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German Pages 236 [237] Year 2021
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1456
Die Regelung von Karenzzeitvorgaben für Spitzenpolitiker – zwischen Verhaltenskodizes und gesetzlicher Normierung Von
Sandro Konstantin Köpper
Duncker & Humblot · Berlin
SANDRO KONSTANTIN KÖPPER
Die Regelung von Karenzzeitvorgaben für Spitzenpolitiker – zwischen Verhaltenskodizes und gesetzlicher Normierung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1456
Die Regelung von Karenzzeitvorgaben für Spitzenpolitiker – zwischen Verhaltenskodizes und gesetzlicher Normierung
Von
Sandro Konstantin Köpper
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Leibniz-Universität Hannover hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18328-9 (Print) ISBN 978-3-428-58328-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 als Dissertation von der Juristischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Januar 2021 berücksichtigt werden. Für die herausragende Unterstützung und Betreuung während der gesamten Promotionszeit und darüber hinaus möchte ich herzlich meinem Doktorvater Herrn Univ.-Prof. Dr. Hermann Butzer danken. Er verstand es stets, mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, alle fachlichen und praktischen „Untiefen“ eines Promotionsvorhabens zu umschiffen und so die üblichen Bedenken eines jungen Doktoranden immer wieder aufs Neue restlos auszuräumen. Die wertvollen inhaltlichen Anregungen im persönlichen Diskurs haben die Arbeit wesentlich geprägt. Herrn Hon.-Prof. Dr. Gert-Armin Neuhäuser möchte ich ferner herzlich für die zügige Erstellung des ausführlichen Zweitgutachtens sowie die vielen Anregungen danken, die in die Arbeit eingeflossen sind und diese fachlich abgerundet haben. Ein weiterer Dank gebührt Frau Edda Ideker, die für ihre fachliche Unterstützung keine Zeit und Mühen gescheut hat. Gleichfalls möchte ich herzlich Herrn Roni Deger danken, mit dem ich viele motivierende Gespräche geführt habe und mich auch inhaltlich jederzeit anregend austauschen konnte. Beide haben mich mit ihrem juristischen Scharfsinn insbesondere auch dazu bewegt, eigene Positionen stets zu hinterfragen und so einen wertvollen Beitrag für diese Arbeit geleistet. Ein gesondertes Dankeschön möchte ich zudem Frau Saskia Derau aussprechen, die mich nicht nur unermüdlich und mit höchster Sorgfalt inhaltlich unterstützt hat, sondern auch ein persönlicher Rückhalt in schwierigen Zeiten war. Ohne diese Unterstützung hätte das vorliegende Werk nicht so reifen können. Zuletzt möchte ich meinen Eltern danken, die mir meine juristische Ausbildung erst ermöglicht und somit den Grundstein für diese Arbeit gelegt haben. Beide haben mich stets vorbehaltslos unterstützt und immer an mich geglaubt, selbst wenn ich dies nicht mehr tat. Anmerkungen oder Kritik können gerne an [email protected] gerichtet werden. Hannover, den 21.04.2021
Sandro Konstantin Köpper
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einführung
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A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Thematische Präzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Präzisierung in personeller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Präzisierung in sachlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Methode und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Kapitel Empirische Bestandsaufnahme ausgewählter Karenzzeitregelungen (de lege lata) A. Gesetzliche Karenzzeitvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Karenzzeitvorgaben auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Karenzzeitvorgaben für aktuelle und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung nach §§ 6a–6d BMinG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anzeigepflicht – § 6a BMinG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung der Bundesregierung – § 6b BMinG . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung – § 6b Abs. 1 BMinG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dauer der Untersagung – § 6b Abs. 2 BMinG . . . . . . . . . . . . . . . cc) Empfehlung und Veröffentlichung – § 6b Abs. 3 und 4 BMinG c) Das beratende Gremium – § 6c BMinG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übergangsgeld – § 6d BMinG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Karenzzeitvorgaben für aktuelle und ehemalige Parlamentarische Staatssekretäre nach § 7 ParlStG i.V. m. §§ 6a ff. BMinG . . . . . . . . . . . . . II. Karenzzeitvorgaben auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick: Einfachgesetzliche Karenzzeitvorgaben der Länder . . . . . . . . 2. Aktuelles Beispiel: Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangslage und Untersuchungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis b) Die damaligen Bestrebungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) Konzeption der Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
B. Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhaltenskodizes in der Staatsrechtspraxis von Bund, Ländern und der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kodex der Richter am Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkretisierungen für den nachamtlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kodex der Richter am Niedersächsischen Staatsgerichtshof . . . . . . . . . . . 3. Bundesland Niedersachsen: Verhaltenskodex für Landesregierungsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Selbstregulierungsmechanismen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . a) Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission . . aa) Historie und primärrechtliche Einbettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhaltenskodex für hochrangige Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Qualität von Verhaltenskodizes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Qualität von nationalen Selbstregulierungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhaltenskodex der Niedersächsischen Landesregierung . . . . . . . . . . aa) Verhaltenskodex als Kabinettsbeschluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Weitere rechtliche Kategorisierungs- und Abgrenzungsmöglichkeiten eines gubernativen Verhaltenskodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abgrenzung zur Rechtsverordnung und Satzung . . . . . . . . . . . (2) Abgrenzung zur Verwaltungsvorschrift sowie zur adressatenbezogenen Allgemeinverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhaltensleitlinien des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Qualität von Selbstregulierungen auf europäischer Ebene – „Soft Law“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anwendungsorientierte Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsorientierte Analyse der Regelungen auf Bundesebene – §§ 6a–6d BMinG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedenken gegen die Zuständigkeitszuweisung: Die Bundesregierung als sachgerechter Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung? . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung der §§ 6a ff. BMinG auf Anzeigepflicht mit Verbotsvorbehalt – Verbot mit Erlaubnisvorbehalt sinnvoller? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das „beratende Gremium“ in Zweifels- und Grenzfällen . . . . . . . . . . . . . . 4. Sachgerechter und angemessener Ausgleich durch Übergangsgeld? . . . .
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Inhaltsverzeichnis II. Anwendungsorientierte Analyse der Gesetzesentwürfe zur Einführung einer Karenzzeit in Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Bestätigter) Entwurf der Landesregierung – § 7a NdsMinG(-E) . . . . . . . a) Risiken einer alleinigen Verantwortlichkeit der Landesregierung als Untersagungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anzeigeverpflichtung mit Verbotsvorbehalt als sinnvolles Regelungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sachgerechte Entschädigung durch Übergangsgeld? . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwurf der Bündnis 90/Die Grünen-Landtagsfraktion – § 12a NdsMinG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Risiken einer Ausgestaltung als gebundene Vorschrift . . . . . . . . . . . . . b) Risiken einer Ausweitung der Untersagungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlende Regelung zum Übergangsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besondere Detailtiefe der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entwurf der AfD-Landtagsfraktion – § 5a NdsMinG-E . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis der anwendungsorientierten Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Kapitel Sozialwissenschaftliche, rechtssoziologische und normative Verortung des sog. „Drehtüreffekts“ A. Der „Drehtüreffekt“ als Grundkonflikt und Triebfeder hinter Karenzzeitregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sozialwissenschaftliche Erkenntnislage und rechtssoziologische Würdigung . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einordnung und Kategorisierung des Drehtüreffekts nach Bamberger . . . . . 1. Beeinflussung der Amtsführung: „Korruptionsverdacht“ . . . . . . . . . . . . . 2. Einfluss auf die Symmetrie privater Interessenvertretung: „Lobbyverdacht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abstrakte Gefahr des „Bösen Anscheins“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtssoziologische Würdigung und Neugewichtung der bestehenden Erkenntnislage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Würdigung der Thesen zum „Korruptionsverdacht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Argument des Bestehens eines „Regulierungsvakuums“ . . . . . . . b) Das Argument der „kollusiven Sachnähe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangserwägungen: „Kollusion“ als abstrakter, rechtlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kollusives Handeln als zwingende Begleiterscheinung sachnaher Seitenwechsel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Katalyse nachamtlicher Seitenwechsel durch besondere Sachnähe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis (2) Seitenwechsel durch besondere Sachnähe auch „unerlaubt“ und damit „kollusiv“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Das Argument der weniger nachhaltigeren Pensionsversorgung . . . . . 92 d) Terminologische Zweifel am Begriff des „Korruptionsverdachts“ . . . 94 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Würdigung der Thesen zum „Lobbyverdacht“ – private Nutzbarmachung von amtlich erlangtem Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Bereits keine Asymmetrie mangels tauglicher Vergleichsgruppen . . . 95 b) Einflussnahme durch „Fachkunde“ entspricht marktwirtschaftsliberalem Wesen des Lobbyings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Würdigung der Thesen zum „Bösen Anschein“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4. Neugewichtung auf Grundlage der vorstehenden Plausibilitätskontrolle . 100
C. Normative Einordnung der vorstehenden rechtssoziologischen Erkenntnisse . . . 102 I. Einführung und Untersuchungsmaßstab der normativen Einordnung . . . . . . 102 II. Verfassungsrechtliche sowie einfachgesetzliche Einordnung und Kategorisierung des „Drehtüreffekts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Grundlegung: Das Leitbild der Verfassung von einer an Recht und Gesetz orientieren Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Wertungen für (ehemalige) Mitglieder der Bundesregierung – Art. 66 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Regelungsziel und Wirkweisen von Art. 66 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Einzelheiten zur wirtschaftlichen Unvereinbarkeit nach Art. 66 GG . 106 c) Übertragung der soziologischen Erkenntnisse – Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 66 GG auf den nachamtlichen Bereich? . 107 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Wertungen für (ehemalige) Parlamentarische Staatssekretäre – §§ 1 ff. ParlStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4. Wertungen für (ehemalige) Mitglieder einer Landesregierung . . . . . . . . . 112 a) Einzelne Inkompatibilitätsvorschriften für Landesregierungsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Übertragung der soziologischen Erkenntnisse – Ausdehnung des Anwendungsbereichs der landesverfassungsrechtlichen Regelungen auf den nachamtlichen Bereich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Exkurs: Regelung von Karenzzeiten in Ländern ohne verfassungsrechtlich verankerte Inkompatibilitäten – Analyse der Rechtslage in Rheinland-Pfalz, Berlin, Hessen und dem Saarland . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5. Exkurs: Relevanz des „Drehtüreffekts“ in anderen staatlichen Spitzenpositionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Inhaltsverzeichnis a) Nachamtliche Distanzforderung für den Bundespräsidenten (a. D.) als repräsentativen Spitzenpolitiker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsätzliche Wertungen des Art. 55 Abs. 2 GG für das Amt des Bundespräsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Übertragung der rechtssoziologischen Erkenntnisse – Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 55 Abs. 2 GG auf den nachamtlichen Bereich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine unmittelbare Nachwirkung des Art. 55 GG . . . . . . . . . (2) Mittelbare Nachwirkung durch einfachgesetzliche Erweiterung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachamtliche Distanzforderungen für (ehemaliges) Spitzenpersonal in der Justiz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz vor gesellschaftlichen Einflüssen als Ausprägung der richterlichen Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 1 GG . . . . . . . . . cc) Der Gesetzgebungsauftrag aus Art. 98 Abs. 1 GG mit seinen einfachgesetzlichen Konkretisierungen im DRiG und BVerfGG (1) Allgemeine Vorgaben im DRiG für Bundesrichter . . . . . . . . . (2) Spezielle Vorgaben im BVerfGG für Bundesverfassungsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
4. Kapitel Rechtswissenschaftliche Analyse und Bewertung einfachgesetzlicher Karenzzeitvorgaben A. Überprüfung der Verfassungskonformität der einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben auf Bundes- und Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzbereichseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eingriffsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eingriff durch vollständige oder teilweise Untersagung einer beruflichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eingriff durch Anzeigeverpflichtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis bb) Prüfungsmaßstab: Punktuelle oder „kumulative“ bzw. „additive“ Betrachtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzesvorbehalt: Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schranken-Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zweifel an der Bestimmtheit in inhaltlicher und systematischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Konturlosigkeit und ausufernder Wortlaut des Untersagungstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Systematische Ungereimtheiten innerhalb des Untersagungstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zweifel an der Bestimmtheit in zeitlicher Hinsicht . . . . . . . . . (a) Bemessung der Untersagungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beginn der Karenzperiode: „Ausscheiden“ aus dem Amt (3) Zwischenergebnis und verfassungsrechtliche Konsequenz . . (a) Argumente gegen eine hinreichende Bestimmtheit . . . . . . (b) Argumente für eine hinreichende Bestimmtheit . . . . . . . . (c) Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Regelungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Legitimitätsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Nahziele: Regulierung des „Bösen Anscheins“ sowie Vorbeugung der privaten Verwertung von Amtswissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Fernziel: Gewährleistung eines funktions- und arbeitsfähigen sowie integer handelnden Staatsapparates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Anforderungen der Drei-Stufen-Theorie und Einordnung (2) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Auswirkungen einer fehlenden Sanktionsregelung . . . . . . (aa) Vollzug der Untersagungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . (bb) Vollzug der Anzeigeverpflichtung? . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Fehlende Absicherung der Übergangsphase zwischen Anzeige und etwaiger Untersagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) § 7a NdsMinG: Keine Einbindung eines beratenden Gremiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136 137 137 138 138 139 139 141 141 141 142 144 145 147 148 149 149 149 149
150
151 152 153 157 157 159 160 160 161 161 162
Inhaltsverzeichnis (a) Verhaltenskodizes als alternative, gleichermaßen effektive Regelungskonzepte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Mangelnde Nachwirkung von Selbstverpflichtungen diskontinuierlich besetzter Gremien und Organe . . (bb) Grundsatz der Rechtsformenstrenge als Grenze nationaler Selbstverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Weitere Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kontakt- und Verhandlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zeitliches Sperrsystem mit Abstufungen . . . . . . . . . . . . . . (aa) Behördliche Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Abmilderung des behördlichen Prognosedilemmas durch Vorprägung des Untersagungszeitraums? . . . (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Qualität und Schwere des maßgeblichen Eingriffs . . . . . (aa) Das Berufsverbot als „ultima ratio“ hoheitlicher Wirtschaftsregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Ökonomische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Eintritt eines erheblichen ökonomischen Verlustpostens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Berufliche Isolation als mittelbare Folge von Karenzzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Berufliche Selbstbindung durch Fachexpertise . (d) Ergebnis der ökonomischen Sichtung . . . . . . . . (cc) Soziologische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Abstrakte Wertigkeit der angestrebten Rechtsgüter . . . . . (c) Konkrete Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Dogmatische Grundlagen der Abwägung . . . . . . . . . (a) Absolute Grenzen von Karenzzeitgesetzen . . . . (b) Hinreichende Berücksichtigung des Grundrechtsstatus von Amtsträgern a. D.: Kein nachamtliches „Sonderopfer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Wechselwirkung aus Unbestimmtheit und anscheinsbedingter Rechtsnatur der Karenzzeitgesetze . . . . . (cc) Mangelnde gesetzgeberische Differenzierung zwischen „Fachkunde“ und „Amtswissen“ . . . . . . . . . . . (dd) Mangelnde Kompensation durch Übergangsgeld . . (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verstoß gegen Rückwirkungsverbot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
162 163 164 165 166 166 167 167 168 170 170 170 171 171 172 173 174 174 175 176 176 179 179 179
180 183 187 189 190 191 191
14
Inhaltsverzeichnis dd) Ergebnis und Konsequenz – Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesamtergebnis zu Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ungleichbehandlung von ehemaligen Regierungsmitgliedern und ehemaligen Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ungleichbehandlung von ehemaligen Regierungsmitgliedern ausgehend von der Rechtsnatur der nachamtlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesamtergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsschutz gegen eine Untersagungsentscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswegeröffnung und Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten – nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeiten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Wahl der statthaften Klageart: Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umfang der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Untersagungsentscheidung: Beurteilungsspielraum und Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsschutz gegen Anzeigeverpflichtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193 194 195 196 196 198 199 199 199 200 200 202 202 202 204 205 208 211 213
5. Kapitel Reformvorschläge (de lege ferenda) und Schluss A. Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Obligatorische Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Reformansätze für §§ 6a ff. BMinG und § 7a NdsMinG . . . a) Hinreichende Berücksichtigung der anscheinsbedingten Rechtsnatur der Karenzgesetze durch tatbestandliche Neugestaltung . . . . . . . . . . . . aa) Eingrenzung des Merkmals des sachnahen „Tätigwerdens“ . . . . . bb) Eingrenzung des Merkmals der „Integritätsschädigung“ . . . . . . . . b) Zeitliches Sperrsystem mit Abstufungen auf Rechtsfolgenseite . . . . . c) Passgenaue Kompensation durch Übergangsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normspezifische Reformansätze für § 7a NdsMinG . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fakultative Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214 214 214 214 214 215 215 216 217 218 219
Inhaltsverzeichnis 1. Zeitliche Schärfung und kompetenzielle Erweiterung der Karenzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausweitung der Anzeigeverpflichtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Veröffentlichung (auch) der Empfehlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Implementierung einer Freiberuflerklausel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
219 220 222 223
B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 C. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. Abs. Apr Art. BaWüMinG BayMinG BayVerf BbgMinG BbgVerf Bd. BerlSenG BGBl. BremVerf BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerfGGO BVerwG BVerwGE BWVerf CDU ders. DÖD DÖV Dr. DVBl. -E e. V. ebd. EuGH
andere Ansicht am Ende alte Fassung Absatz Ausschussprotokoll Artikel Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Regierung des Landes Baden-Württemberg Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Staatsregierung des Freistaats Bayern Verfassung des Freistaats Bayern Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung Brandenburg Verfassung des Landes Brandenburg Band Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Senats des Landes Berlin Bundesgesetzblatt Verfassung des Landes Bremen Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Verfassung des Landes Baden-Württemberg Christlich Demokratische Union Deutschlands derselbe Der Öffentliche Dienst Die Öffentliche Verwaltung Doktor Deutsche Verwaltungsblätter Entwurf Eingetragener Verein ebenda Europäischer Gerichtshof
Abkürzungsverzeichnis f. FDP ff. Fn. GGO-Nds
17
folgende Freie Demokratische Partei fortfolgende Fußnote Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen GOBReg Geschäftsordnung des Bundesregierung HessLRegBezügeG Gesetz über die Bezüge der Mitglieder der Landesregierung des Landes Hessen HmbSenG Senatsgesetz für die Regierung des Landes Hamburg HmbVerf Verfassung des Landes Hamburg Hs. Halbsatz i. S. d. im Sinne des/der i.V. m. in Verbindung mit JA Juristische Arbeitsblätter LSAVerf Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt LT-Drs. Landtagsdrucksache m.Verw.a. mit Verweis auf m.w. N. mit weiteren Nachweisen MVMinG Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten und der Ministerinnen und Minister des Landes Mecklenburg-Vorpommern MVVerf Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern NdsMinG Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung des Landes Niedersachsen NJW Neue Juristische Wochenschrift NPOG Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Nr./n. Nummer/n NRWMinG Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen NRWVerf Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen NV Verfassung des Landes Niedersachsen NVwVfG Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht OVG Oberverwaltungsgericht Prof. Professor RhPfMinG Landesgesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung Rheinland-Pfalz Rn. Randnummer S. Seite s. siehe SaarlMinG Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung des Saarlandes
18 SachsAnhMinG SächsVerf SHMinG SHVerf SPD ThürMinG ThürVerf u. a. v. VerwArch vgl. ZRP
Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung des Landes Sachsen-Anhalt Verfassung des Freistaats Sachsen Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung des Landes Schleswig-Holstein Verfassung des Landes Schleswig-Holstein Sozialdemokratische Partei Deutschlands Thüringer Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung Verfassung des Freistaats Thüringen unter anderem von/vom Verwaltungsarchiv vergleiche Zeitschrift für Rechtspolitik
Bezüglich der sonstigen, vorstehend nicht aufgeführten Abkürzungen wird verwiesen auf: Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage, Berlin 2018.
1. Kapitel
Einführung A. Problemstellung Nach Art. 12 Abs. 1 der UN-Korruptions-Konvention1 wird jeder Vertragsstaat dazu verpflichtet, in Übereinstimmung mit den wesentlichen Grundsätzen seines innerstaatlichen Rechts Maßnahmen zur Korruptionsverhütung zu ergreifen. Derartige Maßnahmen können gem. Art. 12 Abs. 2 lit. e des vorgenannten Übereinkommens insbesondere darin bestehen, „Interessenkonflikten dadurch vorzubeugen, dass die beruflichen Tätigkeiten ehemaliger Amtsträger oder die Beschäftigung von Amtsträgern durch den privaten Sektor im Anschluss an deren Ausscheiden aus dem Amt oder Eintritt in den Ruhestand in Fällen, in denen dies angebracht ist, und für einen angemessenen Zeitraum beschränkt werden, wenn diese Tätigkeiten oder diese Beschäftigung mit den Aufgaben, die diese Amtsträger in ihrer Amtszeit wahrgenommen oder überwacht haben, in unmittelbarem Zusammenhang stehen.“
Obwohl die Bundesrepublik Deutschland das einleitend benannte Übereinkommen bereits im Dezember 2003 unterzeichnet hat, kommt diesem erst seit seiner Ratifizierung im November 20142 eine besondere, nicht nur im völkerrechtlichen Sinne relevante Bedeutung zu. So kann die Ratifizierung der UN-KorruptionsKonvention durch den Deutschen Bundestag ex post als Startschuss für eine neuartige, umfassende und zumindest im Bereich der Karenzzeitvorgaben für Spitzenpolitiker3 wohl auch einmalige „Regulierungswelle“ gewertet werden, die bereits in den Jahren zuvor von Politik4 und Literatur5 nachdrücklich gefordert worden war: 1 Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption, deutsche Übersetzung einsehbar im BGBl. 2014, II, S. 762 ff. oder online abrufbar unter der URL https:// www.un.org/Depts/german/uebereinkommen/ar58004-oebgbl.pdf, zuletzt abgerufen am 25.5.2020. 2 Vgl. etwa Mitteilung des BMZ, online abrufbar unter der URL https://www. bmz.de/de/themen/korruption/internatinitiativen/index.html, zuletzt abgerufen am 10.5. 2020. 3 Vgl. zum Hinweis bezüglich geschlechtergerechter Sprache in dieser Untersuchung in diesem Kapitel unter Gliederungspunkt D. am Ende. 4 Vgl. etwa BT-Drs. 16/846. 5 Erstmals von Arnim, Nachamtliche Karenzzeiten für Politiker? – Ein Kommentar zum Fall Gerhard Schröder, ZRP 2006, 44–47 sowie Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014.
20
1. Kap.: Einführung
Den ersten Vorstoß auf Länderebene und auch auf nationaler Ebene insgesamt leistete das Bundesland Hamburg mit Implementierung des § 9a („Tätigkeit nach Beendigung des Amtsverhältnisses“) in das Hamburger Senatsgesetz am 12. November 2014.6 Kurz darauf ist auch der Bundesgesetzgeber in gleicher Zielrichtung mit umfassenden Änderungen am Bundesministergesetz (§§ 6a–6d BMinG) sowie am Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (§§ 7, 11 Abs. 2 ParlStG) tätig geworden; diese traten zum 18. Juli 2015 in Kraft.7 Daraufhin folgten Ende 2015 bzw. Anfang 2016 die Bundesländer Hessen8 und Brandenburg9 mit entsprechenden Regelungen. Gleiches gilt für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen10 und Schleswig-Holstein,11 die ebenfalls Karenzzeitregelungen in ihre Ministergesetze im Laufe des Jahres 2016 implementierten. Vorerst abschließend wurde Thüringen im Jahr 2018 mit umfassenden Änderungen am Ministergesetz tätig.12 In fast allen anderen, bisweilen noch nicht genannten Bundesländern steht die Einführung einer Karenzzeitregelung zumindest zur parlamentarischen Debatte.13 Das aktuellste Beispiel bildet dafür das Bundesland Niedersachsen: Hier einigten sich die Landtagsfraktionen von SPD, CDU und FDP im Dezember 2019 parlamentarisch auf eine Karenzzeit für Minister von bis zu 18 Monaten.14 Zuvor stellte Niedersachsen lange einen bemerkenswerten Sonderfall dar. Dort war 2005 anstelle einer scharfen Karenzzeitvorgabe ein – auf Länderebene insoweit einmaliger – selbstverpflichtender Verhaltenskodex in Kraft gesetzt worden.15 6 Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt der Freien und Hansestadt Hamburg 2014, S. 484. 7 Vgl. Art. 1 und 2 im BGBl. 2015, I, S. 1322 f. 8 § 8a des Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder der Landesregierung. Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Hessen 2015, S. 442 f. 9 §§ 5c und 5d des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung Brandenburg. Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Brandenburg 2016, S. 1 f. 10 §§ 4a, 4b und 4c des Landesministergesetzes Nordrhein-Westfalen. Vgl. Gesetzund Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen 2016, S. 539 ff. 11 § 8a des Landesministergesetzes Schleswig-Holstein. Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Schleswig-Holstein 2016, S. 846 f. 12 §§ 5a–5e des Thüringer Ministergesetzes. Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Thüringen 2018, S. 303 ff. 13 Eine fortlaufend aktualisierte Übersicht zu den verschiedenen Karenzzeitregelungen auf Länderebene ist online abrufbar unter der URL https://lobbypedia.de/wiki/ Karenzzeit_(Bundesl%C3%A4nder)#cite_note-4, zuletzt abgerufen am 24.5.2020. 14 Auslöser für die einfachgesetzliche Einführung von Karenzzeiten für Landesminister in Niedersachsen war der geplante, aber letztendlich nicht umgesetzte Wechsel von Wirtschaftsminister Olaf Lies zum Lobbyverband BDEW. Vgl. hierzu etwa Artikel des NDR vom 16.12.2019, online abrufbar unter der URL https://www.ndr.de/nachrichten/ niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Wechselwillige-Minister-muessen-18-Monatewarten,karenzzeit120.html, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 15 Der genannte Verhaltenskodex basiert auf einem Kabinettsbeschluss der Niedersächsischen Landesregierung aus dem Jahr 2005 und ist nicht öffentlich einsehbar.
A. Problemstellung
21
Parallel zu dieser gerade nachgezeichneten Entwicklung ist die Thematik auch auf europäischer Ebene aufgegriffen worden bzw. verstärkt in den Blickpunkt geraten. Anstoßwirkung kann hier zunächst dem Antikorruptionsbericht der Europäischen Kommission vom 3. Februar 2014 zugeschrieben werden, in dem Deutschland ein besonderer Handlungsbedarf bei den im Öffentlichen Sektor fehlenden Regelungen bei Interessenkonflikten nach Ausscheiden aus dem Amt attestiert worden ist.16 Fast zeitgleich sind für Beamte der Union Art. 11 und 12 sowie insbesondere Art. 16 der sog. „Staff Regulations“ 17 verschärft worden. So ist hier beispielsweise – noch über die zweijährige Anzeigepflicht mit Verbotsvorbehalt für Beamte der Union hinaus – mit der Abwandlung des Art. 16 für ehemalige höhere Führungskräfte ein starres Tätigkeitsverbot von zwölf Monaten eingeführt worden. Diese Entwicklung fand vorerst ihren Abschluss in der erneuten Verschärfung des Verhaltenskodex für ehemalige Kommissionsmitglieder18 (nun Karenzzeit von zwei Jahren statt 18 Monaten) sowie den Präsidenten der Europäischen Kommission (nun Karenzzeit von drei Jahren) zum 1. Februar 2018.19 Die hier einleitend zugrunde gelegten Entwicklungen machen deutlich, dass sich die Rechtslage im Bereich der Karenzzeitvorgaben bzw. der nachamtlichen Tätigkeitsbeschränkungen für Spitzenpolitiker nachhaltig gewandelt hat. Wie vorstehend geschildert, haben der Bund und ein Großteil der Länder nach dem Anstoß auf internationaler und europäischer Ebene den sog. „Drehtüreffekt“ als Gefahr für die Integrität der Spitzenpolitik eingeordnet und mit der (zumeist) einfachgesetzlichen Regulierung desselben begonnen. Der Staat hat damit die Entscheidungsgewalt über das „Ob“ einer nachamtlichen Tätigkeit für bestimmte Amtsträger aus deren privater Verantwortlichkeit herausgelöst und zumindest temporär an sich gezogen.
Demnach besteht für ehemalige Regierungsmitglieder eine „Wartezeit“ von sechs Monaten, wenn nach Ausscheiden aus dem Amt eine Tätigkeit in einem Beratungsunternehmen, mit dem der jeweilige Amtsträger während seiner Amtszeit in einem „engen fachlichen Kontakt stand“, aufgenommen werden soll (Quelle: Anfrage bei der Niedersächsischen Staatskanzlei vom 13.2.2019). Die Existenz eines solchen Beschlusses ist in den Drucksachen zum niedersächsischen Karenzzeitgesetz bestätigt worden. Vgl. LT-Drs. 18/4470, S. 3. 16 Vgl. Annex 5 zum Antikorruptionsbericht der Europäischen Kommission vom 3.2.2014, S. 10, online abrufbar unter der URL https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/ homeaffairs/files/what-we-do/policies/organized-crime-and-human-trafficking/corrup tion/anti-corruption-report/docs/2014_acr_germany_chapter_de.pdf, zuletzt abgerufen am 11.5.2020. 17 Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) in der Fassung vom 1.5.2014. 18 Es handelt sich um den sog. „Code of Conduct for the Members of the European Commission“ in der Fassung vom 1.2.2018. 19 Vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 14.9.2017, online abrufbar unter der URL https://ec.europa.eu/germany/news/20170914neuer-verhaltenskodex_ de, zuletzt abgerufen am 11.5.2020.
22
1. Kap.: Einführung
Die neuen Regulierungen sind – vorbehaltlich einer eingehenden Prüfung – als einschneidende Eingriffe insbesondere in die Grundrechte der ehemaligen Amtsträger aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG (ggf. i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) zu werten, deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung es damit zu untersuchen gilt; letzteres Erfordernis besteht auch im Rahmen des Gleichbehandlungsaspekts nach Art. 3 Abs. 1 GG. Unabhängig davon sind Karenzzeitvorschriften für spitzenpolitisches Personal auch als ein generelles Novum im deutschen Rechtssystem zu bewerten. Allein die beiden vorgenannten Faktoren begründen schon die Notwendigkeit der Darstellung, Analyse und Bewertung der neuen Karenzzeitvorschriften sowie der Untersuchung ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Ein Untersuchungsbedürfnis besteht jedoch umso mehr, da sich mit Einführung der neuen Vorschriften zwar die Rechtslage umfassend, die (zumeist ähnlich akzentuierte) öffentliche Diskussion um den Wechsel ehemaliger politischer Amtsträger in die freie Wirtschaft aber augenscheinlich kaum geändert hat.20 Es stellt sich insoweit die Frage, ob Regulierungen im sensiblen – da äußerst wankelmütigen – Bereich des politisch-gesellschaftlichen Vertrauensschutzes überhaupt sinnvoll anzubringen sind. Mit der Frage nach der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Regulierung, also der Frage nach dem „Ob“, ist überdies naturgemäß auch die Frage nach der Art und Weise der Regulierung, also nach dem „Wie“, untrennbar verknüpft. Letztere bezieht sich zum einen selbstverständlich auf die Frage der konkreten, durchaus diffizilen Ausgestaltung von im Ergebnis primär anscheinsgebundenen Karenzzeitvorgaben im normtechnischen Sinne. Zum anderen kann und muss die Frage nach der Art und Weise der Regulierung aber sogar auf noch höherer Ebene ansetzen: So sticht de lege lata ins Auge, dass sich kein einheitliches Regulierungsmuster durchgesetzt hat. Die zuständigen hoheitlichen Stellen schwanken zum Ausgleich der kollidierenden Interessen vielmehr zwischen einfachen Gesetzen einerseits und Verhaltenskodizes, also „Soft Law“, andererseits: Zunächst seien hier die Überlegungen des Bundesgesetzgebers erwähnt, der 2015 als Alternative zu einer gesetzlichen Vorgabe in Betracht gezogen hat, eine turnusmäßig wiederkehrende Selbstverpflichtung für die Mitglieder der Bundesregierung zu statuieren.21 Auch das Bundesverfassungsgericht reagierte auf die öffentliche Diskussion um eine ehemalige Bundesverfassungsrichterin, die nach ihrer Amtszeit bei der Volkswagen AG als Konzernvorstand für die Abteilung Recht und Integrität tätig wurde,22 im November 2017 mit der Verabschiedung selbstbindender Ver20 Als aktuelle Beispiele aus den Jahren 2019 bzw. 2020 sei hier exemplarisch auf die polarisierenden Diskussionen um die geplanten Seitenwechsel von Sigmar Gabriel als Bundesaußen- und Bundeswirtschaftsminister sowie Vizekanzler a. D. in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG sowie Olaf Lies als niedersächsischer Umweltminister zum Lobbyverband BDEW verwiesen. 21 BT-Drs. 18/4630, S. 8. 22 Vgl. zur Diskussion um Christine Hohmann-Dennhardt Meldung der „FAZ“ vom 30.1.2017, online abrufbar unter der URL https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unter
B. Stand der Forschung
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haltensleitlinien. 23 Der Niedersächsische Staatsgerichtshof folgte diesem Beispiel.24 Ebenso vertraute die Niedersächsische Landesregierung, wie schon erwähnt, für einige Jahre auf einen Verhaltenskodex für ehemalige Regierungsmitglieder.25 Gleiches gilt für die Europäische Kommission, die mit dem bereits benannten „Code of Conduct for the Members of the European Commission“ noch immer ein Selbstregulierungskonzept verfolgt. Insgesamt stellen sich an diesem Punkt diverse Fragen: Welche rechtliche Qualität ist Verhaltenskodizes überhaupt zuzuschreiben? Welche Verhaltenskodizes werden in der Praxis zur Selbstregulierung genutzt, und wie sind sie ausgestaltet? Welche Vor- und Nachteile bieten Verhaltenskodizes gegenüber einfachgesetzlichen Regelungen? Kann im Wege der Selbstregulierung der gleiche Effekt wie mit scharfen „Cooling-off“-Vorschriften erzielt werden? Kann Selbstregulation überhaupt erfolgreich sein – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Die vorstehend angeschnittenen Problemkreise sollen Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung werden. Konkret beläuft sich die Kernfrage der Arbeit darauf, ob die zuständigen staatlichen Stellen in der Lage waren, das Wechselspiel der diversen sozialethischen, politischen und rechtlichen Fragen des Spannungsfeldes zu erfassen und unbeeinflusst einer verhältnismäßigen und effektiven Regelung zuzuführen. Dabei wird insbesondere auch das Ziel verfolgt, die stets ähnlich gelagerte öffentliche Berichterstattung über die „Seitenwechselkultur“ in Deutschland durch Herausbildung einer Kasuistik juristisch zu durchdringen und zu hinterfragen.
B. Stand der Forschung Das Themenfeld der „Karenzzeitvorgaben für Spitzenpolitiker“ war in den letzten Jahren bereits Gegenstand diverser Fachaufsätze.26 Zudem ist es auf monographischer Ebene im Kontext dreier anderer Dissertationen grundlegend nehmen/managerin-vw-ethik-chefin-bekommt-bis-zu-15-millionen-euro-abfindung-148 00149.html, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 23 Vgl. insbes. Punkt III. 14. und 15. der Verhaltenslinien des BVerfG, online abrufbar unter der URL https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Das-Gericht/Organi sation/Verhaltensleitlinien.html, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 24 Anfrage vom 5.12.2019 bei Herrn Univ.-Prof. Dr. Butzer, Richter am Niedersächsischen Staatsgerichthof. 25 Allerdings ist dieser – wie schon erwähnt – während der Arbeitsphase der Dissertation mit den gesetzgeberischen Bestrebungen zur Disposition gestellt worden. Vgl. LT-Drs. 18/4470, S. 3. 26 So etwa von Arnim, Nachamtliche Karenzzeiten für Politiker? – Ein Kommentar zum Fall Gerhard Schröder, ZRP 2006, 44–47; Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133–135; Grzeszick/Limanowski, Nachamtliche Berufsverbote für Politiker – Karenzzeitregelungen im Spannungsfeld zwischen rechtlicher und politischer Verantwortung, DÖV 2016, 313–322; Diller, „Cooling-off“-Klauseln als nachvertragliches Wettbewerbsverbot?, NZA 2018, 692– 695.
24
1. Kap.: Einführung
betrachtet worden, wobei jedoch alle vorhandenen Arbeiten sowohl eine andere Stoßrichtung, als auch einen anderen Zuschnitt als die vorliegende aufweisen: Zunächst sei hier auf die Arbeit von Matthias Bamberger27 aus dem Jahr 2014 verwiesen, die unter Betreuung von Fabian Wittreck an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster entstanden ist. Bamberger28 baut seine Untersuchung auf der zum damaligen Zeitpunkt zutreffenden Erkenntnis auf, dass in Deutschland nach Maßgabe des einfachen Rechts der Wechsel eines ausscheidenden politischen Amtsträgers noch zum weit überwiegenden Teil (Privat-)Sache dieses Amtsträgers selbst sei. Ausgehend von dieser Erkenntnis erläutert er ausführlich die sozialwissenschaftliche29 und verfassungsrechtliche30 Dimension des sog. „Drehtüreffekts“ sowie die nach damaliger Rechtslage einzigen (mittelbar) regulativ wirkenden Vorschriften in diesem Bereich.31 In der Untersuchung ebenfalls enthalten sind eigene, einfachgesetzliche Regulierungsvorschläge, die er zudem auf Verfassungsmäßigkeit überprüft.32 Insgesamt begründet Bamberger auf diesem Wege in Pionierarbeit prägnant und umfassend rechtspolitischen Handlungsbedarf. Wie einleitend geschildert, hat sich der vom Autor zugrunde gelegte, rechtliche Status quo jedoch nachhaltig gewandelt, sodass die Notwendigkeit einer erneuten Untersuchung gegeben ist. So waren 2014 schlichtweg noch keine einfachgesetzlichen Regelungen vorhanden, die einer eingehenden und insbesondere konkreten verfassungsrechtlichen Untersuchung hätten unterzogen werden können. Insbesondere die neuen Regelungsansätze durch formelle Gesetze und Selbstregulationsmechanismen stehen daher einer normativen Betrachtung und Effektivitätsanalyse offen. Auch die Erwägungen Bambergers zum sozialwissenschaftlichen Grundkonflikt „Drehtüreffekt“ werden einer rechtssoziologischen Neubewertung unterworfen. Hierfür werden die getroffenen Erkenntnisse auf Plausibilität überprüft und überdies an die institutionelle und rechtsvergleichende Themenausweitung der Arbeit angepasst. Ferner ist die Thematik der Karenzzeitvorgaben auch in der von Veith Mehde an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover betreuten Monographie von Lena Buß33 aus dem Jahr 2019 aufgegriffen und mitbehandelt worden. 27
Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014. 28 Ebd., S. 33. 29 Ebd., S. 40 ff. 30 Ebd., S. 75 ff. 31 So etwa Art. 66 GG, §§ 67, 71, 105 BBG, §§ 22 ff. VwVfG, §§ 331 ff. StGB, §§ 203, 353b StGB, 108e StGB, § 5 Abs. BMinG, § 1 Abs. 2 Nr. 5 VhR, § 44a Abs. 2 S. 2 und 3 AbgG. 32 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 195 ff. sowie 281 ff. 33 Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019.
B. Stand der Forschung
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Schwerpunktmäßig untersucht Buß34 in ihrer Arbeit (In-)Kompatibilitätsnormen, die zwischen gleichzeitig ausgeübten Organmitgliedschaften oder zwischen der Mitgliedschaft in einem Organ und einer Tätigkeit in der Privatwirtschaft bestehen. Bestandteil dieser Untersuchungen ist die rechtsvergleichende Betrachtung der ab 2014 eingeführten, nachamtlichen Tätigkeitsbeschränkungen im Mehrebenensystem, inklusive einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Wertung. Eine über die äußerst ausführlich behandelte deskriptive Ebene hinausgehende, detaillierte Auseinandersetzung mit dem Grundphänomen „Drehtüreffekt“, den neuen bundesgesetzlichen sowie niedersächsischen Regelungen in vertiefter, normtechnischer Hinsicht sowie alternativen Regulierungskonzepten durch Verhaltenskodizes fehlt hier jedoch weitestgehend. Der Fokus der Arbeit liegt vielmehr auf dem amtsbegleitenden und weniger auf dem nachamtlichen Bereich, wie auch bereits der Titel nahelegt. Da die Untersuchung zudem schwerpunktmäßig die organschaftliche und weniger die wirtschaftliche Inkompatibilität in den Blickpunkt nimmt sowie das Institut der Karenzzeitvorgaben aus einem tendenziell abstrakten Blickwinkel betrachtet, können vorliegend neue Schwerpunkte und Akzente gesetzt werden – denn nachstehend soll die anwendungsorientierte Sichtweise dominieren. Abschließend ist in diesem Kontext die Ende 2020 veröffentlichte Arbeit von Jan T. Tenner35 zu nennen, die weitestgehend parallel und damit auch unabhängig zu dieser Untersuchung an der Universität Osnabrück unter Betreuung von Bernd J. Hartmann entstanden ist. Aufgrund ihrer hohen Relevanz für das untersuchte Themenfeld ist die Arbeit noch nach Verfahrensabschluss kursorisch ausgewertet und in die Untersuchung eingearbeitet worden: Tenner beschäftigt sich ausführlich mit den öffentlich-rechtlichen, strafrechtlichen sowie auch privatrechtlichen Rahmenbedingungen von nachamtlichen Seitenwechseln von Politikern und (beamteten) Staatssekretären auf Bundesebene. Die Erwägungen rundet er mit einer eigenen empirischen Erhebung zum Themenfeld sowie einer Verfassungsmäßigkeitsprüfung ab. Landesrecht klammert er hierbei weitestgehend aus; dies gilt insbesondere für die (in der nachstehenden Untersuchung teildominierende) niedersächsische Karenzzeitgesetzgebung. Neben der Einarbeitung der landesrechtlichen Bestimmungen beschäftigt sich die vorliegende Untersuchung – divergierend zu Tenner – ferner eingehend mit Verhaltenskodizes als Alternative zu gesetzlichen Regelungen, bezieht weitere Spitzenämter in Politik und Justiz auf Bundes-, Landes- und europäischer Ebene in die Überlegungen ein und gelangt insbesondere im Rahmen der Prüfung der Verfassungskonformität mit anderen argumentativen Ansätzen zu einer abweichenden rechtlichen Würdigung, die wiederum die Entwicklung von Reformansätzen nach sich zieht.
34 35
Ebd., S. 369–434 sowie 470–474. Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021.
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1. Kap.: Einführung
C. Thematische Präzisierung Die vorliegende Arbeit befasst sich mit „Karenzzeitvorgaben für Spitzenpolitiker“. Der Titel lässt Raum für eine personelle sowie sachliche Präzisierung.
I. Präzisierung in personeller Hinsicht Begrifflicher Dreh- und Angelpunkt der Untersuchungen in personeller Hinsicht ist zunächst der des „Spitzenpolitikers“. Die Begrifflichkeit soll im Kontext dieser Arbeit, in Anlehnung an den von Bamberger36 skizzierten „optimalen Wechselkandidaten“, als Sammelbezeichnung für einflussreiche und gut vernetzte Amtsträger mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen aus der jeweiligen Exekutivebene des Bundes, eines Landes oder der Europäischen Union genutzt werden. Offensichtlich von dieser Terminologie umfasst sind damit Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung, Parlamentarische Staatssekretäre bzw. Staatsminister sowie Mitglieder der Europäischen Kommission. Da gerade Letztere im allgemeinen Sprachgebrauch auch gern als „europäische Regierung“ bezeichnet wird und dementsprechend die „europäische Spitzenpolitik“ symbolisiert, erscheint in diesem Zusammenhang auch die Sinnhaftigkeit einer rechtsvergleichenden Ausweitung entsprechend einleuchtend. Reine Mandatsträger – sprich Abgeordnete im Bundestag, einem Landtag oder auch dem Europäischen Parlament – werden mit Blick auf den Umfang der Untersuchungen ausgeklammert. Gleiches gilt für Berufsbeamte im klassischen Sinne, deren Amtsstellung nicht von politischen Mehrheitsverhältnissen abhängig ist. Dies kann vornehmlich damit begründet werden, dass diese nicht unbedingt dem vorstehend bereits skizzierten Profil des „optimalen Wechselkandidaten“ entsprechen. Von dieser Erkenntnis ausgenommen sind zwar wiederum politische Beamte, sprich insbesondere Beamte in der Stellung eines Staatssekretärs oder auch Ministerialdirektors. Dennoch wird auch diese Akteursgruppe in der Arbeit ausgeklammert, da die beamtenrechtlichen Regulierungsmechanismen für ausscheidende politische Beamte nicht derart umfassend und einschneidend novelliert worden sind, wie etwa die Vorgaben für Spitzenpolitiker. Die bereits vorliegenden Erkenntnisse hierzu37 entfalten nach wie vor Gültigkeit. Zudem soll in personeller Hinsicht vielmehr an zwei weiteren Stellen exkursweise angesetzt werden: Auch wenn sich die nachfolgenden Untersuchungen 36 Vgl. Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 51. So sollte der ehemalige Amtsträger besonders einflussreich, in möglichst vielen Bereichen hinreichend früh informiert und ferner gut vernetzt sein. Zudem sollte der „optimale Wechselkandidat“ möglichst lang Teil des politischen Prozesses gewesen sein. 37 Vgl. etwa Ausführungen von Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 156 ff. m.w. N. zu insbes. § 105 BBG aber auch §§ 71, 67 BBG.
C. Thematische Präzisierung
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hauptsächlich auf administrativ tätige Spitzenpolitiker der Exekutive fokussieren, werden die Erwägungen in Teilbereichen der Arbeit auf andere staatliche Spitzenpositionen ausgeweitet. So wird beispielsweise auch die Frage nach der Übertragbarkeit sowie der Notwendigkeit einer Ausweitung der Karenzzeitidee auf den Bundespräsidenten a. D. gestellt. Da es sich bei diesem Akteur um ein ehemaliges bzw. aktuelles Verfassungsorgan mit vornehmlich repräsentativer Stellung handelt, kann zwar terminologisch nicht vom exekutiven Spitzenpolitiker im vorgenannten Sinne gesprochen werden. Allerdings kann der (Alt-)Bundespräsident durchaus als Spitzenpolitiker im repräsentativen Sinne bewertet werden. Schon diese Rolle spricht für eine Einbeziehung: Auch wenn der Bundespräsident damit eine weniger staatslenkende Stellung innehat und nicht derart weitreichende administrative Entscheidungskompetenzen in sich bündelt wie beispielsweise ein Bundesminister, ist er dennoch „erster Bürger“ der Republik.38 Als solcher unterliegt er stets einer besonderen, auch in den nachamtlichen Bereich hineinwirkenden Beobachtung und Bewertung durch die Öffentlichkeit – was auch auf den über die Amtszeit hinausgehenden Bezug von Ehrensold zurückzuführen sein wird.39 Die Anforderungen an sein nachamtliches Verhalten sind damit ebenfalls besonders geprägt durch die Parameter „Integrität“ und „Transparenz“. Konträr dazu kann jedoch, wie die Debatte um (Alt-)Bundespräsident Christian Wulff zeigt, auch der Bundespräsident a. D. ein Interesse an einem nachamtlichen Wirken in der Privatwirtschaft haben, welches dann verstärkt einer öffentlichen Beurteilung unterzogen wird. Ob ein entsprechender nachamtlicher Regulierungsbedarf daher auch für einen repräsentativen Spitzenpolitiker wie den (Alt-)Bundespräsidenten zu konstatieren ist, wird somit im Folgenden ebenfalls zu untersuchen sein. Ähnliches gilt, wenn auch leicht abgeschwächt, ebenso für Spitzenpositionen in der Justiz: Längst ist auch für Bundesrichter40 der öffentliche Diskurs41 um Nebentätigkeiten und nachamtliche Wechsel in die Privatwirtschaft entbrannt. Angesichts dessen erscheint auch in diesem Bereich zumindest eine exkurshafte, juristische Analyse der Sach- und Rechtslage notwendig und sinnvoll. Aus dieser Vergleichsgruppe, genauer gesagt der hier bestehenden Wechselpraxis sowie dessen (Selbst-)Regulierungsansätzen, können in der Folge ferner Erkenntnis38
Degenhart, Der „Ehrensold“ des Bundespräsidenten, ZRP 2012, 74. Vgl. zur Diskussion um die nachamtliche Tätigkeit des Altbundespräsidenten Wulff und der Fortbeziehung von Ehrensold ebenfalls Degenhart, Der „Ehrensold“ des Bundespräsidenten, ZRP 2012, 74. 40 Der Begriff des „Bundesrichters“ umfasst im Folgenden sämtliche Richter an den nach Art. 92, 95 und 96 GG vorgesehenen Bundesgerichten. „Bundesrichter“ dient damit im untersuchungsgegenständlichen Kontext grds. auch als Oberbegriff für „Bundesverfassungsrichter“. Werden spezielle, nur für Bundesverfassungsrichter gültige Vorschriften erläutert, wird hingegen explizit auf „Bundesverfassungsrichter“ abgestellt. 41 Lamprecht, „Ehrenkodex“ für die obersten Richter der Republik – Warum sie um ihren guten Ruf besorgt sein müssen, NJW 2017, 1156–1160. 39
28
1. Kap.: Einführung
gewinne für die Ausgestaltung der Karenzzeiten für Spitzenpolitiker abgeleitet werden.
II. Präzisierung in sachlicher Hinsicht In sachlicher Hinsicht beschäftigt sich die Arbeit mit „Karenzzeitvorgaben“ für die vorgenannten Adressatenkreise. Der Begriff der „Karenz“ 42 bzw. der „Karenzzeit“ 43 legt bereits nahe, dass sich die folgenden Untersuchungen mit dem Zeitraum nach dem Ausscheiden aus der entsprechenden Stellung als Amtsträger beschäftigen. „Karenzzeitvorgaben“ meint daher sämtliche Regulierungsmechanismen, die nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen oder sogar Tätigkeitsverbote für die oben genannten Akteure aufstellen. Tätigkeitsbeschränkungen oder Tätigkeitsverbote, die auf einen Interessenausgleich während der Amtszeit abzielen, sind nicht bzw. nur dann Thema der Untersuchungen, wenn deren Betrachtung zur Ermittlung der sozial- und rechtstheoretischen sowie rechtssystematischen Zusammenhänge notwendig ist. Begrifflich ähnlich liegt im Übrigen auch die vornehmlich im privatwirtschaftlichen Kontext genutzte „Cooling-off“-Klausel,44 welche im Folgenden synonym zur „Karenzzeitvorgabe“ verwendet wird. Abzugrenzen ist die Karenzzeit zudem von dauerhaften, nachamtlichen Tätigkeitsverboten bzw. Inkompatibilitäten; denn eine Karenzzeit erstreckt sich stets auf einen befristeten Zeitraum. Der Zusatz „zwischen Verhaltenskodizes und gesetzlicher Normierung“ macht ferner deutlich, dass die Untersuchungen unter besonderer Beachtung der divergierenden Regelungsnatur dieser Vorgaben erfolgen sollen. „Gesetzliche Normierung“ meint dabei in erster Linie formelle Gesetze, sprich Hoheitsakte, die vom Parlament im dafür vorgesehenen Verfahren als „Gesetze“ erlassen worden sind.45 Der Begriff des „Verhaltenskodex“ ist demgegenüber weniger einfach zu fassen. Es handelt sich streng genommen um eine wettbewerbsrechtlich geprägte Terminologie. So bestimmt § 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG, dass es sich bei einem „Verhaltenskodex“ um Vereinbarungen oder Vorschriften über das Verhalten von Unternehmern handelt, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben. Diese lauterkeitsrechtliche Legaldefinition kann für die folgenden Ausführungen nur zum Teil bzw. nur abgewandelt als Maßstab zugrunde gelegt werden. So handelt es sich bei den vorliegend thematisierten Verhaltenskodizes vielmehr um interne Vereinbarungen bzw. Selbstverpflichtungen von staatlichen Stellen, also zum 42
Lateinisch für „Entbehrung“ oder „Verzicht“. Als Synonyme werden auch die Begriffe „Wartezeit“ oder „Sperrfrist“ benutzt. 44 So z. B. genutzt von Diller, „Cooling-off“-Klauseln als nachvertragliches Wettbewerbsverbot?, NZA 2018, 692. 45 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 76 Rn. 1. 43
D. Methode und Gang der Untersuchung
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Beispiel den Mitgliedern einer Landesregierung oder den Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts, zu einem bestimmten nachamtlichen Tun oder Unterlassen, für welches sich keine Verpflichtung aus dem Gesetz ergibt. Der Begriff des „Verhaltenskodex“ wird daher für die nachfolgenden Untersuchungen in dieser öffentlich-rechtlichen Prägung genutzt. Unabhängig von dieser rechtlichen Vorqualifizierung ergibt sich jedoch aus den vorstehenden Ausführungen zumindest terminologisch eindeutig, dass die Begriffe „Verhaltenskodex“ und „Selbstverpflichtung“ synonym genutzt werden können.
D. Methode und Gang der Untersuchung Der Aufbau der nachfolgenden Untersuchung orientiert und gliedert sich anhand der vorstehend aufgezeigten Problem- und Themenkreise. Einleitend werden vorhandene sowie zur parlamentarischen Debatte gestellte Karenzzeitvorgaben im Zuge einer empirischen Bestandsaufnahme dargestellt und analysiert (2. Kapitel). Hiervon umfasst ist die Beleuchtung des in der nationalen sowie internationalen Staatsrechtspraxis verbreiteten Selbstregulierungskonzepts durch Verhaltenskodizes, welches ebenfalls rechtlich durchdrungen und hinterfragt wird. Das Kapitel schließt mit einer anwendungsorientierten Analyse und Bewertung der bestehenden, einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben für ehemalige und aktuelle Mitglieder der Bundesregierung sowie der im landespolitischen Spektrum vorgeschlagenen Regelungen für Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung. Darauffolgenden wird der „Drehtüreffekt“ – als Grundkonflikt und Triebfeder hinter Karenzzeitvorgaben – sozialwissenschaftlich, rechtssoziologisch und normativ eingeordnet und analysiert sowie einer teilweisen Neubewertung unterzogen (3. Kapitel). Im vorletzten Kapitel richten sich die Untersuchungen dann schwerpunktmäßig auf die Prüfung der verfassungsrechtlichen Konformität der Regelungen, die auf Bundesebene sowie auf niedersächsischer Landesebene vorhanden sind, bevor anschließend Rechtsschutzmöglichkeiten etwa Betroffener erörtert werden (4. Kapitel). Schlussendlich sollen Reformvorschläge erarbeitet und ein Ausblick gewagt werden; überdies werden die Ergebnisse thesenhaft gebündelt (5. Kapitel). Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit stets die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.
2. Kapitel
Empirische Bestandsaufnahme ausgewählter Karenzzeitregelungen (de lege lata) Grundlage der Untersuchung ist die empirische Bestandsaufnahme derjenigen formell-gesetzlichen Karenzzeitvorgaben, die seit 2014 sukzessive und beinahe flächendeckend auf Bundes- und Länderebene für den exekutiven Spitzenbereich eingeführt worden sind bzw. werden sollten. Neben dieser einfachgesetzlichen Bestandsaufnahme ist ferner vorgesehen, auch diejenigen Tendenzen der Selbstregulation durch Verhaltenskodizes zu beleuchten und zu analysieren, die im Bereich der spitzenpolitischen Karenzzeitvorgaben sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext über die letzten Jahre zu beobachten waren. Abschließend münden die Ausführungen dieses Kapitels in eine anwendungsorientierte Analyse bestehender sowie diskutierter, einfachgesetzlicher Karenzzeitregeln an ihren Schlüsselstellen, die so entsprechend identifiziert werden sollen.
A. Gesetzliche Karenzzeitvorgaben Zunächst werden einfachgesetzlich kodifizierte Karenzzeitvorgaben auf Bundes- und Länderebene sowie entsprechende Bestrebungen in den Blick genommen, die im Bundesland Niedersachsen zu verzeichnen waren.
I. Karenzzeitvorgaben auf Bundesebene Auf Bundesebene finden sich auf spitzenpolitischer Ebene sowohl für aktuelle bzw. ehemalige Mitglieder der Bundesregierung als auch für aktuelle bzw. ehemalige Parlamentarische Staatssekretäre einfachgesetzlich verankerte Karenzzeitvorgaben. 1. Karenzzeitvorgaben für aktuelle und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung nach §§ 6a–6d BMinG Wie bereits einleitend erwähnt, sind explizite Karenzzeitvorgaben, mit denen Tätigkeitsbeschränkungen bzw. Tätigkeitsverbote für den nachamtlichen Bereich aufgestellt werden, auf Bundesebene vor allem für die oberste politische Leitung auf ministerieller Exekutivebene vorhanden: Die Regelungen in §§ 6a–6d BMinG, die mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre vom
A. Gesetzliche Karenzzeitvorgaben
31
17. Juli 20151 einfachgesetzlich implementiert worden sind, normieren eine Karenzzeit für ehemalige Mitglieder der Bundesregierung von bis zu 18 Monaten nach Ausscheiden aus dem Amt. Die Neuregelung dient zwei primären Zwecken: Durch Schaffung eines transparenten Verfahrens soll verhindert werden, dass „durch den Anschein einer voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf eine nachamtliche Karriere oder durch die private Nutzbarmachung von amtlich erlangtem Wissen nach Beendigung des Amtsverhältnisses das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung beeinträchtigt wird.“ Zudem sollen die Vorschriften potenziell betroffene Akteure bei Anstreben einer nachamtlichen Karriere vor „Unsicherheiten und ungerechtfertigter Kritik“ schützen.2 Es handelt sich bei den Vorschriften damit um die konkrete, einfachgesetzliche Reaktion des Gesetzgebers auf das Untersuchungsthema der Arbeit: Das bis dato nur der politischen und nicht der gesetzlichen Beurteilung überlassene und daher entsprechend kontrovers diskutierte Problem der Beurteilung von sich unmittelbar an die Amtszeit anschließenden Seitenwechseln von Spitzenpolitikern der Exekutive ist mit der Gesetzesänderung aufgegriffen worden.3 Die Regelungsstruktur der §§ 6a–6d BMinG basiert auf einem zweistufigen Konzept. So bestimmt § 6a BMinG auf erster Stufe für amtierende und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung eine Anzeigepflicht, die sich auf die ersten 18 Monate nach dem Ausscheiden aus der Amtsstellung erstreckt. Auf zweiter Stufe ermächtigt § 6b BMinG die Bundesregierung zur gänzlichen oder teilweisen Untersagung der Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung für einen bestimmten Zeitraum, soweit durch die Beschäftigung eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen droht. Die Entscheidung im vorgenannten Sinne trifft die Bundesregierung dabei auf Empfehlung eines beratenden Gremiums, dessen Zusammensetzung und Ausgestaltung wiederum in § 6c BMinG näher beleuchtet wird. Abschließend bestimmt § 6d BMinG für den Fall der Untersagung einer Erwerbstätigkeit die Zahlung eines Übergangsgeldes. a) Anzeigepflicht – § 6a BMinG § 6a Abs. 1 BMinG statuiert zur Einleitung eines etwaigen Beschränkungsverfahrens auf erster Stufe eine schriftliche Anzeigepflicht gegenüber der Bundesregierung für aktuelle (S. 1) sowie für ehemalige (S. 2) Mitglieder der Bundesregierung, die beabsichtigen, nach Ausscheiden aus der Amtsstellung eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes anzustreben. 1 2 3
BGBl. 2015, I, S. 1322 f. BR-Drs. 52/15, S. 1. Busse, Nomos-Bundesrecht, Bundesministergesetz, § 6a Rn. 1.
32
2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
Der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich dabei auf die ersten 18 Monate nach Ausscheiden aus der amtlichen Stellung; innerhalb dieser Zeitspanne sind aktuelle und ehemalige Mitglieder nachwirkend zur Anzeige verpflichtet. Durch die Verpflichtung zur Anzeige bzw. die damit verbundene Kenntniserlangung vom Seitenwechsel soll möglichst frühzeitig auf Interessenkonflikte reagiert werden können, beispielsweise durch die Änderung von Zuständigkeiten.4 Über diese vom Gesetzgeber exemplarisch benannte Zwecksetzung hinaus ist davon auszugehen, dass die so erlangten Sachverhaltskenntnisse insbesondere auch die Grundlage einer etwaigen Untersagungsentscheidung bilden sollen. Die Verpflichtung dient also auch der Informationsgewinnung auf Seiten der Regierung. Das aktuelle oder ehemalige Bundesregierungsmitglied muss eine „Erwerbstätigkeit“ oder „sonstige Beschäftigung“ anstreben. „Erwerbstätigkeit“ im vorgenannten Sinne meint alle entgeltlichen, auch freiberuflichen oder selbständigen Tätigkeiten. „Sonstige Beschäftigungen“ sind hingegen auch unentgeltliche Tätigkeiten.5 Entscheidend ist jedoch nicht die Entgeltlichkeit, sondern allein der Eindruck, dass die gemeinwohlorientierte Regierungsarbeit einseitig beeinflusst werden könnte.6 § 6a Abs. 1 BMinG bezieht sich dabei insgesamt nur auf Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes, da bei fortdauernder Tätigkeit im öffentlichen Bereich der gemeinwohlorientierte Schutzzweck der Vorschrift nicht zum Tragen kommt.7 Die Anzeigepflicht entsteht gem. § 6a Abs. 2 BMinG, sobald das Mitglied bzw. das ehemalige Mitglied der Bundesregierung mit „Vorbereitungen“ für die Aufnahme einer Beschäftigung beginnt oder ihm eine Beschäftigung in Aussicht gestellt wird (S. 1). Zur Auslösung der Anzeigepflicht ist das Erreichen eines „hinreichend konkreten Stadiums“ notwendig. Ein solches ist erreicht, wenn die Aufnahme einer Beschäftigung konkret angestrebt wird, also insbesondere, wenn Verhandlungen über ein Beschäftigungsverhältnis vor dem Abschluss stehen oder wenn beabsichtigt ist, auf ein angebotenes Beschäftigungsverhältnis einzugehen.8 Zu beachten ist hierbei, dass nicht jedes interne Handeln oder bloßes Nachdenken über eine Beschäftigung im vorgenannten Sinne die Anzeigepflicht auslösen kann. Notwendig ist vielmehr stets, dass die entsprechenden Absichten auch nach außen zu Tage treten, sich also manifestieren.9 Insgesamt soll die schriftliche Anzeige mindestens einen Monat vor Beginn der Tätigkeit erfolgen (S. 2). Wird die Monatsfrist nicht eingehalten, kann die 4 5 6 7 8 9
BR-Drs. 52/15, S. 7. Busse, Nomos-Bundesrecht, Bundesministergesetz, § 6a Rn. 3. BT-Drs. 18/4630, S. 10 f. Busse, Nomos-Bundesrecht, Bundesministergesetz, § 6a Rn. 4. BR-Drs. 52/15, S. 7 Busse, Nomos-Bundesrecht, Bundesministergesetz, § 6a Rn. 4.
A. Gesetzliche Karenzzeitvorgaben
33
Bundesregierung die Tätigkeit vorläufig für die Dauer von höchstens einem Monat untersagen (S. 3). b) Entscheidung der Bundesregierung – § 6b BMinG Auf zweiter Stufe ermächtigt § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG die Bundesregierung zur vollständigen oder teilweisen Untersagung der nach § 6a BMinG angezeigten Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung für eine Zeitspanne von 18 Monaten nach Ausscheiden aus der Amtsstellung, wenn durch die Beschäftigung eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen droht. Zu beachten ist hierbei, dass § 6a Abs. 1 i.V. m. § 6b Abs. 1 BMinG rechtssystematisch als Anzeigepflicht mit Verbotsvorbehalt ausgestaltet ist. Das Gesetz verbietet also nicht, bereits eine Tätigkeit einstweilen aufzunehmen, bevor eine endgültige Entscheidung der Bundesregierung getroffen worden ist.10 Von einer „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ im vorgenannten Sinne ist nach den ebenfalls in Abs. 1 normierten, typisierenden Regelbeispielen insbesondere dann auszugehen, wenn die angestrebte Beschäftigung in Angelegenheiten oder Bereichen ausgeübt werden soll, in denen das ehemalige Mitglied der Bundesregierung während seiner Amtszeit tätig war (S. 2 Nr. 1) oder die Beschäftigung das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung beeinträchtigen kann (S. 2 Nr. 2). Die Untersagung, die eine Dauer von bis zu 18 Monaten haben kann (Abs. 2), ist auf Empfehlung eines beratenden Gremiums auszusprechen (Abs. 3) und zu veröffentlichen (Abs. 4). aa) Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung – § 6b Abs. 1 BMinG (1) Tatbestand § 6b Abs. 1 BMinG bestimmt die materiellen Voraussetzungen zur vorübergehenden, vollständigen oder teilweisen Untersagung einer nachamtlichen, beruflichen Tätigkeit eines aktuellen bzw. ehemaligen Bundesregierungsmitglieds. Zentrale Voraussetzung für eine entsprechende Untersagung ist die drohende „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff,11 welcher der näheren Konkretisierung bedarf: Der Gesetzgeber stellt auf „öffentliche Interessen“ und damit auf eine Blankettformulierung ab, die rechtsgebietsübergreifend in vielfältiger Art und Weise genutzt wird.12 Dementsprechend ist das jeweilige „öffentliche Interesse“ normspezifisch zu ermitteln. Im Kontext der §§ 6a ff. BMinG beläuft es sich nach teleologi10 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 9. 11 Möllers, Juristische Methodenlehre, § 7 Rn. 5. 12 Vgl. z. B. § 28 Abs. 3 VwVfG, § 15 Abs. 1 S. 1 WHG oder auch § 153 StPO.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
scher13 und auch systematischer14 Auslegung letztlich auf die Gewährleistung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Regierungsorgans frei von gesellschaftlichen und/oder privaten Einflüssen. Mit Normierung der beiden vorgenannten Regelbeispiele hat der Gesetzgeber zudem die vorstehende Leerformel zumindest im Ansatz weiter ausgefüllt und zum Ausdruck gebracht, wann in jedem Fall von einer derartigen Beeinträchtigung auszugehen ist. Mit dem Beispiel in Abs. 1 S. 2 Nr. 1 stellt er zunächst auf den Aspekt der besonderen Sachnähe ab. Stehen demnach ehemalige amtliche Tätigkeit und angestrebte nachamtliche Tätigkeit in einem sachlichen Zusammenhang, ist von der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen auszugehen. Der Gesetzgeber macht so deutlich, dass er den besonderen Anschein als relevant und gefährlich einstuft, der häufig mit sachnahen Seitenwechseln einhergeht.15 Es soll bereits der Eindruck der ressortnahen „Kungelei“ zwischen Politik und Wirtschaft präventiv vermieden werden. An eine so konkrete Wechselkonstellation knüpft Abs. 1 S. 2 Nr. 2 hingegen nicht an; vielmehr werden sämtliche Beschäftigungen als drohende Beeinträchtigungen eingestuft, die dazu geeignet sind, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung (auch nur potenziell) zu beeinträchtigen. Gerade im Verhältnis zu Abs. 1 S. 2 Nr. 1 beinhaltet Nr. 2 eine deutlich abstraktere Formulierung und kann als Auffangtatbestand bewertet werden: Nr. 2 deckt inhaltlich den Regelungsgehalt von Nr. 1 vollständig ab.16 Insgesamt ist zu beachten, dass Abs. 1 S. 2 ohnehin nicht abschließend ausgestaltet worden ist, wie der Wortlaut der Vorschrift („insbesondere“) offenbart. In zeitlicher Hinsicht ermöglicht es § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG der Bundesregierung, für einen Zeitraum von maximal 18 Monaten nach Ausscheiden aus der Amtsstellung eine vollständige oder teilweise Untersagung anzuordnen. (2) Rechtsfolge Wie bereits erwähnt, hat der Gesetzgeber in §§ 6a, 6b BMinG kein starres Tätigkeitsverbot, sondern vielmehr eine Anzeigeverpflichtung mit Verbotsvorbehalt normiert.17 Der Verbotsvorbehalt hat seinen Niederschlag in § 6b Abs. 1 13 Die Auslegung korreliert zu dem an späterer Stelle noch ausführlich hergeleiteten Gesetzeszweck, vgl. hierzu im 4. Kapitel unter A. I. 2. b) bb) (1). Der Zweck der Regelung determiniert nämlich zugleich die Ausfüllung des Tatbestandes. 14 Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 48. 15 Siehe hierzu eingehend im 3. Kapitel unter B. III. 1. b). 16 Zu diesem Ergebnis kommt auch Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 49. 17 Teilweise wird vertreten, dass mit der Vorschrift bereits eine (faktische) Genehmigungspflicht statuiert werde. Abgeleitet wird dies zum einen aus der umfassenden Präventivkontrolle und zum anderen daraus, dass eine Entscheidung der Bundesregierung nicht nur im Falle der (Teil-)Untersagung getroffen werde, sondern vielmehr auch im
A. Gesetzliche Karenzzeitvorgaben
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BMinG gefunden. „Verbotsvorbehalt“ bedeutet rein sinnlogisch, dass ein Verbot erfolgen kann, aber nicht erfolgen muss. Die Vorschrift ist dementsprechend als Ermessensnorm ausgestaltet („kann“); genauer gesagt wird der Regierung ein Entschließungsermessen eingeräumt. Sinn und Zweck dieser Ausgestaltung ist eine möglichst grundrechtsschonende Umsetzung der Karenzzeit.18 Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob diese Auslegung dogmatisch alternativlos ist. Betrachtet man nämlich die Konstruktion der Norm, fällt auf, dass die Vorschrift allein existiert, um die „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ auszuschließen. Insofern wirkt die Zielsetzung zwar auf Tatbestandsseite, determiniert aber zugleich die Ermessensentscheidung, gibt also das Steuerungsprogramm für die untersagende Regierung vor: Der Fall, dass die Regierung trotz der Annahme einer „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ eine Untersagung nicht ausspricht, bildet wohl eher die Ausnahme und nicht die Regel ab. Dennoch erscheint es notwendig, der Regierung stets ein (verbleibendes) Entschließungsermessen einzuräumen. Nimmt man auf Rechtsfolgenseite automatisiert einen Ermessensschwund an, sobald die „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ zu bejahen ist, hätte dies zur Folge, dass das Gemeinwohl stets und damit pauschal das Individualinteresse des ehemaligen Regierungsmitglieds an seiner beruflichen Freiheit überwiegen würde. Eine solche Auslegung würde der grundrechtlichen Intensität der Regelung zuwiderlaufen. Abgesehen davon kann die „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ auch von unterschiedlichem Gewicht sein, was schlichtweg daraus folgt, dass die Ausfüllung des Merkmals letztlich von einer häufig diffusen gesellschaftlichen Stimmungslage abhängig zu machen ist. Hier eine Erheblichkeitsschwelle zu ziehen – die nach vorstehender Überlegung dann ja entscheidend für die Aussprache der Untersagung wäre – ist kaum möglich. Dementsprechend scheint es auch unter diesem Gesichtspunkt unabdingbar, die Ermessensentscheidung nicht durch die Ausfüllung des Tatbestandes vorprägen zu lassen. Bleibt man also bei der gesetzgeberisch auch entsprechend angelegten Intention und räumt der Regierung ein Entschließungsermessen ein, sind bei der zu treffenden Entscheidung die beiden widerstreitenden Interessen „Lauterkeit und Integrität des Regierungshandelns“ einerseits sowie „Berufsfreiheit des (ehemaligen) Mitglieds der Bundesregierung“ andererseits abzuwägen. Ermessensleitende Gesichtspunkte können hier die Dauer der Regierungsmitgliedschaft sowie der Grad des Interessenkonflikts bilden. Kann ein Interessenkonflikt bereits durch
Falle der Nichtuntersagung. Vgl. hierzu Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134. Hiergegen spricht zum einen der geäußerte Wille des Gesetzgebers in den Drucksachen und zum anderen die Tatsache, dass durch eine Nichtuntersagung auch die Konformität einer bereits vorher (einstweilen) erlaubten Tätigkeit bestätigt werden kann. Vgl. hierzu auch ausführliche Würdigung im 4. Kapitel unter B. I. 2. a). 18 BT-Drs. 18/4630, S. 11.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
eine (z. B. branchenbezogene) Teiluntersagung der angestrebten Tätigkeit ausgeschlossen werden, ist diese als milderes Mittel stets vorzuziehen.19 bb) Dauer der Untersagung – § 6b Abs. 2 BMinG Nach § 6b Abs. 2 S. 1 BMinG „soll“ die Untersagung in der Regel die Dauer von einem Jahr nicht überschreiten. § 6b Abs. 2 S. 1 BMinG normiert insoweit ein intendiertes Auswahlermessen, da ein Zeitrahmen für ein etwa auszusprechendes Tätigkeitsverbot nach § 6b Abs. 1 BMinG bestimmt wird. Dieser Zeitrahmen kann nach § 6b Abs. 2 S. 2 BMinG in Ausnahmefällen auf bis zu 18 Monate ausgeweitet werden, in denen öffentliche Interessen „schwer“ beeinträchtigt wären. Derartige Ausnahmefälle liegen nach der Gesetzesbegründung u. a. dann vor, wenn das Regierungsmitglied besonders lange mit unverändertem Aufgabenzuschnitt im Amt tätig war oder aber eine enge Verflechtung von amtlicher und nachamtlicher Tätigkeit zu konstatieren ist.20 Letztere Erwägung knüpft erneut an die Überlegung an, dass bei ressortnahen Wechseln in die Privatwirtschaft in der Öffentlichkeit schnell der Eindruck missbräuchlichen Verhaltens erweckt werden kann. Damit handelt es sich um die logische Konsequenz der Vorgabe aus § 6a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BMinG. cc) Empfehlung und Veröffentlichung – § 6b Abs. 3 und 4 BMinG Nach § 6b Abs. 3 BMinG i.V. m. § 6c BMinG trifft die Bundesregierung ihre Entscheidung auf Empfehlung eines beratenden Gremiums, sprich im Rahmen einer dualen Struktur. Durch Eingliederung des beratenden Gremiums in die Entscheidungsfindung soll die Objektivität sowie die Akzeptanz der Entscheidung gefördert werden.21 Die rein beratende Funktion des Gremiums äußert sich in § 6b Abs. 3 S. 2 und S. 3 BMinG.22 Nähere Vorgaben zum beratenden Gremium trifft § 6c BMinG. Abschließend bestimmt § 6b Abs. 4 BMinG, dass die Entscheidung der Bundesregierung zu veröffentlichen ist. Die Veröffentlichung kann beispielsweise in Form einer Presserklärung erfolgen und dient primär der Wahrung von Transparenz. Die Veröffentlichungspflicht greift dabei nicht nur bei vollständiger oder teilweiser Untersagung, sondern auch bei Nichtuntersagung einer angestrebten Tätigkeit.23
19 20 21 22 23
BT-Drs. 18/4630, S. 11. BT-Drs. 18/4630, S. 11. BT-Drs. 18/4630, S. 11. BT-Drs. 18/4630, S. 11. BT-Drs. 18/4630, S. 11.
A. Gesetzliche Karenzzeitvorgaben
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c) Das beratende Gremium – § 6c BMinG Wie vorstehend dargelegt, trifft die Bundesregierung eine Entscheidung nach § 6b Abs. 1 i.V. m. Abs. 2 BMinG auf Empfehlung eines beratenden Gremiums. Die Einschaltung dieses Gremiums dient der Entlastung der Bundesregierung, der Wahrung einer neutralen Außensicht auf den Sachverhalt sowie der Erhöhung der Qualität der Sacherwägungen durch den Erfahrungsschatz der berufenen Gremiumsmitglieder.24 Bestellung, Zusammensetzung und Arbeitsweise dieses Gremiums sind in § 6c BMinG festgelegt. Nach § 6c Abs. 1 S. 1 BMinG sollen die Mitglieder des Gremiums Funktionen an der Spitze staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen wahrgenommen haben oder über Erfahrungen in einem wichtigen politischen Amt verfügen.25 Der Gesetzgeber bezeichnet diese ermessenslenkenden Auswahlkriterien für (potenzielle) Gremiumsmitglieder als „sachgerecht“ 26 und stützt damit die vorstehende Auslegung Lothar Michaels. Die Gremiumsmitglieder werden nach Abs. 1 S. 2 auf Vorschlag der Bundesregierung jeweils zu Beginn einer Wahlperiode des Deutschen Bundestages vom Bundespräsidenten berufen und sind ehrenamtlich tätig. In § 6c Abs. 2 BMinG findet sich überdies eine Verschwiegenheitsverpflichtung für die Gremiumsmitglieder, in § 6c Abs. 3 BMinG eine Entschädigungsregelung. § 6c Abs. 4 BMinG bestimmt als Klarstellungsvorschrift, dass die Mitglieder des beratenden Gremiums ihre Tätigkeit so lange ausüben, bis neue Mitglieder nach § 6c Abs. 1 S. 2 BMinG berufen worden sind. Hierdurch wird die fortlaufende Arbeitsfähigkeit des Gremiums gewährleistet und sichergestellt, dass diese nicht etwa durch parlamentarische Diskontinuität unterbrochen wird.27 Abschließend ist in § 6c Abs. 5 BMinG festgelegt, dass für die Aufgabenerfüllung dem beratenden Gremium das notwendige Personal und die notwendige Sachausstattung zur Verfügung zu stellen ist. Es handelt sich um eine Nachbildung der Vorschriften über die von der Bundesregierung bestellten Beauftragten (vgl. z. B. § 14 BGG, § 92 AufenthG oder § 140h Abs. 1 SGB V),28 sodass die hierfür aufgestellten Maßstäbe im Übrigen auf Abs. 5 Anwendung finden. 24 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 4. 25 Während des Untersuchungszeitraums war das Gremium mit Theo Waigel (Bundesfinanzminister a. D.), Krista Sager (ehemalige Fraktionsvorsitzende und Senatorin in Hamburg) sowie Michael Gerhardt (Richter am BVerwG sowie BVerfG a. D.) besetzt. Vgl. hierzu Angaben von LobbyControl e. V., online einsehbar unter der URL https:// www.lobbycontrol.de/2016/07/ein-jahr-karenzzeit-gesetz-entscheidendes-gremium-end lich-besetzt/, zuletzt abgerufen am 2.6.2020. 26 BT-Drs. 18/4630, S. 11. 27 Busse, Nomos-Bundesrecht, Bundesministergesetz, § 6c Rn. 1. 28 BT-Drs. 18/4630, S. 12.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
d) Übergangsgeld – § 6d BMinG Nach § 6d BMinG besteht zudem ein Anspruch auf Übergangsgeld i. S. d. § 14 BMinG, falls die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung nach § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG untersagt wird. Der Anspruch besteht für die Dauer der Untersagung, wird jedoch nur gewährt, sofern sich nicht bereits ein weitergehender Anspruch aus § 14 Abs. 2 S. 1 BMinG auf Übergangsgeld ergibt. Der Höhe nach beläuft er sich gem. § 14 Abs. 3 BMinG für die ersten drei Monate auf das ursprüngliche Amtsgehalt und den Ortszuschlag in voller Höhe, für den Rest der Bezugsdauer auf die Hälfte dieser Bezüge. § 6d BMinG erweitert den Anwendungsbereich des § 14 BMinG. § 6d BMinG betrifft nämlich die Fälle, in denen ein Anspruch auf Übergangsgeld nach § 14 Abs. 2 BMinG den Untersagungszeitraum unterschreitet. Besteht also kein Anspruch auf Übergangsgeld aus § 14 Abs. 2 BMinG für die insgesamt angeordnete Karenz, beispielsweise aufgrund (zu) kurzer Amtszeit, bestimmt § 6d BMinG die weitergehende Gewährung des Übergangsgeldes für die volle Dauer der Untersagung.29 2. Karenzzeitvorgaben für aktuelle und ehemalige Parlamentarische Staatssekretäre nach § 7 ParlStG i.V. m. §§ 6a ff. BMinG Abgesehen von den Karenzzeitregelungen für aktuelle und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung sind mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre vom 17. Juli 2015 auch Karenzzeiten für aktuelle und ehemalige Parlamentarische Staatssekretäre auf Bundesebene eingeführt worden. Nach § 7 Hs. 1 ParlStG finden die für Bundesminister geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Gemeint sind hiermit §§ 6a und 6b des BMinG.30 In Abwandlung zur Regelung des § 6a BMinG hat die erforderliche Anzeige gem. § 7 S. 2 ParlStG jedoch nicht gegenüber der Bundesregierung als Kollegialorgan, sondern vielmehr gegenüber dem zuständigen Mitglied der Bundesregierung zu erfolgen. Im Übrigen gelten die vorstehend getroffenen Ausführungen zu §§ 6a, 6b BMinG auch für Parlamentarische Staatssekretäre entsprechend.
II. Karenzzeitvorgaben auf Länderebene 1. Überblick: Einfachgesetzliche Karenzzeitvorgaben der Länder Auch auf Länderebene finden sich in Hamburg, Brandenburg, Hessen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Thüringen sowie jüngst auch Niedersach29 30
Busse, Nomos-Bundesrecht, Bundesministergesetz, § 6d Rn. 1. BT-Drs. 18/4630, S. 12.
A. Gesetzliche Karenzzeitvorgaben
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sen31 einfachgesetzliche Regelungen, mit denen Karenzzeiten für (ehemalige) Landesregierungsmitglieder festgelegt worden sind.32 Sämtliche Vorschriften folgen insoweit übereinstimmend dem zweistufigen, bundesgesetzlichen Regelungsmodell, bestehend aus der Verpflichtung zur Anzeige einerseits sowie der potenziellen Untersagungsmöglichkeit andererseits. Die Dauer der Anzeigeverpflichtung variiert hierbei: Sie beläuft sich je nach Bundesland auf 12 bzw. 18 Monate oder sogar zwei Jahre.33 Auf einen Zeitraum von 12 bzw. 18 Monaten oder zwei Jahren kann sich dann auch die teilweise oder vollständige Untersagung erstrecken, die auf zweiter Stufe nach allen Karenzzeitvorschriften ausgesprochen werden kann/soll bzw. muss.34 Zuständiges Untersagungsorgan ist einhellig die jeweilige Landesregierung. In Thüringen, SchleswigHolstein und Nordrhein-Westfalen wird diese zusätzlich von einem beratenden Gremium unterstützt. Die Untersagungsentscheidung ist in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Schleswig-Holstein unter Mitteilung der Empfehlung des Gremiums zu veröffentlichen. Wird eine Untersagung auch tatsächlich ausgesprochen, wird ein Übergangsgeld als Ausgleich für die Sperrzeit gewährt. Nur in Hamburg ist weder eine Veröffentlichung noch eine Entschädigung vorgesehen. Erwähnenswert ist überdies, dass nur in Thüringen eine Sanktionierungsmöglichkeit in Form eines Bußgeldtatbestandes bei Zuwiderhandlung vorgesehen ist.35 Eine solche findet sich weder auf Bundesebene noch in den anderen landesrechtlichen Karenzzeitvorgaben. Neben den vorgenannten, bereits verabschiedeten Karenzzeitvorgaben ist die Einführung weiterer Karenzzeitregelungen zudem in Berlin,36 Mecklenburg-Vorpommern37 und Sachsen38 in Planung.
