimansky, Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten der Kreditinstitute, S. 1; vgl. auch Lang, Informationspflichten, S. 190ff; Lange, Informationspflichten; Stöterau, Informationspflichten; Schäfer in Schäfer, WpHG-BörsG-VerkProspG, § 31 WpHG, Rdn. 64 ff; Balzer, WM 2001, 1533; Balzer, ZBB 1997, 260; Gaßnerl Escher, WM 1997, 93 (97f.); Reich, WM 1997, 1601 (l606ff); Heinsius, ZBB 1994, 47ff. 1119 Florian, Wertpapierhandel, S. 276. Vgl. dazu auch die Vorschläge von Hoptl Baum Börsenrechtsreform, in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 287 (400); Baums/Segna, Börsenreform, S. 27. 1120 BGHZ 123, 126 (l28f.); dazu Köndgen, EWiR 1993, 857. Vgl. Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rdn. 120; Balzer, WM 2001, 1533 (1534); Heinsius, ZBB 1994,47 (52); Hopt, Kapitalmarktrecht, in FS 50 Jahre BGH, Bd. II, 497 (536); Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 16.557.
3. Kapitel: Die Regelungen in Deutschland und ihre Entwicklung
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unerfahrener ein Anleger ist, desto umfangreicher sind die Aufklärungspflichten. Handelssysteme, die nur institutionelle Anleger zum Handel zulassen, unterliegen reduzierten Aufklärungspflichten, die in Form von standardisierten Informationen erfüllt werden können."21 Schließlich obliegen den Betreibern gemäß § 33 WpHG verschiedene Organisationspflichten. Sie müssen insbesondere dafür sorgen, dass sie auf die für eine ordnungsgemäße Durchführung ihrer Tätigkeiten notwendigen Mittel und Verfahren zurückgreifen können, und sie müssen organisatorische Vorkehrungen zur größtmöglichen Vermeidung von Interessenkonflikten treffen. 1122 Sofern die Betreiber alternativer Handelssysteme Eigenhandel betreiben, fallen sie außerdem unter die Meldepflicht des § 9 WpHG."23 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass dies nur für solche Finanzinstrumente gilt, die zum Handel an einem organisierten Markt (§ 2 Abs. 5 WpHG) innerhalb der EU oder des EWR zugelassen oder in den Freiverkehr einer inländischen Börse einbezogen sind."24 Schließlich obliegen den Betreibern der betroffenen alternativen Handelssysteme nach § 34 WpHG Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich der Aufträge und Anweisungen der Kunden.
IV. Zusammenfassung Mit der zunehmenden Entstehung alternativer Handelssysteme und der technologischen Fortentwicklung des Kapitalmarktes erwies sich auch in Deutschland die überkommene Abgrenzung zwischen Börsen und Nichtbörsen als immer weniger tragfähig. Für ATSs, die als Börsen klassifiziert wurden, stellte sich diese Einordnung als hohe Markteintrittsbarriere dar. Dagegen traten bei den anderen Handelssystemen, die lediglich als Wertpapierfirmen eingestuft wurden, Lücken insbesondere in Bezug auf den Schutz der Marktfunktionsfähigkeit auf. Als erster Schritt zur Regelung
1121 Vgl. die entsprechende Entscheidung hinsichtlich der Aufklärungspflichten von Banken gegenüber erfahrenen Anlegern BGHZ 142, 345; dazu Koller, EWiR 1999, 1111. Vgl. außerdem Schwintowski, ZBB 1999, 385. 1122 Dazu Koller in Assmann/Schneider, WpHG, § 33 Rdn. 2ff.; Jung, BB 1998, 649 (654); Weber-ReylBaltzer, WM 1997, 2288 (2296). 1123 Dazu Dreyling in Assmann/Schneider, WpHG, § 9 Rdn. 6ff.; Weber-ReylBaltzer, WM 1997, 2288 (2296); Süßmann, WM 1996, 937 ff. 1124 Florian, Wertpapierhandel, S. 276; Dreyling in Assmann/Schneider, WpHG, § 9 Rdn. 10; Geibel in Schäfer, WpHG-BörsG-VerkProspG, § 9 WpHG, Rdn. 41. Dies ist unabhängig davon, ob es sich bei den Geschäften um börsliche oder außerbörsliche handelt, Süßmann, WM 1996, 937 (939).
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2. Teil: Rechtsvergleichender Überblick: USA, Europa, Deutschland
dieser Probleme wurden mit den §§ 58 ff. BörsG im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes in Deutschland gesetzliche Vorschriften für die Regulierung alternativer Handelssysteme eingeführt. Damit wurde zugleich die Zulässigkeit des Betriebs alternativer Handelssysteme gesetzlich verankert. Neben der Anzeigepflicht in § 58 Abs. l Satz l BörsG, die für alle elektronischen Handelssysteme gilt, enthält § 59 Satz l BörsG besondere Bestimmungen für so genannte börsenähnliche Einrichtungen. Diese Vorgaben sind weitgehend allgemein gehalten und ermöglichen eine flexible Regulierung dieser Systeme.