31 Niedersachen wird bei der überblicksartigen Darstellung zunächst ausgelassen, da im nachfolgenden Abschnitt eine umfassende Untersuchung der gesetzgeberischen Bestrebungen in diesem Bundesland erfolgt. 32 Vgl. zu den konkreten Vorschriften die Aufzählung im 1. Kapitel unter A. Eine umfassende Darstellung und Analyse dieser landesrechtlichen Karenzzeitvorgaben nimmt Buß in ihrer Monographie auf den S. 373–378 sowie S. 406–429 vor, auf die an dieser Stelle vorab verwiesen sei. 33 In Nordrhein-Westfalen beläuft sich die Dauer der Anzeigeverpflichtung auf nur 12 Monate, in Hessen auf 18 Monate und in Brandenburg, Thüringen, Hamburg und Schleswig-Holstein sogar auf zwei Jahre. 34 Die Untersagungstatbestände sind in Brandenburg, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen als Ermessensnormen ausgestaltet. In Hamburg und Hessen ist der Regierung ein intendiertes Ermessen eingeräumt. In Schleswig-Holstein handelt es sich sogar um eine gebundene Entscheidung. 35 Vgl. hierzu § 5e ThürMinG. 36 Vgl. Koalitionsvereinbarung für das Land Berlin zwischen SPD, Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen für die Legislaturperiode 2016–2021, S. 154. 37 LT-Drs. 7/1356.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
2. Aktuelles Beispiel: Niedersachsen a) Ausgangslage und Untersuchungsbedarf Die zur Jahreswende 2019/2020 zu verzeichnenden, gesetzgeberischen Bestrebungen im Bundesland Niedersachsen können als aktuelles und konkretes Beispiel herangezogen werden, um die Möglichkeiten und Grenzen einer Implementierung von einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben für ehemalige bzw. amtierende Regierungsmitglieder im weiteren Verlauf der Arbeit aufzuzeigen. So wurden im Dezember 2019 insgesamt drei verschiedene Gesetzesentwürfe39 zur parlamentarischen Abstimmung gestellt,40 die ihrer inhaltlichen und systematischen Ausgestaltung nach mehr oder weniger stark variierten und damit durchaus unterschiedliche Konzeptionen und Regulierungsansätze verfolgten. Eine Darstellung und Analyse dieser zum Untersuchungszeitpunkt insoweit jüngsten gesetzgeberischen Bestrebungen kann hier neue Schlüsse und Denkansätze liefern und zudem auch der Abgrenzung dienen. Da der Entwurf der Landesregierung im Laufe der Arbeitsphase der Untersuchungen zudem (leicht modifiziert) parlamentarisch bestätigt worden ist,41 lassen sich die nachfolgenden Erwägungen auch entsprechend auf die nun kodifizierte, abschließende Fassung in § 7a NdsMinG übertragen. b) Die damaligen Bestrebungen im Einzelnen aa) Hintergrund Mit den drei vorgenannten Gesetzesentwürfen der Landesregierung sowie der Landtagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der AfD ist auch in Niedersachsen das Ziel verfolgt worden, das nachamtliche, privatwirtschaftliche Wirken aktueller und ehemaliger Landesregierungsmitglieder aus der persönlichen Entscheidungskraft des Regierungsmitglieds herauszulösen und einer staatlichen Kontrolle zu unterziehen. Auslöser hierfür war der geplante, aber letztendlich
38 Koalitionsvertrag für das Land Sachsen zwischen CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD für die Legislaturperiode 2019–2024, S. 111. 39 Es handelt sich um LT-Drs. 18/4470 (Entwurf der Landesregierung) sowie 18/ 4417 (Entwurf der AfD Landtagsfraktion) und 18/4452 (Entwurf der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen). 40 Vgl. hierzu Tagesordnung für den 23. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages (64. bis 67. Sitzung), S. 4. 41 Vgl. Kurzbericht über Verhandlungspunkte und Beschlüsse der 64. Sitzung des Niedersächsischen Landtages der 18. Wahlperiode am 16.12.2019, S. 2 f. Demnach hat der Landtag für einen (marginal abgeänderten) Entwurf der Landesregierung gestimmt. Dieser kann unter LT-Drs. 18/5290, S. 2 eingesehen werden und umfasst einige wenige Änderungen der Begrifflichkeiten und der Reihenfolge; im Kern bleibt die nachstehend beleuchtete (Entwurfs-)Struktur jedoch erhalten.
A. Gesetzliche Karenzzeitvorgaben
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nicht vollzogene Wechsel des Niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies in die Energiewirtschaft.42 Einvernehmlicher Hintergrund und damit Telos der Gesetzesentwürfe lag – mit zum Teil jeweils leicht verlagerten Schwerpunkten – daher auch hier darin, Interessenkonflikte zu vermeiden, die darauf beruhen, dass „durch den Anschein einer voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Karriereaussichten oder durch die private Verwertung von Amtswissen nach Beendigung des Amtsverhältnisses das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Landesregierung beeinträchtigt wird“.43 Mit anderen Worten stand auch in Niedersachsen die Regulierung des „Drehtüreffekts“ 44 im Mittelpunkt der Bestrebungen. bb) Konzeption der Entwürfe Auch die niedersächsischen Gesetzesentwürfe statuierten ihrer Regelungsstruktur nach allesamt ein identisches Stufensystem und übernahmen damit das bundesgesetzliche Regelungsmodell einer Anzeigeverpflichtung mit Verbotsvorbehalt. Dennoch waren in der konkreten Ausgestaltung auch einige Abweichungen zu verzeichnen. Auf der ersten Stufe war zunächst die Statuierung einer Anzeigeverpflichtung vorgesehen (vgl. § 7a Abs. 1 und 2 sowie § 5a Abs. 1 und 2 und § 12a Abs. 1 NdsMinG-E). Mit dieser beabsichtigten die benannten Urheber der Entwürfe die Landesregierung als zuständiges Untersagungsorgan über eine angestrebte Tätigkeit des aktuellen oder ehemaligen Regierungsmitglieds in Kenntnis zu setzen. Die Anzeigeverpflichtung sollte sich dabei auf einen Zeitraum von 36 Monaten (AfD) bzw. drei Jahren (Bündnis 90/Die Grünen) erstrecken; der Entwurf der Landesregierung sah hingegen einen kürzeren Verpflichtungszeitraum von 18 Monaten vor. Auf zweiter Stufe sollte ferner die Landesregierung als Kollegialorgan übergreifend dazu ermächtigt werden, eine vollständige oder zumindest teilweise Untersagung der angestrebten Tätigkeit auszusprechen (vgl. § 7a Abs. 3 und Abs. 445
42 Vgl. hierzu Bericht des NDR vom 3.9.2019, online abrufbar unter der URL https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet /Landesregie rung-beschliesst-Karenzzeit-fuer-Minister,karenzzeit114.html, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 43 Vgl. etwa LT-Drs. 18/4470, S. 3 (Landesregierung) sowie LT-Drs. 18/4417, S. 2 (AfD). Im Gesetzesentwurf LT-Drs. 18/4452 (Bündnis 90/Die Grünen) wird auf S. 3 der Problemfokus primär auf die nachamtliche, missbräuchliche Verwendung von Amtswissen gelegt, wobei die Gefahr des Interessenkonflikts durch Manifestierung eines „Bösen Anscheins“ auf S. 2 a. E. ebenfalls anklingt. 44 Hierzu eingehend im 3. Kapitel. 45 In der mittlerweile parlamentarisch beschlossenen Version der Landesregierung findet sich die Regelung nicht mehr in den Abs. 3 und 4, sondern nur noch in Abs. 3,
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
sowie § 12a Abs. 2 und § 5a Abs. 3 NdsMinG-E). Der Anzeigeverpflichtung folgend war vorgesehen, dass sich die dabei auszusprechende, maximale Untersagungsdauer auf 36 Monate (AfD, vgl. § 5a Abs. 3 S. 1 NdsMinG-E), drei Jahre (Bündnis90/Die Grünen, vgl. § 12a Abs. 2 S. 1 NdsMinG-E) oder 18 Monate (Landesregierung, § 7a Abs. 3 S. 1 NdsMinG-E) belaufen kann. Als zentrale Tatbestandsvoraussetzung einer Untersagung ist jeweils an den Begriff der „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ (Landesregierung und AfD) bzw. der „Beeinträchtigung öffentlicher oder amtlicher Interessen“ (Bündnis 90/Die Grünen) angeknüpft worden. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wurde in allen Entwürfen mit regelbeispielartigen Formulierungen weiter typisiert; abgestellt wurde übereinstimmend auf den Faktor der besonderen Sachnähe zwischen ehemaliger amtlicher und angestrebter nachamtlicher Tätigkeit (vgl. § 7a Abs. 3 S. 2 Nr. 146 sowie § 5a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und § 12a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 NdsMinG-E) bzw. der potenziellen Vertrauensschädigung der Allgemeinheit (vgl. § 7a Abs. 3 S. 2 Nr. 2 sowie § 5a Abs. 3 S. 2 Nr. 2 und § 12a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 NdsMinG-E). Regelungsadressaten der Gesetzesentwürfe waren einheitlich aktuelle und ehemalige Mitglieder der Landesregierung; nach dem Gesetzesentwurf der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen sollte eine Karenzzeit überdies auch auf Abgeordnete ausgeweitet werden (vgl. § 16a NdsAbgG-E). Erst auf Rechtsfolgenseite kristallisiert sich ein wesentlicher Unterschied heraus, der sowohl zwischen den einzelnen Entwürfen als auch im direkten Vergleich zur Bundesregelung bestand: Hatten sich die Landesregierung und die Landtagsfraktion der AfD noch für die Statuierung einer Ermessensvorschrift entschieden („die Landesregierung kann [. . .]“), sah der Entwurf der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen eine gebundene Entscheidung vor: Demnach hätte die Landesregierung die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung für die Zeit der ersten drei Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Amt (zwingend) ganz oder teilweise untersagen müssen, soweit eine Beeinträchtigung öffentlicher oder amtlicher Interessen gedroht hätte. Bei weiterer Betrachtung ist zudem auffällig, dass die Niedersächsische Landesregierung als zuständiges Untersagungsorgan in alleiniger Verantwortung eine Entscheidung bilden, treffen und damit öffentlich vertreten sollte. Die Einbindung eines beratenden Gremiums, wie etwa auf Bundesebene gem. § 6b Abs. 3 i.V. m. § 6c BMinG der Fall, war in keinem der Entwürfe vorgesehen. Bemerkenswert ist darüber hinaus auch, dass nur der Entwurf der Landesregierung für die Zeit der beruflichen Sperre ein Übergangsgeld vorsah (vgl. § 7a Abs. 6
da der Entwurf mit den vorgeschlagenen Änderungen des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen angenommen worden ist. Vgl. hierzu LT-Drs. 18/5290, S. 2. 46 Die Regelbeispiele finden sich nach den Änderungsvorschlägen des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen nunmehr in § 7a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 NdsMinG. Vgl. auch hierzu LT-Drs. 18/5290, S. 2.
B. Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes
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NdsMinG-E). Eine vergleichbare Regelung war weder im Entwurf der Landtagsfraktion der AfD noch im Entwurf der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen enthalten.
B. Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes „An Stelle einer gesetzlichen Regelung wäre grundsätzlich auch die Einführung einer – regelmäßig zu Beginn jeder Legislaturperiode zu erneuernden – Selbstverpflichtung der Bundesregierung denkbar.“ 47
Das vorstehende Zitat aus dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Einführung von Karenzzeitregelungen für ehemalige Mitglieder derselben zeigt, dass bereits der Bundesgesetzgeber eine „Selbstverpflichtung“ als ernsthafte Alternative zu einer einfachgesetzlichen Regelung in Betracht gezogen hat. Damit steht er nicht allein da. Vielmehr handelt es sich bei der angedachten Selbstverpflichtung um ein Regelungskonzept, welches in der nationalen sowie internationalen Staatsrechtspraxis vermehrt genutzt wird, um das nachamtliche Verhalten von Spitzenfunktionären zu steuern. Dies gilt beispielsweise für Richter am Bundesverfassungsgericht oder am Niedersächsischen Staatsgerichtshof sowie für Mitglieder der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank. Auch die Niedersächsische Landesregierung vertraute lange Zeit auf einen entsprechenden Verhaltenskodex.48 Die aufgezeigten Entwicklungen begründen die Notwendigkeit, Selbstverpflichtungen in Form von nachamtlich wirkenden Verhaltenskodizes als ernsthafte Alternative zu einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben in Betracht zu ziehen. Um eine solche Einschätzung an späterer Stelle vornehmen zu können, muss jedoch zunächst die bestehende Anwendungspraxis von Verhaltenskodizes in Politik und Justiz erfasst und zudem die rechtliche Qualität von Verhaltenskodizes sondiert werden.
I. Verhaltenskodizes in der Staatsrechtspraxis von Bund, Ländern und der Europäischen Union 1. Kodex der Richter am Bundesverfassungsgericht Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts haben im November 2017 sog. „Verhaltensleitlinien“ verabschiedet. Nach der den Leitlinien vorangestellten Präambel verpflichten sich sämtliche Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts dazu, sich in ihrem amtlichen und auch nachamtlichen Verhalten entsprechend der erklärten Maßstäbe lenken zu lassen. 47 48
Vgl. BT Drs. 18/4630, S. 8. Vgl. hierzu bereits im 1. Kapitel unter A.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
a) Allgemeine Grundsätze Zur Umsetzung dieser Bekundung sind den konkreten Verhaltensbestimmungen zunächst einige allgemeine Grundsätze vorangestellt worden. Nach dem dort aufgeführten Ordnungspunkt I. 1. verpflichten sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts dazu, sich innerhalb und außerhalb ihres Amtes so zu verhalten, dass das Ansehen des Gerichts, die Würde des Amtes und das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Integrität nicht beeinträchtigt werden. Auffällig ist hier bereits, dass sich die Selbstverpflichtung auch auf den nachamtlichen Bereich bezieht. Dies lässt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut schlussfolgern, der letztlich nur – wie im Übrigen auch die Statusregelung in § 3 Abs. 4 BVerfGG – von den Wirksphären „innerhalb“ und „außerhalb“ des Amtes spricht. Allerdings streiten systematische Erwägungen für die Ausweitung auf den nachamtlichen Bereich. So werden die „Allgemeinen Grundsätze“ unter I. letztlich durch den Ordnungspunkt „Verhalten nach Ende der Amtszeit“ unter III. konkretisiert. Insoweit wird deutlich, dass nicht nur der amtsbegleitende, außeramtliche Bereich erfasst werden soll, sondern auch der nachamtliche. Somit weichen die Leitlinien ausdrücklich von der gesetzlichen Konzeption der Statusregelung in § 3 Abs. 4 BVerfGG ab. Wie noch an späterer Stelle herausgearbeitet wird,49 erstreckt sich diese nämlich nur auf den amtsbegleitenden und nicht auf den nachamtlichen Bereich. Hiervon abgesehen ist der Ordnungspunkt I. 1. bestimmt von Begrifflichkeiten, die die anscheinsbedingte Regelungsnatur der Selbstverpflichtung deutlich machen und damit zumindest von der Ratio nahtlos an die bestehenden einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben anknüpfen: So soll erreicht werden, dass das „Ansehen des Gerichts“, die „Würde des Amtes“ sowie das „Vertrauen in die Integrität“ nicht beeinträchtigt werden. Es handelt sich bei diesen Regulierungszielen um eben diese Aspekte des „Bösen Anscheins“, die im Falle ihres Eintritts letztlich den „Drehtüreffekt“ abbilden.50 b) Konkretisierungen für den nachamtlichen Bereich Um die allgemeinen Grundsätze zu konkretisieren, finden sich in den Ordnungspunkten III. 13.–15. ausführliche Bestimmungen dazu, nach welcher Maßgabe das nachamtliche Verhalten zu strukturieren ist. In Punkt III. 13. ist diesbezüglich zunächst festgelegt, dass sich die ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht „zurückhaltend und diskret“ zu verhalten haben. Punkt III. 14. S. 2 schärft diese Verpflichtung zur nachamtlichen Zurückhaltung weiter aus und bestimmt, dass die Adressaten der Leitlinien in bestimmten Rechtssachen keine Gutachten erstatten, keine Anwalts- oder Beistandsver49 50
Vgl. zu § 3 Abs. 4 BVerfGG im 3. Kapitel unter C. II. 5. b) cc) (2). Hierzu eingehend im 3. Kapitel.
B. Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes
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pflichtungen übernehmen und auch nicht vor Gericht auftreten dürfen. Es handelt sich dabei um Rechtssachen, die eine sachliche Nähe zur (ehemaligen) richterlichen Tätigkeit am Bundesverfassungsgericht aufweisen: Dies ist nach Punkt III. 14. S. 1 dann der Fall, wenn die Rechtssache während der Amtszeit des (ehemaligen) Bundesverfassungsrichters beim Bundesverfassungsgericht anhängig war oder in einem unmittelbarem Zusammenhang mit einer solchen steht. Auffällig ist, dass sich der Regelungsgehalt von Punkt III. 14. nicht etwa auf einen festgelegten Zeitraum beschränkt, sondern vielmehr unbegrenzt für die komplette nachamtliche Zeit des ehemaligen Verfassungsrichters wirken soll. Es handelt sich damit – genau gesprochen – auch nicht um eine vorübergehende Karenz, sondern um eine (dauerhafte) nachamtliche Inkompatibilität. Eine weitere konkrete Vorgabe für das nachamtliche, (privat-)wirtschaftliche und rechtliche Tätigwerden wird zudem mit Punkt III. 15. getroffen. Demnach übernehmen die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Sachgebieten ihres Dezernats in dem ersten Jahr nach ihrem Ausscheiden keine Beratungstätigkeit, erstatten keine Gutachten51 und treten nicht vor Gericht auf (S. 1). Zudem werden sie dazu angehalten, zu vermeiden, dass der Eindruck einer unangemessenen Verwertung internen Wissens entsteht (S. 3). Mit III. 15. S. 3 wird erneut die anscheinsbedingte Regelungsnatur der Vorgabe deutlich gemacht (vgl. Wortlaut „Eindruck“). Ordnungspunkt III. 15. ist inhaltlich vergleichbar mit III. 14. konzipiert. Übereinstimmend ist insbesondere die Erwägung, dass besondere Sachnähe zu gewissen Vorgängen während der Amtszeit eine Sperrwirkung gegenüber nachamtlichen Tätigkeiten in diesen Bereichen entfalten soll. Ordnungspunkt III. 15. erfasst jedoch – im Gegensatz zu III. 14. – ausdrücklich auch „Beratungstätigkeiten“ und sperrt damit nicht nur das rechtsgutachterliche bzw. rechtliche, sondern vielmehr auch das strategisch-wirtschaftliche Tätigwerden. Wie Ordnungspunkt III. 15. S. 1 deutlich macht, erstreckt sich die Sperre für ein nachamtliches Tätigwerden in Dezernatsangelegenheiten auf einen Zeitraum von einem Jahr. Es handelt sich damit – im Gegensatz zur Regelung aus III. 14. – um eine „echte“ Karenzzeit. Hieran knüpft sich ein weiterer Punkt an, der Beachtung verdient. Nach der Gesamtkonzeption der Ordnungspunkte III. 14. und 15. ist eine nachamtliche „Beratungstätigkeit“ tatsächlich nur in Angelegenheiten ausgeschlossen, die vorher am Dezernat des jeweiligen Richters anhängig waren. Nicht ausgeschlossen ist hingegen eine nachamtliche Beratungstätigkeit in Angelegenheiten, die zwar 51 Die gutachterliche Tätigkeit ist damit sogar „doppelt“ gesperrt – nämlich nach Punkt III. 14. S. 1 und 2 dauerhaft in Angelegenheiten, die während der eigenen Amtszeit am Bundesverfassungsgericht per se anhängig waren, und zudem gem. Punkt III. 15. S. 1 in sämtlichen Dezernatsangelegenheiten für ein Jahr. Punkt III. 14. hat insoweit Auffangcharakter.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
nicht am Dezernat des jeweiligen Verfassungsrichters, aber durchaus am Bundesverfassungsgericht per se anhängig waren. Was genau mit einer solchen „Beratungstätigkeit“ gemeint ist, bleibt offen. Allerdings ergibt sich in Abgrenzung zu den anderen gesperrten Tätigkeiten (Verfassen von Gutachten, Anwalts- oder Beistandsverpflichtungen, Auftreten vor Gericht), dass eher die strategisch-wirtschaftliche und weniger die rechtliche Beratung gemeint sein wird. Nicht enthalten in den Konkretisierungen in Punkt III. 13.–15. sind Regelungen zum zuständigen Untersagungsgremium, dem Anzeige- und Untersagungsverfahren, einem Übergangs- bzw. Ausgleichsgeld oder der Veröffentlichung einer getroffenen Entscheidung. Dies ist mit Blick auf die Regelungsnatur der Verhaltensleitlinien als Selbstverpflichtung jedoch auch nachvollziehbar. Sinn und Zweck dieses Regelungsansatzes ist es schließlich, dass sich betroffene Verfassungsrichter selbst als „conflicted“ identifizieren und entsprechend regulieren. Ein externes Untersagungsverfahren mit Ausgleichszahlung und Entscheidungsveröffentlichung findet demnach gar nicht statt. 2. Kodex der Richter am Niedersächsischen Staatsgerichtshof Auch auf Landesebene ist für die obersten Hüter der Niedersächsischen Verfassung eine (nachamtliche) Selbstverpflichtung eingeführt worden. So haben die Richter des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs in Bückeburg zwar keine eigenen Regeln aufgestellt, jedoch beschlossen, die Verhaltensleitlinien für die Richter am Bundesverfassungsgericht entsprechend anzuwenden.52 Von diesem Schritt geht ebenfalls eine deutliche Signalwirkung aus – denn die Landesverfassungsrichter stufen hiermit den „Drehtüreffekt“ ebenfalls als Gefahr für die Integrität justizieller Spitzenposition auf Landesebene ein. 3. Bundesland Niedersachsen: Verhaltenskodex für Landesregierungsmitglieder Um den Bogen von der Justiz in die Politik zu spannen, bietet sich erneut ein – wenn man so will rechtshistorischer – Blick auf den exekutiven Spitzenbereich in Niedersachsen an. Denn das Bundesland nahm mehrere Jahre eine bemerkenswerte Sonderstellung ein: Hier ist auf Regierungsebene am 1. Februar 2005 eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ beschlossen worden, die besagte, dass Regierungsmitglieder nach dem Ausscheiden aus dem Amt für einen Zeitraum von sechs Monaten keine Tätigkeiten bei einem Beratungsunternehmen aufnehmen dürfen, mit dem sie während ihrer Amtszeit in engem fachlichen Kontakt standen.53 Die Selbstverpflichtung wurde dabei weder positiviert noch veröffentlicht; 52 Anfrage vom 5.12.2019 bei Herrn Univ.-Prof. Dr. Butzer, Richter am Niedersächsischen Staatsgerichtshof. 53 LT-Drs. 18/4470, S. 3.
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vielmehr beruhte sie rechtstechnisch auf einem nicht-öffentlichen Kabinettsbeschluss.54 Inzwischen ist sie, wie bereits erwähnt, durch eine einfachgesetzliche Karenzzeitvorgabe abgelöst worden, was jedoch ihren rechtswissenschaftlichen Untersuchungsbedarf nicht zu mindern vermag: Konzeptionell reiht sich die frühere Selbstverpflichtung – die genauso gut als Verhaltenskodex bezeichnet werden kann – in die Systematik der übrigen einfach- und untergesetzlichen Regelungen ein. Auch hier ist das Kriterium der besonderen Sachnähe („[. . .] in engem fachlichem Kontakt standen.“) als maßgeblich betrachtet und zudem als Gradmesser für eine Regulierungsnotwendigkeit im Einzelfall genutzt worden. Auffällig war die Selbstverpflichtung allerdings dennoch in mehrfacher Hinsicht. So wies sie, gerade im Vergleich zu den Verhaltensleitlinien des Bundesverfassungsgerichts, eine deutlich geringere Regelungsdichte auf. Konkret sollten nur Tätigkeiten bei „Beratungsunternehmen“ der Karenzzeitsperre unterfallen. Der Begriff kann zwar im Wege der extensiven Auslegung auf wirtschaftliche und rechtliche Beratung sowie Lobbyarbeit ausgedehnt werden, dennoch bleibt seine tatsächliche Reichweite unklar. Insbesondere Wechsel in Spitzenpositionen in nicht-beratend tätige Wirtschaftsunternehmen wurden damit offenbar nicht erfasst. Diese bringen jedoch de facto ein ebenso großes Konfliktpotenzial mit sich wie Wechsel in (reine) Beratungsunternehmen. Der dementsprechend defizitäre Regelungsumfang ist allerdings auch vom Landesgesetzgeber erkannt und als (Mit-)Auslöser für die Notwendigkeit einer umfassenderen, einfachgesetzlichen Regelung eingestuft worden.55 Abgesehen hiervon ist auch nicht ausdrücklich zwischen ressort- bzw. dezernatsgebundener Sachnähe und nicht-ressort- bzw. dezernatsgebundener Sachnähe differenziert worden, wie etwa für die Richter am Bundesverfassungsgericht in Punkt III. 14 und 15. der Leitlinien. Diese fehlende Abstufung konnte jedoch an anderer Stelle wettgemacht werden: Die Sperre sollte nur für solche Arbeitgeber greifen, mit denen das ehemalige Regierungsmitglied in einem „engen fachlichen Kontakt“ stand. Ein solcher wird schlichtweg nur ressortgebunden zu bejahen gewesen sein, sodass eine Ausdifferenzierung „durch die Hintertür“ durchaus anzunehmen ist. Darüber hinaus ist beachtlich, dass die eigentliche Karenzzeitdauer mit sechs Monaten durchaus knapp bemessen gewesen ist. Bei rechtsvergleichender Betrachtung belief sie sich nur auf die Hälfte der in den Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts in Punkt III. 15. angesetzten Karenzzeit. Noch deutlicher wird diese Diskrepanz, wenn man auf die einfachgesetzlichen Karenzzeiträume blickt, die nun zur parlamentarischen Abstimmung gestellt worden sind: Diese variieren 54 55
Anfrage bei der Niedersächsischen Staatskanzlei vom 13.2.2019. LT-Drs. 18/4470, S. 3.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
zwischen maximal 18 Monaten und 36 Monaten bzw. drei Jahren und übersteigen damit den Sperrzeitraum der Selbstverpflichtung um ein Vielfaches. 4. Selbstregulierungsmechanismen auf europäischer Ebene Spätestens seit der Debatte um Martin Bangemann56 hat auch auf europäischer Ebene das Problem nachamtlicher Seitenwechsel von der (Spitzen)-Politik in die Wirtschaft erheblich an Bedeutung gewonnen. Eine mit der auf Bundes- oder Länderebene vergleichbare „Regulierungswelle“ hat seitdem zwar nicht eingesetzt, allerdings sind durchaus einige Regelwerke verabschiedet bzw. beschlossen worden, die das Phänomen „Drehtüreffekt“ auch auf europäischer Ebene eindämmen sollen. Diese werden nachfolgend selektiv dargestellt: Hervorzuheben ist hier insbesondere der Verhaltenskodex für Mitglieder der Europäischen Kommission sowie der Ethik-Rahmen der Europäischen Zentralbank. Daneben finden sich in Art. 11, 12 und insbesondere Art. 16 der sog. „Staff Regulations“ 57 ebenfalls nachamtliche Verhaltensbestimmungen und Karenzzeitvorgaben für Beamte der Europäischen Union; diese werden jedoch mit Blick auf die Ausrichtung dieser Arbeit auf Spitzenpolitiker ausgeklammert. a) Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission aa) Historie und primärrechtliche Einbettung Um die primärrechtliche Verankerung sowie Genese des zu untersuchenden Verhaltenskodex für Mitglieder der Kommission zu erläutern, bietet sich einleitend die rechtshistorische Betrachtung eines äußerst bekannten Präzedenzfalls in diesem Bereich an. Im Jahr 1999 beantragte der für (De-)Regulierung der Telekommunikationsmärkte zuständige Industrie-Kommissar Martin Bangemann eigens sein Ausscheiden aus dem Amt und wechselte daraufhin unmittelbar zum spanischen Telefonica-Konzern in die Privatwirtschaft. Die öffentliche Empörung war groß; die Frage nach der ethisch-moralischen Vertretbarkeit derartiger Seitenwechsel wurde laut.58 An der Causa Bangemann zeigte sich erstmals realpolitisch, dass der „Drehtüreffekt“ auch auf europäischer Ebene ungebrochen Wirkung entfalten kann. 56
Zu den genauen Zusammenhängen siehe im nachfolgenden Abschnitt. Es handelt sich um die Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 423/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014. 58 Vgl. zum Sachverhalt Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24.4.2015, online abrufbar unter der URL https://www.sueddeutsche.de/politik/karriere-nach-der-politikanleitung-zum-seitenwechsel-1.2449498, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 57
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Nach heutiger rechtssoziologischer Erkenntnislage ist dies nur kohärent. So lässt sich Bambergers59 Kategorisierung des „optimalen Wechselkandidats“ europäisch abstrahiert ohne Weiteres auch auf ehemalige Kommissionmitglieder übertragen. Auch diese haben als Mitglied der „europäischen Regierung“ eine herausragende Machtposition mit weitreichenden administrativen Kompetenzen inne. Ähnlich wie auf nationaler Ebene sind damit intransparent gestaltete sowie zeitlich und sachlich mit der amtlichen Tätigkeit in Verbindung zu bringende Seitenwechsel dazu geeignet, einen entsprechenden „Bösen Anschein“ und somit den „Drehtüreffekt“ zu befördern. Bangemanns Wechsel offenbarte jedoch nicht nur die Mechanismen des „Drehtüreffekts“ auf europäischer Ebene, sondern zugleich auch ein Regelungsvakuum in diesem Bereich. Dies zeigt sich, wenn man die primärrechtliche Einbettung des nachfolgend noch näher zu untersuchenden Verhaltenskodex betrachtet. Hierbei handelt es sich nämlich um eine Konkretisierung der primärrechtlichen Regelung aus Art. 245 Abs. 2 S. 2 AEUV.60 Demnach übernehmen die Kommissionsmitglieder die Verpflichtung, während der Ausübung und vor allem nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit, die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfüllen. Hiervon umfasst ist insbesondere die Pflicht, bei der Annahme gewisser Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf dieser Tätigkeit „ehrenhaft und zurückhaltend“ zu sein. Die genannten primärrechtlichen Vorgaben zur nachamtlichen Verhaltensausrichtung sind und waren dementsprechend auch schon 1999 offenkundig durch einen überaus hohen Abstraktionsgrad geprägt und können bzw. konnten auch im Wege der Auslegung nur unzureichend ergründet werden.61 Schnell zeichnete sich daher ab, dass die vorhandenen Mechanismen im damaligen Art. 213 Abs. 2 EGV (heute Art. 245 Abs. 2 AEUV) zur Regulierung bei weitem nicht ausreichen, geschweige denn überhaupt greifen würden.62 Den betroffenen Organen – im Falle Bangemanns also der Europäischen Kommission – fehlte es an rechtlicher Handhabe. Dies führte in letzter Konsequenz sogar dazu, dass trotz eines 59 Vgl. hierzu Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 51. 60 Beschluss der Kommission vom 31.1.2018 (2018/C 65/06), S. 1 Erwägungsgrund 5 sowie auch Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 379. 61 Vgl. hierzu Kurth, Der Fall Bangemann – ein möglicher Präzedenzfall für Art. 213 II EGV?, ZRP 2000, 251, der darauf verweist, dass die Begriffe „ehrenhaft“ und „zurückhaltend“ gerade auf Grundlage der divergierenden Wertvorstellungen von 15 (bzw. mittlerweile sogar 27) Mitgliedstaaten faktisch unmöglich einheitlich ausgelegt werden können. 62 Vgl. hierzu ausführlich (erneut) Kurth, Der Fall Bangemann – ein möglicher Präzedenzfall für Art. 213 II EGV?, ZRP 2000, 251–252 sowie Hummer/Obwexer, Der „Fall Bangemann“. Amtspflichten der Kommissionsmitglieder: Inhalt, Umfang und Sanktionierung, Europablätter 1999, 119 ff.
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entsprechenden Beschlusses des Europäischen Rates63 nie die gerichtliche Probe aufs Exempel vor dem EuGH stattfand – vielmehr einigte man sich zuvor vergleichsweise mit Bangemann und nahm die erhobene Klage zurück.64 Insgesamt bestanden also auf höchster europäischer Ebene erhebliche Zweifel an der primärrechtlichen Justiziabilität derartiger Wechsel, die die vorstehende ex-post Einschätzung insoweit stützen. Als Reaktion auf das erstmals wirklich relevant gewordene Regelungsvakuum im Bereich nachamtlicher Tätigkeiten von Kommissionsmitgliedern wurde der nun zu untersuchende Verhaltenskodex geschaffen.65 Da die Selbstverpflichtung letztlich jedoch auf die Vorschrift des Art. 245 Abs. 2 S. 2 AEUV zurückzuführen ist, kann bzw. muss bei Auslegung dieser stets auf die primärrechtlich verankerte „Grundregel“ rekurriert werden. Insoweit bilden auch nicht nur der Verhaltenskodex, sondern genauer gesagt Art. 245 Abs. 2 S. 2 AEUV i.V. m. dem Verhaltenskodex den rechtlichen Rahmen für nachamtliche Wechsel von unionalen Spitzenpolitikern der Kommission. bb) Einzelheiten Der Verhaltenskodex für Mitglieder der Europäischen Kommission (oder auch „Code of Conduct for the Members of the European Commission“) beruht in seiner neuesten Fassung auf einem Beschluss der Kommission vom 31. Januar 2018.66 Der Kodex gilt nach Art. 1 für die aktuellen und ehemaligen Mitglieder der Kommission sowie für die für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission vorgeschlagene Person und auch für designierte Kommissionsmitglieder. Nach der Festlegung einiger allgemeiner Grundsätze in Art. 2 finden sich in Art. 11 konkrete Vorgaben für das nachamtliche Verhalten von ehemaligen Kommissionsmitgliedern. Hier bestimmt zunächst Art. 11 Abs. 1 des Verhaltenskodex im Wege der einfachen Klarstellung, dass die Kommissionsmitglieder auch nach Ablauf ihrer Amtszeit weiterhin an ihre Pflicht zur Integrität und Diskretion nach Artikel 245 AEUV gebunden sind. Daraufhin folgt in Art. 11 Abs. 2 eine Anzeige bzw. Mitteilungsverpflichtung, die sich auf einen Zeitraum von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aus der amtlichen Stellung beschränkt: Demnach werden (ehemalige) Kommissionsmitglieder dazu verpflichtet, zwei Monate vor Aufnahme einer 63
Beschluss des Rates vom 9.7.1999, ABlEG Nr. L 192, S. 55. von Kyaw, Auf der Suche nach Deutschland – Erlebnisse und Begegnungen eines deutschen Diplomaten und Europäers, S. 462. 65 Ähnlich Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 430 m.w. N. 66 Beschluss der Kommission vom 31.1.2018 über einen Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission, 2018/C 65/06. 64
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nachamtlichen, beruflichen Tätigkeit Mitteilung an die Kommission zu machen. Ebenfalls in Abs. 2 wird der Begriff der „beruflichen Tätigkeit“ negativ abgegrenzt; danach werden unbezahlte Berufe nicht erfasst, die keinerlei Bezug zur Kommission haben und nicht als Lobby- oder Interessenvertretungstätigkeiten zu bewerten sind. Nach Art. 11 Abs. 3 des Verhaltenskodex prüft die Kommission nach erfolgter Mitteilung, ob die angestrebte Tätigkeit mit Art. 245 AEUV vereinbar ist. Steht die geplante Berufstätigkeit dabei mit dem Ressort des ehemaligen Mitglieds in Verbindung, entscheidet sie erst nach Konsultation eines unabhängigen Ethikausschusses.67 Diese Entscheidung ist nach Art. 11 Abs. 7 des Verhaltenskodex zu veröffentlichen. Auffällig ist, dass der Kommission in Art. 11 Abs. 3 des Verhaltenskodex keine direkte Untersagungskompetenz eingeräumt wird. Vielmehr beschränkt sich die Vorschrift auf eine Vereinbarkeitsprüfung. Allerdings ginge mit der Aufnahme einer (festgestellt) unvereinbaren Tätigkeit ein Pflichtverstoß gegen Art. 245 AEUV einher, sodass zumindest ein faktisches bzw. mittelbares Tätigkeitsverbot vorliegt: In diesem Fall könnten nach Art. 245 Abs. 2 S. 3 AEUV Ruhegehaltsansprüche oder andere an ihrer Stelle gewährte Vergünstigungen aberkannt werden.68 Dies wird im Zweifel die beabsichtigte Aufnahme einer unvereinbaren Tätigkeit hemmen. Unabhängig hiervon bestimmt Art. 11 Abs. 4 des Verhaltenskodex, dass ehemalige Mitglieder der Kommission sich gegenüber Mitgliedern der Kommission und ihren Mitarbeitern zwei Jahre lang nach dem Ende ihrer Amtszeit jeglicher Vertretung von eigenen geschäftlichen Interessen oder Interessen ihrer Arbeitgeber oder Kunden in Angelegenheiten, die in ihr ehemaliges Ressort fallen, enthalten müssen. Ähnlich wie in Abs. 3 sowie in den gesetzlichen Karenzzeitvorgaben auf Bundes- und Länderebene und den Verhaltensleitlinien des Bundesverfassungsgerichts wird also auch hier dem Kriterium der Sachnähe – in Form der Ressortangebundenheit – eine besondere Relevanz zugestanden. Abschließend werden die Fristen aus Art. 11 Abs. 2 und Abs. 4 des Verhaltenskodex gem. Art. 11 Abs. 5 desselben für ehemalige Kommissionspräsidenten auf drei Jahre (statt nur zwei) ausgeweitet. Dies ist mit der exponierten Stellung des Kommissionspräsidenten leicht zu erklären. Ferner legt Art. 11 Abs. 6 des Verhaltenskodex fest, dass die Pflichten aus den Abs. 2 und Abs. 4 nicht gelten, wenn ein öffentliches Amt übernommen wird; hier drohe kein Interessenkonflikt.
67 Vgl. zur Gründung, Zusammensetzung und Kompetenzen des Ethikausschusses Art. 12 des Verhaltenskodex. 68 So auch Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 380.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
b) Verhaltenskodex für hochrangige Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank Auch die Europäische Zentralbank hat sich als Organ der Europäischen Union (vgl. Art. 282 ff. AEUV) einen Ethik-Rahmen in Form eines Verhaltenskodex69 gegeben, in welchem bestimmte „Cooling-off“ Zeiten für hochrangige Mitarbeiter vorgesehen sind. Der Verhaltenskodex gilt gem. Art. 1 Abs. 1.1 primär für die Mitglieder des Rates der Europäischen Zentralbank und für die Mitglieder des Aufsichtsgremiums im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Funktionen als Mitglieder eines hochrangigen Gremiums der Europäischen Zentralbank sowie nach Art. 1 Abs. 1.2 auch für ihre Vertreter. Art. 17 trifft für diese Adressaten bestimmte Vorgaben für die Zeit nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. So ist in Art. 17 Abs. 17.1 S. 1 zunächst die Verpflichtung enthalten, den Präsidenten oder den Vorsitzenden des betreffenden hochrangigen Gremiums der Europäischen Zentralbank und den Ethikausschuss schriftlich zu informieren, falls sie beabsichtigen, innerhalb eines Zweijahreszeitraums nach Beendigung ihrer Amtszeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In Art. 17 Abs. 17.1 S. 2 des Verhaltenskodex sind daraufhin katalogartig Erwerbstätigkeiten aufgeführt, die erst nach Wahrung einer bestimmten Karenzzeit aufgenommen werden dürfen. Hierunter fallen nach lit. c u. a. Tätigkeiten bei einer Einrichtung, die Lobbyarbeit gegenüber der Europäischen Zentralbank betreibt oder Beratungs- und/oder anwaltliche Leistungen gegenüber der Europäischen Zentralbank erbringt: In diesen Fällen ist eine berufliche Tätigkeit erst nach Ablauf von sechs Monaten nach dem Ausscheiden aus der amtlichen Stellung erlaubt. In Art. 17 Abs. 17.2 des Verhaltenskodex wird dieses Regelungssystem auch für Vertreter i. S. d. Art. 1 Abs. 1.2 übernommen, wobei hier die zeitlichen Schranken leicht abgeschwächt worden sind. Die Sperrzeit im vorgenannten Anwendungsbeispiel beträgt hier nur drei statt sechs Monate. Eine in diesem Zusammenhang bedeutende und besonders beachtliche Vorgabe wird in Art. 17 Abs. 17.3 i.V. m. 17.6 getroffen. Demnach haben Mitglieder und Stellvertreter beim Ethikausschuss eine Stellungnahme zu den „Coolingoff“-Zeiten zu beantragen, mit der sich der Ethikausschuss – je nach Lage des Einzelfalles – für eine Erweiterung, Verkürzung oder sogar Verzicht der in 17.1 und 17.2 festgelegten Karenzzeit aussprechen kann. Nach 17.6 wird die vom Ethikausschuss abgegebene Stellungnahme dem Rat der Europäischen Zentralbank vorgelegt, welcher dann eine Empfehlung gegenüber der entsprechenden national zuständigen Behörde oder der entsprechenden nationalen Zentralbank ausspricht. Die Karenzzeit ist also nicht „starr“, sondern kann im Einzelfall an die Schwere des drohenden Interessenkonflikts durch ein Zusammenspiel mehre69 Es handelt sich um den „Verhaltenskodex für hochrangige Funktionsträger der Europäischen Zentralbank“, 2019/C 89/03, veröffentlicht am 8.3.2019 im Amtsblatt der Europäischen Union.
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rer Organe – und damit möglichst objektiv – angepasst werden. Dabei obliegt die Ermessensausübung allerdings nicht auch dem Untersagungsgremium, sondern vielmehr dem Ethikausschuss. Der Verhaltenskodex sieht abgesehen hiervon auch eine Entschädigung vor. So legt Art. 17 Abs. 17.4 S. 1 fest, dass Mitglieder und Stellvertreter unbeschadet anwendbarer nationaler Vorschriften vom Ende der Amtszeit bei ihrer Institution bis zum Ablauf der „Cooling-off“-Zeit einen angemessenen Ausgleich von ihren jeweiligen Arbeitgeber-Institutionen erhalten. Abs. 17.4 S. 3 bestimmt, dass Mitglieder und Stellvertreter eine Stellungnahme zur angemessenen Höhe des Ausgleichs in Bezug auf „Cooling-off“-Zeiten vom Ethikausschuss anfordern können. Diese wird dann – wiederum nach Abs. 17.6 – entsprechend berücksichtigt. Auch Sanktionsregelungen sind im Verhaltenskodex enthalten. In Art. 18 ist für den Fall der Nichteinhaltung zunächst ein moralischer Appell (in Form eines persönlichen Gesprächs) vorgesehen. Sollte dieser nicht die gewünschte Wirkung entfalten, bringt der Ethikausschuss die Angelegenheit vor den Rat der Europäischen Zentralbank. Auf Anraten des Ethikausschusses und nach Anhörung der betroffenen Person kann der Rat dann beschließen, eine Rüge zu erteilen, die er erforderlichenfalls auch veröffentlichen kann.
II. Rechtliche Qualität von Verhaltenskodizes? Um Verhaltenskodizes bzw. Selbstverpflichtungen als taugliche Alternativen zu gesetzlichen Regelungen an späterer Stelle in Betracht zu ziehen, ist ferner das Verständnis darüber unabdingbar, welche rechtliche Qualität diese überhaupt aufweisen. Diese Einordnung lässt sich jedoch nicht pauschal gestalten. Auch wenn zumindest begrifflich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene mehr oder weniger einheitlich von „Verhaltenskodizes“ oder „Verhaltensleitlinien“ gesprochen wird, fußen diese doch auf unterschiedlichen rechtlichen Ansätzen. Grob soll daher zunächst zwischen nationalen und internationalen Verhaltenskodizes unterteilt werden. 1. Rechtliche Qualität von nationalen Selbstregulierungen Zur Sondierung der rechtlichen Qualität nationaler Verhaltenskodizes – hier insbesondere der Regelungen der Niedersächsischen Landesregierung und des Bundesverfassungsgerichts – bietet sich einleitend eine weitere Unterteilung an. Die Regelwerke sind nämlich einerseits von einer Landesregierung als oberstes Exekutivorgan eines Landes und andererseits vom Bundesverfassungsgericht als Verfassungsorgan erlassen worden, sodass eine einheitliche Beurteilung nicht möglich ist.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
a) Verhaltenskodex der Niedersächsischen Landesregierung Es stellt sich damit zunächst die Frage, welche rechtliche Qualität der Verhaltenskodex der Niedersächsischen Landesregierung aufwies. Hierbei soll die Rechtsqualität nur am Beispiel des vorgenannten Kodex erläutert werden; die Erwägungen können selbstverständlich auf alle Formen gubernativer Selbstverpflichtungen übertragen werden. aa) Verhaltenskodex als Kabinettsbeschluss? Offiziell beruhte die Selbstverpflichtung der Landesregierung auf einem nichtöffentlichen Kabinettsbeschluss.70 Untersuchungsbedürftig ist jedoch, ob die Landesregierung überhaupt die hinreichende Kompetenz hatte, um eine statusrechtliche Selbstverpflichtung in Form eines Kabinettsbeschlusses zu treffen. Die rechtliche Grundlage für einen entsprechenden Beschluss könnte zunächst in Art. 37 Abs. 2 i.V. m. Art. 39 Abs. 2 NV, § 12 GGO-Nds zu sehen sein.71 In Art. 37 Abs. 2 NV findet sich eine Aufzählung über bestimmte Angelegenheiten, über die im Wege des Kabinettsbeschlusses entschieden wird. Diese Aufzählung ist nur prima facie enumerativ ausgestaltet, da Art. 37 Abs. 2 Nr. 1 NV der Landesregierung eine weitergehende Beschlussfassungskompetenz in allen „gesetzlich zugewiesenen“ Fällen zuschreibt.72 In Art. 39 Abs. 2 NV ist die Art und Weise der Beschlussfassung geregelt und in § 12 GGO-Nds einfachgesetzlich konkretisiert. Bei der Beschlussfassung über einen Verhaltenskodex für das nachamtliche Tätigwerden handelt es sich zunächst offensichtlich nicht um einen Beschluss i. S. v. Art. 37 Abs. 2 Nr. 5 bzw. 6 NV. Demnach beschließt die Landesregierung sowohl über Gesetzesentwürfe, die in den Landtag eingebracht werden sollen (Nr. 5), als auch über Verordnungen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (Nr. 6). Bei dem Verhaltenskodex, der das nachamtliche Tätigwerden steuern soll, handelte es sich zum einen nicht um einen Gesetzesentwurf, über den noch im Landtag abgestimmt werden sollte. Vielmehr entfaltete der Verhaltenskodex bereits mit Beschlussfassung auf Regierungsebene Wirksamkeit. Zum anderen kam dem Kodex auch keine Rechtsnormqualität zu – denn eine Rechtsnorm wirkt abstrakt-generell,73 der Verhaltenskodex jedoch abstrakt-individuell. Er war auf die Personen der ehemaligen und aktuellen Regierungsmitglieder beschränkt. Ähnliche Erwägungen streiten gegen die Kategorisierung des Beschlusses als Ka70
Anfrage bei der Niedersächsischen Staatskanzlei vom 13.2.2019. Für die Bundesregierung finden sich entsprechende Regelungen in Art. 65 GG i.V. m. § 15 GOBReG. 72 Epping, in: Epping/Butzer/Brosius-Gersdorf/Haltern/Mehde/Waechter (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, Art. 37 Rn. 25. 73 BVerwG, Urt. v. 4.7.2002 – 2 C 13/01, NVwZ 2002, 1505, 1506. 71
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binettsbeschluss über eine Rechtsverordnung i. S. d. Art. 37 Abs. 2 Nr. 6 NV. Der Kabinettsbeschluss als Grundlage des Verhaltenskodex genügt insoweit schon nicht den Anforderungen des Art. 43 Abs. 1 NV. Es fehlt bereits an einer Ermächtigungsgrundlage in Form eines formellen Gesetzes. Zudem entspricht die Rechtsnatur eines Verhaltenskodex aufgrund seines abstrakt-individuellen Charakters nicht der einer Rechtsverordnung, wie oben dargelegt. Auch eine Beschlussfassung nach Art. 37 Abs. 2 Nr. 4 NV erscheint des Weiteren abwegig: Demnach beschließt die Landesregierung über Fragen, die mehrere Geschäftsbereiche berühren, wenn die beteiligten Mitglieder der Landesregierung sich nicht verständigen. Art. 37 Abs. 2 Nr. 4 NV bezieht sich dabei auf extern ressortübergreifende Fragen, die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ministern hervorrufen und nicht bereits durch die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten entschieden worden sind.74 Die nachamtliche Statusregelung ehemaliger Regierungsmitglieder kann jedoch nicht als extern ressortübergreifende Angelegenheit kategorisiert werden. Vielmehr handelt es sich um eine interne Organisations- bzw. Dienstregelung. Dementsprechend erscheint auch die Kategorisierung als Beschluss i. S. d. Art. 37 Abs. 2 Nr. 4 NV nicht unbedingt passgenau. Allerdings könnte die Entscheidung über den Verhaltenskodex als Beschlussfassung gem. Art. 37 Abs. 2 Nr. 1 NV eingeordnet werden. Demzufolge beschließt die Landesregierung auch über alle Angelegenheiten, die ihr gesetzlich übertragen sind. Ein gesetzlicher Kompetenztitel zugunsten der Landesregierung zur Regelung der (nachamtlichen) Rechtsstellung von Regierungsmitgliedern könnte in Art. 38 Abs. 1 NV zu sehen sein. Hier ist bestimmt, dass die Landesregierung über die Organisation der öffentlichen Verwaltung im Wege des Beschlusses entscheidet, soweit nicht Gesetze die Organisation regeln. Der Begriff der „öffentlichen Verwaltung“ meint dabei grundsätzlich jedes öffentliche Verwaltungshandeln – allerdings unter Ausschluss der Regierungsgewalt.75 Von der vorstehenden Begrifflichkeit sind regelmäßig nur Administrativtätigkeiten umfasst, sprich der Bereich der gesetzesausführenden- bzw. gesetzesvollziehenden Verwaltung. Hiervon zu trennen sind Gubernativtätigkeiten, also die politisch-staatslenkende Verwaltung.76 Diese Auslegung ergibt sich auch bereits aus dem Wortlaut; denn „Regierung“ meint letztlich die politisch bestimmte Leitung der Verwaltung.77 Dementsprechend ermöglicht es der Kompetenztitel 74 So etwa entsprechend für die grundgesetzliche Bestimmung Hermes, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 65 Rn. 35. 75 Weber, in: Creifelds, Rechtswörterbuch. 76 Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 1 Rn. 37 f. 77 Ronellenfitsch, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 1 Rn. 17 ff. Demnach lässt sich das Wort „Regierung“ auf das lateinische Verb „regere“ zurückführen, für das „guberare“ gleichbedeutend genutzt worden ist. Beide Verben bezogen sich auf
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
aus Art. 38 Abs. 1 NV der Landesregierung auch nur, die Organisation nachgeordneter Verwaltungsstellen im Wege der Beschlussfassung zu bestimmen.78 Die Festlegung der eigenen Organisation, bzw. genauer die Festlegung statusrechtlicher Bestimmungen für eigene Regierungsmitglieder, ist hiervon sinnlogisch nicht umfasst. Ein weiterer gesetzlicher Kompetenztitel i. S. d. Art. 37 Abs. 2 Nr. 1 NV ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Die Kompetenz zur Regelung des Rechtsstatus von Landesregierungsmitgliedern lag und liegt auch weiterhin mangels gegenteiliger Bestimmungen im Grundgesetz gem. Art. 30, 70 Abs. 1 GG – als Ausdruck der Organisationshoheit der Länder – eigentlich sogar beim Landesgesetzgeber.79 Der niedersächsische Gesetzgeber hat diese mittlerweile auch genutzt und im NdsMinG entsprechende Statusregelungen getroffen. Für eine (verbindliche) Beschlussfassung der Landesregierung in diesem Bereich bestand in der damaligen Situation also eigentlich gar kein Raum, was im Hinblick auf die nun existenten einfachgesetzlichen Regelungen für den aktuellen Zeitraum erst recht gelten muss. Allerdings bestimmt § 7 Nr. 22 GGO-Nds, dass die Landesregierung über „sonstige Angelegenheiten von besonderer politischer Bedeutung“ im Wege des Beschlusses entscheiden kann. Hierbei handelt es sich zwar nicht um einen Beschluss i. S. d. Art. 37 Abs. 2 Nr. 1 NV, da § 7 Nr. 22 GGO-Nds als organschaftliches Innenrecht keine Gesetzesqualität zukommt.80 Dennoch wird der Landesregierung hierdurch die Möglichkeit eröffnet, einen zumindest unverbindlichen Abstimmungsbeschluss zu treffen,81 um in zentralen politischen Einzelfragen eine geschlossene Vertretung nach außen zu gewährleisten.82 Diese Kategorisierung erscheint äußerst passend: Mit dem Verhaltenskodex sollte auf politische und gesellschaftliche Realitäten reagiert und ein „Signal“ ausgesandt werden. Es handelte sich damit um eine schlichte politische Absichtserklärung, die zur öffentlichen Bekundung ihrer Ernsthaftigkeit in die Form eines Beschlusses i. S. d. § 7 Nr. 22 GGO-Nds gegossen worden ist. die Lenkung eines Schiffes, was Cicero auf die Lenkung des Staates bezog (sog. „Bild vom Staatsschiff“). 78 So auch Weißer, in: Epping/Butzer/Brosius-Gersdorf/Haltern/Mehde/Waechter (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, Art. 38 Rn. 1. 79 Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG kann nicht als Kompetenznorm angesehen werden, da sich der Artikel nur auf Beamte und Richter des Landes bezieht. Landesregierungsmitglieder sind jedoch keine Beamten, sondern stehen in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Land. Vgl. hierzu auch Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 113. 80 Epping, in: Epping/Butzer/Brosius-Gersdorf/Haltern/Mehde/Waechter (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, Art. 37 Rn. 43. 81 Epping, in: Epping/Butzer/Brosius-Gersdorf/Haltern/Mehde/Waechter (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, Art. 37 Rn. 43. 82 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 65 Rn. 22.
B. Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes
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Festzuhalten bleibt, dass die Niedersächsische Landesregierung zwar grundsätzlich eine Beschlussfassungskompetenz im vorgenannten Sinne hatte bzw. hat, ihr rechtlich letztlich jedoch nur eröffnet wird, eine vorwiegend politisch determinierte Entscheidung mit Symbolcharakter ohne Bindungskraft zu treffen. Eine echte „Verpflichtung“ im statusrechtlichen Sinne kann im Beschluss und damit dem Verhaltenskodex retrospektiv nicht gesehen werden. bb) Weitere rechtliche Kategorisierungs- und Abgrenzungsmöglichkeiten eines gubernativen Verhaltenskodex Wie vorstehend aufgezeigt, hat die Niedersächsische Landesregierung den Verhaltenskodex (zulässigerweise) in Gestalt eines unverbindlichen Kabinettsbeschlusses i. S. d. § 7 Nr. 22 GGO-Nds auf den Weg gebracht. Fraglich ist jedoch, ob die Selbstverpflichtung materiell-rechtlich auch noch anderweitig zu kategorisieren bzw. abzugrenzen ist. (1) Abgrenzung zur Rechtsverordnung und Satzung Wie bereits erläutert, entfällt bereits von vornherein die Möglichkeit der Einordnung des Verhaltenskodex als Rechtsverordnung.83 Der Adressatenkreis eines Verhaltenskodex richtet sich nämlich an einen bestimmten bzw. bestimmbaren Personenkreis. Überdies mangelt es auch an der entsprechenden Rechtssetzungskompetenz der Regierung – denn es liegt kein gesetzlicher Kompetenztitel vor, so wie es Art. 43 Abs. 1 NV vorschreibt Es stellt sich allerdings die Frage, ob der damalige Verhaltenskodex nicht als Satzungsrecht klassifiziert werden könnte. Bei einer Satzung handelt es sich um einen Rechtssatz eines Selbstverwaltungsträgers, der von diesem im dafür vorgesehenen Verfahren erlassen worden ist.84 Eine solche käme insbesondere deshalb als rechtliches Umsetzungsmittel in Betracht, da sie nicht zwingend als abstraktgenereller Rechtssatz mit Außenwirkung gestaltet werden muss.85 Gerade dies entspricht dem Charakter einer Selbstverpflichtung. Grundsätzlich kommt auch der Regierung als Verfassungsorgan eine entsprechende Satzungsautonomie zu. Dies zeigen schon die Regelungen in Art. 65 S. 4 GG und Art. 39 Abs. 1 NV, mit denen sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung zum Erlass einer Geschäftsordnung ermächtigt wird. Die ge-
83 Die Einordnung als formelles Gesetz scheidet nach dem Vorgesagten ebenfalls evident aus. 84 Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 80 Rn. 210. 85 Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts Bd. 2, § 34 Rn. 26 sowie Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 24.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
naue rechtstechnische Einordnung einer solchen Geschäftsordnung ist zwar umstritten; so wird sie einerseits als Verfassungssatzung86 bzw. autonome Satzung87 klassifiziert, andererseits aber auch als sekundäres Verfassungsrecht88 oder Rechtsinstitut sui generis89 eingestuft. Einigkeit besteht jedoch zumindest darüber, dass es sich um zugriffsfestes Innenrecht mit Satzungscharakter handelt.90 Wenigstens rechtstheoretisch hätte somit die Möglichkeit für die Regierung bestanden, einen Verhaltenskodex als satzungsähnliches Innenrecht zu etablieren. Allerdings sprechen gewichtige Erwägungen gegen die Annahme, dass der untersuchungsgegenständliche Verhaltenskodex tatsächlich in Gestalt einer Satzung aus der Taufe gehoben wurde. Zum einen ist die Selbstverpflichtung in systematischer Hinsicht gerade nicht in die Strukturen der §§ 3 ff. GGO-Nds eingebunden worden. Vielmehr hatte sich die Landesregierung offenbar bewusst – vielleicht zur rechtlichen Untermauerung des unverbindlichen Charakters des Kodex – auf die bloße Beschlussform beschränkt. Zum anderen wäre die Landesregierung für eine satzungsmäßige Statusregelung wohl auch gar nicht zuständig gewesen, was sich bereits aus der Existenz der Statusvorschriften im NdsMinG ableiten lässt: Wie bereits herausgestellt, obliegt eigentlich dem Landesgesetzgeber die Regelung der Statusrechte von Landesregierungsmitgliedern. Auch ist nicht – wie etwa im Abgeordnetenrecht mit § 44b AbgG – eine einfachgesetzliche Delegierungsvorschrift vorhanden, die eine Kompetenzverlagerung in diesem Bereich hätten bewirken können. Eine entsprechende Satzung wäre daher mangels Organkompetenz bereits formell rechtswidrig. Der erkennbar gegenläufige Wille der Landesregierung, die damit in Verbindung stehende systematische Nichteingliederung des Verhaltenskodex in die bestehenden Strukturen sowie die mangelnde Kompetenz für eine satzungsmäßige Regelung streiten damit gegen eine ex-post Kategorisierung der Selbstverpflichtung als Satzung. (2) Abgrenzung zur Verwaltungsvorschrift sowie zur adressatenbezogenen Allgemeinverfügung Ferner ist zu beleuchten, ob der Verhaltenskodex nicht etwa als Verwaltungsvorschrift eingestuft werden könnte. Bei Verwaltungsvorschriften handelt es sich um exekutives Binnenrecht, das nur von einer fachvorgesetzten Stelle in einem
86 So Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 122 f.; Honnacker/Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, S. 25 oder Lechner/Hülshoff, Parlament und Regierung: Textsammlung des Verfassungs-, Verfahrens- und Geschäftsordnungsrechts, S. 338. 87 BVerfG, Beschl. v. 11.10.1994 – 1 BvR 337/92, BVerfGE 91, 148, 167. 88 Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, GG, Art. 65 Rn. 38 sowie Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1385. 89 Maurer, Staatsrecht I, § 13 Rn. 95. 90 Unter Zusammenfassung der Positionen Busse, GO-BReg, Einleitung, Rn. 36 f.
B. Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes
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hierarchischen Verwaltungsaufbau gegenüber den nachgeordneten Behörden erlassen werden kann.91 Die Verwaltungsvorschrift kann dabei auch als (persönliche) Anordnung bzw. Dienstvorschrift eines Vorgesetzten an die ihm unterstellten Bediensteten erlassen werden, beispielsweise in Form einer Richtlinie oder Rundverfügung.92 Diese Kategorisierung erscheint jedoch bereits prima facie unpassend, da innerhalb der Landesregierung ein originär hierarchisches Verwaltungsgefälle gerade nicht besteht. Zwar hat der Ministerpräsident gem. Art. 37 Abs. 1 NV die Richtlinienkompetenz inne, allerdings begründet diese kein Weisungsrecht gegenüber dem Kabinett in Gänze.93 Überdies ist der Verhaltenskodex auch gar nicht als Richtlinienentscheidung, also in Form einer Weisung des Ministerpräsidenten, entstanden. Aus der offiziellen Kategorisierung als „Beschluss“ folgt vielmehr, dass ein Mehrheits- bzw. Plenumsentscheid über die Selbstverpflichtung herbeigeführt worden ist. Ferner erstrecken sich die beschlossenen Verpflichtungen auch auf den Ministerpräsidenten selbst, sodass das notwendige Gefälle bereits sinnlogisch nicht besteht. Dementsprechend scheidet auch eine Einordnung des Verhaltenskodex als Verwaltungsvorschrift – in Gestalt einer Dienstvorschrift – aus. Zuletzt könnte die Selbstverpflichtung womöglich nur noch als adressatenbezogene Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 S. 2 VwVfG i.V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG klassifiziert werden. Hierfür spräche insbesondere die bereits herausgestellte abstrakt-individuelle Zielrichtung des Kodex. Allerdings mangelt es der Maßnahme rückblickend offensichtlich an den weiteren Voraussetzungen, die ein Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 VwVfG erfüllen muss. So kam dem Kodex keinerlei Außenwirkung zu, da er nicht darauf ausgerichtet war, den verwaltungsinternen Bereich zu überschreiten. Überdies war die Selbstverpflichtung auch ganz offensichtlich nicht rechtsverbindlich, sodass auch der Regelungscharakter zu verneinen ist. Die Verwaltungsaktsqualität des Verhaltenskodex ist daher eindeutig zu verneinen. cc) Ergebnis Damit bleibt festzuhalten, dass der Verhaltenskodex der Landesregierung rechtlich letztlich auch nur als Kabinettsbeschluss eingeordnet werden kann. Alle weiteren Kategorisierungsmöglichkeiten – sei es als Rechtsverordnung, Satzung, Verwaltungsvorschrift oder Verwaltungsakt – scheiden nach dem Vorgesagten mehr oder weniger evident aus.
91
Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 852. Sennekamp, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 9 Rn. 15. 93 Epping, in: Epping/Butzer/Brosius-Gersdorf/Haltern/Mehde/Waechter (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, Art. 37 Rn. 11. 92
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
b) Verhaltensleitlinien des Bundesverfassungsgerichts Auch die Verhaltensleitlinien des Bundesverfassungsgerichts beruhen auf einem Plenumsbeschluss aus dem November 2017.94 Die Rechtsgrundlage für diesen Beschluss ist in § 1 Abs. 3 BVerfGG i.V. m. § 1 Abs. 2 Var. 2 BVerfGGO zu sehen. Demnach beschließt das Plenum über alle die Mitglieder des Gerichts, ihren Status und ihre Arbeitsbedingungen unmittelbar betreffenden Fragen. Der Beschluss über nachamtliche Verhaltensleitlinien betrifft den Status von ehemaligen Mitgliedern des Gerichts und ist entsprechend unter § 1 Abs. 2 Var. 2 BVerfGGO subsumierbar, soweit man den Statusbegriff entsprechend extensiv auf den nachamtlichen Bereich erweitert. Eine anderweitige materiell-rechtliche Einordnung scheidet aus. Da es sich bei dem Bundesverfassungsgericht um ein Verfassungsorgan des Bundes und Teil der Judikative handelt, ist eine Kategorisierung der Leitlinien als Gesetz oder Rechtsverordnung evident abzulehnen. Gleiches gilt für die Einordnung als Satzung. Auch wenn dem Bundesverfassungsgericht Satzungsautonomie zukommt (vgl. § 1 Abs. 3 BVerfGG), sind die Leitlinien nicht in die BVerfGGO implementiert und damit nicht als Satzungsrecht erlassen worden. Wären die Leitlinien als Satzungsrecht erlassen worden, hätte sich überdies auch hier die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zu den Regelungen im BVerfGG gestellt – denn die Statusregelung von Bundesverfassungsrichtern obliegt originär dem Bundesgesetzgeber, wie Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG zeigt. Die satzungsmäßige Statusregelung durch das Bundesverfassungsgericht (als Verwaltungsplenum) wäre daher wohl ohnehin formell rechtswidrig gewesen. Auch die Klassifizierung als Verwaltungsvorschrift scheidet mangels Vorliegens eines entsprechenden Verwaltungsgefälles aus; vielmehr ist gleichberechtigt im Plenum über die Leitlinien abgestimmt worden. Da zudem weder auf die Überschreitung des verwaltungsinternen Bereichs noch auf Rechtsverbindlichkeit abgezielt worden ist, handelt es sich auch nicht um einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung (vgl. § 35 S. 1 und 2 VwVfG). Die Verhaltensleitlinien des Bundesverfassungsgerichts sind damit – ähnlich wie der Verhaltenskodex der Landesregierung in Niedersachsen – als bloße politische Absichtserklärung zu bewerten, die in der Rechtsform eines unverbindlichen Beschlusses verabschiedet worden sind.
94 Vgl. hierzu Artikel des „LTO“ vom 5.1.2018, online abrufbar unter der URL https://www.lto.de/recht/justiz/j/bverfg-verhaltensrichtlinien-richter-ethik-code-ansehenbevoelkerung/, zuletzt abgerufen am 10.5.2020.
B. Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes
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2. Rechtliche Qualität von Selbstregulierungen auf europäischer Ebene – „Soft Law“ Die Verhaltenskodizes bzw. Selbstverpflichtungen auf europäischer Ebene entstammen demgegenüber angelsächsischer Rechtstradition,95 woraus sich eine divergierende Rechtsnatur im Vergleich zu den nationalen Kodizes ergibt. Sie werden auf europäisch-hoheitlicher Ebene als sog. „Soft Law“ kategorisiert.96 Diese Kategorisierung lässt sich zunächst mit einem Blick auf die Ziele und Funktionen von „Soft Law“ relativ eindeutig erklären und nachvollziehen: „Soft Law“ wird u. a. dann eingesetzt, wenn sich – beispielsweise wegen fehlender politischer Willensübereinstimmung – echtes Gesetzesrecht nicht umsetzen lässt.97 Soweit es auf Primär- oder Sekundärrecht Bezug nimmt, erfüllt es konkretisierende oder erläuternde Funktionen. Darüber hinaus kann „Soft Law“ zudem auch eine vorbereitende oder vorläufige Funktion zukommen, indem zunächst unverbindliche Verhaltensregeln festgelegt werden, die womöglich später einmal verbindlich umgesetzt werden sollen.98 Die vorgenannten Punkte werden äußerst passgenau von dem vorstehend beispielhaft erläuterten Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission abgebildet. So hat sich auf europäischer Ebene, trotz des vorstehend dargelegten Handlungsbedarfs, ganz offensichtlich noch keine politische Mehrheit gefunden, um dem „Drehtüreffekt“ primär- oder sekundärrechtlich entgegenzusteuern. Der Verhaltenskodex war somit für die Kommission das naheliegendste „Mittel der Wahl“, um ein politisches Signal auszusenden. Mit der Bezugnahme auf Art. 17 Abs. 3 EUV sowie Art. 245 AEUV im Erwägungsgrund (1) kommt dem Verhaltenskodex zudem auch ein konkretisierender Charakter im vorgenannten Sinne zu. Überdies ist auch nicht auszuschließen, dass die Verhaltenserwartungen in Zukunft noch primärrechtlich verankert werden, sodass dem Verhaltenskodex auch vorbereitende bzw. vorläufige Funktionen zugeschrieben werden können. Damit handelt es sich eindeutig um „Soft Law“. Weniger eindeutig als die Kategorisierung ist jedoch die konkrete rechtliche Definition und Verortung unionaler Selbstverpflichtungen und damit von „Soft Law“ per se. Rechtstechnisch beruht die verabschiedete Selbstverpflichtung der Kommission zunächst ebenfalls auf einem Beschluss. Dieser Beschluss findet seine rechtlichen Wurzeln wiederum in Art. 249 Abs. 1 AEUV i.V. m. Art. 4, 95 Kopp, Recht, Transparenz und Integrität beim Lobbying – Compliance angesichts von Regulierung und Selbstverpflichtungen, CCZ 2013, 67, 69. 96 Vgl. hierzu etwa Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Arbeitsdokument zu institutionellen und rechtlichen Auswirkungen der Anwendung der Instrumente des „Soft Law“ v. 22.7.2007 (Berichterstatter: Manuel Medina Ortega), PE 384.581 v 02-00 (Dok. 653346), S. 2. 97 Schwarze, Soft Law im Recht der Europäischen Union, EurR 2011, 3, 6. 98 Schwarze, Soft Law im Recht der Europäischen Union, EurR 2011, 3, 7.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
7 ff. EU-Kommissions-GO. Allerdings bringt diese Einordnung keine weiteren Erkenntnisse über die Rechtsqualität von „Soft Law“ in Gänze mit sich. Dementsprechend muss diese tiefergehend beleuchtet werden. Bereits die Begrifflichkeit von „Soft Law“ beinhaltet einen Wertungswiderspruch: Durch „Law“, also „Recht“ bzw. „Gesetz“, wird regelmäßig ein starrer Normbefehl statuiert und keine „weiche“ (Selbst-)Verpflichtung.99 Trotz dieser begrifflichen Uneindeutigkeit lassen sich einige Merkmale bündeln, die „Soft Law“ – und damit auch Selbstverpflichtungen – auf europäischer Ebene ausmachen. Es wird regelmäßig von einem Organ der Europäischen Union erlassen,100 was entweder allein oder im Zusammenspiel mit dem Europäischen Parlament geschieht. Da „Soft Law“ keine vollzieh- oder vollstreckbaren Verpflichtungen enthält, entfaltet es überdies keine unmittelbare rechtliche Wirkung. Zudem beschränken sich derartige „weiche Steuerungsformen“ 101 nicht auf die Beschreibung des rechtlichen Status quo, sondern entwickeln diesen weiter, indem sie Verhaltensverpflichtungen bzw. Verhaltenserwartungen errichten.102 Diese Charakteristika werden von Daniel Thürer103 passend zusammengefasst: Dieser beschreibt „Soft Law“ als „norms in the twighligt between law and politics“. Auch Jürgen Schwarze104 findet – hieran anknüpfend – eine stimmige Einordnung: Demnach sei „Soft Law“ zwar nicht als Gegenbegriff zu „Hard Law“ zu verstehen, da dies nur „no Law“ sein könne. „Soft Law“ sei jedoch eine mittlere Position zwischen den beiden vorgenannten Polen zuzuweisen. Unionales „Soft Law“ weist damit trotz anderer Funktion und Anknüpfung letztlich vergleichbare rechtliche Strukturen wie Selbstverpflichtungen auf nationaler Ebene auf. Es handelt sich primär um politische Statements mit zumeist moralischem Appelcharakter, ohne Festlegung einer rechtlichen Verpflichtung. Bemerkenswert ist jedoch, dass „Soft Law“ auf europäischer Ebene als Steuerungsform zumindest gewohnheitsrechtlich eindeutig anerkannt ist. Diese Anerkennung ist auf nationaler Ebene nicht zu verzeichnen. Vielmehr wirken hier Selbstverpflichtungen in Form von Verhaltenskodizes wie Fremdkörper im Rechtssystem, deren Etablierung auch mit Blick auf die verfassungsrechtlich gebotene Rechtsetzungsformstrenge noch kritisch zu hinterfragen sein wird. 99
Schwarze, Soft Law im Recht der Europäischen Union, EurR 2011, 3, 3. In den vorgenannten Beispielen also etwa von der Europäischen Kommission oder der Europäischen Zentralbank. 101 So die begriffliche Einordnung im deutschen Recht. Vgl. etwa Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 10 Rn. 141 ff. 102 Vgl. zu den gebündelten Merkmalen insgesamt Schwarze, Soft Law im Recht der Europäischen Union, EurR 2011, 3, 5 f. 103 Thürer, Soft Law, in: Wolfrum, The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, online abrufbar unter der URL http://docenti.unimc.it/paolo.palchetti/ teaching/2017/17311/files/soft-law-1, zuletzt abgerufen am 25.5.2020. 104 Schwarze, Soft Law im Recht der Europäischen Union, EurR 2011, 3, 6. 100
C. Anwendungsorientierte Analyse
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C. Anwendungsorientierte Analyse Bevor eine verfassungsrechtliche Überprüfung der vorstehend dargestellten, einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben an späterer Stelle erfolgen kann, erscheint es sinnvoll, vorab den Boden hierfür zu bereiten: So beschäftigt sich dieser dritte Abschnitt der Bestandsaufnahme mit den Vorschriften aus isoliertanwendungsorientierter Sicht, um erste Stärken und Schwächen ihrer Regelungsnatur selektiv aufzuwerfen. Auf diesem Wege können an fortgeschrittener Stelle die hier getroffenen Schlüsselerwägungen einer verfassungsrechtlichen Wertung zugeführt und anschließend sachgerechte Reformansätze entwickelt werden. Um die anwendungsorientierte Analyse konkret zu vollziehen, werden zunächst potenzielle, praxisbezogene Problemkonstellationen aufgezeigt, die ihren Ursprung in der Ausgestaltung und Konzeption der bundesrechtlichen Vorschriften haben. Daraufhin werden auch diejenigen landesrechtlichen Entwürfe einer Analyse und Bewertung unterzogen, die im Niedersächsischen Landtag im Dezember 2019 zwecks Implementierung einer Karenzzeit zur Abstimmung gestellt worden sind. Die anwendungsorientierte, rechtswissenschaftliche Analyse und Bewertung beschränkt sich hierbei auf die bestehenden bundesgesetzlichen Vorgaben aus §§ 6a ff. BMinG sowie die niedersächsischen Regelungsentwürfe, da die damit untersuchungsgegenständlichen vier verschiedenen Konzeptionen de lege lata so gut wie alle gängigen Regulierungsmuster abbilden, die auch in anderen Bundesländern zum Einsatz gekommen sind oder zur Debatte stehen. Mit anderen Worten kann so das Konfliktpotenzial, welches bei der einfachgesetzlichen Implementierung von Karenzzeitvorgaben besteht, umfassend erfasst und repräsentativ für alle nationalen, bundes- oder landesgesetzlichen Regelungsansätze diskutiert werden.
I. Anwendungsorientierte Analyse der Regelungen auf Bundesebene – §§ 6a–6d BMinG Zunächst werden die einfachgesetzlichen Regelungen auf Bundesebene in §§ 6a ff. BMinG untersucht. Einleitend soll dafür den geäußerten Bedenken gegen die gesetzliche Zuständigkeitszuweisung nachgegangen werden, um daraufhin die rechtliche Konzeption der Vorschriften in Gänze zu hinterfragen. Ferner wird geprüft werden, ob sich das beratende Gremium auch in Zweifels- und Grenzfällen für tauglich erweisen kann. Abschließend konzentrieren sich die Untersuchungen auf die Frage, ob die Entschädigung durch Zahlung eines Übergangsgeldes einen einfachgesetzlich stringenten sowie sachgerechten Ausgleich ermöglicht.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
1. Bedenken gegen die Zuständigkeitszuweisung: Die Bundesregierung als sachgerechter Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung? Teilweise werden Bedenken gegen die in §§ 6a, 6b BMinG festgelegte Zuständigkeitszuweisung geäußert. So hat nach § 6a Abs. 1 S. 1 BMinG die Anzeige gegenüber der Bundesregierung zu erfolgen. Zudem spricht auch die Bundesregierung als Kollegialorgan eine etwaige Tätigkeitsuntersagung nach § 6b Abs. 1 BMinG aus. Kritisiert wird hier insbesondere von Michael105 das aus dieser Zuständigkeitszuweisung resultierende Risiko der sachfremden Beeinflussung der zu treffenden Entscheidung: Diejenigen Regierungsmitglieder, die eine entsprechende Entscheidung zu treffen hätten, seien später möglicherweise selbst potenziell Betroffene. Zudem könnten aus einer gemeinsamen Regierungsverantwortung sowohl „nachwirkende Loyalitäten“ als auch „persönliche Animositäten“ zwischen Regierungsmitgliedern resultieren und die Objektivität der Entscheidung gefährden. Verstärkt werde dieses Risiko durch die Ausgestaltung des § 6b Abs. 1 BMinG als Ermessensnorm. Verknüpft sei hiermit zudem die Gefahr der parteipolitischen Instrumentalisierung. Insgesamt werde mit dem Gesetz die Verantwortung, die vor Verabschiedung des Gesetzes jeweils bei dem wechselwilligen Amtsträger persönlich lag, auf die Bundesregierung umgeleitet und ihr damit der „schwarze Peter“ zugeschoben. Sie gelange dadurch selbst ins „Kreuzfeuer der Kritik“. Die vorstehenden Bedenken werden zum Teil bereits vom Regelungskonzept des § 6b BMinG selbst aufgefangen. So steht die Bundesregierung zunächst bei ihrer Entscheidungsfindung gerade nicht in alleiniger Verantwortung, wie § 6b Abs. 3 BMinG zeigt. Vielmehr ist der Entscheidungsfindung eine Empfehlung des beratenden Gremiums vorgeschoben. Dieses beratende Gremium soll durch seine Besetzung mit Mitgliedern, die Funktionen an der Spitze staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen wahrgenommen haben oder über Erfahrungen in einem wichtigen politischen Amt verfügen, einem etwaigen Akzeptanzdefizit entgegenwirken.106 Durch die Einbindung dieses unabhängigen, externen Gremiums in den Entscheidungsfindungsprozess wird also darauf abgezielt, die Objektivität der Entscheidung zu fördern und somit dafür Sorge zu tragen, dass die gesamte legitimierende Entscheidungsverantwortung gerade nicht allein auf der Bundesregierung lastet und diese sich de facto (nur) selbst kontrolliert.107
105 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 6 f. 106 So zumindest die Intention des Gesetzgebers. Vgl. BT-Drs. 18/4630, S. 11. 107 Siehe zu den durchaus berechtigten, im Ergebnis jedoch nach hier vertretener Einschätzung nicht gänzlich durchgreifenden Einwendungen gegenüber dem Entlastungsansatz über ein beratendes Gremium in diesem Kapitel unter C. I. 3.
C. Anwendungsorientierte Analyse
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Welche Vorteile die von Michael108 in diesem Zusammenhang vorgeschlagene Zuständigkeitsverlagerung auf ein geheim tagendes, parlamentarisches (Entscheidungs-)Gremium bieten soll, wird jedenfalls nicht deutlich. Gerade bei einem parlamentarischen Gremium intensiviert sich die von ihm ebenfalls angesprochene Gefahr der parteipolitischen Instrumentalisierung.109 Demgegenüber ist die Bundesregierung als Bundesorgan gem. Art. 65 S. 3 GG an das Kollegialprinzip gebunden, durch welches parteipolitische Zwänge minimiert oder zumindest eingedämmt werden.110 Eine solche (Verfahrens-)Reglementierung auf Verfassungsebene würde sich für ein parlamentarisch gewähltes und somit im Ergebnis wiederum parteipolitisch besetztes Gremium gerade nicht finden. Dementsprechend wäre hier zu befürchten, dass Fraktionszwänge verstärkt zum Tragen kommen.111 Die von Michael vertretene Ansicht, dass die Zuständigkeitszuweisung- bzw. Umleitung auf ein Kollegialgremium ohne echten Mehrwert sei, kann dementsprechend so nicht bestätigt werden. Im Gegenteil: Vielmehr liegt die Entscheidung wohl sogar gerade im Bereich originärer (Sach-)Kompetenz der Regierung.112 Ähnliches gilt für die Grundsatzerwägung, dass die Ausgestaltung des § 6b Abs. 1 BMinG als Ermessensvorschrift dem nach Ansicht Michaels in der Norm angelegten Risiko der Beeinflussung der Entscheidung durch sachfremde Erwägungen Vorschub leisten könnte. Auch wenn zuzustehen ist, dass die normative Konzeption vorliegend das Risiko einer ermessensfehlerhaften Entscheidung tendenziell erhöht, bilden Ermessensnormen aufgrund des großen Entscheidungsspielraums des Rechtsanwenders auf Rechtsfolgenseite stets ein Einfallstor für sachfremde Erwägungen. Nicht nur deshalb können Ermessensentscheidungen gerichtlich auf Ermessensfehler überprüft werden; insbesondere sachfremde Erwägungen sind auf diesem Wege justiziabel, wie § 114 S. 1 VwGO zeigt. Es ist zu erwarten, dass diese Justiziabilität – wie auch ansonsten – einer sachfremden 108 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 7 f. 109 So auch Grzeszick/Limanowski, Nachamtliche Berufsverbote für Politiker, DÖV 2016, 313, 321. A. A. Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 68–72, der das Problem des „Kontrolldefizits“ identifiziert, letztlich aber in der Abwägung zurückstehen lässt und entweder den Innenausschuss des Bundestages oder aber den Bundesrechnungshof in die Pflicht nehmen möchte. 110 Gegen die Auslegung des Art. 65 S. 3 GG als Kontrollnorm in diesem Kontext Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 64 f. Als Verfahrensvorschrift erkennt jedoch auch Tenner Art. 65 S. 3 GG an, sodass der Kollegialfaktor insoweit durchaus Wirkung entfalten kann. 111 Dies gilt im Übrigen auch für den Vorschlag der Verlagerung der Kompetenz auf den Ältestenrat, vgl. hierzu Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 200 ff. 112 Diesbezüglich Grzeszick/Limanowski, Nachamtliche Berufsverbote für Politiker, DÖV 2016, 313, 321.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
Anwendung vorbeugen kann. In der Kontrollüberlegung ist ferner anzumerken, dass die Umgestaltung des § 6b Abs. 1 BMinG in eine gebundene Entscheidung der Bundesregierung in Anbetracht der zu treffenden, politisch sowie grundrechtlich hochsensiblen Entscheidung auch zu viel Flexibilität rauben würde, die Ausgestaltung als Ermessensnorm trotz eines u. U. erhöhten Risikos der sachfremden Beeinflussung also alternativlos gewesen ist.113 Der Gesetzgeber hat dies erkannt und sich daher grundsätzlich für die Ausgestaltung des § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG als Ermessensnorm entschieden. Den weiten Spielraum der Norm hat er dabei durch die regelbeispielartigen Typisierungen der „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ in § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BMinG sowie der ermessenslenkenden Vorschrift in § 6b Abs. 2 BMinG bezüglich der Untersagungsdauer eingeengt. Diese Verengungen bestimmen den Rahmen für die von der Bundesregierung zu treffenden Entscheidung und wirken sich so – zumindest theoretisch – entlastend für diese aus. Die festgelegte Regelungskombination erscheint daher – losgelöst von der konkreten Umsetzung, hierzu später mehr – zumindest prinzipiell durchaus sachgerecht, um der Bundesregierung einerseits genügend Entscheidungsfreiraum zu gewähren, aber andererseits auch das Risiko der Beeinflussung der Entscheidung durch sachfremde Erwägungen zu mindern und damit der hier zu vollziehenden Gratwanderung gerecht zu werden. 2. Beschränkung der §§ 6a ff. BMinG auf Anzeigepflicht mit Verbotsvorbehalt – Verbot mit Erlaubnisvorbehalt sinnvoller? Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Regelungsnatur der Vorschriften. §§ 6a ff. BMinG beschränken sich ihrer Konzeption nach auf die rechtliche Verpflichtung des Betroffenen, eine geplante Tätigkeit nach § 6a BMinG anzuzeigen. Das präventive Verbot der (einstweiligen) Aufnahme der Tätigkeit ist hingegen nicht Gegenstand des Regelungskonzepts. Michael114 kritisiert hieran die unzureichende Tragweite der rechtlichen Verpflichtung. So gehe der Gesetzgeber davon aus, dass potenziell Betroffene nach Anzeige der geplanten Tätigkeit gegenüber der Bundesregierung freiwillig auf die Aufnahme dieser bis zur abschließenden Entscheidung über eine Untersagung verzichten würden. Nicht umfasst sei hiervon jedoch der „arge Fall“, in dem sich ein ehemaliger Amtsträger nicht an diesen „Ehrenkodex“ halte, sondern vielmehr ungeachtet eines etwaigen Untersagungsverfahrens die geplante Tätigkeit einstweilig aufnimmt. 113
Hierzu schon in diesem Kapitel unter A. I. 1. b) aa) (2). Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 9. Ähnlich auch Lange, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 6. 114
C. Anwendungsorientierte Analyse
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Die Bedenken von Michael dürften im Ansatz zutreffen. So hat der Gesetzgeber zwischen der Anzeigeverpflichtung und der etwaigen Untersagung zumindest für einen bestimmten Zeitraum gerade die rechtsfreie Sphäre fortbestehen lassen, die durch §§ 6a ff. BMinG eigentlich geschlossen werden sollte. Die Entscheidung über das „Ob“, also über die einstweilige Aufnahme der Tätigkeit, liegt damit zumindest vorläufig wieder beim ausscheidenden Amtsträger selbst. Dies ist – gerade in der hochsensiblen Phase kurz nach dem Ausstieg aus der Amtstätigkeit – durchaus unglücklich und läuft dem angestrebten Regelungsziel diametral entgegen; denn das Gesetz soll die Betroffenen gerade auch vor „Unsicherheiten“ und „ungerechtfertigter Kritik“ bewahren.115 Kritik und damit auch Unsicherheiten werden allerdings wachsen, wenn sich in der öffentlichen Wahrnehmung der Eindruck durchsetzt, dass ein betroffener Amtsträger trotz erfolgter Anzeige und laufendem Untersagungsverfahren mit der angestrebten Tätigkeit einstweilen ohne Weiteres beginnen kann. Dieser Eindruck könnte letztlich auch zu Lasten der Bundesregierung integritätsschädigend wirken, da der Verdacht genährt werden könnte, diese agiere trotz entsprechender Regulierungsmechanismen nicht entschieden gegen noch nicht endgültig freigegebene Wechselvorhaben mit Missbrauchspotenzial. Der gesetzliche „Freiraum“ zwischen Anzeige und potenzieller Untersagung birgt also Risiken für beide Seiten. Andererseits hat sich der Gesetzgeber mit der getroffenen Regelungsform, also der Anzeigeverpflichtung mit Verbotsvorbehalt, ausdrücklich für die weniger grundrechtsintensive Regelungsoption entschieden.116 An ein präventives Verbot jeder nachamtlichen Tätigkeit noch vor einer entsprechenden Einzelfallsprüfung mit Differenzierungsbestrebungen wären überaus hohe Anforderungen auf Rechtfertigungsebene zu stellen.117 Neben derartigen grundrechtsspezifischen Überlegungen ist überdies zu beachten, dass bereits mit Einleitung des öffentlichen Anzeige- und Prüfverfahrens eine gewisse Abschreckungswirkung verbunden ist. So erfolgt mit Abgabe der Anzeige gegenüber der Bundesregierung in der Regel auch die öffentliche Kenntnisnahme von den Plänen des Amtsträgers. Die „Hemmschwelle“ für betroffene Amtsträger sowie den potenziellen Arbeitgeber, dies zu übergehen und ohne Weiteres das angestrebte Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen, dürfte entsprechend hoch ausfallen. Mit anderen Worten dient also bereits das Anzeige- und Prüfverfahren per se der Absicherung der vorstehend kritisierten, „freien“ Übergangsphase, sodass eigentlich keine unbedingte Notwendigkeit dazu besteht, bereits für diese Phase eine grundrechtsintensive, einstweilige Untersagung auszusprechen. Vielmehr soll eine vorübergehende Untersagung nach dem Zuschnitt des Gesetzes „ultima ratio“ gem. § 6a Abs. 2 S. 3
115 116 117
BT-Drs. 18/4630, S. 1. BT-Drs. 18/4630, S. 11. So auch von Arnim, Nach-amtliche Karenzzeiten für Politiker?, ZRP 2006, 44.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
BMinG erst dann erfolgen, wenn das Anzeigeverfahren durch verspätete Anzeige des betroffenen Amtsträgers ausgehebelt worden ist. Insgesamt hat der Bundesgesetzgeber somit einen Weg gewählt, der zwar weniger grundrechtsbelastend ist, jedoch dennoch einige Risiken birgt. Für den von Michael angemahnten „argen Fall“ des sofortigen und „rücksichtslosen“ Wechsels des Amtsträgers in die Wirtschaft findet das Gesetz, zumindest für den Übergangszeitraum, nämlich insoweit nur eingeschränkte Antworten. Die Absicherung dieser Übergangsphase ist damit anzuraten und wird an späterer Stelle entsprechend diskutiert.118 3. Das „beratende Gremium“ in Zweifels- und Grenzfällen Mit dem bereits im Rahmen der Zuständigkeitszuweisung diskutierten Problem der rechtlichen Konzeption des beratenden Gremiums steht auch ein weiteres Problemfeld im Zusammenhang: So stellt sich die Frage, ob das Zusammenspiel zwischen beratendem Gremium und Bundesregierung auch in „Zweifelsund Grenzfällen“ (Michael) funktional und effektiv erfolgen und damit seinen gewünschten Erfolg erzielen kann. Dies wird teilweise mit dem Argument abgelehnt, die gesetzliche Konzeption der §§ 6a, 6b BMinG bringe die Bundesregierung in ein „rechtliches und politisches Dilemma“: Entscheide sich die Bundesregierung in einem besagten Zweifels- oder Grenzfall gegen die ausdrückliche Untersagungsempfehlung des beratenden Gremiums, sei ihr der von der Öffentlichkeit getragene Vorwurf der Befangenheit sicher. Wolle die Bundesregierung hingegen eine solche (vorhersehbare) Reaktion antizipieren, könnte der Fall eintreten, dass sie sich ausdrücklich für die Empfehlung des Gremiums entscheide, obwohl sie sich im Ergebnis unter Umständen anders entschieden hätte. Dies münde insgesamt in die Frage der demokratischen Legitimation des beratenden Gremiums: Im vorgenannten Fall schlage die eigentlich als Empfehlung konzipierte Entscheidung des Gremiums im Ergebnis als rechtlich bindende Entscheidung „durch“. Hierfür fehle es jedoch an einer entsprechenden demokratischen Legitimation des beratenden Gremiums.119 Um die Frage der demokratischen Legitimation des Gremiums bei einem etwaigen „Durchschlagen“ der Empfehlung dogmatisch zu beleuchten, erscheint es sinnvoll, zuvor zu ergründen, inwiefern de lege lata eine solche notwendig ist: Die Frage der (hinreichenden) personellen demokratischen Legitimation der Gremiumsmitglieder und damit des Organs an sich stellt sich auf dieser Ebene – sprich zunächst unabhängig von der Frage des „Durchschlagens“ der Empfehlung – überhaupt nur dann, wenn das Gremium dazu berufen wäre, Staatsgewalt 118
Vgl. hierzu im 5. Kapitel unter A. II. 1. Hauptsächlich und ursprünglich ebenfalls Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 4 f. 119
C. Anwendungsorientierte Analyse
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auszuüben.120 Vorliegend bestimmt § 6b Abs. 3 BMinG eindeutig, dass das beratende Gremium nur „empfehlend“ tätig wird. Derartige Empfehlungen stellen nach einhelliger Rechtsprechung121 mangels Regelungs- und Bindungswillen zumindest keine Verwaltungsakte dar, sondern vielmehr schlichtes Verwaltungshandeln. Nun kann darüber diskutiert werden, ob schlichtes und zudem auch behördeninternes Verwaltungshandeln ohne Außenwirkung bereits als legitimationsbedürftiges, staatliches Handeln und damit als „Staatsgewalt“ bewertet werden muss. Mit Blick auf die durchaus strenge Ansicht des Bundesverfassungsgerichts122 diesbezüglich wird dies allerdings zu bejahen sein: Demnach stellt sich jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter als legitimationsbedürftige Ausübung von Staatsgewalt dar. Hierbei kommt es ausdrücklich nicht darauf an, ob das amtliche Handeln nach außen wirkt oder nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Amtsaufgaben schafft.123 Da mit der Empfehlung eine Voraussetzung für die Entscheidung der Bundesregierung über eine Untersagung geschaffen wird, wäre die Empfehlungstätigkeit des beratenden Gremiums demnach als Ausübung legitimationsbedürftiger „Staatsgewalt“ zu bewerten. Demokratische Legitimation ist also schon de lege lata und nicht erst bei einem etwaigen Durchschlagen der Empfehlung auf die Entscheidung notwendig. Allerdings kann so oder so durchaus vom Vorliegen dieser, nach dem Vorgesagten notwendigen, personellen demokratischen Legitimation des beratenden Gremiums ausgegangen werden.124 Eine solche fordert eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit den staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern.125 Ausreichend hierfür ist die individuelle Bestellung für ein konkretes Amt.126 Diese Bestellung kann wiederum durch Wahl oder Ernennung erfolgen.127 Das Bundesverfassungsgericht128 konkretisiert dies wie folgt: „Uneingeschränkte personelle Legitimation besitzt ein Amtsträger dann, wenn er verfassungsgemäß sein Amt [. . .] dadurch erhalten hat, daß er durch einen seinerseits personell legitimierten, unter Verantwortung gegenüber dem Parlament handelnden Amtsträger oder mit dessen Zustimmung bestellt worden ist.“ 120 Hierzu grundlegend BVerfG, Beschl. v. 1.10.1987 – 2 BvR 1178, 1179, 1191/86, BVerfGE 77, 1, 40. 121 BVerwG, Beschl. v. 20.11.1975 – I WB 104.73, BVerwGE 53, 106; BVerwG, Urt. v. 18.4.1985 – 3 C 34.84, NJW 1985, 2774, 2775. 122 BVerfG, Urt. v. 31.10.1990 – 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 73; BVerfG, Beschl. v. 15.2.1978 – 2 BvR 134, BVerfGE 47, 253, 273. 123 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 575. 124 So i. E. auch Tenner, Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 59. 125 BVerfG, Urt. v. 31.10.1990 – 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 72. 126 Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 210 ff. 127 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 121. 128 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 575. Vgl. zur ununterbrochenen Legitimationskette auch BVerfG, Urt. v. 31.10.1990 – 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60, 73.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
Das beratende Gremium wird nach § 6c Abs. 1 S. 2 BMinG vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt. Der Bundespräsident ist mithin hinreichend demokratisch legitimiert, um auch das beratende Gremium im Wege der Ernennung demokratisch zu legitimieren. Das Bestehen einer ununterbrochenen, demokratischen Legitimationskette ist somit zu bejahen. Selbst wenn sich die Empfehlung des Gremiums, wie von Michael befürchtet, in Einzelfällen als abschließende Entscheidung ausformen sollte, wäre dies also jedenfalls von der demokratischen Legitimation des Gremiums abgedeckt. Ein solches Szenario droht jedoch abgesehen davon auch nicht der Regelfall zu werden. Sollte die Bundesregierung die Empfehlung des Gremiums schlicht übernehmen, ohne eigene Ermessenserwägungen anzustellen, käme dies einem Ermessensnichtgebrauch gleich, der mit abschreckenden Folgen verknüpft ist: Ein solcher wäre justiziabel und die Entscheidung der Bundesregierung damit nach § 50 Abs. 1 Nr. 5 VwGO i.V. m. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO anfechtbar. Hiermit ginge überdies ein Reputationsverlust einher, der wohl auch einen politischen Gesichtsverlust zur Folge hätte. Die Bundesregierung wird also letztlich rechtlich und tatsächlich dazu gezwungen, eine Wertung unabhängig von der Empfehlung des Gremiums vorzunehmen. Für die demokratische Legitimation ausreichend, aber für die Öffentlichkeitswirkung durchaus unglücklich, ist, dass die Bundesregierung das beratende Gremium auch vorschlägt und damit im Ergebnis dessen Zusammensetzung bestimmt. Die Ernennung durch den Bundespräsidenten ist nämlich nur als formeller Akt ohne eigene Entscheidungskompetenz zu bewerten. Es handelt sich hierbei um eine Kompetenzballung, die zu Vorwürfen führen kann. Hier sollte eine Kompetenzverlagerung angedacht129 oder zumindest ein strikt transparentes Auswahl- und Vorschlagsverfahren gewahrt werden, um (ungerechtfertigter) Kritik an der abschließenden Entscheidung der Bundesregierung entgegenzuwirken. Nichtsdestotrotz ist insgesamt davon auszugehen, dass die Entscheidung der Bundesregierung jedenfalls nicht positiver aufgenommen werden würde, wenn ein beratendes Gremium bei der Entscheidungsfindung gänzlich fehlen würde.130 4. Sachgerechter und angemessener Ausgleich durch Übergangsgeld? Abschließend werden auch Bedenken an der Konzeption und der Bemessung der nach § 6d BMinG zu zahlenden Entschädigung in Form des Übergangsgel129 Möglich wäre beispielsweise die Wahl des beratenden Gremiums durch den Deutschen Bundestag, um letztlich eine „doppelte Unabhängigkeit“ des Gremiums (externe Wahl und externe Besetzung) anzustreben oder die von Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 60 ff. in diesem Kontext vorgeschlagene Hinzuziehung einer gänzlich anderen Instanz, wie etwa dem Bundesrechnungshof. 130 Grzeszick/Limanowski, Nachamtliche Berufsverbote für Politiker, DÖV 2016, 313, 320.
C. Anwendungsorientierte Analyse
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des geäußert. Der hergebrachte Sinn und Zweck von Übergangsgeld sei nicht ohne Weiteres auf die Situation des finanziellen Ausgleichs partieller Berufsverbote übertragbar: Im Falle eines Beschäftigungsverbotes gehe es nicht um eine zumutbare Fortzahlung von Bezügen, sondern vielmehr um einen angemessenen Ausgleich für ein Tätigkeitsverbot. Dieses Defizit sei insbesondere mit Blick auf die Höhe des Übergangsgeldes festzustellen, denn dieses belaufe sich ab dem vierten Monat auf die Hälfte der ursprünglichen Bezüge. Die (temporär) untersagte, nachamtliche Tätigkeit werde hingegen im Regelfall eher höher dotiert sein als die Hälfte der ursprünglichen Bezüge. Dementsprechend sei das Übergangsgeld nicht stets ein passgenauer Ausgleich. Allerdings seien die (verfassungsrechtlichen) Spielräume des Gesetzgebers hier großzügig anzusetzen.131 Die Kritik kann nachvollzogen werden. Das Instrument des Übergangsgeldes erscheint bereits einfachgesetzlich zu unflexibel, um einen kongruenten Ausgleich im Einzelfall zu ermöglichen. Das ausscheidende Regierungsmitglied soll gerade nicht „aufgefangen“ und so vor den Folgen plötzlicher Arbeitslosigkeit geschützt werden. Vielmehr geht es um den Ausgleich eines konkret messbaren, wirtschaftlichen Verlustpostens. Dass sich dieser wirtschaftliche Verlust wohl nicht nur auf die Hälfte der ursprünglichen Bezüge beschränken wird, wie § 14 Abs. 3 Nr. 2 BMinG für die Zeit ab dem 4. Monat bestimmt, liegt auf der Hand. Auch die Stoßrichtung der Vorschriften zum Übergangsgeld per se streitet gegen die Idee, diese als Kompensationsregelungen einzusetzen. Die Bestimmungen sind darauf ausgelegt, die mittelfristige Wiedereingliederung des ehemaligen Amtsträgers in den privatwirtschaftlichen Arbeitsmarkt zu forcieren. So belaufen sich die Zahlungen nach § 14 Abs. 3 Nr. 2 BMinG ab dem vierten Monat nur deshalb noch auf die Hälfte der ursprünglichen Bezüge, um einen Anreiz für eine entsprechende Wiedereingliederung zu schaffen.132 Dieser Zweck läuft de facto bei bereits wiedereingegliederten, ehemaligen Regierungsmitgliedern jedoch leer, sodass die geringere Bezugshöhe nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Angebracht wäre es vielmehr, mindestens die vollen Bezüge zu zahlen oder aber den Ausgleich (konkret) nach den tatsächlichen, wirtschaftlichen Verlustposten zu bemessen. Optional könnte die Regelung zum Übergangsgeld auch mit einer Ermessensnorm angereichert werden, um ein krasses Missverhältnis zwischen Ausgleichszahlung und angestrebter Vergütung aufzufangen – hierzu an späterer Stelle mehr.
131 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 10 ff. sowie Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134. 132 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 11.
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
Zuletzt stützt auch die Ratio der §§ 6a ff. BMinG die vorstehende Wertung. Die Vorschriften sollen, wie vielfach herausgestellt, primär einen Abstand zwischen Amt und privatwirtschaftlicher Tätigkeit schaffen, um die Entstehung eines „Bösen Anscheins“ zu verhindern und die Integrität der Regierung zu bewahren. Dieses Ziel wird mit der Aussprache eines temporären Tätigkeitsverbots bereits hinreichend gefördert. Nicht dienlich oder erforderlich erscheint es dann, das betroffene Regierungsmitglied zusätzlich mit pauschalen und damit wohl zumeist auch unproportionierten Ausgleichszahlungen „abzustrafen“.
II. Anwendungsorientierte Analyse der Gesetzesentwürfe zur Einführung einer Karenzzeit in Niedersachsen Auch die im Dezember 2019 auf niedersächsischer Landesebene zur Abstimmung gestellten Entwürfe stehen einer anwendungsorientieren Analyse offen. So soll zunächst der – mittlerweile parlamentarisch bestätigte – Entwurf der Landesregierung beleuchtet werden. Daraufhin werden die Entwürfe der Landtagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen sowie der AfD untersucht. 1. (Bestätigter) Entwurf der Landesregierung – § 7a NdsMinG(-E) Der Entwurf der Niedersächsischen Landesregierung bildete – bis auf eine Ausnahme – mehr oder weniger identisch die bundesrechtlichen Regelungen in den §§ 6a–6d BMinG nach. Mit der mehrheitlichen Annahme desselben im Niedersächsischen Landtag133 wurden die Stärken, aber auch die Schwächen des bundesgesetzlichen Regelungsmodells übernommen. a) Risiken einer alleinigen Verantwortlichkeit der Landesregierung als Untersagungsorgan Der wesentliche Unterschied zur bundesrechtlichen Regelung134 sowie zu einigen landesrechtlichen Parallelvorschriften135 bestand darin, dass die Niedersächsische Landesregierung in alleiniger Verantwortung eine Untersagungsentscheidung bilden und treffen sollte. Es war also nicht vorgesehen, dass die Landesregierung von einem unabhängigen, beratenden Gremium unterstützt wird, welches dazu angehalten gewesen wäre, zuvor eine Empfehlung und Einschätzung der Sach- und Rechtslage abzugeben. In dieser schlankeren, niedersächsischen Konzeption war das Risiko der Gefährdung zweier Gesetzesziele angelegt. So wäre mit der verfolgten Entwurfs133
Vgl. hierzu im 2. Kapitel unter A. II. 2. a). Vgl. hierzu § 6b Abs. 3 und 4 sowie § 6c BMinG. 135 Vgl. hierzu etwa die Regelungen in Nordrhein-Westfalen aus § 8a Abs. 3 MinG NRW oder in Schleswig-Holstein aus § 8a Abs. 3 MinG SH. 134
C. Anwendungsorientierte Analyse
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struktur insbesondere die ausgerufene Bestrebung der Integritätswahrung des ehemaligen Anstellungsorgans136 einerseits sowie das damit mittelbar verbundene Ziel der Förderung gesellschaftlicher Akzeptanz gegenüber nachamtlichen Wechselvorhaben andererseits wohl nicht mehr ohne Weiteres greifbar gewesen. Die Einschaltung eines beratenden Gremiums auf Bundesebene dient nämlich einem tragfähigen Zweck: Durch die Einbindung des unabhängigen Gremiums an der Seite der Bundesregierung in den Entscheidungsfindungsprozess soll dafür Sorge getragen werden, dass die gesamte, die Entscheidung legitimierende Verantwortung gerade nicht allein auf der Regierung als Untersagungsorgan lastet. Dies soll in concreto durch die Einbindung externer Sachverständiger gewährleistet werden, die außerhalb der Regierung stehen und damit Objektivität vermitteln.137 Von einem solchen, eine zusätzliche Legitimation vermittelnden Korrektiv sollte auf niedersächsischer Landesebene gänzlich abgesehen werden. Insgesamt hätte bei der im Entwurf aufgeworfenen Einzelverantwortlichkeit damit die Gefahr bestanden, dass sich die Kritik am angestrebten Wechsel des ehemaligen Regierungsmitglieds auf die Landesregierung überträgt und damit ein Akzeptanzdefizit hinsichtlich der getroffenen Entscheidung sowie ein Integritätsschaden für das Organ selbst entsteht. Insbesondere mit letzterem Aspekt ist ein hohes Gefährdungspotenzial verbunden, da ein solch strukturelles Misstrauen durchaus schwerwiegend ist und den eigentlichen Gesetzeszweck vollkommen konterkarieren kann. b) Anzeigeverpflichtung mit Verbotsvorbehalt als sinnvolles Regelungskonzept Da sich der Entwurf der Landesregierung insgesamt stark an der gesetzlichen Konzeption auf Bundesebene orientierte, ist auch auf Landesebene die Regelungsstruktur einer Anzeigeverpflichtung mit Verbotsvorbehalt übernommen worden. Auf diese Weise war vorgesehen, möglichst minimalinvasiv und damit grundrechtsschonend darüber zu entscheiden, ob und wenn ja, inwieweit eine Karenzzeit auszusprechen ist. Die Landesregierung vertraute insoweit (begründet, s. o.) auf das Anzeige- und Prüfverfahren als Mittel zur Abschreckung. Um die bereits im Kontext der Analyse der Bundesregelung138 kritisierte, so einfachgesetzlich nicht abgedeckte Übergangsphase zwischen Anzeige und etwaiger Untersagung auch rechtlich aufzufangen, wäre allerdings auch hier die Implementierung einer temporären Untersagungsmöglichkeit wünschenswert gewesen.139
136 137 138 139
LT-Drs. 18/4770, S. 3. Hierzu insgesamt bereits in diesem Kapitel unter C. I. 1. Vgl. hierzu in diesem Kapitel unter C. I. 2. Hierzu näher im 5. Kapitel unter A. II. 1. (Reformansätze).
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
c) Sachgerechte Entschädigung durch Übergangsgeld? Nur im Entwurf der Landesregierung war die Fortzahlung eines Übergangsgeldes für die Zeit einer etwaigen Untersagung als Ausgleich vorgesehen, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Allerdings greift auch hier dieselbe Kritik, die so schon an der Ausgleichsklausel auf Bundesebene geübt wurde.140 Auch hier hätte nämlich der Ausgleich eines konkret messbaren, wirtschaftlichen Verlustpostens im Raum gestanden, der sich – wie es § 12 Abs. 3 Nr. 2 NdsMinG für die Zeit ab dem 4. Monat bestimmt – wohl nicht nur auf die Hälfte der ursprünglichen Bezüge belaufen hätte. Ein „Abstrafen“ des betroffenen Regierungsmitglieds durch nicht passgenau ausgerichtete Ausgleichsklauseln sollte auch auf Landesebene nicht Inhalt der Karenzzeitregelung sein und wäre auch nicht von der Ratio dieser Regelung umfasst gewesen. Diese Einschätzung lässt sich auch auf Landesebene mit den Wertungen des Übergangsgeldes per se stützen: Auch hier werden die Zahlungen gem. § 12 Abs. 3 Nr. 2 NdsMinG ab dem vierten Monat halbiert, um einen Anreiz zur Wiedereingliederung zu schaffen. Dieser Zweck läuft bei bereits wiedereingegliederten, ehemaligen Regierungsmitgliedern leer. Die geringere Bezugshöhe erscheint daher nicht mehr gerechtfertigt. Angebracht wäre es damit auch hier gewesen, die vollen Bezüge fortzuzahlen oder aber den Ausgleich konkret nach den tatsächlichen Verlusten zu bemessen. Wahlweise hätte die Regelung zum Übergangsgeld auch mit einer Ermessensnorm angereichert werden können, um ein krasses Missverhältnis zwischen Ausgleichszahlung und angestrebter Vergütung aufzufangen und so den Ausgleich angemessen zu gestalten. 2. Entwurf der Bündnis 90/Die Grünen-Landtagsfraktion – § 12a NdsMinG-E Da sich der Entwurf der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in wesentlichen Punkten dem Entwurf der Landesregierung annäherte, gelten die vorgenannten Anregungen und Bedenken retrospektiv auch hierfür entsprechend. Soweit sich beide Entwürfe ihrer Konzeption nach unterscheiden, wird die Analyse wie folgt fortgesetzt. a) Risiken einer Ausgestaltung als gebundene Vorschrift Im nun untersuchungsgegenständlichen Entwurf ist das bundesrechtliche Regelungsmodell und damit auch dasjenige der Landesregierung insoweit abgeändert worden, als dass auf Rechtsfolgenseite sämtliche Ermessensvorschriften in eine gebundene Entscheidung umgewandelt worden sind. Mit § 12a Abs. 1 S. 5 NdsMinG-E sollte beispielsweise festgelegt werden, dass eine vorläufige Unter140
Vgl. hierzu in diesem Kapitel unter C. I. 4.
C. Anwendungsorientierte Analyse
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sagung ausgesprochen werden muss, wenn die Frist hinsichtlich der Anzeigeverpflichtung versäumt worden ist. Überdies sollte gem. § 12a Abs. 2 S. 1 NdsMinG-E zwingend eine Untersagung erfolgen, wenn öffentliche oder amtliche Interessen beeinträchtigt sind. Der Entwurf verfolgte mit vorgenannter Konzeption eine deutlich restriktivere Handhabung und hätte der Landesregierung einen Großteil ihrer Flexibilität geraubt, auf die sie jedoch besonders angewiesen gewesen wäre: Die Intensität des „Bösen Scheins“ kann von Fall zu Fall unterschiedlich schwer wiegen, sodass die Notwendigkeit einer passgenauen Regulierung umso mehr gegeben ist. Weniger proportionale Untersagungsentscheidungen hätten unter Umständen mangelnde Einzelfallgerechtigkeit nach sich ziehen können, was gerade im besonders sensiblen Bereich temporärer Berufsverbote durchaus bedenklich gewesen wäre. Andererseits wäre mit dem Entwurf auch Rechtssicherheit generiert und die Landesregierung als zuständiges Organ „aus der Schusslinie“ genommen worden. Ihr hätte weniger leicht unterstellt werden können, dass sie sich bei der Entscheidungsfindung von oben angesprochenen persönlichen Loyalitäten oder Animositäten hat leiten lassen – denn hierfür hätte es ihr schlichtweg an (politischem) Entscheidungsspielraum gefehlt. Das von Michael aufgeworfene Legitimationsdefizit, welches sich ob des Fehlens eines beratenden Gremiums hier durchaus hätte verwirklichen können, wäre so unter Umständen zumindest zum Teil ausgleichbar gewesen. b) Risiken einer Ausweitung der Untersagungsdauer Die durchaus restriktivere Linie des Entwurfs spiegelte sich auch in den Vorschlägen hinsichtlich der konkreten Untersagungsdauer wider, die die Regelungen des Bundes sowie die der Landesregierung bei Weitem übertrafen: Die vorübergehende Untersagungsdauer sollte bei Versäumung der Anzeigeverpflichtung drei Monate statt nur einem Monat betragen (vgl. § 12a Abs. 1 S. 5 NdsMinG-E) und zudem die Karenzzeit per se auf einen Zeitraum von bis zu 36 Monaten statt 18 Monaten ausgeweitet werden können (vgl. § 12a Abs. 2 S. 1, 5, 6 NdsMinGE). Eine Untersagungsdauer von 18 Monaten durfte im Falle der Untersagung generell nicht unterschritten werden, wie § 12a Abs. 2 S. 5 NdsMinG-E bestimmte. Eine Rechtfertigung für die dreifache bzw. doppelte Ausweitung der Untersagungszeiträume in Abweichung zur bundesgesetzlichen Regelung blieb die Gesetzesbegründung schuldig. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass mit dem Gesetzesentwurf im Ergebnis dieselben Ziele verfolgt wurden, die auch auf Bundesebene oder von der Niedersächsischen Landesregierung angestrebt worden sind. Natürlich kann auf Landesebene zwar – losgelöst von den bundesrechtlichen Regelungsmechanismen – eine abweichende Karenzzeit festgesetzt werden. Allerdings hätte Niedersachsen so im Ländervergleich
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
mit Abstand das restriktivste Karenzzeitgesetz eingeführt.141 In Anbetracht dessen stellt sich ex post die Frage nach der Notwendigkeit einer derart umfassenden Ausweitung der Karenzzeit und der damit verbunden Einnahme einer Sonderrolle auf Länderebene. Der „Böse Schein“ wird nämlich bei nachamtlichen Wechseln von Landesregierungsmitgliedern in einer ähnlichen, wenn nicht sogar geringeren Intensität auftreten als bei nachamtlichen Wechseln von Bundesregierungsmitgliedern. Um sich die Tragweite dieser damals beabsichtigten, drastischen Verschärfungen vor Augen zu führen, sei auch darauf verwiesen, dass eine solche – in Kombination mit der Ausgestaltung der Vorgaben als gebundene Entscheidung – zur Folge gehabt hätte, dass jedes ausscheidende Landesregierungsmitglied nach § 12a Abs. 2 S. 5 NdsMinG-E bereits im Fall einer potenziellen Vertrauensbeeinträchtigung für mindestens 18 Monate gesperrt gewesen wäre. Damit hätte sich die Mindestsperrzeit in Niedersachsen auf einen Zeitraum belaufen, der auf Bundesebene als Maximalsperrzeit für „arge Fälle“ vorgesehen ist, also den absoluten Extremfall. Dies erscheint rückblickend insgesamt ausufernd. c) Fehlende Regelung zum Übergangsgeld Eine weitere Auffälligkeit im Entwurf der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen betrifft im Rückblick die fehlende Regelung zum Übergangsgeld bzw. zu einer vergleichbaren Entschädigung für die Zeit einer ausgesprochenen Untersagung. Im Gegensatz zu den bundesrechtlichen142 und anderen landesrechtlichen143 Regelungen sowie zum Entwurf der Niedersächsischen Landesregierung144 sah § 12a NdsMinG-E eine solche Entschädigung nicht vor. Ein ehemaliges Regierungsmitglied wäre dementsprechend vollständig auf das Übergangsgeld nach § 12 NdsMinG angewiesen gewesen, welches ausweislich des Abs. 2 jedoch – je nach vorheriger Bezugszeit – höchstens für zwei Jahre beansprucht hätte werden können. Der Höhe nach werden die ursprünglichen Bezüge gem. § 12 Abs. 3 NdsMinG nur für die ersten drei Monate vollständig (Nr. 1) und danach lediglich halbiert (Nr. 2) gewährt. Dies hätte praktisch bedeutet: Im Falle einer Untersagung nach § 12a Abs. 1 S. 1 i.V. m. S. 6 NdsMinG-E, die für insgesamt 36 Monate ausgesprochen worden wäre, hätte das ehemalige Regierungsmitglied nur insgesamt drei Monate das volle Amtsgehalt bezogen, daraufhin – wenn überhaupt – bis zum 24. Monat das halbe Amtsgehalt und ab 141 Die Untersagungsdauer in Brandenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg und Thüringen kann sich auf bis zu zwei Jahre belaufen (vgl. § 5c Abs. 2 BbgMinG, § 8a Abs. 2 SHMinG, § 9a Abs. 2 HmbSenatsG sowie § 5b ThürMinG), in Hessen auf 18 Monate (§ 8a Abs. 2 HessLRegBezügeG) und in Nordrhein-Westfalen sogar auf nur 12 Monate (§ 4b Abs. 1 NRWMinG). 142 Vgl. § 6d BMinG. 143 So etwa § 8a Abs. 2 S. 4 SHMinG oder § 4c NRWMinG. 144 So in § 7a Abs. 5 NdsMinG-E.
C. Anwendungsorientierte Analyse
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dem 25. Monat bis zum 36. Monat keinerlei Bezüge erhalten. Abgesehen davon, dass das Übergangsgeld ohnehin schon keine passgenaue Entschädigung für ein temporäres Berufsverbot darstellt,145 hätte ein solches Regelungskonzept mit Strafcharakter erst recht die Integrität des Ministeramtes gefährdet: Der jeweilige Amtsträger wäre gezwungen gewesen, bereits während seiner Amtszeit für eine potenzielle Sperrphase finanziell vorzusorgen. Eine so drohende Doppelbelastung wäre höchstwahrscheinlich als Gefahr für die Ernsthaftigkeit und Ausschließlichkeit der Amtswahrnehmung als landesverfassungsrechtlich gem. Art. 34 Abs. 2 NV gesicherte Zielstellung zu Tage getreten. d) Besondere Detailtiefe der Regelung Positiv hervorzuheben ist indes die vergleichsweise besondere Detailtiefe des Regelungsentwurfs. Insbesondere Inhalt und Umfang der nach § 12a Abs. 1 NdsMinG-E bestehenden Anzeigeverpflichtung waren hinreichend konkretisiert, sodass konstatiert werden kann, dass aus der Kritik146 an den entsprechenden Lücken der §§ 6a–d BMinG die richtigen Schlüsse gezogen worden sind. Gleiches gilt auch für die Vorgabe in § 12a Abs. 2 S. 4 NdsMinG-E, nach der eine Untersagung innerhalb von 14 Tagen nach der Anzeige auszusprechen gewesen wäre. Mit dieser Klausel wäre das Risiko einer „regulierungsfreien Phase“, das der Anzeigeverpflichtung prinzipiell innewohnt,147 auf ein Minimum reduziert worden. Auch die zusätzliche Konkretisierung der Typisierung aus § 12a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Hs. 2 NdsMinG-E hätte zur verstärkten Bestimmtheit der Vorschrift und damit zur Rechtssicherheit beigetragen. 3. Entwurf der AfD-Landtagsfraktion – § 5a NdsMinG-E Der Gesetzesentwurf der AfD Landtagsfraktion stellte inhaltlich ein Mischwerk des Entwurfs der Landesregierung und des Entwurfs der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen dar. Er orientierte sich rechtssystematisch eher am Entwurf der Landesregierung und konzipierte den Untersagungstatbestand in § 5a Abs. 3 NdsMinG-E als Ermessensvorschrift. Die Untersagungsdauer hingegen konnte sich auch nach dem Entwurf der AfD auf bis zu 36 Monate und nicht etwa 18 Monate erstrecken. Eine Mindestuntersagungsdauer (Bündnis 90/Die Grünen: 18 Monate) oder eine Regeluntersagungsdauer (Landesregierung: 12 Monate) war nicht vorgesehen.
145
Vgl. hierzu in diesem Kapitel unter C. I. 4. Vgl. hierzu Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 8. 147 Vgl. hierzu in diesem Kapitel insbes. unter C. I. 2. 146
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2. Kap.: Empirische Bestandsaufnahme
Der Entwurf hätte der Landesregierung mit der Ausgestaltung des Untersagungstatbestandes als Ermessensvorschrift zwar mehr Spielraum gelassen, setzte jedoch die potenzielle Untersagungsdauer mit bis zu 36 Monaten ebenfalls sehr hoch an. Diese hohe Untersagungsdauer wäre allerdings durch den vorgenannten Punkt etwas abgeschwächt worden: So hätte die Landesregierung durchaus die Möglichkeit gehabt, auf den Einzelfall zu reagieren und eine geringere Untersagungsdauer auszusprechen, falls der „Böse Schein“ weniger schwer wiegt. Hiermit ging einher, dass eine minimale Untersagungsdauer nicht zu treffen gewesen wäre. Im Übrigen gelten die vorstehenden Ausführungen auch entsprechend für den Entwurf der AfD Landtagsfraktion: Die alleinige Zuständigkeitsverlagerung auf die Landesregierung barg auch hier genauso vielfältige Risiken wie die fehlende Implementierung einer passenden Ausgleichs- oder Entschädigungsklausel.
III. Ergebnis der anwendungsorientierten Analyse Die anwendungsorientierte Analyse der bestehenden Vorgaben auf Bundesebene sowie der parlamentarisch debattierten Vorgaben auf niedersächsischer Landesebene offenbart zum einen, auf welche Schlüsselstellen bei der effektiven und grundrechtsschonenden Ausgestaltung von Karenzzeitregelungen besonderes Augenmerk zu legen ist: Dies betrifft insbesondere die Verteilung der Zuständigkeiten für die Untersagung an die jeweilige Regierung bzw. ein externes Gremium, die Bemessung der konkreten Untersagungsdauer, die Ausgestaltung der Untersagungsnorm als Ermessensvorschrift oder gebundene Entscheidung sowie die Gewährung eines angemessenen Ausgleichs für die Zeit der Sperre. Zum anderen wird deutlich, dass sowohl die bestehenden als auch die zur Debatte gestellten Karenzzeitvorgaben jeweils an zumindest einer der vorgenannten Schlüsselstellen Optimierungsbedarf aufweisen bzw. aufwiesen. Auf Grundlage der vorstehenden Analyse sowie der nachstehenden, verfassungsrechtlichen Konformitätsprüfung werden daher im 5. Kapitel Reformansätze entwickelt, die die aufgezeigten Schwächen womöglich abmildern können.
3. Kapitel
Sozialwissenschaftliche, rechtssoziologische und normative Verortung des sog. „Drehtüreffekts“ A. Der „Drehtüreffekt“ als Grundkonflikt und Triebfeder hinter Karenzzeitregelungen Betrachtet man die Gesetzesbegründungen der vielen verschiedenen, zumeist einfachgesetzlichen Novellierungen, mit denen in jüngster Vergangenheit neue oder schärfere Karenzzeitvorgaben für ehemalige Spitzenpolitiker rechtspolitisch begründet und gerechtfertigt worden sind, sticht vor allem der Begriff des „Interessenkonflikts“ ins Auge.1 Auch die bereits einleitend genannte Vorschrift des Art. 12 Abs. 2 lit. e der UN-Korruptions-Konvention knüpft beispielsweise an diese zentrale Terminologie an. Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Zusammenhang den per se sehr abstrakten Begriff des „Interessenkonflikts“ in der Gesetzesbegründung zu den 2015 eingeführten Karenzzeitvorgaben im BMinG und ParlStG erstmalig kontextualisiert und inhaltlich angereichert. Demnach soll mit den neu geschaffenen Vorgaben verhindert werden, dass „durch den Anschein einer voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Karriereaussichten oder durch die private Verwertung von Amtswissen nach Beendigung des Amtsverhältnisses das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung beeinträchtigt wird.“ 2
Diese – dem ersten Anschein nach durchaus einleuchtende – Konfliktlage beschreibt Teilaspekte eines Phänomens, für das sich im deutschsprachigen Raum der Begriff des sog. „Drehtüreffekts“ etabliert.3 Der Begriff des „Drehtüreffekts“ steht wiederum mit dem Terminus des „Seitenwechsels“ 4 in einem engen Zusam1 So z. B. BT-Drs. 18/4630, S. 1; LT-Drs. 20/13298, S. 5 (Hessen); LT-Drs. 7/2183, S. 2 (Mecklenburg-Vorpommern) oder LT-Drs. 16/11153, S. 25 (Nordrhein-Westfalen). 2 BT-Drs. 18/4630, S. 1. 3 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 35 f. 4 Die Begrifflichkeit des „Seitenwechsels“ dominiert insbesondere in der allgemeinen Presseberichterstattung. Vgl. etwa „Süddeutsche Zeitung“ vom 24.4.2015, abrufbar unter der URL https://www.sueddeutsche.de/politik/karrierenach-der-politik-anleitungzum-seitenwechsel-1.2449498; „Zeit-Online“ vom 13.12.2017, abrufbar unter der URL https://www.zeit.de/2017/52/seitenwechsel-politiker-wirtschaft-lobbyismus-hannelorekraft-joschka-fischer oder auch „Welt“ vom 12.9.2018, abrufbar unter der URL https://
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3. Kap.: Verortung des sog. „Drehtüreffekts‘‘
menhang und kann sinnvoll nur in Abgrenzung zu diesem ergründet werden; denn die Begrifflichkeiten bedingen sich inhaltlich, überlagern sich teilweise jedoch auch. So muss deutlich zwischen dem „Seitenwechsel“ und dem „Gehen durch die Drehtür“ einerseits und dem damit verbundenen „Drehtüreffekt“ andererseits differenziert werden: Ersteres umfasst im Ergebnis den schlichten Vorgang des zeitnahen Wechsels eines amtierenden Amtsträgers vom öffentlichen in den privaten Sektor.5 Letztere Begrifflichkeit meint die gesellschaftlichen sowie politischen Folge- oder Begleiterscheinungen des schnellen Wechsels, eben in Gestalt des beschriebenen Interessenkonflikts. Der Drehtüreffekt steht im Mittelpunkt der rechtspolitischen Motivation zur Einführung und Gestaltung von Karenzzeitvorgaben und wird daher zum Gegenstand des Kapitels gemacht. Dafür werden die bestehenden sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengefasst, ausgewertet und rechtssoziologisch gewürdigt sowie anschließend in den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Kontext eingeordnet. Insbesondere die rechtssoziologische sowie normative Würdigung der wesentlichen Erkenntnisse zum Drehtüreffekt ist dabei allein schon deshalb unabdingbar, weil diese die Grundlage für die noch vorzunehmende Interessen- und Rechtsgüterabwägung bilden, die im Rahmen der verfassungsrechtlichen Bewertung der bestehenden Karenzzeitvorgaben im 4. Kapitel erfolgt.
B. Sozialwissenschaftliche Erkenntnislage und rechtssoziologische Würdigung I. Einführung 6
Wie Bamberger in seinen Untersuchungen bereits im Jahr 2014 konstatiert, hat sich der nachamtliche Seitenwechsel vom öffentlichen in den privaten Sektor vor allem im spitzenpolitischen Bereich etabliert. So würden Seitenwechsel in Deutschland bei übergreifender Betrachtung zwar weniger oft vollzogen werden als beispielsweise in den Vereinigten Staaten. Das Fluktuationspotenzial innerhalb der „akteursspezifischen Gruppen“ (also seines Erachtens vor allem bei ehemaligen Regierungsmitgliedern, Staatssekretären und anderen Inhabern exekutiver Führungsämter) sei hingegen im Verhältnis als besonders hoch einzustufen.7 Hierfür seien mehrere kohärente Triebfedern als Faktoren ausschlaggebend, die insgesamt die Interessenlage der Akteure abbilden würden: Auf Seiten der Amtsträger stehe das Interesse nach finanzieller und ideeller Absicherung. Auf Seiten www.welt.de/wirtschaft/bilanz/article181503362/Seitenwechsel-Manager-in-Wirtschaftund-Politik.html. Alle zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 5 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 35. 6 Ebd., S. 43 f. 7 Ebd., S. 43 f.
B. Sozialwissenschaftliche Erkenntnislage
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(potenzieller) Arbeitgeber werde darauf abgezielt, durch die Anstellung ehemaliger Amtsträger Einfluss und Know-how zu gewinnen – und zwar in Form von Fachexpertise (verstärkt durch besonderes Amtswissen – „what you know“) und persönlichen Beziehungen in die Politik („whom you know“).8 Diese Einschätzung ist mittlerweile empirisch belegt9 und entfaltet realpolitisch auch nach oder besser gesagt trotz der verstärkten Regulierung der nachamtlichen Wechseloptionen für bestimmte Akteure seit insbesondere Juli 2015 weiterhin uneingeschränkte Gültigkeit, wie ein kursorischer Blick in die Praxis zeigt: In den Jahren 2015 bis 2020 wechselten bzw. planten einen Wechsel von der Spitzenpolitik in die Wirtschaft – um nur einige prominente Beispiele zu nennen – unter anderem Ronald Pofalla (Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben a. D.), Dirk Niebel (Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung a. D.), Franz-Josef Jung (Bundesverteidigungsminister a. D.), Christian Wulff (Bundespräsident a. D.), Hannelore Kraft (Ministerpräsidentin a. D. von Nordrhein-Westfalen), Torsten Albig (Ministerpräsident a. D. von Schleswig-Holstein) sowie Sigmar Gabriel (Bundesminister des Auswärtigen a. D. sowie Bundesminister für Wirtschaft und Energie a. D.).10 Der Themenkomplex rund um diesen sozialwissenschaftlichen Kerneffekt erfreut sich mit anderen Worten auch nach wie vor größter Aktualität und hat sich nicht etwa nach Tätigwerden des Gesetzgebers „erledigt“. Damit besteht weiterhin Anlass zur Untersuchung desselben.
II. Einordnung und Kategorisierung des Drehtüreffekts nach Bamberger Aufbauend auf der vorstehend sondierten Interessenlage unterteilt Bamberger die mit einem solchen „Seitenwechsel“ korrelierenden ethischen Folgen und Gefahren, die letztlich den „Drehtüreffekt“ abbilden, in drei Teilbereiche. Hierbei knüpft er als Zäsurpunkt insbesondere an das Ausscheiden des jeweiligen Amtsträgers aus seinem Amt an: Zum einen könne die Amtsführung von noch amtierenden Amtsträgern durch das Inaussichtstellen eines Wechsels beeinflusst wer-
8
Ebd., S. 45 ff. Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 229 ff. Tenner hat hierfür die Datenlage zwischen 2002 und 2013 erhoben und festgestellt, dass 47 Prozent alle Regierungsmitglieder sowie (parlamentarischen) Staatssekretäre in dieser Zeit den Seitenwechsel vollzogen haben. 10 Eine offizielle, staatliche Statistik oder ein Register über Seitenwechsel ist nicht verfügbar. Einen guten und fortlaufend aktualisierten Überblick über aktuelle (auch weniger presseträchtige) Wechsel stellt jedoch der Verein LobbyControl e. V. auf seiner Website unter der URL https://lobbypedia.de/wiki/Seitenwechsler_in_Deutschland_ im_%C3%9Cberblick zur Verfügung. Zuletzt abgerufen am 22.5.2020. 9
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den.11 Zum anderen bestehe die Gefahr, dass durch die Anstellung ehemaliger Amtsträger mit Sonderwissen, die den Seitenwechsel vollziehen, Einfluss auf die Symmetrie der privaten Interessenvertretung genommen werde.12 Losgelöst von diesen konkreten Gefährdungsaspekten sei zudem stets die abstrakte Gefahr des Erweckens eines sog. „Bösen Scheins“ zu befürchten.13 1. Beeinflussung der Amtsführung: „Korruptionsverdacht“ Als erste Gefahr bzw. negative Folge eines Seitenwechsels und damit Ausprägung des „Drehtüreffekts“ führt Bamberger den Verdacht der missbräuchlichen Beeinflussung der Amtsführung von noch amtierenden Amtsträgern an. Gebündelt werden diese Ausführungen unter dem Schlagwort des „Korruptionsverdachts“ 14 bzw. des „Korruptionsvorwurfs“.15 Die dieser Annahme zugrunde liegende korruptionswissenschaftliche Einschätzung konzentriert er dabei auf zwei Kernaussagen: Zum einen könne das Inaussichtstellen einer nachamtlichen Karriere in der privaten Wirtschaft als „Gegenleistung“ oder „Belohnung“ für verstärkte Einflussnahme des entsprechenden privaten Akteurs auf aktuelle politische Prozesse und damit als missbräuchliche Beeinflussung verstanden werden. Zum anderen sei auch bereits der Ausstrahlungseffekt, der von derartigen Karriereabsprachen ausgehe, dazu geeignet, eine Beeinflussung der eigenen Amtsführung herbeizuführen; hier bestehe die Gefahr des „Hinarbeitens“ auf einen Seitenwechsel, verbunden mit entsprechenden Gefälligkeiten gegenüber potenziellen Arbeitgebern.16 Diese Befürchtungen halten dabei auch einer Plausibilitätskontrolle Bambergers17 stand: Als „wahrscheinlich“ bewertet er, dass private Vertragsverhandlungen zur nachamtlichen, finanziellen Existenzsicherung zumeist in die Zeit der eigentlichen Amtsführung fallen würden und so ein entsprechendes Missbrauchsrisiko entstehe. Dies belegt er einerseits mit verschiedenen empirischen Anhaltspunkten, andererseits aber auch mit der schlichten Annahme, dass eine derart frühzeitige Sondierung durch die Betroffenheit wichtiger persönlicher und wirtschaftlicher Ressourcen und dem Fehlen wesentlicher rechtlicher Risiken gefördert werde.
11 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 53 ff. 12 Ebd., S. 59 ff. 13 Ebd., S. 69 ff. 14 Ebd., S. 52 und 74. 15 Ebd., S. 59. 16 Ebd., S. 54 m.w. N.; Bamberger sieht insbesondere die Gefahr eines „Hinarbeitens“ auf eine solche Absprache. 17 Ebd., S. 55–57 m.w. N.
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Insgesamt folgt Bamberger dabei der korruptionswissenschaftlichen Einschätzung insoweit, als dass sich überlagernde Sondierungsgespräche, die der privaten Vorsorge dienen, durchaus missbräuchlich auf öffentliche Belange auswirken können und damit den vielfach geäußerten Verdacht stützen. Zur Fundierung dieses Ursachenzusammenhangs führt er im Wesentlichen ein Bündel aus drei weiteren Faktoren an, die er als „Beeinflussungs-Katalysatoren“ bezeichnet: Die – insbesondere im Vergleich zu Beamten oder Richtern – schlechtere bzw. weniger nachhaltige Pensionsversorgung von Berufspolitikern, die verbesserten Möglichkeiten zum kollusiven Zusammenwirken aufgrund engerer und vertrauterer Zusammenarbeit mit (potenziellen) späteren Arbeitgebern (Stichwort: „Sachnähe“) sowie das Fehlen normativer Regulierungsmechanismen.18 2. Einfluss auf die Symmetrie privater Interessenvertretung: „Lobbyverdacht“ Neben dem vorstehend skizzierten „Korruptionsverdacht“ sieht Bamberger19 unter Verweis auf die aktuelle Lobbyforschung als weiteren Aspekt des „Drehtüreffekts“ auch die Gefahr einer asymmetrischen Interessenvertretung, die aus der systematischen Anstellung ehemaliger Spitzenpolitiker mit amtlich erlangtem „Sonderwissen“ bei privaten Interessenverbänden resultiere. Hierfür macht Bamberger20 insbesondere zwei Faktoren aus: Der Seitenwechsel eines gut vernetzten und über die internen Abläufe informierten Spitzenpolitikers in die private Interessenvertretung ermögliche hier agierenden Akteuren einen verbesserten Zugang zu staatlichen Entscheidungsprozessen. Dieser verbesserte Zugang führe letztlich auch zu gesteigerten Einflussnahmemöglichkeiten auf staatliche Entscheidungsbildungsprozesse, wobei Bamberger21 diese Korrelation mit Blick auf die Bedingungen privater Interessenvertretung in einer modernen Gesellschaft herleitet. Bamberger22 resümiert dabei, dass beide Faktoren als Charakteristika eines Seitenwechsels einen solchen asymmetrischen Effekt – kurz „Lobbyverdacht“ oder „Lobbyvorwurf“ – hervorrufen können. Die Möglichkeit der Anstellung von Spitzenpolitikern mit „Sonderwissen“, die einen verbesserten Zugang zu Entscheidungsprozessen sowie eine gesteigerte Einflussnahme auf politische Entscheidungsbildungsprozesse mit sich bringe, sei letztlich Ausdruck einer auf besondere Qualität ausgerichteten Personalpolitik.23 Diese Form der Personalpolitik sei wiederum in der (modernen) Interessenvertretung zur effektiven Einfluss18 19 20 21 22 23
Ebd., S. Ebd., S. Ebd., S. Ebd., S. Ebd., S. Ebd., S.
58 f. 59 ff. m.w. N. 61 f. 62 ff. 68 f.; zum Begriff des „Lobbyverdachts“ s. u. a. S. 74. 69, 74.
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nahme notwendig,24 aber dennoch nur ausgewählten – sprich finanzstarken – Interessenverbänden möglich. Hierdurch werde die angesprochene „Verzerrung“ bewirkt.25 3. Abstrakte Gefahr des „Bösen Anscheins“ Selbst wenn eine missbräuchliche Amtsführung im Einzelfall nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden könne, bleibt nach Bamberger26 als dritte Ausprägung des „Drehtüreffekts“ stets die Gefahr eines „Bösen Anscheins“ bestehen. Die Gefahr des Entstehens eines solchen „Bösen Anscheins“ sei dabei grundsätzlich davon abhängig, ob ein befürchtetes Szenario als wahrscheinlich eingestuft werde und Mechanismen zur Gegendarstellung bestünden. Da die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines (missbräuchlichen) Wechselszenarios nach den getroffenen Erkenntnissen zum „Korruptionsverdacht“ und „Lobbyverdacht“ als hochplausibel einzustufen sei, gehe hiermit fast zwangsläufig auch das Entstehen eines entsprechenden Anscheins einher.27 Auch der Gesetzgeber habe das Bestehen eines solchen Automatismus anerkannt; im Rahmen von diversen präventiv wirkenden Normen zur Verhütung von Loyalitäts- und Interessenkonflikten habe er den integritätsschädigenden Anschein als logische Konsequenz bzw. Nebenfolge einer potenziellen Gefahrensituation eingestuft.28 Neben diesem primären „Anscheinseffekt“ seien auch weitere, konkrete anscheinsbedingte Folgeschäden für die öffentliche Hand plausibel und zu erwarten: Zum einen leide Autorität und Integrität des gesamten Staatsapparates durch mangelndes Vorbildverhalten („Binnenwirkung“). Zum anderen führe der Anschein einer Übervorteilung zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung, welcher sich vor allem in der abnehmenden Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen sowie der verstärkten Respektlosigkeit gegenüber der Verwaltung selbst niederschlage.29 Bamberger vertritt daher die Annahme, dass sich die Existenz des vorgenannten Anscheins trotz der Ungewissheit einer „tatsächlichen Substanz hinter der Gemengelage aus Verdächtigungen und Misstrauen“ bei einem zeitnahen Wechsel von der Politik in die Wirtschaft nicht vermeiden lasse. Hierzu trage nach Ansicht Bambergers30 erheblich mangelnde Transparenz und der Eindruck der „Kungelei“ zwischen Politik und Wirtschaft in risikofreier Sphäre bei.
24 25 26 27 28 29 30
Ebd., S. 67. Ebd., S. 69. Ebd., S. 69. Ebd., S. 70. Ebd., S. 70 f. m.Verw. a. §§ 20 f. VwVfG, §§ 71, 105 BBG sowie Art. 66 GG. Ebd., S. 71 ff. m.w. N. Ebd., S. 74.
B. Sozialwissenschaftliche Erkenntnislage
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III. Rechtssoziologische Würdigung und Neugewichtung der bestehenden Erkenntnislage Die aufgezeigten sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse werden im Folgenden einer kritischen, rechtssoziologischen Würdigung unterzogen. Diese soll dabei unter besonderer Berücksichtigung des Naturells des „Drehtüreffekts“ erfolgen: Da sich der „Drehtüreffekt“ hauptsächlich aus Vorwürfen und Verdachtsäußerungen zusammensetzt, erstreckt sich die Analyse einerseits auf die Frage, ob die (gesellschaftliche) Entstehung des entsprechenden Verdachts als Mechanismus plausibel hergeleitet worden ist. Andererseits konzentriert sie sich auch auf die Sondierung, ob die jeweilige Verdachtsäußerung tatsächlich sowie rechtlich auf einem tragfähigen Kern basiert, also gewichtig ist. Dahinter steht die Überlegung, dass der „Drehtüreffekt“ das wesentliche Regulierungsziel von Karenzzeitvorgaben darstellt oder – genauer gesagt – als soziologischer Automatismus sogar erst die Regulierungsnotwendigkeit ausgelöst hat. Will man nun an späterer Stelle das zulässige Eingriffsmaß der getroffenen Maßnahmen bewerten, müssen Tragfähigkeit, Gewichtigkeit und Legitimität der ausgerufenen Gesetzesziele eindeutig und hinreichend ausdifferenziert feststehen. Die so zu vollziehende Analyse mündet daraufhin in eine Neugewichtung der bestehenden Erkenntnisse. 1. Würdigung der Thesen zum „Korruptionsverdacht“ Die Plausibilitätserwägungen zum „Korruptionsverdacht“ vermögen bei Analyse der von Bamberger aufgestellten Ursachenzusammenhänge zwar durchaus im Ansatz, hinsichtlich ihres tragfähigen Verdachtskerns allerdings nicht vollumfänglich zu überzeugen. a) Das Argument des Bestehens eines „Regulierungsvakuums“ Bei ex post Betrachtung überzeugend ist zunächst insbesondere die Annahme, dass das Fehlen normativer Regulierungsmechanismen Beeinflussungskatalysator und damit Ursache des „Korruptionsvorwurfs“ sei. Tendenziell zielt es in eine ähnliche Richtung wie das bereits von Bamberger31 an anderer Stelle genannte Argument des Fehlens rechtlicher Risiken. Bis Anfang des Jahres 2014 war ein entsprechendes Vakuum eindeutig zu verzeichnen. Die einzig relevanten (und auch weiterhin gültigen) rechtlichen Regularien beliefen sich auf §§ 331–335, 336, 339 StGB (hier insbesondere Amtsdelikte wie Vorteilsannahme, Bestechlichkeit oder Rechtsbeugung), § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen als Amtsträger) und § 353b StGB (Verletzung von Dienstgeheimnissen und einer besonderen Geheimhaltungspflicht). Diese Strafnormen stellten und stellen auch weiterhin die miss31
Ebd., S. 57.
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3. Kap.: Verortung des sog. „Drehtüreffekts‘‘
bräuchliche Sondierung und Forcierung eines Amtswechsels unter Nutzbarmachung amtlich erlangter und entsprechend geschützter Informationen unter Strafe. Die hiermit einhergehende Abschreckungswirkung greift jedoch nur für den „argen“ Fall, der darauf abzielt, die Grenze der Strafbarkeit bewusst zu überschreiten. Für Wechselvorhaben unterhalb dieser Strafbarkeitsschwelle, die beispielsweise aufgrund besonderer Sachnähe zwischen amtlicher und nachamtlicher Tätigkeit gemeinhin als „heikel“ oder „unbillig“ bewertet werden, sich aber rein rechtlich nicht missbräuchlich gestalten, greifen die Vorschriften des StGB naturgemäß nicht. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Hürden des Strafrechts als „schärfstes Schwert“ des Staates an dieser Stelle entsprechend hoch sind: Soweit nicht beispielsweise bereits eine konkrete Gegenleistung – hier sei exemplarisch das rechtsgeschäftlich hinreichend konkretisierte Angebot einer späteren Anstellung angeführt – für die Vornahme einer wie auch immer gearteten Dienstausübung angenommen wird32 oder Dienstgeheimnisse diesbezüglich nutzbar gemacht werden, wird bereits ein materieller strafrechtlicher Vorwurf mangels hinreichend verortbarem Unrechtsgehalt in aller Regel nicht zu begründen sein. Damit bestand 2014 zwar strafbewehrte Abschreckungswirkung für eindeutig unerlaubte Wechsel, der „erlaubte“ aber als „unbillig“ eingestufte Wechsel war hiervon jedoch nicht umfasst. Der zuletzt aufgeworfene und auch untersuchungsgegenständliche Problemkreis war damit lange Zeit nur Gegenstand mittelbarer Regulierungsbestrebungen, zumeist in Gestalt öffentlich-rechtlicher Vorgaben: Zu nennen sind hier für Spitzenpolitiker auf Bundesebene etwa Art. 66 GG (wirtschaftliche Inkompatibilität), §§ 20, 21 VwVfG (Mitwirkungsverbot) sowie § 5 Abs. 2 BMinG (Kopplungsverbot) und § 6 BMinG (Verschwiegenheitsverpflichtung). Hiermit werden jedoch bei übergreifender Betrachtung nur sanktionslose, durchsetzungsschwache sowie interpretationsbedürftige Ausschluss- und Gestaltungsvorgaben getroffen, die den Eindruck missbräuchlicher bzw. unbilliger Beeinflussung der aktuellen Amtsführung durch nachamtliche Absicherungsbestrebungen, wenn überhaupt, nur beiläufig zu mindern vermochten. Gleiches gilt für den ebenfalls bereits kraft Natur der Sache eher unspezifisch gehaltenen Amtseid.33 Dieser kann schon des-
32 Die Tatmodalität des „Sichversprechenlassens“ i. S. d. § 331 Abs. 1 Var. 2 StGB setzt beispielsweise die Annahme des Angebots von noch zu erbringenden Vorteilen i. S. v. zwei übereinstimmenden Willenserklärungen voraus. Vgl. hierzu z. B. Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 331 Rn. 26. 33 So beschränkt sich beispielsweise der gem. Art. 64 Abs. 2 GG i.V. m. Art. 56 GG von Bundesministern zu leistende Amtseid auf folgenden Wortlaut: „Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ Auch bei extensiver Auslegung vom Passus „[. . .] Pflichten gewissenhaft erfüllen [. . .]“ ist vom Wortlaut des abzuleistenden Amtseids wohl keine nachamtliche Selbstverpflichtung umfasst.
B. Sozialwissenschaftliche Erkenntnislage
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halb nicht als „rechtliches Risiko“ gewertet werden, weil mit dessen Ableistung schon keine zusätzlichen Rechte oder Pflichten für den Amtsträger begründet werden.34 Allein auf den in diesem Zusammenhang oft rekurrierten „Ehrenkodex“ der Zurückhaltung und einen damit etwa einhergehenden Reputationsverlust zu vertrauen, muss rückblickend in Anbetracht der gesellschaftlichen Sensibilität für nachamtliche Wechsel als rechtlich nicht ausreichend bewertet werden. Dass das bis 2014 vorherrschende und in Teilbereichen durchaus defizitäre Regulierungssystem – gerade in Kombination mit dem Faktor der Betroffenheit wichtiger persönlicher und wirtschaftlicher Ressourcen – anfällig für die Entstehung eines Missbrauchsverdachts war, erscheint damit durchaus plausibel. Ob dieses Vakuum nun durch die neuen Karenzzeitvorschriften gefüllt worden ist und damit als Triebfeder aus jetziger Perspektive ausscheidet, wird an späterer Stelle in den Untersuchungen zu beurteilen sein. An dieser Stelle bleibt allerdings bereits festzuhalten, dass die bis 2014 vorherrschende Deregulierung in diesem Bereich nachvollziehbare Ursache für den „Korruptionsverdacht“ und damit den „Drehtüreffekt“ war. b) Das Argument der „kollusiven Sachnähe“ Ferner erscheint auch die Befürchtung um die Existenz eines kollusiven Zusammenhangs, der auf einer vertrauteren und engeren Zusammenarbeit des Spitzenpolitikers mit potenziellen Arbeitgebern beruht und in eine Missbrauchsgefahr und damit den „Korruptionsvorwurf“ mündet,35 als Mechanismus durchaus nachvollziehbar. In Teilbereichen stellen sich diese Ausführungen jedoch als zu undifferenziert heraus. So wird zwar plausibel herausgearbeitet, wieso der Verdacht auf kollusives Zusammenwirken bei besonders sachnahen Wechseln fast „automatisch“ erheblich steigt; weitestgehend offen gelassen wird jedoch, ob dieser anscheinsbedingte Vorwurf in der Sache auch tragfähig und insbesondere zulässig ist. Gerade dies ist jedoch von besonderer Relevanz für die weitergehende Prüfung. Für die Gewichtigkeit der These „Sachnähe führt zu Kollusion“ ist wiederum entscheidend, ob sich der Vorwurf auf einen hinreichenden Tatsachenkern bezieht, der entsprechend rechtlich zu werten ist: Der Großteil sachnaher Seitenwechsel müsste demgemäß als „unerlaubt“ und somit „kollusiv“ einzustufen sein. Dem wird im Folgenden nachgegangen.
34
Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 56 Rn. 14. So Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, u. a. auf S. 58. 35
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aa) Ausgangserwägungen: „Kollusion“ als abstrakter, rechtlicher Anknüpfungspunkt Zur Beurteilung von Bambergers These sollte einleitend zunächst der rechtlich aufgeladene Begriff der „Kollusion“ betrachtet werden. „Kollusion“ meint eigentlich eine aus dem zivilrechtlichen Stellvertretungsrecht kommende Konstellation, die die Situation des bewussten, meist heimlichen und damit insgesamt unerlaubten Zusammenwirkens von Vertreter und Vertragspartner zum Nachteil des Vertretenen erfasst.36 Überträgt man dies auf die untersuchungsgegenständliche Konstellation, können durchaus Parallelen aufgedeckt werden. Hier kann ein kollusives Zusammenwirken bzw. Handeln im Extremfall darin bestehen, dass im Verdeckten Absprachen zwischen Amtsträger und potenziellem Arbeitgeber für eine nachamtliche Tätigkeit in der Privatwirtschaft unter – strafrechtlich relevanter – Nutzbarmachung der aktuellen politischen Stellung getroffen werden. Damit ist wiederum eine nachteilige Wirkung in Form einer Integritätsschädigung für die (ehemalige) staatliche Stelle verbunden. Zum einen verwirklicht sich dann nämlich scheinbar die Gefahr der Vermischung amtlicher und privater Interessen. Zum anderen wird der Eindruck der Kungelei zwischen Politik und Wirtschaft in der Bevölkerung in Gänze hervorgerufen bzw. weiter gefördert. bb) Kollusives Handeln als zwingende Begleiterscheinung sachnaher Seitenwechsel? Dass die Art und Weise eines solchen Zusammenwirkens im Grunde denkbar ist, kann nicht bestritten werden. Fraglich ist jedoch, ob sich diese Form des Zusammenwirkens bei Seitenwechseln mit Sachnähe stets aufdrängt und verwirklicht und so die verdachtsartige Annahme des kollusiven Handelns überwiegend rechtfertigt. Um dies zu ermitteln, ist in einem ersten Schritt zunächst zu hinterfragen, ob Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft überhaupt tatsächlich durch besondere Sachnähe katalysiert werden (hierzu unter (1)). Sollte dies zu bejahen sein, muss in einem zweiten Schritt rechtlich beleuchtet werden, inwiefern diese besondere Sachnähe auch weit überwiegend in ein unerlaubtes Handeln mündet und damit den Verdacht der Kollusion stützt (hierzu unter (2)). Es stellt sich also mit anderen Worten die Frage nach dem tatsächlichen und rechtlichen Kern des vielfach geäußerten Verdachts. (1) Katalyse nachamtlicher Seitenwechsel durch besondere Sachnähe? Für eine Katalyse nachamtlicher Seitenwechsel durch besondere Sachnähe spricht bereits ganz praktisch, dass ehemalige Spitzenpolitiker nach ihrer Karriere in der Politik häufig gerade zu solchen privatwirtschaftlichen Unternehmen 36 Vgl. etwa Schäfer, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, § 167 Rn. 49; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 580 oder Faust, BGB AT, § 28 Rn. 24.
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wechseln, mit deren Beaufsichtigung, Förderung oder sonstigen Zusammenarbeit sie – bzw. genauer: ihr Ressort – während ihrer Amtszeit betraut waren. Ein derartiger Sachzusammenhang bzw. eine entsprechende Sachnähe zwischen früherer politischer Tätigkeit und darauffolgender Anstellung in der Privatwirtschaft kann bei diversen Seitenwechseln verzeichnet werden. So ist beispielsweise zum Zeitpunkt der Untersuchung Sigmar Gabriel als Bundeswirtschaftsminister a. D. Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG,37 Hannelore Kraft als ehemalige Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfahlen Mitglied im Aufsichtsrat des Steinkohlekonzerns RAG, Franz-Josef Jung als Bundesverteidigungsminister a. D. Mitglied im Aufsichtsrat der Rheinmetall AG, Stanislaw Tillich als ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen und Vorsitzender der Kohlekommission Mitglied im Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH oder Daniel Bahr als Bundesminister für Gesundheit a. D. Mitglied des Vorstandes der Allianz Private Krankenversicherung. Die Liste sachnaher Seitenwechsel kann an dieser Stelle unproblematisch fortgesetzt werden, sodass prima facie von einer Katalyse auszugehen ist. Gegen diese Überlegungen ist zwar anzuführen, dass auf höchster ministerieller Ebene i. d. R. keine Vollzugsentscheidungen getroffen werden, die „echte“ sachnahe Verwaltungszusammenarbeit also zumeist gar nicht auf politischer Leitungsebene des Ministeriums verankert ist.38 Die Möglichkeit eines konkret sachnahen Tätigwerdens von Spitzenpolitikern inhaltlicher Art und Weise könnte somit in Gänze anzuzweifeln sein. Dennoch sprechen die vorstehend beispielhaft aufgeführten Wechsel dafür, dass gerade auch auf der politischen Leitungsebene eines Ministeriums zumindest ressortnahe Wechsel vollzogen werden und daher dem Aspekt der, wenn man so will, „strukturellen Sachnähe“ durchaus ausschlaggebende Relevanz zugestanden werden muss. (2) Seitenwechsel durch besondere Sachnähe auch „unerlaubt“ und damit „kollusiv“? Blickt man nur auf die vorstehend aufgezeigte Wechselpraxis als abstrakten Faktor, lassen sich reflexartige Verdachtsäußerungen zunächst durchaus nachvollziehen. So scheint es sich im Politikbetrieb tatsächlich etabliert zu haben, erworbene Fachkompetenzen auch gezielt nachamtlich weiter nutzbar zu machen. Hiermit geht die natürliche Sorge einher, dass (spätere) kompetenzielle Überlagerungen Einfluss auf die Redlichkeit der Amtsführung haben könnten; es kommt zum Korruptionsvorwurf. 37 Zuvor standen jeweilige Wechsel von Gabriel in den Verwaltungsrat von SiemensAlstom (Fusion der Unternehmen von Europäischer Kommission untersagt, daher Wechsel geplatzt) bzw. in die Lobbyismusbranche der Automobilindustrie im Raum. 38 So auch Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 104 m.w. N.
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Gerade eine solche Form der reflexartigen Verdachtsäußerung läuft jedoch Gefahr, einer Vorverurteilung gleichzukommen, die die rechtlichen Verhältnisse im Einzelfall außer Acht lässt. Wertet man die genannten Wechsel nämlich einmal juristisch, fällt auf, dass „Sachnähe“ allein nie automatisch zur „Unerlaubtheit“ eines Seitenwechsels und damit zur berechtigten Annahme von „Kollusion“ geführt hat: „Unerlaubt“ ist letztlich nur das, was gegen Recht und Gesetz verstößt. Als Gesetze, die das vorgenannte Handeln „unerlaubt“ machen würden, sind de lege lata hauptsächlich die bereits vorstehend aufgeführten Normen des StGB (ggf. i.V. m. § 134 BGB) zu benennen.39 Diese stellen tatbestandlich jedoch gar nicht auf das Kriterium der „Sachnähe“ ab. Für eine strafrechtliche Relevanz hinzutreten muss vielmehr ein zielgerichtetes und missbräuchliches Ausnutzen derjenigen Strukturen, die durch „Sachnähe“ hervorgerufen oder begünstigt werden können. Dieses kann beispielsweise in der Weitergabe oder Verwertung von „Amtswissen“ liegen, das der besonderen Geheimhaltung unterliegt. Die Nutzbarmachung von bloßer „Sachkompetenz“ oder „Fachkunde“ fällt hier drunter jedoch eindeutig nicht.40 Lediglich die 2015 auf Bundesebene neu eingeführten öffentlich-rechtlichen Karenzzeitregelungen kennen in § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BMinG den Faktor der Sachnähe. Diesem wird hier eine Indizwirkung zugeschrieben: Liegt eine solche vor, ist regelmäßig von der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen in Form eines anscheinsbedingten Integritätsschadens für das ehemalige Anstellungsorgan auszugehen. Allerdings ist die Zielrichtung der Vorschrift zu beachten. Die Regelung fällt kein Voraburteil darüber, ob ein sachnaher Seitenwechsel im Einzelfall „erlaubt“ oder „unerlaubt“ erfolgt ist. Vielmehr ermöglicht sie es unabhängig davon, den Wechsel aufgrund des schlichten Eintritts eines äußeren Umstandes („Sachnähe“) temporär zu untersagen, um einem entsprechenden Anschein vorzubeugen.41 Präventiv verboten und damit grundsätzlich „unerlaubt“ ist ein sachnaher Seitenwechsel jedoch auch nach diesem Regelungsregime nicht: Der Gesetzgeber statuiert keinen Genehmigungsvorbehalt, sondern nur eine Anzeigepflicht mit Verbotsvorbehalt.42 Hiermit bringt er – im Einklang mit Art. 12 Abs. 1
39 So ist beispielsweise bei dem Wechsel von Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder in den Aktionärsausschuss (Aufsichtsrat) der Nord Stream AG diskutiert worden, ob womöglich ein gesetzliches Tätigkeitsverbot gem. § 134 BGB i.V. m. § 331 StGB (Vorteilsannahme) bestehe. Dies wird jedoch materiell- und prozessrechtlich regelmäßig abzulehnen sein. Vgl. hierzu Diller, „Cooling-off“-Klauseln als nachvertragliches Wettbewerbsverbot?, NZA 2018, 692, 694. 40 Vgl. zur ausführlichen Differenzierung zwischen „Amtswissen“ und „Fachkunde“ in diesem Kapitel unter B. III. 2. b) sowie im 4. Kapitel unter A. I. 2. b) bb) (4) (c) (cc). 41 BT-Drs. 18/4630, S. 1. 42 Vgl. hierzu im 2. Kapitel unter C. I. 2. sowie eingehend im 4. Kapitel unter B. I. 2. a).
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GG – zum Ausdruck, dass eine freie berufliche Entfaltung nachamtlich grundsätzlich zulässig und nicht etwa per se unerlaubt ist. Der Vorwurf der Kollusion ist in seiner juristisch aufgeladenen Form damit durchaus streitbar und mit Blick auf die rechtliche Würdigung bereits vollzogener, sachnaher Wechsel sogar kaum haltbar: Keiner dieser Wechsel war – trotz Sachnähe – strafrechtlich relevant und damit „unerlaubt“ in diesem Sinne. Ebenfalls zu betonen ist abschließend auch die besondere Gefahr, die mit entsprechenden Verdachtsäußerungen einhergeht. Mit diesen wird ein strafrechtlich relevantes Verhalten stets unterstellt und der Vorwurf entsprechend rechtlich aufgeladen. Dies ist rechtsstaatlich durchaus bedenklich, denn die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte und in Art. 6 Abs. 2 EMRK kodifizierte Unschuldsvermutung gilt es natürlich auch im (nach-)politischen Bereich stets zu beachten. cc) Zwischenergebnis Sachnahe Seitenwechsel bieten nach dem Vorgesagten durchaus – schon aufgrund ihres verstärkten tatsächlichen Vorkommens – eine besondere Angriffsfläche für die Äußerung des Anscheins unerlaubten und damit kollusiven Handelns. Allein dieses Potenzial ist auch ausreichend, um zumindest den von Bamberger hergeleiteten Zusammenhang als sozialen Mechanismus und Grundlage der Verdachtsentstehung für schlüssig zu erachten. Allerdings ist die in diesem Zuge konstatierte, tatsächliche Missbrauchsgefahr entsprechend abzuschwächen. Von „Missbrauchsgefahr“ kann letztlich nur gesprochen werden, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, durch das eigene Verhalten straf- oder zumindest disziplinarrechtliche Konsequenzen auszulösen. Die Hürde zur Überschreitung dieser Schwelle ist jedoch durchaus höher anzusetzen als von Bamberger dargestellt. Dass hierbei in aller Regel zudem auch nur der Eindruck bzw. der Anschein des unerlaubten Handelns nachvollziehbar erscheint, sollte bei Eingrenzung dieses Unteraspekts hinreichend ausdifferenziert und terminologisch durchaus kenntlich gemacht werden. So ist der Vorwurf unerlaubten und damit kollusiven Handelns zumeist nicht zu rechtfertigen, da echte Kollusion – in Form einer rechtlichen Illegalität – in aller Regel gar nicht vorliegt. Dementsprechend wäre es angebrachter, auch nur von einem solchen Eindruck unerlaubter bzw. kollusiver (oder sogar vielleicht nur unbilliger) Sachnähe zu sprechen.43 Den Begriff der Kollusion jedoch stets mit der „Drehtür“ zu verbinden erscheint problematisch und vermag zumindest rechtlich in die Irre zu führen. Da sich die vorstehend getroffene, unbedingt notwendige Ausdifferenzierung weder in Bambergers These noch in der gängigen gesellschaftlichen Rezeption 43
Vgl. hierzu Ausführungen in diesem Kapitel unter B. III. 1. d).
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widerspiegelt, handelt es sich insgesamt nur um einen weniger starken Wertungsaspekt. Dem ist an späterer Stelle mit einer entsprechenden Würdigung in der Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung zu tragen. c) Das Argument der weniger nachhaltigeren Pensionsversorgung Die Einstufung der (vermeintlich) weniger nachhaltigen Pensionsversorgung von Berufspolitikern als „Beeinflussungskatalysator“ bzw. „Einfallstor“ für den Vorwurf korrupten Handelns erscheint des Weiteren als Verdachtsmechanismus unter besonderer Berücksichtigung der ausgeprägten Schnelllebigkeit des politischen Geschäfts zwar dem ersten Anschein nach schlüssig. Betrachtet man jedoch die dahinterstehenden rechtlichen Zusammenhänge, lässt sich auch diese Einschätzung relativieren. Der Begriff des „Berufspolitikers“ kann sich mit Blick auf die thematische Präzisierung Bambergers44 zunächst nur auf die Berufsgruppen „Regierungsmitglieder“, „Parlamentarische Staatssekretäre“ sowie „politische Beamte“ beziehen. Beleuchtet man nun etwa die Versorgung ehemaliger Mitglieder der Bundesregierung, wird deutlich, dass diese im Falle ihres Ausscheidens aus dem Amt gem. § 13 Abs. 1 BMinG über §§ 14–17 BMinG abgesichert sind. Ihnen steht bei kurzfristiger Arbeitslosigkeit zunächst nach § 14 Abs. 1 und 2 BMinG ein Anspruch auf „Übergangsgeld“ zu. Dieser Anspruch entspricht seiner Dauer nach der Anzahl an Monaten, in denen als Mitglied der Bundesregierung Amtsbezüge erhalten worden sind. Umfasst ist jedoch mindestens ein Zeitraum von sechs Monaten. Insgesamt kann Übergangsgeld höchstens zwei Jahre bezogen werden. Der Höhe nach beläuft sich das Übergangsgeld gem. § 15 Abs. 3 BMinG für die ersten drei Monate auf das ursprüngliche Amtsgehalt (zurzeit rund 16.426 Euro brutto)45 und den Ortszuschlag in voller Höhe, sowie für den Rest der Bezugsdauer auf die Hälfte dieser Bezüge. Soweit ein ehemaliger Amtsträger der Bundesregierung mindestens vier Jahre angehört hat – wobei eine Zeit im Amt eines Parlamentarischen Staatssekretärs sowie eine vorausgegangene Mitgliedschaft in einer Landesregierung berücksichtigt wird –, besteht gem. § 15 Abs. 1 BMinG sogar ein (lebenslanger) Anspruch auf ein sog. „Ruhegehalt“, welches gem. § 15 Abs. 3 S. 2 BMinG nach Vollendung einer Amtszeit von vier Jahren 27,74 Prozent des ursprünglichen Amtsgehalts und des Ortszuschlags ausmacht. Es steigt gem. § 15 Abs. 3 S. 3 BMinG zudem mit jedem weiteren Amtsjahr um 2,39 Prozent bis zum Höchstsatz von 44 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 36. 45 Angabe vom Bund deutscher Steuerzahler e. V., online einsehbar unter der URL https://www.steuerzahler.de/aktion-position/politikfinanzierung/bundesminister/?L=0, zuletzt abgerufen am 3.5.2020.
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71,75 Prozent. Dies bedeutet umgerechnet, dass ehemalige Bundesminister, die mindestens vier Jahre Mitglied der Bundesregierung waren (wenn man so will: die „Regeldauer“), eine Pension von 4.557 Euro monatlich als Absicherung erhalten. Mit jedem weiteren Jahr als Regierungsmitglied steigt die Pension um weitere 392 Euro monatlich an, bis maximal 11.786 Euro.46 Gleiches gilt entsprechend für (ehemalige) Parlamentarische Staatssekretäre, wie § 6 ParlStG deutlich macht. Vergleicht man dieses Versorgungssystem nun beispielsweise mit der Pensionsversorgung von Bundesbeamten und Bundesrichtern, wird deutlich, dass Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre nicht wesentlich schlechter gestellt werden. Auch Bundesbeamte und Bundesrichter sind durch ein vergleichbares Versorgungssystem aus Übergangsgeld (§§ 47 ff. BeamtVG) sowie Ruhegehalt (§§ 4 ff. BeamtVG) abgesichert, wobei ein Anspruch auf letzteres grundsätzlich erst nach Ableistung einer Dienstzeit von sogar mindestens fünf Jahren entsteht, wie § 4 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG festlegt. Der von Bamberger47 konstatierte Zusammenhang zwischen der Befürchtung einer plötzlichen „Arbeitslosigkeit ohne Ruhebezüge“ und einer frühzeitigen (Privat-)Absicherung, der im Ergebnis in eine missbräuchliche Amtsführung münde, erscheint mit Blick auf die aktuelle rechtliche Ausgestaltung des Versorgungssystems für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre daher nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Alle verglichenen Berufsgruppen fallen vielmehr zunächst „weich“: Insbesondere die Regelungen über das Übergangsgeld dienen ihrem Sinn und Zweck nach gerade dazu, den (ehemaligen) Amtsträger nach einem plötzlichen Ausscheiden aus der Amtsstellung finanziell aufzufangen48 und so der besonderen Schnelllebigkeit des politischen Geschäfts Rechnung zu tragen. Insgesamt gilt damit auch hier, dass die Entstehung des Verdachts als Mechanismus nachvollzogen werden kann, dieser dabei rechtlich jedoch zumindest im Hinblick auf das Versorgungssystem als nicht vollumfänglich tragfähig einzustufen ist. Letzteres zielt nämlich durchaus auf eine umfassende Nachsorge ab. Verstärkte Absicherungsbestrebungen während der Amtszeit sind daher nicht primär auf eine schlechtere Absicherung, sondern wenn überhaupt auf den Faktor zurückzuführen, dass schlicht ein (endliches) „Amt auf Zeit“ ausgeübt wird.
46 Angaben ebenfalls vom Bund deutscher Steuerzahler e. V., URL und letztes Abrufdatum einsehbar in vorheriger Fn. 47 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 58. 48 So bezüglich (ehemaliger) Regierungsmitglieder anklingend bei Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 11.