3. Teil: Die Begriffsbestimmungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme und die Börse de lege lata und de lege ferenda
1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen des Börsenrechts für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme in rechtsvergleichender Perspektive In Deutschland wurde im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes1125 2002 mit dem Begriff der „börsenähnlichen Einrichtung" erstmals eine Legaldefinition für eine bestimmte Art von außerböslichen Wertpapierhandelssystemen (alternativen Handelssystemen, ATSs) in das Börsengesetz eingeführt."26 Auf europäischer Ebene gibt es seit 2004 eine Legaldefinition des Begriffs „Multilaterales Handelssystem" (MTF) in Art. 4 Abs. l Nr. 15 der MiFID.1127 Diese Definition lehnt sich an den ATSBegriff an, den das CESR im Rahmen seiner Standards für alternative Handelssysteme entwickelt hat.1128 Die SEC hatte demgegenüber bereits 1998 nach mehrmaligen Anläufen - im Rahmen ihrer Regulation ATS eine rechtliche Definition des Begriffs „alternative trading system" eingeführt. 1129 Die Definitionen weisen viele Gemeinsamkeiten auf, aber auch eine Reihe von Unterschieden. Diese sollen im Folgenden rechtsvergleichend untersucht werden, wobei ausgehend vom Aufbau der deutschen Regelungen mit dem in § 58 Abs. l Satz l BörsG verwendeten Begriff des elektronischen Handelssystems begonnen werden soll (dazu unter I). Danach folgt eine Untersuchung der Merkmale des Begriffs der börsenähnlichen Einrichtung in § 59 Satz l BörsG (dazu unter II). Abschließend erfolgt eine Bestimmung derjenigen ATSs, die von den Definitionen nicht erfasst werden (unter III).
I. Elektronisches Handelssystem für den Handel in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern und Rechten § 58 Abs. l Satz l BörsG § 58 Abs. l Satz l BörsG setzt ein elektronisches Handelssystem für den Handel in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern und Rechten, das nicht nach § l Abs. l BörsG als Börse genehmigt ist, voraus. 1125 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland vom 21.06.2002, BGB1.1 2002, S. 2010. 1126 Im Überblick oben unter 2. Teil: 3. Kapitel: II. 2. a. 1127 Zur Entwicklung siehe bereits oben unter 2. Teil: 2. Kapitel: II. Für die Definition siehe 2. Teil: 2. Kapitel: II. 3. a. 1128 Vgl. dazu 2. Teil: 2. Kapitel: I. 3. 1129 Im Überblick oben unter 2. Teil: l. Kapitel: IV. 4.
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3. Teil: Börsenrechtliche Begriffsbestimmungen
/. Elektronisches Handelssystem Der Begriff des „elektronischen Handelssystems" in § 58 Abs. l Satz l BörsG ist im Gegensatz zu dem der börsenähnlichen Einrichtung in § 59 Satz l BörsG nicht gesetzlich definiert. Er ist weit zu verstehen."30 Es werden sämtliche elektronischen Marktplätze erfasst, unabhängig davon, wie sie ausgestaltet sind und ob ein Vertragsschluss im System zustande kommt oder nicht.1131 Er stellt somit einen Oberbegriff für die verschiedenen Arten elektronischer Handelssysteme dar 1132 und erfasst damit Börsen, börsenähnliche Einrichtungen und sonstige Systeme.1133 Insbesondere kommt es - im Umkehrschluss zum Begriff der „börsenähnlichen Einrichtung" nicht darauf an, ob ein Vertragsschluss innerhalb des Systems oder unter mehreren Handelsteilnehmern zustande kommt.1134 Für die Charakterisierung als „Handelssystem" ist damit lediglich erforderlich, dass zumindest Teile des Handelsgeschäfts im System vorgenommen werden.1135 Demgegenüber bezieht die MiFID den Begriff „System" ausdrücklich auf Märkte. Erfasst werden sollen danach Märkte, die aus einem Regelwerk und einer Handelsplattform bestehen, aber auch solche, die ausschließlich auf der Grundlage eines Regelwerks funktionieren.1136
1130 Dies war auch die Intention des Gesetzgebers, vgl. Fin A, BT-Drucks. 14/8601, S. 16. 1131 FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 16. Zum Begriff „elektronisches Handelssystem" Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 2ff; Spinaler, WM 2002, 1325 (1332); Reuschlei Fleckner, BKR 2002, 617 (620 f.); Hoffmann, WM 2003, 2025 (202501132 Cohn, ZBB 2002, 365 (368). 1133 Vgl. dazu Reuschiel Fleckner, BKR 2002, 617 (620). 1134 Vgl. Reuschief Fleckner, BKR 2002, 617 (620); Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (107) definiert demzufolge „Handelssysteme" als „alle programmierfähigen Einrichtungen ..., in denen Angebot und Nachfrage in handelbaren Gegenständen mit dem Ziel dargestellt werden, Vertragsabschlüsse zu ermöglichen, wobei es letztlich nicht darauf ankommt, ob diese Vertragsabschlüsse innerhalb oder außerhalb des Systems erfolgen und ob diese unter den Marktteilnehmern oder nur mit dem Betreiber vorgenommen werden". 1135 Dies sind z.B. das Angebot, die Annahme etc. Es ist nicht erforderlich, dass auch die Zusammenführung im System erfolgt. Vgl. Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 3. 1136 Erwägungsgrund 6 S. 3 MiFID. Vgl. dazu Marenzi/Pircher, ecolex 2005, 333 f.