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d) Terminologische Zweifel am Begriff des „Korruptionsverdachts“ Bedenken bestehen nach folgender Überlegung ferner auch an der terminologischen Einordnung des Gefährdungsaspekts in Gänze: Der Begriff der „Korruption“ ist zumindest in seiner umgangssprachlichen bzw. untechnischen Anwendung durchaus strafrechtlich konnotiert. Spricht man also vom „Korruptionsverdacht“, wird stets vermittelt, dass der Vorwurf einer strafrechtlich relevanten Handlung im Raum steht. Dass nachamtliche Seitenwechsel in aller Regel jedoch keine strafrechtliche Relevanz entfalten, ist bereits vorstehend sondiert worden.49 Auch die – hiermit durchaus einhergehende – Wertung von (sachnahen) Seitenwechseln als „unerlaubt“ und damit „kollusiv“ wird nur im Einzel- und Extremfall zu treffen sein, wie oben herausgestellt. Der Kern des Verdachts bzw. Vorwurfs besteht daher vielmehr in der nachamtlichen, unbilligen „Vermarktung“ der eigenen politischen Amtsstellung – unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Dies sollte terminologisch auch entsprechend zum Ausdruck kommen; die Verwendung der Terminologie der „Korruption“ erscheint latent irreführend. Ein potenzieller Lösungsansatz, der bereits von Bamberger50 aufgegriffen worden ist, wäre die Entwicklung eines „gesetzesunabhängigen Korruptionsbegriffes“, wie er beispielsweise in der empirischen Sozialforschung besteht. Gegen die Einführung einer derartigen Terminologie in den Rechtswissenschaften spricht jedoch klar die Etymologie des Wortes „Korruption“; diese lässt kaum Spielraum zur Etablierung einer rechtlich wertfreien Korruptionsbegrifflichkeit. e) Ergebnis Es bleibt festzuhalten, dass der so bezeichnete „Korruptionsvorwurf“ zumindest als anscheinsbedingter Automatismus und primärer Ausfluss unzureichender Regulierung existiert und insoweit durchaus geeignet erscheint, den „Drehtüreffekt“ zu speisen. Allerdings muss bei der Gewichtung dieses Verdachts zum einen berücksichtigt werden, dass „Sachnähe“ unter Nutzbarmachung von „Fachkunde“ eben nicht zwangsläufig zur Kollusion im genannten Sinne führt. Auch muss der Aspekt der vergleichsweise weniger nachhaltigeren Ruhestandsversorgung mit der vorgenannten Argumentation als plausibler Entstehungsfaktor relativiert werden. Zum anderen erscheint auch die gewählte Terminologie mit Blick auf die vorstehend dargelegte Sach- und Rechtslage nicht unbedingt passgenau. So werden mit den Begriffen „Korruption“ und „Kollusion“ bereits (teilweise) strafrechtlich aufgeladene Wertungen vorgenommen, die eine Vorverurteilung bewirken und die tatsächlichen Strukturen zugleich nur pauschalisierend abbilden. Die vorgenommene Ausdifferenzierung zeigt diese Schwächen auf. Spricht man 49
Vgl. hierzu in diesem Kapitel unter B. III. 1. a) und b). Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 79 f. m.w. N. 50
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hingegen vom schlichten Verdacht der nachamtlichen, unbilligen „Vermarktung“ der eigenen politischen Stellung als Triebfeder des „Drehtüreffekts“, kann den Kausalzusammenhängen Bambergers durchaus gefolgt werden. 2. Würdigung der Thesen zum „Lobbyverdacht“ – private Nutzbarmachung von amtlich erlangtem Wissen Die Ausführungen und Schlussfolgerungen von Bamberger zur gesellschaftlichen Manifestierung des sog. „Lobbyverdachts“ sind auf den ersten Blick schlüssig. So leuchtet es ein, dass bei systematischer Anstellung ehemaliger Spitzenpolitiker mit amtlichem „Sonderwissen“ bei privaten Interessenverbänden schnell der Verdacht aufkommen kann, diese würden sich gezielt übervorteilen und den natürlichen Wettbewerb verzerren. Bei genauerer Betrachtung und insbesondere rechtlicher Würdigung des hinter dem Vorwurf stehenden Tatsachenkerns fallen jedoch einige Ungereimtheiten ins Auge. Hier werden nicht nur die tatsächlichen Kräfteverhältnisse außer Acht gelassen, die das System privater Interessenvertretung prägen. Vielmehr wird auch das dem Lobbyismus immanente, marktwirtschaftsliberale Wesen weitestgehend ausgeblendet. Tendenziell ermangelt es den Facherwägungen im Speziellen und auch der Debatte im Allgemeinen oftmals an einer hinreichend ausdifferenzierten Unterscheidung zwischen „unbilliger“ und „unerlaubter“ Einflussnahme sowie der damit in Verbindung stehenden Trennung von „Amtswissen“ und „Fachkunde“. Da die bestehenden Karenzzeitregelungen übergreifend auch das Ziel verfolgen, der „privaten Verwertung von Amtswissen“ vorzubeugen, kommt diesem Punkt eine besondere Bedeutung zu. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich eine solche tatsächlich systemschädigend auswirken kann und der Verdacht damit auch als Grundlage einer Regulierung tragfähig ist. a) Bereits keine Asymmetrie mangels tauglicher Vergleichsgruppen Zur Feststellung einer etwaigen Asymmetrie, die auf der systematischen Anstellung ehemaliger Spitzenpolitiker mit „Sonderwissen“ in der privaten Interessenvertretung fußt, ist die Betrachtung der entsprechenden Vergleichsgruppen, zwischen denen diese Asymmetrie bestehen soll, unabdingbar: Es muss konkret hinterfragt werden, welches symmetrische Verhältnis zwischen welchen Vergleichsgruppen durch systematische Seitenwechsel verzerrt werden soll. Einer der Hauptanknüpfungspunkte Bambergers51 zur Herleitung dieser vermeintlichen 51 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 63 ff. m.w. N. Der Autor unterscheidet insoweit zwischen finanziell leistungsfähigen Vertretern „starker“ Interessen und finanziell weniger leistungsfähigen Vertretern „schwacher“ Interessen, also z. B. Umweltschutz oder Gesundheit.
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Asymmetrie ist, wie vorstehend bereits angedeutet, die fehlende „Waffengleichheit“ zwischen den verschiedenen Interessenverbänden. Der Austragungsort der Interessenbeeinflussung wechsle mehr und mehr in den informellen Bereich, auf den wiederum nur diejenigen Verbände effektiv – z. B. durch Aufbau eines entsprechenden Netzwerks – Einfluss nehmen könnten, die die entsprechenden finanziellen Ressourcen zur Verfügung hätten. Dass diese Erwägungen zu kurz greifen, zeigt bereits ein Blick auf die tatsächliche Ausgestaltung des europäischen Lobbying-Systems und die daraus resultierenden Vergleichsgruppen. In Brüssel waren um die letzte Jahrzentwende schätzungsweise 3.500 Interessenverbände registriert,52 wovon mehr als 75 Prozent Arbeitgeber- oder Produzenteninteressen repräsentierten. Insgesamt hielten Verbände auf den Gebieten „Industrie“ und „Dienstleistungen“ den zahlenmäßig größten Anteil.53 Der Anteil altruistischer Verbände, wie beispielsweise in den Bereichen „Menschenrechte“, „Umwelt“ oder „Entwicklung“, war hingegen nahezu unbedeutend gering.54 Dies macht deutlich, dass auf Ebene der privaten europäischen Interessenvertretung ohnehin hauptsächlich finanzstarke und damit entsprechend einflussreiche Verbände bzw. Lobbyakteure agieren und miteinander um Einfluss konkurrieren. Innerhalb dieser (größten) Vergleichsgruppe, also der Vergleichsgruppe „finanzstarke Interessenverbände“, bestehen aufgrund vergleichbarer finanzieller Ressourcen jedoch wiederum keine asymmetrischen Möglichkeiten der Interessenvertretung. Gleiches gilt entsprechend innerhalb der Vergleichsgruppe „finanzschwache/altruistische Interessenverbände“. Eine Asymmetrie ließe sich lediglich dann feststellen, wenn man als Vergleichsgruppen die großen Industrie- und Dienstleistungsverbände einerseits und die altruistischen Verbände andererseits heranzieht. Allerdings bestand zwischen diesen beiden Gruppen nie eine Symmetrie, die nun durch die systematische Anstellung ehemaliger Spitzenpolitiker verzerrt bzw. in eine Asymmetrie umgekehrt werden könnte. Ausgehend von den vorhandenen Vergleichsgruppen wird daher deutlich, dass die Begründung eines asymmetrischen Effekts von Seitenwechseln auf die private Interessenvertretung nicht ohne Weiteres möglich erscheint.
52 Van Schendelen, Machiavelli in Brussels: The Art of Lobbying the EU, 2010, S. 50. 53 Es handelt sich hauptsächlich um wirtschaftliche Fachbranchen und Dachverbände des produzierenden Gewerbes sowie um Verbände der kommerziellen Sektoren wie Finanzdienstleistungen und Handel. Vgl. Platzer, Interessenverbände und europäischer Lobbyismus, in: Weidenfeld, Die Europäische Union, S. 187 f. 54 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union Bd. 1, Art. 11 EUV, Rn. 13.
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b) Einflussnahme durch „Fachkunde“ entspricht marktwirtschaftsliberalem Wesen des Lobbyings Auch das marktwirtschaftsliberale Wesen von Lobbying in Gänze wird in den Schlussfolgerungen bisweilen außer Acht gelassen, was sich in den beiden nachfolgenden Aspekten widerspiegelt. Zunächst entspricht es der Eigenart von unternehmerischem Lobbying, die eigenen, spezifischen Interessen möglichst effektiv und schnell in den politischen Meinungsbildungsprozess einzubringen.55 Dass die Einbringung von Interessenspositionen in die politische Debatte stets „symmetrisch“ erfolgt, ist einerseits bereits aus praktischer Perspektive bei andauerndem Wettbewerb um Einflussnahme kaum möglich und realitätsfern. Andererseits ist diese Form der Symmetrie aber auch gar nicht zwingend erforderlich, da die eigentliche Entscheidung über eine im Wege des Lobbyings eingebrachte Interessenposition im parlamentarischen System im Regelfall letztlich unabhängige Volksvertreter treffen, die wiederum die Gesellschaft repräsentativ abbilden und so ein Gleichgewicht gewährleisten. Es besteht damit gar keine Notwendigkeit, diese Parität bereits auf die Ebene der privaten Interessenvertretung vollumfänglich vorzuverlagern.56 Vielmehr sind die verfassungsrechtlichen Strukturen im Bereich der Interessenvertretung so angelegt, dass auch die positiven Effekte von Seitenwechseln ehemaliger Spitzenpolitiker in die private Interessenvertretung nutzbar gemacht werden können. Wie auch Bamberger57 feststellt, bringen ehemalige Berufspolitiker besonderes Fachwissen und Expertise über interne Abläufe und Prozesse mit, auf die amtierende Amts- oder Mandatsträger im Bedarfsfall wiederum zurückgreifen können, aber nicht müssen. Das amtierende Amts- oder Mandatsträger dies nicht müssen, wird beispielsweise durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG auf grundgesetzlicher Ebene garantiert. Überdies wird besonders in der öffentlichen Debatte um Seitenwechsel der nachfolgende Aspekt zumeist gänzlich ausgeblendet: Gerade in der heutigen Leistungsgesellschaft darf die Nutzbarmachung von erworbenem, politischem Know-how (also von „Fachkunde“) schon rechtspolitisch nicht ohne Weiteres als asymmetrische Einflussnahme zu bewerten und so mit der unerlaubten Nutzbarmachung von „Amtswissen“ gleichzusetzen sein. Auch Politiker haben – zumeist über Jahre – Kompetenzen in den kraft Natur der Sache mit ihrem Beruf verknüpften Bereichen des Networking, der Strukturierung sowie der Prozessoptimierung erworben. Ohne diese Kompetenzen wären sie als Politiker grob un55 So ähnlich auch Kopp, Recht, Transparenz und Integrität beim Lobbying – Compliance angesichts von Regulierung und Selbstverpflichtungen, CCZ 2013, 67, 70. 56 So i. E. auch durch Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, mit verfassungsrechtlicher Bewertung des „Lobbyverdachts“ auf S. 136 f. bestätigt. 57 Ebd., S. 61 und 67 m.w. N.
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tauglich und zugleich als Interessenvertreter unbrauchbar. Die generelle Verwertbarkeit derartiger Sachkompetenzen, die aufgrund des Berufsbildes zwingend zu erwerben waren, nun mit Verweis auf eine vermeintliche Asymmetrie auszuschließen, erscheint widersprüchlich. Neben dieser rechtspolitischen Argumentationssphäre stützt auch eine rechtswissenschaftliche Analyse diese Einschätzung. „Asymmetrie“ kann im untersuchungsgegenständlichen Zusammenhang nämlich ebenfalls nur als eine Überschreitung der natürlichen Grenzen des Wettbewerbs verstanden werden, die sich aus unerlaubter Einflussnahme speist und dadurch verzerrend auswirkt. Nur die missbräuchliche Nutzbarmachung von „Amtswissen“ zieht regelmäßig strafrechtliche Konsequenzen gem. §§ 331–335, 336 und 339 StGB sowie § 203 Abs. 2 Nr. 1 und § 353b StGB nach sich, womit die Grenze des rechtlich Erlaubten evident überschritten wäre und eine Verzerrung im vorgenannten Sinne gegeben ist. Dann – jedoch nur dann – versagt auch regelmäßig der Sicherungsmechanismus aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, sodass eine asymmetrische Einflussnahme zu bejahen ist. „Fachkunde“ darf demgegenüber nachamtlich stets genutzt werden, wie der Umkehrschluss aus vorgenannten Vorschriften offenbart. Die Schwelle zur Überschreitung des Erlaubten, sprich der vorgenannten Strafbarkeitsgrenzen, ist insgesamt als relativ hoch anzusetzen.58 Ist sie, wie in den meisten Fällen, nicht überschritten, handelt es sich weiterhin um eine erlaubte Einflussnahme. Der Pauschalvorwurf der nachamtlichen, unerlaubten und damit asymmetrischen Nutzbarmachung von Sonder- bzw. Insiderwissen wird sich daher im Regelfall nicht als tragfähig gestalten. Sicherlich werden Lobbyaktivitäten vereinzelt noch gesellschaftlich als unbillig aufgefasst werden. Allerdings handelt es sich hierbei zum einen nicht um eine rechtlich greifbare Kategorie, die das Pauschalurteil der „Asymmetrie“ rechtfertigt. Zum anderen ist die Tatsache, dass Einflussnahme in Einzelfällen überhaupt als unbillig aufgefasst werden kann, auch auf diverse Versäumnisse auf Ebene des Lobbying-Compliance zurückzuführen.59 Der dargestellte Verdacht differenziert insoweit nämlich nicht zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“ des Tätigwerdens. Vielmehr wird die Anstellung von ehemaligen Spitzenpolitikern für sich bereits als „verzerrend“ bewertet und das strukturelle Problem mangelnder Regelungsinstrumente hier nicht berücksichtigt.
58
Vgl. hierzu bereits in diesem Kapitel unter B. III. 1. a) sowie B. III. 1. b). Vgl. zur Notwendigkeit von „Lobbying-Compliance“ und den Versäumnissen in diesem Bereich erneut Kopp, Recht, Transparenz und Integrität beim Lobbying – Compliance angesichts von Regulierung und Selbstverpflichtungen, CCZ 2013, 67, 70 sowie Federmann/Wolff/Trautner, Moderne Interessenvertretung: Lobbyismus als Bestandteil der Compliance-Organisation, ZRFC 2019, 247 f. 59
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c) Ergebnis Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Entstehung des Verdachts der Beeinflussung der Symmetrie privater Interessenvertretung durch systematische Seitenwechsel von ehemaligen Amtsträgern mit besonderer Fachkompetenz zwar als Effekt nachvollziehbar, aber in seinem rechtlichen und tatsächlichen Kern häufig unbegründet ist. Die realen Verhältnisse werden durch diesen Verdacht zu weiten Teilen nur pauschalisierend abgebildet: Es scheitert bereits am Bestehen tauglicher Vergleichsgruppen. Überdies bietet das gängige und vor allem auch etablierte System der Interessenvertretung, wie vorstehend dargelegt, bereits seiner tatsächlichen und rechtlichen Struktur und seinem wirtschaftsliberalen Wesen nach kaum oder nur geringe Anknüpfungspunkte für diese These. Eine im Einzelfall als „unbillig“ bewertete Einflussnahme ist nicht stets auch als „unerlaubt“ einzustufen. Zudem ist der „Lobbyverdacht“ auch nicht immer und vollständig auf den bloßen Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft und damit die „Drehtür“ zurückzuführen, sondern zumindest zum Teil auch auf fehlende Regulierungsinstrumente auf Ebene des Lobbying-Compliance. Die damit existente, mangelnde Tragfähigkeit des im Raum stehenden Verdachts ist nach den getroffenen rechtssoziologischen Ausführungen an späterer Stelle entsprechend zu gewichten. 3. Würdigung der Thesen zum „Bösen Anschein“ Die Erwägungen zum „Bösen Anschein“ können vollumfänglich überzeugen. Die Herleitung des erwähnten Automatismus ist einleuchtend; effektive Mechanismen zur Gegendarstellung bestanden zumindest zum Zeitpunkt des Abschlusses Bambergers Untersuchungen nicht.60 Insbesondere die Erwägungen zu den Wirkweisen des „Bösen Anscheins“ haben einen nicht nur eindimensionalen Charakter, sondern untergliedern alle Aspekte des Phänomens. So stellt Bamberger61 u. a. neben dem gängigen Aspekt des Vertrauensverlusts heraus, dass der „Böse Anschein“ auch dazu beitrage, das Amtsethos der integer handelnden Sparte des öffentlichen Dienstes in Verruf zu bringen. Dieser Aspekt ist auch vom Bundesgesetzgeber erkannt und in der Gesetzesbegründung zu den neuen Karenzzeitvorgaben für Bundesregierungsmitglieder bestätigt worden. Insgesamt lässt sich sagen, dass sich die vorgenannten Verdachtsgrade, die im Rahmen des „Korruptionsvorwurfs“ sowie des „Lobbyvorwurfs“ herausgearbeitet worden sind, im Aspekt des „Bösen Anscheins“ kumulieren und als Gemengelage den gesellschaftlichen Verdachtsautomatismus schaffen. Ob die nun neu ge60
Vgl. hierzu auch Ausführungen in diesem Kapitel unter B. III. 1. a). Vgl. BT-Drs. 18/4630, S. 1. Demnach sollen die Vorschriften nicht nur die Betroffenen vor „Unsicherheiten“ und „ungerechtfertigter Kritik“ schützen, sondern primär auch das „Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung“ wahren. 61
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schaffenen Regulierungsmechanismen ihrer Konzeption nach diesem Automatismus entgegenwirken können, soll an fortgeschrittener Stelle in der Arbeit thematisiert werden.62 4. Neugewichtung auf Grundlage der vorstehenden Plausibilitätskontrolle Bei übergreifender Betrachtung und Bewertung der vorstehend getroffenen Erkenntnisse zu den drei angeführten sozialwissenschaftlichen Ausformungen des „Drehtüreffekts“, namentlich „Korruptionsvorwurf“, „Lobbyvorwurf“ sowie „Böser Anschein“, erscheint es notwendig, eine Neugewichtung vorzunehmen und den „Bösen Anschein“ als zentralen und bündelnden Gefährdungsaspekt (stärker) hervorzuheben. So fußen die Erwägungen zum „Korruptionsvorwurf“ und zum „Lobbyvorwurf“ letztlich im Wesentlichen auf der Kumulation verschiedenster Verdachtsmomente, die hinsichtlich ihrer tatsächlichen und rechtlichen Substanz zumeist nebulös bleiben63 oder sogar widerlegt werden können.64 Diese Einschätzung klingt auch bereits entsprechend in Bambergers65 Erwägungen an, da er die beiden vorstehenden Aspekte terminologisch stets als „Verdacht“ oder „Vorwurf“ einordnet und das Entstehen eines „Bösen Anscheins“ primär auf die Existenz eines schlichten Automatismus zurückführt.66 Auf diesem Wege werden die tatsächlichen, nicht anscheinsbedingten Komponenten in den Hintergrund gedrängt. Für eine entsprechende Neugewichtung sprechen ferner auch die Wertungen des Bundesgesetzgebers. So rekurriert dieser in der Gesetzesbegründung zu den 2015 eingeführten Karenzzeitvorgaben vornehmlich auf den „Anschein einer voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Karriereaussichten“ sowie auf das „Vertrauen der Allgemeinheit“.67 In eine ähnliche Richtung tendiert zudem auch die Literatur. Bereits Hans Herbert von Arnim68 hielt mit Blick auf die Debatte um Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder im Jahr 2006 als rechtspolitische Crux fest, dass die Entstehung eines derartigen Anscheins „völlig unab62
Vgl. hierzu insbesondere im 4. Kapitel sowie im 5. Kapitel unter B. und C. Vgl. in diesem Kapitel insbes. B. II. 1. und III. 1. So wird im Rahmen der Ausführungen zum „Korruptionsverdacht“ primär thematisiert, wie eine zeitnahe Anstellung in der Wirtschaft nach Ausscheiden aus einem öffentlichen Amt von der Korruptionsforschung und der Bevölkerung aufgefasst bzw. wahrgenommen wird. Auch Bamberger erkennt dieses Problem. So stellt er im Ergebnis seiner sozialwissenschaftlichen Sichtung fest, dass zwar viel über das Wechselaufkommen und die Ursachen von Seitenwechseln gesagt werden könne, allerdings wenig über die tatsächlichen Auswirkungen dieser auf den Politikprozess. Vgl. S. 74 a. E. 64 Vgl. hierzu Ausführungen unter B. III. 2. in diesem Kapitel. 65 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 59 und 68 sowie ausdrücklich auf S. 74 a. E. 66 Ebd., S. 70. 67 BT-Drs. 18/4630, S. 1 und 8. 68 von Arnim, Nach-amtliche Karenzzeiten für Politiker?, ZRP 2006, 44, 45. 63
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hängig von den zugrunde liegenden Tatsachen und ihrer Beweisbarkeit“ sei. Auch Bernd Grzeszick und Michael Limanowski69 führen den Aspekt der Unterbindung des Anscheins sachwidriger politischer Entscheidungen als einen der zentralen Pole der kollidierenden Interessenlage an. Diese Feststellungen sollen die Situation dabei nicht verharmlosen oder verzerren. Auch wenn der „Böse Anschein“ zum Großteil auf Verdachtsmomenten basiert, steht die anscheinsbedingte Schädigungswirkung für einen integer handelnden Staatsapparat derjenigen Schädigungswirkung, die von konkret nachweisbaren Gefährdungsaspekten ausgeht, kaum nach. Lediglich die Gewichtung und das Verhältnis der drei von Bamberger komprimierten Ausprägungen des „Drehtüreffekts“ soll neu, sprich mit primärer Fokussierung auf den „Bösen Anschein“, ausgerichtet werden: Stehen die drei Aspekte nach den Erwägungen Bambergers70 noch mehr oder weniger gleichrangig nebeneinander, erscheint nach dem Vorgesagten die Annahme plausibler, dass der „Korruptionsverdacht“ sowie – wenn auch nachrangig – der „Lobbyverdacht“ den „Bösen Anschein“ als Hauptgefährdungsaspekt insgesamt speisen. Es handelt sich, anders gewendet, eher um Spielarten oder Ausprägungen des „Bösen Anscheins“. Zusammenfassend lässt sich damit im Kontext der Neubewertung festhalten, dass der „Drehtüreffekt“ primär die Entstehung eines „Bösen Anscheins“ abbildet, welcher wiederum durch die Kumulation diverser Verdachtsmomente ohne wirkungsvolle Mechanismen zur Gegendarstellung entsteht. Dabei ergibt sich der „Böse Anschein“ und somit auch der „Drehtüreffekt“ zumeist nicht aus einer nachweisbaren Faktenlage, sondern letztlich aus Mutmaßungen um die unbillige Berührung bestimmter, geschützter Positionen – im Detail der Unantastbarkeit der sachneutralen Amtsführung sowie dem Schutz amtlich erlangter Informationen. Ob einem wechselwilligen Spitzenpolitiker tatsächlich strafrechtlich relevante Korruption vorgeworfen werden kann, ist im Einzelfall dem Beweis zugänglich. Ist diese Grenze nicht überschritten, bleibt letztlich nur der „Tabubruch“ bestehen, der auch schlicht auf Missgunst beruhen kann. Ebenfalls kann klar sondiert werden, ob eine asymmetrische Beeinflussung des privaten Interessenvertretungssystems durch gezielte Nutzbarmachung von „Amtswissen“ zu befürchten ist. Dies muss bei Herausstellung und Abschichtung des Spannungsfeldes, das den „Drehtüreffekt“ umgibt, nicht nur terminologisch klar berücksichtigt und unterschieden werden. Vielmehr ist dies auch bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung nachamtlicher Tätigkeitsverbote oder Tätigkeitsbeschränkungen an späterer Stelle maßgeblich zu beachten. 69 Grzeszick/Limanowski, Nachamtliche Berufsverbote für Politiker – Karenzzeitregelungen im Spannungsfeld zwischen rechtlicher und politischer Verantwortung, DÖV 2016, 313, 314. 70 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 74 a. E.
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C. Normative Einordnung der vorstehenden rechtssoziologischen Erkenntnisse Die vorstehend weiterentwickelten, rechtssoziologischen Erkenntnisse zum „Drehtüreffekt“ zeigen in tatsächlicher Hinsicht schon die diversen Einflussfaktoren und Gefährdungsaspekte nachamtlicher Seitenwechsel auf. Die tatsächlichen Aspekte müssen jedoch – gerade für eine weitergehende Rechtsgüterabwägung – auch normativ eingeordnet und insbesondere verankert werden. Dadurch kann eine Grundlage für die Begutachtung diverser Aspekte geschaffen werden, die im weiteren Verlauf der Arbeit von entscheidender Relevanz sein werden: Zum einen kann sondiert werden, ob schon auf verfassungsrechtlicher Ebene Distanzforderungen bestehen, mit denen der „Drehtüreffekt“ kollidiert. So kann bereits die Antwort auf die Frage nach der rechtlichen Regulierungsbedürftigkeit sowie Regulierungszulässigkeit des Phänomens (im Sinne eines legitimen Zwecks) vorgeformt werden. Zum anderen eröffnet sich die Möglichkeit, herauszustellen, welche verfassungsrechtliche Rückkoppelung für einfachgesetzliche Karenzzeitvorgaben für Spitzenpolitiker überhaupt besteht. Der Einordnung wird zunächst ein Untersuchungsmaßstab zugrunde gelegt, bevor die konkrete (verfassungs-)rechtliche Einordnung, jeweils anhand der unterschiedlichen Akteursgruppen, erfolgt.
I. Einführung und Untersuchungsmaßstab der normativen Einordnung Zur Sondierung der verfassungsrechtlichen Rückkoppelung werden im Folgenden primär die grundgesetzlichen sowie ergänzend auch die einfachgesetzlichen Leitnormen herausgearbeitet, die womöglich mit dem Grundkonflikt „Drehtüreffekt“ gänzlich oder zumindest in Teilaspekten kollidieren und damit zugleich eine Wertentscheidung treffen. Der Untersuchungsmaßstab orientiert sich dabei klar an der vorgenommenen Abschichtung: Es wird also die Frage in den Mittelpunkt gerückt, durch welche Leitentscheidungen der Gesetzgeber der Entstehung von nachamtlichen Interessenkonflikten in Gestalt des „Bösen Anscheins“ entgegentreten möchte. An dieser Stelle sei angemerkt, dass in den Untersuchungen Bambergers71 und Tenners72 Erwägungen zur verfassungsrechtlichen Einordnung der (vorstehend sozialwissenschaftlich fundierten) Konfliktlage vorhanden sind. Diese erstrecken sich in personeller Hinsicht vornehmlich auf „einfache“ und politische Beamte, Parlamentarische Staatssekretäre sowie (primär) Mitglieder der Bundesregierung. 71 Vgl. hierzu Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 75 ff. 72 Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 96 ff.
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Dennoch erfolgt im nachfolgenden Abschnitt hinsichtlich der beiden zuletzt genannten Akteursgruppen eine eigene rechtswissenschaftliche Analyse auf Grundlage der bestehenden Erkenntnisse. Diese dient dazu, der vorstehenden rechtssoziologischen Neubewertung auch rechtswissenschaftlich eine eigene Akzentuierung zu verleihen. Darüber hinaus sei in diesem Zusammenhang auch auf die Untersuchungen von Buß73 verwiesen, die in ihrer Arbeit Inkompatibilitätsvorschriften für Mitglieder der Bundesregierung sowie die landesverfassungsrechtlichen Inkompatibilitätsregelungen für Mitglieder von Landesregierungen beleuchtet. Die Erwägungen beziehen sich – zumindest im verfassungsrechtlichen Bereich – allerdings vornehmlich auf die (Un-)Vereinbarkeit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch ein amtierendes Organmitglied und weniger auf die Möglichkeit der Ausdehnung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (auch) auf den nachamtlichen Bereich. Insbesondere an letzter Stelle sollen die nachstehenden Erwägungen vertieft ansetzen.
II. Verfassungsrechtliche sowie einfachgesetzliche Einordnung und Kategorisierung des „Drehtüreffekts“ 1. Grundlegung: Das Leitbild der Verfassung von einer an Recht und Gesetz orientieren Verwaltung Wie herausgearbeitet, erfasst der „Drehtüreffekt“ primär den anscheinsbedingten Schädigungsaspekt. So steht zum einen die Befürchtung der sachfremden Beeinflussung der Amtsführung durch das Inaussichtstellen nachamtlicher Karrierechancen im Raum. Zum anderen ist die Besorgnis um die Verwertung amtlich erlangten Wissens – etwa in der privaten Interessenvertretung – zu verzeichnen. Beide Aspekte münden in eine potenzielle Vertrauens- und damit auch Integritätsschädigung für das ehemalige politische Anstellungsorgan und auch den Amtsträger selbst. Es handelt sich hierbei, nach den Ergebnissen der vorstehenden Neugewichtung, um die zentralen Ausprägungen des „Drehtüreffekts“. Das Phänomen des „Bösen Anscheins“ ist als rechtswissenschaftliche Problemstellung keineswegs neuartig, wie zunächst ein Blick auf das Verfassungsrecht sowie das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht zeigt. Die Abwehr sachfremder Einflüsse auf das Verwaltungsverfahren – oder genauer gesagt auf Verwaltungsentscheidungen – ist ein althergebrachtes, rechtsstaatliches Ansinnen.74 Es ergibt sich bereits aus dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) und den aus 73 Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 264 ff. sowie 272 ff. 74 So etwa zum Ausdruck gebracht bei Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 20 Rn. 1 f.; Heßhaus, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 20 Rn. 1; Huck, in: Huck/Müller, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 20 Rn. 1 f.
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dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Prinzipien der Verfahrensgerechtigkeit sowie des „fair-trial“ Grundsatzes.75 Eine entsprechende Wertung lässt sich zudem auch Art. 33 Abs. 2, 4 und 5 GG entnehmen.76 Insgesamt wird hiermit das (verfassungsrechtliche) Leitbild statuiert, ein unparteiisches Verwaltungsverfahren zu gewährleisten, indem die Verwaltung vor Beeinträchtigungen durch persönlich-subjektive Einflüsse bewahrt wird.77 Anerkannt ist, dass hiervon auch bereits die Vermeidung des „Bösen Scheins“ möglicher Parteilichkeit, „Vetternwirtschaft“ oder sonstiger Beeinflussung umfasst ist und dies zudem eine legitime und erstrebenswerte Zielsetzung darstellt.78 Auch einfachgesetzlich lässt sich dieses grundgesetzliche Leitbild einer ausschließlich an Recht und Gesetz orientierten, unparteiischen Verwaltung zunächst weiter fortzeichnen. So finden sich in §§ 20, 21 VwVfG diverse Befangenheitsregelungen, die eine entsprechende Wertung zum Ausdruck bringen. Was für das Verwaltungsverfahren in Form dieser einfachgesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommen ist, muss zwar eigentlich erst recht für die höchste politische Leitungsebene in der Ministerialverwaltung Gültigkeit entfalten.79 Der untersuchungsgegenständliche Konflikt auf exekutiver Spitzenebene wird sich jedoch zumeist nicht um die Befürchtung der sachfremden Beeinflussung einer konkreten Verwaltungsentscheidung drehen, also beispielsweise der kollusiven und damit rechtswidrigen Bescheidung einer Genehmigung oder sonstigen Leistung. Diese Gefahr wird regelmäßig eher auf Sacharbeitsebene zu verorten sein. Vielmehr steht hier der (ähnlich gelagerte) abstrakte Verdacht der nachamtlichen „Vermarktung“ oder „Nutzbarmachung“ der eigenen Amtsstellung und/oder des amtlich erlangten Wissens im Vordergrund. Untersuchungsbedürftig ist daher, ob und wenn ja wie die Idee der Unterbindung dieses abstrakten Verdachts auch bereits auf grundgesetzlicher Ebene Bestand hat. Hierfür müssen hauptsächlich Inkompatibilitätsvorschriften in den Blickpunkt genommen werden. Diese zielen u. a. darauf ab, dass das öffentliche Ansehen eines Regierungsamtes nicht durch Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Wahrnehmung negativ beeinträchtigt wird.80 Mit anderen Worten soll gerade auch 75 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 6 m.w. N.; Huck, in: Huck/Müller, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 20 Rn. 4. 76 BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZ-RR 1990, 365, 366. 77 Vgl. insbesondere Huck, in: Huck/Müller, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 20 Rn. 2 m.w. N. der den Telos der §§ 20, 21 VwVfG in Kombination mit den verfassungsrechtlichen Wurzelungen als „verallgemeinerungsfähigen Gedanken“ auf das gesamte Verwaltungsverfahrensrecht überträgt; zudem auch BVerwG, Urt. v. 6.12.1989, NVwZRR 1990, 365, 366. 78 BVerwG, Beschl. v. 24.10.2002 – 1 DB 10.02, NZA-RR 203, 205, 208; BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 – 8 C 2.02, NVwZ 2003, 619, 620. 79 Bejahend etwa BVerwG, Urt. v. 30.5.1984 – 4 C 58.81, NVwZ 1984, 718, 719. 80 Hermes, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 66 Rn. 5.
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dem Entstehen eines „Bösen Scheins“ durch Regelung einer beruflichen Ausschließlichkeit vorgebeugt werden. Dementsprechend ist zunächst die Regelung des Art. 66 GG für Mitglieder der Bundesregierung zu überprüfen. In diesem Zusammenhang kann auch die (akzessorische) Rechtsstellung von Parlamentarischen Staatssekretären beleuchtet werden. Überdies lassen sich auch in diversen Landesverfassungen Parallelvorschriften ausmachen, die Inkompatibilitätsvorgaben für Landesregierungsmitglieder treffen und einer Untersuchung nach Maßgabe der vorgenannten Fragestellung offenstehen. Des Weiteren werden die Untersuchungen im Rahmen eines Exkurses auch auf das Amt des Bundespräsidenten ausgeweitet, für den Art. 55 GG Inkompatibilitätsvorgaben trifft. In diesem Kontext können abschließend auch die entsprechenden Vorgaben für Bundesrichter beleuchtet werden, die sich in Art. 97 Abs. 1 GG sowie 98 Abs. 1 GG i.V. m. den Vorschriften aus dem DRiG sowie dem BVerfGG finden. 2. Wertungen für (ehemalige) Mitglieder der Bundesregierung – Art. 66 GG Zur Untersuchung des Art. 66 GG werden zunächst Regelungsziel und Wirkweisen der Inkompatibilitätsvorgabe dargestellt, um nach Sondierung des sachlichen Anwendungsbereichs die Übertragbarkeit auf die aufgeworfene Fragestellung zu beleuchten. a) Regelungsziel und Wirkweisen von Art. 66 GG Nach Art. 66 GG dürfen Mitglieder der Bundesregierung, also der Bundeskanzler und die Bundesminister, „kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch ohne Zustimmung des Bundestages dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören“. Die Norm wirkt inhaltlich in zwei unterschiedliche Richtungen: Einerseits wird mit dem ausdrücklichen Gebot, kein „anderes besoldetes Amt“ auszuüben, dem personellen Gewaltenteilungssystem i. S. v. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG Ausdruck verliehen. Andererseits wirkt Art. 66 GG auch in den privatrechtlichen bzw. gesellschaftlichen Bereich hinein, indem gewerbliche und berufliche Tätigkeiten sowie die Mitgliedschaft in gesellschaftsrechtlichen Leitungs- und Aufsichtsorganen verboten werden.81 In letzterem Fall handelt es sich um die sog. „wirtschaftliche Unvereinbarkeit“.82 Insbesondere in Gestalt der wirtschaftlichen Komponente verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der bereits vorstehend angeführten Unterbindung des Entstehens eines „Bösen Anscheins“. Es soll vermieden werden, dass der – möglicherweise 81
Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 66 Rn. 2 f. Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 263. 82
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ganz unbegründete – Verdacht der Vermischung privater und amtlicher Interessen entsteht.83 Anders formuliert dient Art. 66 GG damit der Verhinderung (auch des bloßen Anscheins) von Interessenkollisionen bei der Ausübung von Regierungsämtern mit anderen beruflichen Verpflichtungen. Die Mitglieder der Regierung sind dementsprechend dazu aufgerufen, ihr Amt eidgemäß und allein gemeinwohlverpflichtet auszuüben.84 b) Einzelheiten zur wirtschaftlichen Unvereinbarkeit nach Art. 66 GG Für die hier gegenständlichen Untersuchungen ist allein die wirtschaftliche Ausprägung des Art. 66 GG von Relevanz, deren sachliche Reichweite im Folgenden kurz dargelegt wird, bevor eine Übertragung auf die zu untersuchende Konstellation erfolgt. Die Begriffe „Gewerbe“ und „Beruf“ sind zunächst in ihrer hergebrachten Bedeutung zu interpretieren.85 „Beruf“ meint daher auch im Sinne des Art. 66 GG jede Tätigkeit, die auf gewisse Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.86 Das Merkmal „Gewerbe“ umfasst die planmäßige, auf Dauer angelegte, wirtschaftlich selbständige Tätigkeit unter Teilnahme am Wettbewerb;87 die Notwendigkeit einer Gewinnerzielungsabsicht besteht nicht.88 Bei unselbstständiger Tätigkeit muss das Arbeitsverhältnis durch förmlichen Rechtsakt zum Ruhen gebracht werden, um den Inkompatibilitätsvorgaben zu entsprechen.89 Art. 66 GG richtet dabei die Unvereinbarkeit nicht nur auf Führungspositionen, sondern auf jede Tätigkeit als Arbeitnehmer bei einem privaten Arbeitgeber oder Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes. Soweit es um das Verbot einer beruflichen Tätigkeit geht, kommt es auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber ein auf Erwerb gerichtetes Unternehmen ist oder nicht; die Inkompatibilität gilt somit auch gegenüber den Arbeitnehmern gemeinnütziger Einrichtungen.90 Bei selbstständiger beruflicher Tätigkeit reicht die tatsächliche Einstellung der Tätigkeit aus; ein rechtsförmlicher Akt ist hier nicht erforderlich.91 Des Weiteren schließt Art. 66 GG die Leitung sowie die Angehörigkeit zu einem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens ohne Zustimmung 83
Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 66 Rn. 3. Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 66 vor Rn. 1 und Rn. 2 f. 85 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 66 Rn. 42. 86 Statt vieler BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 397. 87 BGH, Urt. v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13, NJW 2015, 3228 Rn. 50. 88 BGH, Urt. v. 27.9.2017 – VIII ZR 271/16, ZIP 2017, 2153 Rn. 40. 89 Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 66 Rn. 16. 90 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 66 Rn. 16. 91 Meyn, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz Bd. 2, Art. 66 Rn. 10. 84
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des Bundestages aus. Wie bereits die Differenzierung im Wortlaut deutlich macht, ist die Inkompatibilität einer (privatwirtschaftlichen) Leitungsfunktion mit dem öffentlichen Amt ausnahmslos festgelegt. Bezüglich der Aufsichtsratsfunktion ist ein Ausnahmevorbehalt in den Verfassungstext implementiert worden; vom Grundsatz kann also durch einfachen Beschluss (vgl. Art. 42 Abs. 2 GG) abgewichen werden.92 Diese Zustimmungsmöglichkeit resultiert aus Art. 14 GG, da auch Regierungsmitglieder Eigentümerbefugnisse wahrnehmen können müssen.93 Daher bleibt als Zwischenergebnis zu konstatieren, dass Art. 66 GG in seiner wirtschaftlichen Ausprägung zumindest für die Amtszeit eine (sachliche) Sperrwirkung für solche Tätigkeiten entfaltet, die von ehemaligen Regierungsmitgliedern nachamtlich regelmäßig angestrebt und ausgeübt werden. Eine Relevanz für den nachamtlichen Bereich geht hiermit jedoch zunächst nicht einher. c) Übertragung der soziologischen Erkenntnisse – Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 66 GG auf den nachamtlichen Bereich? Insbesondere die vorstehend dargelegte wirtschaftliche Komponente des Art. 66 GG kollidiert in ihrer Zielrichtung mit dem aus rechtssoziologischer Perspektive aufgeworfenen Missstand „Drehtüreffekt“ bzw. „Böser Anschein“. Wie herausgearbeitet, stellt Art. 66 GG die Grundlage zur Wahrung einer integren Amtsausübung dar, indem der Vermischung von wirtschaftlichen Eigeninteressen mit der Ausübung von Regierungsgeschäften entgegengewirkt wird. Von diesem Regelungsansatz umfasst ist sinnlogisch auch das Ziel, den bloßen Verdacht zu unterbinden, dass es zu einer derartigen Vermischung kommen könnte.94 Art. 66 GG ist in dieser wirtschaftlichen Ausprägung wiederum Ausdruck des Gesetzmäßigkeitsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG),95 an die auch bereits einleitend angeknüpft worden ist. Auch wenn eine Überlagerung zwischen rechtssoziologisch fundiertem Missstand und verfassungsrechtlicher Wertentscheidung aus inhaltlicher Perspektive damit vorliegt, greift Art. 66 GG den Problemkreis aus zeitlicher Perspektive zumindest prima facie nicht auf. So setzt die verfassungsrechtlich verankerte Unvereinbarkeit gem. Art. 64 Abs. 1 GG i.V. m. §§ 1, 2, 10 BMinG zwar mit Erhalt der Ernennungsurkunde ein, endet jedoch de lege lata mit der Aushändigung der Entlassungsurkunde.96 Auch dem Wortlaut nach zielt Art. 66 GG nur darauf ab, 92 93 94 95 96
Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 66 Rn. 17. Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 66 Rn. 5.2. Vgl. hierzu bereits oben unter C. II. 2. a). Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 66 S. 2 f. Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 66 Rn. 2.
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eine Interessenkollision während der Amtszeit zu unterbinden, indem Inkompatibilitäten auch nur für die Zeit während der Amtsführung festgelegt werden.97 Eine Ausweitung des verfassungsrechtlichen Regelungskonzepts auf den nachamtlichen Bereich ist damit zunächst nicht zu erkennen.98 Auf gerade diese Ausweitung kommt es jedoch im Kern an; der zuvor erläuterte „Böse Anschein“ begründet sich schließlich zum Großteil auf der These der Beeinflussung der aktuellen Amtsführung durch das Inaussichtstellen nachamtlicher Karrierechancen. Ob eine solche zeitliche Ausweitung und damit extensive Auslegung des Art. 66 GG möglich ist, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird vertreten, dass sich die Zielrichtung des Art. 66 GG nicht darauf belaufe, Mitglieder der Bundesregierung auf „Sparflamme“ zu halten – eine spätere wirtschaftliche Nutzbarmachung der während der Amtszeit erworbenen Popularität stehe rechtlich nichts im Wege und ein solcher „extralegaler Bonus“ rechtmäßig erworbener Popularität von Verfassungs wegen daher nicht untersagt.99 Eine extensive Auslegung des Art. 66 GG wäre dieser Ansicht nach abzulehnen. In eine ähnliche Richtung tendieren einige weitere Autoren, die sich mit Verweis auf die tatsächliche Dauer der Amtszeit ebenfalls eindeutig gegen eine unmittelbare Nachwirkung des Art. 66 GG aussprechen.100 Mit Blick auf die beschriebene ratio legis der Vorschrift wird andererseits allerdings auch für die Zulässigkeit einer Ausweitung der Regelung in zeitlicher Hinsicht, sprich auf den nachamtlichen Bereich, plädiert. So stellt beispielsweise Stefan Ulrich Pieper101 zur Konstruktion einer nachamtlichen Ausstrahlungswirkung auf den Sinn und Zweck des Art. 66 GG und zudem auf die einfachgesetzliche Regelung in § 5 Abs. 3 BMinG als Auslegungshilfe ab, wonach Geschenke an ehemalige Regierungsmitglieder angezeigt werden müssen. In eine ähnliche Richtung tendiert auch Bamberger102: Art. 66 GG sei als Konkretisierung des in 97 Vgl. Wortlaut des Art. 66 GG: „Der Bundeskanzler und die Bundesminister dürfen kein [. . .] ausüben und weder [. . .] angehören.“ 98 So i. E. auch schon Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 106. 99 Morlok/Krüper, Ministertätigkeit im Spannungsfeld von Privatinteresse und Gemeinwohl: Ein Beitrag zur Auslegung des Art. 66 GG, NVwZ 2003, 573, 574. Der Beitrag erschien vor Implementierung der §§ 6a ff. in das BMinG und wird daher eventuell einer Neubewertung zu unterziehen sein. 100 Müller-Franken/Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 66 Rn. 10; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 66 Rn. 2; Schenke, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK-GG, Art. 66 Rn. 9 sowie Buß, Inkompatibilitätsregelungen für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 264 und S. 271 m.w. N. 101 Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 66 Rn. 3. 102 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 107 f. m.w. N. Nicht deutlich wird hier jedoch, wieso Art. 66 GG gerade auch im nachamtlichen Bereich unmittelbare Anwendung finden soll: Die Erwägungen Bambergers beziehen sich vornehmlich auf die Idee hinter der Regulierung von amtsbegleitenden Nebentätigkeiten. Die notwendige Differenzierung zwischen beiden Phasen und
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der Verfassung verankerten, allgemeinen Distanzgebotes zu verstehen. Dieses Gebot laufe einer (nachamtlichen) wirtschaftlichen „Vermarktung“ der eigenen Amtsstellung zuwider. Nach Michael Oldiges und Ralf Brinktrine103 könne eine extensive Auslegung des Art. 66 GG zumindest im Wege der einfachgesetzlichen Erweiterung oder Analogie104 erfolgen. Auch einige weitere Autoren sprechen sich in diesem Sinne für die Möglichkeit der zeitlichen Ausweitung des Anwendungsbereichs von Art. 66 GG aus, indem sie es für zulässig erachten, die verfassungsrechtliche Inkompatibilität von Mitgliedern der Bundesregierung jedenfalls einfachgesetzlich zu erweitern.105 In Abwägung und unter Berücksichtigung der widerstreitenden Ansichten kann einleitend konstatiert werden, dass Wortlaut, rechtlicher Anwendungsbereich und letztlich auch Entstehungsgeschichte106 des Art. 66 GG einer unmittelbaren sowie auch analogen verfassungsrechtlichen Nachwirkung der Vorschrift deutlich entgegenstehen. Jedoch muss auch betont werden, dass Art. 66 GG nicht als abschließende Regelung zu betrachten ist; insbesondere eine Sperrwirkung der Norm ist mit Blick auf den fragmentarischen Charakter des Grundgesetzes sowie die schlichte Existenz der Regelungen etwa im BMinG abzulehnen.107 Die Inkompatibilitätsregelung kann vielmehr durch einfachgesetzliche Vorschriften erweitert werden, soweit die ratio legis der Vorschrift dies zulässt und der Gesetzgeber dadurch nicht mit anderen Verfassungsbedürfnissen in Konflikt gerät.108 Ob die Konstruktion einer solchen mittelbaren Nachwirkung in Form einer einfachgesetzlichen Erweiterung dann auch konkret verfassungsrechtlich gedeckt die damit verbundenen Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich bleibt der Autor damit in letzter Konsequenz schuldig. 103 Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, Grundgesetz Art. 66 Rn. 4. Widersprüchlich erscheint insoweit jedoch, dass die Autoren in Rn. 4a wiederum vertreten, eine „Karenz“ sei Art. 66 GG nicht zu entnehmen und damit verfassungsrechtlich nicht geboten. So handelt es sich bei einer Karenzzeit schlichtweg um eine einfachgesetzliche Erweiterung der Verfassungsbestimmung. Auch wenn eine solche Art. 66 GG tatsächlich nicht ausdrücklich zu entnehmen ist, gestehen die Autoren in Rn. 4 doch die Möglichkeit zu, eine solche teleologisch zu entwickeln. Wieso eine Karenzzeit in der teleologischen Fortentwicklung des Art. 66 GG dann auszuschließen sei, bleibt offen. Dieser Wertungswiderspruch ergibt sich auch mit Blick auf die Fundstellen in der übernächsten Fn. und lässt sich nur auflösen, wenn man den Ansichten entnimmt, dass eine Karenz nicht bereits verfassungsrechtlich abgeleitet werden könne. 104 Gegen eine Analogie Tenner, Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 110 ff., der die Planwidrigkeit einer etwaigen Regelungslücke überzeugend unter Verweis auf die Historie der Vorschrift verneint. 105 Müller-Franken/Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 66 Rn. 10; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 66 Rn. 1 m.w.N sowie auch Schenke, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK-GG, Art. 66 Rn. 9. 106 Vgl. zur historischen Auslegung des Art. 66 GG in diesem Zusammenhang ausführlich Tenner, Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 110 ff. 107 So i. E. ebenfalls Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 297. 108 Statt vieler vgl. Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, Grundgesetz Art. 66, Rn. 4.
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ist, hängt mit anderen Worten wiederum von der Auslegung der verfassungsrechtlichen Grundbestimmung – also des Art. 66 GG – ab. Diesbezüglich ist zu bemerken, dass eine extensive Auslegung der verfassungsrechtlichen Grundbestimmung rechtlich möglich und in tatsächlicher Hinsicht konsequent erscheint.109 Dies wird zunächst mit Blick auf das Regelungsziel des Art. 66 GG deutlich. Art. 66 GG soll dafür Sorge tragen, dass das öffentliche Ansehen eines Regierungsamtes nicht durch Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Wahrnehmung beeinträchtigt wird. Dieses Ziel der umfassenden Vermeidung etwaiger, auch schlicht anscheinsgeprägter Interessenkollisionen wird nur effektiv zu fördern sein, wenn sich die Inkompatibilitäten einfachgesetzlich auch auf den nachamtlichen Bereich erstrecken lassen. So hat die Praxis gezeigt, dass gesellschaftlich vermehrt die unparteiliche und unbefangene Amtsführung von exekutiven Spitzenpolitikern mit dem Argument angezweifelt wird, diese würden sich gerade von nachamtlichen Vorteilen (in Gestalt einer potenziellen Anstellung) leiten lassen. Das augenscheinlichste Beispiel hierfür bieten wohl die nicht erst seit dem Wechsel des Bundeskanzlers a. D. Schröder intensiviert geführten, öffentlichen Diskussionen um Seitenwechsel, in denen sich die grundsätzlichen Zweifel der Gesellschaft an der Integrität (ehemaliger) Spitzenpolitiker widerspiegeln, die den Seitenwechsel vollziehen. Diesen Entwicklungen kann auf vorstehend geschilderter Art und Weise effektiv entgegengewirkt werden.110 Das andererseits auch der Wechsel von der Politik in das „normale“ Leben wünschenswert111 und lebensnah ist, wird in diesem Zusammenhang häufig übergangen und muss bei einer extensiven Auslegung des Art. 66 GG ebenfalls als Verfassungsbedürfnis entsprechend berücksichtigt werden. Mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich diesbezüglich sogar vertreten, dass die Wiedereingliederung eines ehemaligen Spitzenpolitikers in das berufliche Leben gleichermaßen verfassungsrechtlich geboten ist. Schließlich kommt Art. 12 Abs. 1 GG ist (i.V. m. Art. 14 GG) gegenpolig die Rolle als „Garant einer freiheitlichen Wirtschaftsverfassung“ zu.112 Diese Wertungen sprechen somit wiederum gegen die Konstruktion einer einfachgesetzlichen Nachwirkung der Inkompatibilitäten. Vorzugswürdiges Auslegungsergebnis scheint daher ein „Mittelweg“ zu sein, den etwa der Bundesgesetzgeber mit Schaffung der Karenzzeitvorgaben für ausscheidende Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre gegangen ist. Diese können insoweit zumindest indiziell herangezogen werden: Mit §§ 6a ff. BMinG sind nachamtliche Karenzzeiten geschaffen worden, die sich jedoch auf 109
A. A. wohl Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 66 Rn. 4a. Zustimmend insoweit wieder Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 66 Rn. 4a. 111 So etwa Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 66 Rn. 3. 112 Ruffert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK, Art. 12 Rn. 12. 110
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den zeitlichen Rahmen von (maximal) 18 Monaten beschränken. Der Gesetzgeber hat so zum Ausdruck gebracht, dass er einerseits die einfachgesetzliche Ausweitung des Art. 66 GG in zeitlicher Hinsicht im Grunde für möglich und auch notwendig hält, andererseits jedoch auch eine Wiedereingliederung des Politikers in die Gesellschaft anstrebt und daher die Tätigkeitssperre an sich auf einen abgeschlossenen Zeitraum beschränken möchte. Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber ebenfalls zu einer mittelbaren, nachamtlichen Wirkung des Art. 66 GG tendiert, die sich aber auf einen begrenzten Zeitraum bezieht. Diese Auslegung dürfte den gegenläufigen Verfassungsbedürfnissen am besten gerecht zu werden. d) Ergebnis Soweit und solange das vorgenannte Wechselspiel der Komponenten „Integritätswahrung durch Unterbindung eines „Bösen Anscheins“ und „Wiedereingliederung in das berufliche Leben“ im Rahmen einer extensiven Auslegung des Art. 66 GG berücksichtigt wird, steht einer solchen nichts im Wege. Der Vorschrift kann somit eine Distanzforderung in Form einer mittelbaren Nachwirkung entnommen werden, da sie zulässigerweise einfachgesetzlich konkretisiert und erweitert werden kann. Insoweit kann festgehalten werden, dass mit Art. 66 GG (i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG) die Unterbindung des „Drehtüreffekts“ in Form des „Bösen Anscheins“ bereits auf verfassungsrechtlicher Ebene für Mitglieder der Bundesregierung als Wertentscheidung Bestand hat. 3. Wertungen für (ehemalige) Parlamentarische Staatssekretäre – §§ 1 ff. ParlStG Die vorstehenden verfassungsrechtlichen Erwägungen können im Wesentlichen auch auf Parlamentarische Staatssekretäre übertragen werden. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Grundgesetz; denn dieses trifft per se keine direkten Aussagen zur Rechtsstellung von Parlamentarischen Staatssekretären. Allerdings sind Parlamentarische Staatssekretäre in ihrer Rechtsstellung vergleichbar bzw. in Teilbereich sogar identisch mit Bundesministern gestellt, wie die nachstehenden systematischen Erwägungen aufzeigen.113 So sind sie ebenfalls keine Beamten, sondern stehen nach § 1 Abs. 3 ParlStG genauso wie Bundesminister (vgl. § 1 BMinG) in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund, legen nach § 3 ParlStG einen wortlautgleichen Amtseid ab und werden nach § 5 ParlStG i.V. m. § 11 Abs. 1, 2, 4 BMinG ähnlich vergütet; auch das nachamtliche Versorgungssystem richtet sich gem. § 6 ParlStG 113 So auch Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 100 ff. Er spricht insoweit von einer „regierungsakzessorischen Stellung“.
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nach §§ 13–17 BMinG. Im Übrigen sind gem. § 7 ParlStG die §§ 2, 4 bis 8, 18 bis 20 und 21a BMinG ohnehin für anwendbar erklärt worden. Da sich die gesetzlichen Konzeptionen in diesen wesentlichen Punkten stark annähern bzw. sogar entsprechen, stehen einer Übertragung der verfassungsrechtlichen Erkenntnisse, die zu Bundesministern gesammelt worden sind, keine Bedenken entgegen. Die im Wege der Auslegung ermittelte, verfassungsrechtliche Wertentscheidung der Notwendigkeit und Möglichkeit einer nachamtlichen Karenzzeitregelung gilt daher entsprechend auch für Parlamentarische Staatssekretäre. 4. Wertungen für (ehemalige) Mitglieder einer Landesregierung Auch wenn grundgesetzliche Wertentscheidungen im Kern Ausstrahlungswirkung auf das gesamte Rechtssystem haben, bezieht sich Art. 66 GG ausschließlich auf „Mitglieder der Bundesregierung“ und damit in personeller Hinsicht auf einen abgeschlossenen Kreis von Amtsträgern auf Bundesebene (vgl. auch Art. 62 GG). Auf Ebene des Landesverfassungsrechts sind jedoch von den Ländern ebenfalls unter Ausnutzung ihres nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG bestehenden Gestaltungsspielraums größtenteils entsprechende Inkompatibilitätsregelungen für Landesregierungsmitglieder etabliert worden. a) Einzelne Inkompatibilitätsvorschriften für Landesregierungsmitglieder Für den Großteil aller Bundesländer finden sich bereits auf landesverfassungsrechtlicher Ebene entsprechende Inkompatibilitäten für amtierende Landesregierungsmitglieder.114 Diese decken sich trotz leichter Wortlautvariationen115 ihrer inhaltlichen Konzeption nach untereinander weitestgehend: Alle Vorgaben verbieten es Regierungsmitgliedern, das Regierungsamt und dabei gleichzeitig ein anderes Amt bzw. einen anderen Beruf oder Gewerbe auszuüben. Auch ein Unternehmenszugehörigkeitsverbot wird übereinstimmend statuiert.116 Damit decken sich die landesverfassungsrechtlichen Regelungen ihrem Sinngehalt nach überdies auch mit der grundgesetzlichen Konzeption für Bundesregierungsmitglieder. 114 Regelungen finden sich in Art. 34 Abs. 2 NV, Art. 95 BbgVerf, Art. 62 Abs. 2 SächsVerf, Art. 67 Abs. 1 LSAVerf, Art. 40 I HmbVerf, Art. 41 SHVerf, Art. 45 Abs. 1 MVVerf, Art. 64 Abs. 2 und 3 NRWVerf, Art. 57 BayVerf, Art 53 Abs. 2 BWVerf, Art. 113 BremVerf und Art. 72 Abs. 2 ThürVerf. 115 Hervorzuheben sind insoweit etwa die Regelungen in Bremen und NordrheinWestfalen. 116 Buß, Kompatibilitätsregelungen für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 294. Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen landesverfassungsrechtlichen Inkompatibilitätsvorschriften aus amtsbegleitender Perspektive sei an dieser Stelle erneut und konkret auf Buß, ebd., S. 272–294 verwiesen.
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Neben den überwiegend verbreiteten verfassungsrechtlichen Regelungsansätzen finden sich auf Landesebene auch einfachgesetzliche Inkompatibilitäten. So sind in Berlin, Rheinland-Pfalz und dem Saarland nur einfachgesetzliche und keinerlei verfassungsrechtliche Inkompatibilitäten normiert;117 in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind zusätzlich zu den landesverfassungsrechtlichen Vorgaben einfachgesetzliche Bestimmungen vorhanden.118 Einen Sonderfall bildet Hessen: Hier besteht weder eine verfassungsrechtliche, noch eine einfachgesetzliche (amtsbegleitende) Inkompatibilität. b) Übertragung der soziologischen Erkenntnisse – Ausdehnung des Anwendungsbereichs der landesverfassungsrechtlichen Regelungen auf den nachamtlichen Bereich? Aufgrund der stark an die grundgesetzlichen Regelungen angelehnten Strukturierungen der landesverfassungsrechtlichen Inkompatibilitäten werden grundsätzlich auch auf Ebene des Landesverfassungsrechts die vorstehend im Kontext des Art. 66 GG abgeschichteten Gefährdungsaspekte des „Drehtüreffekts“ erfasst. Allerdings findet sich auch hier das bereits auf grundgesetzlicher Ebene diskutierte Problem der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Inkompatibilitätsregelungen in zeitlicher Hinsicht wieder: Dem Wortlaut nach erstreckt sich keine der Vorschriften auch auf den nachamtlichen Bereich, also auf ehemalige Amtsträger. Vielmehr regeln sämtliche Vorschriften Inkompatibilitäten nur für amtierende Amtsträger. Fraglich ist daher, ob die zu Art. 66 GG gesammelten Erkenntnisse hinsichtlich der Möglichkeit einer extensiven Auslegung und damit einfachgesetzlichen Erweiterung ohne Weiteres auch auf die landesverfassungsrechtlichen Regelungen übertragen werden können. Einer Übertragung der Erkenntnisse und damit einer Ausdehnung der entsprechenden Regelungen in den Landesverfassungen auf den nachamtlichen Bereich stehen keine erheblichen Bedenken entgegen. Aufgrund der rechtssystematischen und inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen Landesverfassungsrecht und Grundgesetz muss auch hier vom nicht-abschließenden Charakter der Vorschriften ausgegangen werden. Auch wenn der Wortlaut dies per se nicht offenbart, können die eingangs aufgeführten, landesverfassungsrechtlichen Regelungen damit einfachgesetzlich ausdifferenziert und erweitert werden, soweit dies von der Ratio der jeweiligen landesverfassungsrechtlichen Bestimmung gedeckt ist. Letzteres ist vorliegend zu bejahen. Bei übergreifender Betrachtung sollen auch die landesverfassungsrechtlichen Vorschriften dem Entstehen von Interes117
§ 6 Abs. 1 S. 1 BerlSenG, § 5 Abs. 1 RhPfMinG und § 4 Abs. 1 SaarlMinG. Es handelt sich um § 5 BaWüMinG, Art. 3, 3a BayMinG, § 3 BbgMinG, § 3 MVMinG, § 5 NdsMinG, § 4 SächsMinG, § 5 SachsAnhMinG, § 5 ThürMinG. 118
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senkonflikten durch die Verhinderung beruflicher „Doppelbelastung“ entgegenwirken und dadurch zugleich einem etwaigen „Bösen Schein“ vorbeugen. Auch hier gilt, dass ein positiver Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung nur dann effektiv und nachhaltig zu gestalten sein wird, wenn die Inkompatibilitätsregelungen im Wege der Auslegung auch für den nachamtlichen Bereich geöffnet werden. Dementsprechend kann für den Großteil aller Bundesländer die Existenz einer entsprechenden nachamtlichen Distanzforderung auf Verfassungsebene als Grundlage für eine einfachgesetzliche Karenz konstatiert werden. c) Exkurs: Regelung von Karenzzeiten in Ländern ohne verfassungsrechtlich verankerte Inkompatibilitäten – Analyse der Rechtslage in Rheinland-Pfalz, Berlin, Hessen und dem Saarland Dass die Erwägungen, die für die grundgesetzlichen Inkompatibilitätsvorschriften entwickelt worden sind, im Kern auch auf die landesverfassungsrechtlichen Vorschriften übertragen werden können, kann mit Blick auf den vorstehenden Gedankengang bejaht werden. Allerdings knüpft sich hieran die Frage nach der verfassungsrechtlichen Distanzforderung in Ländern an, in denen keinerlei Inkompatibilitätsvorschriften auf Verfassungsebene bestehen. Dies gilt etwa für die Länder Rheinland-Pfalz, Berlin, Hessen und das Saarland. In diesen Ländern existieren – wenn überhaupt – ausschließlich einfachgesetzliche Inkompatibilitätsvorgaben.119 Hinterfragt werden muss daher, wie dieses verfassungsrechtliche „Vakuum“ zu bewerten ist: Können einfachgesetzliche Regelungen für den nachamtlichen Bereich dennoch statuiert werden? Bevor detailliert auf das aufgezeigte Vakuum eingegangen wird, könnte als verfassungsrechtliche Wertentscheidung und Rechtsgrundlage für die Einführung „nachamtlicher Inkompatibilitäten“ in den vorgenannten Ländern jedoch zunächst Art. 137 Abs. 1 GG in Betracht kommen. Demnach kann die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern auf Bundesebene in den Ländern und den Gemeinden gesetzlich beschränkt werden. Mit dieser sog. „Ermächtigungslösung“ in Art. 137 Abs. 1 GG werden zwar (auch) die Landesgesetzgeber zur Regelung von einfachgesetzlichen Inkompatibilitäten ermächtigt; die Vorschrift beschränkt sich allerdings in ihrem Anwendungsbereich auf Regelungen zur passiven Wählbarkeit.120 Art. 137 Abs. 1 GG bezieht sich damit nicht auf die – hier einschlägige – wirtschaftliche Inkompatibilität, sondern vielmehr auf die organschaftliche Unvereinbarkeit zwischen Amt und Mandat. Damit scheidet Art. 137 Abs. 1 GG als verfassungsrechtliche Grundlage zur Regelung von Karenzzeitvorgaben in Ländern ohne ausdrückliche Inkompatibilitätsregelung aus. 119 120
Vgl. hierzu im 1. Kapitel unter A. sowie in diesem Kapitel unter C. II. 4. a). Butzer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 137 Rn. 1 f.
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Eine sonstige, ausdrückliche verfassungsrechtliche Inkompatibilitätsforderung in den genannten Ländern, die zur Erfassung des „Drehtüreffekts“ nutzbar gemacht werden könnte, ist nicht ausfindig zu machen. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive stellt sich hier die Frage der Zulässigkeit dieser Nichtregelung. Eine Verpflichtung zur Implementierung entsprechender Inkompatibilitätsregelungen in den vorgenannten Ländern könnte nämlich mit Blick auf das Homogenitätsprinzip bestehen. So muss nach Art. 28 Abs. 1 GG die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen. Da die wirtschaftliche Inkompatibilität Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) ist,121 wäre das Bestehen einer entsprechenden Normativverpflichtung denkbar. Die Beantwortung dieser verfassungstheoretischen Problemfrage kann jedoch zumindest im Kontext dieser Untersuchungen aufgrund nur mittelbarer Relevanz für den zu behandelnden Themenkreis zurückgestellt werden. Auch der Landesgesetzgeber kann sich ohne konkrete grundgesetzliche oder landesverfassungsrechtliche Wertentscheidung einem regelungsbedürftigen Sachverhalt im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenzen nach Art. 30, 70 Abs. 1 GG annehmen und etwa Statusregelungen für Landesregierungsmitglieder zum Schutze (dann entsprechend abstrakterer) rechtsstaatlicher Ziele treffen. Zeugnis hierfür steht beispielsweise die Änderung des Ministerbezügegesetzes im November 2015 in Hessen.122 Daraus folgt: Auch wenn dem „Drehtüreffekt“ in manchen Bundesländern keine (landes-)verfassungsrechtliche Rückkoppelung und damit Distanzforderung zugeordnet werden kann, steht dieses Vakuum einer Regulierung per se nicht im Wege. In Rheinland-Pfalz, Berlin oder dem Saarland könnten demnach, dem Beispiel Hessens folgend, nachamtliche Regelungen eingeführt und der „Drehtüreffekt“ entsprechend reguliert werden. Zumindest für den amtsbegleitenden Bereich ist dies auch schon passiert, finden sich doch in den genannten Bundesländern einfachgesetzliche Inkompatibilitätsvorschriften für amtierende Amtsträger. d) Ergebnis Auch auf Ebene des Landesverfassungsrechts bestehen überwiegend Distanzforderungen. Für die meisten Landesgesetzgeber ist es damit möglich und sogar geboten, einfachgesetzliche Karenzzeiten aufzustellen. Diese Möglichkeit ist von einigen Ländern auch bereits genutzt worden. In den Ländern, in denen eine derartige verfassungsrechtliche Ausgangswertung fehlt, kann sich der Gesetzgeber nach eigenem Judiz einer entsprechenden Regelung prärogativ annehmen. Dies ist bisweilen jedoch nur in Hessen der Fall. In Rheinland-Pfalz, Berlin und im 121 122
Vgl. hierzu in diesem Kapitel unter C. II. 2. c). Vgl. hierzu bereits oben im 1. Kapitel unter A.
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Saarland besteht insoweit im nachamtlichen Bereich ein entsprechendes Regulierungsvakuum, sodass sich hier der „Drehtüreffekt“ ohne normative Gegenmechanismen voll entfalten kann. 5. Exkurs: Relevanz des „Drehtüreffekts“ in anderen staatlichen Spitzenpositionen? Die rechtliche Kategorisierung des „Drehtüreffekts“ soll nachstehend – wie bereits in der personellen Präzisierung zu Beginn angekündigt – exkursweise auch auf weitere staatliche Spitzenpositionen ausgedehnt werden: Aufgrund diverser, insbesondere auch medial geschaffener Überschneidungen zur untersuchungsgegenständlichen Konstellation in sachlicher und rechtlicher Hinsicht stehen das Amt des Bundespräsidenten sowie auch Spitzenämter in der Justiz einer entsprechenden Betrachtung offen. a) Nachamtliche Distanzforderung für den Bundespräsidenten (a. D.) als repräsentativen Spitzenpolitiker? aa) Ausgangslage Zu Beginn des Exkurses soll ein Problemfeld der Untersuchung zugänglich gemacht werden, welches in der juristischen Fachliteratur123 trotz vergleichbarer Tragweite noch nicht hinreichend beleuchtet worden ist. Auch wenn im Vergleich zu Ministern oder Parlamentarischen Staatssekretären die Quantität nachamtlicher Konfliktfälle aufgrund der einzigartigen Amtsstellung des Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt auf den ersten Blick geringer erscheint, sind diese Konstellationen – wie schon die Debatte um Bundespräsident a. D. Wulff 124 offenbart hat – im Falle ihres Eintritts dann jedoch mit einem umso höheren Konfliktpotenzial verbunden. Da es zudem zumindest für den exekutiven Spitzenbereich als gesichert gilt, dass der „Drehtüreffekt“ insbesondere dann an Relevanz und somit auch Brisanz zunimmt, wenn der ehemalige Amtsträger im Staats- und Verwaltungsaufbau eine entsprechend hochrangige Stellung innehatte,125 bietet es sich an, diese Frage auch für eine der politischen Spitzenposition im Staat schlechthin zu stellen. 123 Vgl. auf monographischer Ebene etwa Aßmann, Die Besoldung und Versorgung des Bundespräsidenten, 2014. 124 Altbundespräsident Christian Wulff machte sich im Jahre 2014 nach Niederlegung des Amtes mit einer eigenen Rechtsanwaltskanzlei erneut selbständig, um in dieser Funktion u. a. die türkische Modefirma Yargici GmbH als Prokurist zu beraten und rechtlich zu vertreten. Vgl. hierzu Artikel in der „FAZ“ vom 14.8.2017, online abrufbar unter der URL https://www.faz.net/aktuell/stil/mode-design/christian-wulffs-tuerkeijob-wer-ist-yargici-15148625.html, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 125 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 37, 51 sowie 41 ff.
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Dementsprechend zu hinterfragen ist, ob das nachamtliche Wirken eines vorwiegend repräsentativ tätigen Staatsoberhauptes einer Regulierung zugänglich ist. Kernfrage hierfür ist wiederum, ob der vorstehend bereits dargestellte und rechtlich kategorisierte „Drehtüreffekt“ auch für die Position des Bundespräsidenten greift. Diese Frage soll ausgehend von den verfassungsrechtlichen Wertungen beleuchtet werden, die das Grundgesetzes für den Bundespräsidenten trifft: Es stellt sich insbesondere die Frage, ob das Grundgesetz die Gefahr des Entstehens eines „Drehtüreffekts“ für ehemalige Staatsoberhäupter überhaupt sieht und eine entsprechende Distanzforderung aufstellt. Erst wenn diese Frage beantwortet ist, kann auch beleuchtet werden, ob eine „Karenzzeit“ hier sinnlogisch nutzbar gemacht werden kann bzw. gemacht werden muss. bb) Grundsätzliche Wertungen des Art. 55 Abs. 2 GG für das Amt des Bundespräsidenten Grundlage für die vorstehenden Überlegungen ist, wie bereits erläutert, die Ausleuchtung des verfassungsrechtlichen Leitbildes. In den Blickpunkt genommen werden muss hierfür die Regelung des Art. 55 Abs. 2 GG. Demnach darf der Bundespräsident „kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören“. Bei Art. 55 GG handelt es sich ebenfalls um eine Inkompatibilitätsvorschrift. Geregelt wird die sog. „politische“ (Abs. 1) sowie „berufliche“ (Abs. 2) Inkompatibilität des Staatsoberhaupts.126 Von Relevanz für die gegenständlichen Untersuchungen ist wiederum nur die berufliche Inkompatibilitätsregelung in Abs. 2. Diese dient der Vermeidung von amtlichen und beruflichen Interessenkonflikten, die durch die Verfolgung wirtschaftlicher Belange während der Amtszeit hervorgerufen werden könnten.127 cc) Übertragung der rechtssoziologischen Erkenntnisse – Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 55 Abs. 2 GG auf den nachamtlichen Bereich? Die vorstehenden Erwägungen zeigen zunächst starke Parallelen zur Inkompatibilitätsregelung in Art. 66 GG für Mitglieder der Bundesregierung. Die in Art. 55 Abs. 2 GG genutzten Rechtsbegriffe stimmen, bis auf den in Art. 66 GG geregelten Ausnahmevorbehalt hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Aufsichtsräten, wortlautgleich überein. Auch die inhaltliche Zielrichtung ist entsprechend ähnlich.
126 127
Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 55 Rn. 1–4.1. Nierhaus, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 55 Rn. 4.
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Entscheidend für die untersuchungsgegenständliche Frage ist jedoch, ob sich diese Ähnlichkeit auch auf die zeitliche Komponente erstreckt. Dies ist zu bejahen. Dem Wortlaut nach bezieht sich auch Art. 55 Abs. 2 GG ebenfalls nur auf amtierende Amtsträger. Der „Drehtüreffekt“ kann allerdings nur durch nachamtliche Restriktionen reguliert werden. Damit stellt sich auch dieselbe Problemfrage wie im Rahmen des Art. 66 GG: Ist Art. 55 GG eine unmittelbare, verfassungsrechtliche Sperrwirkung zu entnehmen oder besteht zumindest die Möglichkeit und auch Gebotenheit der mittelbaren Konstruktion einer solchen im Wege einfachgesetzlicher Erweiterung durch Karenzzeitgesetz? (1) Keine unmittelbare Nachwirkung des Art. 55 GG Zumindest eine unmittelbare Nachwirkung wird in der Literatur auch für Art. 55 GG recht eindeutig verneint. So lehnt etwa Hermann Butzer128 zumindest eine rechtliche Sperrwirkung des Art. 55 GG ab. Auch Michael Nierhaus129 vertritt, dass Art. 55 GG keinerlei Nachwirkungen zukomme, also die Vorgaben mit Beendigung der Amtszeit an Wirkkraft verlieren. Nachamtliche Zurückhaltung sei damit vielmehr eine Frage des „politischen Stils“. Zustimmend äußert sich diesbezüglich auch Pieper130, der eine unmittelbare Nachwirkung des Bundespräsidentenamtes im rechtlichen Sinne ebenfalls ablehnt. Den genannten Ansichten ist beizupflichten. Der Wortlaut und der inhaltliche Zuschnitt der Norm131 sowie die Systematik des Normenkomplexes über den Bundespräsidenten132 beschränken sich eindeutig, wie auch Art. 66 GG, auf den amtsbegleitenden Bereich, sodass zumindest keine unmittelbare Nachwirkung entfaltet wird. (2) Mittelbare Nachwirkung durch einfachgesetzliche Erweiterung? Wie bei der Einordnung der Wertungen aus Art. 66 GG stellt sich jedoch die Frage, ob die Inkompatibilitätsvorgabe für den Bundespräsidenten nicht zumindest einfachgesetzlich erweitert und damit mittelbar auf den nachamtlichen Bereich ausgedehnt werden kann. An einer ausdrücklichen rechtlichen Indizwirkung qua einfachgesetzlicher Konkretisierung – wie etwa bei Art. 66 GG i.V. m. 128
Butzer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Grundgesetz, Art. 55 Rn. 20. Nierhaus, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 55 Rn. 5; zustimmend auch Schlaich, Handbuch des Staatsrechts Bd. II, § 48 Rn. 6. 130 Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 55 Rn. 6–6.2. Jedoch sieht Pieper mit dem Amt durchaus die Verpflichtung zur gesellschaftlichen Nachwirkung verbunden, s. hierzu im unmittelbar folgenden Abschnitt. 131 Vgl. Wortlaut des Art. 55 Abs. 2 GG: „[. . .] darf kein anderes [. . .] ausüben und weder [. . .] angehören.“ 132 So bestimmt etwa Art. 54 Abs. 2 GG zu Beginn des Komplexes eine Amtszeit von fünf Jahren, sodass davon auszugehen ist, dass sich die Art. 54 ff. GG auf die Rechte und Pflichten während dieser Amtszeit beziehen. 129
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§§ 6a ff. BMinG der Fall – fehlt es diesbezüglich zwar. Allerdings geht beispielsweise Butzer133 insoweit dennoch von einem faktischen „Weiterwirken“ der ehemaligen amtlichen Stellung aus, was er überzeugend und unter Verweis auf die einfachgesetzlichen Wertungen in § 1 BPräsRuhebezG sowie die bundeshaushaltsrechtliche Bewilligung einer nachamtlichen „Arbeitsausstattung“ untermauert. Auch insgesamt hält er Art. 55 GG zugänglich für eine extensive Interpretation oder sogar analoge Anwendung.134 Pieper135 will die Grenzen des Art. 55 GG in Form eines ungeschriebenen Grundsatzes zwar nicht rechtlich, aber doch insoweit ausdehnen, als dass die Altbundespräsidenten dazu verpflichtet seien, sich nach der aktiven Amtszeit gesellschaftlich zu engagieren. Ein solcher Grundsatz ist zumindest in der Staatsrechtspraxis tatsächlich anerkannt.136 Ob mit dieser ungeschriebenen Verpflichtung jedoch auch eine Sperrwirkung bezüglich nichtgemeinwohlorientierter Tätigkeiten einhergeht, klingt bei Pieper nur an und bleibt insoweit weitestgehend offen. Insgesamt sei diese Frage für den Altbundespräsidenten nach Pieper137 jedoch ohnehin nie wirklich relevant geworden, da die Notwendigkeit einer nachamtlichen Tätigkeit aufgrund der Fortzahlung der vollen Bezüge nach § 1 BPräsRuhebezG nicht bestehe und sich zudem sämtliche Altbundespräsidenten an den vorgenannten „Ehrenkodex“ gehalten hätten. Die Frage, ob eine Erweiterung der bundespräsidialen Inkompatibilität auf den nachamtlichen Bereich durch einfaches Gesetz verfassungsrechtlich möglich und geboten ist, kann mangels eindeutiger Rechtslage ferner auch schlicht durch Auslegung ermittelt werden. Die grundsätzliche rechtliche Möglichkeit der Erweiterung ergibt sich zunächst aus den systematischen Ähnlichkeiten zu Art. 66 GG – die in Art. 66 und Art. 55 GG genutzten Rechtsbegriffe stimmen restlos überein. Auch verfolgen beide Artikel eine ähnliche Zielsetzung, sodass die Erwägungen insoweit übertragbar sind:138 Da im Rahmen des Art. 66 GG die Möglichkeit einer Erweiterung als zulässig angesehen wird, soweit diese vom Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Bestimmung gedeckt ist, muss dies nun auch entsprechend für Art. 55 GG Gültigkeit entfalten. 133 Butzer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Grundgesetz, Art. 55 Rn. 20. Butzer bringt unter Verweis auf die genannten Wertungen den Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) auf die nachamtliche Stellung des Bundespräsidenten zur Anwendung. 134 Butzer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Grundgesetz, Art. 55 Rn. 3. 135 Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 55 Rn. 6 f. 136 So vertrat z. B. Altbundespräsident Wulff die Bundesrepublik Deutschland bei der Trauerfeier für den verstorbenen König Abdullah in Saudi-Arabien anstelle des zum damaligen Zeitpunkt amtierenden Bundespräsidenten Gauck. Vgl. hierzu Artikel in „Spiegel Online“ vom 25.1.2015, online abrufbar unter der URL https://www.spiegel. de/politik/ausland/saudi-arabien-ex-praesident-wulff-kondolierte-fuer-deutschland-a-10 14920.html, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 137 Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 55 Rn. 6. 138 Vgl. hierzu auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 55 Rn. 24.
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Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage, ob eine entsprechende Erweiterung auch tatsächlich verfassungsrechtlich geboten, sprich vom Sinn und Zweck des Art. 55 GG gedeckt sein kann. Diese Frage muss wohl im Ergebnis – zumindest unter der Prämisse der Verhinderung eines „Drehtüreffekts“ – verneint werden. Die bestehenden verfassungsrechtlichen Wertungen aus Art. 55 GG belaufen sich zwar auch darauf, amtsbegleitenden Interessenkonflikten entgegenzuwirken, die durch die Verfolgung wirtschaftlicher Belange entstehen können. Diese Distanzforderung lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres wie bei Art. 66 GG einfachgesetzlich auf den nachamtlichen Bereich ausweiten. So erfolgte die vorstehende, extensive Ausweitung des Art. 66 GG im Lichte des drohenden Eindrucks, dass bereits während der Amtszeit die Amtsgeschicke zu eigenen Gunsten gestaltet werden oder Amtswissen nutzbar gemacht wird, also schlicht der Missbrauch eines Machtmonopols droht. Diesem Anschein kann u. U. zwar mit einer „Abklingzeit“ bei ehemaligen Regierungsmitgliedern vorgebeugt werden; ein vergleichbares Vorgehen bei Zeit ihres Amtes überwiegend repräsentativ und weniger administrativ tätigen Bundespräsidenten a. D. greift jedoch ins Leere, wie folgende Konkretisierungen deutlich machen: Erstens besteht die Gefahr einer Nutzbarmachung der eigenen Stellung zur Sicherung nachamtlicher Tätigkeiten hier per se nur stark eingeschränkt, wie auch schon Pieper mit Verweis auf den „Ehrenkodex“ sowie der Fortzahlung der Bezüge nach § 1 BPräsRuhebezG herausgestellt hat. Diese Einschätzung wird sich zusätzlich noch damit stützen lassen, dass das Amt des Bundespräsidenten zwar auch temporär wahrgenommen wird, jedoch vergleichsweise weniger dynamischen, politischen Prozessen ausgesetzt ist. Damit wird die Notwendigkeit nach Absicherungsbestrebungen für den nachamtlichen Bereich insgesamt wohl gesellschaftlich als weniger akut eingeschätzt werden. Zweitens wird in diesem Zusammenhang auch eigentlich eine ganz anders gelagerte Frage diskutiert, die losgelöst vom „Drehtüreffekt“ steht. So wird öffentlich häufig kritisch hinterfragt, ob die Fortzahlung der vollen Bezüge trotz nachamtlicher, privatwirtschaftlicher Tätigkeit insbesondere fiskalisch (etwa mit Blick auf den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit) angebracht ist.139 Hiermit ist ein Problemkreis betroffen, auf den die Erweiterung des Art. 55 Abs. 2 GG durch Karenzzeitgesetz keine Antwort liefern kann. Zum einen wirkt eine Karenzzeit nämlich stets nur temporär. Eine Beschränkung auf rein repräsentative, nachamtliche Tätigkeiten des Altbundespräsidenten könnte also – z. B. durch Festlegung einer Sperrwirkung gegenüber privatwirtschaftlichen Tätigkeiten – nicht dauerhaft einen fiskalischen Ausgleich in vorgenannter Hinsicht
139 Vgl. zur Diskussion etwa Artikel in „Der Tagesspiegel“ vom 7.8.2017, online abrufbar unter der URL https://www.tagesspiegel.de/politik/nebenjob-von-christianwulff-240-000-euro-ehrensold-sollten-reichen/20155984.html, zuletzt abgerufen am 8.5.2020.