1. Kapitel: Begriffsbestimmungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme 217
a) Die Weite des Begriffs Handelssystem Aufgrund der Weite des Begriffs „Handelssystem" besteht die Gefahr, dass die Regelung über ihr Ziel hinausgeht und auch Systeme erfasst, die eigentlich nicht erfasst werden müssten. Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob es für die Auslegung des Begriffs „Handelssystem" allein auf die objektive Eignung des Systems für den Handel 1137 oder aber auch auf die vom Betreiber beabsichtigte Bestimmung des Systems1138 ankommt." 39 Im ersten Fall dürfte jedes Nachrichten- oder Kommunikationssystem, in dem entsprechende Angebote veröffentlicht werden können, erfasst werden und damit der Anzeigepflicht unterliegen. Bei entsprechend weiter Auslegung des Begriffs „Handelssystem" ließen sich sogar Chatforen und Email-Verteilerlisten erfassen, sofern dort entsprechende Angebote platziert werden können.1140 Im Fall, dass eine subjektive Bestimmung des Betreibers hinzukommen muss, sind dagegen Kommunikationsplattformen, die nicht bestimmungsgemäß auf den Handel ausgerichtet sind, aufgrund des Begriffs „Handelssystem" ausgeschlossen. Eine bloße objektive Eignung dürfte diesem Merkmal nicht gerecht werden. Zum einen lässt sich das am Wortlaut von § 58 Abs. l Satz l BörsG festmachen, denn nicht der Betrieb selbst löst die Anzeigepflicht aus, sondern die Absicht dazu.1141 Außerdem muss das Handelssystem „für den Handel" betrieben werden, worin eine gewisse finale Verknüpfung zwischen dem System und dem Handel zum Ausdruck kommt. Gegen die bloße objektive Eignung spricht zum anderen die Intention des Gesetzgebers sowie der Sinn und Zweck der Regelung.1142 Alle Systeme zu erfassen, bei denen ein Handel irgendwie möglich sein könnte,"43 würde auch solche Systeme einbeziehen, bei denen das für regelungsbedürftig empfundene Gefahrdungspotential nicht existiert. Darüber hinaus dürfte die Erfassung
1137 Davon ausgehend wohl Spindler, WM 2002, 1325 (1332); Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (107). 1138 Hoffmann, WM 2003, 2025 (2026). 1139 Dies hat für den Anwendungsbereich von § 58 Abs. l Satz l BörsG Konsequenzen, weil sich danach die Anzeigepflicht bemisst. 1140 So Spindler, WM 2002, 1325 (1332), der § 58 Abs. l Satz l BörsG als viel zu weit kritisiert. Ebenso Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 5; vgl. auch Cohn, ZBB 2002, 365 (369). 1141 Hoffmann, WM 2003, 2025 (2026). 1142 Die Begründung des Fin A beschäftigt sich ausschließlich mit Systemen, bei denen die Intention der Betreiber, sie für die Nutzung zum Handel anzubieten, eindeutig ist. Siehe Fin A, BT-Drucks. 14/8601, S. 15 f. 1143 Wie z. B. auch neutrale Kommunikationsforen.
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3. Teil: Börsenrechtliche Begriffsbestimmungen
aller möglichen Systeme, die nicht zum Handeltreiben bestimmt sind, die Aufsichtsbehörden überfordern, ohne einen entsprechenden Nutzen für die Überwachung zu bringen. Handelssysteme können daher definiert werden als Systeme, in denen Angebot und Nachfrage mit dem Ziel dargestellt werden, Vertragsabschlüsse zu ermöglichen.1144 Neutrale Kommunikationsforen dürften daher ebenso wenig wie bloße Informationssysteme und Orderroutingsysteme vom Begriff des elektronischen „Handelssystem" erfasst werden.1145 Wird eine Kommunikationsplattform, die vom Betreiber nicht dazu bestimmt ist, den Handel mit Wirtschaftsgütern und Rechten zu ermöglichen, von den Nutzern hin und wieder eigenständig „umfunktioniert", indem diese dort Handelsangebote veröffentlichen, würde auch ein solches System nicht zu einem Handelssystem werden.1146 Denn ihm würde die Bestimmung zum Handel durch den Betreiber fehlen. Eine solche „Bestimmung" steht jedoch nicht ein für allemal unveränderbar fest, sondern kann sich auch ändern. Daher wird eine (spätere) Börsengenehmigung - oder Anzeige, wenn das System von einem Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut betrieben wird - notwendig, wenn auf der Handelsplattform mehr als nur sporadisch gehandelt wird und der Betreiber dies erkennt oder erkennen müsste. In diesem Fall ist von einer entsprechenden - zumindest konkludenten - Zustimmung des Betreibers mit der veränderten Nutzung und damit von einer neuen Bestimmung des Handelssystems auszugehen.1147 Im Gegensatz zu neutralen Kommunikationsforen werden vom Begriff „Handelssystem" so ziemlich alle Erscheinungsformen des e-Commerce erfasst. Dabei kommt es nicht auf den kaufmännischen oder gewerblichen Betrieb des Systems oder auch nur eine Gewinnerzielungsabsicht an.1148 Erfasst werden damit insbesondere auch Internetauktionsplattformen, und sogar Plattformen für die Veröffentlichung von Kleinanzeigen mit Handelswünschen über Internetwebsites.1149 1144 Vgl. ReuschleiFleckner, BKR 2002, 617 (620); Pföllerl Westerwelle, Wertpapierhandel, in Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 13.7, Rdn. 152. Da somit bereits die Auslegung des Begriffs „Handelssystem" ergibt, dass das jeweilige System vom Betreiber für den Handel bestimmt sein muss, bedarf es diesbezüglich keiner Ideologischen Reduktion. Eine solche fordern Spindler, WM 2002, 1325 (1332); Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 5. 1145 Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 4. 1146 Hoffmann, WM 2003, 2025 (2026). 1147 Hoffmann, WM 2003, 2025 (2026). 1148 Hoffmann, WM 2003, 2025. 1149 Hoffmann, WM 2003, 2025; Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u.a., JbJ.ZivRWiss 2002, 93 (107); Spindler, WM 2002, 1325 (1332).