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erwirken. Zum anderen dient eine Karenzzeit auch gar nicht der Sicherung derartiger fiskalischer Interessen: Notwendig wäre hier vielmehr die Implementierung einer finanziellen Restriktion, durch welche ein Doppelbezug von Ehrensold und privatwirtschaftlichen Einkünften eingeschränkt werden kann. Die Konstruktion einer mittelbaren Nachwirkung des Art. 55 GG auf den privatwirtschaftlichen Bereich durch Karenzzeitgesetz ist damit zwar rechtlich möglich, aber nach Würdigung der bundespräsidialen Stellung in Gänze nicht geboten. dd) Ergebnis Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Problemfeld „Drehtüreffekt“ für den Bundespräsidenten bereits verfassungsrechtlich weder unmittelbar noch mittelbar erfasst wird. Dies liegt zum einen daran, dass der „Drehtüreffekt“ nach dem Vorgesagten für das Amt des Bundespräsidenten strukturell ohnehin nur eingeschränkt Wirkung entfalten kann. Zum anderen lassen sich die bestehenden verfassungsrechtlichen Wertungen zu Art. 55 GG auch nicht ohne Weiteres auf die untersuchungsgegenständliche Konstellation übertragen. Das Ergebnis lässt sich dabei durch einen erneuten Blick auf den Fall Wulff stützen. Denn hier ging es im öffentlichen Diskurs gerade um Verfehlungen, die schon vor der eigentlichen Amtszeit vonstattengingen und damit letztlich auch nicht mit dem hier diskutierten Thema in Verbindung stehen. b) Nachamtliche Distanzforderungen für (ehemaliges) Spitzenpersonal in der Justiz? aa) Ausgangslage Um die Sondierung der rechtlichen Substanz des „Drehtüreffekts“ personell zu vervollständigen, werden nicht nur verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Wertentscheidungen für Spitzenpolitiker der Exekutive in den Fokus genommen, sondern im Folgenden auch solche für Spitzenpositionen in der Justiz exkurshaft betrachtet. Es wird daher der Frage nachgegangen, ob und – wenn ja – welche Vorgaben das Grundgesetz sowie ergänzend auch das einfache Recht für nachamtliche Tätigkeiten von Bundesrichtern trifft. Die Ausweitung der Untersuchungen auch auf Bundesrichter lässt sich dabei auch im justiziellen Bereich mit der steigenden Relevanz von nachamtlichen Tätigkeiten sowie der damit verbundenen, öffentlichen Diskussion um diese begründen.140 Ähnlich wie im Fall des Bundespräsidenten ist daher zu untersuchen, ob auch hier der „Drehtüreffekt“ als Grundphänomen Wirkung entfalten kann und die Verfassung eine entsprechende Regulierungsbedürftigkeit aufwirft sowie einfachgesetzliche Regulierungsmöglichkeiten zugesteht. 140 Vgl. hierzu Lamprecht, „Ehrenkodex“ für die obersten Richter der Republik – Warum sie um ihren guten Ruf besorgt sein müssen, NJW 2017, 1156.
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bb) Schutz vor gesellschaftlichen Einflüssen als Ausprägung der richterlichen Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 1 GG Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt zur Sondierung der vorgenannten Fragestellung ist zunächst Art. 97 Abs. 1 GG. Nach Art. 97 Abs. 1 GG sind Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. „Richter“ im vorgenannten Sinne meint sämtliche Personen, die Rechtsprechung ausüben.141 Umfasst sind damit in personeller Hinsicht selbstverständlich auch Bundesrichter142 und Bundesverfassungsrichter143 – letztere im untersuchungsgegenständlichen Kontext als „Untergruppe“ der Bundesrichter. In inhaltlicher Hinsicht handelt es sich bei der Regelung in Art. 97 Abs. 1 GG um die sog. „sachliche Unabhängigkeit“.144 Diese besagt, dass Richter bei Auslegung und Anwendung des Gesetzes an keine Weisungen gebunden und zu eigenverantwortlicher Entscheidung im Rahmen des Rechts berufen sind.145 Dabei ist der Vorschrift insbesondere die objektive Wertentscheidung des Verfassungsgebers zu entnehmen, dass die Gerichte in voller sachlicher Unabhängigkeit entscheiden dürfen und müssen, sprich frei von privaten oder gesellschaftlichen Einflüssen.146 Das Entstehen eines „Bösen Scheins“, der aus der Annahme resultiert, dass die Amtsführung nach eigenen nachamtlichen Vorteilen ausgerichtet oder Amtswissen hierfür brauchbar gemacht wird, kann wiederum durchaus als gesellschaftlicher Einfluss bewertet werden, der sich beeinträchtigend auf die richterliche Unabhängigkeit niederschlagen kann. Wie schon für die Exekutive festgestellt, gefährdet der Verdacht der „Kungelei“ auch die Akzeptanz der Judikative, in der Bevölkerung. Dies zeigt, dass die Gefährdungsaspekte des „Drehtüreffekts“ durchaus mit der in Art. 97 Abs. 1 GG niedergelegten Distanzforderung des Verfassungsgebers kollidieren. Karenzzeitvorgaben für Spitzenpositionen in der Justiz wären daher nach erster verfassungsrechtlicher Wertung durchaus geboten, um die in Art. 97 Abs. 1 GG verankerte Zielvorgabe der sachlichen, richterlichen Unabhängigkeit zu fördern. cc) Der Gesetzgebungsauftrag aus Art. 98 Abs. 1 GG mit seinen einfachgesetzlichen Konkretisierungen im DRiG und BVerfGG Ein weiterer verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt zur Beurteilung der einleitend benannten Frage ist zudem in Art. 98 Abs. 1 GG zu sehen. Art. 98 141 142 143 144 145 146
Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 97 Rn. 2. BVerfG, Beschl. v. 11.6.1969 – 2 BvR 518/66, BVerfGE 26, 186 (201). BVerfG, Beschl. v. 3.12.1975 – 2 BvL 7/74, BVerfGE 40, 356 f. Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 97 Rn. vor 1. BVerfG, Urt. v. 17.12.1953 – 1 BvR 335/51, BVerfGE 3, 213 (224). Detterbeck, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 97 Rn. 17.
C. Normative Einordnung
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Abs. 1 GG trifft selbst keinerlei Regelungen inhaltlicher Art, sondern bestimmt nur, dass „die Rechtsstellung von Bundesrichtern durch besonderes Bundesgesetz“ zu regeln ist. In personeller Hinsicht handelt es sich bei „Bundesrichtern“ i. S. d. Art. 98 Abs. 1 GG um Richter an den grundgesetzlich nach Art. 92, 95 und 96 GG vorgesehenen Bundesgerichten.147 Von der Vorschrift umfasst sind damit Richter an den fünf obersten Gerichtshöfen sowie am Bundesverfassungsgericht.148 In sachlicher Hinsicht bezieht sich der Begriff der „Rechtsstellung“ auf alle dienst- und organisationsrechtlichen Modalitäten, die etwa auf die Übertragung, Ausübung, Änderung oder Beendigung des Richteramts abzielen.149 Art. 98 Abs. 1 GG bietet per se – im Gegensatz zu Art. 97 Abs. 1 GG, Art. 66 GG sowie Art. 55 Abs. 2 GG – kaum Anknüpfungspunkte für eine verfassungsrechtliche Interpretation. Art. 98 Abs. 1 GG ist als bloßer Gesetzgebungsauftrag ausgestaltet; insbesondere fehlt es auf Verfassungsebene an der Regelung ausdrücklicher Inkompatibilitäten für Bundesrichter. Um den vorstehend bereits im Kern definierten Begriff der „Rechtsstellung“ von Bundesrichtern (auch) verfassungsrechtlich näher einordnen zu können, müssen daher auch die einfachgesetzlichen Vorschriften in den Blick genommen werden. Von Relevanz für den untersuchungsgegenständlichen Themenkreis sind dabei insbesondere §§ 4, 39, 46 DRiG sowie § 3 Abs. 4 BVerfGG, mit denen der einfache Gesetzgeber seinem grundgesetzlichen Gesetzgebungsauftrag aus Art. 98 Abs. 1 GG entsprochen hat. (1) Allgemeine Vorgaben im DRiG für Bundesrichter Zunächst werden die Vorgaben des DRiG für Bundesrichter in den Fokus genommen. So ist etwa in § 4 Abs. 1 DRiG festgelegt, dass ein Richter Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und Aufgaben der gesetzgebenden oder der vollziehenden Gewalt nicht zugleich wahrnehmen darf. In § 4 Abs. 2 Nr. 1–Nr. 5 DRiG sind wiederum einige Ausnahmen vom vorgenannten Grundsatz normiert. Die Inkompatibilitätsvorgaben in § 4 DRiG überlagern sich inhaltlich allerdings schon deshalb nicht mit dem untersuchungsgegenständlichen „Drehtüreffekt“, da sie (nur) Vorgaben zur organschaftlichen Inkompatibilität amtierender Amtsträger treffen.150 Ausgehend vom Wortlaut ist eine Diskussion über die Ausdehnung der Vorschrift auf den nachamtlichen, privatwirtschaftlichen Bereich damit bereits obsolet. 147
Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 98 Rn. 30. Aufgrund des Wortlauts von Art. 92 GG sowie Art. 94 Abs. 1 GG ist umstritten, ob auch Bundesverfassungsrichter als „Bundesrichter“ i. S. v. Art. 98 Abs. 1 GG gelten. Die Streitfrage hat i. E. keinerlei Auswirkungen, da der Gesetzgebungsauftrag zur Regelung der Rechtsstellung von Bundesverfassungsrichtern auch aus Art. 94 Abs. 2 S. 1 GG abgeleitet werden kann. Zur Vertiefung vgl. auch Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 98 Rn. 30. 149 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG Bd. III, Art. 98 Rn. 25 f. 150 Staats, Deutsches Richtergesetz, § 4 Rn. 2. 148
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3. Kap.: Verortung des sog. „Drehtüreffekts‘‘
Allerdings stellt sich die Frage, ob eine entsprechende Wertung zur nachamtlichen Zurückhaltung nicht unter Umständen in § 39 DRiG hineingelesen werden kann. Demnach hat sich der Richter „innerhalb und außerhalb seines Amtes [. . .] so zu verhalten, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird“. Die Vorschrift offenbart durchaus Anknüpfungspunkte zur Konstruktion einer entsprechenden nachamtlichen Distanzforderung. Prima facie knüpft sie nämlich ausdrücklich an den Begriff des „Vertrauens“ an und zielt damit u. a. darauf ab, den „Bösen Anschein“ der Befangenheit zu unterbinden. Auch der Begriff der „Unabhängigkeit“ i. S. d. § 39 DRiG ist weit zu verstehen und betrifft nicht nur die Unabhängigkeit von den Prozessparteien, sondern vielmehr im umfassenden Sinne die richterlichen Grundpflichten „Neutralität“, „Unparteilichkeit“ und „Distanz“.151 Insoweit überlagert sich die Zielrichtung der Vorschrift durchaus mit dem zentralen Element des „Drehtüreffekts“, dem „Bösen Schein“. Auch wenn eine inhaltliche Überlagerung so grundsätzlich konstatiert werden kann, muss der zeitliche Aspekt auch im Rahmen von § 39 DRiG genauer beleuchtet werden. So stellt sich die Frage, ob sich § 39 DRiG überhaupt auf den nachamtlichen Bereich erstreckt. Betrachtet man zunächst den Wortlaut der Vorschrift, wäre eine entsprechende Auslegung in zeitlicher Hinsicht durchaus denkbar: Demnach greift das sog. „Mäßigungsgebot“ auch „außerhalb“ des Amtes. Setzt man „außeramtlich“ (auch) mit „nachamtlich“ gleich, kann die vorstehende Auslegung gestützt werden. Mit Blick auf die ratio legis der Norm muss dies jedoch letztlich angezweifelt werden, denn die Erstreckung der Vorschrift auch auf das außeramtliche Verhalten dient primär dazu, das Entstehen negativer Rückschlüsse auf das gegenwärtige sowie künftige richterliche Verhalten zu unterbinden.152 Diese Schutzrichtung läuft jedoch im nachamtlichen Bereich leer – die negative Beeinträchtigung einer „gegenwärtigen“ oder „künftigen“ richterlichen Tätigkeit ist hier gerade nicht mehr zu befürchten. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass sich § 39 DRiG eigentlich nur auf den amtsbegleitenden und nicht auf den nachamtlichen, außeramtlichen Bereich erstreckt. Wie bereits vorstehend dargelegt,153 kann der Drehtüreffekt allerdings auch Einfluss auf amtierende Amtsträger und damit auf die „gegenwärtige“ oder „zukünftige“ richterliche Tätigkeit haben – etwa durch das Inaussichtstellen nachamtlicher Verdienstmöglichkeiten in der freien Wirtschaft und der damit verbundenen Überlagerung von privaten und dienstlichen Interessen. Angesichts dessen bestünde aus praktischer Perspektive durchaus die Notwendigkeit, in die einfachgesetzliche Distanzforderung auch eine Pflicht zur nachamtlichen Zurückhaltung hineinzulesen, um (Bundes-)Richter vor amtsbegleitenden Beeinträchtigungen – und damit auch vor einem sich parallel entwickelnden „Bösen Schein“ – zu 151 152 153
BVerwG, Urt. v. 29.10.1987 – 2 C 72/86, NJW 1988, 1748, 1749. Staats, Deutsches Richtergesetz, § 39 Rn. 7. Vgl. hierzu in diesem Kapitel unter C. II. 5. b) aa) und bb).
C. Normative Einordnung
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schützen. Für eine entsprechende Auslegung fehlt es jedoch insgesamt an entsprechenden Anhaltspunkten. § 39 DRiG ist von seiner gesamten Konzeption her primär auf den amtsbegleitenden Bereich ausgelegt.154 Auch spricht § 39 DRiG von „Richtern“ und nicht etwa von „Richtern im Ruhestand“, wie beispielsweise § 48 DRiG. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich der Passus „außerhalb seines Amtes“ nur auf den amtsbegleitenden, außeramtlichen Bereich beschränkt. Eine explizite, einfachgesetzliche Distanzforderung für nachamtliche Tätigkeiten von Bundesrichtern, bezogen auf den privatwirtschaftlichen Bereich, ist damit dem DRiG nicht zu entnehmen. Allerdings hat sich der Gesetzgeber hier mit einem Verweis beholfen. Nach § 46 DRiG gelten für die Rechtsverhältnisse der Richter im Bundesdienst bis zu einer besonderen Regelung die Vorschriften für Bundesbeamte entsprechend. Daher findet auch § 105 BBG für (ehemalige) Richter im Bundesdienst Anwendung, sodass sie eine Anzeigepflicht (Abs. 1) sowie eine Untersagungsmöglichkeit bei drohender Beeinträchtigung dienstlicher Interessen durch nachamtliche Beschäftigung (Abs. 2) trifft.155 Dementsprechend besteht für Bundesrichter eine vollwertige Distanzforderung für den nachamtlichen Bereich, die sich aus Art. 98 Abs. 1 GG i.V. m. § 46 DRiG i.V. m. § 105 BBG ergibt. (2) Spezielle Vorgaben im BVerfGG für Bundesverfassungsrichter Auch im I. und IV. Teil des BVerfGG sind einfachgesetzliche Ausgestaltungen des Gesetzgebungsauftrags aus Art. 98 Abs. 1 GG vorhanden.156 Es handelt sich um Sondervorschriften zur Regelung der Rechtsstellung von Bundesverfassungsrichtern, die gem. §§ 69, 70 Abs. 1 DRiG den dann nur subsidiär anwendbaren Vorschriften aus dem DRiG pauschal vorgehen. Die Verweisungsvorschrift des § 46 DRiG findet dabei zwar als Ausnahme grundsätzlich schon,157 aber insofern wiederum keine Anwendung, als dass spezielle Statusbestimmungen im BVerfGG vorhanden sind, die der besonderen Stellung von Bundesverfassungsrichtern Rechnung tragen sollen. Eine die Rechtsstellung von Bundesverfassungsrichtern betreffende Spezialvorschrift stellt § 3 Abs. 4 BVerfGG dar. In § 3 Abs. 4 BVerfGG ist bestimmt, dass mit der richterlichen Tätigkeit eine andere berufliche Tätigkeit als die eines 154
Vgl. hierzu auch Erwägungen von Staats, Deutsches Richtergesetz, Rn. 6–12. Hierzu ebenfalls Staats, Deutsches Richtergesetz, § 46 Rn. 68, der u. a. (im Einklang mit der vorstehenden Auslegung zu Art. 97 Abs. 1 GG) die richterliche Unabhängigkeit berührt sieht, wenn und soweit sich Richter während ihrer richterlichen Tätigkeit schon auf eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes nach Eintritt in den Ruhestand innerlich einstellen. 156 Lehnt man eine einheitliche Terminologie des „Bundesrichters“ ab, ergibt sich der Gesetzgebungsauftrag für Bundesverfassungsrichter aus Art. 94 Abs. 2 S. 1 GG. 157 Staats, Deutsches Richtergesetz, § 69 Rn. 1–3. 155
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3. Kap.: Verortung des sog. „Drehtüreffekts‘‘
Lehrers des Rechts an einer deutschen Hochschule unvereinbar ist. Neben der bereits verfassungsrechtlich in Art. 94 Abs. 1 S. 3 GG und einfachgesetzlich in § 3 Abs. 3 BVerfGG geregelten organschaftlichen Inkompatibilität erweitert § 3 Abs. 4 BVerfGG die Unvereinbarkeiten in den Bereich der „unpolitischen Sphäre“.158 „Berufliche Tätigkeit“ meint daher sämtliche Tätigkeiten i. S. v. Art. 12 Abs. 1 GG,159 sodass nicht nur der organschaftliche, sondern auch der privatwirtschaftliche Bereich von § 3 Abs. 4 BVerfGG abgedeckt wird. § 3 Abs. 4 BVerfGG zielt dabei, wie schon § 39 DRiG, auf die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit ab.160 Allerdings erstreckt sich auch § 3 Abs. 4 BVerfGG dem Wortlaut nach („ist eine andere berufliche Tätigkeit [. . .] unvereinbar.“) wiederum nur auf den amtsbegleitenden und nicht auf den nachamtlichen Bereich. Auch die Zielsetzung der Vorschrift stützt diese Ansicht. So sollen die Bundesverfassungsrichter durch andere berufliche Tätigkeiten nicht daran gehindert werden, ihre volle Arbeitskraft der Amtsarbeit zu widmen.161 § 3 Abs. 4 BVerfGG bezieht sich damit als Vorschrift des Nebentätigkeitsrechts eindeutig nicht auf den nachamtlichen Bereich. Da auch mit den Befangenheitsregelungen aus §§ 18, 19 BVerfGG nur das Verhältnis zwischen voramtlicher Tätigkeit und amtlichem Handeln abgedeckt wird, bestehen insgesamt einfachgesetzlich keine Distanzregelungen zum Konfliktfeld „Drehtüreffekt“, das jedoch durchaus auch auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene ungebrochen fortbesteht. Die Existenz und vor allem die Notwendigkeit der Schließung dieser einfachgesetzlichen Regelungslücke ist vom Bundesverfassungsgericht selbst erkannt worden: Im November 2017 sind die bereits beleuchteten „Verhaltensleitlinien“ verabschiedet worden,162 in deren Rahmen unter Gliederungspunkt III. das „Verhalten nach dem Ende der Amtszeit“ geregelt wird. dd) Ergebnis Verfassungsrechtliche Wertentscheidungen in Form von Distanzforderungen zur Regulierung des „Drehtüreffekts“ für Spitzenpositionen in der Justiz finden sich für Bundesrichter, unter Zuhilfenahme einer extensiven Auslegung, nur im Unabhängigkeitsgebot aus Art. 97 Abs. 1 GG wieder. Der „Drehtüreffekt“ kann in diesem Zusammenhang als „gesellschaftlicher Einfluss“ bewertet werden, der die richterliche Unabhängigkeit bedroht. Zwar offenbart Art. 97 Abs. 1 GG als 158
Sturm, Die Inkompatibilität im geltenden deutschen Staatsrecht, S. 79. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 3 Rn. 21. 160 Lechner/Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 3 Rn. 11. 161 Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Bd. 3, Art. 94 Rn. 16. 162 Vgl. hierzu bereits im 2. Kapitel unter B. I. 1. 159
D. Ergebnis
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verfassungsrechtliche Vorgabe bereits kraft Natur der Sache einen großen Interpretations- und Auslegungsspielraum. Zumindest für Bundesrichter die nicht am Bundesverfassungsgericht tätig sind, greift hier lückenfüllend jedoch die nachamtliche Konkretisierung aus § 46 DRiG i.V. m. § 105 BBG, mit der eine entsprechende Karenzzeit statuiert wird. Damit fehlt es allerdings ausgerechnet für die „Hüter der Verfassung“ an eindeutigen, einfachgesetzlichen Regelungen, durch die auf höchster justizieller Ebene im sensiblen Bereich des nachamtlichen Verhaltens Rechtssicherheit geschaffen wird. An dieser Stelle ist – als Ergebnis des Exkurses – eindeutig Handlungsbedarf zu konstatieren. Ein erster Schritt in diese Richtung ist in der Verabschiedung der vorgenannten Verhaltensleitlinien des Bundesverfassungsgerichts zu sehen.
D. Ergebnis Die vorstehenden Erwägungen zeigen zunächst in tatsächlicher Hinsicht, dass dem „Drehtüreffekt“ vornehmlich als „Böser Schein“ Relevanz zugestanden werden muss, in welchem sich die Aspekte des „Korruptionsverdachts“ sowie des „Lobbyverdachts“ kumulieren und damit der Gesamteindruck der unbilligen „Vermarktung“ der ehemaligen amtlichen Stellung bzw. dort erlangten Wissens entsteht. Insbesondere die rechtssoziologischen Erwägungen hierzu haben offenbart, dass die rechtliche Tragfähigkeit der angesprochenen Verdachtsmomente je nach Vorwurfsaspekt stark variiert, der gesellschaftliche Automatismus jedoch unabhängig davon stets zum Tragen kommt. Wie bereits angeklungen und auch nachfolgend umgesetzt, muss dieser „Gemengelage“ insbesondere verfassungsrechtlich Rechnung getragen werden, indem die jeweilige Gewichtigkeit des Verdachts hinreichend berücksichtigt wird. Wie die Erwägungen ebenfalls gezeigt haben, sind überdies bereits diverse verfassungsrechtliche Wertentscheidungen für das vorgenannte Problemfeld vorhanden. Die herausgearbeiteten, verfassungsrechtlichen Unvereinbarkeitsregelungen statuieren – meist in Form von Inkompatibilitäten – entsprechende Distanzforderungen, die mit dem „Drehtüreffekt“ insoweit bereits im Ansatz rechtlich kollidieren. Diese Distanzforderungen wirken allerdings zum Großteil nicht unmittelbar auch für den nachamtlichen Bereich, sondern vielmehr nur mittelbar: Sie müssen stets einfachgesetzlich ausgeformt und erweitert werden und geben dem Gesetzgeber hierfür eine entsprechende Handlungsgrundlage sowie ein legitimes Ziel. Auf diesem Wege, sprich durch einfachgesetzliche Karenzzeitregelungen, können die eigentlich als amtsbegleitend konzipierten Unvereinbarkeitsregelungen auch auf den nachamtlichen Bereich – verfassungsrechtlich fundiert – erweitert werden. Stets zu beachten und zu wahren ist hier regelmäßig nur die anscheinsbasierte Regelungsnatur als verfassungsrechtliche Rückkoppelung.
4. Kapitel
Rechtswissenschaftliche Analyse und Bewertung einfachgesetzlicher Karenzzeitvorgaben Nachdem bestehende sowie zur Debatte gestellte Regelungskonzepte auf nationaler und unionaler Ebene dargestellt und analysiert worden sind sowie die sozial- und rechtswissenschaftlichen Grundlagen der Karenzzeitidee sondiert werden konnten, wird im 4. Kapitel die Bundesregelung in §§ 6a, 6b BMinG sowie die niedersächsische Landesregelung aus § 7a NdsMinG auf Verfassungsmäßigkeit überprüft. Anschließend werden Rechtsschutzfragen erörtert.
A. Überprüfung der Verfassungskonformität der einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben auf Bundes- und Landesebene Um die rechtswissenschaftliche Analyse und Bewertung der einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben auf Bundes- und Landesebene zu vervollständigen, schließt das 4. Kapitel mit einer umfassenden verfassungsrechtlichen Konformitätsprüfung der §§ 6a, 6b BMinG sowie des – mittlerweile parlamentarisch bestätigten – § 7a NdsMinG(-E). Da sich die Regelungen aus dem BMinG und dem NdsMinG vor allem inhaltlich und rechtstechnisch stark ähneln, wird eine einheitliche, grundrechtliche Beurteilung für beide Vorgaben vorgenommen. Dabei orientieren sich die Erwägungen zumeist an den Bundesregelungen. Soweit notwendig, erfolgt jedoch eine Differenzierung zwischen den Karenzzeitvorgaben am entsprechenden Prüfungspunkt. Dieses Vorgehen lässt sich auch dogmatisch stützen; denn nach Art. 3 Abs. 2 NV finden die Grundrechte aus dem Grundgesetz auf Länderebene Anwendung. Konkret könnten die §§ 6a, 6b BMinG sowie § 7a NdsMinG rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in die Grundrechte ehemaliger Regierungsmitglieder aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und (subsidiär) Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit) statuieren. Zudem könnte in den Karenzgesetzen möglicherweise auch eine Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG (Allgemeiner Gleichheitssatz) liegen, die es zu rechtfertigen gilt. Nachfolgend wird daher die Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG und daraufhin mit Art. 2 Abs. 1 GG geprüft. Abschließend erfolgt eine Vereinbarkeitsprüfung mit Art. 3 Abs. 1 GG.
A. Überprüfung der Verfassungskonformität
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I. Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG? Nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Dieses Grundrecht unterliegt nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG einer Schranke. Um zu überprüfen, ob sich die Regelungen aus dem BMinG und dem NdsMinG im Rahmen dieser Einschränkungsmöglichkeiten bewegen, sollen zunächst vorgelagert allgemeine Erwägungen zur grundrechtlichen Relevanz der gegenständlichen Karenzzeitvorgaben i. S. d. Art. 12 Abs. 1 GG getroffen werden. Daraufhin wird die verfassungsrechtliche Rechtfertigung in den Blickpunkt genommen. 1. Allgemeine Erwägungen In einem ersten Schritt konzentrieren sich die Erwägungen darauf, zu sondieren, inwiefern der Schutzbereich des Art. 12 GG für potenziell Betroffene überhaupt eröffnet wäre. Daraufhin wird untersucht, ob und wenn ja, welche Form des Eingriffs in das Grundrecht mit den prüfungsgegenständlichen Karenzzeitvorgaben anzunehmen ist. a) Schutzbereichseröffnung Die Prüfung der (potenziellen) Eröffnung des Schutzbereiches unterteilt sich traditionell in den persönlichen Schutzbereich und den sachlichen Schutzbereich. aa) Persönlicher Schutzbereich Der persönliche Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG eröffnet sich zunächst für alle (grundrechtsberechtigten) „Deutschen“ i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG. Es handelt sich damit um ein sog. „Bürgerrecht“.1 Ehemalige Regierungsmitglieder sind ohne Weiteres grundrechtsberechtigt; das sog. „Konfusionsargument“ (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG) greift nicht mehr ein.2 Soweit das ehemalige Regierungsmitglied zudem die deutsche Staatsbürgerschaft innehat, kann es sich auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen. Sollte Letzteres nicht der Fall sein, kann sich die Schutzbereichseröffnung hier problematisch gestalten. Trotz diverser Bestrebungen einer berufsgrundrechtlichen Gleichstellung von Unionsbürgern3 wird im deutschen Verfassungsrecht die berufliche Betätigung von Ausländern nämlich primär über Art. 2 Abs. 1 GG und nicht über Art. 12 Abs. 1 GG geschützt.4 1
BVerfG, Beschl. v. 10.5.1988 – 1 BvR 482/84 und 1166/85, BVerfGE 78, 179, 196. Vgl. hierzu eingehend in diesem Kapitel unter B. I. 2. b). 3 So etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 12 oder auch Ruffert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 12 Rn. 36 f. 4 BVerfG, Beschl. v. 18.7.1973 – 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73, BVerfGE 35, 382; BVerfG, Beschl. v. 10.5.1988 – 1 BvR 482/84, 1 BvR 1166/85, BVerfGE 78, 179 sowie auch Mann, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 12 Rn. 33 m.w. N. 2
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
Dieses Problem hätte allerdings keinerlei praktische Relevanz, wenn die deutsche Staatsbürgerschaft Ernennungsvoraussetzung für die Übernahme des Ministeramtes wäre. Dann wären im nachamtlichen Bereich wohl ohnehin nur Personen betroffen, die zumindest auch die deutsche Staatsbürgerschaft innehaben. Hierzu schweigt das Gesetz jedoch: Die Notwendigkeit der deutschen Staatsbürgerschaft für die Übernahme des Ministeramtes findet sich weder im Grundgesetz noch einfachgesetzlich im BMinG. Zumindest für den Bundeskanzler ist allerdings anerkannt, dass die passiven Wählbarkeitsvoraussetzungen der deutschen Staatsbürgerschaft aus Art. 38 Abs. 2, 3 GG i.V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG Anwendung finden. Volker Epping5 begründet dies mit den „Funktionszusammenhängen im parlamentarischen System“. Roman Herzog6 ergänzt den insoweit maßgeblichen Art. 63 GG mit einem Erst-recht-Schluss dahingehend, dass dieser einen stillschweigenden Verweis auf Art. 38 GG und damit auch auf die Regelungen im BWahlG enthalte. Dieser Argumentationsgang müsse zur Gewährleistung einer einheitlichen Regierungsbildung entsprechend auch für die Bundesminister Gültigkeit entfalten.7 Ernennungsvoraussetzung für Bundesminister ist nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG demnach die deutsche Staatsangehörigkeit i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG. Praktisch von der nachamtlichen Regelung betroffen sind damit in aller Regel auch nur deutsche Staatsangehörige. Damit wird der persönliche Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG für Betroffene für gewöhnlich eröffnet sein. bb) Sachlicher Schutzbereich In sachlicher Hinsicht schützt Art. 12 Abs. 1 GG die Ausübung – und auch Wahl, nähere Erläuterungen folgen – eines „Berufs“. Bei einem „Beruf“ handelt es sich gemeinhin um eine auf gewisse Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit.8 Entgeltliche9 nachamtliche Tätigkeiten von ehemaligen Regierungsmitgliedern sind in aller Regel als „Berufe“ im vorgenannten Sinne zu kategorisieren: Potenzielle Betätigungen ehemaliger Regierungsmitglieder belaufen sich häufig auf Beschäftigungen in Aufsichts- und Leitungsgremien von privatwirtschaftlichen Unternehmen, Tätigkeiten in der Lobbyismus-Branche oder auch auf freiberuf-
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Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 63 Rn. 8. Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 63 Rn. 23. 7 Ebenfalls Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 64 Rn. 13. 8 Vgl. etwa BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377; BVerfG, Beschl. v. 18.6.1980 – 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301; BVerfG, Beschl. v. 26.6.2006 – 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, BVerfGE 105, 252; BVerfG, Beschl. v. 3.7.2007 – 1 BvR 2186/06, BVerfGE 119, 59. 9 Unentgeltliche Tätigkeiten sind entsprechend von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Vgl. hierzu in diesem Kapitel unter A. II. 6
A. Überprüfung der Verfassungskonformität
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liche Beschäftigungen, etwa als selbstständiger Rechtsanwalt.10 Sämtliche vorgenannte Berufsbilder werden als dauerhafte Tätigkeiten mit existenzsicherndem Charakter zweifelsfrei von Art. 12 Abs. 1 GG erfasst. Keine Rolle spielt es dabei, ob das ehemalige Regierungsmitglied selbstständig oder unselbstständig tätig wird. Art. 12 Abs. 1 GG schützt selbstständige wie unselbstständige Tätigkeiten gleichermaßen.11 Angezweifelt werden könnte, wenn überhaupt, ob Tätigkeiten, die parallel zum Bezug von Übergangsgeld und/oder Ruhegehalt i. S. d. §§ 14, 15 BMinG bzw. §§ 12, 13 NdsMinG ausgeübt werden, noch für die „Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage“ dienlich sind; denn die Existenzsicherung wird regelmäßig auch durch die nachamtlichen Versorgungsbezüge möglich sein. Auch dies muss jedoch im Ergebnis bejaht werden. Zum einen kann das „Übergangsgeld“ ohnehin nur maximal zwei Jahre bezogen werden, wie § 14 Abs. 2 S. 1 BMinG sowie § 12 Abs. 2 NdsMinG verdeutlichen. Auch ein Ruhegehalt wird nur dann gewährt, wenn das ehemalige Mitglied mindestens vier (vgl. § 15 Abs. 1 Hs. 1 BMinG) bzw. drei Jahre (vgl. § 13 Abs. 1 NdsMinG) der jeweiligen Regierung angehört hat. Zumindest Tätigkeiten, die nach Ablauf von zwei Jahren ohne Ruhegehaltsbezug ausgeübt werden, dienen damit mithin der Existenzsicherung und sind als „Berufe“ zu werten. Nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts12 gilt dies darüber hinaus sogar für solche Tätigkeiten, die während des Erhalts von Versorgungsbezügen ausgeübt werden: Demnach lasse sich allein aus dem Erhalt von Versorgungsbezügen nicht schließen, dass eine Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit im Ruhestand nicht berufsmäßig ausgeübt werde. Art. 12 Abs. 1 GG sei insofern besonders weit und nicht ausschließlich unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Existenzsicherung auszulegen. Die Eröffnung des sachlichen Schutzbereiches des Art. 12 Abs. 1 GG für ehemalige und nun (potenziell) erwerbstätige Regierungsmitglieder wird damit für gewöhnlich eröffnet sein. b) Eingriff Da vorstehend festgestellt worden ist, dass der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG regelmäßig eröffnet sein wird, ist nun zu sondieren, inwiefern nachamtliche Karenzzeitvorgaben auch einen Eingriff in das Grundrecht darstellen. 10 Vgl. hierzu Aufzählungen im 3. Kapitel unter B. I. sowie III. 1. b) bb) (1). Die Wahl entsprechender Berufe ergibt sich überdies auch aus der Übersicht aller laufenden Seitenwechsel vom Verein LobbyControl e. V., online einsehbar unter der URL https:// lobbypedia.de/wiki/Seitenwechsler_in_Deutschland_im_%C3%9Cberblick, zuletzt abgerufen am 17.5.2020. 11 Mann, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 12 Rn. 44; Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 12 Rn. 267. 12 BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZ-RR 1990, 365, 366. Inhaltlich ging es hier um die Untersagung der Berufstätigkeit eines Soldaten im Ruhestand nach § 20a Abs. 2 SoldG. Die Sach- und Rechtslage ist insoweit durchaus vergleichbar.
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
Erstens soll daher untersucht werden, ob und – wenn ja – welche Eingriffsqualität den untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitvorgaben konkret zukommt. Hieran schließt sich zweitens die Überlegung an, inwieweit die Maßnahmen zur Statuierung einer Karenzzeit im weiteren Verlauf der Prüfung womöglich als Eingriffsbündel behandelt werden müssen und damit nur in einer Gesamtschau bewertet werden können. aa) Eingriffsqualität Die Eingriffsqualität lässt sich für die untersuchungsgegenständlichen Belastungen, die in Gestalt der Karenzzeitvorgaben aus §§ 6a, 6b BMinG sowie § 7a NdsMinG rechtlich zu Tage treten, nicht übergreifend herleiten: Mit letzteren wird ein zweistufiges Regulierungssystem begründet, bestehend aus der Verpflichtung zur Anzeige der beabsichtigten Tätigkeit sowie der Ermächtigung zur Untersagung selbiger. Dieser Aufspaltung muss zur grundrechtsdogmatisch sauberen Herleitung der Eingriffsqualität auch Rechnung getragen werden. So liegt es nahe, zwischen zwei unterschiedlichen Konstellationen zu differenzieren: Der tatsächlichen Aussprache einer Untersagung (hierzu unter (1)) sowie der bloßen Verpflichtung zur Anzeige (hierzu unter (2)). (1) Eingriff durch vollständige oder teilweise Untersagung einer beruflichen Tätigkeit In der Möglichkeit der vollständigen oder teilweisen Untersagung einer angestrebten beruflichen Tätigkeit nach § 6b BMinG bzw. § 7a Abs. 3 NdsMinG könnte zunächst ein „klassischer“ Grundrechtseingriff in Art. 12 Abs. 1 GG zu sehen sein. Als Grundrechtseingriff im klassischen Sinne wird jede Beeinträchtigung bewertet, die gezielt (final), durch Rechtsakt, unmittelbar und imperativ in die grundrechtlich geschützte Position eingreift.13 Eingriffe in die Berufsfreiheit erfolgen hierbei häufig in Form von normativen Regelungen, die das „Ob“ und „Wie“ der beruflichen Tätigkeit bestimmen bzw. regulieren.14 Nach der in den vorausgehenden Untersuchungen ausführlich aufgezeigten Struktur der einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben kann jedoch bereits vorab festgestellt werden, dass die Untersagungstatbestände aus § 6b BMinG und § 7a Abs. 3 NdsMinG per se nicht die Merkmale des klassischen Eingriffsbegriffs erfüllen. Hierfür notwendig ist nämlich stets eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung: Es darf kein Akt der Rechtsanwendung zwischen dem abstrakten gesetzlichen Regelungsziel und der Rechtssphäre des Betroffenen stehen.15 Die Geset13 Voßkuhle/Kaiser, Grundwissen – Öffentliches Recht: Der Grundrechtseingriff, JuS 2009, 313 sowie grundlegend BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279, 299 f. 14 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 14. 15 Betghe, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Rn. 373a.
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zesnorm muss mit anderen Worten „selbstvollziehend“ sein.16 Dies ist bei den in Frage stehenden Gesetzen nicht der Fall, da die Untersagung hier stets durch Verwaltungsakt im Einzelfall ausgesprochen werden muss.17 Soweit eine solche Untersagung jedoch tatsächlich ausgesprochen wird, liegt in dieser mithin ein „klassischer“ Eingriff: Auf Grundlage von § 6b BMinG bzw. § 7a Abs. 3 NdsMinG wird die Regierung einfachgesetzlich und somit rechtsförmlich dazu ermächtigt, zielgerichtet gegenüber ehemaligen Regierungsmitgliedern eine gänzliche oder zumindest teilweise Untersagung einer angestrebten beruflichen (oder sonstigen) Tätigkeit auszusprechen. Die Aussprache der Untersagung erfolgt hierbei, wie erwähnt, unmittelbar durch Verwaltungsakt i. S. v. § 35 S. 1 VwVfG. Dieser kann mit Befehl und Zwang nach § 6 VwVG i.V. m. §§ 9 Abs. 1 lit. b, 11 VwVG bzw. § 70 Abs. 1 NVwVG i.V. m. §§ 64 ff. NPOG und damit imperativ durchgesetzt werden. Eingriffsgegenstand und somit auch verwaltungs- bzw. nachgelagert verfassungsprozessualer Anknüpfungspunkt für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Untersagungstatbestände in § 6b BMinG sowie § 7a Abs. 3 NdsMinG ist damit zwar stets die Untersagungsverfügung als Einzelakt.18 Für diese bilden jedoch wiederum die genannten Tatbestände taugliche Ermächtigungsgrundladen, sodass die Verfassungskonformität letzterer im weiteren Verlauf zum (abstrakten) Prüfungsgegenstand gemacht wird. Dabei sollen aber wiederum, als Konsequenz der erläuterten Umsetzungsnotwendigkeit, besonders anwendungsorientierte Gefahren zentrale Beachtung finden. (2) Eingriff durch Anzeigeverpflichtung? Wird eine Untersagungsverfügung ausgesprochen, kommt der Anzeigeverpflichtung wohl in den meisten Fällen keine eigenständige rechtspraktische Bedeutung mehr zu; es handelt sich dann vielmehr nur um einen notwendigen Durchgangsakt zur Verwirklichung der Untersagung. Diese Beurteilung gestaltet sich allerdings anders, wenn eine Untersagung mangels potenzieller „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ nicht ausgesprochen wird und sich die Belastung damit nur auf die Verpflichtung zur Anzeige nach § 6a BMinG bzw. § 7a Abs. 1 und 2 NdsMinG beschränkt. So wird eine solche stets und unabhängig 16
BVerfG, Urt. v. 1.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07, BVerfGE 125, 39, 76. A. A. Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134, der insoweit von der Statuierung einer Genehmigungspflicht durch die Karenzzeitvorgaben ausgeht. Folgt man dieser Ansicht, würde es sich durchaus um „selbstvollziehende“ oder „self-executing“ Normen handeln, die ohne einen weiteren Akt der Rechtsanwendung zu einer Beeinträchtigung führen würden; ein „klassischer“ Grundrechtseingriff wäre bereits tatbestandlich zu bejahen. Aus den in diesem Kapitel unter Gliederungspunkt B. I. 2. a) aufgeführten Gründen wird diese Ansicht jedoch abgelehnt. 18 Vgl. auch hierzu diesem Kapitel unter B. I. 2. a). 17
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
davon statuiert, ob die angestrebte Tätigkeit später tatsächlich (bzw. genauer: vermeintlich) mit öffentlichen Interessen kollidiert. Es stellt sich insoweit die Frage, ob dann auch in der bloßen Anzeigeverpflichtung schon ein „klassischer“ Eingriff zu sehen ist. Auch mit der Verpflichtung zur Anzeige wird zunächst durch formellen Rechtsakt das unmittelbar – da selbstvollziehend – wirkende und rechtlich durchsetzbare (vgl. § 6a Abs. 2 S. 3 BMinG sowie § 7a Abs. 2 S. 3 NdsMinG) Gebot statuiert, berufliche Informationen preiszugeben. Allerdings hindert diese Verpflichtung betroffene, ehemalige Regierungsmitglieder zunächst nicht daran, einen bestimmten Beruf auszuwählen oder auszuüben. Die geregelte Beeinträchtigung richtet sich vielmehr nur darauf, eine staatliche Informationsbasis zu schaffen.19 Damit könnte es der Verpflichtung an einer finalen Struktur ermangeln, durch die der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG verkürzt wird. Ein „klassischer“ Eingriff im vorgenannten Sinne in die Berufsfreiheit läge dann nicht vor. Eine Finalität und damit auch ein klassischer Grundrechtseingriff wäre jedoch demgegenüber anzunehmen, wenn man den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht – wie vorstehend – rein tätigkeitsbezogen definiert,20 sondern eine extensivere Auslegung zu Grunde legt. Eine solche wird von Teilen der Literatur21 vorgenommen. Demnach umfasst Art. 12 Abs. 1 GG auch die positive Freiheit, einen Beruf „frei von Auskünften“ auszuüben. Dies lässt sich grundrechtsdogmatisch weiter konkretisieren: Thomas Mann22 stellt beispielsweise einleuchtend fest, dass die Statuierung von besonderen Mitteilungspflichten letztlich eine Erweiterung des mit der Berufsausübung verbundenen Pflichtenkreises sei. Dieser finale Bezug auf die berufliche Tätigkeit reiche bereits aus, um einen klassischen Eingriff im vorgenannten Sinne und damit eine Schutzbereichsbeeinträchtigung der Berufsfreiheit anzunehmen. 19 Da die Anzeigeverpflichtung im Kern eine Pflicht zur Informationsübermittlung beinhaltet, könnte zudem konkurrierend auch ein Eingriff in das aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) hergeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung anzunehmen sein. Aufgrund der Einbettung der Anzeigeverpflichtung in einen eindeutig beruflichen Kontext und der ausgeprägteren Schutzintensität des Art. 12 Abs. 1 GG wird jedoch (schwerpunktmäßig) ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG anzunehmen sein. Vgl. hierzu insbes. Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 225 ff. m.w. N. Hierfür spricht sich auch Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 387 f. m.w. N. aus, die darauf verweist, dass die übermittelten Daten ein „wirtschaftliches Substrat“ aufweisen würden und damit die „informationelle Selbstbestimmung des Unternehmers“ betroffen sei, die primär von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt werde. 20 So etwa BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 397. 21 Vgl. hierzu insbes. Ossenbühl/Cornils, Nebentätigkeiten und Grundrechtsschutz, S. 47 ff.; anklingend auch bei Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Bd. 1, Art. 12 Rn. 68. 22 Mann, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 12 Rn. 93.
A. Überprüfung der Verfassungskonformität
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Unabhängig davon, ob man diese extensive Auslegung des Schutzbereiches von Art. 12 Abs. 1 GG und damit im Ergebnis die Annahme eines klassischen Grundrechtseingriffs für stichhaltig hält, könnte jedoch mit der Verpflichtung zur Anzeige ohnehin eine weitere Beeinträchtigung mit eindeutigerer Eingriffsqualität verbunden sein: Mit dem einleitend benannten Ziel der Informationsgewinnung geht eine Belastung in Gestalt einer (wohl) in Kauf genommenen Nebenfolge einher. So erscheint es nicht evident ausgeschlossen, dass die Verpflichtungsadressaten von nachamtlichen beruflichen Tätigkeiten für einen bestimmten Zeitraum bewusst Abstand nehmen, um der Anzeige zu entgehen.23 Damit könnte es sich um einen Eingriff im Sinne des sog. „modernen“ Eingriffsbegriffs handeln. Ein solcher liegt in jedem staatlichen Verhalten, das dem Einzelnen die Ausübung eines grundrechtlich geschützten Verhaltens ganz oder teilweise unmöglich macht.24 Dem Staat zurechenbar sind insoweit nicht nur zielgerichtete und damit finale Maßnahmen, sondern auch solche, die eine bestimmte Folge vorhersehbar herbeiführen.25 Diese Vorhersehbarkeit ist durchaus zu bejahen. Mit der Anzeigeverpflichtung geht eine hohe Eingriffsintensität einher, die sich explizit daraus ergibt, dass geschützte, berufsbezogene Daten – wie z. B. das Gehalt oder die angestrebte Position – an den Staat übermittelt werden müssen. Dass hiervon eine Abschreckungswirkung für eine geplante Tätigkeitsaufnahme ausgehen kann, war sicherlich hoheitlich prognostizierbar. Dementsprechend liegen im Kern die Voraussetzungen eines erweiterten Eingriffs vor. Allerdings ist dies allein nicht ausreichend, um in der Anzeigeverpflichtung auch einen erweiterten Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG zu sehen. Erforderlich ist nach ständiger Rechtsprechung26 vielmehr zusätzlich eine objektiv berufsregelnde Tendenz des Eingriffs. Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass die Regelung nach Historie und Inhalt schwerpunktmäßig solche Tätigkeiten betrifft, die typischerweise beruflich ausgeübt werden.27 Auch diese Schwelle kann jedoch vorliegend genommen werden. Die Anzeigeverpflichtung bezieht sich ihrem Wortlaut nach ausdrücklich und schwerpunktmäßig auf „Erwerbstätigkeiten“ und damit ausschließlich auf typischerweise berufsmäßig ausgeübte Beschäftigungen. Auch das Telos der Verpflichtung zielt gerade darauf ab, berufliche Tätigkeiten
23 So auch Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 387 und Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 224. In eine ähnliche Richtung tendieren auch Ossenbühl/Cornils, Nebentätigkeiten und Grundrechtsschutz, S. 28 f. 24 Epping, Grundrechte, Rn. 393; v. Coelln, in: Gröpl/Windthorst/v. Coelln, GG, GG Vorbem. Rn. 93. 25 Epping, Grundrechte, Rn. 395. 26 BVerfG, Beschl. v. 30.10.1961 – 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, 181, 186; BVerfG, Urt. v. 17.2.1998 – 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, 228, 254; BVerfG, Beschl. v. 12.10.2011 – 2 BvR 236, 237, 422/08, BVerfGE 129, 208, 266. 27 BVerfG, Urt. v. 17.2.1998 – 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, 228, 254.
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ehemaliger Regierungsmitglieder zu erfassen, um Interessenkonflikten vorzubeugen. Eine „zufällige“ Rückwirkung auf die Berufsfreiheit liegt insoweit nicht vor. Damit ist auch in der Anzeigeverpflichtung zumindest ein moderner Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG zu sehen. bb) Prüfungsmaßstab: Punktuelle oder „kumulative“ bzw. „additive“ Betrachtung? Nach Sondierung der Eingriffsqualität stellt sich ferner die Frage nach dem Prüfungsmaßstab. Der Gesetzgeber hat in Gestalt der §§ 6a ff. BMinG sowie § 7a NdsMinG ein mehrstufiges Regulierungssystem mit verschiedenen Eingriffsakten (Anzeige, Untersagung und Veröffentlichung) geschaffen. Dieses mehrstufige System könnte sich von vornherein einer ausschließlich punktuellen Betrachtung verschließen: Bei den Maßnahmen könnte es sich um ein Eingriffsbündel und damit um sog. „kumulative“ bzw. „additive“ 28 Grundrechtseingriffe handeln, die dann im weiteren Verlauf der Prüfung in einer Gesamtschau bewertet werden müssten. Die Idee hinter der Erfassung und gesonderten Einordnung sowie Prüfung kumulativer bzw. additiver Grundrechtseingriffe beläuft sich darauf, dass mehrere hoheitliche Maßnahmen den Grundrechtsträger auch erst in ihrer Gesamtwürdigung unverhältnismäßig beeinträchtigen können.29 Dies stellt dogmatisch eine Abweichung von der eigentlich punktuell konzipierten Grundrechtsprüfung dar.30 Eine solche wird jedoch dann notwendig, wenn eine sog. „Belastungskumulation“ im vorgenannten Sinne zu bejahen ist.31 Charakteristikum dieser „Belastungskumulation“ ist, dass an die Stelle punktueller Akte ein feingliedriges Regulierungssystem tritt, das in seinen (abtrennbaren) Bestandteilen bei isolierter Betrachtung eher unerheblich bzw. „vernachlässigbar“ wirkt.32 In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist eine solche kumulative Belastung, beispielsweise bei der Durchführung mehrerer gleichzeitiger Observationsmaßnahmen verschiedener staatlicher Sicherheitsbehörden33 oder bei einer strafgerichtlichen 28 Das Bundesverfassungsgericht nutzt zur Erfassung dieser dogmatischen Konstellation die Begrifflichkeiten „additiv“ und „kumulativ“ synonym ohne nähere Konturierung. Vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 27.3.2012 – 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, 372, 392 oder BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 – 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304, 320. 29 Vgl. hierzu Kreuter-Kirchof, Kumulative Grundrechtseingriffe in das Grundeigentum, NVwZ 2019, 1791 f. m.w. N. 30 Winkler, Der „additive Grundrechtseingriff“: Eine adäquate Beschreibung kumulierender Belastungen?, JA 2014, 881. 31 Kirchhof, Kumulative Belastungen durch unterschiedliche staatliche Maßnahmen, NJW 2006, 732, 733. 32 Winkler, Der „additive Grundrechtseingriff“: Eine adäquate Beschreibung kumulierender Belastungen?, JA 2014, 881. 33 BVerfG, Beschl. v. 2.5.1967 – BvR 391/64 und 263/66, BVerfGE 21, 378, 384.
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Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Einbeziehung einer in derselben Sache bereits verhängten disziplinarischen Arreststrafe,34 bejaht worden. Abzugrenzen sind kumulative Grundrechtseingriffe hingegen von solchen Eingriffen, die nebeneinanderstehen, ohne dass ihre Gesamtwirkung entscheidungserheblich wäre.35 Überträgt man die vorstehend aufgezeigte verfassungsgerichtliche Judikatur sowie den aktuellen Forschungsstand der Literatur auf das zu untersuchende Regelungsregime, liegt eine Beurteilung als kumulatives bzw. additives „Eingriffsbündel“ eher fern. Hierfür spricht bereits die Konzeption des Karenzzeitsystems – denn die Verpflichtung zur Anzeige, eine etwaige Untersagung sowie die Veröffentlichung stellen auch schon bei isolierter Betrachtung erhebliche Beeinträchtigungen dar, sodass sich die Notwendigkeit einer Gesamtschau gerade nicht aufdrängt. Überdies wirken die (potenziellen) Belastungen auch gar nicht wechselseitig verstärkend und damit „kumulativ“ bzw. „additiv“, sondern vielmehr schlicht punktuell: So beruht die Anordnung einer Karenzzeit, wie bereits einleitend erwähnt, auf einem Stufensystem. Wird der Anzeigeverpflichtung entsprochen, bedeutet dies nicht automatisch, dass auch eine Untersagung der angestrebten Tätigkeit erfolgt. Ist dies tatsächlich nicht der Fall, kommt dem Regelungsregime damit sogar ein alternativer Charakter zu. Wird eine Untersagung ausgesprochen, liegen zwar prima facie zwei Maßnahmen bzw. Belastungen vor – allerdings wird sich die Belastung hier zumeist in der Untersagung erschöpfen. Sprich: Angriffspunkt für etwa Betroffene wird eben diese Untersagung (inklusive Veröffentlichung) und nicht die vorhergehende Anzeigeverpflichtung sein. Eine (wechselseitige) Verstärkung der Belastung durch die Anzeige erfolgt hierbei nicht; vielmehr erfolgt eine Konsumtion. Damit sind die in Frage stehenden Eingriffe keiner kumulativen bzw. additiven (Rechtfertigungs-)Beurteilung zu unterziehen. 2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der vorgenannten Eingriffe bestimmt sich danach, ob Art. 12 Abs. 1 GG einschränkbar ist und ob sich die Eingriffe auch im Rahmen dieser Einschränkungsmöglichkeiten bewegen. a) Gesetzesvorbehalt: Schranken Nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG kann die Berufsausübung „durch oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden“. Obwohl sich der Wortlaut explizit nur auf die Berufsausübung beschränkt, ist anerkannt, dass eine Differenzierung zwischen Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit gerade nicht vorzunehmen ist: So hat 34
BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 – 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304, 320 f. Kreuter-Kirchof, Kumulative Grundrechtseingriffe in das Grundeigentum, NVwZ 2019, 1791, 1793. 35
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
das Bundesverfassungsgericht36 bereits 1958 im Apotheken-Urteil entschieden, dass von einem einheitlichen Grundrecht der Berufsfreiheit auszugehen sei. Dieses Verständnis rührt aus der zeitlichen Konnexität beider Phasen. Die Berufsaufnahme kann insoweit nämlich als Manifestation und die kontinuierliche Betätigung als Bestätigung der vorausgegangenen Berufswahl eingestuft werden.37 Der Regelungsvorbehalt betrifft daher das ganze Grundrecht in einem einheitlichen Sinne und nicht nur die Berufsausübungsfreiheit. Da im Übrigen keine weiteren Voraussetzungen an den Gesetzesvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gestellt werden, handelt es sich im Ergebnis um einen einfachen Gesetzesvorbehalt. Mit §§ 6a f. BMinG sowie § 7a NdsMinG wird „durch“ förmliches Parlamentsgesetz festgelegt, dass jedwede nachamtliche berufliche Tätigkeit für einen bestimmten Zeitraum anzuzeigen ist und bestimmte berufliche Tätigkeiten im Kollisionsfall untersagt werden können. Darin liegt eine hinreichende, einfachgesetzlich-formelle Rechtsgrundlage im Schrankensinne für die Anzeigeverpflichtung sowie die untersagungsbehördliche Einzelfallentscheidung. Die untersuchungsgegenständlichen Regelungen genügen damit den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts aus Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG. b) Schranken-Schranken Im Fokus der Abhandlung steht nunmehr die Frage, ob sich die Eingriffe auch im Rahmen der Einschränkungsmöglichkeiten bewegen. Hierfür ist zunächst zu hinterfragen, ob §§ 6a, 6b BMinG sowie § 7a NdsMinG noch mit dem Bestimmtheitsgebot in Einklang zu bringen sind. Des Weiteren ist die Verhältnismäßigkeit der Vorgaben zu überprüfen. Sodann wird begutachtet, ob Teile der Vorschriften gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, bevor abschließend die verfassungsrechtlichen Konsequenzen sondiert werden. aa) Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot? Zunächst kann die hinreichende Bestimmtheit der jeweiligen Tatbestände in §§ 6a, 6b BMinG bzw. § 7a NdsMinG an diversen Stellen angezweifelt werden. Das Erfordernis der Bestimmtheit leitet sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ab, welcher wiederum Kernelement des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) ist.38 Es begründet die Notwendigkeit, Rechtsnormen für den Adressaten vorhersehbar und berechenbar (sprich bestimmbar) zu formulieren39 und 36
BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 401 f. Mann, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 12 Rn. 14 sowie Ruffert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 12 Rn. 18 beide m.Verw. a. BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377. 38 Vgl. zur Systematik etwa Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 20 Rn. 181. 39 BVerfG, Beschl. v. 7.7.1971 – 1 BvR 775/66, BVerfGE 31, 255, 264. 37
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damit zugleich der Verwaltung klare und angemessene Handlungsmaßstäbe vorzugeben.40 Wie die nachfolgenden Erwägungen aufzeigen, ergeben sich Bedenken an die Bestimmtheit der Vorschrift in inhaltlicher und systematischer (hierzu unter (1)) sowie auch zeitlicher Hinsicht (hierzu unter (2)). (1) Zweifel an der Bestimmtheit in inhaltlicher und systematischer Hinsicht In der Fachliteratur41 werden teilweise Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit des Untersagungstatbestandes in § 6b Abs. 1 BMinG42 geäußert. Der Gesetzgeber habe die von Verfassungs wegen bestehenden Spielräume nicht zur Schaffung einer hinreichend konkreten Regelung genutzt, sondern diese Spielräume letztlich nur einfachgesetzlich weitergereicht. Dies spiegele sich insbesondere in der Nutzung von unbestimmten Rechtsbegriffen wider. So sei etwa das zentrale Tatbestandsmerkmal des „öffentlichen Interesses“, auf welches in § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG Bezug genommen wird, in § 6b Abs. 1 S. 2 BMinG nur unzureichend konkretisiert worden. Hierdurch werde das Ziel der Regelung, nämlich die Schaffung von Rechtssicherheit und Akzeptanz sowie die damit korrelierende Eindämmung von Skepsis gegenüber politisch heiklen Wechselvorhaben, untergraben. (a) Konturlosigkeit und ausufernder Wortlaut des Untersagungstatbestandes Hauptaugenmerk ist zunächst auf die unzureichende rechtliche Greifbarkeit der Regelungen zu legen, welche zu einem behördlichen Anwendungsdefizit führen kann. So begründet der regelbeispielartige, typisierende Aufbau der Vorschrift („insbesondere“) tatsächlich die unbedingte Notwendigkeit, den zu konkretisierenden, unbestimmten Rechtsbegriff (hier: „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“) nicht erneut durch nur schwer fassbare Formulierungen mit hohem Abstraktionsgrad zu umschreiben. Wird dieser Notwendigkeit zumindest in § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BMinG noch (eingeschränkt) entsprochen, indem konkret auf den Faktor der Sachnähe zwischen ehemaliger amtlicher Tätigkeit und angestrebter Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Bereichs abgestellt wird, bleibt § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BMinG demgegenüber weitestgehend substanzlos: Eine Beein-
40
BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, 54 f. Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 7 f.; Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 2 f. 42 Da der Untersagungstatbestand aus § 7a Abs. 3 NdsMinG rechtstechnisch fast identisch konstruiert ist, lassen sich die Erwägungen entsprechend übertragen. 41
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
trächtigung öffentlicher Interessen ist demnach unter anderem bei jeder Tätigkeitsform anzunehmen, die das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung beeinträchtigen kann. Der Rückgriff auf eine hinreichend konkrete Wechselkonstellation mit Gefährdungspotenzial, wie im Rahmen von Nr. 1 geschehen („Sachnähe“), bleibt hier aus.43 § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BMinG könnte im Wege der Auslegung allenfalls als Regelungsalternative bewertet werden, mit der nachamtliche Tätigkeitsbestrebungen des Bundeskanzlers gesondert aufgefangen bzw. reguliert werden sollen. So sind nachamtliche Wechsel des Regierungschefs mit besonderer Außenwirkung verbunden und damit am ehesten dazu geeignet, der Integrität der Bundesregierung nachhaltig Schaden zuzufügen. Hierbei handelt es sich jedoch um reine Norminterpretation, die durchaus auch anderweitig ausfallen kann. So sieht beispielsweise Timo Lange44 in § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BMinG demgegenüber nur angelegt, dass sämtliche Wechsel in Lobbytätigkeiten konfligiert seien. Diese generelle Konturlosigkeit des § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BMinG wird überdies von einem ausufernden Wortlaut flankiert. Zur Verwirklichung der Typisierung ist bereits die bloße Möglichkeit der Vertrauensbeeinträchtigung ausreichend („[. . .] beeinträchtigen kann.“). Eine solche potenzielle Vertrauensbeeinträchtigung wird mit Blick auf die generellen Zweifel der Bevölkerung gegenüber nachamtlichen Wechseln wohl zumeist zu bejahen und damit das Typisierungsbeispiel im Regelfall verwirklicht sein.45 Auf diesem Wege geht jedoch der vom Gesetzgeber angestrebte Typisierungscharakter verloren: Von einer Beeinträchtigung ist also „stets“ und nicht mehr „insbesondere“ auszugehen. Hieraus folgt ein überaus weiter und behördlicherseits nur schwer einzugrenzender Anwendungsbereich der Vorschrift.46 Dem Rechtsanwender an einer überaus grundrechtssensiblen Stelle einen so erheblichen Deutungs- und Anwendungsspielraum zuzugestehen, erscheint fragwürdig. Sinnvoll wäre hier die weitere Eingrenzung – etwa nach Vorbild des EZB-Verhaltenskodex47 – gewesen, mit der Wechselvorhaben leichter als „integritätsgefährdend“ eingestuft hätten werden können.
43 Vgl. zur gesetzlichen Struktur von § 6b Abs. 1 S. 2 BMinG in Gänze im 2. Kapitel unter A. I. 1. b) aa) (1). 44 Lange, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 3. 45 Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 8. 46 So i. E. auch wieder Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 8. 47 Vgl. hierzu im 2. Kapitel unter B. I. 4. b).
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(b) Systematische Ungereimtheiten innerhalb des Untersagungstatbestandes Abgesehen davon bleibt auch das systematische Verhältnis zwischen § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BMinG im Besonderen als auch zwischen § 6b Abs. 1 S. 2 BMinG und § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG im Allgemeinen undurchsichtig. Zunächst wird die in § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BMinG („Sachnähe“) geregelte Konstellation gänzlich von § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BMinG („Vertrauen der Allgemeinheit“) umfasst: Ein durch Sachnähe katalysierter Wechsel in einen bestimmten privatwirtschaftlichen Beruf i. S. v. Nr. 1 ist durchaus als „angestrebte Beschäftigung“ zu bewerten, die das „Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung“ i. S. v. Nr. 2 negativ beeinträchtigen kann. Dementsprechend kann § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BMinG nur als Auffangtatbestand gegenüber Nr. 1 bewertet werden.48 Die Einbettung dieses Auffangtatbestands in den Kontext der Konkretisierungsvorschrift des § 6b Abs. 1 S. 2 BMinG leuchtet allerdings nicht ein; denn als Auffangformulierung dient bereits der unbestimmte Rechtsbegriff der „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ in § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG. Die (dann nur vermeintliche) Konkretisierung in § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BMinG bringt daher auch keinen echten Mehrwert für den Rechtsanwender mit sich. Vielmehr wird letztlich nur die generelle Schutzrichtung des § 6b BMinG wiedergegeben bzw. klargestellt. Eine Hilfestellung für die zu treffenden Einzelfallentscheidungen ist hierin allerdings nicht oder wenn überhaupt nur bedingt zu sehen. Ob für § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BMinG damit als faktische Lex generalis – auch nach dem Vorgesagten – überhaupt noch ein eigener Anwendungsbereich verbleibt, erscheint zweifelhaft.49 (2) Zweifel an der Bestimmtheit in zeitlicher Hinsicht Des Weiteren stellt sich auch die Frage nach der hinreichenden Bestimmtheit der Vorgaben aus §§ 6a, 6b BMinG in zeitlicher Hinsicht – und damit an einer äußerst elementaren und somit rechtsstaatlich durchaus bedenklichen Stelle. (a) Bemessung der Untersagungsdauer So kann zunächst die in § 6b Abs. 1 i.V. m. Abs. 2 BMinG50 festgelegte Bemessung der Untersagungsdauer auf zweierlei Weise interpretiert werden. 48
Hierzu bereits im 2. Kapitel unter A. I. 1. b) aa) (1). So auch Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 135. A. A. Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 49, der demgegenüber keinen Raum für die Anwendung von § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BMinG sieht. 50 Entsprechende Bedenken greifen aufgrund einer vergleichbaren Ausgestaltung auch für die Regelung der Untersagungsdauer in § 7a Abs. 3 S. 1 und S. 2 NdsMinG. 49
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
Einerseits könnte die Vorschrift dahingehend ausgelegt werden, dass die Bundesregierung nach § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG für insgesamt 18 Monate nach dem Ausscheiden aus dem Amt dazu ermächtigt wird, eine Untersagung anzuordnen, die dann – theoretisch – wiederum nach § 6b Abs. 2 BMinG einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten umfassen kann. Nach dieser Auslegung könnte die Bundesregierung also beispielsweise einem ehemaligen Regierungsmitglied, das 17 Monate nach Ausscheiden aus der amtlichen Stellung eine entsprechende Tätigkeit aufgenommen hat, die Tätigkeit im „argen Fall“ für bis zu 18 weitere Monate ab diesem Zeitpunkt untersagen. Andererseits könnte § 6b BMinG jedoch auch so verstanden werden, dass eine generelle Untersagungsdauer von maximal 18 Monaten nach Ausscheiden aus dem Amt nicht überschritten werden darf. Im vorgenannten Beispiel dürfte sich die Untersagungsdauer für das Regierungsmitglied dementsprechend nur noch auf maximal einen weiteren Monat erstrecken. Bei einer Gesamtbetrachtung ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber letzteres Systemverständnis zu Grunde gelegt hat. Hierfür sprechen zunächst systematische Erwägungen: § 6b Abs. 1 BMinG steht rechtstechnisch in Verbindung mit § 6 Abs. 2 BMinG und ist entsprechend zu lesen. Abs. 2 dient schlichtweg als ermessenslenkende Vorgabe für Abs. 1 und soll den bereits dort festgelegten Zeitrahmen nicht etwa erweitern. Auch spricht die ratio legis der Vorschrift gegen eine extensive Auslegung. Nach der Konzeption des § 6b BMinG werden nämlich gerade solche Wechsel als regulierungsbedürftig eingestuft, die (noch) eine besonders enge Verflechtung zur amtlichen Tätigkeit aufweisen (vgl. § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BMinG). Eine solch enge Verflechtung ist bei Tätigkeiten, die erst nach umfassendem zeitlichem Abstand zur amtlichen Stellung aufgenommen werden, wohl tendenziell abzulehnen. Diesem Verständnis liefe es diametral entgegen, wenn die Bundesregierung auch bei Seitenwechseln kurz vor Ablauf der 18 Monate eine vollständige Untersagung von nochmals 18 Monaten anordnen könnte. Zuletzt spricht natürlich auch der Wortlaut des Abs. 1 („[. . .] für die Zeit der ersten 18 Monate [. . .]“) für diese Auffassung. Die bestehenden Zweifel an der genauen Bemessung der konkreten Untersagungsdauer können also im Wege der Auslegung aufgelöst werden. (b) Beginn der Karenzperiode: „Ausscheiden“ aus dem Amt Des Weiteren offenbaren sowohl der Anzeige- als auch der Untersagungstatbestand eine weitere Unklarheit, die sich ebenfalls auf die Bemessung des zeitlichen Rahmens bezieht. So beginnt die Karenzzeitperiode nach § 6a Abs. 1 S. 1 sowie § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG mit dem „Ausscheiden“ aus dem Amt zu laufen. Fraglich ist jedoch, wann von einem „Ausscheiden“ im vorgenannten Sinne auszugehen ist. Zunächst könnte das „Ausscheiden“ mit der Amtsbeendigung im Rechtssinne gleichzusetzen sein: So endet das Amt des Bundeskanzlers nach Art. 69 Abs. 2
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mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages; daneben führt auch ein konstruktives Misstrauensvotum gem. Art. 67 GG sowie eine Rücktrittserklärung (also ein Entlassungsgesuch) zu selbigem.51 Ähnliches gilt für die Bundesminister. Amtsbeendigungsgründe sind hier in § 9 BMinG i.V. m. Art. 69 Abs. 2 GG aufgeführt. Eine solche tritt demnach durch Entlassung, den Zusammentritt eines neuen Bundestages sowie jeder sonstigen Beendigung des Amtes des Bundeskanzlers ein. Eine entsprechende Gleichsetzung der Begrifflichkeiten ist dogmatisch gängig. Herzog52 spricht beispielsweise davon, dass Bundesminister nach ihrem „Ausscheiden“ aus dem Amt dazu verpflichtet werden können, die Geschäfte bis zur Ernennung ihrer Nachfolger fortzuführen (vgl. Art. 69 Abs. 3 GG). Er definiert damit „Ausscheiden“ als rechtliches und nicht etwa faktisches Niederlegen des Amtes. Auch Oldiges und Brinktrine53 differenzieren zwischen dem „Amtsende“ und der „Bestellung eines Nachfolgers“. Eine erste Auslegung der Begrifflichkeit ließe daher den Schluss zu, dass die Karenzzeitperiode mit dem rechtlichen Ausscheiden aus der amtlichen Stellung zu laufen beginnen könnte. Dies hätte konkret zur Folge, dass eine sich u. U. an die Amtszeit anschließende, interimistische Tätigkeit der Regelungsadressaten nach Art. 69 Abs. 3 GG auf die Karenzzeit angerechnet werden müsste. Diese Auslegung wird jedoch vom ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers konterkariert. Demnach beginnt im Fall der Weiterführung der Amtsgeschäfte nach Art. 69 Abs. 3 GG die Anzeigepflicht erst zum Zeitpunkt der Ernennung des Nachfolgers.54 Auch Lange55 interpretiert die Vorgaben in diese Richtung: Ein „Ausscheiden“ aus dem Amt sei bei interimistischer Amtsfortsetzung erst mit der Ernennung eines Nachfolgers anzunehmen. Dies hätte eine zeitliche Verlagerung der Karenzperiode zur Folge. Die 18 Monate würden erst dann zu laufen beginnen, wenn sämtliche Amtsgeschäfte auch tatsächlich bzw. faktisch niedergelegt werden. Der Frage, ob die Karenzperiode erst mit dem rechtlichen oder dem faktischen Ausscheiden aus dem Amt zu laufen beginnt, kommt durchaus eine erhebliche praktische Bedeutung zu – denn es droht ein Effektivitätsverlust. Während der geschäftsführenden Amtsfortsetzung wird für potenziell betroffene Regierungsmitglieder gerade noch kein überwiegendes Interesse daran bestehen, bereits eine nachamtliche Tätigkeit zu sondieren. Die finanziellen und persönlichen Interes-
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Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 69 Rn. 21. Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 69 Rn. 46. 53 Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 69 Rn. 26. 54 BT-Drs. 18/4630, S. 10. 55 So etwa Lange, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (BT-Drucksache 18/4630), S. 6. 52
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sen sind hier noch „abgedeckt“. Tatsächliche Relevanz entfaltet die Karenzzeit daher vornehmlich im nachamtlichen Bereich, in dem die wirtschaftliche Nutzbarmachung der dann frei zur Verfügung stehenden Kapazitäten in den Mittelpunkt rückt. Lässt man nun als Beginn der Karenzperiode das rechtliche Ausscheiden ausreichen, droht ein fruchtloses „Absitzen“ eines Großteils der 18-monatigen Frist während der Interimszeit – und damit korrelierend eine faktische Verkürzung der Sperrzeit im (relevanten) nachamtlichen Zeitraum. Dies läuft dem Sinn und Zweck der Karenzzeitvorgaben zuwider. Die vorstehenden teleologischen Erwägungen sowie der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung lösen damit die bestehenden Zweifel auf. Es ist davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber das faktische Ausscheiden aus dem Amt als maßgeblich für den Beginn der Karenzperiode hat statuieren wollen. Der Wortlaut der §§ 6a, 6b BMinG ist insofern missverständlich formuliert, denn er stellt begrifflich auf die rechtliche Beendigung des Amtsverhältnisses ab, meint aber das faktische Ausscheiden. Gerade in Zeiten knapper politischer Mehrheiten mit schwierigen und besonders langwierigen Regierungsbildungsprozessen kann diese begriffliche Ungenauigkeit problematisch werden. So ist es mittlerweile keine Seltenheit mehr, wenn eine Geschäftsregierung mehrere Monate „weiterregiert“.56 Insbesondere in diesen, sich immer weiter ausdehnenden Übergangsphasen sollte absolute Rechtsklarheit herrschen. Ansonsten droht ein fast automatisches Unterlaufen der Karenzzeit. Auf niedersächsischer Landesebene ist dieses Problem bereits im Gesetzgebungsprozess erkannt und gelöst worden. War in der ursprünglichen Entwurfsfassung ebenfalls noch von einem „Ausscheiden“ die Rede, ist dies nach entsprechender Empfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen abgeändert worden.57 Der Wortlaut in § 7a Abs. 1 und 3 NdsMinG spricht nun vom „Ende des Amtsverhältnisses“. Hiermit wird dem Willen des Landesgesetzgebers, der die Karenzzeit im Fall der Weiterführung der Amtsgeschäfte nach Art. 33 Abs. 4 NV ebenfalls erst zum Zeitpunkt der Ernennung der Nachfolgerin oder des Nachfolgers beginnen lassen will,58 hinreichend bestimmt entsprochen. (3) Zwischenergebnis und verfassungsrechtliche Konsequenz Festzuhalten bleibt damit, dass der Gesetzgeber dem Rechtsanwender sowie dem Normadressaten an diversen Stellen (unbewusst) einen nicht nur unerheb56 Vgl. hierzu etwa Schemmel, Die geschäftsführende Bundesregierung, NVwZ 2018, 105. Die von Schemmel in Bezug genommene Phase nach der Bundestagswahl am 24.9.2017 dauerte letztlich etwa sechs Monate bis zur Regierungsbildung und der entsprechenden Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und SPD am 12.3.2018 an, vgl. hierzu https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/wie-gehtes-weiter-mit-der-regierungsbildung–181658, URL zuletzt abgerufen am 12.7.2020. 57 Siehe hierzu LT-Drs. 18/5289, S. 2. 58 LT-Drs. 18/4470, S. 4.
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lichen Deutungsspielraum eingeräumt hat, der durchaus zu Fehlinterpretationen führen kann. Fraglich ist jedoch, ob die unzureichende Bestimmtheit der Vorschriften in Gestalt der aufgezeigten inhaltlichen, systematischen und zeitlichen Auslegungsspielräume rechtsstaatlich auch derart schwer wiegt, dass bereits von ihrer Verfassungswidrigkeit auszugehen ist. Die Literatur positioniert sich diesbezüglich eher wohlwollend. Michael59 bewertet die existierenden Spielräume ohne nähere Begründung als wohl noch verfassungsrechtlich vertretbar. Grzeszick60 stellt mit Blick auf die Vorschriften des BMinG zutreffend fest, dass aus der schlichten Existenz etwaiger Unklarheiten nicht bereits automatisch die Verurteilung dieser als verfassungswidrig folgen kann. Letztere Einschätzung entspricht dabei ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung. So ist das Maß an gebotener Bestimmtheit nie pauschalisierend, sondern stets im Einzelfall anhand verschiedener Faktoren zu ermitteln.61 Die wesentlichen Gesichtspunkte, die diese Einschätzung tragen, sind die Eingriffsintensität der in Frage stehenden Norm62 sowie die sachlichen Eigenarten des Regelungsgegenstandes.63 (a) Argumente gegen eine hinreichende Bestimmtheit Die erhebliche Eingriffsintensität von Karenzzeitvorgaben streitet zunächst gegen die verfassungsrechtliche Vertretbarkeit der tatbestandlichen Unklarheiten. Die untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitvorgaben statuieren temporäre Berufsverbote, aufgrund derer empfindlich in die grundrechtliche Sphäre von betroffenen, ehemaligen Regierungsmitgliedern eingegriffen werden kann. Bei derartigen Berufsverboten handelt es sich mithin um die schwersten grundrechtlichen Eingriffe überhaupt.64 Dementsprechend sind die Anforderungen an die Bestimmtheit auch besonders hoch anzusetzen. Bestehen aufgrund der inkonsistenten inhaltlichen und systematischen Konkretisierung bzw. Typisierung nun Unsicherheiten darüber, wie der unbestimmte Rechtsbegriff der „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ als Kernelement der Untersagung auszulegen ist, 59 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 3. 60 Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 8. 61 BVerfG, Beschl. v. 9.8.1995 – 1 BvR 2263/94 und 229, 534/95, BVerfGE 93, 213, 238. 62 BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, 55. 63 BVerfG, Urt. v. 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95, 1 BvR 1787/95, BVerfGE 102, 347, 361. 64 BVerfG, Beschl. v. 9.8.1995 – 1 BvR 2263/94 und 229, 534/95, BVerfGE 93, 213, 235.
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kann dies die gleichmäßige und damit rechtssichere Anwendung der Normen negativ tangieren. Dabei ist durchaus in Ansatz zu bringen, dass es der Bestimmtheitsgrundsatz nicht ausschließt, auch unbestimmte Rechtsbegriffe gesetzgeberisch nutzbar zu machen.65 Eine gewisse Unbestimmtheit ist Rechtsnormen sogar inhärent, da sie gerade abstrakt-generell für eine Vielzahl von Fällen gelten müssen und nicht jeden Einzelfall im Detail erfassen können. Teilweise wird daher auch vertreten, die Implementierung einer Generalklausel in den Untersagungstatbestand sei „unausweichlich“.66 Kernfrage ist allerdings vorliegend trotzdem, ob es dem Gesetzgeber möglich und zumutbar gewesen wäre, mehr als nur einen typischen Fall (Stichwort: „Sachnähe“) zu normieren und damit die Generalklausel nicht „ihrem Schicksal“ zu überlassen.67 Dies ist grundsätzlich zu bejahen. So hätten es die Umstände der untersuchungsgegenständlichen Regelungsmaterie dem Gesetzgeber gut ermöglicht, eine Kasuistik herauszubilden, die den abstrakten Gehalt der Vorschrift für Behörde und Adressat greifbarer gemacht hätte – denn die Vorschriften beziehen sich nur auf einen begrenzten Adressatenkreis. Zudem sind vielfältige Anwendungsbeispiele aus der politischen Praxis vorhanden, über die eine breite öffentliche Diskussion geführt worden ist. Die so hinreichend eingrenzbaren Problem- und Konfliktfälle wären für den Gesetzgeber also kategorisierbar gewesen. Abgesehen davon hätte auch die Möglichkeit bestanden, etwa auf § 105 BBG sowie § 20a SG und damit ähnlich gelagerte Karenzzeitvorschriften im Beamten- bzw. Soldatenrecht zurückzugreifen, um aus deren langjähriger Anwendungspraxis wichtige Schlüsse zu ziehen. Die Notwendigkeit nach gesetzgeberisch-kodifizierter Konkretisierung und Differenzierung wird dabei insgesamt noch dadurch verstärkt, dass weder in den Drucksachen noch in der Plenardebatte hinreichende Konkretisierungen getroffen worden sind;68 auch eine einschlägige Rechtsprechung besteht (noch) nicht.69
65 BVerfG, Beschl. v. 14.12.2000 – 2 BvR 1741/99, 276, 2061/00, BVerfGE 103, 21, 33. 66 Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 434. 67 So mahnt auch Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 434 an, dass bei einer Kombination aus weitem Tatbestand und gebundener Rechtsfolge eine Ausuferung in ein generelles Tätigkeitsverbot drohe. Auch wenn der Gesetzgeber eine Ermessensnorm statuiert hat, können hiermit nicht sämtliche Zweifel ausgeräumt werden. 68 Vgl. hierzu auch Kritik von MdB Wawzyniak, Plenarprotokoll 18/100, S. 9577. 69 Auch wenn noch keine spezifische Rechtsprechung existent ist, sei an dieser Stelle auf das bereits mehrfach zitierte Urteil vom BVerwG v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZRR 1990, 365 verwiesen, indem sich der erkennende Senat mit der soldatenrechtlichen Parallelvorschrift aus § 20a SG und der Auslegung sowie Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „dienstlichen Interessen“ beschäftigt. Eine entsprechende Parallelziehung wird im weiteren Verlauf der Arbeit vorgenommen.
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(b) Argumente für eine hinreichende Bestimmtheit Andererseits streiten auch einige Erwägungen für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der tatbestandlichen Unklarheiten. Zunächst kann hier ebenfalls rechtsvergleichend auf Parallelvorschriften mit ähnlichem Regelungsgehalt abgestellt werden. So haben sich in der behördlichen Anwendungspraxis sowie der gerichtlichen Überprüfung insbesondere die schon genannten § 105 Abs. 2 BBG und § 20a SG aber auch § 41 BeamtStG oder § 35 Abs. 1 S. 1 GewO (letztere als entfernte Parallelvorschrift, die aber ebenfalls berufsregelnde Tendenz aufweist) langfristig bewährt. Mit den Vorschriften kann zum einen gegenüber Ruhestandsbeamten bzw. Ruhestandssoldaten ein temporäres Berufsverbot ausgesprochen und zum anderen Gewerbetreibenden die Ausübung eines Gewerbes untersagt werden. Beide Untersagungstatbestände stützen sich ebenfalls schwerpunktmäßig auf die unbestimmten Rechtsbegriffe „Beeinträchtigung dienstlicher Interessen“ sowie „Unzuverlässigkeit“, ohne diese weiter auszudifferenzieren.70 Ferner streitet für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Spielräume der allgemeine Konsens, dass es im Sinne einer „bestimmbaren Mindestanforderung“ ausreichend sein kann, wenn die fragliche Norm mithilfe juristischer Auslegungsmethoden – insbesondere durch Berücksichtigung der gesetzesimmanenten Systematik – inhaltlich ergründet werden kann.71 Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, können auf diesem Wege zumindest die Zweifel an der genauen Bemessung des zeitlichen Untersagungsrahmens aufgelöst werden. Nach genauer Betrachtung der Regelungssystematik und des Wortlauts erscheint es eindeutig, dass die Untersagung nur für die Zeit der ersten 18 Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Amt verhängt werden darf. Gleiches gilt für den Beginn der Karenzperiode. Die eingängige Norminterpretation sowie die Sichtung der Gesetzesbegründung offenbart, dass die Karenzzeit nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann zu laufen beginnen soll, wenn auch eine interimistische Fortführung der Amtsgeschäfte eingestellt worden ist. Auch die Zweifel an der notwendigen Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ verflüchtigen sich zumindest bis zu einem gewissen Grad: So besteht die Möglichkeit, dem ausufernden Wortlaut („[. . .] beeinträchtigen kann.“) behördlicherseits durch eine restriktivere Handhabung der Typisierung Rechnung zu tragen. Eine weitergehende Ausdifferenzierung des Gesamttatbestands kann allerdings auch unter Zuhilfe70 Beispielsweise hat das BVerwG in diesem Zusammenhang mit dem vorstehend benannten Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZ-RR 1990, 365, 367 darauf abgestellt, dass es für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriff der „Beeinträchtigung dienstlicher Interessen“ i. S. v. § 20a SG auf die Sicht eines „sachlich denkenden Bürgers“ ankäme. 71 BVerfG, Urt. v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14, 45 sowie BVerfG, Beschl. v. 12.2.1969 – 1 BvR 687/62, BVerfGE 25, 216, 227.