I. Kapitel: Begriffsbestimmungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme 219
b) Unangemessene Ausrichtung an der Technologie Die Beschränkung auf „elektronische" Handelssysteme im deutschen Recht ist kritisch zu bewerten. In der Regel besteht kein Anlass eine ansonsten identische Tätigkeit nur deshalb besonderen Regelungen zu unterwerfen, weil sie mit Hilfe einer anderen Technologie bzw. überhaupt mit Hilfe technologischer Vorrichtungen ausgeführt wird.1150 Für die Funktion eines Marktplatzes für Wertpapiere, Umsätze in Wertpapieren in organisierter Weise zu konzentrieren, ist es unwesentlich, ob die erforderlichen Willenserklärungen mündlich durch Händler (auf dem Börsenparkett) oder online mittels elektronischer Datenverarbeitung abgegeben werden.1151 Bei einer Ausrichtung an der Technologie bestünde die Gefahr einer negativen Beeinflussung des Innovationspotentials. Denn eine solche Ausrichtung kann dazu führen, dass neue effizientere Handelsmöglichkeiten wegen der aufgrund der höheren Regulierung entstehenden zusätzlichen Kosten nicht oder nur zögerlich eingeführt werden."52 Eine technologieneutrale Definition vermeidet demgegenüber die unangemessene Diskriminierung zwischen funktional gleichen Aktivitäten und ist damit besser geeignet, den Wettbewerb zu fördern.1153 Außerdem ist sie entwicklungsoffen für neue nicht elektronische - Technologien. Aus rechtlicher Perspektive ergibt sich die Notwendigkeit einer entsprechenden Anpassung zudem aus der Tatsache, dass die Definition des MTFs in der MiFID keine Beschränkung der Definition in technologischer Hinsicht vorsieht. Problematisch ist allerdings, dass damit die bereits heute bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten z. B. zum Telefonhandel, der unter Einsatz elektronischer Systeme erfolgt,1154 größer werden dürften. Diese Schwierigkeiten bestehen schon gegenwärtig, weil der Gesetzgeber nicht erläutert hat, was unter einem „elektronischen" System verstanden werden soll und die Grenzen zu anderen Kommunikationssystemen immer stärker verschwimmen.1155 Eine Ausnahme des Telefonhandels kann daran angeknüpft wer-
1150 Vgl. dazu oben bei Fn. 871. 1151 Kumpel, Börsenrecht, S. 15f. Mit der Einführung des § 7 Abs. l S. 2 BörsG a. F. (jetzt § 16 Abs. l Satz 2 BörsG) ist auch der börsliche Computerhandel als Börsenhandel eingestuft worden. 1152 Zum Ausweichverhalten von Betroffenen vgl. oben 1. Teil: 2. Kapitel: IV. 2. b. 1153 Vgl. dazu oben Fn. 871. 1154 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn - wie bei Voice-over-IP - das Internet zum Telefonieren genutzt wird. 1155 Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 2; Spinaler, WM 2002, 1325 (1332 ). Entscheidend dürfte hierbei sein, dass der Handel ohne menschlichen Eingriff durch den Betreiber gesteuert wird, das
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3. Teil: Börsenrechtliche Begriffsbestimmungen
den, dass er nicht in einem (in sich abgeschlossenen) System stattfindet bzw. dass dieses System (also das gesamte Telefonnetz) weit überwiegend zu ganz anderen Zwecken genutzt wird. Es findet lediglich eine punktuelle „Umwidmung" durch einige Nutzer statt, die der Betreiber - die Telefongesellschaft - aber regelmäßig nicht erkennen kann. Damit ist dieser Fall mit anderen neutralen Kommunikationsforen vergleichbar, die regelmäßig keiner Anzeigepflicht unterliegen.