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nahme juristischer Methodik nicht erfolgen. De lege lata hat der Gesetzgeber nämlich tatsächlich nur den Faktor „Sachnähe“ als Typisierung ins Spiel gebracht, der sich jedoch ebenfalls erheblichen Zweifeln ausgesetzt sieht.72 Weitere greifbare Anwendungsbeispiele fehlen gänzlich, sodass eine Fortbildung der Kasuistik allein durch Normauslegung schwierig ist. (c) Gesamtschau Die Abwägung der widerstreitenden Argumente vermag nicht zu einem eindeutigen Ergebnis zu führen. Daher ist eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der sachlichen Eigenarten der Regelung vorzunehmen. Sachliche Eigenart der untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitvorgaben ist eindeutig die subjektive Rechtsnatur dieser: Ein zuständiges Gremium – also die entsprechende Regierung – entscheidet im Wege pluralistischer Wertung und Würdigung der Sachund Rechtslage darüber, ob der angestrebte Wechsel das „Vertrauen der Allgemeinheit“ in die Integrität des Regierungsorgans beeinträchtigen kann. Dem Gremium wird es hierbei nur schwerlich möglich sein, eine Entscheidung losgelöst von etwaiger medialer Berichterstattung und des damit einhergehenden, gesellschaftlichen Drucks zu treffen. Um eine damit in Verbindung stehende, zu starke Subjektivierung der Entscheidungsprozesse zu verhindern, wäre es daher von besonderer Bedeutung gewesen, dem zuständigen Gremium möglichst objektivierte Handreichungen als „Leitplanken“ für die zu treffende Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Auch wenn dabei eine abschließende Typisierung aufgrund der Vielzahl der möglichen Fallkonstellationen tatsächlich nicht oder kaum umsetzbar gewesen wäre,73 hätte eine weitere Eingrenzung durchaus erfolgen können, wie die vorstehenden Sondierungen, aber auch die abschließend entwickelten Reformbestrebungen deutlich machen. Derartige Eingrenzungen sind nicht (ausreichend) vorhanden. Daher begegnen die tatbestandlichen Unklarheiten in inhaltlicher Hinsicht nach der hier vertretenen Auffassung, unter Berücksichtigung der sachlichen Eigenarten der Regelungen, durchaus verfassungsrechtlichen Bedenken, die zwar noch nicht isoliert, aber unter zusätzlicher Beachtung nachstehender Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit eine gesetzgeberische Handlungsnotwendigkeit begründen. Die tatbestandlichen Unsicherheiten in zeitlicher Hinsicht können hingegen vollumfänglich aufgelöst werden, sodass die Sorge der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit der Regelungen zumindest diesbezüglich nicht aufkommt. Dennoch sollte sich der Gesetzgeber auch hier die Frage stellen, ob nicht etwa aus 72 Eingehende Thematisierung unter Einbeziehung der hiermit verbundenen Wechselwirkung zur anscheinsbedingten Regelungsnatur der Vorschrift in diesem Kapitel unter A. I. 2. b) bb) (4) (c) (bb). 73 Insoweit zustimmend Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativund Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 402.
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Klarstellungsgründen eine saubere Formulierung an dieser rechtsstaatlich essenziellen Stelle wünschenswert wäre und daher eine entsprechende Abänderung anzustreben ist.74 bb) Verhältnismäßigkeitsprüfung Ferner müssten die eingriffsgegenständlichen Karenzzeitvorgaben aus §§ 6a, 6b BMinG sowie § 7a NdsMinG auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, um sich im Rahmen der Einschränkungsmöglichkeiten von Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG zu bewegen. Hierfür müssten sie einen legitimen Zweck verfolgen sowie geeignet, erforderlich und letztlich auch angemessen sein. (1) Legitimer Zweck Um zu Beginn herauszuarbeiten, ob der Gesetzgeber ein (oder mehrere) legitime Ziele verfolgt hat, sollen diese zunächst abstrakt benannt sowie anschließend auf Legitimität überprüft werden. Zuletzt werden diese mit Blick auf die Drei-Stufen-Theorie berufsspezifisch eingeordnet. (a) Regelungsziele Mit den Karenzzeitvorgaben soll – sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene – verhindert werden, dass durch den Anschein einer voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Karriereaussichten oder durch die private Verwertung von Amtswissen nach Beendigung des Amtsverhältnisses das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Regierung beeinträchtigt wird. Überdies sollen die Betroffenen vor Unsicherheiten und ungerechtfertigter Kritik bewahrt werden.75 Die gesetzgeberisch ausgerufenen Zielvorgaben lassen sich insgesamt in drei Unteraspekte aufgliedern, die sich allesamt in dem zu Beginn der Untersuchungen analysierten Missstandes des „Drehtüreffekts“ rückverorten lassen: Erstens soll der Anschein einer voreingenommenen Amtsführung vermieden werden (verwandt zum sog. „Korruptionsverdacht“). Zweitens soll der privaten Verwertung von Amtswissen vorgebeugt werden (verwandt zum sog. „Lobbyverdacht“). Drittens wird hierdurch insgesamt darauf abgezielt, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Regierung zu stärken (sog. „Böser Anschein“). (b) Legitimitätsbewertung Die vorstehend identifizierten Zielvorgaben müssten auch als „legitim“ im verfassungsrechtlichen Sinne zu bewerten sein. Als „legitim“ ist grundsätzlich jeder Zweck zu bewerten, der entweder darauf gerichtet ist, absolute Gemein74 75
Vgl. hierzu Reformansätze im 5. Kapitel unter A. II. 1. BT-Drs. 18/4630, S. 8 sowie LT-Drs. 18/4470, S. 3.
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schaftswerte in Form von Verfassungsprinzipien zu verfolgen oder aber auf die Umsetzung zumindest relativer Gemeinschaftswerte zielt, die der Gesetzgeber im Rahmen seiner wirtschaftspolitischen Gestaltungsfreiheit bzw. Zwecksetzungskompetenz anstreben kann.76 Für die Sondierung dieser Fragestellung bietet es sich an, zwischen den ausgerufenen Nahzielen sowie Fernzielen des Gesetzgebers zu differenzieren. (aa) Nahziele: Regulierung des „Bösen Anscheins“ sowie Vorbeugung der privaten Verwertung von Amtswissen Die einleitend benannten Regelungsbestrebungen lassen sich zunächst in ihrer anscheinsbasierten Sphäre gebündelt einer Legitimitätsbewertung zuführen, die alle drei Aspekte umfasst: Der „Böse Anschein“, der mit vermeintlich oder tatsächlich „nahtlos“ vollzogenen Seitenwechseln einhergeht, soll unterbunden und damit im Ergebnis das Anstellungsorgan sowie auch der wechselnde Spitzenpolitiker selbst vor Integritätsschäden geschützt werden (vgl. Formulierungen „Anschein einer voreingenommenen Amtsführung [. . .]“ sowie „Vertrauen der Allgemeinheit“). Hierbei handelt es sich zumindest realpolitisch weitestgehend um schlüssige und plausible Zielvorgaben.77 Ob die gesetzgeberische Einordnung des „Bösen Anscheins“ in diesem Kontext als „regulierungsbedürftig“ allerdings auch „legitim“ im verfassungsrechtlichen Sinne ist, gilt es nun zu untersuchen. Wie bereits im 3. Kapitel herausgestellt, fordert die Verfassung in Gestalt der jeweiligen Inkompatibilitäten in Art. 66 GG bzw. Art. 34 Abs. 2 NV (jeweils i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG) die Etablierung einer Distanz zwischen Amt und privatwirtschaftlicher Tätigkeit, um (unter anderem) anscheinsbedingten Schädigungen vorzubeugen. In diese verfassungsrechtlichen Wertungen lässt sich auch für den nachamtlichen Bereich zumindest eine mittelbare Distanzforderung hineinlesen. So eröffnet die Verfassung bei konsequenter teleologischer Auslegung die Möglichkeit, die bestehenden amtsbegleitenden Prinzipien einfachgesetzlich auf den nachamtlichen Bereich durch „nachwirkende Befangenheitsregelungen“ zur Unterbindung eines etwa entstehenden „Bösen Anscheins“ zu erstrecken.78 Der Gesetzgeber auf Bundes- und auch Länderebene hat von dieser Möglichkeit im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit – als Reaktion auf die offenkundige Schieflage in der politischen Wechselpraxis und der damit korrelierenden, kritischen gesellschaftlichen Rezeption dieser – Gebrauch gemacht. Damit steuern die untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitvorgaben bereits zulässigerweise einen rechtsstaatlich determinierten, relativen Gemeinschaftswert und damit zugleich einen legitimen Zweck an. 76 77 78
Klatt/Meister, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, JuS 2014, 193, 195. Vgl. hierzu insgesamt im 3. Kapitel unter B. II und III. Siehe hierzu im 3. Kapitel unter C. II. 2.–4.
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Neben der (übergreifenden) Unterbindung des „Bösen Anscheins“ soll mit den Karenzzeitregelungen konkret auch der privaten Verwertung von Amtswissen vorgebeugt werden. Auffallend bei dieser Co-Zielsetzung ist, dass hiermit auch tatsächliche und nicht ausschließlich anscheinsgeprägte Schädigungen verhindert werden sollen; es ist also eine Vermischung der Ebenen zu verzeichnen. Diese sind zwar ohnehin nicht bis ins Detail trennscharf abgrenzbar. Allerdings liegt der gesetzgeberische Schwerpunkt hier offenkundig nicht nur auf der Unterbindung des Lobbyverdachts (wie noch auf rechtssoziologischer Ebene des „Drehtüreffekts“ verortet), sondern zumindest auch auf der tatsächlichen Unterbindung der Nutzbarmachung von amtlich erlangtem Wissen. Fraglich ist, ob es sich auch hierbei ebenfalls um eine legitime Zielsetzung handelt. Eine Antwort hierauf kann aus einer einfachen Parallelziehung gewonnen werden: Für den amtsbegleitenden und auch den nachamtlichen Bereich finden sich einfachgesetzlich bereits diverse Verschwiegenheitsgebote (§ 6 BMinG und §§ 6, 7 NdsMinG) sowie Verschwiegenheitspflichten (§§ 94 ff., 203, 353b StGB und §§ 4 Abs. 1, 5 BDSG) mit quasi identischer Zielrichtung: Die Mitglieder der Regierung werden – auch nach Beendigung ihres Amtsverhältnisses – dazu verpflichtet, Verschwiegenheit über ihnen amtlich bekanntgewordene Angelegenheiten zu wahren, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder besonders vorgeschrieben ist. Insgesamt wird hierdurch u. a. darauf abgezielt, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verschwiegenheit amtlicher Stellen zu schützen.79 Hierbei handelt es sich, isoliert betrachtet, durchaus um einen legitimen Regelungszweck, der nun – gleichermaßen legitim – mit den bestehenden Karenzzeitgesetzen verfolgt wird. Dem Gesetzgeber steht es insoweit frei, diese einfachgesetzlich bereits mehrfach angesteuerte Zielstellung mit einem neuen Regelungskonzept gesondert zu flankieren. Damit ist auch in diesem Aspekt der Karenzzeitregelungen zunächst eine legitime Zielsetzung zu sehen. (bb) Fernziel: Gewährleistung eines funktions- und arbeitsfähigen sowie integer handelnden Staatsapparates Ferner verfolgt der Gesetzgeber als Fernziel mit den vorstehenden Nahzielsetzungen auch den Schutz absoluter Gemeinschaftswerte, sprich essenzieller Verfassungsprinzipien rechtsstaatlicher und demokratischer Natur. So wird mit den Karenzzeitregelungen letztlich bezweckt, durch die übergreifende Regulierung des „Bösen Anscheins“ sowie des (an das tatsächliche Element „Amtswissen“ angebundenen) „Lobbyverdachts“ die Integrität des jeweiligen Anstellungsorgans sowie des ehemaligen Politikers zu schützen. Dadurch strebt der Gesetzgeber wiederum insgesamt an, die fortlaufende und integre Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Staatsapparates auf Bundes- bzw. Landesebene zu gewährleisten, indem dieser frei von privaten Einflüssen gehalten wird. 79
So etwa in Bezug auf § 353b StGB Fischer, Strafgesetzbuch, § 353b Rn. 1.
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Hierbei handelt es sich um eine Zielsetzung, die sich ohne Weiteres verfassungsrechtlich untermauern lässt. Die Forderung der Verfassung, insbesondere die Exekutive „frei“ von sachfremden Einflüssen zu halten, findet sich schon in Art. 3 GG und den aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Prinzipien der Verfahrensgerechtigkeit sowie des „fair-trials“.80 Ähnliches ergibt sich auch aus den institutionellen Garantien und Schutznormen in Art. 33 Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 5 GG, mit denen eine integre und funktionsfähige Verwaltung sichergestellt werden soll. Obwohl diese Regelungen nur beamtenspezifisch wirken, lässt sich hieraus insgesamt das bereits in den Vorsätzen sondierte Leitbild der Verfassung von einer unparteiischen Verwaltung, die sich in ihrer Amtsführung nur an Gesetz und Recht orientiert und den Versuchen unsachlicher Beeinflussung widersteht, stützen.81 Hiervon losgelöst ist natürlich auch der abstrakte Faktor der gesellschaftlichen Akzeptanz der Gubernative – als wesentlicher Teil des Staatsapparates – maßgeblich für die Funktionsfähigkeit desselben und damit als legitime Zielstellung in diesem Zusammenhang ebenfalls zu erwähnen:82 Spitzenpolitischen Verwaltungs- bzw. Leitentscheidungen einer in der Bevölkerung nicht akzeptierten Regierung wird es naturgemäß an Durchsetzungskraft ermangeln; es kommt zur politischen „Unwucht“. Die Relevanz eines solchen Defizits lässt sich in den parlamentarisch-demokratischen bzw. verfassungspolitischen Kontext übersetzen.83 So geht die Verfassung von einem parlamentarischen Regierungssystem aus, in dem die Regierung stets vom Vertrauen des Bundestages – also des repräsentierten Volkes – abhängig ist.84 Fehlt hier der entsprechende Rückhalt, kann dies ultima ratio zur Absetzung der Regierung führen. Bei diesem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Regierung und Volk handelt es sich um eine grundlegende Wertentscheidung der Verfassung und damit um ein weiteres, wesentliches Verfassungsprinzip, das etwa in Art. 63 Abs. 1, Art. 64, Art. 62 oder Art. 67 GG Niederschlag gefunden hat und vom Gesetzgeber so zulässigerweise als absolutes Verfassungsgut ausgerufen wird. (cc) Ergebnis Somit bleibt festzuhalten, dass der Gesetzgeber mit den angesteuerten Nahzielen sowie dem übergreifenden Fernziel sowohl relative als auch absolute Gemeinschaftswerte und damit legitime Zwecke verfolgt. Für die weitere Prüfung der 80
Siehe hierzu im 3. Kapitel unter C. II. 1. BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZ-RR 1990, 365, 366. 82 Vgl. hierzu etwa Huck, in: Huck/Müller, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 20 Rn. 3 der im Kontext der §§ 20, 21 VwVfG die „Akzeptanz der Demokratie“ als Schutzgut anerkennt. 83 So auch Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 248, der ebenfalls auf das Demokratie- sowie Rechtsstaatsprinzip rückverweist. 84 BVerfG, Urt. v. 22.7.1969 – 2 BvK 1/67, BVerfGE 27, 44, 56. 81
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Verhältnismäßigkeit soll schwerpunktmäßig auf dieses Zielbündel abgestellt werden, wobei zwecks einheitlicher Terminologie zumeist singulär vom „legitimen Zweck“ gesprochen wird. (c) Anforderungen der Drei-Stufen-Theorie und Einordnung Um dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG sowie der unterschiedlichen Intensität von Eingriffen in die Berufsausübungs- bzw. Berufswahlfreiheit gerecht zu werden,85 muss der herausgearbeitete legitime Zweck zudem den Anforderungen der in diesem Zusammenhang entwickelten „Drei-Stufen-Theorie“ genügen. Demnach ist zu differenzieren, ob ein Eingriff in die Berufsausübung oder die Berufswahl vorliegt, wobei für einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit wiederum entscheidend ist, ob dieser nach subjektiven oder objektiven Kriterien erfolgt.86 Je nach verwirklichter Eingriffsstufe bestimmt sich dann letztlich, welche Anforderungen im Weiteren an den legitimen Zweck zu stellen sind. In der Fachliteratur ist ein bunter Strauß an Einordnungsansätzen von Karenzzeitregelungen in eine entsprechende Stufe vorhanden. Überwiegend orientieren sich die Autoren dabei an den bestehenden Einschätzungen aus Literatur und Rechtsprechung zu den Parallelvorschriften im Beamten- und Soldatenrecht, also § 41 BeamtStG, § 105 BBG sowie § 20a SG. Buß87 spricht sich zunächst dafür aus, die Karenzzeitvorgaben als Berufsausübungsregelungen zu bewerten. Karenzzeiten seien nicht darauf ausgelegt, die Ausübung jeder Tätigkeit auszuschließen, sondern vielmehr nur darauf gerichtet, die Aufnahme von Arbeitsverhältnissen in bestimmten Branchen zu regulieren. Die Tätigkeit in einer Branche sei aber nicht – wie erforderlich – mit einem eindeutigen Beruf oder Berufsbild gleichzusetzen, sodass keine (subjektive) Berufswahlregelung vorliege. Auch Bamberger88 positioniert sich unter Bezugnahme auf seine selbstentwickelte, aber inhaltlich vergleichbare Regelung des § 2 Abs. 2 NTbG ähnlich. Die entsprechende Untersagung erfolge „arbeitsplatz- aber nicht berufsspezifisch“. Grzeszick89 legt sich zwar nicht eindeutig fest, erweitert das potenzielle Spek85 Epping, Grundrechte, Rn. 409 ff.; Hufen, Staatsrecht II: Grundrechte, § 35 Rn. 29 ff. 86 Grundlegend hierzu BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 397. 87 Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 389 f. mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, BVerwGE 84, 194, 198 f. sowie Günther, Beschränkung der Tätigkeit von Versorgungsberechtigten, DÖD 1990, 129, 131 und Hahn, Offenbarungspflichten im Umweltschutzrecht, S. 176 f. 88 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 229 f. m.w. N. 89 Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 4 f.
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trum jedoch. So könne mit Hellmuth Günther90 auch eine subjektive Berufswahlregelung angenommen werden, da mit Karenzzeiten eben an die Eigenschaft der Person als ehemaliger Amtsträger angeknüpft werde. Auch die Einordnung als objektive Berufswahlregelung hält er mit einem Teil der Literatur für denkbar, da die Adressaten von den Einschränkungen der Karenzzeitregelungen per se getroffen werden würden, ohne dass sie Einfluss auf diese nehmen könnten.91 Im Ergebnis käme es jedoch auf eine Differenzierung nicht an, da die (strengsten) Anforderungen an eine objektive Berufswahlregelung ohnehin erfüllt seien.92 Die Einordnungsansätze können in ihrer vorgenommenen Eindeutigkeit nicht vollends überzeugen. Einleuchtend erscheint zwar, dass Karenzzeitregelungen tatsächlich branchenspezifisch wirken. Denn bei dem nachamtlichen Eintritt in bestimmte Berufszweige (sinnbildlich: Aufsichtsratsposten einer Aktiengesellschaft, die im vorigen Kompetenzbereich des Regierungsmitglieds a. D. angesiedelt ist) wird der „Böse Anschein“ fast automatisch generiert werden, wie die praktischen Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt haben. In diesem Fall wird nach dem Zuschnitt der Normen auch von einer „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ regelmäßig auszugehen sein, sodass ein Wechsel in die entsprechende Branche einer Sperre unterliegt. Demnach hat der Gesetzgeber zwar keine konkrete Betätigung, aber zumindest „sachnahe“ Berufe aus dem Kreis der potenziell möglichen, nachamtlichen Berufswahl branchenhaft ausgeschlossen. Allerdings folgt hieraus nicht die einseitige Einordnung als Berufsausübungsregelung in der von Buß oder Bamberger vorgenommenen Eindeutigkeit. Vielmehr könnte der Gesetzgeber durch die vorgenannte Regelungssystematik auch eine ambivalent zu bewertende „Berufsbildfixierung“ statuiert haben.93 Vom Vorliegen einer solchen ist auszugehen, wenn ein Beruf gesetzgeberisch „monopolisiert“ und zugleich „typisiert“ wird.94 Anders gewendet werden gewisse Betätigungen als für einen bestimmten Beruf „prägend“ festgehalten, wohingegen andere Betätigungen nicht mehr einem bestimmten Beruf zugeordnet werden.95 90 Günther, „Tätigkeitsverbot“ auch für Nicht-Versorgungsberechtigte? – Nachdenken de lege ferenda, DÖD 1989, 284, 289. 91 Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 4 mit Verweis auf Güdden, Nebentätigkeit der Ruhestandsbeamten, S. 76. Zustimmend auch Sachs, Hauptausschussprotokoll zur 54. Sitzung des nordrheinwestfälischen Landtages, APr 16/1327, S. 6. 92 Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 5. 93 Zum Begriff vgl. statt vieler Epping, Grundrechte, Rn. 416. 94 So ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 25.2.1969 – 1 BvR 224/67, NJW 1969, 1571, 1572 sowie in Zusammenfassung der Rechtsprechung hierzu auch Mann/Worthmann, Berufsfreiheit (Art. 12 GG) – Strukturen und Problemkonstellationen, JuS 2013, 385, 391. 95 Vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 15.12.1993 – 6 C 20/92, NJW 1994, 1601 oder BVerfG, Beschl. v. 3.7.2007 – 1 BvR 2186/06, BeckRS 2007, 33074.
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Eine solche Prägung ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber eine Positivliste von gesperrten Berufen festgelegt hat.96 Nach der in diesem Zusammenhang vom Bundesverfassungsgericht97 entwickelten „Berufsbildlehre“ ist für die Abgrenzung zwischen Berufswahl- und Berufsausübungsregelungen in diesem Fall darauf abzustellen, ob die untersagte Tätigkeit einem bestimmten Berufsbild entspricht. Ist dies der Fall, liegt eine Berufswahlregelung vor. Wenn nicht, ist nur die Berufsausübungsfreiheit tangiert.98 Überträgt man die vorstehenden Ausführungen auf das Karenzzeitsystem, wird deutlich, dass eine Monopolisierung oder Typisierung in dieser Schärfe zwar nicht vorliegt: Ein eindeutig und zweifelsfrei bestimmtes Berufsbild wird auch mit dem Kriterium der „Sachnähe“ – zumindest unmittelbar – nicht fixiert. Jedoch ist anerkannt, dass eine Berufsbildfixierung auch dann gegeben sein kann, wenn der Gesetzgeber die gleichzeitige Ausübung zweier Berufe durch generalisierende Inkompatibilitätsvorschriften ausschließt.99 Inkompatibilitäten dienen demnach gerade dazu, den Beruf eindeutig zu prägen, also das Berufsbild klar zu umgrenzen, indem sie es vor der Durchdringung und Vermengung mit Merkmalen anderer Berufstätigkeiten bewahren. Auch sind sie besonders geeignet, das Bild des Berufs in der Öffentlichkeit deutlich darzustellen.100 Diese Zuordnung erscheint durchaus passend und auch übertragbar: Karenzzeitvorschriften sind im Ergebnis schlicht nachgelagerte Inkompatibilitätsvorschriften, mit denen vor allem über das generalisierende Kriterium der „Sachnähe“ die unmittelbar an das Regierungsamt angrenzende Ausübung dann entsprechend bestimmbarer Tätigkeiten negativ abgegrenzt wird. Dass das Kriterium der Gleichzeitigkeit bei Karenzzeitvorgaben nicht gegeben ist, ist für die Übertragung dieses Gedankens unschädlich, da es vielmehr auf die inhaltliche als auf die zeitliche Sphäre ankommt. Es liegt damit quasi eine (mittelbare) Berufsbildfixierung „durch die Hintertür“ vor.101 96 So etwa in Anlage A der Handwerksordnung, durch die Handwerker auf die dort verzeichneten Zweige beschränkt werden. Diese war auch Gegenstand einer der einschlägigen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zur Berufsbildfixierung. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.7.1961 – 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, 97. 97 Vgl. insbes. BVerfG, Beschl. v. 17.7.1961 – 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, 97, 106 ff. 98 Hierzu ausführlich und unter Zusammenfassung der umfassenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 12 Rn. 280 ff. 99 BVerfG, Urt. v. 15.2.1967 – 1 BvR 569, 589/62, BVerfGE 21, 173, 180; Epping, Grundrechte, Rn. 416; eine gute Übersicht sowie Einordnung der gängigen Anwendungsfälle der Berufsbildfixierung findet sich bei Kimms, Das Grundrecht der Berufsfreiheit in der Fallbearbeitung, JuS 2001, 664, 668. 100 BVerfG, Beschl. v. 15. 2. 1967 – 1 BvR 569, 589/62, NJW 1967, 1317 101 Insoweit ist auch Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 389 f. sowie auch Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 245 f. zu widersprechen, da diese insbesondere die Wertungen aus BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, BVerwGE 84, 194,
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Nimmt man also nach dem Vorgesagten eine Berufsbildfixierung an, hat dies zur Folge, dass eine einheitliche Einordnung in eine bestimmte Stufe gerade nicht erfolgen kann. Wie sich eine Berufsbildfixierung nämlich konkret auswirkt, hängt nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung102 stets vom jeweiligen Einzelfall ab. Dies beruht auf nachfolgenden Gedanken: Eine Berufsbildfixierung enthält mit der Monopolisierung und der Typisierung regelmäßig einen Berufswahlaspekt sowie einen Berufsausübungsaspekt.103 So liegt für denjenigen, der sich in seiner nachamtlichen Berufswahl auf die „typischen“ (also im Fall der Karenzzeitregelungen: sachnahen) Berufszweige beschränkt, eine bloße Berufsausübungsregelung vor. Demgegenüber sieht sich derjenige, der die Aufnahme typischer, aber auch atypischer Betätigungen in Betracht zieht, mit einer Berufswahlregelung konfrontiert.104 Diese Berufswahlregelung knüpft sich an Bedingungen, die in der Person des jeweiligen Betroffenen zu finden sind: Seine Stellung als (ehemaliges) Regierungsmitglied. Auf diese Stellung hat der Betroffene zwar tatsächlich keinen Einfluss mehr.105 Hierauf kommt es jedoch nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung106 für die Annahme einer subjektiven Berufswahlregelung auch gar nicht an. Damit bleibt festzuhalten, dass es sich bei Karenzzeitregelungen um Berufsbildfixierungen handelt, die entweder als Berufsausübungsregelungen oder aber als subjektive Berufswahlregelungen wirken. Da beide Stufen – je nach Lage des jeweiligen Einzelfalls – betroffen sein können, muss der hinter den Karenzzeitregelungen stehende legitime Zweck jedenfalls den Anforderungen der strengeren Stufe genügen: Eine subjektive Berufswahlregelung ist nur zulässig, wenn sie auf „wichtige“ 107 bzw. „besonders wichtige“ 108 Gemeinwohlgüter abzielt. Bei der Gewährleistung der Integrität sowie der Arbeitsfähigkeit der Regierung, frei von privaten Einflüssen und der damit in Verbindung stehenden Funktionsfähigkeit des Staatsapparates insgesamt, handelt es sich um rechtsstaatlich sowie demokratisch determinierte und damit mindestens um „besonders wichtige“, eher so-
198 f. schlicht übertragen, ohne den Besonderheiten der Karenzzeitregelungen für Spitzenpolitiker gerecht zu werden. Der Parallelvorschrift aus § 20a SG fehlt es nämlich am generalisierenden Kriterium der „Sachnähe“, die hier für die Annahme einer Berufsbildfixierung und damit gegen die eindeutige Einordnung als Berufsausübungsregelung streitet. 102 BVerfG, Beschl. v. 15.2.1967 – 1 BvR 569, 589/62, NJW 1967, 1317 sowie auch BVerfG, Beschl. v. 5.12.2006 – 1 BvR 2186/06, BVerfGE 117, 126, 137. 103 Mann, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 12 Rn. 67 m.w. N. auf die entsprechende Rechtsprechung des BVerfG. 104 Vgl. hierzu wiederum Epping, Grundrechte, Rn. 416. 105 So etwa Sachs, Hauptausschussprotokoll zur 54. Sitzung des nordrhein-westfälischen Landtages, APr 16/1327, S. 6. 106 BVerfG, Beschl. v. 16.6.1959 – 1 BvR 71/57, BVerfGE 9, 338, 345. 107 BVerfG, Beschl. v. 17.7.1961 – 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, 97, 107. 108 BVerfG, Beschl. v. 12.3.1985 – 1 BvL 25, 45, 52/83, BVerfGE 69, 209, 218.
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gar „überragend wichtige“ 109 Verfassungsprinzipen und Gemeinschaftsgüter. Damit entspricht der legitime Zweck den Anforderungen der „Drei-Stufen-Theorie“. (2) Geeignetheit Des Weiteren müssten die Karenzzeitregelungen auf Bundes- und Landesebene auch geeignet sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie den angestrebten Regelungszweck zumindest fördern können.110 Bereits in der anwendungsorientieren Analyse sind einige Punkte angesprochen worden, die zugleich auch Geeignetheitserwägungen streifen.111 So ist hier beispielsweise die generelle Zuständigkeitszuweisung zur Regierung als Untersagungsorgan oder die Rolle des beratenden Gremiums in Zweifels- und Grenzfällen diskutiert worden. Auch wenn die gerade angesprochenen Aspekte die Geeignetheit der Karenzzeitgesetze nicht berühren, gilt dies nicht umfassend für alle dort getroffenen Erwägungen: Auf die verhältnismäßige Ausgestaltung der Regelungen könnten insbesondere drei Aspekte Einfluss haben, die nun vertieft besprochen werden. So ist zunächst zu sondieren, ob es für die Geeignetheit der Regelungen nachteilig zu bewerten ist, dass diese keine expliziten Sanktionsregelungen enthalten. Zudem wird untersucht, wie sich die mangelhafte Absicherung der Übergangsphase zwischen Anzeige und etwaiger Untersagung verfassungsrechtlich auswirkt. Abschließend ist zudem die Konzeption von § 7a NdsMinG insoweit kritisch zu betrachten, als dass hier die Untersagungsverantwortlichkeit allein der Landesregierung zugewiesen wird, ohne ein beratendes Gremium einzubinden. (a) Auswirkungen einer fehlenden Sanktionsregelung In der einschlägigen Literatur112 wird flächendeckend – unter Bezugnahme auf die Vorschriften auf Bundesebene – die Frage diskutiert, ob die dortigen Karenzzeitvorgaben einer Sanktionsregelung bedürfen. Diese Frage betrifft ihrem Kern nach durchaus den Aspekt der Geeignetheit. Denn: Erweisen sich die Karenzzeit109 So Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 5. 110 Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 20 Rn. 194.1. 111 Vgl. hierzu im 2. Kapitel unter C. I. und II. 112 Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 13; Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 1; Lange, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 4 f. sowie Buß, Kompatibilitätsregelungen für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane, 2019, S. 391 f. und 404 f.
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regelungen ohne entsprechende Sanktionsnormen als Lex imperfecta, werden sie also von der Zielgruppe überwiegend missachtet, ignoriert oder „umschifft“, ist nicht mehr davon auszugehen, dass das Regelungsziel zumindest gefördert werden kann. Die generelle Notwendigkeit der Implementierung eines Sanktionsmechanismus wird unterschiedlich beurteilt. Lange113 kritisiert die Strategie der Bundesregierung, allein auf öffentliche Kritik und einen etwaigen Reputationsverlust als Abschreckung zu setzen. Die praktischen Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass diese Aspekte zwar die Bundesregierung selbst unter Druck setzen könnten, aber bei den wechselnden Politikern bzw. den neuen Arbeitgebern häufig keinerlei Wirkung hätten. Daher seien Bußgelder, alternativ die Kürzung oder sogar das Streichen von Versorgungsansprüchen sinnvoll. Grzeszick114 hingegen stellt fest, dass finanzielle Sanktionsmechanismen, wie von Lange vorgeschlagen, nicht zwingend auch eine effektivere Option darstellen. So sei zu befürchten, dass sich ehemalige Regierungsmitglieder schlicht „freikaufen“ könnten, wenn dies nur lukrativ genug sei. Ob öffentlicher Druck als Abschreckungsmaßnahme ausreiche, könne jedoch ebenfalls nicht pauschal beantwortet werden, da dieser von Fall zu Fall variiere. Dass hiermit in der Vergangenheit ein generalpräventiver Charakter für andere Politiker verbunden gewesen sei, könne jedoch nicht evident ausgeschlossen werden. Diesbezüglich zu statuieren ist zunächst, dass letztlich keine Empirie darüber vorliegt, ob und wenn ja inwieweit öffentlicher Druck durch mediale Berichterstattung sowie ein damit einhergehender, drohender Reputationsverlust als „Abschreckungsparameter“ wirken kann. Es existiert nicht etwa eine Datensammlung über wechselgeneigte Amtsträger, die sich tatsächlich von einem angestrebten Seitenwechsel durch medialen Druck haben abbringen lassen. Da sich eine solche Datenerhebung zudem ohnehin nur auf subjektive Beweggründe beziehen würde, wäre diese überdies wohl auch nur wenig aussagekräftig. Eine gesicherte Beurteilung der „medialen Abschreckungskraft“ des Karenzzeit-Regelungskonzeptes ist daher tatsächlich kaum möglich. Vielmehr muss sich mit Grzeszick darauf beschränkt werden, festzustellen, dass die Existenz eines Abschreckungseffekts bisher zumindest nicht evident ausgeschlossen werden kann. Offen steht jedoch durchaus die rechtliche Beurteilung des Vollzugssystems, das hinter den existierenden Karenzzeitvorgaben steht. So fällt auf, dass sich die Stimmen in der Literatur primär auf den Aspekt der Abschreckung durch mediale 113 Lange, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 4. 114 Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 13; dem zustimmend auch Buß, Kompatibilitätsregelungen für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane, 2019, S. 392.
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Berichterstattung beschränken und dabei den rechtlich durchaus möglichen Gesetzesvollzug als Mechanismus gänzlich außer Acht lassen. Auch wenn den Zwangs- bzw. Vollzugsmitteln dabei zwar kein „Straf- bzw. Sanktionierungscharakter“ im eigentlichen Sinne zukommt,115 erscheint es dennoch äußerst naheliegend, dieses System heranzuziehen. Hinter der Diskussion um eine Sanktionierung steht nämlich letztlich nur die Befürchtung der mangelnden Durchsetzbarkeit bzw. Imperativität der Regelungen.116 Will man letzteres nun beurteilen, ist zwischen der Untersagungsverfügung und der Verpflichtung zur Anzeige zu trennen. (aa) Vollzug der Untersagungsverfügung Zumindest bei der Untersagungsverfügung handelt es sich um einen Verwaltungsakt i. S. v. § 35 S. 1 VwVfG, der auf die Unterlassung einer Handlung – sprich der Tätigkeitsaufnahme für einen bestimmten Zeitraum – gerichtet ist. Ein solcher Verwaltungsakt kann zunächst bundesrechtlich gem. § 6 Abs. 1 VwVG mit Zwangsmitteln nach § 9 VwVG durchgesetzt werden, soweit er unanfechtbar oder sofort vollziehbar ist. Das Zwangsmittel kann sich dabei u. a. auf die Verhängung eines Zwangsgeldes belaufen, wie § 9 Abs. 1 lit. b VwVG deutlich macht. Das Zwangsgeld wiederum ist nach § 11 Abs. 1 VwVG immer dann zulässig, wenn die Handlung durch einen anderen nicht vorgenommen werden kann (also unvertretbar ist) und diese zudem nur vom Willen des Pflichtigen abhängt. Nach § 11 Abs. 2 VwVG greift es insbesondere wenn der Adressat der Verpflichtung zuwiderhandelt, eine Handlung zu dulden oder zu unterlassen. Blickt man auf dieses bundesrechtliche Vollzugssystem, wird deutlich, dass der Boden für eine Sanktionierung bzw. Durchsetzung der regelmäßig sofort vollziehbaren117 sowie unvertretbaren Untersagungsverpflichtung bereitet ist. Sollte der Adressat derselben die angestrebte Tätigkeit dennoch aufnehmen, also seiner Unterlassungsverpflichtung zuwiderhandeln, kann die nach § 7 Abs. 1 VwVG zuständige Vollzugsbehörde (also hier die Bundesregierung) ein Zwangsgeld nach vorheriger Androhung (§ 13 VwVG) festsetzen (§ 14 VwVG). Es kann nach § 11 Abs. 3 VwVG bis zu 25.000 Euro betragen. Der Vollzug ist nach § 15 Abs. 3 VwVG erst bei Zweckerreichung einzustellen, soweit die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht auf andere Art und Weise entfallen.118 115 So hinsichtlich des Zwangsgeldes etwa Waldhoff, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts Bd. II, § 46 Rn. 132 m.w. N. 116 Vgl. hierzu Lange, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 4 der von „Kontrolle und Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben“ spricht. 117 Die Möglichkeit der zuständigen Untersagungsbehörde, die Untersagungsverfügung mit einer Anordnung zur sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO zu versehen, ist in diesem Kapitel unter B. I. 3. erläutert worden. 118 Toidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, VwZG, § 15 Rn. 6 ff.
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Auch auf Landesebene sind die entsprechenden Vollzugsvoraussetzungen gegeben, wobei hier wiederum das niedersächsische Beispiel herangezogen wird. Dort erfolgt die Vollstreckung von Verwaltungsakten, die auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet sind, gem. § 70 Abs. 1 NVwVG nach dem 6. Teil des NPOG – und zwar auch, wenn sie nicht der Gefahrenabwehr dienlich sind. Das Zwangsgeld kann hier wiederum gem. § 67 Abs. 1 S. 1 NPOG sogar bis zu 100.000 Euro betragen. Besonders hervorzuheben ist zudem die Regelung in § 67 Abs. 1 S. 2 NPOG. Demnach ist bei der Bemessung des Zwangsgeldes auch das wirtschaftliche Interesse der betroffenen Person an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen. Auf diesem Wege kann die zuständige Behörde (hier also die Landesregierung) das Zwangsgeld anpassen und der von Grzeszick angesprochenen Gefahr eines „Freikaufens“ optimal vorbeugen. Damit bleibt festzuhalten, dass sich die Diskussion um eine Sanktionierungsvorschrift zumindest hinsichtlich der Untersagungsverfügung erübrigt. Ihre Durchsetzbarkeit ist gewährleistet; die bestehenden Vollzugsmechanismen fangen ein vermeintliches Defizit in dieser Hinsicht vollständig auf. (bb) Vollzug der Anzeigeverpflichtung? Anders stellt sich die Situation jedoch bezüglich der Verpflichtung zur Anzeige dar, die sich in den Karenzzeitsystemen flächendeckend wiederfindet. Hier kann nicht auf den Verwaltungszwang zurückgegriffen werden, da die Anzeigeverpflichtung nicht durch Verwaltungsakt im Einzelfall ausgesprochen wird. Vielmehr trifft sie als „self-executing“-Norm sämtliche ehemaligen und aktuellen Amtsträger im Anwendungsbereich der Vorschriften. Fraglich ist daher, ob hier ein Vollzugs- bzw. Sanktionsdefizit besteht. Auch dies muss jedoch im Ergebnis abgelehnt werden. Mit den bestehenden Karenzzeitvorschriften wird die zuständige Bundes- bzw. Landesregierung nach § 6a Abs. 2 S. 3 BMinG bzw. § 7a Abs. 2 S. 3 NdsMinG dazu ermächtigt, bei Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Anzeige die angestrebte Tätigkeit für die Dauer von einem Monat zu untersagen. Da auf diesem Wege für das (ehemalige) Regierungsmitglied ein vollständiges Gehalt wegfallen würde und zudem auch der öffentliche „Aufschrei“ über ein Hinwegsetzen groß wäre, ist nicht davon auszugehen, dass die Anzeigeverpflichtung von den Adressaten missachtet wird. (cc) Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Gefahr eines Vollzugsdefizits im bestehenden Karenzzeitsystem auf Bundes- und Landesebene als gering einzuschätzen ist. Sowohl für die Untersagungsverfügung als auch für die Anzeigeverpflichtung sind ausreichend Mechanismen vorhanden, um eine Imperativität zu gewährleisten. Die zusätzliche Implementierung von disziplinarrechtlichen Sanktionsvorschriften (beispielsweise Bußgelder, Kürzung von Versorgungsbezü-
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gen) erscheint daher nicht notwendig. Zumindest in dieser Hinsicht erscheinen beide Karenzzeitsysteme somit nicht evident ungeeignet, den angestrebten Zweck zumindest zu fördern. (b) Fehlende Absicherung der Übergangsphase zwischen Anzeige und etwaiger Untersagung Wie bereits in der anwendungsorientierten Analyse aufgezeigt, folgt aus der Rechtsnatur der Vorschriften als Anzeigeverpflichtungen mit Verbotsvorbehalt die besondere Risikobehaftung des Zeitraums zwischen erfolgter Anzeige und etwaiger Untersagung. Wird hier nämlich nicht freiwillig vom ehemaligen Regierungsmitglied auf eine Aufnahme der angestrebten Tätigkeit verzichtet, ist die Regierung de facto machtlos – es droht bereits hier der Eintritt eines erheblichen Vertrauensschadens. Fraglich ist, ob diese Regelungslücke nun die Geeignetheit der Vorschriften in Gänze gefährdet. Auch wenn gerade im Verhältnis zur gesamten, potenziell auszusprechenden Untersagungsdauer nur ein kleiner Zeitraum betroffen ist, kann hiervon – gerade zu Beginn eines Karenzverfahrens – eine sehr unglückliche gesellschaftliche Signalwirkung ausgehen. Die Regierung könnte sich mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, nicht entschieden oder konsequent genug gegen „kritische“ Wechselbestrebungen vorzugehen. Die bereits mehrfach angesprochene, drohende Verlagerung des Akzeptanzdefizits vom ehemaligen Regierungsmitglied auf die Regierung selbst als Untersagungsorgan wird hier greifbar und gefährdet damit das ausgerufene Ziel der Akzeptanzförderung sowie der Kontrolle von nachamtlichen Wechseln. Auch geht hiermit womöglich eine Nebenwirkung einher, die sich ebenfalls negativ auf die Förderung der Gesetzesziele auswirken könnte. Will die Regierung die Phase zwischen Anzeige und Untersagung nämlich künstlich verkürzen, um das drohende Konfliktpotenzial gering zu halten, droht ein voreiliger Entscheidungsfindungsprozess ohne hinreichende Berücksichtigung der Lage des Einzelfalls sowie der Stellungnahme des beratenden Gremiums. Insgesamt muss daher konstatiert werden, dass mit der fehlenden Absicherung der „Zwischenphase“ durchaus die Förderung der angestrebten Gesetzesziele zur Disposition gestellt wird. (c) § 7a NdsMinG: Keine Einbindung eines beratenden Gremiums Mit ernsthaften Zweifeln an der Geeignetheit sieht sich überdies die landesrechtliche Regelung in § 7a NdsMinG konfrontiert. Wie bereits in der anwendungsorientierten Analyse herausgearbeitet, hat sich der niedersächsische Landesgesetzgeber in § 7a Abs. 3 NdsMinG dafür entschieden, die alleinige Zuständigkeitsverantwortung für eine etwaige Untersagung der Landesregierung zuzuweisen. Ein „beratendes Gremium“, wie auf Bundes- und Länderebene sonst vielfach eingesetzt, ist nicht vorgesehen. Hieraus folgt die Abwesenheit eines die
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Entscheidung legitimierenden Korrektivs. Es droht daher die Gefahr der Verlagerung des Akzeptanzdefizits auf die Landesregierung.119 Einer solchen sollte laut Gesetzeszweck eigentlich umfassend vorgewirkt werden. Auf ein vergleichbares Konstrukt zur Abfederung dieses drohenden Defizits hat der Gesetzgeber nicht zurückgegriffen. Daher ist zu erwarten, dass sich die zuständige Landesregierung insbesondere bei streitbaren und polarisierenden Entscheidungen – die regelmäßig zu treffen sind – schnell dem Vorwurf der Befangenheit ausgesetzt sehen wird. Somit ist ernsthaft anzuzweifeln, dass die Karenzzeitregelungen in dieser Form in Gänze (denn die Anzeigeverpflichtung läuft insoweit auch „leer“) dazu geeignet sind, das Ziel der weitreichenden Akzeptanzförderung und damit den Gesetzeszweck zumindest zu fördern. (3) Erforderlichkeit Des Weiteren müssten die Karenzzeitregelungen auch erforderlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn von mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln dasjenige gewählt wurde, welches die grundrechtliche Position am wenigsten beeinträchtigt.120 Im Rahmen der hier vorzunehmenden Alternativenprüfung wird hinterfragt, ob Verhaltenskodizes nicht unter Umständen ein milderes, gleichermaßen effektives Mittel zur Förderung des legitimen Zwecks darstellen können. Zudem soll untersucht werden, ob nicht möglicherweise das Ziel gleichermaßen wirksam mit einem Kontakt- und Verhandlungsverbot für (ehemalige) Regierungsmitglieder angestrebt werden könnte. Zuletzt wird ein zeitlich abgestuftes Sperrsystem als Regelungsalternative in Betracht gezogen. (a) Verhaltenskodizes als alternative, gleichermaßen effektive Regelungskonzepte? Wie die Erwägungen im 2. Kapitel unter Gliederungspunkt B. gezeigt haben, werden Selbstverpflichtungen in Gestalt von Verhaltenskodizes in der Staatsrechtspraxis von Bund, Ländern und Europäischer Union als probates Mittel zur Regulierung von Interessenkonflikten, die durch nachamtliche Seitenwechsel hervorgerufen werden, angesehen und genutzt. Der Bundesgesetzgeber benennt Selbstverpflichtungen in den Gesetzgebungsmaterialien sogar ausdrücklich als (potenziell) milderes Mittel.121 Auch in der Literatur122 sind Verhaltenskodizes 119
Vgl. hierzu Ausführungen im 2. Kapitel unter C. II. 1. a) m.w. N. Statt vieler BVerfG, Urt. v. 2.3.2010 – 1 BvR 256, 263, 586/08, BVerfGE 125, 260, 316. 121 BT-Drs. 18/4630, S. 2. 122 So etwa Buß, Kompatibilitätsregelungen für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane, 2019, S. 392 die jedoch eine Selbstverpflichtung mit Verweis auf das Fehlen einer unabhängigen Entscheidungsinstanz als nicht gleichermaßen zielführend ablehnt. Eine Diskussion der Thematik findet sich auch bei Diller, „Cooling-off“-Klauseln als nachvertragliches Wettbewerbsverbot?, NZA 2018, 692, 693. 120
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in diesem Kontext Gegenstand von Diskussionen. Fraglich ist jedoch, ob es sich hierbei auch tatsächlich um ein milderes und zudem auch ein gleich effektives Mittel handelt. Die Frage des milderen Mittels lässt sich isoliert betrachtet zunächst wohl bejahen. Im Zweifel werden selbstgesetzte Verpflichtungen und Einschränkungen die Adressaten weniger intensiv beeinträchtigen als Fremdeinschränkungen, denn letztlich entscheiden sie sich eigenständig und freiwillig für die Etablierung eines entsprechenden Verzichts. Allein dieser Faktor streitet entscheidend für die Annahme, dass ein Verhaltenskodex „milder“ für die Betroffenen wirkt. Allerdings beschränkt er zugleich auch die Möglichkeit des Gesetzgebers, auf eine solche Selbstverpflichtung als Alternative zurückzugreifen. Er ist darauf angewiesen, dass sich die betroffenen staatlichen Stellen eigenständig einer solchen Regulierung unterwerfen. Tun sie dies nicht, müssten sie „zur Selbstverpflichtung verpflichtet“ werden. Dies liefe dem Sinn und Zweck einer Selbstverpflichtung diametral entgegen und würde zu einem Dilemma führen, denn der vorgenannte abmildernde Effekt einer solchen würde quasi aufgehoben. Damit bleibt in einem ersten Schritt festzuhalten, dass eine Selbstverpflichtung nur dann ein milderes Mittel darstellen kann, wenn und soweit eine solche tatsächlich auch aus eigenem Antrieb etabliert wird. Unabhängig hiervon wird eine Selbstverpflichtung jedoch nicht auch als gleichermaßen effektiv zu bewerten sein. Dies lässt sich sicherlich auf den offensichtlichen Aspekt zurückführen, dass es einer im Wege der Selbstverpflichtung getroffenen Entscheidung schlichtweg an objektiver Wirkkraft ermangelt. Ein Akzeptanzdefizit wird sich so wohl tatsächlich nicht nachhaltig auflösen lassen.123 Darüber hinaus sprechen jedoch auch die nachfolgenden rechtlichen Aspekte eindeutig gegen eine Gleichwertigkeit. (aa) Mangelnde Nachwirkung von Selbstverpflichtungen diskontinuierlich besetzter Gremien und Organe Zunächst sei hier der Punkt der zeitlich begrenzten Gültigkeit von solchen Selbstverpflichtungen angemerkt, welche von Gremien oder Organen beschlossen werden, die nur diskontinuierlich besetzt sind. Dies betrifft vor allem Bundes- oder Landesregierungen. Wie bereits am Beispiel der Selbstverpflichtung der Niedersächsischen Landesregierung erörtert, werden Verhaltenskodizes regelmäßig in der Form von schlichten und unverbindlichen Kabinettsbeschlüssen verabschiedet. Unverbindliche Kabinettsbeschlüsse – in diesem Fall nach § 7 Nr. 22 123 Vgl. hierzu etwa Bätge, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre – BT-Drs. 18/4630, S. 7 f. oder Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 5.
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GGO-Nds – stehen als politische Absichtserklärungen in der Normenhierarchie noch unter organschaftlichem Innenrecht, sprich satzungsähnlichem Geschäftsordnungsrecht. Selbst für satzungsähnliches Geschäftsordnungsrecht ist jedoch umstritten, ob dieses unmittelbar das nachfolgende Regierungsorgan binden kann124 oder der Grundsatz der Diskontinuität sich auch auf den Fortbestand bzw. die Gültigkeit der Geschäftsordnung auswirkt.125 Ist dies schon für satzungsähnliches Innenrecht entsprechend streitbar, lässt sich nur schwer annehmen, dass eine unverbindliche Absichtserklärung in Form eines Verhaltenskodex auch Bindungswirkung über die eigentliche Amtszeit der beschlussfassenden Regierung hinaus entfalten kann.126 Dies gilt umso mehr, da hierdurch insbesondere auch eine politische Botschaft vermittelt werden soll, die die nachfolgende Regierung u. U. gar nicht mehr in dieser Form teilt. Selbstverpflichtungen sind daher aufgrund dieses Diskontinuitätsfaktors schon nicht so effektiv wie eine gesetzliche Verpflichtung. (bb) Grundsatz der Rechtsformenstrenge als Grenze nationaler Selbstverpflichtungen Es streitet jedoch noch ein weiteres, gewichtiges Argument gegen die gleichwertige Effektivität und auch gegen die generelle verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Selbstverpflichtungen; namentlich der Grundsatz der Rechtsformenstrenge bzw. des Typenzwangs.127 Dieser Grundsatz lässt sich beispielhaft anhand der Wertungsstruktur der Niedersächsischen Verfassung herleiten, bringt dabei jedoch zugleich einen allgemeinen staatsrechtlichen Grundsatz zur Geltung, welcher der generellen Etablierung von Selbstverpflichtungen bzw. Verhaltenskodizes auf gubernativer Ebene widerspricht: Ausgehend von Art. 41 NV bedürfen „Vorschriften der Staatsgewalt“ der Form eines Gesetzes. Gesetze werden nach Art. 42 Abs. 1 NV vom Landtag beschlos124 Zustimmend etwa BVerfG, Beschl. v. 11.10.1994 – 1 BvR 337/92, BVerfGE 91, 148, 167. Diese Ansicht bestätigt die gängige Staatsrechtspraxis und auch h. L., wonach die Geschäftsordnung in ihrer Fassung vom 11.5.1951 ohne expliziten Beschluss von der jeweiligen Bundesregierung ohne Genehmigung durch den Bundespräsidenten übernommen wird. Vgl. hierzu Hermes, in: Dreier, GG Bd. II, Art. 65 Rn. 49. 125 Mit Verweis auf das bundespräsidiale Genehmigungserfordernis Müller-Franken/ Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 65 Rn. 54; unter Bezugnahme auf Art. 69 Abs. 2 GG Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 65 Rn. 20; Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 65 Rn. 111 der von der Möglichkeit einer konkludenten Annahme der Geschäftsordnung ausgeht sowie zuletzt auch BVerwG, Urt. v. 17.10.1991 – 3 C 45.90, BVerwGE 89, 121, 125. 126 Insoweit bestätigt in LT-Drs. 18/4470, S. 3. Hier wird davon ausgegangen, dass eine entsprechende Selbstverpflichtung zu Beginn jeder Legislaturperiode erneuert werden müsste. 127 Vgl. hierzu etwa Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. V, § 100 Rn. 44 f., der den Typenzwang mit Blick auf die grundgesetzliche Regelungssystematik m.w. N. herleitet.
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sen. Hierauf aufbauend bestimmt Art. 43 Abs. 1 S. 1 NV, dass auch die Landesregierung durch entsprechendes Gesetz dazu ermächtigt werden kann, „Vorschriften“ in Form von Verordnungen zu erlassen. Daneben autorisiert nur noch Art. 39 Abs. 1 S. 1 NV die Landesregierung zum Erlass einer Geschäftsordnung, der jedoch als satzungsähnliches Innenrecht nach überwiegender Auffassung keine Außenwirkung zukommt.128 Die vorstehend aufgezeigte Ermächtigungssystematik macht deutlich, dass die Niedersächsische Verfassung von einem Numerus clausus der zulässigen staatlichen Handlungsformen ausgeht. Den Hintergrund dieses verfassungsrechtlichen Typenzwangs erläutern Epping und Preis129 in anderem Kontext treffend: „Insbesondere angesichts der zunehmenden Ausdifferenzierung der Rechtsetzungsinstrumentarien ist eine [. . .] formale Sichtweise geboten, um den aus dem Demokratieprinzip vorgegebenen Ableitungszusammenhang legitimationssichernd durch eine verfassungsrechtlich präformierte Rechtsetzungsformstrenge zu wahren. Überließe man es dem Gesetzgeber, einen Strauß beliebiger Rechtsetzungsinstrumentarien schaffen und in einen ungeordneten Zusammenhang mit gewillkürt virtualisierten Rechtsetzungs- und Verpflichtungsformen unterschiedlichen Inhalts stellen zu können, so unterliefe dies insofern den Vorrang der Verfassung.“
Hieraus folgt zum einen, dass die Regierung bereits mit Blick auf das verfassungsrechtliche Wertungssystem bereits kompetenziell gar nicht befugt ist, sich eine (verbindliche) Selbstverpflichtung aufzuerlegen. Ein Verhaltenskodex kann sich daher rechtstechnisch stets nur auf eine unverbindliche, politische Absichtserklärung beschränken und weist daher – wie bereits zugestanden – kraft Natur der Sache keine vergleichbare Durchsetzungskraft wie echtes Gesetzesrecht auf. Zum anderen kristallisiert sich hier der entscheidende Unterschied zwischen nationalen Verhaltenskodizes und Selbstverpflichtungen auf unionaler Ebene heraus. Wie im 2. Kapitel erarbeitet, orientieren sich unionale Selbstverpflichtungen am System angelsächsischer Rechtstradition, in der „Soft Law“ als konkretisierende, erläuternde oder vorbereitende Steuerungsform anerkannt ist. Derartige Steuerungsformen kennt das deutsche Rechtssystem nicht. Im Gegenteil – der Numerus clausus der Verfassung schließt in dieser Hinsicht eine Adaption entsprechender Selbstverpflichtungsansätze zumindest für den hoheitlichen Bereich weitgehend aus. (cc) Weitere Ausschlussgründe Neben den beiden vorgenannten, besonders schlagkräftigen Argumenten sind zuletzt auch noch zwei weitere Erwägungen ins Feld zu führen, die gegen eine vergleichbare Effektivität von Selbstverpflichtungen sprechen. 128
Hierzu im 2. Kapitel unter B. II. 1. a) aa) sowie bb). Epping/Preis, Verfassungs-, hochschul- und arbeitsrechtliche Fragen der Regelung guter Beschäftigungsbedingungen im Gesetz über die Hochschulen des Landes NRW (HG NW), September 2015, S. 42. 129
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So droht mit der Etablierung von Verhaltenskodizes letztlich auch eine Verwässerung einfachen Gesetzes- und Verfassungsrechts. Insbesondere Selbstverwaltungsorgane könnten sich unter dem Deckmantel der vermeintlich bindenden130 Binnenorganisation flächendeckend Regeln selbst auferlegen und so verfassungsrechtliche Wertentscheidungen (wie z. B. Inkompatibilitätsvorschriften) aushöhlen oder dem Erlass einfachgesetzlicher Vorgaben mit der Argumentation, es bestünden ja bereits Regelungen, vorbeugen. Auch eine kompetenzielle Überlagerung würde so hervorgerufen und die Gewaltenteilung gefährdet werden: Denn für die Regelung und Ausgestaltung der Statusrechte von (ehemaligen) Regierungsmitgliedern ist der Gesetzgeber und nicht bzw. wenn das betroffene Organ nur subsidiär nach einfachgesetzlicher Delegation selbst zuständig.131 Abschließend spricht auch der Gesetzes- bzw. Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gegen die alternative Etablierung von Selbstverpflichtungen anstelle einer gesetzlichen Verpflichtung. Demnach kann die Berufsfreiheit nur „durch oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden“. Dieser Regelungsvorbehalt soll die Kompetenz für Eingriffe in die Berufsfreiheit der Exekutive entziehen und auf die Legislative überlagern.132 Eingriffe durch untergesetzliche Normen müssten daher zumindest auf ein formelles Gesetz zurückzuführen sein.133 Dementsprechend müsste ohnehin eine einfachgesetzliche Grundlage für eine Selbstverpflichtung geschaffen werden, sodass es sich anbietet, die Vorgaben direkt zu kodifizieren. (dd) Ergebnis Ein Verhaltenskodex kann zwar per se ein milderes Mittel als eine gesetzliche Verpflichtung darstellen. Die vorstehenden Erwägungen zeigen jedoch eindeutig, dass es Selbstverpflichtungen an einer vergleichbaren Effektivität mangelt. Mehr noch: Sie sind dem nationalen Rechtssystem weitgehend unbekannt und verfassungsrechtlich nicht vorgesehen. Verhaltenskodizes sind daher nicht in der Lage, die Erforderlichkeit einfachgesetzlicher Regelungen in Abrede zu stellen. (b) Kontakt- und Verhandlungsverbot Als Alternative diskutiert wird weiterhin ein Kontakt- und Verhandlungsverbot für gewechselte Regierungsmitglieder zu ehemaligen Kollegen.134 Dieses wird 130 Eine Kompetenz zum Erlass bindender Statusregelungen existiert nämlich gerade nicht, wie in der rechtlichen Einordnung von gubernativen Verhaltenskodizes im 2. Kapitel unter B. II. 1. a) aufgezeigt. 131 Vgl. hierzu ebenfalls schon im 2. Kapitel unter B. II. 1. a) aa) und bb). 132 BVerwG, Urt. v. 6.11.1986 – 3 C 72/84, NVwZ 1987, 315, 316. 133 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 28 f. 134 So etwa Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentari-
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jedoch überwiegend kritisch betrachtet, da es nur einen Teil des potenziellen Risikos abdecke und nicht etwa der Verwertung erlangter Informationen vorbeuge. Eine vergleichbare Wirksamkeit sei daher abzulehnen.135 Abgesehen von dem vorstehenden, zutreffenden Punkt erscheint die Idee für den spitzenpolitischen Bereich auch schlichtweg nicht praktikabel. So bleibt völlig unklar, wie ein solches Kontakt- und Verhandlungsverbot überwacht und durchgesetzt werden soll; auch die rechtlichen Folgen eines Verstoßes erscheinen nicht wirklich greifbar. Es fehlt der Regelung zudem generell an gesellschaftlicher Außenwirkung zur Transparenzgenerierung. Im Übrigen würde ein solches Verbot auch deutlich zu spät ansetzen. So wäre hier „das Kind bereits in den Brunnen gefallen“: Wie die praktischen Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, tritt der Integritäts- und Vertrauensschaden regelmäßig bereits mit dem eigentlichen Seitenwechsel und nicht etwa durch die (spätere) privatwirtschaftliche Geschäftstätigkeit des ehemaligen Amtsträgers ein. Die öffentlichen Diskussionen drehen sich also primär um die Tatsache, die Anstellung überhaupt durch (vermeintliche) amtliche Einflussnahme erlangt zu haben. Damit ist ein Kontakt- und Verhandlungsverbot als Alternative eindeutig abzulehnen. (c) Zeitliches Sperrsystem mit Abstufungen Zuletzt könnte die Implementierung eines zeitlichen Sperrsystems mit Abstufungen ein milderes, aber gleichermaßen effektives oder sogar effektiveres Mittel im rechtstechnischen Sinne darstellen. (aa) Behördliche Ausgangssituation Die Idee beruht auf folgender Überlegung: Die zuständige Regierung muss im Ergebnis eine wertende Prognoseentscheidung darüber treffen, ob und inwieweit ein angestrebter und entsprechend angezeigter Wechsel das Potenzial dazu hat, die Integrität des ehemaligen Anstellungsorgans zu gefährden.136 Die Umstände schen Staatssekretäre, S. 5 mit Verweis auf Güdden, Nebentätigkeit der Ruhestandsbeamten, S. 131, der diese Idee mit Bezug zum Soldatenrecht entwickelt hat. 135 Ebenfalls Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 5 sowie zustimmend auch Buß, Kompatibilitätsregelungen für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 392. 136 Es lässt sich insoweit ein Vergleich zum Sicherheits- und Ordnungsrecht ziehen. Auch hier muss die zuständige Behörde zur Annahme einer „Gefahr“ die hinreichende Wahrscheinlichkeit abschätzen, ob ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung besteht (vgl. § 2 Nr. 1 NPOG). A. A. BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZ-RR 1990, 365, 367, in dem der erkennende Senat davon ausgeht, dass sich die „Beeinträchtigung dienstlicher Interessen“ i. S. d. § 20a SG nicht im Wege einer Wahrscheinlichkeitsprognose über künftig real zu erwartende Kausalabläufe ermitteln ließe,
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des Einzelfalles muss die Untersagungsbehörde dann in eine (Auswahl-)Ermessensentscheidung gießen, die – und dies ist die „Crux“ für Behörde und Adressat – eine konkrete Untersagungsdauer beinhalten muss. Die Behörde hat also bereits zum Erlasszeitpunkt der Verfügung abzuschätzen, welchen Zeitraum diese umfassen muss, um der Entstehung eines „Bösen Anscheins“ sicher vorzubeugen. Insofern unterscheidet sich die zu treffende Entscheidung ihrer Art und Weise nach auch von anderen Untersagungsverfügungen, wie etwa ein Vergleich mit dem Gewerberecht aufzeigt. Soweit hier der unbestimmte Rechtsbegriff der „Unzuverlässigkeit“ erfüllt ist,137 spricht die zuständige Behörde eine Untersagung nach § 35 Abs. 1 GewO aus. Diese Verfügung erstreckt sich gerade nicht auf einen bereits ex ante konkret zu bestimmenden Zeitraum, sondern wirkt zunächst unbegrenzt. Ihre Geltung wird erst durch einen Aufhebungsakt (in der Regel durch Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 GewO) beendet. Ein derartiges System ist den Karenzzeitvorgaben fremd. Dies hat bei – besonders schwerwiegenden – Berufsverboten auch sicherlich seine Berechtigung; denn für den Betroffenen ist es von großem Interesse, genau absehen zu können, ab wann eine Tätigkeit (wieder) aufgenommen werden darf. Dennoch liegt in der so zu treffenden Ermessensentscheidung der Behörde auch ein großes Risikopotenzial. Wenn sie den betreffenden Zeitraum zu lang ansetzt, wird der Adressat schnell unverhältnismäßig belastet. Setzt sie den Zeitraum hingegen zu kurz an, droht die Gefährdung der ausgerufenen Gesetzesziele: Akzeptanzförderung und Integritätssicherung. (bb) Abmilderung des behördlichen Prognosedilemmas durch Vorprägung des Untersagungszeitraums? Fraglich ist, ob der Gesetzgeber diesen behördlicherseits zu vollziehenden Drahtseilakt besser hätte unterstützen können. So hat er der Untersagungsbehörde zur Ermittlung des potenziellen (zeitlichen) Konfliktfeldes nur zwei „echte“ Handreichungen zur Verfügung gestellt: Maßgeblich soll eine „besonders lange Amtsdauer mit unverändertem Aufgabenzuschnitt“ und/oder eine „enge Verflechtung von amtlicher und nachamtlicher Tätigkeit“ sein.138 Die so in der Gesetzesbegründung anklingende Verknüpfung beruht auf der Regelvermutung, dass Amtsträger, die vier, acht oder sogar zwölf Jahre Teil der Regierung und damit der administrativen Spitze waren, sachnahe Näheverhältnisse zu den „Big
sondern Gegenstand der Beurteilung vielmehr ein in sich abgeschlossener Sachverhalt sei. 137 Die Strukturen sind insoweit vergleichbar, als dass auch im Karenzzeitsystem der unbestimmte Rechtsbegriff der „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ erfüllt sein muss, bevor eine Untersagung ausgesprochen wird. In beiden Fällen kommt der zuständigen Behörde also ein erheblicher Prognosespielraum zu. 138 BT-Drs. 18/4630, S. 11.
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Playern“ der Privatwirtschaft schon kraft Natur des Amtes aufgebaut haben werden. Dies erscheint nachvollziehbar: Mit dem Aufbau eines solchen, persönlichen Näheverhältnisses wird die Hemmschwelle zur (unerlaubten) Nutzbarmachung von Amtswissen entsprechend sinken und korrelierend dazu auch ein gleichgelagerter Verdacht bzw. Anschein in der Gesellschaft steigen. Im Gegenteil dazu wird ein Minister, der nur ein oder zwei Jahre im Amt war, keinerlei oder kaum nachhaltige Beziehungen geknüpft haben. Fraglich ist nun, ob diese „Regelvermutung“ nicht in einem abgestuften Sperrsystem hätte Niederschlag finden können. So wäre es möglich gewesen, ehemalige Regierungsmitglieder, die beispielsweise zwölf Jahre Mitglied derselben waren, für regelmäßig 18 Monate zu sperren. Demgegenüber hätte das Karenzgesetz für Amtsträger, die maximal zwei Jahre Regierungsmitglied waren, eine Sperrzeit vorsehen können, die regelmäßig einen Zeitraum von 6 Monaten nicht übersteigen soll. Neben den beiden vorgenannten „Extremfällen“ ließe sich dieses System entsprechend weiter zeitlich unterteilen. Zudem wäre es dem Gesetzgeber möglich gewesen, der Regierung hier auch ein intendiertes Ermessen einzuräumen, sodass diese im Einzelfall auf abweichende Fälle angemessen hätte reagieren können. Insgesamt wirkt ein solches System ausdifferenzierter, da es einen Mittelweg zwischen legitimitätsstiftender, gesetzgeberischer Vorprägung und behördlichem Handlungsspielraum wählt: Die Regierung kann sich als zuständiges Untersagungsorgan an den vorgegebenen gesetzgeberischen Wertungen insbesondere im Zweifelsfall orientieren, hat über die „Soll“-Ausgestaltung aber dennoch genug Handlungsspielraum, um dem u. U. abweichenden Einzelfall gerecht zu werden. Die Regierung wird mit anderen Worten „aus der Schusslinie genommen“. Damit trägt das vorgeschlagene System den realpolitischen Verhältnissen eingehend Rechnung und beugt zugleich der viel diskutierten Verlagerung des Akzeptanzdefizits auf die Regierung vor. Überträgt man dies auf die Kategorien der Erforderlichkeit, zeigt sich, dass die aufgeworfene, alternative rechtstechnische Ausgestaltung des Karenzzeitsystems durchaus milder wirkt. Für betroffene (ehemalige) Regierungsmitglieder ist bereits im Vorhinein ungefähr abzuschätzen, wie lange eine Sperre andauern wird. Dies gewährt ein Plus an Rechtssicherheit, was mit Blick auf den bisweilen doch sehr unbestimmten Charakter der Vorschrift durchaus im Sinne der Betroffenen sein sollte. Gleichwohl ist das vorgeschlagene Abstufungssystem auch effektiver. Wie nämlich bereits erläutert, wird den Entscheidungen der Untersagungsbehörde zusätzliche (gesetzgeberische) Legitimation vermittelt. Überdies folgt eine Effektivitätssteigerung auch aus der verbesserten Passgenauigkeit: Mit dem abgestuften System kann dafür Sorge getragen werden, dass die wirklich polarisierenden und integritätsschädigenden Seitenwechsel mit einer angemessenen Karenzzeit auch sicher aufgefangen werden. Zum anderen wird es Amtsträgern, die nur
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kurzzeitig in der Regierungsverantwortung waren, schneller ermöglicht, wieder im privatwirtschaftlichen Berufsleben Fuß fassen zu können. So wird den Wertungen des Art. 12 Abs. 1 GG optimal entsprochen. Insgesamt lassen sich so die ausgerufenen Gesetzesziele (Akzeptanzförderung bzw. Unterbindung des „Bösen Scheins“, Integritätssicherung, Schutz vor ungerechtfertigter Kritik) effektiver fördern. (cc) Ergebnis Damit bleibt festzuhalten, dass zumindest für einen Teilbereich des bestehenden Karenzzeitsystem ein milderes, gleich effektives bzw. sogar effektiveres Mittel zur Verfügung stehen würde. Wie bereits betont, handelt es sich hierbei jedoch nur um eine rechtstechnische Ausgestaltung und nicht um ein vollwertiges Alternativsystem, mit dem die bestehenden Regelungen gänzlich ersetzt werden könnten. (4) Angemessenheit Zuletzt müssten die Karenzzeitregelungen auch angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Im Wege der Abwägung ist damit zu ergründen, ob die mit dem staatlichen Eingriff verbundene Belastung nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen steht.139 Hierfür soll zunächst die Intensität des letztlich maßgeblichen staatlichen Eingriffs herausgestellt werden. Daraufhin wird die abstrakte Wertigkeit der eingriffsrechtfertigenden Gründe sondiert. Abschließend erfolgt die konkrete Abwägung der eingestuften Positionen. (a) Qualität und Schwere des maßgeblichen Eingriffs Auch wenn mit den bestehenden Karenzzeitsystemen eigentlich zwei Eingriffsstufen normiert werden – nämlich die Verpflichtung zur Anzeige (§ 6a BMinG, § 7a Abs. 1, 2 NdsMinG) sowie die Möglichkeit der Untersagung (§ 6b BminG, § 7a Abs. 3 NdsMinG) – müssen sich die Karenzzeitgesetze in ihrer Eingriffsintensität hier primär an der schwereren Maßnahme, sprich der Untersagungsermächtigung, messen lassen. Vor allem in dieser bündeln sich die Zweifel an der Angemessenheit. Dementsprechend wird für die Ermittlung derselben nachfolgend die Untersagung als maßgebliche Beschwer für die Adressaten herangezogen. Im Einzelnen wird dafür zunächst die Wirkung des Berufsverbots per se betrachtet, um daraufhin die ökonomischen sowie soziologischen Folgen eines solchen zu erörtern.
139 Vgl. hierzu statt vieler etwa Klatt/Meister, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, JuS 2014, 193, 196.
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(aa) Das Berufsverbot als „ultima ratio“ hoheitlicher Wirtschaftsregulation Bereits Georg Wilhelm Friedrich Hegel stellte mit Blick auf den Wert der „Arbeit“ fest, dass diese maßgeblich für die menschliche Selbstverwirklichung sei.140 Diesen anthropologischen Bezug hat auch das Bundesverfassungsgericht141 1958 im berühmten Apothekenurteil hervorgehoben. Demnach komme dem Grundrecht maßgebliche Bedeutung für die menschliche Selbstbestimmung zu. Wie Friedhelm Hufen142 zutreffend zusammenfasst, betrifft die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG daher „nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die geistige Existenzgrundlage des Menschen“. Diese einleitenden Worte erklären, wieso es sich bei Berufsverboten um äußerst schwerwiegende grundrechtliche Eingriffe handelt: Die Berufsfreiheit weist einen engen Bezug zur Menschenwürde und zum Persönlichkeitsrecht auf,143 sodass ein untersagender Eingriff an der Grenze dessen liegt, was überhaupt noch staatlich rechtfertigungsfähig ist. Die Menschenwürde ist schließlich „unantastbar“. Dieser besondere Stellenwert zeigt sich auch einfachgesetzlich. So können Berufsverbote beispielsweise als Sicherungsmaßnahmen im Anschluss an ein Strafverfahren nach § 70 StGB angeordnet werden. Hierdurch soll die Allgemeinheit vor der Gefahr der Begehung von Straftaten durch den Täter im Rahmen seiner Berufsoder Gewerbeausübung geschützt werden.144 Diese Parallelziehung macht deutlich, welchen Eingriffscharakter der Staat mit Berufsverboten verknüpft. Mit dem bestehenden Karenzzeitsystem auf Bundes- und Länderebene werden de facto ebensolche Berufsverbote für ehemalige Regierungsmitglieder zumindest temporär statuiert. Hierdurch wird die Berufsfreiheit der vorgenannten Adressaten vorübergehend einschneidend eingeschränkt und damit de facto „auf Null“ reduziert. Es handelt sich um einen wirtschaftsregulatorischen Eingriff, der daher guten Gewissens als Ultima Ratio zu bezeichnen ist. Allein die abstrakte Eingriffsintensität ist daher zunächst als „hoch“ einzustufen. Fraglich ist, ob sich diese Einschätzung im Folgenden auch ganz konkret stützen lässt. (bb) Ökonomische Folgen Anknüpfend an die einleitend unterbreitete Einteilung der Berufsfreiheit in eine ökonomische und eine anthropologische (bzw. genauer: soziologische) 140 Moldenhauer/Michel, G.W.F. Hegel – Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Werke Bd. 12, S. 36 f. Demnach handle es sich bei „Arbeit“ um „das unendliche Recht des Subjekts, daß es sich selbst in seiner Tätigkeit und Arbeit befriedigt findet.“ 141 BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 397. 142 Hufen, Berufsfreiheit – Erinnerung an ein Grundrecht, NJW 1994, 2913, 2914. 143 Hufen, Berufsfreiheit – Erinnerung an ein Grundrecht, NJW 1994, 2913, 2914. 144 Stoll, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, § 70 Rn. 1.
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Sphäre (Hufen), sind mit dem Berufsverbot natürlich zunächst konkrete ökonomische Folgen verbunden. (a) Eintritt eines erheblichen ökonomischen Verlustpostens Zu nennen wäre hier primär der schlichte wirtschaftliche Verlustposten, der mit einer Untersagung einhergeht. Die Adressaten der Regelung sind bis zu 18 Monate auf die Zahlung eines Übergangsgeldes als Existenzgrundlage angewiesen, wie § 6d BMinG bzw. § 7a Abs. 5 NdsMinG statuieren. Dieses beläuft sich nach § 14 Abs. 3 Nr. 2 BMinG bzw. § 12 Abs. 3 NdsMinG für drei Monate auf die vollen Amtsbezüge, danach halbieren sich die Zahlungen. Im Extremfall – also einer Untersagung von 18 Monaten – sind ehemalige Regierungsmitglieder damit für 15 Monate einer zwangsweisen Rückstufung ihres ursprünglichen Gehalts um 50 Prozent ausgesetzt. Eine solche Rückstufung wird eine entsprechende Anpassung der persönlichen Lebensverhältnisse „nach unten“ unausweichlich machen – hierzu später mehr. In diesem Zusammenhang bedeutsam ist zudem auch, dass sich der wirkliche wirtschaftliche Schaden für den Adressaten einer Untersagungsverfügung erst vollumfänglich abbilden lässt, wenn nicht nur der tatsächliche, sondern auch der hypothetische Verlustposten in die Überlegungen einbezogen und als Bezugspunkt genommen wird.145 Hier geht es in concreto um entgangene Erwerbschancen. So ist sowohl das privatwirtschaftliche als auch das Berufsbild des Öffentlichen Dienstes davon geprägt, langjährige Berufserfahrung und Expertise finanziell entsprechend gesteigert zu entlohnen. Es finden sich Staffelungsregelungen in nahezu allen gängigen Tarifverträgen; auch im Rahmen der Beamtenund Richterbesoldung hat sich ein Erfahrungsstufensystem etabliert, mit dem der Amtsdauer sowie dem erhöhten finanziellen Bedarf mit fortschreitendem Lebensalter Rechnung getragen werden soll. Legt man diese arbeitsmarktpolitischen Indikationen zugrunde, muss davon auszugehen sein, dass auch ehemalige Regierungsmitglieder nach Ablauf der eigenen Amtszeit und dem Wechsel in die Privatwirtschaft als „nächsten Karriereschritt“ zumindest keine Gehaltsstagnation sondern einen finanziellen Zuwachs anstreben. Dies gilt sogar noch verstärkt, da eine Staffelung der Bezüge während der Amtszeit nach Erfahrungs- oder Besoldungsstufen für Regierungsmitglieder gerade nicht vorgesehen ist, wie etwa § 11 BMinG oder § 9 NdsMinG deutlich machen. Daher kann es gut sein, dass Regierungsmitglieder, die etwa zwei Legislaturperioden im Amt waren, acht bzw. sogar zehn Jahre auf eine „Gehaltserhöhung“ in Form einer Anhebung der Bezüge verzichten mussten. Mehr noch: So war und ist nicht unüblich, dass die Amtsbe145 Vgl. hierzu auch Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134, der sich ebenfalls dafür ausspricht, in die Abwägung einzubeziehen, inwiefern der Adressat einer Untersagung wirtschaftlich besser gestellt wäre, als ein (reiner) Übergangsgeldempfänger.
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züge der Mitglieder der Bundesregierung bei turnusmäßigen Besoldungserhöhungen für Beamte nicht mit angepasst werden, um ein „politisches Signal der Sparsamkeit“ zu setzen.146 Hinzu tritt der Aspekt, dass sich die Amtsbezüge auch insgesamt und gerade in Relation zum zugestandenen Verantwortungsbereich sowie zur Vergütung von leitendem Spitzenpersonal in der freien Wirtschaft als durchaus gering darstellen. Dementsprechend erscheint es nur billig, den wirtschaftlichen Verlustposten nicht nur anhand der (im vorstehenden Beispiel- und Extremfall auf 15 Monate) gerechneten Differenz zur ursprünglichen Bezugshöhe zu bestimmen, sondern vielmehr auch im Hinblick auf die berufliche Weiterentwicklung und den damit verbundenen, weitergehenden Erwerbschancen in der freien Wirtschaft. Demgemäß erhöht sich der wirtschaftliche Verlustposten noch entsprechend – je nach in Aussicht gestellter Anstellung und Vergütung. Von einem vollständigen „Auffangen“ des tatsächlichen bzw. hypothetischen Verlusts im Sinne einer Kompensation durch die Regelungen zur Ministerversorgung kann nach dem Vorgesagten insgesamt keine Rede sein.147 (b) Berufliche Isolation als mittelbare Folge von Karenzzeiten Neben dieser ökonomischen Verlustpostenbestimmung verstärkt sich die Eingriffsintensität in wirtschaftlicher Hinsicht auch zusätzlich noch unter dem Aspekt der beruflichen Isolation. Darf eine berufliche Tätigkeit für 18 Monate – oder bei Rechtsstreit sogar länger – nicht ausgeübt werden, ist eine Entfremdung vom Arbeitsmarkt zu erwarten. Es entsteht die im Berufsleben gefürchtete „Lücke im Lebenslauf“, die gerade im Personalwesen bzw. im Recruiting vielfach als „rotes Tuch“ angesehen wird. Hiermit geht zudem auch der Verlust von praktischer Expertise auf dem besonders dynamischen Facharbeitsmarkt sowie ein Schrumpfen des eigenen beruflichen Netzwerks einher, sodass die berufliche Attraktivität weiter gemindert wird. Eine Wiedereingliederung in das Berufsleben wird so wesentlich erschwert und der vorgenannte (hypothetische) wirtschaftliche Verlustposten in Gestalt von entgangenen Erwerbschancen damit schlimmstenfalls über einen noch viel längeren Zeitraum gestreckt. Eine Abmilderung erfährt dieser Punkt sicherlich im Hinblick auf die generelle Popularität ehemaliger Amtsträger, insbesondere auf dem privatwirtschaftlichen Arbeitsmarkt.148 Ein ehemaliges Regierungsmitglied, das langjährig Kabinettsmitglied gewesen ist, wird niemals als „Unbekannter“ den Facharbeitsmarkt betreten. Dennoch wird 146 Busse, Bundesministergesetz, § 11 Rn. 5. Der Autor verweist in diesem Kontext auf das Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz vom 9.11.2010, aus dem sich nach pauschaler Schätzung für jedes Regierungsmitglied Besoldungsverringerungen i. H. v. 10 bis 15 Prozent ergeben. 147 A. A. Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 290. 148 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 289 f.
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diese – immerhin eigenes erarbeitete – Komfortsituation durch die vorgenannte berufliche Isolation äußerst stark ausgebremst. Dies ist bei Bestimmung der Eingriffsintensität durchaus zu berücksichtigen. (g) Berufliche Selbstbindung durch Fachexpertise Überdies ist auch ein weiterer essenzieller Aspekt zu benennen, der die Eingriffsintensität ebenfalls erhöht. So ist es ehemaligen Regierungsmitgliedern kaum möglich, die „Flucht“ in ein sachfremdes Tätigkeitsgebiet zu vollziehen.149 Expertise bindet – gerade in einer hochtechnisierten, ausdifferenzierten und arbeitsteilig gestalteten Berufswelt. Dies gilt umso mehr, da ehemalige Minister regelmäßig auch altersbedingt keinen völligen beruflichen Neustart anstreben werden können. Im Allgemeinen werden sie daher auf ein berufliches Tätigkeitsfeld verwiesen sein, das im fachlichen Zusammenhang mit dem bisherigen Wirkungskreis steht.150 Daher vermag im Übrigen auch die Teiluntersagung oder die Untersagung mit Auflagen die Eingriffsintensität nicht wirklich abzumildern, soweit hiermit bloß sachfremde Tätigkeiten gestattet werden. Auch ist zu betonen, dass die Adressaten einer Untersagungsverfügung aufgrund der restriktiven Ausgestaltung der Inkompatibilitäten nur sehr eingeschränkt amtsbegleitend eine Nebentätigkeit führen und hierdurch nicht – wie etwa Abgeordnete – eine „Kontinuität zwischen amtsbegleitender und nachamtlicher Erwerbstätigkeit“ herstellen können.151 (d) Ergebnis der ökonomischen Sichtung Abschließend bleibt daher festzuhalten, dass die konkrete ökonomische Belastung einer Untersagung für die Adressaten ebenfalls als erheblich und damit „hoch“ einzustufen ist. Anzumerken ist dabei jedoch, dass die Wirkweise der Maßnahme nur eingeschränkt pauschalisierend fassbar ist. Dies liegt zum einen daran, dass diese – wie vorstehend ausführlich hergeleitet – als Berufsbildfixierung zu Tage tritt. Somit ist von Einzelfall zu Einzelfall different, welche konkrete Eingriffsintensität mit der Maßnahme einhergeht. Sie kann sich als subjektive Berufswahlregelung, aber auch als bloße Berufsausübungsregelung darstellen – je nach nachamtlich angestrebter Tätigkeit. Zum anderen bemessen sich auch Schwere und Ausmaß des konkreten wirtschaftlichen Verlustpostens und des Iso149 Hierzu ebenfalls Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 287. 150 Auch wenn es eine dem Beamten- oder Soldatenrecht entsprechende Altersgrenze bei Ministern nicht gibt, kann mit Blick auf das Regelalter von Regierungsmitgliedern der in BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZ-RR 1990, 365, 366 entwickelte Gedanke durchaus übertragen werden. 151 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 288.