2. Börsenmäßig handelbare Wirtschaftsgüter und Rechte bzw. Finanzinstrumente Der Anwendungsbereich von § 58 Abs. l Satz l BörsG setzt - ebenso wie der Begriff der börsenähnlichen Einrichtung - weiterhin voraus, dass über das System „börsenmäßig handelbare Wirtschaftsgüter und Rechte" gehandelt werden. Dieses Merkmal ist, wie schon bisher beim Börsenbegriff, weit gefasst.1156 Da der Wortlaut voraussetzt, dass die Wirtschaftsgüter und Rechte börsenmäßig1157 „handelbar" sind, kommt es nicht darauf an, ob sie auch tatsächlich an einer Börse gehandelt werden, sondern nur darauf, dass sie an einer Börse gehandelt werden können.1158 Welche Güter und Rechte börsenmäßig handelbar sind, ergibt sich aus § l Abs. 7 und Abs. 8 BörsG, den Definitionen für Wertpapier- und Warenbörsen. Weder der Begriff „Wirtschaftsgüter" noch der Begriff „Waren" in § l Abs. 8 BörsG sind jedoch näher konkretisiert worden. Unter Waren werden üblicherweise bewegliche Sachen verstanden, wobei als börsenmäßig handelbar nur vertretbare Sachen bzw. fungible Wirtschaftsgüter anzusehen sind."59 Die börsen-
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Zusammenführen der Parteien also durch das System erfolgt. Wie Spindler, WM 2002, 1325 (1333) außerdem kritisiert, fehlt jegliche Bezugnahme auf andere Gesetze, die elektronische Medien regeln, wie z. B. das TDG. Spinaler, WM 2002, 1325 (1332). Vgl. für § l BörsG a. F. Schwark, BörsG, § l Rdn. 11; Peterhoff m Schäfer, WpHG-BörsG-VerkProspG, § l BörsG, Rdn. 19. Das Merkmal der „börsenmäßig handelbaren Gegenstände" in § 58 Abs. l Satz l BörsG wird lediglich als sachlicher Anknüpfungspunkt für eine Regelung im Börsengesetz angesehen. Da es in § 58 Abs. l Satz l BörsG gesondert erwähnt ist, kann es außerdem nicht als Merkmal des Begriffs „elektronisches Handelssystem" eingestuft werden. Vgl. Reuschiel'Fleckner, BKR 2002, 617 (618,620). Hoffmann, WM 2003, 2025 (2026). FinA, BT-Drucks. 14/8601, S. 16: „Die gehandelten Wirtschaftsgüter oder Rechte müssen börsenmäßig handelbar, d.h. fungibel sein." Dazu Pfüllerl Westerwelle, Wertpapierhandel, in Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 13.7, Rdn. 152; Hoffmann, WM 2003, 2025 (2026). Vgl. auch den Anhang
1. Kapitel: Begriffsbestimmungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme 221
mäßige Handelbarkeit hängt mithin allein davon ab, ob es sich um vertretbare Sachen im Sinne von § 91 BGB handelt. Zugleich wird klargestellt, dass es sich um Waren und Rechte einer Gattung handelt, die regelmäßig nicht zur Stelle gebracht werden."60 Da ein „Zurstellebringen" der Gegenstände im elektronischen Handel ohnehin nicht erfolgt,1161 werden hierdurch nur solche elektronischen Märkte aus dem Anwendungsbereich von § 58 Abs. l Satz l BörsG ausgenommen, auf denen individuell bestimmte Güter - also etwa gebrauchte Gegenstände1162 - gehandelt werden.1163 Insgesamt werden aufgrund der Weite dieses Merkmals nahezu alle Formen des elektronischen Handels mit Waren - mit Ausnahme des eben genannten Handels mit individuell bestimmten Gegenständen - erfasst.1164
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zum Rundschreiben 17/99 des BAKred zum WertpapierbegrifT des § l Abs. 11 KWG: „Für die Handelbarkeit ist - grundsätzlich - erforderlich, dass die Papiere vertretbar (austauschbar, fungibel) und zirkulationsfahig sind." (im Internet abrufbar unter www.bakred.de/texte/rundsch/rs!7_99a.htm). Zu dem entsprechenden Merkmal beim Börsenbegriff Göppert, Recht der Börsen, S. 59; Samm, Börsenrecht, S. 44; Meyer!Bremer, § l Anm. 1; Breitkreuz, Ordnung, S. 35. ReuschielFleckner, BKR 2002, 617 (624); vgl. auch Cohn, ZBB 2002, 365 (368); Spinaler, WM 2002, 1325 (1332). Zu dem entsprechenden Merkmal beim BörsenbegrifT Schwark, BörsG, § l Rdn. 9; Landmann/Rohmer/Sc/iöw/eifer, GewO, Vor § 64, Rdn. 9; Samm, Börsenrecht, S. 44; Schmidt-Wenzel, Kapitalmarktregelung, S. 15 f. Die gehandelten Waren sind weder körperlich präsent, noch durch bereitliegende Muster repräsentiert. Dies dient der Abgrenzung von Messen und Märkten. Hierzu im Zusammenhang mit dem Börsenbegriff Peterhoff in Schäfer, WpHG-BörsG-VerkProspG, § l BörsG, Rdn. 19; Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 58 BörsG, Rdn. 6; Nußbaum, Börsengesetz, § l Ha (S. 4); Schönle, Bank- und Börsenrecht, 1. Aufl., S. 6f; Samm, Börsenrecht, S. 44; Landmann/Rohmer/Sc/zon/ei/er, GewO, Vor § 64, Rdn. 9. Dieses Merkmal ist jedoch untauglich, um Börsen von Großhandelsmärkten abzugrenzen. Denn auch bei Großhandelsmärkten vollzieht sich der Geschäftsverkehr (z. B. durch die Bezugnahme auf Handelsklassen und Grade) in schabionisierter und entindividualisierter Form. Vgl. Breitkreuz, Ordnung, S. 35. Außerdem werden auch bei Großhandelsmärkten Waren typischerweise nicht zur Stelle gebracht oder durch Muster repräsentiert. Vgl. dazu aber Hoffmann, WM 2003, 2025 (2026). Hoffmann, WM 2003, 2025 (2026). Der Marktplatzbetreiber wird sich insbesondere auch nicht darauf berufen können, dass auf seinem Marktplatz vor allem individuelle Wirtschaftsgüter gehandelt werden, solange sein Marktplatz wenigstens auch für den Handel mit vertretbaren Gütern und Rechten genutzt werden kann. Vgl. Spindler, WM 2002, 1325 (1332). Damit würde auch ein System, wie z. B. eBay, hierunter fallen. Krit. dazu auch Krause, Alternative Wertpapierhandelssysteme, S. 181.
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3. Teil: Börsenrechtliche Begriffsbestimmungen
Der Begriff „MTF" beschränkt sich dagegen auf solche Systeme, die dem Handel von Finanzinstrumenten dienen. Ähnlich ist es bei den Regelungen für ATSs in den USA, die lediglich den Handel von „securities" betreffen. Insofern geht der Begriff der „börsenähnlichen Einrichtung", der dieses Merkmal von § 58 Abs. l Satz l BörsG ebenfalls enthält, weiter. Allein die Tatsache, dass sich der Anwendungsbereich der MiFID ausdrücklich auf Finanzinstrumente beschränkt,1165 bedeutet für den deutschen Gesetzgeber aber noch keinen Anpassungsbedarf. Ihm steht es frei, die Regelungen für Finanzinstrumente auf andere börsenmäßig handelbare Güter und Rechte auszudehnen. Allerdings sind die Regelungen zu börsenähnlichen Einrichtungen aufgrund der Vorgaben der MiFID, wonach das Betreiben eines MTFs eine Wertpapierdienstleistung darstellt, in das WpHG zu überführen.1166 Aufgrund der Beschränkung des Anwendungsbereichs des WpHG auf Dienstleistungen mit Finanzinstrumenten 1167 erfolgt damit automatisch eine Beschränkung der börsenähnlichen Einrichtungen auf den Handel mit Finanzinstrumenten.1168 Dies sollte auch in einer überarbeiteten Definition der börsenähnlichen Einrichtung zum Ausdruck gebracht werden. 3. Abgrenzung zur Börse und Aus k lammer ung des Freiverkehrs Die Weite des Begriffs „Handelssystem" macht es notwendig, Börsen, die vom Sinn und Zweck her nicht unter § 58 Abs. l Satz l BörsG fallen sollen, ausdrücklich auszunehmen.1169 Abgrenzungsfragen ergeben sich hierbei allerdings in Bezug auf den Freiverkehr. Der Freiverkehr wird nicht als „Börse" genehmigt, sondern gemäß § 57 Abs. l BörsG von der Börse zugelassen und wäre somit vom Wortlaut des § 58 Abs. l Satz l BörsG nicht ausgeschlossen. Gegen eine Erfassung des Freiverkehrs im Rahmen von § 58 Abs. l Satz l BörsG sprechen jedoch systematische Gründe.1170 Zum einen erhält die Aufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Aufsicht über die jeweilige Börse, die den Freiverkehr zugelassen hat, gemäß § l Abs. 4 BörsG
1165 Vgl. Erwägungsgrund 2 MiFID. 1166 Baum, EBOR 2004, 677 (702); Seitz, AG 2004, 497 (506); Balzer, ZBB 2003, 177 (183). Schon die BSK hatte empfohlen, (multilaterale) Wertpapierhandelssysteme im WpHG zu regeln. Vgl. BSK, Empfehlungen, S. 14. 1167 Vgl. § l Abs. l i.V.m. § 2 Abs. 3 WpHG. 1168 Zu einer vergleichbaren ideologischen Reduktion von §§ 58, 59 BörsG im gegenwärtigen Recht Hoffmann, WM 2003, 2025 (2031). 1169 Zur Fragen der Abgrenzung 3. Teil: 2. Kapitel. 1170 ReuschleiFleckner, BKR 2002, 617 (620 f.).
1. Kapitel: Begriffsbestimmungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme 223
ohnehin alle Informationen, die sie aufgrund einer Anzeige gemäß § 58 Abs. l Satz l BörsG erhielte."71 Zum anderen kann sie nach § 57 Abs. 3 BörsG den Freiverkehr untersagen, was ein qualitatives Mehr gegenüber der bloßen Anzeigepflicht nach § 58 Abs. l Satz l BörsG bedeutet.1172
II. Börsenähnliche Einrichtung - § 59 Satz l BörsG Die Begriffsbestimmung der börsenähnlichen Einrichtung in § 59 Satz l BörsG knüpft an die Merkmale in § 58 Abs. l Satz l BörsG an. Bei einer börsenähnlichen Einrichtung handelt es sich um ein qualifiziertes elektronisches Handelssystem für den Handel in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern und Rechten.1173 „Börsenähnliche Einrichtung" wird in § 59 Satz l BörsG definiert als „ein elektronisches Handelssystem ..., in dem Angebot und Nachfrage in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern oder Rechten mit dem Ziel zusammengeführt werden, Vertragsabschlüsse unter mehreren Marktteilnehmern innerhalb des Systems zu ermöglichen".1174 l. Zusammenführen Das Merkmal des „Zusammenführens" von Angebot und Nachfrage stellt klar, dass das betroffene System der Zentralisierung des Handels dienen muss.1175 Zentralisierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass zum Zweck eines weitestmöglichen Ausgleichs das gesamte Angebot und die gesamte Nachfrage nach den auf einem Markt gehandelten Gütern bzw. Finanzinstrumenten in Gestalt konkreter Handelsabschlüsse zusammengeführt werden.1176 Durch die zentrale Zusammenführung werden die Such1171 Reuschlei Fleckner, BKR 2002, 617 (621). 1172 Reuschlei Fleckner, BKR 2002, 617 (621). Lediglich börsenähnlichen Einrichtungen kann die Aufsichtsbehörde nach § 60 Abs. 3 Satz 2 BörsG den Betrieb untersagen. 1173 Balzer, Anleger- und Funktionenschutz, in Witt u. a., Jb.J.ZivRWiss 2002, S. 93 (109); ähnl. auch ReuschlelFleckner, BKR 2002, 617 (621), die börsenähnliche Einrichtungen als Handelssysteme besonderer Art ansehen. 1174 Vgl. dazu bereits oben im Überblick 2. Teil: 3. Kapitel: II. 2. a. 1175 Zur Zentralisierungsfunktion (von Börsen) Kumpel, Börsen- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 17.46f.; ders., Börsenrecht, S. 14; Schlüter, Börsenhandelsrecht, S. 351; WastllSchlitt, WM 2001, 1702 (1704ff.). Vgl. zum Merkmal der Zentralisierung auch DomowitztLee, Legal Basis, S. 12f.; dies., On the Road to Reg ATS, Working Paper, S. 14f. 1176 Breitkreuz, Ordnung, S. 32; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 17.47; ders., Börsenrecht, S. 14; zu den Vorteilen eines zentralen Handels Gerkel
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3. Teil: Börsenrechtliche Begriffsbestimmungen