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lationsaspekts nach den individuellen Ambitionen und Bestrebungen der (ehemaligen) Regierungsmitglieder. Zeichnet man jedoch den „typischen Seitenwechsel“ eines langjährigen Regierungsmitglieds nach, wird sich im absoluten Regelfall die vorstehende Wertung einer „hohen“ Eingriffsintensität stützen lassen. (cc) Soziologische Folgen Des Weiteren sind auch eingreifende soziologische Folgen mit einem Berufsverbot verknüpft, die nachfolgend kursorisch gebündelt werden. Zunächst wäre hier der bereits angeschnittene Punkt der mangelnden beruflichen Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung zu nennen. Auch ehemalige Regierungsmitglieder streben vielfach ein berufliches „Leben nach dem Amt“ in ihrem Fachgebiet an, welches zunächst zwangsweise pausiert wird. Es ist nicht auszuschließen, dass der abrupte und indisponible „Abstieg“ vom Staatslenker und Spitzenfunktionär zum Pensionär auf Zeit auch psychologische Spuren hinterlässt. Dies gilt erst recht, da auch der Rückgriff auf ein Mandat oder ein Amt in der eigenen Partei – also letztlich eine Ersatztätigkeit – in einer solchen Situation nicht immer uneingeschränkt möglich, sondern vielmehr von schwankenden politischen Mehrheiten abhängig ist, sodass oftmals sogar der Fall ins Bodenlose droht.152 Zwar kann diesbezüglich im exekutiven Bereich noch nicht auf eine gesicherte Empirie zurückgegriffen werden.153 Eine diesen Schluss nahlegende Vermutung lässt sich jedoch ferner damit untermauern, dass mit den bestehenden Karenzzeitvorschriften auch „sonstige Beschäftigungen“ in Form von unentgeltlichen Tätigkeiten bei drohender Beeinträchtigung öffentlicher Interessen untersagt werden können. Dementsprechend ist es dem ehemaligen Regierungsmitglied – ganz abgesehen von der mangelnden Gleichwertigkeit dieser Tätigkeiten – nicht etwa uneingeschränkt möglich, auf „Vortragsreihen, Lesereisen, strategische Beratung sowie Stiftungs-, Verbands- und Parteiarbeit“ in ihrem Fachgebiet auszuweichen154 und so ein etwaiges Beschäftigungsdefizit persönlich aufzufangen. Im Gegenteil: Wie Fabian Scheffczyk155 treffend formuliert, sei mit der staatlichen Interventions152 Beispielhaft sei etwa auf die Situation von Philipp Rösler (Bundesminister für Gesundheit sowie für Wirtschaft und Energie a. D.) und Rainer Brüderle (Bundesminister für Wirtschaft und Energie a. D.) nach der Bundestagswahl 2013 verwiesen, hierzu Artikel in „Zeit Online“ vom 23.9.2013, online abrufbar unter der URL https:// www.zeit.de/politik/deutschland/2013-09/fdp-wahlabend-bruederle-roesler, zuletzt abgerufen am 13.7.2020. 153 Zu den (übertrag- bzw. sogar kumulierbaren) psychologischen Folgen für ausscheidende Abgeordnete vgl. aber etwa Artikel von Thiesmeyer, Das Leben nach dem Mandat, politik & kommunikation 5/2008, online abrufbar unter der URL https:// www.politik-kommunikation.de/ressorts/artikel/das-leben-nach-dem-mandat, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 154 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 289. 155 Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134.
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funktion sogar ein Abschreckungseffekt für privatwirtschaftliche Arbeits- bzw. Auftragsgeber verbunden, der (auch) die Aufnahme einer sinnstiftenden Ersatztätigkeit wesentlich erschwere. Überdies gehen mit den ökonomischen Einschnitten auch weitere soziologische Einschränkungen einher. Der Lebensstandard ist schlicht an die verringerten Einkommensverhältnisse anzupassen – sowohl persönlich als auch familiär. Auch ein Ansehensverlust kann in diesem Zusammenhang nicht evident ausgeschlossen werden. So ist zu erwarten, dass eine staatlich auferlegte Berufssperre nicht etwa als Honorierung besonders herausragender Verdienste aufgefasst werden wird, sondern zumeist als schlichte Sicherungsmaßnahme, um der im Einzelfall mehr oder weniger existenten Gefahr einer „Kungelei“ vorzubeugen. Auf einen solchen, drohenden Reputationsverlust zielen die Karenzzeiten natürlich teilweise auch ab – der Abschreckungsmechanismus soll „nutzbar“ gemacht werden, wie sich vielfach lesen lässt. Es ist jedoch zu bedenken, dass ein solcher generalpräventiver Ansatz die potenziellen Adressaten undifferenziert und gleichsam stark belastet. Der gesetzgeberisch damit statuierte „Generalverdacht“ könnte das bereits gefestigte Bild vom wechselwilligen, nur auf den eigenen Vorteil bedachten Spitzenpolitiker weiter zementieren und in Einzelfällen in einen ausufernden Verruf münden. Bereits nach kursorischer Wertung wird also deutlich, dass auch die soziologischen Folgen erheblich sein können und damit die erneute Einstufung einer „hohen“ Eingriffsintensität rechtfertigen. (dd) Ergebnis Insgesamt ergeben die vorstehenden Wertungen, dass mit den im Wege der Karenzgesetze etablierten Berufsverboten auf Zeit eine hohe, wenn nicht sogar sehr hohe Eingriffsintensität für die potenziellen Adressaten einhergeht. Hieran vermag auch die tatbestandlich eingeräumte Möglichkeit einer Teiluntersagung im Kern nichts zu ändern, denn hiermit die vorgenannten, schwerwiegenden Folgen vor allem praktikabel abschwächen zu können, erscheint nach dem Vorgesagten fernliegend. (b) Abstrakte Wertigkeit der angestrebten Rechtsgüter Des Weiteren ist die abstrakte Wertigkeit der angestrebten Zielsetzung herauszuarbeiten. Wie bereits die Erwägungen im Kontext der Sondierung der legitimen Zielsetzung ergeben haben, sind sowohl die angestrebten Nahziele (Regulierung des „Bösen Anscheins“ sowie Vorbeugung der privaten Verwertung von Amtswissen) als auch das angestrebte Fernziel (Gewährleistung eines funktions- und arbeitsfähigen sowie integer handelnden Staatsapparates) von rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien determiniert. Diese lassen sich verfassungsrechtlich in Art. 20 Abs. 3, Art. 3, Art. 33 Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 5 GG sowie ins-
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besondere Art. 66 GG bzw. Art. 34 Abs. 2 NV rückverorten, sodass sich bereits aus der normenhierarchischen Struktur der angestrebten Ziele eine hohe abstrakte Wertigkeit der geförderten Rechtsgüter ergibt. Insbesondere das rechtsstaatliche Element aus Art. 20 Abs. 3 GG ist als Staatsstrukturprinzip durch die Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 GG abgesichert und genießt daher eine besonders exponierte Stellung im Verfassungsgefüge.156 Flankiert werden diese verfassungsrechtlichen Wertungen auch einfachgesetzlich in Gestalt der §§ 20, 21 VwVfG sowie den bereits aufgeführten, sogar nachamtlich wirkenden Verschwiegenheitsgeboten und Verschwiegenheitsverpflichtungen öffentlich-rechtlicher und strafrechtlicher Natur. Die vorstehend zunächst rein rechtswissenschaftlich sondierte Hochwertigkeit der angestrebten Rechtsgüter lässt sich überdies auch in rechtspolitischer Hinsicht stützen. Bei den Zielsetzungen der Unbefangenheit und Unparteilichkeit der „einfachen“ Verwaltung handelt es sich generell um besonders empfindliche Rechtsgüter,157 denen der Gesetzgeber schon beim ersten Anschein einer Gefährdung präventiv begegnen kann.158 Bereits letzteres Zugeständnis einer proaktiven Einwirkungsmöglichkeit des Gesetzgebers macht den Stellenwert der ausgerufenen Zielsetzung deutlich. Dabei lassen sich die Erwägungen mit dem im spitzenpolitischen Bereich entsprechend verschärften Argument der Machtbündelung erst recht auch auf die exekutive Lenkungsebene übertragen: Insbesondere Regierungsmitgliedern kommt im Staatsgefüge eine umfassende Machtfülle, ja bis zu einem gewissen Grad sicherlich auch die Möglichkeit nachamtlicher Einflussnahme zu.159 Auch stehen Spitzenfunktionäre Zeit ihres Amtes mit höchst sensiblen Informationen und staatstragenden Prozessen in Verbindung, die auch langfristig und über die eigentliche Amtszeit des einzelnen Amtsträgers hinaus besonders schützenwert erscheinen. Daher ist nur nachvollziehbar, wenn einer entsprechenden Begrenzung und Neutralitätskontrolle dieser Machtbündelung durch den Gesetzgeber eine äußerst hohe Wertigkeit zugestanden wird, die bereits präventiv angesteuert werden darf. Auf diesem Wege soll der vorstehend sondierten, exponierten Stellung von Spitzenfunktionären Rechnung getragen werden. Nicht verwunderlich erscheint insoweit auch, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität der öffentlichen Verwaltung (und insbesondere in die hochrangigsten Stellen dieser) insgesamt als „nach außen und innen unverzichtbar“ und damit sogar überragend wichtiges Schutzgut bewertet wird.160 156 So ähnlich auch Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 291. 157 Vgl. hierzu die bezüglich Beamten und Soldaten begründete Wertung aus BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZ-RR 1990, 365, 367. 158 BVerwG, Urt. v. 26.6.1980 – 2 C 37.78, BVerwGE 60, 254, 257 f. 159 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 292. 160 BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZ-RR 1990, 365, 367.
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Eine entsprechende Machtbündelung wird nämlich nur bei entsprechender Kontrolle und Legitimation in der Bevölkerung Akzeptanz genießen können. Die hohe Wertigkeit der angestrebten Schutzgüter lässt sich daneben auch von einer entsprechenden Dringlichkeit der Umsetzung der angestrebten Ziele flankieren. Diese Dringlichkeit ergibt sich aus politischen, aber auch gesellschaftlichen Faktoren. Beide Faktoren sind nicht trennscharf abgrenzbar, sondern stehen miteinander in Verbindung. Gesellschaftlich war bereits seit der mehrfach erwähnten „Initialzündung“, also dem Wechsel des Bundeskanzlers a. D. Schröder in den Aktionärsausschuss der Nord Stream AG im Jahre 2005, ein spürbar zunehmender Vertrauensverlust in der Bevölkerung gegenüber Spitzenpolitikern der Exekutive zu verzeichnen. Hier ist das Problemfeld für den Gesetzgeber also erstmalig realpolitisch „greifbar“ geworden. Der gesellschaftliche Verdruss spitzte sich im Laufe der Jahre weiter zu, da sich der (unkontrollierte) Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft als gängiger Karriereschritt etablierte. Der insbesondere auch durch einschlägige Presseberichterstattung forcierte, öffentliche Protest gegen diesen Usus wuchs – und damit auch der Handlungsdruck auf den Gesetzgeber. Dies führte in der ex-post Sicht zu einer Verengung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative: Der Gesetzgeber war gefordert, dem „Regulierungsvakuum“ und damit dem gesellschaftlich identifizierten Missstand legislativ entgegenzuwirken, um die interne und externe Vorbildfunktion der gubernativen Spitze zu wahren.161 Die Drucksituation verschärfte sich dabei sogar noch dadurch, dass sich Deutschland bereits 2002 völkerrechtlich dazu verpflichtet hatte, Interessenkonflikten, die auf intransparenten Seitenwechseln von Amtsträgern beruhen, entsprechend vorzubeugen. Auch dieser Verpflichtung war insoweit noch nicht entsprochen worden, wie überdies die Europäische Union Deutschland noch im Jahre 2014 zusätzlich attestierte.162 Diese Gesamtsituation führte zu einer erheblichen Dringlichkeit für den Gesetzgeber, dem gesellschaftlich und politisch aufgeworfenen Missstand entgegenzuwirken. Damit lässt sich insgesamt eine hohe rechtswissenschaftliche, rechtspolitische und gesellschaftliche Wertigkeit derjenigen Rechtsgüter herleiten, deren Sicherung mit den Karenzzeitgesetzen angestrebt worden ist. Die Dringlichkeit im vorgenannten Sinne hat dabei sicherlich zur Katalyse der Gesamtsituation beigetragen. Allerdings darf sie nicht als ausschlaggebender Punkt im verfassungsrechtlichen Sinne zu bewerten sein, da insbesondere die politische Drucksituation „hausgemacht“, also zumindest auch auf ein gesetzgeberisches Versäumnis zurückzuführen ist. Selbst bei Isolierung dieses Faktors sind jedoch die übrigen Erwägungen stark genug, um eine hohe Wertigkeit der Rechtsgüter zweifelsfrei zu begründen. 161 So auch Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 292. 162 Vgl. hierzu im 1. Kapitel unter A.
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(c) Konkrete Abwägung Im finalen Schritt ist nun die Qualität und Schwere des Eingriffs mit der Wertigkeit der angestrebten Rechtsgüter ins Verhältnis zu setzen. Im Rahmen einer Abwägung ist mit anderen Worten zu ergründen, ob die Eingriffsqualität außer Verhältnis zu den verfolgten Gesetzeszielen steht. Da die vorstehende Kategorisierung eine hohe Wertigkeit für beide Abwägungsposten ergeben hat, die sich damit prima facie die Waage halten, kann ein Abwägungsergebnis nicht bereits als evident angenommen bzw. ausgeschlossen werden. Vielmehr ist eine eingehende Betrachtung der Proportionalität notwendig. Hierfür werden zunächst die dogmatisch mehr oder weniger statischen Grundlagen einer Abwägung herausgestellt bevor im Anschluss einzelne Abwägungsaspekte ausschlaggebend dargestellt und gewichtet werden. (aa) Dogmatische Grundlagen der Abwägung (a) Absolute Grenzen von Karenzzeitgesetzen Um sich der Abwägung dogmatisch zu nähern und einen Rahmen für diese festzulegen, bietet es sich einleitend an, die gesetzgeberischen „Extreme“ einzugrenzen. Hierfür ist auf das Über- bzw. Untermaßverbot abzustellen. Mit dem Untermaßverbot lässt sich anhand der Art und Schwere der drohenden Beeinträchtigung, der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sowie anhand der Existenz, Art und Wirkung vorhandener Regelungen herausstellen, inwiefern ein gesetzgeberisches Handeln überhaupt notwendig ist bzw. war.163 Diesbezüglich ergibt sich ein eindeutiges Bild. Wie bereits vorstehend aufgezeigt, war ein entsprechender gesellschaftlicher sowie normativer Missstand im Bereich spitzenpolitischer Integritätswahrung durch nachamtliche Sicherungsmechanismen eindeutig bis 2015 zu verzeichnen. Ein weiteres gesetzgeberisches „Unterlassen“ wäre also sicherlich nicht mehr vertretbar gewesen. Damit ist es als durchaus notwendig und auch geboten zu bewerten, dass sich der Gesetzgeber auf Bundesund Länderebene der Thematik angenommen hat. Den Gegenpol dieser Handlungsnotwendigkeit bildet das Übermaßverbot. Der Eingriff darf also den Einzelnen nicht unzumutbar stark belasten; insbesondere ein Eingriff in die Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG muss auszuschließen sein.164 Absolute Eingriffsgrenze für Karenzzeitgesetze ist damit sicherlich ein undifferenziertes, zeitlich unbegrenztes Berufsverbot ohne Ausgleichsregelung, mit dem den Adressaten langfristig die Möglichkeit einer ökonomischen sowie persönlichen Selbstbestimmung genommen wird.165 Negativ in 163
Epping, Grundrechte, Rn. 128 m.w. N. Epping, Grundrechte, Rn. 57. 165 So i. E. auch von Arnim, Nach-amtliche Karenzzeiten für Politiker?, ZRP 2006, 44; Grzeszick/Limanowski, Nachamtliche Berufsverbote für Politiker, DÖV 2016, 313, 164
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diesem Sinne anzurechnen wäre auch die unzureichende Berücksichtigung der in Teilbereichen konstatierten, mangelnden (rechtlichen) Tragfähigkeit der Verdachtskomponenten, die den hinter den Karenzzeitgesetzen stehenden „Drehtüreffekt“ im Wesentlichen ausmachen.166 Dies ist nämlich gerade für anscheinsbedingte Regulierungen elementar: Je fernliegender der Verdacht, desto strengere Anforderungen sind an die Ausgestaltung der Eingriffskompetenz zu erheben. (b) Hinreichende Berücksichtigung des Grundrechtsstatus von Amtsträgern a. D.: Kein nachamtliches „Sonderopfer“ Grundrechtsdogmatisch ist zudem ein weiterer, nur eingeschränkt disponibler Aspekt von besonderer Relevanz bereits abwägungseinleitend hervorzuheben. So sind insbesondere in der öffentlichen Presseberichterstattung, aber auch teilweise in der Fachliteratur Tendenzen zu verzeichnen, die ehemalige Spitzenpolitiker der Exekutive statusrechtlich in eine Art „Sonderrechtsverhältnis“ zum Staat mit de facto eingeschränkter Kompetenz zur nachamtlichen Grundrechtswahrnehmung einordnen wollen. So fordert etwa Eike Bohlken167 unter Verweis auf eine selbstentwickelte, „allgemeine Gemeinwohlpflicht“ eine mehrjährige Karenzzeit für „politische Eliten“. Ähnliches klingt auch bei Bamberger168 an, der unter dem Aspekt der „nachamtlichen Fürsorge und Vorsorge“ ein besonderes Gewaltverhältnis formen möchte: Einen „uneingeschränkten Anspruch auf berufliche Verwirklichung“ könne es demnach für ehemalige Amtsträger nicht geben. Dies sei mit dem berechtigten Allgemeininteresse am dauerhaften Schutz von Amtsressourcen zu begründen, sowie der fehlenden öffentlichen Kontrolle und der unsicheren Zukunft politischer Ämter in Gänze, die ein besonderes Missbrauchspotenzial mit sich führen würden.169 Abgesehen davon, dass im grundrechtlichen System eine vorbehaltslose Gewährleistung von Grundrechten ohnehin fast nie vorgesehen ist, müssen sich die vorstehenden Annahmen verfassungsrechtlich dennoch mit dem Vorwurf der potenziellen Fehldeutung sowie Widersprüchlichkeit konfrontieren lassen: Diesbezüglich ist einleitend zu betonen, dass das ehemalige Regierungsmitglied de lege lata mit dem formalen Akt des Ausscheidens aus der amtlichen Stellung 315; Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 312. 166 Vgl. hierzu insbes. die rechtssoziologische Würdigung und Neugewichtung des „Drehtüreffekts“ im 3. Kapitel unter B. III. 167 Bohlken, Die Verantwortung der Eliten – Eine Theorie der Gemeinwohlpflichten, 2011, S. 249. 168 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 293 f. 169 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 293. Das berechtigte Allgemeininteresse sei insofern die Kehrseite der Berechtigung ehemaliger Regierungsmitglieder auf Übergangsgeld.
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(vgl. hierzu etwa für Bundesminister § 9 BMinG) grundsätzlich den Status einer Privatperson annimmt, die sich vollumfänglich auf die mit Art. 12 GG garantierten, grundrechtlichen Gewährleistungen berufen kann. In diesem Zusammenhang schadet insbesondere nicht, dass das Amt in Kenntnis der nachamtlichen Regelungen angetreten worden ist. Hierin etwa einen (partiellen) Grundrechtsverzicht für den nachamtlichen Bereich zu sehen, liegt aus mehreren Gründen fern. Ein solcher wird zumeist nur in Ansehung einer konkreten hoheitlichen Maßnahme anzunehmen sein – sprich nicht bereits pauschal für den nachamtlichen Bereich, ohne Vorabkenntnis von der jeweiligen Einzelmaßnahme. Überdies wäre ein solcher Verzicht wohl auch gar nicht freiwillig. Denn das Regierungsmitglied unterwirft sich mit dem Antritt des Regierungsamts einem indisponiblen Regelungsregime, auf das es in der Sache keinerlei Einfluss nehmen kann.170 Anders wäre die Situation nur dann gelagert, wenn den Amtsträgern zuvor eigene Vertragsfreiheit gewährt worden wäre.171 Eine „allgemeine Gemeinwohlpflicht“ von ehemaligen Amtsträgern im nachamtlichen Bereich, die als Rechtfertigungsgut herangezogen werden könnte, gibt es damit zumindest juristisch (auch unter dem Aspekt der Selbstbindung) schlichtweg nicht. Vielmehr durchbrechen nur einige wenige Vorschriften diese Statusregelung in zeitlicher Hinsicht und im amtsbezogenen Kontext. So knüpfen beispielsweise die bereits aufgeführten Verschwiegenheitsverpflichtungen und Verschwiegenheitsgebote tatsächlich an den ehemaligen Status als Amtsträger an, sodass eine entsprechende Nach- und Einwirkung auf den Grundrechtsträger entsteht. Auch die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommene, extensive Auslegung der verfassungsrechtlichen Inkompatibilitätsvorschriften als Grundlage von Karenzzeiten vermag sicherlich partiell für Bambergers und auch Bohlkens Standpunkt und eine entsprechende Durchbrechung streiten. Allerdings ist auch zu konstatieren, dass es sich hierbei jeweils nicht etwa um ein selbstverständlich zu erbringendes „Sonderopfer“ handelt, sondern um einen rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff, der ausnahmsweise den Rechtsstatus als Privatperson zum Schutz hochrangiger öffentlicher Interessen nachwirkend belastet. Eben dies klingt eigentlich auch in den vorausgegangenen Ausführungen Bambergers172 an: Demnach müssten gerade nachamtliche Eingriffe in die Freiheitssphäre des ehemaligen Amtsträgers – also des Bürgers – einem 170 Vgl. hierzu etwa Fischinger, Der Grundrechtsverzicht, JuS 2007, 808, 810 der u. a. darauf hinweist, dass eine auf „Zwang“ basierende Verzichtserklärung unwirksam ist. 171 Beispielhaft kann hier auf die Bestellung der Vorstandsmitglieder der Deutschen Bundesbank verwiesen werden. Diese stehen nach § 7 Abs. 4 BBankG zwar in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, regeln ihre Rechtsverhältnisse gegenüber der Bank (insbesondere die Gehälter, Ruhegehälter und Hinterbliebenenbezüge) aber durch Verträge. Dies ist bei Regierungsmitgliedern gerade nicht der Fall. 172 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 283 a. E.
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strengeren Rechtfertigungsmaßstab gerecht werden, da der Amtszusammenhang im Vergleich zu amtierenden Amtsträgern schwächer ausfalle. Legt man diese Prämisse zugrunde, verwundert die Annahme, dass ein berechtigtes Allgemeininteresse am „Schutz der Amtsressource“ bereits für eine Zulässigkeit nachamtlicher Grundrechtsbelastungen als ausreichend herangezogen wird. Auf Amtsressourcen besteht im nachamtlichen Bereich schließlich gar kein konkreter Einfluss mehr; der Amtszusammenhang stellt sich also nicht nur „schwächer“ dar, sondern entfällt zum Großteil bzw. entgleitet in den informellen Bereich. Bleibt man bei dem von Bamberger173 ebenfalls angeführten Kehrseitengedanken, lässt sich auch hier hinterfragen, ob das Missbrauchspotenzial im nachamtlichen Bereich nicht ohnehin durch die herausragende Verantwortung aufgewogen wird, die während der Amtszeit für ein Ressort mit oftmals deutlich über tausend Mitarbeitern besteht und die zudem – im Vergleich zu Führungspositionen in der freien Wirtschaft mit ähnlicher Personalverantwortung – verhältnismäßig schlecht bezahlt wird. Die Übertragung von exponierter Verantwortung während der Amtszeit einerseits und die Auferlegung von erheblichen nachamtlichen Restriktionen andererseits erscheint insoweit widersprüchlich, als dass probiert wird, dem ehemaligen Verantwortlichen nun „einen Strick“ aus dieser zu drehen. Unabhängig von der konkreten Gewichtung dieser hier damit bereits kursorisch aufgeworfenen Abwägungsfaktoren, wird deutlich, dass die Erwägungen Bambergers an dieser Stelle den zuvor eigens aufgestellten Maßstäben nicht vollumfänglich gerecht werden: Voraussetzung einer entsprechenden grundrechtlichen Belastung ist nämlich stets eine umfassende Wertungsentscheidung, welche auch die Besonderheiten des Einzelfalls erfasst. Anzulegen wäre nach Bamberger gerade im nachamtlichen Bereich insoweit eigentlich ein strengerer Maßstab, wie schon erwähnt. De facto werden mit dem vorstehenden Ansatz jedoch amtsbegleitende und nachamtliche Restriktionen gleichgesetzt, obwohl das Gefährdungspotenzial stark variiert. Hierdurch wird dem insbesondere auch medial häufig transportierten Eindruck Vorschub geleitstet, dass es sich bei Einwirkungen auf den nachamtlichen, grundrechtlichen Status ehemaliger Amtsträger nicht um eine ausnahmsweise Belastung desselben handle, sondern vielmehr um einen Grundsatz. Ein solcher ist jedoch verfassungsrechtlich keinesfalls haltbar. Daher soll an dieser Stelle bereits Partei gegen die unilaterale Annahme ergriffen werden, ehemalige Amtsträger hätten kraft ursprünglicher beruflicher Stellung per se eine Art „Sonderopfer“ für die Gesellschaft zu erbringen. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt sich zuletzt auch an der zwar anerkannter Weise rechtsunverbindlichen,174 aber gleichwohl in diesem Kontext viel zitierten und im Amts173
Siehe hierzu Fn. 169. Uhle/Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 64 Rn. 28 m.w. N. 174
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eid niedergelegten Allgemeinwohlverpflichtung, die sich nur auf den Zeitraum der eigentlichen Amtsführung beschränkt175 und damit keinerlei Forderungen für den nachamtlichen Status trifft. (bb) Wechselwirkung aus Unbestimmtheit und anscheinsbedingter Rechtsnatur der Karenzzeitgesetze Um nun in die konkrete, normspezifische Abwägung einzusteigen, sei zunächst auf die Wechselwirkung zwischen der Unbestimmtheit der Regelungen und ihrer anscheinsbedingten Rechtsnatur verwiesen. Diese könnte der Gesetzgeber womöglich gerade im Verhältnis zur statuierten Eingriffsintensität nicht hinreichend berücksichtigt haben, was im Ergebnis gegen eine Verhältnismäßigkeit der Karenzzeitgesetze im engeren Sinne streiten würde. Schon die vorstehend dediziert dargelegte Unbestimmtheit der untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitgesetze in inhaltlicher Hinsicht begründet für sich genommen Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen, die jedoch isoliert betrachtet noch nicht eindeutig das Urteil der Verfassungswidrigkeit nach sich ziehen.176 Wie einleitend angeklungen, verfestigen sich diese Bedenken nun jedoch endgültig im Rahmen der Angemessenheitsprüfung. Um den Problemkreis zu erörtern, bietet sich eine erneute Parallelziehung zur ähnlich gelagerten Karenzzeitregelung in § 20a SG an. Auch hier ist die zuständige Untersagungsbehörde dazu berufen, im Wege einer wertenden Entscheidung zu sondieren, ob die „Beeinträchtigung dienstlicher Interessen“ durch die nachamtliche Tätigkeit droht. Für die Ausgestaltung dieser Wertungsentscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht177 bereits 1989 einen entsprechenden Maßstab aufgestellt: „Dabei geht es um die Frage, ob eine Vermutung, die an die gegebenen äußeren Umstände anknüpft, rein objektiv – ohne Ansehung der betroffenen Person – eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, ob mithin nach den konkreten Umständen ein vernünftiger Grund besteht, eine unsachliche Beeinflussung früheren Amtshandelns in Rechnung zu stellen. Ein sachlich denkender Bürger wird bei verständiger Würdigung der erkennbaren Umstände einen rechtlich beachtlichen Anschein eines nicht mehr integren Amtshandelns nicht daraus herleiten, daß zwischen der früheren dienstlichen Tätigkeit und der beabsichtigten privatwirtschaftlichen Betätigung ein erkennbar nur unerheblicher Zusammenhang besteht. Ein konkret begründeter Anschein ist daher nur bei einem nicht unerheblichen Zusammenhang zwischen der beabsichtigten Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit und der dienstlichen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst gegeben. Er liegt vor, wenn der betroffene Soldat mit Angelegenheiten, 175 176 177
Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 64 Rn. 17. Hierzu bereits umfassend in diesem Kapitel unter A. I. 2. b) aa) (3). BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZ-RR 1990, 365, 367.
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die z. B. die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens berührt haben, für das er tätig zu werden beabsichtigt, dienstlich nicht unerheblich befaßt gewesen ist. Um im konkreten Fall annehmen zu können, daß ein Soldat in den letzten fünf Jahren seiner dienstlichen Tätigkeit mit solchen Angelegenheiten in diesem Sinne nicht unerheblich befaßt gewesen ist, muß die abschließende Entscheidung in diesen Angelegenheiten nicht dem Soldaten allein oder ihm zusammen mit anderen Beamten oder Soldaten oblegen haben. Maßgebend ist die konkrete Möglichkeit der Einflußnahme auf solche Entscheidungen von nicht unerheblicher Bedeutung. Eine konkrete Möglichkeit dazu kann auch für Vorgesetzte der eigentlichen Entscheidungsträger bestehen. Es reicht aber auch aus, wenn der Soldat “nur“ mit der Vorbereitung einer Entscheidung befaßt gewesen ist, sofern er nur auf diese Art und Weise auf die Entscheidung – zumindest in Einzelheiten mit nicht unerheblichem militärischen oder wirtschaftlichen Gewicht – Einfluß nehmen konnte.“
Die vorstehenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts machen zusammengefasst deutlich, dass der „Anschein“ einer Beeinträchtigung – auf den es bei Karenzzeiten maßgeblich ankommt – nach einem festen Prognosemaßstab zu ermitteln ist: So muss im Wege behördlicher Wertungsentscheidung aus Sicht eines sachlich denkenden Bürgers herausgestellt werden, ob der ehemalige Amtsträger mit einer sachnahen Angelegenheit „nicht nur unerheblich befasst“ war. Die Notwendigkeit einer solchen Ausdifferenzierung und Eingrenzung der zu treffenden (Wertungs-)Entscheidung ergibt sich dabei heruntergebrochen aus der Kategorisierung der Vorschrift. Eine in inhaltlicher Unklarheit begründete Gefahr der Ausuferung in ein generelles Tätigkeitsverbot besteht nämlich gerade bei Vorschriften mit anscheinsbedingter Regelungsnatur verstärkt.178 Konkret: Die in der Untersagungsverantwortung stehende Regierung muss eine – teils diffuse – gesellschaftliche Stimmung normativ einfangen und diese in eine akzeptierte Entscheidung „gießen“. Aus der Natur dieser so zu treffenden Entscheidung droht schon die erhöhte Gefahr einer inkonsistenten Verwaltungspraxis. Dementsprechend ist gerade hier die hinreichende Bestimmtheit in Gestalt der konkreten behördlichen Handreichungen essenziell, um einer überbordenden und damit unverhältnismäßigen Anwendung vorzuwirken. Überträgt man diese herausgearbeiteten Wertungen nun auf die Karenzzeitgesetze für exekutive Spitzenpolitiker, zunächst insbesondere auf das Merkmal der „Sachnähe“, wird deutlich, dass diese den als elementar zu betonenden Aspekt aus drei Gründen stark vernachlässigen: Erstens ist zwar insbesondere in dem Kriterium der Sachnähe eine Typisierung zu sehen, allerdings wird hiermit eine pauschalisierende Wertungsentscheidung der Behörde provoziert. So stellt der Gesetzgeber schlicht darauf ab, ob die nachamtliche Beschäftigung in einem Bereich ausgeübt werden soll, in dem das ehemalige Regierungsmitglied während seiner Amtszeit „tätig war“. Anerkannt ist 178 Klingt an bei Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 135.
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jedoch in diesem Zusammenhang, dass die schlichte Betätigung auf dem gleichen Fachgebiet wie der bisherigen Zuständigkeit allein nicht genügen soll.179 Notwendig ist vielmehr nach dem vorstehend zitierten Urteil die konkrete Möglichkeit der Einflussnahme auf Entscheidungen von nicht unerheblicher Bedeutung in den letzten fünf Jahren vor dem Wechsel.180 Der Aspekt der Sachnähe im Sinne eines schlichten „Tätigwerdens“ wird dieser Wertung nicht gerecht. Dieser bringt nämlich gerade nicht zum Ausdruck, ob der Adressat der Maßnahme auch nicht nur unerheblich sowie zeitlich angrenzend („fünf Jahre“) mit einer wichtigen Angelegenheit im Sinne einer konkreten Beeinflussungsmöglichkeit vorbefasst war. Zweitens ist in diesem Kontext anzubringen, dass zur behördlichen Beurteilung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale die Perspektive eines „sachlich denkenden Bürgers unter verständiger Würdigung der erkennbaren Umstände“ eingenommen werden muss. Nimmt man diesen Standpunkt nun einmal tatsächlich ein, fällt jedoch auf, dass mit dem Aspekt der Sachnähe – je nach betroffenem Ressort – unterschiedliche Wertungen transportiert werden. So wird ein sachlich denkender Bürger beispielsweise den sachnahen Seitenwechseln eines (ehemaligen) Wirtschafts- oder Verteidigungsministers zu einem börsennotierten Aktienkonzern regelmäßig als verwerflicher einstufen als einen Wechsel des Entwicklungs- oder Familienministers zu einer NGO. Dies wird sich damit begründen lassen, dass der wechselwillige Spitzenpolitiker aus den zuerst genannten Ressorts tendenziell mit ausgesprochen sensiblen bzw. gemeinwohlrelevanten Prozessen und Informationen in Verbindung steht, die daher auch im nachamtlichen Bereich allgemeinhin als besonders schützenswert eingestuft werden. Der Faktor „Sachnähe“ lässt sich mit anderen Worten also je nach konkreter sachlicher Betroffenheit aus der nach bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung als relevant bestimmten Sichtweise mit zweierlei Maß messen. Dieses Wertungsgefälle wird nicht aufgefangen, da nicht zwischen der Sensibilität der betroffenen Materien differenziert wird. Drittens tritt zum vorgenannten Aspekt hinzu, dass das Merkmal der Sachnähe den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im ministeriellen Regierungssystem auch gar nicht ausreichend gerecht werden kann. Insbesondere bei den „großen“ Ministerien (z. B. Arbeit, Inneres, Wirtschaft, Verteidigung, Gesundheit) handelt es sich de facto um „Querschnittsressorts“, die eine Fülle von sachlichen Tätigkeitsbereichen anschneiden.181 Dementsprechend droht das Merkmal noch zusätzlich auszuufern und nicht etwa einzugrenzen. 179
BVerwG, Urt. v. 14.2.1990 – 6 C 54/88, NVwZ-RR 1990, 430. So auch Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 48 der insoweit von einem „qualifizierten Bezug“ spricht. 181 Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134. 180
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Insgesamt wird damit deutlich, dass die Typisierungsalternative „Sachnähe“ nicht den hohen Anforderungen gerecht werden kann, welche mit der anscheinsbedingten Rechtsnatur des Tatbestandes naturgemäß eingefordert wird.182 Dies gilt sogar verstärkt, da die Anforderungen an spitzenpolitische Karenzzeitvorgaben noch höher anzusetzen sind: Der oben dargestellte Maßstab ist primär für Berufssoldaten im Ruhestand entwickelt worden, die zuvor bereits die Regelaltersgrenze erreicht haben. Dies ist für betroffene Spitzenpolitiker gerade nicht pauschal zu übertragen. Für diese wird mit den Karenzgesetzen eine Belastung statuiert, die nicht stets am Karriereende wirkt, sondern auch mitten in eine aufstrebende Karrierelaufbahn einschneiden kann. Dieser verstärkten Eingriffsintensität ist auf Ebene der Bestimmtheit ebenfalls unbedingt Tribut zu zollen. Gleiches gilt im Übrigen auch für das zweite Typisierungsmerkmal in den Karenzzeitgesetzen („Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Regierung“), dem – wie bereits dargelegt – keinerlei oder nur äußerst geringe Eingrenzungskraft zukommt. Damit muss insgesamt von einer unzureichenden bzw. sogar fehlgehenden gesetzlichen Typisierung gesprochen werden, die „Tür und Tor“ für eine unangemessene Anwendung der Norm öffnet. Der einschneidenden Wechselwirkung zwischen anscheinsbedingter Regelungsnatur und inhaltlicher Ausdifferenzierung ist der Gesetzgeber im Falle der untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitgesetze damit gerade im Verhältnis zur identifizierten ökonomischen und soziologischen Schwere des Eingriffs nicht hinreichend gerecht geworden. Zu betonen ist dabei, dass den Bedenken auch nicht etwa abschwächend entgegengehalten werden kann, die vorgenannten Wertungen ja im Wege des gesetzgeberisch eingeräumten, behördlichen Beurteilungsspielraums183 oder Ermessens auf Grundlage der – unzweifelhaft existenten – Literatur und Rechtsprechung insbesondere zu mehr oder weniger vergleichbaren Tatbestandsmerkmalen aus dem Beamtenrecht einbringen zu können.184 Hier182 Verstärkend sei in diesem Kontext auf die Ergebnisse der rechtssoziologischen Würdigung des „Drehtüreffekts“ im 3. Kapitel verwiesen. Dass die im Raum stehenden, gesellschaftlichen Vorwürfe häufig rechtlich gar nicht tragfähig sind, hätte zumindest an dieser Stelle mit einer restriktiveren, tatbestandlichen Ausgestaltung berücksichtigt werden müssen. 183 Siehe hierzu in diesem Kapitel unter B. I. 4. 184 A. A. Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 48 sowie 299 ff. der dies für ausreichend erachtet. Dies verwundert insoweit, als dass er einerseits einen „qualifizierten Bezug“ als Erfordernis für das Merkmal der Sachnähe in § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BMinG identifiziert (S. 48), demgegenüber das Regelbeispiel bei der Bestimmtheitskontrolle (S. 300) jedoch unerwähnt lässt und (nur) die Durchdringung der übergreifenden (vorwiegend unbestimmten) Tatbestandsmerkmale ausreichen lässt. Im Zweifel ist jedoch davon auszugehen, dass in der behördlichen Anwendungspraxis weniger der unbestimmte Rechtsbegriff als mehr das Regelbeispiel zur Anwendung kommen wird, sodass gerade auf die genaue und rechtssichere Durchdringung der Typsierungen Augenmerk gelegt werden sollte. Diesbezüglich ist ferner anzumerken, dass Tenner selbst auf S. 133 feststellt, dass das „dienstliche Interesse“ im beamten-
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mit ginge gerade im Verhältnis zur Eingriffsintensität mangelnde Rechtssicherheit einher. Anders gewendet: Bei den Berufsverboten handelt es sich um derart wesentliche Grundrechtseingriffe, dass die konkrete Ausgestaltung gerade nicht zum Großteil der Exekutive und Judikative, sondern vielmehr dem parlamentarischen Gesetzgeber überlassen werden sollte. Dies drängt sich jedenfalls dann auf, wenn man die vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der „Wesentlichkeitstheorie“ u. a. entwickelten Kriterien „Grundrechtsrelevanz“, „Langzeitwirkung“ sowie „(gravierende) finanzielle Auswirkungen“ zu Rate zieht,185 die hier wohl kumulieren. Das Argument der mangelnden Berücksichtigung der aufgezeigten Wechselwirkung spricht damit insgesamt gegen die Angemessenheit der Regelungen. (cc) Mangelnde gesetzgeberische Differenzierung zwischen „Fachkunde“ und „Amtswissen“ Auch ein weiteres, in der generellen Stoßrichtung der Karenzzeitgesetze angelegtes Argument spricht gegen die Angemessenheit dieser. So wollen jene, wie schon herausgestellt, übergreifend auch der „privaten Verwertung von Amtswissen“ vorbeugen, indem bestimmtes nachamtliches, privatwirtschaftliches Tätigwerden eingeschränkt wird. „Amtswissen“ meint im Wesentlichen dienstliche Weisungen, Zusammenhänge und sonstige Vorgänge, die im Allgemeinen der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind sowie auch kollegiale Kontakte zu anderen Angehörigen des öffentlichen Sektors.186 An eine ähnliche Terminologie knüpfen insoweit auch die Verschwiegenheitsgebote aus § 6 BMinG und §§ 6, 7 NdsMinG sowie die diversen Verschwiegenheitspflichten in §§ 94 ff., 203, 353b StGB und §§ 4 Abs. 1, 5 BDSG an: Hier wird etwa auf „amtlich bekanntgewordene Angelegenheiten“ (§ 6 Abs. 1 BMinG), das „Staatsgeheimnis“ (§ 94 Abs. 1 StGB) oder auf ein „als Amtsträger anvertrautes Geheimnis“ (§ 203 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB) abgestellt. Verallgemeinerungsfähiges (Teil-)Schutzgut von Karenzund Verschwiegenheitsnormen ist damit nach näherer Betrachtung eigentlich – wie auch bereits sondiert – die Geheimhaltung besonderer, der Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres zugänglicher und damit „sensibler“ Informationen zu gewährleisten. Auch wenn der Gesetzgeber auf Bundes- und Länderebene diese Schutzrichtung in den Gesetzesbegründungen ausdrücklich und übergreifend ausgerufen, rechtlichen Sinne vom „öffentlichen Interesse“ divergiert. Dementsprechend erscheint eine schlichte Übertragung der Dogmatik zumindest nicht ohne Weiteres möglich. 185 Vgl. zu den Kriterien Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 107. Zuzustehen ist in diesem Zusammenhang dennoch, dass es sich wohl um einen Grenzfall handeln wird. Unzweifelhaft erfordert die zu treffende, grundrechtssensible Entscheidung nämlich andererseits auch eine gewisse Flexibilität zur Schaffung von Einzelfallgerechtigkeit. Hierbei handelt es sich wiederum um eine Fallgruppe, die gegen die Anwendbarkeit der „Wesentlichkeitstheorie“ streitet. 186 BVerwG, Urt. v. 26.6.1980 – 2 C 37.78, BVerwGE 60, 254, 259.
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sprich explizit an das Merkmal des „Amtswissens“ angeknüpft hat, vermitteln die Karenzgesetze in ihrer rechtlichen Realform ein anderes Bild. Das gewählte Regelungssystem ermöglicht zwar mit der Berufssperre durchaus auch den Schutz von „Amtswissen“, bewirkt jedoch primär die tiefgreifende Regulation von „Fachkunde“. Bei „Fachkunde“ handelt es sich in Abgrenzung zu „Amtswissen“ um die Nutzung der im Dienst erworbenen, allgemeinen und besonderen Kenntnisse, wie auch der Berufserfahrung in einem besonderen Fachgebiet.187 Ausgehend von dieser Definition fällt auf, dass angestrebtes und tatsächliches Regulationsziel der Gesetze nicht deckungsgleich sind. So nehmen die Karenzzeitgesetze gerade nicht auf konkret als geheimhaltungsbedürftig einzustufende Informationen in Gestalt von „Amtswissen“ Bezug, wie es etwa die einleitend benannten Vorschriften zur amtlichen Verschwiegenheit oder auch in concreto § 9a Abs. 2 S. 1 HmbSenatsG tun.188 Vielmehr stellt der Gesetzgeber pauschalisierend auf die sich in dem allgemeinen Rechtsstatus des ehemaligen Amtsträgers manifestierende Sachkompetenz und damit seine „Fachkunde“ ab. Aus der gesetzgeberisch insoweit vernachlässigten, in diesem Kontext aber durchaus notwendigen Differenzierung zwischen „Amtswissen“ und „Fachkunde“ 189 lässt sich verfassungsrechtlich ein divergierender Rechtfertigungsmaßstab ableiten. Zum Schutz besonders geheimhaltungsbedürftigen „Amtswissens“ wird das Regierungsmitglied a. D. nämlich erheblich höhere Duldungspflichten treffen. Mit anderen Worten lässt sich ein staatlicher Karenzeingriff wesentlich leichter rechtfertigen, wenn nicht an „Fachkunde“, sondern an „Amtswissen“ angeknüpft wird. Der Gesetzgeber hat jedoch de facto gerade den Weg gewählt, der ein wesentlich höheres Rechtfertigungsniveau bedingt: Er greift hauptsächlich auf die „Fachkunde“ des ehemaligen Amtsträgers zu, um hierdurch beiläufig auch den Schutz von „Amtswissen“ zu gewährleisten. Dahinter wird die zwar logische und sicherlich auch effektive Überlegung stehen, dass derjenige Amtsträger, der nachamtlich nicht in seinem Fachbereich tätig ist, im Zweifel auch keine Amtsgeheimnisse sachlich nutzbar machen kann. „Fachkunde“ wird mit dieser Regulierungsart jedoch stets eingeschränkt, obwohl der echte Schutz von „Amtswissen“ nur ausnahmsweise, sprich in wenigen Einzelfällen, greifen wird. Der Gesetzgeber schießt damit zumindest in diesem Aspekt über das eigentliche Regulierungsziel hinaus und überschreitet den Rahmen der Proportionalität; es liegt ein Verstoß gegen das Übermaßverbot nahe. Dies verdeutlicht auch erneut die Analyse der Gesetzesbegründungen. Hier hat der Gesetzgeber nur 187 Vgl. zur Differenzierung insbes. BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6 C 52/87, NVwZRR 1990, 365. 188 So stellt der Landesgesetzgeber in Hamburg beispielsweise auf die drohende Beeinträchtigung „amtlicher Interessen“ ab. 189 Die unbedingte Notwendigkeit der Differenzierung zwischen beiden Aspekten ist auch schon in der rechtssoziologischen Würdigung des „Drehtüreffekts“ zum Ausdruck gebracht worden. Vgl. hierzu im 3. Kapitel unter B. III. 1. b) bb) (2) sowie 2. b).
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Rechtfertigungserwägungen getroffen, die einen Eingriff zum Schutz von „Amtswissen“ rechtfertigen. Nicht vorhanden sind Erwägungen, die auch eine weitergehende Regulierung von „Fachkunde“ mit dem Sekundärziel „Schutz von Amtswissen“ stützen. Die gesetzgeberische Regulierungsintention ist an dieser Stelle überdies auch insgesamt als rechtspolitisch inkonsequent zu bewerten, wie ein Umkehrschluss zeigt. Nicht untersagt, sondern sogar gewünscht ist schließlich der Wechsel von fachkompetentem Personal von der Wirtschaft in die Politik, sprich der „umgekehrte“ Seitenwechsel. Dem folgend erscheint es paradox, wenn nun zugleich auch die „Mitnahme“ von im Amt erworbener Fachkompetenz – unter dem Deckmantel der Regulierung von „Amtswissen“ – wieder als unzulässig bewertet werden soll. Die genannten Defizite streiten ebenfalls gegen die Angemessenheit der rechtspraktischen Ausgestaltung der Karenzgesetze. (dd) Mangelnde Kompensation durch Übergangsgeld Ferner ist zu beleuchten, ob nicht der Kompensationsaspekt für die Angemessenheit der Karenzgesetze streitet bzw. genauer gesagt die Vorschriften vom bereits im Raum stehenden Makel der Verfassungswidrigkeit „heilen“ kann. Hiermit sind wiederum zwei Fragen verbunden: Ist die Kompensation einer beruflichen Sperre durch Zahlung eines Übergangsgeldes überhaupt verfassungsrechtlich notwendig und – wenn ja – wie ist diese im konkreten Fall auszuformen? Die Frage nach dem „Ob“ wird juristisch divergierend beantwortet. Teilweise wird die unbedingte Notwendigkeit einer Kompensation mit dem Verweis darauf begründet, dass Politiker generell einer Risikoberufsgruppe angehören würden, da sie ohne Weiteres aus der beruflichen Laufbahn fallen könnten. Allein dieser Aspekt streite für eine Kompensation.190 Eine entsprechende Wertung wird zwar nicht explizit, aber zumindest schlüssig auch von Michael191 und Scheffczyk192 vermittelt, da diese primär über das „Wie“ und nicht über das „Ob“ einer Kompensation diskutieren, diese also als selbstverständlich voraussetzen. Bamberger193 sieht eine über das schlichte Übergangsgeld hinausgehende Kompensationszahlung im Regelfall für nicht notwendig an und will Art. 12 GG auch kein 190 Morlok, Hauptausschussprotokoll zur 54. Sitzung des nordrhein-westfälischen Landtages, APr 16/1327, S. 8. 191 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 10. 192 Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134. 193 Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 295 f.
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„allgemeines Entschädigungsgebot“ entnehmen. Grzeszick194 legt differenzierend und damit am überzeugendsten mit Verweis auf Art. 14 GG und die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung diesbezüglich dar, dass sich der Gesetzgeber die Verhältnismäßigkeit und damit Verfassungsmäßigkeit von Grundrechtseingriffen grundsätzlich zwar nicht „erkaufen“ könne, eine Kompensationszahlung – auch mit Blick auf bestehende, einfachgesetzliche Kompensationsmodelle – aber durchaus als eingriffsabmildernde Maßnahme legislativ in Anklang gebracht werden kann. Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine fehlende oder unangemessene Kompensationsregelung allein nicht zur Verfassungswidrigkeit der Karenzzeitgesetze führt. Allerdings kann sie eine „auf Kipp“ stehende Regelung durchaus vom Makel der drohenden Verfassungswidrigkeit befreien, sodass im vorliegenden Fall doch die konkret vom Gesetzgeber angebrachte Kompensationsregelung durch die Fortzahlung eines Übergangsgeldes zu bewerten ist. Anknüpfungspunkt für diese Bewertung ist die anwendungsorientierte Analyse, im Rahmen derer hinreichend dargelegt worden ist, wieso das bestehende Modell durch die Gewährung eines Übergangsgeldes keine ausreichende Kompensation gewährleisten kann: Es kann der Höhe nach nicht überzeugen und setzt zudem seiner Rechtsnatur nach durch gezielte Bezugskürzungen falsche Impulse, die bei Verhängung einer beruflichen Sperrzeit für Spitzenpolitiker ins Leere laufen.195 Somit bleibt festzuhalten, dass die gesetzgeberisch eigentlich gut- und freiwillig eingeflochtenen Kompensationsregelungen nicht ausreichend sind, um die schwerwiegenden Folgen einer Untersagung für die Adressaten im verfassungsrechtlichen Sinne abzuschwächen und eine Angemessenheit herzustellen. (d) Zwischenergebnis Insgesamt ergibt sich nach dem Vorgesagten, dass die Qualität und Schwere des Eingriffs, der als maßgebliche Belastung mit den Karenzgesetzen statuiert wird, nicht mehr in einem proportionalen Verhältnis zu den angestrebten Zielen steht. Dies gilt bei übergreifender Betrachtung umso mehr, da der in Teilbereichen mangelnden rechtlichen Tragfähigkeit der Anscheinskomponenten des Regulierungsziels „Drehtüreffekt“ auf diesem Wege rechtstechnisch nicht mehr hinreichend entsprochen wird: Die Regulierung ist im Verhältnis zum Grad der (tatsächlich) drohenden Gefahr zu weitgreifend. Damit können die statuierten Belastungen insgesamt nicht mehr als angemessen bewertet werden.
194 Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 6 f. m.Verw. a. BVerfG, Beschl. v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226, 243 ff. 195 Hierzu bereits im 2. Kapitel unter C. I. 4.
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(5) Ergebnis Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass die untersuchungsgegenständlichen Karenzgesetze insbesondere als Ermächtigungen für etwaige Untersagungsverfügungen, aber teilweise auch in ihrer Gesamtheit die erhebliche Gefahr einer unverhältnismäßigen Auslegung und Anwendung in sich tragen: Zwar verfolgen diese übergreifend legitime Zielsetzungen. Die mangelnde Absicherung der Übergangsphase zwischen Anzeige und etwaiger Untersagung wirft aber bereits erste Zweifel an der Geeignetheit auf. Insbesondere § 7a NdsMinG erscheint mangels Einbindung eines beratenden Gremiums in die Entscheidungsfindung zudem sogar gänzlich ungeeignet, das verfolgte Ziel zumindest zu fördern. Auch steht mit der Implementierung eines zeitlichen Sperrsystems mit Abstufungen zumindest auf zweiter Stufe („Wie“) eine mildere, gleich effektive Maßnahme zur Verfügung. Ferner bestehen durchdringende Zweifel an der proportionalen, rechtspraktischen Ausgestaltung der Untersagungstatbestände in Gänze. Zusammenfassend droht damit ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. cc) Verstoß gegen Rückwirkungsverbot? Ferner könnte auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot anzumahnen sein. So führt Michael Sachs196 an, dass die Karenzzeitgesetze mit ihrem Inkrafttreten auch für ehemalige Regierungsmitglieder Wirksamkeit entfalten würden, ohne eine Übergangsregelung vorzusehen. Hierbei handle es sich um eine echte Rückwirkung, für die es den Gesetzen an einer entsprechenden Rechtfertigung ermangele. Auch wenn hierbei ein verfassungstheoretisch mithin durchschlagendes Problemfeld angesprochen wird, hat dieses für die untersuchungsgegenständlichen Karenzgesetze auf Bundesebene, also §§ 6a, 6b BMinG, keinerlei Auswirkungen mehr. Diese sind nämlich bereits im Juli 2015 mit einer maximal auszusprechenden Anzeige- und Untersagungsdauer von 18 Monaten in Kraft getreten. Von einer Rückwirkung betroffene, ehemalige Regierungsmitglieder sahen sich damit höchstens bis Januar 2017 mit einer entsprechenden Anzeige- und Untersagungsbelastung konfrontiert.197 Die Rückwirkungsproblematik hat sich somit zumin-
196 Sachs, Hauptausschussprotokoll zur 54. Sitzung des nordrhein-westfälischen Landtages, APr 16/1327, S. 6 sowie ders., Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Änderung des Landesministergesetzes und weiterer Gesetze“, LT-Drs. 16/11153, S. 9. 197 Dies gilt zumindest dann, wenn man das Inkrafttreten der §§ 6a ff. BMinG als „Startschuss“ für die Karenzzeitperiode für ehemalige Regierungsmitglieder nimmt. Stellt man hingegen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens des ehemaligen Regierungsmitglieds aus dem Amt ab, verengt sich der Anwendungsbereich in der Rückbetrachtung entsprechend noch weiter. Dagegen spricht jedoch, dass der damalige Einbezug „ehemaliger“ Regierungsmitglieder dann faktisch leerliefe.
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dest auf Bundesebene mangels tauglichem Adressatenkreis durch Zeitablauf erledigt. Anders gestaltet sich die Rechtslage auf niedersächsischer Ebene. Hier sind die Karenzzeitvorgaben zur Jahreswende 2019/2020 eingeführt worden. In § 7a Abs. 1–3 NdsMinG trifft der Landesgesetzgeber ebenfalls Rechtsfolgen für „ehemalige“ Regierungsmitglieder. Da die entsprechend statuierte Anzeige- bzw. Untersagungsperiode für ehemalige Regierungsmitglieder damit nach der Intention des Gesetzes noch bis Juni 2021 verbindlich sein soll – soweit man auf das Inkrafttreten des Gesetzes als karenzzeitauslösendes Ereignis abstellt – sehen sich diese Amtsträger a. D. tatsächlich mit einer Rückwirkung konfrontiert. Dies gilt auch, wenn man das faktische Ausscheiden des ehemaligen Amtsträgers als maßgeblichen „Startschuss“ für die rückwirkende Karenzzeit betrachtet. Hier verengt sich aufgrund der temporären Natur dieser zwar der Kreis der Betroffenen, hebt sich aber (noch) nicht gänzlich auf. Mit Sachs kann hier durchaus von einer echten Rückwirkung gesprochen werden. Eine solche liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in bereits abgewickelte Tatbestände eingreift, die in der Vergangenheit liegen.198 Dies ist vorliegend zu bejahen: Die Karenzgesetze verändern den Rechtsstatus ehemaliger Regierungsmitglieder nachträglich, indem sie eine zusätzliche Belastung normieren, die bei Eintritt in das amtliche Verhältnis nicht absehbar war. Es handelt sich also – um auch der Differenzierung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts199 gerecht zu werden – um eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Eine gesetzliche Rechtfertigung dieser Rückwirkung ist nicht vorhanden. Im Gegenteil: Die Drucksachen offenbaren vielmehr, dass der Gesetzgeber diese Problematik schlicht übersehen oder ignoriert hat. Dementsprechend findet sich auch nicht etwa eine Übergangsregelung im Gesetz, mit der Zweifel an der Zulässigkeit der Rückwirkung ausgeräumt werden könnten.200 Die echte Rückwirkung könnte jedoch unabhängig davon ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie überwiegenden, zwingenden Gründen des Gemeinwohls dient201 oder aber auf die Bereinigung einer unklaren oder verworrenen Rechtslage abzielt.202 Bereits der erste hier aufgeführte Ausnahmegrund ist abzulehnen. Wie die Gewichtung der Rechtsgüter im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ergeben hat, überwiegen die verfolgten Gründe des Gemeinwohls nicht; vielmehr halten sich Eingriffsintensität und verfolgtes Ziel sogar ungefähr die Waage. Le198
BVerfG, Beschl. v. 13.5.1986 – 1 BvR 99, 461/85, BVerfGE 72, 175, 196. Zuletzt etwa BVerfG, Beschl. v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u. a., NJW 2010, 3629, 3630 Rn. 56 f. 200 Vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 30.9.1987 – 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256, 359 f. 201 BVerfG, Beschl. v. 25.5.1993 – 1 BvR 1509/91, 1 BvR 1648/91, BVerfGE 88, 384, 404. 202 BVerfG, Beschl. v. 8.4.1998 – 1 BvR 1680/93, 183, 1580/94, BVerfGE 98, 17, 39. 199
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diglich der zweite Ausnahmegrund könnte somit die echte Rückwirkung rechtfertigen. Allerdings ist dies im Ergebnis wohl ebenfalls abzulehnen, denn die rechtliche Lage war vor Einführung der Karenzzeit auf Landesebene keineswegs unklar oder verworren: Ein unmittelbarer, nachamtlicher Wechsel war schlichtweg erlaubt und nur gesellschaftlich missbilligt. Aus diesem gesellschaftlichen Missstand kann jedoch nicht auch auf die Existenz eines normativen Fehlstands hergeleitet werden, der einer Bereinigung bedurfte – denn entsprechende Regelungen waren ja noch gar nicht vorhanden (daher auch Regulierungsvakuum). Damit bleibt zu konstatieren, dass die Anknüpfung in § 7a NdsMinG an „ehemalige“ Regierungsmitglieder eine echte Rückwirkung darstellt, die sich mangels Einschlägigkeit einer Ausnahme oder Vorhandensein einer Übergangsregelung ebenfalls verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt sieht. dd) Ergebnis und Konsequenz – Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung? Die in § 6b BMinG normierte Untersagungsermächtigung verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz sowie damit in Verbindung stehend gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip in Gestalt des Übermaßverbotes. Zudem verstoßen die Regelungen in § 7a NdsMinG in ihrer Gesamtheit – sprich als Anzeigeverpflichtung und Untersagungsermächtigung – schon mangels Geeignetheit gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und überdies gegen das Verbot der echten Rückwirkung, soweit und solange an den Rechtsstatus ehemaliger Regierungsmitglieder angeknüpft wird. Insoweit sind die untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitvorgaben nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Fraglich ist, ob die vorstehenden Bedenken bereits zur Verfassungswidrigkeit der Karenzgesetze (vgl. Art. 100 Abs. 1 GG sowie §§ 31, 78 BVerfGG) führen oder noch Raum für eine verfassungskonforme Auslegung besteht. Demnach ist eine Norm nur dann mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu versehen, wenn sie nach keiner Auslegungsmethode so gedeutet werden kann, dass sie mit der Verfassung in Einklang steht. Absolute Grenze hiervon ist der Wortlaut sowie der Sinn und Zweck der auszulegenden Norm.203 Vorliegend sprechen die verfassungsrechtlichen Zweifel in ihrer Kumulation gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung. So könnten zwar einzelne Aspekte, wie beispielsweise das Typisierungsmerkmal der „Sachnähe“, nach oben herausgearbeiteten Maßstäben restriktiv gehandhabt werden, um einer unangemessenen behördlichen Anwendung im Einzelfall vorzubeugen. Die vorstehend erläuterte (absolute) Wortlautgrenze einer verfassungskonformen Auslegung ist hierbei allerdings zu beachten. Aufgrund des spärlichen gesetzgeberischen Wortlauts ist an dieser Stelle also nur eine eingeschränkte Korrektur 203
Epping, Grundrechte, Rn. 67.
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möglich, genauer gesprochen eine umfassende Aufnahme der vorstehend entwickelten Wertung schwierig. Überdies streiten gegen diesen Weg auch – wie bereits erläutert – der Aspekt der Rechtssicherheit sowie die Wesentlichkeitstheorie. Abgesehen davon deutet auch die inhaltliche Stoßrichtung in Gänze (fehlende Differenzierung zwischen „Fachkunde“ und „Amtswissen“) auf ein Abwägungsdefizit hin, das nur schwerlich durch Auslegung überwunden werden kann. Die Regelungen zur Kompensation vermögen dieses Defizit ebenfalls nicht aufzufangen oder abzumildern und damit Raum für eine verfassungskonforme Auslegung zu schaffen. Insgesamt handelt es sich wohl dennoch, zumindest hinsichtlich der Vorgaben in §§ 6a, 6b BMinG, um einen Grenzfall. Denn die gesetzgeberische Formulierung, in der von einem sachnahen „tätig werden“ gesprochen wird, ermöglicht es ihrem schlichten Wortlaut nach – also theoretisch und losgelöst von den benannten rechtlichen Zweifeln hieran (s. o.) – die entwickelten Wertungen immerhin im Kern zu berücksichtigen. Zudem ist in Anklang zu bringen, dass das Bundesverfassungsgericht204 die Methodik der verfassungskonformen Auslegung tendenziell großzügig anwendet. Daher lassen sich wohl zumindest die verfassungsrechtlichen Zweifel an der Bundesregelung im Wege verfassungskonformer Auslegung gerade noch auffangen. Eine andere Wertung rechtfertigen hier auch nicht die Bedenken an Geeignetheit (Stichwort: Übergangsphase) sowie Erforderlichkeit (Stichwort: Abgestuftes Sperrsystem), da es sich hierbei insoweit nur um Optimierungen und nicht etwa um Aspekte handelt, die das Verdikt der (endgültigen) Verfassungswidrigkeit ausschlaggebend begründen könnten. Von der vorstehenden Option ist jedoch für § 7a NdsMinG auf niedersächsischer Ebene nicht mehr auszugehen. Dies ist primär mit der fehlenden Einbindung eines legitimierenden Gremiums zu begründen, die sich – gerade in Kombination mit den vorgenannten, hier ebenfalls als relevant zu Tage tretenden Aspekten – verfassungsrechtlich durchschlagend auswirkt. Insbesondere kann die Einbindung eines derartigen Gremiums auch nicht etwa durch Auslegung erreicht werden. Dementsprechend dürfte die Regelung für verfassungswidrig zu erklären sein. Dies gilt erst recht, soweit sich die Norm auf ehemalige Regierungsmitglieder bezieht. Mangels Übergangsregelung tritt hier noch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot hinzu, der nicht gerechtfertigt ist. 3. Gesamtergebnis zu Art. 12 Abs. 1 GG Die mit den bundesgesetzlichen Karenzzeitgesetzen statuierten Eingriffe in das Grundrecht aktueller und ehemaliger Regierungsmitglieder aus Art. 12 Abs. 1 GG sind zwar in Gestalt der Anzeigeverpflichtung, nicht jedoch als Untersa204 Vgl. z. B. verfassungskonforme Auslegung von § 14 VersG in BVerfG, Beschl. v. 23.10.1991 – 1 BvR 850/88, BVerfGE 85, 69 ff.
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gungsermächtigung verfassungsrechtlich gerechtfertigt, soweit und solange den hieran geäußerten Bedenken nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung Rechnung getragen wird. Die mit den Karenzzeitgesetzen auf niedersächsischer Ebene bestehenden Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG durch Anzeigeverpflichtung und Untersagungsermächtigung sind übergreifend und endgültig als nicht gerechtfertigte Verstöße gegen das Grundrecht zu werten, da die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung nicht mehr besteht.
II. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG? Ferner könnte in den Karenzzeitgesetzen auch ein Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG liegen, der entsprechend gerechtfertigt sein müsste. Grundrechtsdogmatisch wird das Grundrecht zwar eigentlich verdrängt; denn im Rahmen des generalklauselartigen Verständnisses der allgemeinen Handlungsfreiheit ist anerkannt, dass diese als subsidiär zurücktritt, soweit ein Eingriff in den Schutzbereich eines spezielleren Grundrechts vorliegt.205 Vorliegend ist auch tatsächlich ein Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz in Art. 12 Abs. 1 GG zu bejahen. Die Karenzzeitgesetze eröffnen allerdings auch die Möglichkeit, „sonstige Beschäftigungen“, sprich unentgeltliche Tätigkeiten, zu sperren. Damit findet Art. 2 Abs. 1 GG neben Art. 12 Abs. 1 GG einen eigenen Anwendungsbereich. Da Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich jede Form menschlichen Verhaltens in einem umfassenden Sinne schützt,206 ist insbesondere in der Untersagung einer sonstigen, unentgeltlich angestrebten Tätigkeit ein Eingriff in den Schutzbereich zu sehen. Nach der Schrankentrias in Art. 2 Abs. 1 Hs. 2 GG unterliegt das Grundrecht u. a. der Schranke der verfassungsgemäßen Ordnung. Damit kann es durch alle Rechtsnormen eingeschränkt werden, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen.207 Letztlich ähneln die Wertungen für eine solche verfassungsrechtliche Rechtfertigung den bereits im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG getroffenen Erwägungen. Hierbei ist der Aspekt des ökonomischen Verlustpostens in Gestalt entgangener Erwerbschancen zwar eindeutig auszuklammern; allerdings sind Tragweite und Intensität des soziologischen Eingriffscharakters ungebrochen. Korrelierend hierzu schwächt sich bei unentgeltlich ausgeübten Tätigkeiten auch eindeutig die Wertigkeit der angestrebten Zielsetzung ab. So ist zu erwarten, dass mit der Aufnahme unentgeltlicher, nachamtlicher Tätigkeiten regelmäßig kein erheblicher 205 So etwa Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 3 oder detailliert auch Epping, Grundrechte, Rn. 577 ff. 206 BVerfG, Urt. v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 ff. 207 BVerfG, Urt. v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 38.
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gesellschaftlicher Vertrauensverlust in die Integrität der Regierung einhergeht. Somit halten sich auch die widerstreitenden Abwägungsgüter – jeweils abgeschwächt – wohl die Waage, wobei der Faktor der Selbstverwirklichung aufgrund der Nähe zur Menschenwürde eventuell sogar für ein leichtes Übergewicht der Eingriffsintensität streitet. Greift man nun die konkreten und übertragbaren, abwägungsentscheidenden Elemente aus der vorstehenden Verhältnismäßigkeitsprüfung auf (Wechselwirkung aus Unbestimmtheit und anscheinsbedingter Rechtsnatur, mangelnde Differenzierung zwischen „Fachkunde“ und „Amtswissen“), ist im Ergebnis ebenfalls mindestens von der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Karenzgesetze auszugehen. Hierfür streitet auch der Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, der zumindest auf niedersächsischer Ebene weiterhin im Raum steht. Ansonsten ließe sich der Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht vollumfänglich rechtfertigen.
III. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG? Abschließend ist ebenfalls in die Analyse einzubeziehen, ob in den Karenzzeitgesetzen auch eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen ist. Da diese Frage jedoch eigentlich den personellen Zuschnitt der Untersuchungen überschreitet, es auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nach dem Vorgesagten nicht mehr ankommt und zudem in der Fachliteratur208 bereits umfassende Erwägungen zum Gleichheitsaspekt vorhanden sind, beschränken sich die Ausführungen auf die Darstellung und Ergänzung der verfassungspolitischen (nicht der beamtenrechtlichen) Gesichtspunkte letzterer. 1. Ungleichbehandlung von ehemaligen Regierungsmitgliedern und ehemaligen Abgeordneten Zum einen wird in diesem Kontext eine Ungleichbehandlung von ehemaligen Regierungsmitgliedern im Verhältnis zu ehemaligen Abgeordneten diskutiert. Beide bilden aufgrund ihrer (vergangenen) beruflichen Tätigkeit in einem Verfassungsorgan des Bundes eine Vergleichsgruppe.209 Ehemalige Abgeordnete treffen jedoch keine bzw. stark eingeschränkte Anzeigepflichten; auch eine Untersagungsmöglichkeit ist nicht vorgesehen. Allerdings könnten schlagkräftige Gründe von solcher Art und Gewicht bestehen, dass sich diese Ungleichbehandlung rechtfertigen ließe. Um dies bei per208 Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 396 ff. sowie Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 297 ff. 209 Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 396.
A. Überprüfung der Verfassungskonformität
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sonenbezogenen Differenzierungen zu ermitteln, ist nach der sog. „neuen Formel“ eine abgewandelte Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.210 Die gesetzgeberische Unterscheidung bezweckt zunächst, existierenden Divergenzen zwischen beiden Gruppen gerecht zu werden, die sich aus der Vergangenheit des Bürgers als Amts- bzw. Mandatsträger ergeben. Ins Feld geführt wird hier primär das schlichte Machtgefälle zwischen Regierungsmitgliedern und Abgeordneten, welches sich in mehreren Aspekten widerspiegle: Regierungsmitglieder seien Zeit ihres Amtes nicht auf parlamentarische Mehrheitsentscheide angewiesen (vgl. Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG), sondern könnten im Rahmen ihrer Ressortkompetenz umfassend und eigenständig entscheiden.211 Auch eine Öffentlichkeitskontrolle finde im Regierungsbereich nicht statt (vgl. § 22 Abs. 3 GOBReG); im parlamentarischen System sei hingegen eine solche in Gestalt von Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG vorgesehen. Aus dem so eingeschränkten Öffentlichkeitsbezug folge, dass Regierungsmitglieder vergleichsweise mit sensibleren Informationen in Kontakt treten würden als Parlamentarier.212 Hinzu trete, dass auch der generelle Funktionszuschnitt beider Gruppen different sei.213 Insgesamt werde der Gesetzgeber aufgrund der identifizierten, amtlichen Machtkonzentration zu einer Präventiveinwirkung im Regierungsbereich veranlasst.214 Mit dem Vorgesagten kann eine legitime Zwecksetzung der gesetzgeberischen Unterscheidung bejaht werden, die zudem auch geeignet erscheint. Die vorgenommene Differenzierung fördert augenscheinlich das Unterscheidungsziel: Die potenziellen, nachamtlichen Auswirkungen der vergleichsweise exponierteren, ehemaligen Machstellung von Exekutivpolitikern werden mit der Andersbehandlung abgemildert. Eine treffsicherere, weniger belastende Unterscheidung ist für den Gesetzgeber dabei als milderes, gleich effektives Mittel nicht greifbar gewesen. Dies gilt insbesondere auch für die Idee der ressortabhängigen Auftrennung, sprich der Differenzierung nach konkreter sachlicher Betroffenheit.215 Der Anschein einer Integritätsbeeinträchtigung tritt zwar in der Bevölkerung tatsächlich je nach konkretem Sachbezug unterschiedlich stark auf, sodass eine weitere Ausdifferenzierung prima facie naheliegt. Allerdings kommt es hierauf im Rahmen der an 210
Epping, Grundrechte, Rn. 818 ff. Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 398. 212 Ebenfalls Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 399. 213 Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 398 m.w. N. 214 Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 398 sowie Bamberger, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 301. 215 Hierzu in diesem Kapitel unter A. I. 2. b) bb) (4) (c) (bb). 211
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
dieser Stelle zu treffenden Gleichheitserwägungen nicht an. Die vorstehende Differenzierung würde nämlich gerade keine Abmilderung im Verhältnis zur Ungleichbehandlung mit Abgeordneten mit sich bringen, sondern vielmehr nur ein effektiveres Unterscheidungskriterium im Binnenbereich der Gubernative darstellen. Damit wird also nicht die Frage berührt, inwiefern das konstatierte Machtgefälle zwischen Exekutive bzw. Gubernative und Legislative im Außenverhältnis mit einer andersartigen Regelung (besser) hätte aufgefangen werden können. Letztlich muss daher nur noch der verfolgte Unterscheidungszweck im Verhältnis zur Intensität der Ungleichbehandlung als angemessen zu bewerten sein, um zu einer Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu gelangen. Zur Bewertung der Intensität ist unter anderem darauf abzustellen, ob das Differenzierungskriterium durch Verhaltensänderung beeinflusst werden kann216 und ob Freiheitsrechte oder sonstige Verfassungsnormen in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt werden.217 Insofern ist zunächst festzustellen, dass mit Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG durchaus Freiheitsrechte betroffen sind, die der Ungleichbehandlung ein hohes Gewicht verleihen. Auch der nach vorausgehender Argumentation durchaus bestehende, ausufernde Anwendungsbereich der konkreten, karenzzeitbasierten Ungleichbehandlung trägt hierzu sicherlich bei. Andererseits ist ebenfalls anzubringen, dass sich Regierungsmitglieder bewusst in den Anwendungsbereich des Karenzzeitsystems begeben.218 Ausschlaggebend ist zudem zu gewichten, dass das generelle, gerade auch anscheinsbedingte Gefährdungspotenzial im nachamtlichen Bereich bei Angehörigen der Exekutive im Gegensatz zu Angehörigen der Legislative schlichtweg deutlich ausgeprägter ist.219 Aus Sicht eines objektiven, sachlich denkenden Bürgers wird es nämlich sicherlich einen Unterschied machen, ob ein ehemaliger „Staatslenker“ einen Seitenwechsel vollzieht oder aber ein ehemaliger Parlamentarier, dessen Macht sich bereits in der Natur seines Mandats per se beschränkt. Insgesamt wird sich die Ungleichbehandlung daher als angemessen und somit verfassungsrechtlich gerechtfertigt darstellen. 2. Ungleichbehandlung von ehemaligen Regierungsmitgliedern ausgehend von der Rechtsnatur der nachamtlichen Tätigkeit Auch eine interne Ungleichbehandlung von ehemaligen Regierungsmitgliedern, die in die Privatwirtschaft wechseln, mit solchen, die eine Tätigkeit im öf216 217
BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 611, 2464/07, BVerfGE 126, 400, 418. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07, 402, 906/08, BVerfGE 121, 317,
370. 218 So auch Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 400. 219 Kernargument Bambergers, Nachamtliche Tätigkeitsbeschränkungen für politische Amtsträger, 2014, S. 301.
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG
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fentlichen Dienst anstreben, lässt sich entsprechend rechtfertigen. Hierfür streitet insbesondere die im Öffentlichen Dienst fortbestehende Gemeinwohlverpflichtung und die sich damit abschwächende Gefahr einer nachamtlichen, sei es auch bloß anscheinsbasierten Interessenbeeinträchtigung.220 Verstärkend ist zudem anzuführen, dass sich das ehemalige Regierungsmitglied weiter „im System“ bewegt und damit dem Kernvorwurf des „Drehtüreffekts“ bei internen Wechseln bereits sinnlogisch der Boden entzogen wird.
IV. Gesamtergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung Die vorstehende Prüfung hat ergeben, dass in den untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitgesetzen teilweise nicht mehr gerechtfertigte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG zu sehen sind. Eine im Raum stehende Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 Abs. 1 GG ist hingegen gerechtfertigt.
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG Um dem vorstehend identifizierten verfassungsrechtlichen Defizit sowie der anwendungsorientierten Ausrichtung dieser Arbeit gerecht zu werden, muss sich auch mit den Rechtsschutzmöglichkeiten etwaiger Betroffener befasst werden. Dies gebietet in rechtlicher Hinsicht zudem schon Art. 19 Abs. 4 GG. In dogmatischer Hinsicht lässt sich die Notwendigkeit einer solchen Untersuchung ferner damit begründen, dass sich die einschlägige Literatur221 in diesem Bereich bisweilen mehr auf die theoretische bzw. abstrakte Durchdringung der Rechtsnatur von Karenzzeitvorgaben beschränkt und weniger auf die rechtlichen Möglichkeiten für ehemalige Regierungsmitglieder, einer (drohenden) Sperre oder der Verpflichtung zur Anzeige zu entgehen. Dementsprechend wird nachfolgend erst der potenzielle Rechtsschutz gegen eine Untersagungsentscheidung erörtert, um anschließend die identische Frage bezüglich der Anzeigeverpflichtung zu stellen.
I. Rechtsschutz gegen eine Untersagungsentscheidung? Spricht die Bundes- bzw. Landesregierung eine vollständige oder teilweise Untersagung der angestrebten nachamtlichen Tätigkeit auf Grundlage von § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG bzw. § 7a Abs. 3 S. 1 NdsMinG aus, stellt sich die Frage nach effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten. Für die Betroffenen kann in mehrfacher Hinsicht ein großes Interesse daran bestehen, die angestrebte Tätigkeit trotz Un-
220 Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 401 m.Verw. a. BT-Drs. 18/4630, S. 10. 221 Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten zuerst Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 135.
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
tersagung (früher) anzutreten. So ist mit der Tätigkeitsuntersagung nicht nur ein schwerwiegender Grundrechtseingriff in die berufliche und damit persönliche Entfaltung verbunden, sondern letztlich auch ein wirtschaftlicher Verlustposten: Für die Zeit der Untersagung bleibt für die Betroffenen eine entsprechende Vergütung aus. Sie sind vielmehr auf das Übergangsgeld angewiesen, welches wohl oftmals die in Aussicht gestellte Vergütung erheblich unterschreiten wird.222 Die ausbleibende Differenz bildet den Verlustposten, dessen Eintritt mit Erhebung eines entsprechenden Rechtsbehelfs und des damit verbundenen Suspensiveffekts mindestens verzögert, wenn nicht sogar u. U. gänzlich verhütet werden kann. Im Folgenden sollen die den Betroffenen in dieser Untersagungssituation zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten erörtert werden. Hierfür wird zunächst die Frage der Rechtswegeröffnung sowie der gerichtlichen Zuständigkeit geklärt. Daraufhin werden allgemeine Zulässigkeitserwägungen getroffen, die ein entsprechender Rechtsbehelf zu erfüllen hätte. Insbesondere die Wahl der statthaften Klageart gilt es zu sondieren. Zudem werden in diesem Kontext auch einstweilige Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen erörtert, bevor zuletzt der materiell-rechtliche Umfang der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Untersagungsentscheidung begutachtet wird. 1. Rechtswegeröffnung und Zuständigkeiten a) Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten – nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit? Bevor die Zuständigkeiten betrachtet werden, stellt sich vorgelagert die Frage nach der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gem. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Da sich der Streitgegenstand in Form der Untersagungsverfügung ausnahmslos als unmittelbare Folge des öffentlichen Rechts darstellen wird, kann zwar in aller Regel von einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit im Sinne vorgenannter Generalklausel auszugehen sein. Allerdings tritt mit der Bundes- bzw. Landesregierung, die als zuständige Untersagungsbehörde im Verfahren fungiert, zumindest ein Verfassungsorgan im Rechtsstreit auf. Auch ist mit dem Streitgegenstand womöglich Verfassungsrecht berührt. Dementsprechend muss hinterfragt werden, ob es sich auch tatsächlich um eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO handelt. Die Verwaltungsgerichte sind nämlich grundsätzlich nicht dazu berufen, die spezifisch verfassungsrechtliche Willensbildung und Betätigung oberster Staatsorgane zu überprüfen.223
222
Vgl. hierzu bereits in diesem Kapitel unter A. I. 2. b) bb) (4) (a) (bb). Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Rn. 139 f. m.w. N. sowie Rennert, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Rn. 17. 223
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG
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Stellt man mit der wohl vorherrschenden Meinung in der Literatur224 darauf ab, dass sich das Merkmal der „verfassungsrechtlichen Streitigkeit“ aus dem Erfordernis der sog. „doppelten Verfassungsunmittelbarkeit“ ergebe, ist vorliegend von einer nichtverfassungsrechtlichen Streitigkeit auszugehen. Mit dem ehemaligen Bundes- bzw. Landesregierungsmitglied ist zumindest auf einer Seite kein Verfassungsorgan beteiligt. Vielmehr tritt das ehemalige Regierungsmitglied schlicht als Bürger im Rechtsstreit auf, der aus seiner ehemaligen Amtsstellung nachamtlichen Restriktionen unterworfen wird. Folgt man hingegen einer partiell vertretenen Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts225, stellt sich dies anders dar. Demnach kommt es für die Beurteilung primär darauf an, welche „Ebene des Rechtssystems“ – also die verfassungsrechtliche oder die einfachgesetzliche – das streitige Rechtsverhältnis prägt. Abzustellen ist m. a. W. wiederum auf die rechtliche Qualität der streitentscheidenden Normen aus dem BMinG sowie dem NdsMinG. Bei den Vorschriften aus dem Bundesministergesetz handelt es sich um materielles Verfassungsrecht.226 Demnach könnte tatsächlich der Schluss gezogen werden, dass die Rechtsstreitigkeit vom Verfassungsrecht geprägt wird und somit der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung entzogen ist. Allerdings ist anerkannt, dass die Überprüfung von einfachem, verfassungskonkretisierendem Gesetzesrecht durchaus auch fachgerichtlich erfolgen kann – insbesondere dann, wenn nicht nur Organrechte, sondern auch persönliche Rechte der Betroffenen zur Debatte stehen.227 So liegt es auch hier. In Rede steht gerade nicht (mehr) die Beeinträchtigung konkreter Organrechte der ehemaligen Regierungsmitglieder. Vielmehr beläuft sich der Streitgegenstand auf die Beschränkung nachamtlicher Tätigkeiten im privatwirtschaftlichen Bereich. Im Kern betroffen sind somit persönliche Rechte der beruflichen Selbstverwirklichung. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung wäre somit wenig sachgerecht. Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass sich die Parteien zwar um materielles Verfassungsrecht streiten, welches aber seiner tatsächlichen Ausformung nach der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen muss. Da zudem 224 Vgl. z. B. Erichsen, Die Zulässigkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht, Jura 1994, 418, 422; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11 Rn. 49 oder Rennert, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Rn. 18 ff. 225 BVerwG, Beschl. v. 13.8.1999 – 2 VR 1/99, NJW 2000, 160, 161 sowie BVerwG, Urt. v. 21.10.1998 – 6 A 1.97, LKV 1999, 405. 226 Vgl. ausdrücklich Rennert, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Rn. 19 aber auch Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Rn. 143 die m.w. N. verschiedene Definitionsansätze des „materiellen Verfassungsrechts“ im o. g. Sinne aufführen, unter die Ministerrecht überwiegend subsumiert werden kann. Restriktiver handhabt Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Rn. 203 die Begrifflichkeit. 227 Rennert, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, § 40 Rn. 19 sowie BVerwG, Urt. v. 11.7.1985 – 7 C 64/83, NJW 1985, 2344, 2345.