und Abschlusskosten gesenkt, die beim Handel regelmäßig entstehen, und die Wahrscheinlichkeit von Geschäftsabschlüssen und die Transaktionsgeschwindigkeit erhöht."77 Damit bringt das Merkmal „Zusammenführen" die Marktfunktion der Handelssysteme zum Ausdruck. Die Zentralisierungsfunktion darf allerdings nicht dahingehend verstanden werden, dass eine Handelsplattform das gesamte Angebot und die gesamte Nachfrage nach einem bestimmten Produkt oder innerhalb eines bestimmten „Einzugsbereichs" zusammenführen muss.1178 Dies scheitert schon daran, dass sich solche - regelmäßig eher statischen - Einzugsbereiche aufgrund der dynamischen Entwicklung von Handelsplattformen nicht bilden lassen. Schon bei Börsen gibt es keinen „Zuständigkeitsbereich" und außerdem besteht kein Zwang, nur an einer bestimmten Börse zu handeln.1179 Daher ist vielmehr maßgeblich, dass die jeweilige Einrichtung nicht von vornherein nur bestimmten Marktteilnehmern offen steht, sondern zumindest das Ziel hat, das gesamte Angebot und die gesamte Nachfrage aller Handelswilligen zusammenzuführen.1180 Dies ist nicht nur bei Börsen, sondern auch bei börsenähnlichen Einrichtungen anzunehmen. Denn letztere müssen schon aus wirtschaftlichen Gründen bestrebt sein, möglichst viele Orders anzuziehen, um eine möglichst hohe Liquidität in ihrem Handelssystem zu erreichen.1181 2. Angebot und Nachfrage bzw. Interessen am Kaufund Verkauf Nach der Definition in § 59 Satz l BörsG sollen „Angebot und Nachfrage" zusammengeführt werden. Art. 4 Abs. l Nr. 15 MiFID spricht von „Interessen ... am Kauf und Verkauf (CESR: „buying and selling interests"). In Rule 300 (a) SEA bzw. Rule 3b-16 (a) SEA wird schließlich der Begriff „order" verwendet. Während die Begriffswahl im deutschen Recht und im
1177
1178 1179 1180 1181
Hamann, ZfgKrW 1991, 560 (565 f.); krit. Lee, Exchange, S. 20f. Zum US-amerikanischen Recht SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70849 (Dec. 22, 1998). Von der US-amerikanischen Definition sollen auch Systeme mit konsolidierten Quote Screens (wie z. B. die NASDAQ), Crossing-Systeme und Interdealer-Brokersysteme umfasst werden. Siehe a. a. O. S. 70848-58. Kumpel, Börsenrecht, S. 14; ders., Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 17.47; ders., WM 1990, 45 (46); Mues, Börse, S. 97; Schlüter, Börsenhandelsrecht, S. 352f. Vgl. dazu oben 1. Teil: 3. Kapitel: I. Breitkreuz, Ordnung, S. 33. Breitkreuz, Ordnung, S. 33; Tilly, Kursnotierung, S. 21. Breitkreuz, Ordnung, S. 33. Kumpel, Kapitalmarktrecht, Rdn. 152.
1. Kapitel: Begriffsbestimmungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme 225
europäischen Recht relativ ähnlich sind, erscheint der von der SEC verwendete Begriff zu einer engeren Definition zu führen. Das Merkmal „Angebot und Nachfrage" in § 59 Satz l BörsG ist sehr allgemein gehalten. Es wird weder eine Aussage über eine bestimmte Erklärungsform noch darüber getroffen, ob eine entsprechende Äußerung verbindlich sein muss oder nicht. Die MiFID verwendet eine leicht abgewandelte Wortwahl, die in Erwägungsgrund 6 Satz 6 der MiFID näher konkretisiert wird, dass mit dem Begriff der „Interessen" „Aufträge, Kursofferten und Interessenbekundungen" umfasst werden sollen. Damit wird deutlich, dass neben den verbindlichen Erklärungen in Form von Kundenorders und Kursofferten auch unverbindliche Erklärungen, nämlich bloße Interessenbekundungen, einbezogen werden. Auch der Begriff Kursofferte kann nicht ausschließlich im Sinne einer verbindlichen Erklärung verstanden werden. Ansonsten ergäbe die Wortwahl in Art. 27 Abs. l Unterabs. l Satz l MiFID keinen Sinn, wo von „verbindlichen Kursofferten" die Rede ist.1182 Ein Unterschied zwischen der Wortwahl im Börsengesetz und in der MiFID ergibt sich allerdings hinsichtlich der möglichen Verträge, die über die jeweils erfassten Systeme abgeschlossen werden können. Während der Begriff des MTFs allein den Regelfall des Kaufs bzw. Verkaufs eines Finanzinstrumentes berücksichtigt, lässt die Definition der börsenähnlichen Einrichtung auch Tauschverträge zu. Enger gegenüber den im Börsengesetz und in der MiFID verwendeten Merkmalen ist der von der SEC in Rule 3b-16 (a) verwendete Begriff „order". Dieser soll zwar nicht auf Kundenorders beschränkt werden. Vielmehr will die SEC das Merkmal „order" weit auslegen.1183 Es soll unabhängig davon sein, welche Art von Handelsinteresse vorliegt, ob es sich also z. B. um einen Kundenauftrag oder die Kursofferte eines Market Makers handelt. Sie definiert daher diesen Begriff als „any firm indication of a willingness to buy or sell".1184 Durch das Wort „firm" wird aber vorausgesetzt, dass ein Bindungswille des Anbietenden vorliegen muss. Denn das Merkmal „firm" soll immer dann vorliegen, wenn für die Ausführung keine weitere Zustimmung der abgebenden Person erforderlich ist.1185 Damit beschränkt 1182 Vgl. dazu auch CESR, Standards, CESR/02-086b, S. 4. 1183 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70850 (Dec. 22, 1998). 1184 17 C.F.R. § 240.3b-16 (c) bzw. gleichlautend 17. C.F.R. 242.300 (e): „... the term order means any firm indication of a willingness to buy or sell a security, as either principal or agent, including any bid or offer quotation, market order, limit order, or other priced order." 1185 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70850 (Dec. 22, 1998).
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3. Teil: Börsenrechtliche Begriffsbestimmungen
sich die SEC auf verbindliche Erklärungen. Durch die Verwendung der Begriffe „buyers and sellers" in Rule 3b-16 (a) findet ebenfalls eine Beschränkung auf Kaufverträge statt. Diese Unterschiede dürften gegenwärtig allerdings nicht zu besonderen Abweichungen hinsichtlich der erfassten Systeme führen. Die Veröffentlichung unverbindlicher Angebote wird regelmäßig dazu führen, dass zunächst Kontakt zum Anbietenden aufgenommen werden muss. Kommt der Vertrag dann außerhalb des Systems zustande, fehlt es an einem Zusammenführen innerhalb des Systems. Finden die Verhandlungen innerhalb des Systems statt und werden die Interessen innerhalb des Systems in einer Weise zusammengeführt, die zu einem Vertrag führt, müssen irgendwann im Verlauf der Verhandlungen verbindliche Erklärungen abgegeben worden sein. Damit dürfte es trotz der unterschiedlichen Formulierung in diesem Zusammenhang zu keinen größeren Unterschieden kommen. 3. Vertragsabschlüsse innerhalb des Systems ermöglichen Weiterhin dient eine börsenähnliche Einrichtung dazu, „Vertragsabschlüsse ... innerhalb des Systems zu ermöglichen". Die MiFID formuliert: „innerhalb des Systems... in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag ... führt". Rule 3b-16 (a) enthält die Formulierung „... and the buyers and sellers entering such orders agree to the terms of the trade".
a) Innerhalb des Systems Ein unmittelbares Zusammenführen von Kauf- und Verkaufsinteressen „innerhalb des Systems" liegt vor, wenn in das System eingegebene Orders oder Quotes mit anderen in das System eingegebenen korrespondierenden Orders oder Quotes für das gleiche Finanzinstrument interagieren können.1186 Dies bedeutet, dass die Durchführung der Geschäftsabschlüsse im System selbst erfolgen muss.1187 Es reicht nicht aus, wenn die Geschäftsabschlüsse per Telefon oder Fax erfolgen, da dann das immanente Ziel, zu Geschäftsabschlüssen zu führen, nicht erreicht werden kann.1188 In einem 1186 SEC, Securities Exchange Act Release No 34-40760 (Dec. 8, 1998), 63 FR 70844, 70849 (Dec. 22, 1998); Becker/Macauley, 1127 PLI/Corp. 311, 313 (1999); siehe auch Marenzi/Pircher, ecolex 2005, 333 (334); Domowitz/Lee, Legal Basis, S. 15 f. 1187 Kumpel, WM 1990, 45 (46); Schwark, BörsG, § l Rdn. 6. Vgl. auch Diederichl Commichau, ZBB 1990, 114 (l 16). 1188 Für die Börse vgl. Schwark, BörsG, § l, Rdn. 6. Vgl. auch Hoffmann, WM 2003, 2025 (2028).
1. Kapitel: Begriffsbestimmungen für außerbörsliche Wertpapierhandelssysteme 227
solchen Fall erfolgt der Vertragsschluss vielmehr durch individuellen Kontakt der Marktteilnehmer außerhalb des Handelssystems. Die somit noch notwendigen persönlichen Vertragsverhandlungen der Parteien geben ihnen die Möglichkeit, entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen, was ihnen bei einem Marktplatzsystem in dieser Art nicht möglich ist. Durch das Erfordernis der Systemgebundenheit werden daher solche Systeme ausgeschlossen, die nicht der zentralen Zusammenführung dienen, wie z. B. Orderroutingsysteme, die Orders bloß weiterleiten, oder passive Inseratsysteme.1189 Unerheblich ist dagegen, ob der Handel in einem quotegetriebenen System oder in einem ordergetriebenen System stattfindet.1190 Das Merkmal der Systemgebundenheit hat im Rahmen der Definition des Börsenbegriffs in Deutschland bereits mit der Gesetzesnovelle von 19391191