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mit der Bundes- bzw. Landesregierung auch nur einseitig ein Verfassungsrechtssubjekt beteiligt ist, liegt nach beiden Ansichten eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit vor. Der Verwaltungsrechtsweg ist somit mangels abdrängender Sonderzuweisung nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO zum jeweils zuständigen Verwaltungsgericht eröffnet. b) Zuständigkeiten im Einzelnen § 50 Abs. 1 Nr. 5 Var. 3 VwGO weist für Klagen gegen Maßnahmen nach § 6b des BMinG das Bundesverwaltungsgericht als zuständiges Gericht in erster sowie zugleich letzter Instanz aus. Diese unmittelbar höchstinstanzliche Zuständigkeitszuweisung zu einem obersten Bundesgericht lässt sich rechtsdogmatisch vornehmlich mit Blick auf den Charakter der im Raum stehenden Streitigkeit begründen. §§ 6a ff. BMinG sollen die Integrität und Loyalität der Regierung und somit zentrale Güter im demokratischen Rechtsstaat wahren. Zudem ist mit der Bundesregierung als Prozesspartei ein oberstes Bundesorgan unmittelbar betroffen. Bedeutung und Auswirkung eines solchen Verfahrens gehen damit weit über das Gebiet eines Landes hinaus. Ferner sind die Betroffenen – insbesondere im einstweiligen Rechtsschutzfahren – aufgrund der schwerwiegenden Grundrechtsbeschneidung auf eine zügige Entscheidung des Gerichts angewiesen.228 Auch diesem Bedürfnis nach effektivem Rechtsschutz kann auf höchstinstanzlicher Ebene durchaus schneller entsprochen werden. Die Rechtsschutzkonzentration beim Bundesverwaltungsgericht erscheint daher gerechtfertigt. Auf Landesebene fehlt eine entsprechende Zuständigkeitszuweisung. Dementsprechend wäre nach § 45 VwGO das Verwaltungsgericht erstinstanzlich sachlich zuständig. Letztlich ist die Interessenlage bei einer Untersagungsentscheidung nach § 7a Abs. 3 S. 1 NdsMinG allerdings ähnlich wie bei einer Untersagungsentscheidung nach § 6b BMinG ausgestaltet: Auch hier stehen zentrale rechtsstaatliche Güter zur Debatte; der Streitigkeit kommt mithin eine überregionale Bedeutung auf Landesebene zu. Dementsprechend könnte durchaus auch über eine erstinstanzliche Zuständigkeitszuweisung zum OVG (Lüneburg) diskutiert werden. Rechtlich könnte dies beispielsweise mit einer Abänderung von § 48 VwGO oder einer Implementierung in das NJG umgesetzt werden. 2. Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen a) Die Wahl der statthaften Klageart: Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage? Entscheidet sich die Bundes- oder Landesregierung nach Anzeige der angestrebten Tätigkeit durch den Betroffenen für die Untersagung derselben nach 228 Vgl. hierzu ausführliche Erwägungen von Grzeszick, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 9 f. m.w. N.
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG
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§ 6b Abs. 1 S. 1 BMinG bzw. § 7a Abs. 3 S. 1 NdsMinG, ergeht ein entsprechender Untersagungsbescheid. Dieser Untersagungsbescheid ist als Verwaltungsakt i. S. v. § 35 S. 1 VwVfG rechtlicher Anknüpfungspunkt zur Einlegung etwaiger Rechtsmittel: Durch die Untersagung wird dem ehemaligen Regierungsmitglied die Möglichkeit der Ausübung einer ursprünglich erlaubten Tätigkeit genommen. Sein Rechtskreis wird dementsprechend beschnitten. Dies folgt aus der Konzeption der einfachgesetzlichen Karenzzeitvorgaben aus dem BMinG sowie dem NdsMinG als Anzeigepflicht mit Verbotsvorbehalt. Will das betroffene, ehemalige Regierungsmitglied auf den Status quo zurückfallen, sprich die Untersagungsverfügung beseitigen, ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO die statthafte Klageart. Geht man hingegen mit Scheffczyk229 von der Statuierung einer Anzeige- und Genehmigungsverpflichtung durch §§ 6a ff. BMinG aus, ergeben sich vor allem hinsichtlich der Wahl der statthaften Klageart Unterschiede. In diesem Fall wäre die angestrebte Tätigkeit grundsätzlich unerlaubt, sodass dem betroffenen, ehemaligen Regierungsmitglied mit der Negativentscheidung in Form der Nichtgewährung der Erlaubnis eine Erweiterung des eigenen Rechtskreises versagt worden wäre. Dementsprechend wäre hier die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 in Form der Versagungsgegenklage – oder bei Untätigkeit der Regierung eine Klage nach § 75 VwGO – statthaft. Gegen die von Scheffczyk vertretene Ansicht sprechen jedoch gewichtige Argumente. Zunächst streitet der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers gegen die Auslegung der Vorschriften als Genehmigungsverpflichtung. So erwähnt der Gesetzgeber in seinen Drucksachen explizit, dass die Vorschriften zwecks grundrechtsschonender Ausgestaltung als Anzeigepflicht mit Verbotsvorbehalt konzipiert worden seien.230 Hier reiht sich rechtssystematisch ein, dass in §§ 6a ff. BMinG (und entsprechend auch in § 7a NdsMinG) gar kein Antragserfordernis vorgesehen ist; vielmehr werden mit § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG und § 7a Abs. 3 S. 1 NdsMinG schlichte Eingriffstatbestände und keine Anspruchsnormen geschaffen. Die Situation der Beantragung einer Genehmigung tritt dementsprechend gar nicht auf, sodass auch eine Verpflichtungsklage ins Leere laufen würde, also gegenstandslos wäre. Ferner spricht auch § 6a Abs. 2 S. 3 BMinG gegen die Auslegung Scheffczyks. Eine Genehmigungspflicht setzt nämlich sinnlogisch voraus, dass die angestrebte Tätigkeit dem Grunde nach untersagt bzw. unerlaubt ist. § 6a Abs. 2 S. 3 BMinG bestimmt jedoch, dass die Bundesregierung bei Nichtwahrung der fristgerechten Anzeigepflicht die Aufnahme der Tätigkeit bis zur Dauer von höchstens einem Monat vorläufig untersagen kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Aufnahme der Tätigkeit grundsätzlich ge229 Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134. 230 BT-Drs. 18/4630, S. 11.
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nehmigungsfrei erfolgen kann.231 Dass die Bundesregierung auch im Falle der Nichtuntersagung eine Entscheidung trifft, steht dem nicht entgegen. So kann mit dieser auch schlicht die nachgelagerte Feststellung getroffen werden, dass die zuvor bereits ausgeübte Tätigkeit konform mit §§ 6a ff. BMinG erfolgt. Von einer Präventivkontrolle kann dementsprechend keine Rede sein. Letztlich läuft auch das Argument einer „faktischen Genehmigungspflicht“ ins Leere. Dieses basiert auf der Idee, dass ein zwischen dem ehemaligen Regierungsmitglied und seinem neuen Arbeitgeber geschlossener Vertrag schwebend unwirksam sei und beide Parteien dementsprechend von einer Tätigkeitsaufnahme „abgeschreckt“ werden würden.232 Es stimmt zwar, dass ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, das von einer behördlichen Genehmigung abhängt, ohne die Erteilung dieser Genehmigung im Grunde nach § 134 BGB verboten ist.233 Nach dem Vorgesagten ist eine wirksame Vertragsbeziehung zwischen einem ehemaligen Regierungsmitglied und seinem (potenziellen) Arbeitgeber allerdings gerade nicht von einer solchen Genehmigung abhängig; die Tätigkeit kann vielmehr einstweilen genehmigungsfrei aufgenommen werden. Auch das Konstrukt einer faktischen Genehmigungsverpflichtung scheidet dementsprechend aus. Im Übrigen widerspricht dies auch dem Grundsatz der Relativität von Schuldverhältnissen. Die Auslegung der Vorschriften als Genehmigungsverpflichtung ist somit abzulehnen. Statthafte Klageart ist nach dem Vorgesagten die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. b) Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen Abgesehen von der Wahl der statthaften Klageart dürften die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen von etwa Betroffenen problemlos zu erfüllen sein. Die nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis des ehemaligen Regierungsmitglieds ergibt sich aus der Geltendmachung einer möglichen Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten: Zum einen ist das ehemalige Regierungsmitglied Adressat eines belastenden Verwaltungsakts und somit schon nach dem Adressatengedanken234 aufgrund einer möglichen Verletzung in Art. 2 Abs. 1 GG klagebefugt. Zum anderen wird auch eine mögliche, grundrechtliche Verletzung in Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG zumeist nicht evident auszuschließen sein, sodass auch auf diesem Wege die Klagebefugnis begründet werden kann. 231 Entgegen Scheffzyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134. 232 Scheffzyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 134 m.w. N. 233 Wendtland, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, § 134 Rn. 14 sowie BGH, Urt. v. 20.2.1957 – V ZR 125/55, NJW 1957, 830. 234 Statt vieler BVerwG, Urt. v. 15.3.1988 – 1 A 23/85, NJW 1988, 2752, 2753.
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG
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Da das Regierungsmitglied bereits aus der Amtsstellung ausgeschieden ist, kann es sich ohne Weiteres auf Grundrechte berufen. Das sog. „Konfusionsargument“, abgeleitet aus Art. 1 Abs. 3 GG,235 findet insoweit keine Anwendung mehr. Das im Grunde nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO vor Erhebung der Anfechtungsklage stets durchzuführende Vorverfahren ist nach § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 VwGO entbehrlich: Mit der Bundesregierung hat eine oberste Bundesbehörde den Untersagungsbescheid erlassen.236 Gleiches gilt nach § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, wenn die Landesregierung als Untersagungsbehörde auftritt. Das ehemalige Regierungsmitglied hat – mangels Durchführung eines Widerspruchsverfahrens – ferner eine Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Untersagungsbescheids einzuhalten, wie § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO festlegt. Die Bekanntgabe erfolgt nach § 41 Abs. 1 VwVfG gegenüber dem jeweils betroffenen, ehemaligen Regierungsmitglied. Eine öffentliche Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 S. 1 VwVfG i.V. m. § 6b Abs. 4 BMinG, die gem. § 41 Abs. 4 S. 3 VwVfG eine Verschiebung des fristauslösenden Ereignisses zur Folge hätte, ist abzulehnen. § 6b Abs. 4 BMinG bestimmt nämlich nicht, dass die Entscheidung öffentlich bekannt zu geben ist. Vielmehr wird nur festgelegt, dass die bereits getroffene und gegenüber dem ehemaligen Regierungsmitglied verkündete Entscheidung zu veröffentlichen ist. Dieser beachtenswerte Unterschied ergibt sich zum einen aus der transparenzwahrenden Zielrichtung des § 6b Abs. 4 BMinG und zum anderen aus einem Vergleich mit anderen Rechtsvorschriften i. S. v. § 41 Abs. 3 S. 1 VwVfG, die eine öffentliche Bekanntgabe spezialgesetzlich festlegen.237 Fristauslösendes Ereignis ist damit die personenbezogene Bekanntgabe nach § 41 Abs. 1 VwVfG. Die Klage ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen den Bund bzw. das Land Niedersachsen als Rechtsträger der jeweiligen Regierung zu richten. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis wird regelmäßig gegeben sein, da für das betroffene Regierungsmitglied keine einfachere, kostengünstigere oder effektivere Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung besteht. 3. Einstweiliger Rechtsschutz Neben der Einleitung eines Hauptsacheverfahrens besteht für den Adressaten einer Untersagungsverfügung selbstverständlich auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes. Dies sollte insbesondere dann in 235
Insbes. BVerfG, Beschl. v. 2.5.1967 – 1 BvR 578/63, NJW 1967, 1411, 1412. Zur Entbehrlichkeit bei Verwaltungsakten von obersten Bundes- oder Landesbehörden vgl. Rennert, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, § 68 Rn. 25. 237 So bestimmt beispielsweise § 10 Abs. 8 BImSchG als spezialgesetzliche Regelung ausdrücklich, „dass die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann“. An einer vergleichbaren Formulierung fehlt es in § 6b Abs. 4 BMinG. 236
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
Erwägung gezogen werden, wenn der erhobenen Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO mehr zukommt, da diese gem. § 80 Abs. 2 VwGO entfallen ist. In diesem Fall müsste der Betroffene die Untersagungsverfügung trotz Einlegung eines Rechtsbehelfs umgehend befolgen, sodass der bereits einleitend benannte wirtschaftliche Verlustposten zum Tragen kommen würde. Um diesen wirtschaftlichen Verlustposten möglichst gering zu halten, kann in einem solchen Fall für den Betroffenen ein erhebliches Interesse daran bestehen, die aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs anordnen bzw. wiederherstellen zu lassen, um die Tätigkeit einstweilen bis zum Abschluss des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens (weiter) ausüben zu können. Wie einleitend bereits angedeutet, setzt der Eintritt einer solchen Situation jedoch voraus, dass die aufschiebende Wirkung einer gegen die Untersagungsverfügung gerichteten Anfechtungsklage zunächst überhaupt entfallen ist. Es stellt sich somit die Frage, ob und wenn ja, wie ein solcher Wegfall der aufschiebenden Wirkung in der Praxis erfolgen kann. Eine bundesgesetzliche Sonderregelung i. S. d. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 1 VwGO besteht zunächst nicht. Mangels Einschlägigkeit der Nrn. 1 und 2 des § 80 Abs. 2 S. 1 VwGO kann die aufschiebende Wirkung einer erhobenen Anfechtungsklage daher nur dann entfallen, wenn die Regierung im Einzelfall die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO konkret anordnet. Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung muss nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ein öffentliches Interesse daran bestehen, den Verwaltungsakt in Form der Untersagungsverfügung alsbald zu verwirklichen. Anerkannt ist hierbei einhellig, dass es sich bei diesem öffentlichen Interesse grundsätzlich um ein besonderes öffentliches Interesse handeln muss, welches über das Erlassinteresse hinausgeht.238 Dieses besondere Vollzugsinteresse ist im Wege der umfassenden Interessenabwägung zu ermitteln, wobei die für den Sofortvollzug sprechenden Interessen der Allgemeinheit einerseits und das Aufschubinteresse des Rechtsbehelfsführers andererseits miteinander abzuwägen sind.239 Soll im Falle einer Untersagungsverfügung i. S. d. § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG bzw. § 7 Abs. 3 S. 1 NdsMinG das besondere Vollzugsinteresse begründet werden, besteht prima facie durchaus die Gefahr der Überlagerung von Erlass- und Vollzugsinteresse. Dies gilt zumindest für den Fall, in dem sich die Argumentation der Regierung darauf beschränkt, festzustellen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung unerlässlich erscheint, um eine weitere Ausübung der 238 Vgl. in der Literatur etwa Gersdorf, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, § 80 Rn. 99; Hoppe, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rn. 44 sowie Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rn. 205 oder in der Rechtsprechung BVerfG, Beschl. v. 28.3.1985 – 1 BvR 1245/84, 1 BvR 1254/84, BVerfGE 69, 233, 245. 239 Hierzu VGH Kassel, Beschl. v. 26.7.1994 – 4 TH 1779/93, NVwZ 1995, 922 oder VGH Mannheim, Beschl. v. 5.8.1970 – V 531/70, DVBl 1970, 743, 744.
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG
207
nachamtlichen Tätigkeit und damit eine andauernde Integritätsschädigung zu unterbinden. Hiermit wäre erneut vollständig das Erlassinteresse abgebildet. Dies gilt selbst für den „argen“ Fall, in dem die Regierung von einer besonders schwerwiegenden Beeinträchtigung öffentlicher Interessen ausgeht und so das besondere Vollzugsinteresse begründet. Hier wird die Regierung die Untersagungsverfügung in der Regel auch auf eine entsprechend lange Karenzzeit nach § 6b Abs. 2 S. 2 BMinG bzw. § 7a Abs. 4 S. 2 NdsMinG ausgedehnt haben, sodass auch dann nur erneut das Erlassinteresse abgebildet wäre. Gleichwohl wird es der Regierung durchaus möglich sein, eine sofortige Vollziehbarkeit wirksam anzuordnen: In gewissen Konstellationen ist anerkannt, dass das Erlassinteresse das Vollzugsinteresse zumindest teilweise decken darf (sog. „Teilidentität“). 240 Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Gesetzeszweck ohne Anordnung der Vollziehung nicht erreicht werden kann.241 Beispielhaft sei hier auf den behördlichen Praxisvollzug von Karenzzeitvorgaben im Beamtenrecht verwiesen. So kann die Untersagung der Erwerbstätigkeit von Ruhestandsbeamten innerhalb der Karenzzeit von fünf Jahren nach § 41 BeamtStG bzw. § 105 Abs. 2 BBG wirksam mit einer entsprechenden Anordnung zur sofortigen Vollziehung versehen werden. Hier rechtfertigt die Besorgnis der Beeinflussung dienstlicher Interessen nicht nur den Erlass der Verfügung, sondern regelmäßig auch den Sofortvollzug, da der Regelungsadressat durch die Ausschöpfung aller Rechtsbehelfsmöglichkeiten die Wirkung der Untersagung infolge unumkehrbaren Zeitablaufs ins Leere laufen lassen könnte. Damit wäre ein entsprechender Ansehensverlust für den öffentlichen Dienst verbunden, der nicht mehr im Klageverfahren rückgängig zu machen wäre.242 Ganz ähnlich liegt es in der untersuchungsgegenständlichen Konstellation. Auch hier wäre es einem ehemaligen Regierungsmitglied möglich, die angeordnete Untersagungsverfügung durch die Einlegung entsprechender Rechtsmittel in zeitlicher Hinsicht auszuhebeln und somit den Gesetzeszweck ad absurdum zu führen. Dementsprechend kann die Regierung eine entsprechende Vollziehungsanordnung mit vorgenannter Argumentation wirksam schriftlich (vgl. § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO) begründen und anordnen. Hierauf kann das ehemalige Regierungsmitglied dann mit der Einreichung eines entsprechenden Antrags nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO, gerichtet auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, reagieren.
240 Gersdorf, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, § 80 Rn. 104; Hoppe, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rn. 46; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rn. 206. 241 Funke/Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rn. 44. 242 Vgl. hierzu OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.6.2010 – 5 ME 78/10, BeckRS 2010, 50687.
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
4. Umfang der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Untersagungsentscheidung: Beurteilungsspielraum und Ermessen Materiell-rechtlich wird sich das zuständige Gericht damit befassen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Im Zentrum dieser gerichtlichen Prüfung steht zum einen die Nachprüfung der Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe auf Tatbestandsseite, sowie zum anderen der behördlichen Ermessensentscheidung. Zumindest letztere Überprüfung kann eindeutig am Maßstab des § 114 S. 1 VwGO erfolgen; das Gericht kann das der Regierung nach § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG bzw. § 7a Abs. 3 S. 1 NdsMinG („Ob“) sowie § 6b Abs. 2 BMinG bzw. § 7a Abs. 3 S. 1 und 2 NdsMinG („Wie“) eingeräumte Ermessen auf Ermessensfehler überprüfen. Weniger eindeutig ist hingegen die Beantwortung der Frage, inwieweit das zuständige Gericht auch die Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ sowie „Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Regierung“ auf Tatbestandsseite von § 6b Abs. 1 BMinG sowie § 7a Abs. 3 NdsMinG überprüfen kann. Zumindest dem Grunde nach unterliegen unbestimmte Rechtsbegriffe zwar auch der vollständigen gerichtlichen Kontrolle; dies ergibt sich bereits aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG.243 Diese vollständige gerichtliche Kontrolle ist jedoch bei sog. „Beurteilungsermächtigungen“ einzuschränken. Hierbei handelt es sich um Normen, die einer Behörde in einem konkreten Fall einen Beurteilungsspielraum darüber einräumen, ob bestimmte gesetzliche Voraussetzungen gegeben sind.244 Es stellt sich die Frage, ob § 6b BMinG und § 7a NdsMinG der jeweiligen Regierung einen solchen Beurteilungsspielraum einräumen und sich damit die gerichtliche Kontrolle einer Untersagungsentscheidung auf Beurteilungsfehler verengt. Grundsätzlich muss hierfür eine rechtliche Ausgestaltung und eine sachliche Rechtfertigung im Sinne einer „Doppelgliedrigkeit“ vorliegen, die wiederum eine Einschätzungsprärogative nach Maßstab des Art. 19 Abs. 4 GG begründet.245 Anders gewendet ist ein Beurteilungsspielraum immer dann anzunehmen, wenn unbestimmte Rechtsbegriffe wegen ihrer erhöhten Komplexität oder außerordentlichen Dynamik der geregelten Materie so nebulös und ihre Konkretisierung in der retrospektiven Überprüfung der Verwaltungsentscheidung so schwierig ist, dass die gerichtliche Kontrolle an ihre natürlichen Funktionsgrenzen stößt.246 243 Vgl. z. B. BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 und 213/83, BVerfGE 84, 34 sowie BVerfG, Beschl. v. 5.2.1963 – 2 BvR 21/60, BVerfGE 15, 275. 244 BVerwG, Urt. v. 13.12.1979 – 5 C 1.79, BVerwGE 59, 213, 216 ff. 245 Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114 Rn. 305. 246 So etwa BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34 und BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991 – 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87, BVerfGE 84, 59.
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG
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Diesbezüglich sind feststehende Fallgruppen entwickelt worden, bei denen vom Vorliegen einer solchen Beurteilungsermächtigung ausgegangen werden kann: Es handelt sich hierbei um beamtenrechtliche Beurteilungen, prüfungs- und prüfungsähnliche Entscheidungen, prognostische Einschätzungen mit politischem Einschlag, planerische Entscheidungen sowie Wertungen von sachverständigen und pluralistischen Gremien.247 Die Untersagungsentscheidung der Regierung könnte zunächst ihrem äußeren Zuschnitt nach durchaus als Prognoseentscheidung mit entsprechend politischwertendem Beurteilungsspielraum klassifiziert werden. Von einer solchen Prognoseentscheidung ist auszugehen, wenn die Norm ihrer Konzeption nach darauf ausgelegt ist, auf Basis anerkannter Erfahrungssätze von feststellbaren Tatsachen auf den hinreichend wahrscheinlichen Eintritt oder Nichteintritt eines künftigen Sachverhalts zu schließen.248 Hierin erschöpft sich dem ersten Anschein nach die Aufgabe der Regierung als zuständige Untersagungsbehörde i. S. v. § 6b BMinG bzw. § 7a NdsMinG. Sie trifft die Aufgabe, auf Grundlage anerkannter Erfahrungssätze eine Entscheidung darüber zu fällen, ob mit einem nachamtlichen Seitenwechsel das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Regierung gestört werden kann. Somit muss sie im Einzelfall durch Auslegung der in § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BMinG sowie § 7a Abs. 3 NdsMinG verankerten Merkmale auf den Eintritt bzw. Nichteintritt eines bestimmten Sachverhalts schließen. Allerdings führt das schlichte Vorliegen einer Prognoseentscheidung nicht automatisch auch zum Vorliegen einer Beurteilungsermächtigung.249 Vielmehr muss zur Anerkennung einer Prognose- bzw. Beurteilungsermächtigung ein weiteres Element hinzukommen.250 Ein solches zusätzliches Element ist zwar u. a. bei solchen Prognosen gegeben, die sich auf überindividuelle, politische Entscheidungen beziehen.251 Die Übertragung dieser Fallgruppe auf die vorliegende Konstellation erscheint jedoch dennoch problematisch. Die Idee der eingeschränkten Überprüfbarkeit von Prognoseentscheidungen beruht nämlich auf der Überlegung, dass – ausgehend von gegenwärtigen Gegebenheiten in Form der sog. „Prognosebasis“ – das Ergebnis der Prognose mit Hilfe mathematischer Verfahren gewonnen und in einem Zahlenwert ausgedrückt wird. Überprüft wird dann lediglich, ob diese Prognosenbildung nach fachwissenschaftlichen Maßstä-
247 Vgl. zu den Fallgruppen etwa BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 – 1 C 10/88, NVwZ 1991, 268, 269 oder zusammenfassend auch Kment/Vorwalter, Beurteilungsspielraum und Ermessen, JuS 2015, 193, 198 m.w. N. 248 Vgl. insbes. Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 37 oder sehr detailliert auch Brunn, Prognosen mit rechtlicher Bedeutung – Höchstrichterliche Rechtsprechung zu Prognoseentscheidungen durch Gesetzgeber, Verwaltungen und Gerichte, NJOZ 2014, 361, 365 ff. 249 BVerwG, Urt. v. 25.7.1985 – 3 C 25/84, NJW 1986, 796, 797 f. 250 Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114 Rn. 319 m.w. N. 251 BVerwG, Urt. v. 7.10.1988 – 7 C 65.87, BVerwGE 80, 270, 275, 278.
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
ben korrekt erfolgte.252 Ist dies der Fall, kann die Prognose ex-ante nicht mehr als rechtswidrig eingestuft werden, selbst, wenn sie sich nicht bewahrheiten sollte.253 Die Fallgruppe der „Prognoseentscheidungen“ ist damit jedoch primär auf planerisches, behördliches Tätigwerden – wie insbesondere im Umweltrecht254 – zugeschnitten, welches dann (nur noch) nach fachwissenschaftlichen Maßstäben nachvollzogen werden kann. An einem entsprechend fachwissenschaftlich-kalkulierbarem Anknüpfungspunkt fehlt es jedoch im Rahmen von § 6b BMinG und § 7a NdsMinG, sodass zumindest ein prognostischer Beurteilungsspielraum ausscheidet. Ein Beurteilungsspielraum könnte jedoch im Hinblick darauf zu bejahen sein, dass die Untersagungsentscheidung von der Regierung als Kollegialorgan und damit von einem weisungsunabhängigen Gremium entwickelt und ausgesprochen wird. So hat die Rechtsprechung255 Normen insbesondere dann als Beurteilungsermächtigungen eingestuft, wenn die zu treffende Entscheidung in hohem Maße durch wertende Elemente geprägt ist und das Gesetz deshalb ein besonderes Verwaltungsorgan für zuständig erklärt hat, welches weisungsfrei in einem besonderen Verfahren entscheidet. Dies soll insbesondere dann gelten, wenn es sich um ein Kollegialorgan handelt, in dem mögliche Divergenzen bereits im Diskurs zum Ausgleich gebracht werden und die zu treffende Entscheidung somit zugleich versachlicht wird. Ähnlich liegt es auch hier. Die Untersagungsentscheidung kann nur erfolgen, wenn im Rahmen einer wertenden Entscheidung festgestellt worden ist, dass eine „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ durch die nachamtliche Tätigkeit des ehemaligen Regierungsmitglieds droht. Hierfür hat der Gesetzgeber zum einen die Regierung als besonderes Verwaltungsorgan für zuständig erklärt und zum anderen mit §§ 6a–6c BMinG sowie § 7a NdsMinG auch ein besonderes Verwaltungsverfahren für die Untersagung statuiert. Die Regierung als zuständiges Verwaltungsorgan tritt ferner auch als Kollegialgremium auf, wie Art. 65 S. 3 GG und Art. 37 Abs. 2 NV deutlich machen. Meinungsverschiedenheiten werden also bereits im Kabinett erörtert und so weit wie möglich objektiviert; gerade dieser Prozess ist gerichtlich womöglich nur schwer vollumfänglich nachvollziehbar. Dabei agiert insbesondere die Bundesregierung zudem auch weisungsfrei; denn die Empfehlung des beratenden Gremiums nach § 6b Abs. 3 BMinG ist rechtlich nicht bindend, sondern nur unverbindliche Grundlage für die Wer252 Bamberger, in: Wysk, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114 Rn. 14; Decker, in: Posser/Wolff, VwGO, § 114 Rn. 36 f. 253 BVerwG, Urt. v. 29.10.2009 – 3 C 28.08, LKV 2010, 133, 135. 254 Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, § 114 Rn. 151 und Rn. 143 m.w. N. 255 BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 – I C 31.68, BVerwGE 39, 197, 203 sowie BVerwG, Urt. v. 26.11.1992 – 7 C 20/92. BVerwGE 91, 211, 215 f. oder BVerwG, Urt. v. 16.5. 2007 – 3 C 8/06, NJW 2007, 2790, 2792.
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG
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tungsentscheidung. Damit kann der Schluss gezogen werden, dass § 6b Abs. 1 BMinG sowie § 7a Abs. 3 NdsMinG als Beurteilungsermächtigungen ausgestaltet sind.256 Mit diesem soll aber nicht unterschlagen werden, dass der gerichtliche Sachverstand auch zur Beurteilung einer politisch (hoch-)sensiblen Entscheidung durchaus vorhanden wäre – im Gegenteil: Eine Entscheidung eines von der Regierung unabhängigen Gerichts würde in der Sache wohl sogar akzeptanzfördernd wirken und dem in der aktuellen Zuständigkeitsverteilung angelegten257 Vorwurf der „Kumpanei“ 258 entgegenwirken. Dennoch erscheint es nach hier vertretener Auffassung vorzugswürdig, die Entscheidung primär dem originären Sachverstand der Regierung zu überlassen und dafür flankierend ein externes Kontrollgremium einzubinden. Dies entspricht insoweit auch den vergleichbaren Strukturen im Beamtenrecht, wo der Dienstherr über nachamtliche Tätigkeiten von Ruhestandsbeamten „selbstreinigend“ entscheidet.259 Rechtsfolge des vorstehend getroffenen Schlusses ist damit eine entsprechend eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit der Wertungsentscheidung der Regierung. Dies bedeutet, dass die einzelfallbezogene Anwendung und Ausübung der Beurteilungsermächtigung nur im Hinblick auf etwaige Beurteilungsfehler überprüfbar ist.260 Das Gericht kann daher nur überprüfen, ob gültige Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind, die Regierung vom richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, sie den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sie sich bei der Beurteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten und schließlich das Willkürverbot nicht verletzt hat.261 Dies ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs zwingend zu beachten.
II. Rechtsschutz gegen Anzeigeverpflichtung? Des Weiteren stellt sich die Frage, welche Rechtsschutzmöglichkeiten für die von der Anzeigeverpflichtung betroffenen Regierungsmitglieder bestehen. Diese Frage drängt sich allein deshalb auf, weil die Anzeigeverpflichtung in jedem Fall greift, sobald eine nachamtliche Tätigkeit angestrebt wird. Die Untersagung wird jedoch demgegenüber nur im Einzelfall – nämlich bei (potenzieller) Beeinträchtigung öffentlicher Interessen – ausgesprochen werden. Es ist daher davon auszu256 A. A. Scheffczyk, „Karenzzeit“ für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre, ZRP 2015, 133, 135 sowie auch Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 79 f. 257 Siehe hierzu im 2. Kapitel unter C. I. 1. 258 So Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 66 ff. m.w. N. 259 Grzeszick/Limanowski, Nachamtliche Berufsverbote für Politiker, DÖV 2016, 313, 321. 260 Statt vieler nur Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 23. 261 BVerwG, Urt. v. 16.5.2007 – 3 C 8/06, NJW 2007, 2790, 2794.
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4. Kap.: Rechtswissenschaftliche Analyse
gehen, dass das Bedürfnis nach präventiver Vermeidung der Anzeigeverpflichtung quantitativ vermehrt aufkommen wird. Ein solches Bedürfnis könnte sich zudem noch verstärken, wenn Informationen über die neue Tätigkeit gerade nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die angestrebte Beschäftigung in einem hochsensiblen Bereich (z. B. in der Rüstungsindustrie) angesiedelt ist oder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse berührt werden. Vorwegzunehmen ist diesbezüglich, dass Individualrechtsschutzmöglichkeiten gegen einfachgesetzlich statuierte Verpflichtungen grundsätzlich nicht bestehen. Dies ergibt sich schon aus § 93 Abs. 3 BVerfGG: „Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, [. . .]“. Für Betroffene bestünden allerdings dennoch zwei Möglichkeiten, zu einer Inzidentüberprüfung der Norm zu gelangen. Zum einen könnte Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO mit dem Ziel erhoben werden, feststellen zu lassen, dass die im entsprechenden Karenzgesetz geregelte Anzeigeverpflichtung nicht besteht.262 Diese Möglichkeit eröffnet sich insbesondere bei sog. „self-executing“ Gesetzen, wie sie zumindest die jeweiligen, einfachgesetzlichen Anzeigeverpflichtungen darstellen.263 Zum anderen bestünde die Möglichkeit, gegen die Verpflichtung zu verstoßen und die angestrebte Tätigkeit ohne Anzeige aufzunehmen. Dies würde höchstwahrscheinlich eine vorläufige Untersagung der aufgenommenen Tätigkeit für höchstens einen Monat gem. § 6a Abs. 2 S. 3 BMinG bzw. § 7a Abs. 2 S. 3 NdsMinG nach sich ziehen. Mit diesem Vorgehen könnten Betroffene für sich zum einen nutzbar machen, dass das temporäre Berufsverbot de lege lata einzige (rechtliche) Folge des (Anzeige-)Pflichtenverstoßes ist. Die zwangsweise Übermittlung von beruflichen Informationen an den Staat ist hiervon weiterhin nicht umfasst. Zum anderen kann das temporäre Berufsverbot als verwaltungsprozessualer Anknüpfungspunkt genommen werden, denn dieses Verbot wird als Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG ergehen. Gegen diesen belastenden Verwaltungsakt kann Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO erhoben werden. Sollte die Verfügung überdies mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO versehen sein,264 kann die Klage außerdem
262 Vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 23.8.2007 – 7 C 13/06, NVwZ 2007, 1311, 1312. Demnach könne mit der Feststellungsklage begehrt werden, feststellen zu lassen, „dass wegen Ungültigkeit oder Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm kein Rechtsverhältnis zu dem anderen Beteiligten begründet ist“. 263 Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, § 43 Rn. 58b. 264 Dies wird regelmäßig der Fall sein, da ansonsten der Sanktionsmechanismus der vorläufigen Untersagung von Betroffenen durch die Nutzbarmachung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO ausgehebelt werden könnte.
B. Rechtsschutzmöglichkeiten – Art. 19 Abs. 4 GG
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mit einem Antrag zum (Bundes-)Verwaltungsgericht auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO kombiniert werden. Auf beiden genannten Wegen werden Inzidentrechtsschutzmöglichkeiten eröffnet: Sollten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Zweifel an der Verfassungskonformität der gesetzlichen Anzeigeverpflichtung (entweder isoliert oder als tatbestandliche Voraussetzung der temporären Untersagung) aufkommen, kann diese im Wege der Richtervorlage gem. Art. 100 Abs. 1 GG i.V. m. §§ 80 ff. BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden. Sollte dies nicht passieren, können Betroffene gegen die letztinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts zudem eigenständig Rechtsschutz in Form der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i.V. m. §§ 93 ff. BVerfGG ersuchen. Letztere kann auch in ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nach § 32 BVerfGG eingegliedert werden.
III. Ergebnis Sowohl gegen die Untersagungsverfügung im Einzelfall als auch gegen die gesetzliche Verpflichtung zur Anzeige steht etwa Betroffenen ein vielfältiges Instrumentarium an Rechtsschutzmöglichkeiten offen. Bei der Inanspruchnahme letzterer muss auf die vorstehend identifizierten, prozessualen Besonderheiten Acht gegeben werden, die den Karenzgesetzen innewohnen.
5. Kapitel
Reformvorschläge (de lege ferenda) und Schluss Um die Untersuchungen abzuschließen, werden im 5. Kapitel Reformansätze diskutiert, bevor ein Ausblick gewagt und abschließend die Ergebnisse zusammengefasst werden.
A. Reformansätze Mit den vorstehenden Erwägungen ist die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung bzw. sogar die teilweise Verfassungswidrigkeit der untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitgesetze dargelegt worden. Um diesen Schlussfolgerungen nun auch rechtspraktisch gerecht werden zu können, werden im Folgenden entsprechende Reformansätze in den Blickpunkt genommen. Dabei sollen sowohl obligatorische – sprich verfassungsrechtlich notwendige – Reformen diskutiert, als auch fakultative Verbesserungsvorschläge in Ansatz gebracht werden.
I. Obligatorische Reformansätze Sowohl die Bundesregelungen in §§ 6a ff. BMinG, als auch die Regelung auf niedersächsischer Ebene in § 7a NdsMinG sollten diversen obligatorischen Reformen unterzogen werden, um die bestehenden verfassungsrechtlichen Zweifel aufzulösen. Hier ist wiederum zwischen Reformansätzen zu trennen, die übergreifend für beide Karenzzeitgesetze greifen und solchen, die nur normspezifisch wirken. 1. Allgemeine Reformansätze für §§ 6a ff. BMinG und § 7a NdsMinG a) Hinreichende Berücksichtigung der anscheinsbedingten Rechtsnatur der Karenzgesetze durch tatbestandliche Neugestaltung Ein allgemeines Reformanliegen betrifft zunächst die tatbestandliche Schärfung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“, um der anscheinsbedingten Rechtsnatur der Vorschriften auch rechtstechnisch gerecht zu werden. Hierfür gibt der Gesetzgeber der Untersagungsbehörde de facto nur das Merkmal der Sachnähe im Sinne eines einfachen, fachübergreifenden „Tätigwerdens“ an die Hand. Der Aspekt der (auch schon potenziellen) „Integritätsbeeinträchtigung“ ist zudem so abstrakt, dass ihm so gut wie keine Eingrenzungskraft zukommt. Daher trägt die Norm insgesamt das erhebliche Ri-
A. Reformansätze
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siko einer ausufernden und unpassenden, sprich unangemessenen (Gesamt-)Anwendung in sich. aa) Eingrenzung des Merkmals des sachnahen „Tätigwerdens“ Um der somit existenten Gefahr der Ausuferung der Karenzzeitgesetze in generelle Tätigkeitsverbote vorzuwirken, bietet es sich zunächst an, den Begriff des sachnahen „Tätigwerdens“ nach den bundesverwaltungsgerichtlichen Wertungen näher auszukleiden und einzugrenzen. Zugleich kann dabei die notwendige Differenzierung zwischen „Fachkunde“ und „Amtswissen“ erfolgen: § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BMinG-E1 [Von einer Beeinträchtigung öffentlicher Interessen ist insbesondere dann auszugehen], wenn die angestrebte Beschäftigung amtlich erlangte, besonders schutzwürdige Interessen zu berühren droht, mit denen das ehemalige Regierungsmitglied in den letzten vier Jahren vor seinem Ausscheiden nicht nur unerheblich vorbefasst gewesen ist.
Mit diesem gesetzgeberisch fundierten und damit zugleich rechtssicheren Zugriff auf die Materie würde die Untersagungsbehörde dazu veranlasst werden, sich mit den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls unter Berücksichtigung des zeitlichen sowie inhaltlichen Kollisionsaspekts auseinanderzusetzen und damit der Berufsfreiheit des ehemaligen Amtsträgers größtmöglich zur Geltung zu verhelfen. Insbesondere das Merkmal der nicht nur unerheblichen Vorbefassung kann genutzt werden, um Vorgänge im Rahmen der alltäglichen Ressortarbeit, die nicht mit Detailwissen verbunden ist, auszugrenzen. Der Reformansatz würde zudem auch dazu dienen, dem angemahnten Wertungsgefälle entgegenzuwirken. Wie schon erörtert, werden nämlich beispielsweise ehemalige Bundesverteidigungs- oder Bundeswirtschaftsminister ressortbedingt mit überaus sensiblem Amtswissen in Berührung gekommen sein, sodass ein entsprechender Seitenwechsel unter besonderer (auch öffentlicher) Beobachtung stehen wird. Dem wird nun Rechnung getragen, indem das behördlicherseits zu prognostizierende Konfliktpotenzial unter Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürftigkeit dieser Kenntnisse zu ergründen ist. bb) Eingrenzung des Merkmals der „Integritätsschädigung“ Daneben stünde auch die zweite Typisierungsalternative („Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung“) einer Schärfung offen. Da hiervon nach erster, eigener Auslegung vornehmlich Wechsel von Regierungschefs (sprich Bundeskanzler oder Ministerpräsident) umfasst sein könnten, 1 Ein entsprechender Entwurf lässt sich auch auf § 7a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 NdsMinG übertragen, wobei die zeitliche Grenze der Vorbefassung hier u. U. auf fünf Jahre angehoben werden könnte (Dauer einer Legislaturperiode).
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5. Kap.: Reformvorschläge (de lege ferenda) und Schluss
böte es sich an, dies auch entsprechend niederzulegen. Eine Sonderbehandlung ließe sich dabei damit rechtfertigen, dass der Faktor der Sachnähe für Regierungschefs aufgrund ihres übergreifenden Kompetenzzuschnitts wohl nie in letzter Konsequenz greifen würde. Dennoch haben Wechselbestrebungen derselben aufgrund ihrer exponierten Stellung innerhalb der Regierung sogar einen ganz besonderen „Beigeschmack“; der „Böse Anschein“ greift hier also noch einmal verstärkt. Diesem Aspekt könnte mit folgendem, reformatorischem Ansatz entsprochen werden: § 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BMinG-E2 [Von einer Beeinträchtigung öffentlicher Interessen ist insbesondere dann auszugehen], wenn ein besonderer Vertrauensverlust der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung dadurch droht, dass die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler eine sich unmittelbar an das Amt anschließende, nachamtliche Tätigkeit in der Privatwirtschaft aufzunehmen plant.
Losgelöst von dem vorstehenden Punkt will Lange3 in das Merkmal ferner hineinlesen, dass sämtliche Wechsel ehemaliger Amtsträger in Lobbyaktivitäten umfasst seien. Er empfiehlt insoweit eine gesetzgeberische „Klarstellung“. Diesem Reformvorschlag ist aus folgenden Gründen nicht zu folgen: Zum einen haben bereits die rechtssoziologischen Erwägungen zum „Drehtüreffekt“ (in concreto zum „Lobbyverdacht“) gezeigt, dass der tatsächliche Gefahrengrad einer Schädigung im Rechtssinne in diesem Bereich nicht so hoch anzusetzen ist, wie es dem ersten Anschein nach wirken könnte. Dementsprechend erscheint die pauschale Einstufung sämtlicher Lobbyaktivitäten als integritätsgefährdend zu weitgehend. Zum anderen besteht auch keine Notwendigkeit, im hier vorgeschlagenen System eine entsprechende Schärfung in die zweite Typisierung einzufügen. Mit dem vorstehend unterbreiteten Wertungssystem zur Ermittlung von integritätsschädigender Sachnähe wird dieses Problemfeld nämlich auch für den Lobbybereich mithin gänzlich abgedeckt. b) Zeitliches Sperrsystem mit Abstufungen auf Rechtsfolgenseite Ferner könnte auf Rechtsfolgenseite auch an die Implementierung des bereits im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung angedachten, zeitlichen Sperrsystems mit Abstufungen gedacht werden. Dieses würde, wie schon aufgeführt, dazu beitragen, den realpolitischen Verhältnissen besser gerecht zu werden. Zudem stünden der Behörde so weitere, legitimierende Handreichungen für die diffizile Auswahlermessensentscheidung zur Verfügung. Das genaue System kann 2 Auch hier gilt, dass sich der Entwurf auf § 7a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 NdsMinG (dann unter Bezugnahme auf den „Ministerpräsidenten“) übertragen ließe. 3 Lange, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 3 f.
A. Reformansätze
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den umfassenden Erwägungen im Rahmen der Erforderlichkeit entnommen werden.4 c) Passgenaue Kompensation durch Übergangsgeld Des Weiteren sollte auch das bestehende Kompensationsmodell in Form der Fortzahlung des Übergangsgeldes für den Zeitraum der Untersagung überarbeitet werden. Wie die Untersuchungen ergeben haben, ist eine Kompensation zwar verfassungsrechtlich nicht zwingend notwendig, allerdings durchaus empfehlenswert, um die Schwere des Eingriffs abzumildern. Da sich der Gesetzgeber zudem grundsätzlich für eine Kompensation entschieden hat, bietet es sich an, diese nun auch individuell, ja passgenau auszugestalten. Zum einen könnte hier an eine Adaption des Kompensationsmodells angedacht werden, das im EZB-Verhaltenskodex vorgesehen ist. Hier soll nach Art. 17 Abs. 17.4 während der „Cooling-Off“ Zeit durchgehend ein angemessener Ausgleich gezahlt werden, dessen Höhe vom Ethikrat im Wege einer angeforderten Stellungnahme festgesetzt wird. Eine entsprechende Vorgehensweise wäre auch auf nationaler Ebene denkbar, indem das ohnehin schon einzubindende beratende Gremium (als Äquivalent zum o. g. Ethikrat) auch eine Aussage über die Höhe des Ausgleichs trifft. Ein anderer Ansatz könnte darin bestehen, den konkreten hypothetischen Verlustposten in die Kompensation mit einzubeziehen, anstatt eine solche nur über das starre und teleologisch leerlaufende Übergangsgeld bewirken zu wollen. Beispielhaft könnte die Hälfte der Differenz zwischen Übergangsgeld (Mittelwert) und glaubhaft gemachter5 (nachamtlicher) Vergütung zusätzlich angerechnet werden. Für Letztere könnte dabei zudem die Grenze der „marktüblichen Vergütung“ festgelegt werden, um einer Ausuferung der Kompensation vorzubeugen. Um Missbrauch zu vermeiden, bestünde zudem die Möglichkeit, den „Zuschuss“ unter dem Vorbehalt der Rückzahlung zu gewähren, falls die nachamtliche berufliche Tätigkeit tatsächlich nicht aufgenommen wird. § 6d BMinG-E6 1
Wird die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit untersagt, so wird das Übergangsgeld zuzüglich eines finanziellen Ausgleichs für entgangene Erwerbschancen für die Dauer der Untersagung gewährt. 2Der Ausgleich beläuft sich der Höhe nach auf die Hälfte der Differenz zwischen dem zu beziehenden Übergangsgeld im Mittel, sowie der glaubhaft in Aussicht gestellten, im Höchstmaß jedoch marktüblichen Vergütung. 3 Die Ausgleichszahlung ist zu erstatten, wenn und soweit die angestrebte Tätigkeit 4
Vgl. hierzu im 4. Kapitel unter A. I. 2. b) bb) (3) (c). Der in Aussicht gestellte Vergütungswert könnte etwa durch Vorlage einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Niederschrift oder sogar notariellen Beurkundung beglaubigt werden. 6 Eine Implementierung dieses Reformansatzes in § 7a Abs. 5 NdsMinG bietet sich entsprechend an. 5
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nach Ablauf der Karenzzeit nicht angetreten wird. 4Ein weitergehender Anspruch nach § 14 Abs. 1 S. 2 BMinG bleibt unberührt.
Insgesamt erscheint es für die Bestimmung eines passgenauen Ausgleichs maßgeblich, eine Über- oder Unterkompensation zu vermeiden. Erstere kann in einer vollständigen Aufstockung des Übergangsgeldes gesehen werden. Ein solch umfassender Ausgleich ist abzulehnen, da ebenfalls die Gefahr eines gesellschaftlichen Akzeptanzdefizits besteht, falls das nachamtliche „Gehalt“ die amtsbegleitenden Bezüge übersteigen sollte. Es könnte der Eindruck entstehen, der Staat müsse sich die Verschwiegenheit ehemaliger Regierungsmitglieder „erkaufen“. Überdies würde eine Vollkompensation wohl auch mit dem Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit konfligieren. Andererseits ist auch eine Unterkompensation nicht erstrebenswert. Hiermit liefe der Staat Gefahr, insbesondere potenzielles, hochqualifiziertes politisches Personal aus der Wirtschaft „abzuschrecken“. Es droht damit eine fachliche Verarmung des politischen Personalwesens – denn zumindest der voramtliche Seitenwechsel wird nach allgemeiner Ansicht durchaus qualifikationsfördernd zu bewerten sein. Mit den vorstehenden Ansätzen könnte der wirtschaftlichen und karrieristischen Fortentwicklung des ehemaligen Regierungsmitglieds entsprechend Rechnung getragen werden – weg von einer zumutbaren Fortzahlung der Bezüge, hin zu einem zumutbaren Ausgleich für ein Berufsverbot.7 2. Normspezifische Reformansätze für § 7a NdsMinG Überdies sollte § 7a NdsMinG im Speziellen einigen verfassungsrechtlich obligatorischen Reformen unterzogen werden. Zum einen ist hier die Implementierung eines beratenden Gremiums nach Bundesvorbild8 dringend anzuraten. Wie bereits die anwendungsorientierte Analyse der Vorschriften gezeigt hat, ist ohne ein entsprechendes Gremium eine schlichte Verlagerung des Akzeptanzdefizits auf das untersagende Organ – also die Landesregierung – zu erwarten. Die Vorschaltung eines bestenfalls parlamentarisch gewählten, diskontinuierlich konzipierten Gremiums mit externen Sachverständigen, die eine Einschätzung der Sach- und Rechtslage vornehmen und eine später zu veröffentlichende Empfehlung für die Entscheidung der Landesregierung abgegeben, könnte einen höheren Legitimations- und Akzeptanzgrad der Entscheidung auf Kosten eines nur unwesentlich höheren Verwaltungsaufwandes 7 So etwa von Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 11 gefordert. 8 Die einzige Ausnahme bei einer Übernahme könnte insoweit darin bestehen, dass das beratende Gremium nicht etwa durch die Landesregierung, sondern vielmehr vom Parlament (aus-)gewählt wird. Dies würde eindeutig der gesellschaftlichen Akzeptanz des Gremiums zu Gute kommen.
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mit sich bringen. Überdies würden auf diesem Wege Risiken ausgeglichen werden, die in einem häufig gemischt-parteipolitisch besetzten Kollegialorgan kraft Natur der Sache bestehen und womöglich die Objektivität der Entscheidung gefährden.9 Zum anderen sollte § 7a NdsMinG umgehend mit einer Übergangsklausel für ehemalige Regierungsmitglieder versehen werden, um dem rückwirkenden Anwendungsbereich der Vorschrift gerecht zu werden. Die Vorschrift bezieht – wie schon erläutert – in ihren Abs. 1–3 nämlich auch „ehemalige“ Regierungsmitglieder in die Anzeigeverpflichtung sowie die Untersagungsmöglichkeit ein. Diesem Aspekt muss aus verfassungsrechtlicher Perspektive auch normtechnisch Rechnung getragen werden.
II. Fakultative Reformansätze Des Weiteren lassen sich auch einige fakultative Reformansätze für die untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitgesetze 10 diskutieren, also solche, die verfassungsrechtlich zwar nicht zwingend geboten, aber der gleichmäßigen und fehlerfreien Rechtsanwendung der Karenzgesetze dennoch dienlich sein könnten. 1. Zeitliche Schärfung und kompetenzielle Erweiterung der Karenzgesetze Zunächst könnten die Reformbestrebungen dafür genutzt werden, weitere Ungereimtheiten auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite auszuräumen. Hier sind insbesondere drei Ansätze hervorzuheben. Erstens sollte die Regelung auf Bundesebene in § 6a Abs. 1 sowie § 6b Abs. 1 S. 1 BMinG – nach dem Vorbild Niedersachsens – nicht mehr von einem „Ausscheiden aus dem Amt“ sprechen, sondern vielmehr auf das (faktische) „Ende des Amtsverhältnisses“ abstellen. So würde deutlich gemacht werden, dass es für den Beginn der Karenzzeitperiode nicht auf die rechtliche, sondern die faktische Niederlegung des Amtes ankommt – sprich eine etwaige Interimstätigkeit nicht auf die Karenzzeit anzurechnen ist. Damit würde auch dem Willen des Gesetzgebers rechtstechnisch entsprochen werden.11 Zweitens könnte auch den übrigen Unklarheiten in zeitlicher Hinsicht, die sich auf die konkrete Bemessung der Untersagungsdauer beziehen, ebenfalls mit einer tatbestandlichen Schärfung entgegengetreten werden.12 Empfehlenswert wäre die 9
Vgl. hierzu im 2. Kapitel unter C. I. 1. Die Vorschläge beziehen sich grundsätzlich ebenfalls auf die Regelungen in §§ 6a–6d BMinG sowie auf die in § 7a NdsMinG. Sollte dies im Einzelfall nicht beabsichtigt sein, wird entsprechend sprachlich differenziert. 11 Vgl. hierzu insgesamt im 4. Kapitel unter A. I. 2. b) aa) (2) (b). 12 Vgl. hierzu ebenfalls im 4. Kapitel unter A. I. 2. b) aa) (2) (a). 10
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Implementierung der Klarstellung, dass eine Untersagung generell nur „bis zum Ende der Anzeigeverpflichtung“ ausgesprochen werden kann. Ein Beispiel kann insoweit in § 105 Abs. 2 BBG gesehen werden. Die Vorschrift bemisst auf diesem Wege zwar die Untersagungsdauer insgesamt, was im spitzenpolitischen Bereich pauschalisierend nicht sinnig ist. Diese Formulierung ermöglicht allerdings zumindest die präzise Bestimmung der absoluten zeitlichen Grenze, was insoweit übernommen werden sollte. Drittens und letztens kann zudem angedacht werden, auch den Übergangszeitraum zwischen Anzeige und Untersagung mit einer kompetenziellen Erweiterung der Untersagungsbehörden abzudecken. So haben die Untersuchungen ergeben, dass gerade der Übergangszeitraum zwischen beiden Phasen bei der gewählten rechtstechnischen Ausgestaltung als Anzeigeverpflichtung mit Verbotsvorbehalt ein gewisses Risikopotenzial birgt.13 Diesem Problem kann relativ einfach – ohne Ummünzung der Rechtsnatur der Karenzgesetze in ein Präventivverbot – mit einer vorübergehenden Untersagungsmöglichkeit entgegengewirkt werden: Sollte beispielsweise die angestrebte Tätigkeit nach summarischer Wertung als besonders integritätsgefährdend einzustufen sein, könnte der Regierung die Kompetenz zugestanden werden, diese zumindest vorübergehend (also bis zum Abschluss des Untersagungsverfahrens) zu verbieten. Dabei bestünde ohne Weiteres die Möglichkeit, den Zeitraum der vorübergehenden Untersagung später auf die gesamte Untersagungsdauer anzurechnen oder bei Nichtuntersagung entsprechend zu entschädigen. Eine solche Regelung würde erheblich zur weitergehenden Geeignetheit und Erforderlichkeit der Karenzgesetze beitragen. Zu weitgreifend wäre es hierbei jedoch, mit der Untersagung auch den zivilrechtlichen Vertragsschluss zu erfassen.14 Ein solch umfassender Eingriff in die Privatautonomie der ehemaligen Amtsdiener wäre weder von der öffentlich-rechtlichen Natur der Karenzregelung umfasst noch zweckdienlich oder verhältnismäßig. 2. Ausweitung der Anzeigeverpflichtung? Auch stellt sich die Frage, ob womöglich die inhaltliche Tragweite der Anzeigeverpflichtung reformiert werden sollte. An dieser wird teilweise Kritik geübt: In § 6a Abs. 1 BMinG sei nur festgelegt, dass eine Anzeige zu erfolgen habe, jedoch nicht, welche inhaltlichen Standards diese Anzeige erfüllen müsse. Es sei wünschenswert, wenn speziell Angaben zu obligatorischen Bestandteilen der Anzeigeverpflichtung erhoben werden würden. Relevant seien insbesondere Informationen bezüglich der Intensität des amtsbegleitenden Kontakts zum potenziel-
13
Hierzu im Wesentlichen im 2. Kapitel unter C. I. 2. So etwa gefordert von Lange, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 6. 14
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len Arbeitgeber, der möglichen Betroffenheit von Amtsgeheimnissen, etwaigen Maßnahmen zur Wahrung der Verschwiegenheit sowie Vergütungsfragen.15 Die Idee der umfassenden inhaltlichen Ausweitung der Anzeigeverpflichtung erscheint einerseits zwar theoretisch sinnvoll, um eine sachgerechte behördliche Entscheidung unter Berücksichtigung aller Informationen des Einzelfalls treffen zu können. Andererseits muss in die Erwägungen auch einbezogen werden, dass sich die Anzeigeverpflichtung aufgrund ihrer objektiv berufsregelnden Tendenz bereits als nicht nur unerheblicher Eingriff in die Grundrechte des ehemaligen Amtsträgers aus Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Will man die Anzeigeverpflichtung nun in eine Anzeige- und Informationsverpflichtung ummünzen, dürften die Anforderungen an eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung deutlich steigen. Dies gilt umso mehr, weil sich die Informationsverpflichtung auch auf Interna wie Angaben zur Vergütung oder zur Vertragsanbahnung erstrecken soll. Mit dem frühzeitigen Offenlegen derartiger Informationen wäre zudem häufig eine öffentliche Vorverurteilung des Wechselvorhabens verbunden, mit der wiederum eine Voreingenommenheit der Entscheidungsgremien einhergehen kann. Überdies ist streitbar, ob die vorgeschlagene Ausweitung noch mit dem Sinn und Zweck des § 6a BMinG im Einklang steht. So dient die Anzeigeverpflichtung in ihrem Schwerpunkt der Inkenntnissetzung der Bundesregierung.16 Diese Inkenntnissetzung soll wiederum eine Entscheidungsgrundlage für die Bundesregierung als zuständige Untersagungsbehörde bilden. Nach entsprechender amtlicher Kenntnisnahme und erster Einschätzung der Sachlage kann sie daraufhin festlegen, ob sie ein Verwaltungsverfahren zur etwaigen Untersagung der angestrebten beruflichen Tätigkeit einleitet. Die angestrebte Informationsverpflichtung setzt hingegen an anderer Stelle an und bewirkt letztlich eine Vorverlagerung des Untersuchungsgrundsatzes sowie eine Umkehr der Beweislast. So sollen demnach bereits vorab umfassende, unter Umständen sogar „selbstbelastende“ Angaben mit der Behörde geteilt werden. Dies kann jedoch nicht Aufgabe des (potenziellen) Adressaten eines temporären Berufsverbots sein. Vielmehr muss die Bundesregierung selbst nach der Entscheidung über das „Ob“ der Einleitung für die Ausermittlung entsprechender Informationen von Amts wegen sorgen, wie auch § 24 VwVfG deutlich macht. Die verpflichtende Mitwirkung an der vorgeschlagenen „präventiven“ Ausermittlung und damit unter Umständen auch an einer etwaigen Negativentscheidung erscheint aber nicht nur rechtsstaatlich zweifelhaft, sondern auch praktisch kaum umsetzbar: Auch wenn im Extremfall tatsächlich ein intensiver, amtsbe15 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 8. Eine entsprechende Übertragung der Erwägungen auf die Landesregelung in § 7a Abs. 1 und 2 NdsMinG ist ohne Weiteres möglich. 16 Hierzu im 4. Kapitel unter A. I. 1. b) aa) (2).
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gleitender Kontakt unter Verwertung von Amtswissen stattgefunden haben sollte, würde dies zum einen wohl nicht ohne Weiteres vom ehemaligen Regierungsmitglied offengelegt werden. Zum anderen ist in bestimmten Fällen eine Ausermittlung auch gar nicht notwendig, wenn und soweit nach erster Einschätzung der Sachlage gar kein Interessenkonflikt droht. Hier würde eine starre und über eine Anzeigepflicht weit hinausreichende Informationsverpflichtung die Grundrechte der Betroffenen nicht nur unerheblich mehr belasten. Daher erscheint es insgesamt sachgerechter, die Anzeigeverpflichtung ihrer Natur nach unangetastet zu lassen und bei hinreichenden Anhaltspunkten die konkrete Sachlage nach Verfahrenseinleitung im Wege der Amtsermittlung aufzudecken. 3. Veröffentlichung (auch) der Empfehlung? Ein weiteres potenzielles Reformfeld betrifft die Frage nach der Veröffentlichung der empfehlenden Stellungnahme des beratenden Gremiums nach § 6b Abs. 3 BMinG. So wird teilweise kritisiert, das Gesetz regele nicht eindeutig, ob nur das Ergebnis der Empfehlung oder auch die entsprechende Empfehlungsbegründung neben der Entscheidung der Bundesregierung zu veröffentlichen sei. Die Offenbarung letzterer sei aus Transparenzgesichtspunkten zwar einerseits sinnvoll, andererseits müsse auch der Schutz vertraulicher bzw. sensibler Daten gewährleistet sein, was bei einer Vorabveröffentlichung der Empfehlungsbegründung problematisch sei.17 Zu begutachten ist daher, ob hier reformatorisch angesetzt werden sollte. Beleuchtet man die Frage zunächst rechtsdogmatisch, bleibt Folgendes festzuhalten: Bei der Entscheidung der Bundesregierung handelt es sich um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG. Dieser Verwaltungsakt ist nach § 39 Abs. 1 VwVfG zu begründen und gem. § 41 Abs. 1 VwVfG demjenigen gegenüber bekannt zu geben, sprich zu veröffentlichen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Bei der Empfehlung handelt es sich demgegenüber nicht um einen Verwaltungsakt im vorgenannten Sinne. Es liegt zwar eine hoheitliche Maßnahme des Gremiums als Behörde i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG im Einzelfall des jeweils ausscheidenden Regierungsmitglieds vor. Die Maßnahme verlässt allerdings nie den verwaltungsinternen Bereich, sodass ihr jedenfalls keinerlei Außenwirkung zukommt. Daraus folgt, dass die Empfehlung zumindest nicht nach § 39 Abs. 1 VwVfG zu begründen ist.18 Damit entfällt auch eigentlich der Anknüpfungspunkt für die Veröffentlichung, denn die Vorschrift findet keine Anwendung. 17 Michael, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre, S. 10. 18 So auch Tenner, Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft, 2021, S. 53.
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§ 6b Abs. 3 S. 2 BMinG bestimmt zwar spezialgesetzlich, dass die Empfehlung dennoch mit einer Begründung zu versehen ist; wie aber die rechtssystematische Stellung zu § 6b Abs. 3 S. 3 BMinG deutlich macht, handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine Begründung i. S. v. § 39 Abs. 1 VwVfG, die gegenüber einem etwaigen Adressaten bei Veröffentlichung zu erfolgen hat. Vielmehr handelt es sich auch hier um eine nichtöffentliche Begründung gegenüber der Bundesregierung. Festzuhalten bleibt daher, dass das Gesetz eigentlich mehr oder weniger eindeutig die nicht-öffentliche Abgabe der Empfehlungsbegründung bestimmt. Abgesehen von diesen rechtsdogmatischen Erwägungen ist davon auszugehen, dass sich ohnehin in der Begründung der Entscheidung der Bundesregierung auch die Empfehlungsgründe des Gremiums widerspiegeln werden. Indiz hierfür ist bereits § 6b Abs. 4 BMinG selbst, nach dem die Entscheidung der Bundesregierung „unter Mitteilung der Empfehlung des beratenden Gremiums“ zu veröffentlichen ist. Hauptsächlich streitet hierfür jedoch § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG. Bei der Empfehlung handelt es sich nämlich mithin um einen „tatsächlichen Grund“, der kraft Gesetzes (vgl. § 6b Abs. 3 S. 1 BMinG) in die abschließende Entscheidung der Bundesregierung einzufließen hat und somit auch in die Begründung aufzunehmen ist. Durch Veröffentlichung dieser abschließenden Entscheidung, sprich des begründeten Verwaltungsaktes, wird also bereits hinreichend Transparenz generiert, um Legitimation und Rechtsschutz zu gewährleisten. Somit besteht insgesamt nicht die Notwendigkeit für die Implementierung der Verpflichtung, die Empfehlungsbegründung des Gremiums separiert zu veröffentlichen. 4. Implementierung einer Freiberuflerklausel? Ferner ist als fakultativer Reformansatz auch die Implementierung einer sog. „Freiberuflerklausel“ – etwa nach Hamburger Vorbild – zu empfehlen. So bestimmt § 9a Abs. 3 HmbSenatsG, dass die entsprechenden Regelungen in den Berufsordnungen zur Vermeidung von Interessenkollisionen bei der Wahl einer freiberuflichen, nachamtlichen Tätigkeit zu beachten sind und zudem den Karenzregelungen vorgehen. Dies erscheint sachgerecht und angemessen. Auch die Rückkehr in die Freiberuflichkeit wird für ehemalige Amtsträger eine ernsthafte Option darstellen, insbesondere, wenn eine solche vor Amtsantritt bereits ausgeübt worden ist. Zieht man hier das wohl gängigste Beispiel des selbständigen Rechtsanwalts heran, würden insbesondere die Vorschriften über Tätigkeitsverbote bei Vorbefassung nach § 45 BRAO i.V. m. § 3 BORA als Lex specialis greifen.19 Auch wenn § 45 19 Wie Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, auf S. 417 f. darstellt, können die Berufspflichten aus § 43a Abs. 1, 2 und 4 BRAO nachamtlichen Interessenkonflikten allerdings nicht ausreichend entgegentreten.
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Abs. 1 Nr. 4 BRAO dabei keine Anwendung finden kann,20 wäre es dem ehemaligen Amtsträger insbesondere nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 BRAO untersagt, in derselben Sache tätig zu werden, in der er bereits als Angehöriger des öffentlichen Dienstes tätig war. Tut er es doch, liegt in dem Tätigwerden eine Pflichtverletzung i. S. v. § 3 BORA, die wiederum nach §§ 113, 114 BRAO mit einer anwaltsgerichtlichen Maßnahme belangt werden kann. Zwar verfolgen die angesprochenen Standesregelungen der Berufsordnungen nicht primär das Ziel der Integritätswahrung des ehemaligen staatlichen Anstellungsorgans oder die Wahrung von Amtsgeheimnissen – vielmehr soll die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege bewahrt werden. Auch die berufsrechtlichen Vorgaben zielen allerdings darauf ab, der Gefahr von Interessenkollisionen und dem hieraus resultierenden Risiko von Vertrauensverlusten zu begegnen.21 Hiermit wird faktisch auch die Zielsetzung von Karenzgesetzen abgedeckt.22 Damit erscheint es insgesamt durchaus sinnvoll, die sachnähere Rechtsmaterie für nachamtliche Freiberufler vorrangig anzuwenden.
B. Ausblick Die Untersuchungen haben als zentralen Aspekt herauskristallisiert, dass die besondere, anscheinsgeprägte Natur des „Drehtüreffekts“ ein verstärktes Bedürfnis nach einem klaren rechtlichen Rahmen für nachamtliches Tätigwerden mit sich bringt. Mutmaßungen, die nicht auf validierten Tatsachengrundlagen, sondern zumeist auf schlichten Verdachtsmomenten beruhen, kann nur auf diesem Wege begegnet werden. Nur mit Rechtssicherheit und Transparenz lässt sich auch nachhaltig das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität staatlicher Spitzenpositionen so weit wie möglich bewahren. Der Gesetzgeber auf Bundes- und Länderebene hat grundsätzlich den richtigen Weg eingeschlagen, indem er von seiner in diesem Bereich existenten Kompetenz Gebrauch gemacht und die bestehenden, durchaus weiten verfassungsrechtlichen sowie einfachgesetzlichen Spielräume für ehemalige Spitzenpolitiker mit den kodifizierten Karenzzeitvorgaben zunächst einmal verengt hat. Ob diese Verengung in der gewählten Form gelungen, der Gesetzgeber dem „Drehtüreffekt“ also effektiv entgegengetreten ist, bleibt jedoch abzuwarten. Eine gesicherte Empirie liegt diesbezüglich noch nicht vor. Zum aktuellen Zeitpunkt kann für eine 20 Hierzu ebenfalls Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 418 m.w. N. 21 Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung: BRAO, § 45 Rn. 2. 22 A. A. Buß, Kompatibilitätsregeln für Angehörige der Legislativ- und Exekutivorgane im Mehrebenensystem, 2019, S. 419, die Karenzzeitvorschriften auch für die Wahl nachamtlicher, freier Berufe als Lex specialis ansieht und dies u. a. mit einem Verweis auf die Bundesregelungen belegt, in denen eine entsprechende Klausel nicht aufgenommen worden ist.
B. Ausblick
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überschlägige Evaluation der gesetzgeberischen Anstrengungen vielmehr nur auf die öffentliche Rezeption derjenigen Seitenwechsel (ehemaliger) Spitzenpolitiker abgestellt werden, die unter Beachtung der seit 2014 flächendeckend eingeführten Karenzzeitvorgaben erfolgten – denn genau dieses „Vertrauen der Allgemeinheit“ sollte schließlich geschützt werden. Hier wären – als entsprechend polarisierend – beispielsweise die nachamtlichen Wechselbestrebungen von Sigmar Gabriel (Bundesaußen- und Bundeswirtschaftsminister a. D.) oder Brigitte Zypries (Bundeswirtschaftsministerin a. D.) in die Wirtschaft in den Jahren 2019/2020 zu nennen, die trotz erfolgter Anzeige und sogar Untersagung im Falle Gabriels23 nicht unbedingt positiv aufgenommen worden sind.24 Vielmehr dominierte in der Presseberichterstattung, insbesondere im Falle Gabriels, weiterhin das Bild vom mehr oder weniger skrupellosen Politiker, der nun nachamtlich seine Stellung als Regierungsmitglied a. D. meistbietend versteigern würde.25 Diese ersten „kontrollierten Seitenwechsel“ vermögen zwar noch kein abschließendes Bild über die Effektivität der eingeführten Karenzzeiten zu zeichnen, können jedoch als Gradmesser für den vorzunehmenden Ausblick bereits herangezogen werden. So zeigt sich, dass die von Seiten des Gesetzgebers abgezielte „Vertrauenssteigerung“ kaum wirklich messbar ist; es handelt sich bei der ausgerufenen Zielsetzung überspitzt formuliert um ein „Fass ohne Boden“. „Vertrauen“ und „gesellschaftliche Akzeptanz“ sind anders gewendet irrationale und wankelmütige Faktoren, die auch von schlichter Antipathie gegenüber bestimmten Akteuren getragen werden können und häufig losgelöst von der tatsächlichen oder rechtlichen Faktenlage stehen.26 Das Ziel des Vertrauensschutzes
23 Hierzu Bericht auf „tagesschau.de“ vom 16.8.2019, online abrufbar unter der URL https://www.tagesschau.de/inland/gabriel-bundesregierung-103.html, zuletzt abgerufen am 11.5.2020. 24 Vgl. hierzu etwa Artikel in „Spiegel Online“ vom 1.6.2018, online abrufbar unter der URL https://www.spiegel.de/politik/warum-sigmar-gabriel-und-brigitte-zypries-jetztnicht-kasse-machen-duerfen-a-00000000-0002-0001-0000-000157647569, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. 25 So etwa in Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24.1.2020, online abrufbar unter der URL https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gabriel-aufsichtsrat-deutschebank-1.4770052, zuletzt abgerufen am 10.5.2020. Gabriels Übergang wird sogar – trotz Wahrung der einschlägigen Vorschriften aus dem BMinG – mit Seitenwechseln ehemaliger Spitzenpolitiker gleichgesetzt, die noch den „unkontrollierten Seitenwechsel“ vollzogen. Vgl. hierzu Artikel in „Der Spiegel“ vom 24.1.2020, online abrufbar unter der URL https://www.spiegel.de/wirtschaft/sigmar-gabriel-gerhard-schroeder-roland-kochdiese-politiker-sind-in-die-wirtschaft-gegangen-a-a427f207-92d7-4834-b74e-1d520e7b6 a31, zuletzt abgerufen am 11.5.2020. 26 So war beispielsweise im Falle der nachamtlichen Beratertätigkeit von Sigmar Gabriel von März bis Mai 2020 für die Tönnies Holding ApS & Co. KG sogar zu beobachten, dass sich Antipathien gegenüber einer ganzen Branche schnell und unabhängig von der Wahrung der Karenzzeit auch personell auf das ehemalige Regierungsmitglied übertragen können. Vgl. hierzu statt vieler etwa Artikel von „PANORAMA“ vom 2.7.2020, online abrufbar unter der URL https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2020/Gekauft-
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der Bevölkerung in die Integrität der Regierung darf daher nicht als eine Art Generalrechtfertigung ohne Augenmaß herangezogen werden. Hier droht die bereits jetzt in Ansätzen greifbare, verfassungswidrige Bürde ehemaliger Spitzenpolitiker mit ausufernden Karenzzeiten oder sogar dauerhaften Berufssperren. Vertrauensschutz „um jeden Preis“ kann es zumindest verfassungsrechtlich nicht geben. Noch drastischer formulieren es Grzeszick und Limanowski27, die anmahnen, dass weiterreichende Regelungen sogar kontraproduktiv seien, da so den „übermäßigen und pauschalen Vorwürfen gegenüber Politikern weiter Vorschub geleistet werden würde“. Vielmehr ist zu empfehlen, die Regulierungen im nachamtlichen Bereich zwar durchaus weiter zu optimieren, indem der Prozess hin zu einem möglichst transparenten, objektiven und rechtssicheren Kontrollsystem mit Kompensationsoption unter Berücksichtigung der genannten Reformansätze weiter fortgeschritten wird. Diese Bestrebungen müssen dabei jedoch in dem Bewusstsein erfolgen, dass nachamtliche Seitenwechsel stets auch kritische Stimmen und damit partielle Vertrauensschäden hervorrufen werden. Dies wird auch mit Karenzzeiten nicht vollumfassend zu verhindern sein; vielmehr liegt ein solches Phänomen wohl in der Natur der Gesellschaft selbst. Dem Gesetzgeber kommt hier die Aufgabe zu, sich nicht zum Spielball dieser insbesondere auch politischen Strömungen machen zu lassen, sondern weiterhin auf einen proportionalen, ja verhältnismäßigen Ausgleich zu pochen. Dieses Verständnis hat sich bei übergreifender Sichtung noch nicht vollumfänglich durchgesetzt, womit ein großes Risikopotenzial einhergeht. Unbedingt zu vermeiden ist nämlich ein Ausufern der Karenzgesetze in Regulierungen mit Sanktions- oder sogar Strafcharakter, die sich von ausschließlich subjektiv-moralischen Empfindungen, losgelöst von der tatsächlichen Verdachtstiefe, leiten lassen. Um den Ausblick im Lichte der vorstehenden, mahnenden Worte zu beenden, soll erneut von Arnim rekurriert werden, der 2006 feststellte, dass der mit einem nachamtlichen Seitenwechsel verbundene, böse Schein „völlig unabhängig von den zugrunde liegenden Tatsachen und ihrer Beweisbarkeit“ Schädigungswirkung für das ehemalige Anstellungsorgan entfalten würde.28 Gerade dieser fehlende Tatsachen- und Beweisbezug zeugt jedoch davon, dass die Regulierung im Bereich nachamtlicher Seitenwechsel durch Karenzgesetze einen überaus schwierigen Drahtseilakt darstellt, der einen Übertritt in die eine oder auch in die andere Richtung auf vielen Ebenen provoziert.
Sozialdemokrat-Gabriel-beriet-Fleischmogul-Toennies,toennies138.html, zuletzt abgerufen am 13.7.2020. 27 Grzeszick/Limanowski, Nachamtliche Berufsverbote für Politiker, DÖV 2016, 313, 322. 28 von Arnim, Nach-amtliche Karenzzeiten für Politiker, ZRP 2006, 44, 45.
C. Schluss
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C. Schluss Abschließend lassen sich die wesentlichen Untersuchungserkenntnisse der Arbeit wie folgt thesenhaft bündeln: 1. Die Entscheidung über die Ausübung einer nachamtlichen Tätigkeit ist für aktuelle und ehemalige Regierungsmitglieder mit den Novellierungen des BMinG und (einiger) Landesministergesetze in die Hand der jeweiligen Regierung als zuständige Untersagungsbehörde gelegt worden. Letztere entscheidet zumindest auf Bundesebene auf Empfehlung eines beratenden Gremiums, was insoweit in diesem Bereich eine neuartige Entscheidungssystematik abbildet. 2. Das hinter Karenzzeitvorgaben für Spitzenpolitiker stehende Regulierungsziel lässt sich auf das sozialwissenschaftlich bekannte Phänomen des „Drehtüreffekts“ rückführen, das auch entsprechend für Spitzenpositionen in der Justiz, abgeschwächt jedoch für repräsentative Spitzenämter greift. Bei normativ-empirischer Wertung des Drehtüreffekts tritt dieser rechtswissenschaftlich vor allem als „Böser Anschein“, anders gewendet als „Verdacht“ oder „Besorgnis“ der Vermischung dienstlicher und privater Interesse durch die Verfolgung nachamtlicher Erwerbschancen, zutage. Hierbei handelt es um ein Regulierungsziel mit anscheinsbedingter Natur, wobei der Anschein im Regelfall als gesellschaftlicher Automatismus und damit häufig losgelöst von der tatsächlichen oder rechtlichen Faktenlage entsteht. Der Rechtsnatur des Regulierungsziels ist einfachgesetzlich sowie verfassungsrechtlich mit einer Gewichtung der Tragfähigkeit des jeweiligen Verdachtsaspekts hinreichend Rechnung zu tragen. 3. Einfachgesetzliche Karenzzeitvorgaben lassen sich verfassungsrechtlich an die Inkompatibilitätsvorschriften (insbesondere Art. 66 GG) rückkoppeln, da diesen (a) teleologisch eine Distanzforderung auch für den nachamtlichen Bereich entnommen werden kann und diese (b) für eine zumindest einfachgesetzliche Erweiterung offen stehen. Eine unmittelbare sowie auch analoge Anwendung der verfassungsrechtlichen Inkompatibilitäten auf den nachamtlichen Bereich ist hingegen mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut sowie den darin begründeten Anwendungsbereich abzulehnen. 4. Bei der praktischen Ausgestaltung von einfachgesetzlichen Karenzzeitregelungen bestehen folgende Schlüsselstellen: (a) Wahrung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen hinreichender Bestimmtheit der Vorschriften als gesetzgeberische „Handreichung“, die die zu treffende Entscheidung der Regierung akzeptanzfördernd legitimiert, einerseits, Einräumung eines der Regierung verbleibenden Ermessensspielraums, um der besonders grundrechtssensiblen Entscheidung auch im Einzelfall gerecht werden zu können, andererseits; (b) Einbindung eines – wenn möglich parlamentarisch gewählten und mit Externen besetzten – beratenden Gremiums als legitimierendes Korrektiv; (c) Absicherung der Übergangsphase zwischen Anzeige und etwaiger Untersagung einer nachamt-
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5. Kap.: Reformvorschläge (de lege ferenda) und Schluss
lichen Tätigkeit; sowie (d) Implementierung einer passgenauen Kompensationsregelung. 5. Die vorzugswürdige Regulierungsart stellt auf nationaler Ebene die einfachgesetzliche Aufstellung von Karenzzeitregelung dar. Die Selbstregulierung in Form von Verhaltenskodizes kann mangels Nachwirkung bei diskontinuierlich besetzten Gremien und Organen sowie im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtsformstrenge kein taugliches Alternativmittel abbilden. Überdies öffnen selbstgewählte Statusregelungen „Tür und Tor“ für Missbrauch. Anders ist dies auf europäischer Ebene zu beurteilen, wo „Soft Law“ als Steuerungsform zumindest gewohnheitsrechtlich eindeutig anerkannt ist und entsprechend nutzbar gemacht werden kann. 6. Bei der Ersuchung von Rechtsschutz ist zu beachten, dass (a) gegen eine Untersagung auf Grundlage eines Karenzzeitgesetzes die Anfechtungsklage gegen den Einzelakt vor dem jeweils zuständigen Verwaltungsgericht die statthafte Klageart darstellt, (b) die Behörde die Untersagung mit einer Anordnung zur sofortigen Vollziehung versehen darf, im Rahmen derer sich das Erlassinteresse ausnahmsweise zumindest zum Teil mit dem Vollzugsinteresse decken darf, (c) die behördliche Auslegung und Anwendung des Begriffes der „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ gerichtlich nur auf Beurteilungsfehler überprüft werden kann sowie (d) die Überprüfung der Anzeigeverpflichtung nur im Wege des Inzidentrechtsschutzes durch Feststellungklage oder bei Verstoß gegen diese möglich ist. 7. Die untersuchungsgegenständlichen Karenzzeitgesetze stellen in ihrer Einzelfallanwendung Eingriffe insbesondere in das Grundrecht des ehemaligen Regierungsmitglieds aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) dar. Diese Eingriffe verfolgen zwar einen legitimen Zweck, jedoch ist für die Regelungen auf Bundesebene insbesondere aufgrund der identifizierten, vom Gesetzgeber jedoch ignorierten Wechselwirkung zwischen Unbestimmtheit und anscheinsbedingter Rechtsnatur, wegen der mangelnden Differenzierung zwischen „Amtswissen“ und „Fachkunde“ sowie aufgrund der mangelnden Kompensation ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, insbesondere das Übermaßverbot anzumahnen. Ein solcher Verstoß tritt im Übrigen auch bei Analyse der landesrechtlichen Regelung in Niedersachsen – dort jedoch unheilbar – zu Tage; hier fehlt es mangels Einbindung eines beratenden Gremiums bei der Entscheidungsfindung zudem schon an der Geeignetheit dieser. 8. Insgesamt begründen die aufgeführten verfassungsrechtlichen Zweifel die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Karenzzeitgesetze, um eine Vereinbarkeit insbesondere mit der im nachamtlichen Bereich grundsätzlich volle Wirksamkeit entfaltenden Berufsfreiheit ehemaliger Amtsträger aus Art. 12 Abs. 1 GG zu gewährleisten. Diese ist zumindest bei den Bundesregelungen in §§ 6a ff. BMinG auch noch möglich. Entsprechendes gilt jedoch nicht
C. Schluss
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auch für die niedersächsische Landesregelung in § 7a NdsMinG, da die sich auf die ganze Norm auswirkenden, übergreifenden Zweifel an der Verhältnismäßigkeit sowie der Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot eine solche Auslegung unmöglich machen. 9. Die entwickelten Reformansätze ermöglichen eine einfache, rechtssichere und aufwandsgeringe Anpassung der untersuchungsgegenständlichen Vorschriften, mit denen die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit letztendlich vollumfänglich ausgeräumt werden könnten. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf ist demnach durchaus zu konstatieren. 10. Absolute Regulierungsgrenze von Karenzzeitvorgaben bleibt die anscheinsbedingte Rechtsnatur derselben. Diese trägt die Gefahr eines Ausuferns der Gesetze in generelle Tätigkeitsverbote mit Sanktionscharakter in sich, begründet durch die Aufweichung der gesetzgeberisch in Anklang gebrachten, unbestimmten Merkmale der „Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ bzw. des „Vertrauens der Allgemeinheit“ als Einfallstore. Einer derartigen „moralischen Verwässerung“, die auf einem launenhaften, heterogenen öffentlichen Meinungsbild über ehemalige Spitzenpolitiker beruht, gilt es vorzubeugen. 11. Insgesamt stellt sich die gesetzliche Ausformung von Karenzzeiten daher als eine schwierig zu vollziehende Gratwanderung dar: Einerseits muss der Gesetzgeber die unbestimmten Rechtsbegriffe auf Tatbestandsseite so weit wie möglich konkretisieren, um einer Ausuferung der Regelungen in generelle Tätigkeitsverbote vorzubeugen und zudem auch rechtssichere und insbesondere in der Gesellschaft und bei den ehemaligen Regierungsmitgliedern akzeptierte Entscheidungen zu ermöglichen. Andererseits muss er der Regierung aber auch genug Entscheidungsspielraum lassen, um der grundrechtlichen Relevanz des Eingriffs gerecht zu werden.
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Sachwortverzeichnis Amtswissen 150, 187 ff. Anzeigeverpflichtung 31 ff., 66 ff., 73 f., 133, 160 f., 211 ff., 220 Beratendes Gremium 37 f., 68 ff., 161 f. – Empfehlung 36 f. – Veröffentlichung 36 f., 222 f. Bestimmtheit 138 ff. Beurteilungsspielraum 208 ff. Böser Anschein 84 f., 99 f., 100 ff., 103 ff., 150 f. Drehtüreffekt 79 ff. Drei-Stufen-Theorie 153 ff. Eingriff 131 ff. – Additiv 136 f. – Kumulativ 136 f. – Qualität 132 ff. Ermessen 34 ff., 208 ff. Fachkunde 97 ff., 187 ff. Freiberuflerklausel 223 f. Inkompatibilitäten 105 ff. Karenzzeitvorgaben 30 ff. – der Länder 38 ff. – des Bundes 30 ff. – des Landes Niedersachsen 40 ff.
Rechtsschutz 199 ff. – einstweiliger 205 ff. – Rechtsweg 200 ff. – Sachentscheidungsvoraussetzungen 202 ff. – Zuständigkeiten 202 Reformvorschläge 214 ff. Rückwirkungsverbot 191 ff. Schutzbereichseröffnung 129 ff. Selbstregulation 43 ff., 162 ff. Soft Law 61 ff. Übergangsgeld 38, 70 ff., 74, 76 f., 189 f., 217 f. Untersagung 33 ff., 132 f., 139 ff., 141 ff., 159 f., 161, 168 ff., 199 ff., 208 ff. Untersagungsorgan 33, 64 ff., 72 f. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 137 ff. Verhaltenskodizes 43 ff. – der Europäischen Kommission 48 ff. – der EZB 52 f. – der Niedersächsischen Landesregierung 46, 54 ff. – des BVerfG 43 ff., 60 ff. – des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs 46 – rechtliche Qualität 53 ff., 162 ff. Verhältnismäßigkeit 149 ff. Vollzug 157 ff.